Pure Corruption – Verloren in der Dunkelheit - Pepper Winters - E-Book

Pure Corruption – Verloren in der Dunkelheit E-Book

Pepper Winters

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Beschreibung

Ist er ihre Rettung oder ihr Verderben?

Sie hat alles verloren: ihre Freiheit, ihren Namen und ihre Vergangenheit. Ohne Erinnerung an ihr Leben und mit der Gewissheit, geradewegs in der Hölle auf Erden gelandet zu sein, sieht sie ihn: Arthur Killian, Anführer der Bikergang Pure Corruption - und ihr Kidnapper. Sie sollte vor ihm fliehen, solange sie noch kann. Doch etwas in seinem Blick weckt in ihr das Verlangen, dem Mann mit den stechend grünen Augen näher zu kommen ...

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Inhalt

Zu diesem BuchTitelWidmungProlog1234567891011121314151617181920212223242526PlaylistDie AutorinDie Romane von Pepper Winters bei LYXImpressum

Zu diesem Buch

Ihre Hände sind gefesselt, die Augen verbunden. Um sie herum tobt das Chaos, Schüsse fallen. Verzweifelt versucht sie sich daran zu erinnern, wie sie in diese Lage gekommen ist, wo sie ist und vor allem wer sie ist. Doch so sehr sie sich auch bemüht, kann sie sich an nichts erinnern. Sie sollte Angst verspüren, vor ihren Entführern flüchten oder sich zur Wehr setzen. Doch als ihr die Augenbinde abgenommen wird, blickt sie in die stechend grünen Augen eines Mannes und fühlt eine Verbundenheit, die sie sich nicht erklären kann. Denn Arthur »Kill« Killian ist der Anführer der Bikergang Pure Corruption – und ihr Kidnapper! Sie sollte vor ihm fliehen, solange sie noch kann. Und dennoch ist da etwas in seinem Blick, das sie um jeden Preis ergründen muss, um Licht in ihre Dunkelheit zu bringen …

PEPPER WINTERS

Pure Corruption

Verloren in der Dunkelheit

Roman

Ins Deutsche übertragen von Stefanie Pannen

Für diejenigen, die von Beginn an bei mir waren.Ihr wisst, wer ihr seid.

Prolog

Wir trafen uns in einem Albtraum.

In der Zwischenwelt, wo die Zeit keine Macht über Zeit, Raum und Kausalität hatte. Wir trafen uns. Wir sahen einander an. Wir wussten es.

Es gab keine Verzerrung durch die Außenwelt. Kein Richtig oder Falsch. Keine Verwirrung und keinen Kampf zwischen Herz und Verstand.

Nur uns. In unserer stillen Traumwelt.

Dieser Albtraum wurde zu unserem Zuhause. Wir pflanzten Geister, ernteten Fantasien. Ineinander verschlungen in unserer fröhlich verzerrten Realität.

Wir verliebten uns ineinander. Hals über Kopf.

In diesen flüchtigen Sekunden unseres Albtraums lebten wir eine Ewigkeit.

Doch dann erwachten wir.

Und es war vorbei.

1

Ich habe immer geglaubt, dass das Leben diejenigen belohnt, die sich als besonders würdig erweisen. Wie verdammt naiv ich war. Das Leben belohnt nicht – es zerstört. Es zerstört diejenigen, die am würdigsten sind, und nimmt ihnen alles. Es nimmt alles und sieht dabei zu, wie jede noch verbliebene Güte zu Hass verrottet.

Kill

Dunkelheit.

Das war jetzt meine Welt. Im übertragenen und wörtlichen Sinn.

Mein Hinterkopf schmerzte, wo man mich bewusstlos geschlagen hatte. Meine Handgelenke und Schultern schmerzten, weil ich gefesselt auf dem Rücken lag.

Nichts war gebrochen – zumindest fühlte es sich nicht so an –, aber ich war am ganzen Körper grün und blau. Die Benommenheit verschwand allmählich, die Nebel der Bewusstlosigkeit teilten sich, und ich versuchte etwas Licht auf das zu werfen, was geschehen war. Aber es gab kein Licht. Meine verbundenen Augen blinzelten in die endlose Dunkelheit. Die beklemmende Tatsache, dass mir eine so fundamentale Fähigkeit wie das Sehen genommen worden war, drehte mir den Magen um.

Ich bewegte mich nicht, doch innerlich katalogisierte ich meinen Körper, von meinen Zehenspitzen bis zu jeder einzelnen Haarsträhne auf meinem Kopf. Mein Kiefer und meine Zunge schmerzten von dem schmutzigen Lappen, den man mir in den Mund gestopft hatte, und meine Nase ließ einen flachen Luftstrom herein – gerade genug, um mich am Leben zu halten.

Nackte Angst wollte sich in meinem Verstand ausbreiten, aber ich schob sie weg. Ich unterdrückte die Panik, um meine missliche Lage zu beurteilen, anstatt mich im Entsetzen zu verlieren.

Angst ist niemals hilfreich, sondern hält nur auf.

Langsam kamen meine Sinne wieder, so zögerlich, als hätten sie Angst, dass die Person, die sie mir gestohlen hatte, ihre Rückkehr bemerken würde.

Hören: das Quietschen von Bremsen, das Knarren eines anhaltenden Wagens.

Fühlen: Die Haut an meinem rechten Unterarm pulsierte mit einer Mischung aus Wundheit und Aufmerksamkeit. Vielleicht eine Verbrennung?

Riechen: muffiges faulendes Gemüse und der durchdringende Geruch von Angstschweiß – aber es war nicht meiner. Es war ihrer.

Ich war nicht die Einzige, die entführt wurde.

Mein Herz raste, als es ihr Entsetzen wahrnahm. Es beschleunigte meinen Atem und ich verspürte in meinen Beinen den Drang, wegzulaufen. Ich zwang mich, die Außenwelt zu ignorieren, und konzentrierte mich auf mein Inneres. Dort umklammerte ich meine innere Stärke, wo Gelassenheit kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit war.

Ich widerstand dem Drang, mich in einem Meer von Tränen zu verlieren. Verzweiflung war ein Fluch, dem ich mich nicht ergeben würde, denn ich hatte die Absicht, auf das, was als Nächstes passieren mochte, vorbereitet zu sein.

Ich hasste das Schniefen und erstickte Schluchzen. Ihre trostlose Traurigkeit drohte mir das Herz zu zerreißen.

Steh das hier erst selbst durch, dann kannst du dir Sorgen um andere machen.

Ich glaubte nicht, dass es sich hierbei um eine spontane Entführung handelte. Wer mich auch geraubt haben mochte, hatte es geplant. Die Ahnung wurde stärker, während ich nach Spuren von Alkohol oder Zigarettenrauch haschte.

War ich auf einer Party gewesen? In einem Nachtclub?

Nichts.

Ich war weder dumm noch sorglos gewesen. Glaube ich …

Ich fand keine Hinweise darauf, wo ich gewesen war oder was ich getan hatte, als sie mich geholt hatten.

Ich wand mich und versuchte, mich von dem Gestank abzuwenden. Meine auf dem Rücken gefesselten Handgelenke protestierten, als sich das Seil tiefer in mein Fleisch fraß. Meine Rippen und mein Kopf schrien vor Schmerzen auf. Meine Fesseln hatten kein Spiel. Ich beendete den Versuch, mich zu bewegen, und schonte meine Kraft lieber.

Ich versuchte zu schlucken.

Keine Spucke.

Ich versuchte zu sprechen.

Keine Stimme.

Ich versuchte mich zu erinnern, was passiert war.

Ich versuchte mich zu erinnern …

Panik.

Nichts.

Ich kann mich nicht erinnern.

»Steh auf, Schlampe«, sagte ein Mann. Etwas stieß mich in die Rippen. »Ich sag’s nicht noch mal. Los.«

Ich erstarrte, während mich mein Verstand von der Gegenwart in die Vergangenheit katapultierte.

»Ich werde dich so sehr vermissen«, schluchzte sie und umarmte mich fester.

»Ich bin doch nicht aus der Welt.« Ich versuchte mich zu lösen und sah über meine Schulter auf die Anzeigetafel, wo neben meinem Flug LETZTERAUFRUF stand. Ich hasste es, spät dran zu sein. Wobei auch immer. Ganz zu schweigen von meiner einzigen Chance, zu entkommen und ein für alle Mal die Wahrheit herauszufinden.

»Ruf mich an, sobald du angekommen bist.«

»Versprochen.« Ich schlug ein Kreuz über meinem Herzen –

Die Erinnerung zersprang in tausend Scherben, als mein liegender Körper plötzlich aufgerichtet wurde.

Wer war dieses Mädchen? Warum hatte ich keine Erinnerung daran, dass es geschehen war?

»Ich sagte, steh auf, Schlampe.« Der Mann schnaufte in mein Ohr und eine Wolke seines stinkenden Atems hüllte mich ein. Die Augenbinde stahl mir zwar die Sicht, ließ meine Nase aber unbedeckt.

Leider.

Der Mann schubste mich vorwärts. Der Boden unter meinen Füßen war fest. Die Mischung aus Übelkeit und Verwirrung verblasste und ließ mich kalt zurück.

Meine Beine stolperten in die Richtung, die er mir vorgab. Ich hasste es, in der Dunkelheit herumgestoßen zu werden, nicht zu wissen, woher ich kam oder wohin ich getrieben wurde. Es waren keine beruhigenden Geräusche oder unterdrücktes Lachen zu hören. Dies war kein »Blinde Kuh«-Spiel.

Das hier war echt.

Es ist echt.

Mein Herz raste schneller, und die Angst drang durch meine Abwehr. Aber die schiere Panik wich weiter zurück. Schlüpfrig wie ein Silberfischchen, immer gerade jenseits der Grenzen meines Verstands.

Ich war dankbar dafür. Dankbar, dass ich mir einen Rest von Würde bewahrt hatte – stark blieb, selbst im Angesicht unbekannter Schrecken, die jenseits meiner Augenbinde lauerten.

Das Stöhnen und Wimmern der anderen Frauen schwoll an, während Männer ihnen befahlen, dem Pfad zu folgen, den ich zuvor gegangen war. Ganz gleich, was an seinem Ende lag, Verdammnis oder Erlösung, ich hatte keine andere Wahl, als mich langsam vorwärts zu schieben und meine vergessene Vergangenheit zurückzulassen.

Ich wollte die Teile durch pure Willenskraft wieder zusammensetzen. Ich flehte das Puzzle meiner Vergangenheit an, sich zusammenzufügen, um diese schreckliche Welt zu verstehen, in der ich aufgewacht war.

Aber mein Gedächtnis war mir verschlossen. Eine Festung, die mir alles vorenthielt, was ich wissen wollte.

Als ich nicht länger herumgestoßen wurde, blieb ich stehen.

Ein großer Fehler.

»Weiter.« Ein Schlag gegen meinen Hinterkopf ließ mich vorwärtstaumeln. Ich blieb nicht wieder stehen. Meine nackten Füße berührten … Holz?

Nackte Füße?

Wo sind meine Schuhe?

Das fehlende Wissen drehte mir den Magen um.

Woher bin ich gekommen?

Wie bin ich hier gelandet?

Wie heiße ich?

Es war nicht der Schrecken der unbekannten Zukunft, der mir meine falsche Gelassenheit nahm. Es war die Angst, mein Ich zu verlieren. Sie hatten mir alles gestohlen. Meine Triumphe, meine Niederlagen, meine Leistungen und Fehlschläge.

Wie sollte ich mit dieser neuen Welt umgehen, wenn ich nicht wusste, wo meine Stärken lagen, um zu überleben? Wie konnte ich darauf hoffen, meine Feinde zu besiegen, wenn mein eigener Verstand rebellierte und mich ausschloss?

Wer bin ich?

Mein Selbst ausgelöscht? Undenkbar.

»Schneller, Schlampe.« Etwas Kaltes drückte sich in meinen Rücken und schob mich vorwärts. Die Hände auf dem Rücken zusammengebunden, schlurfte ich schneller und tat mein Bestes, um die Unebenheiten im Boden auszugleichen.

»Da runter.« Der Mann packte meine gefesselten Handgelenke und gab mir etwas, gegen das ich mich lehnen konnte, während meine Zehen über die kleinen Stufen vor mir navigierten.

»Noch mal.«

Ich gehorchte.

»Noch eine.«

Ich schaffte es die Stufen hinunter, ohne auf mein Gesicht zu fallen.

Mein Gesicht.

Wie sehe ich aus?

Vor mir erklang ein lautes schabendes Geräusch. Ich wich zurück und stieß gegen eine weitere weibliche Gestalt. Die Frau hinter mir schrie auf – der erste Laut von einer der anderen.

»Weiter.« Wieder spürte ich den Druck im Kreuz, und ich gehorchte. Ich bewegte mich Zentimeter für Zentimeter weiter, bis die muffige, nach altem Gemüse riechende Luft abgelöst wurde von … Kupfer, Metall … Blut?

Warum … warum kommt mir das so bekannt vor?

Ich schnappte nach Luft, als mein Verstand in eine weitere Erinnerung stürzte.

»Ich kann das nicht.« Ich eilte zum Papierkorb im Klassenzimmer und übergab mich. Der unverkennbare Geruch von Blut drehte mir den Magen um.

»Denken Sie nicht zu viel darüber nach. Es ist nicht das, was Sie mit dem Tier machen, um es bluten zu lassen. Sondern das, was Sie machen, damit es lebt.« Mein Professor wartete kopfschüttelnd darauf, dass ich mir den Mund abwischte und mit kreidebleichem Gesicht zu der Operation zurückkehrte, an der ich gerade teilnahm.

Mein Herz zerbrach wie ein Stück Glas, während ich über das Mitleid und die Verantwortung nachdachte, die ich für eine so unschuldige Kreatur empfand. Dieser kleine Welpe, der in eine Plastiktüte gesteckt und zum Sterben weggeworfen worden war, nachdem jemand mit einem Luftgewehr auf ihn geschossen hatte. Er würde nur dann überleben, wenn es mir gelang, seine inneren Blutungen einzudämmen und meiner Berufung zu folgen.

Ich atmete den Geruch des Blutes ein, ließ ihn sich in meiner Nase einnisten, meine Kehle hinabfahren und meine Seele durchdringen. Ich trank seine kupferne Essenz. Ich tränkte mich mit dem Geruch tierischer Lebenskraft, bis er mich nicht mehr beeinträchtigte.

Schließlich nahm ich ein Skalpell in die Hand und sagte: »Ich bin bereit.«

»Verdammte Scheiße.« Der Mann, der mich vorantrieb, schlug mir gegen meinen Rücken. Der Schmerz ließ mich stolpern.

»Wire – schick sofort Verstärkung her. Er hat einen verdammten Krieg begonnen!«

Ein Luftzug und Bewegungen von Körpern umfingen mich, als Männer hinter mir vorbeirannten. Die Dunkelheit, in der ich lebte, war plötzlich mit Geräuschen erfüllt.

Kugeln schwirrten umher und bohrten sich scheppernd in Metall. Querschläger hallten mir in den Ohren. Jemand fluchte, andere stöhnten schmerzerfüllt auf.

Jemand packte mich am Arm und zog mich zur Seite. »Runter!« Der Schwung brachte mich aus dem Gleichgewicht. Da meine Hände zusammengebunden waren, hatte ich nichts, um mich festzuhalten, keine Möglichkeit, mich vor einem Sturz zu bewahren.

Ich fiel.

Mir wurde übel, als ich von einer kleinen Plattform taumelte und auf den Boden stürzte.

Feuchtes Gras und Blätter ersetzten den Geruch von Blut, drängten sich durch die übersättigte Schärfe verschütteten Metalls. Ich riss den Mund auf und ächzte vor Schmerz. Grashalme kitzelten meine Lippen, als meine Wange in den Schlamm gedrückt wurde.

Meine Schulter schrie vor Schmerz, aber ich ignorierte die neue Verletzung. Meine Gedanken klammerten sich an die befreite flüchtige Erinnerung an meinen Beruf.

Ich bin Tierärztin.

Das Gefühl des Heimkehrens und der Sicherheit, die mir dieser kleine Informationsschnipsel brachte, war unbezahlbar. Meine Seele lechzte nach weiteren fehlenden Informationen.

Ich war von umhertastender Ungewissheit zum Hunger nach mehr übergegangen.

Sag es mir! Zeigt es mir. Wer bin ich?

Innerlich forschte ich nach weiteren Hinweisen. Aber es war, als würde ich versuchen, einen flüchtigen Traum zu erhaschen, der umso schneller verblasster, je mehr ich ihm nachjagte.

Ich hatte alles über Medizin oder wie man heilte vergessen. Alles was ich wusste war, dass ich an den Geruch von Blut gewöhnt war. Ich hatte keine Angst davor. Mir wurde nicht schlecht, und ich verlor auch nicht das Bewusstsein, wenn ich sah, dass es aus einer offenen Wunde strömte.

Dieses winzige Wissensbruchstück war genug, um meine kribbelnden Nerven zu beruhigen und mich wieder auf die Außenwelt zu konzentrieren.

Schlachtrufe. Männer, die herumbrüllten. Knurrten. Dumpfe Schläge von Fäusten gegen Fleisch und das entsetzliche Widerhallen von Schüssen.

Ich verstand es einfach nicht. War ich durch die Zeit gefallen und in einer anderen Dimension gelandet?

Ein anderer Körper landete auf meinem.

Ich schrie auf, als mir ein Ellbogen in die Rippen stieß.

Die Gestalt rollte sich leise weinend von mir herunter. Eine Frau.

Warum weine ich nicht?

Wieder suchte ich in meinem Inneren nach Angst. Es war nicht natürlich, keine Angst zu haben. Ich war entführt worden und allein inmitten eines Krieges aufgewacht, und doch hyperventilierte ich nicht und geriet auch nicht in Panik.

Meine Ruhe war wie eine Droge, die mich durchflutete und die Krassheit meiner Situation dämpfte. Es wäre zu ertragen, wenn ich mutig war und das Wissen umarmte, dass ich stark war.

Dankbar für den Gedanken, ballte ich die Hände zu Fäusten. Ich mochte nicht wissen, wer ich war, aber das spielte keine Rolle, weil die Person, die ich in diesem Moment war, die wichtigste Rolle spielte.

Ich musste so zweigeteilt bleiben, um durchzustehen, was noch passieren würde. Ich hatte nichts außer meinem Bauchgefühl, stiller Stärke und Rationalität. Alles andere war mir genommen worden.

»Hört auf zu kämpfen, ihr verdammten Idioten!«

Die männliche Stimme, die ich soeben gehört hatte, erinnerte mich an das Grollen eines Erdbebens und ließ den Kampf mit einem Mal verstummen. Wem diese Stimme auch gehören mochte, er besaß Macht.

Immense Macht. Kolossale Macht.

Ein Schauer lief mir über die Haut.

»Was zum Teufel ist hier los? Habt ihr alle euren gottverdammten Verstand verloren?«, rief ein Mann.

Das Geräusch eines kurzen Faustkampfs, dann stieg mir der frische Geruch von aufgeworfener Erde in die Nase.

»Es ist vorbei. Lasst die Waffen fallen und kniet nieder.« Das gleiche Erdbeben wie zuvor dröhnte. Die Wucht seines Befehls zwang mich fester gegen den feuchten Boden.

»Auf keinen Fall, du Arschloch. Du bist nicht mein Prez!«

»Doch, das bin ich. Seit vier Jahren.«

»Bist du nicht. Du bist seine Bitch. Bilde dir bloß nicht ein, dass dir seine Macht gehört.«

Ein weiterer Kampf – gedämpfte Faustschläge und Tritte. Doch es endete schnell mit einem schmerzerfüllten Ächzen.

Wieder ertönte die Erdbebenstimme. »Mach die Augen auf und folge dem verdammten roten Fluss. Der Kerl, den ihr auserwählt habt, um mich zu beseitigen und den Club zu übernehmen, ist tot. Ist euch jemals in den Sinn gekommen, dass Wallstreet mich aus einem bestimmten Grund zum Prez gemacht hat?«

Ein weiteres Ächzen.

»Ich bin der Auserwählte. Ich bin der, der die Familiengeheimnisse kennt, das Vermächtnis übernommen und sich seine Macht erarbeitet hat. Du hast keine Ahnung. Niemand hat eine Ahnung. Also knie nieder und erweise mir verdammt noch mal Respekt.«

Mir lief ein weiterer Schauer über den Rücken.

Es folgte Stille, abgesehen vom Geräusch von Stiefeln auf Matsch und schwerem Atmen. Dann fluchte jemand leise. »Du wirst sterben. So oder so, wir werden keinen Dagger als Prez akzeptieren. Wir sind die gottverdammten Corrupts. Uns einem Verräter zu unterwerfen ist ein verdammter Witz.«

»Ich bin der Verräter? Der Mann, der eurem Anführer gehorcht? Der euch an seiner Stelle führt? Ich soll der Verräter sein, während du versuchst, meine Brüder gegen mich aufzuhetzen?« Ein schwerer Faustschlag traf auf Fleisch. »Nein … nicht ich bin der Verräter. Sondern du.«

Mein Verstand raste und versuchte, das Gehörte mit wilden Schlussfolgerungen zu verarbeiten. War dies der dritte Weltkrieg? War das die Apokalypse des Lebens, an das ich mich nicht mehr erinnern konnte? Doch wie ich die Eindrücke auch zusammensetzte, es ergab keinen Sinn.

Vorahnung lag in der Luft. Ich wusste nicht, wie viele Männer vor mir standen. Ich wusste nicht, wie viele Leichen den Boden bedeckten oder wie es in der Welt, die ich kannte, zu solcher Gewalt kommen konnte. Aber ich wusste, dass die Waffenruhe fragil war und jeden Moment enden konnte.

Jemand stieß eine Drohung aus, die wie eine Schlange durch das Gras kroch. »Ich werde dich töten, du Schwein. Denk an meine Worte. Die wahren Corrupts warten nur darauf, dich auszuschalten.«

Die Schritte von jemand Großem erschütterten den Boden. »Die Corrupts gibt es seit vier verdammten Jahren nicht mehr. Ich habe den Vorsitz übernommen, und wir sind jetzt Pure Corruption. Und du bist nicht pur genug für diesen Club. Du bist erledigt.«

Ich zuckte zusammen, als der schweflige Knall einer Schusswaffe die stehende Luft zerriss.

Ein dumpfer Aufprall, als ein lebloser Körper zu Boden fiel. Der sanfte Windstoß einer entfliehenden Seele.

Mord.

Direkt vor mir war ein Mord geschehen.

Der unbändige Drang, zu pflegen und zu heilen – der Teil von mir, der so unerschütterlich war wie mein Herzschlag –, schrie vor Bedauern.

Der Tod war etwas, das ich Tag für Tag bekämpfte, aber jetzt war ich waffenlos.

Ich bin eine Zeugin.

Und doch war ich keine.

Ich hatte einen Kampf mitbekommen, aber nichts gesehen. Kannte niemanden. Ich würde niemals sagen können, wer wen erschossen hatte, oder wer im Recht und wer im Unrecht war.

Meine Hände zitterten, auch wenn es mir gelang, seltsam ruhig zu bleiben. Stehe ich unter Schock? Und wenn ja, wie sollte ich mich heilen?

Die Frau neben mir krümmte sich, ihre Knie berührten meine Seite. Meine erste Reaktion bestand darin, vor der Berührung zurückzuweichen. Ich wusste nicht, wer Freund, wer Feind war. Aber schnell kam eine zweite Reaktion: der Drang, meine Ruhe zu teilen – sie wissen zu lassen, dass sie nicht allein war, was auch passieren würde. Wir sahen der gleichen Zukunft entgegen – wie düster diese auch sein mochte.

Über uns wurden Stimmen laut, hauptsächlich Geflüster, schnell gesprochene Befehle. Jeder Ton schien verstärkt. Meiner Sicht beraubt zu sein ließ meinen Körper nach anderen Möglichkeiten suchen, um Hinweise zu finden.

»Werdet die Leiche vor Sonnenaufgang los.«

»Wir gehen zurück und stellen sicher, dass wir noch Rückendeckung haben.«

»Macht es bekannt. Es ist vorbei. Der Prez hat gewonnen – heute gibt es keine Anarchie.«

Jede Stimme war anders, aber mein Gehör richtete sich nur auf eine: das Erdbeben, das meine Haut wie Treibsand zittern ließ.

Er hatte nicht mehr gesprochen, seit er jemanden zum Tode verurteilt und den Abzug betätigt hatte. Jede Sekunde, die ich ihn nicht hörte, ließ mein Herz schneller schlagen. Ich hatte keine Angst. Ich wusste, ich hätte Angst haben sollen. Ich sollte vor Angst starr sein. Aber er erweckte etwas in mir – etwas Ursprüngliches. So wie ich wusste, dass ich eine Frau und Tierärztin war, wusste ich, dass seine Stimme etwas bedeutete. Jeder Millimeter meines Körpers spannte sich an und wartete darauf, dass er wieder sprach. Es war falsch, mich nach der Stimme eines Mörders zu sehnen, aber es war das Einzige, was ich wollte.

Brauchte.

Ich muss wissen, wer er ist.

Stiefel schmatzten durch den Matsch, während die Schritte näher kamen.

Die Frau neben mir wimmerte, aber ich reckte mein Kinn dem Geräusch entgegen und wünschte, meine Augen wären unbedeckt.

Ich wollte sehen. Ich wollte das Gemetzel vor mir betrachten. Denn es war ein Gemetzel. Der stechende Geruch des Todes bestätigte das. Es war morbide, solch eine Zerstörung sehen zu wollen, aber ohne meine Sicht schien das alles wie ein schrecklicher Albtraum. Alles war vollkommen unsinnig und seltsam.

Ich brauchte einen Beweis, dass das alles tatsächlich passierte, dass ich nicht verrückt war. Das mein Körper intakt war, selbst wenn mein Verstand versagte.

Ich schnappte nach Luft, als warme Finger meine Wange berührten und mein Gesicht aus dem Matsch hoben. Starke Hände berührten meinen Hinterkopf und machten sich an der Augenbinde zu schaffen.

Die Vorfreude darauf, endlich zu bekommen, was ich wollte, wieder sehen zu können, ließ mich unter seinem Griff stillhalten.

Ich sagte kein Wort und bewegte mich nicht. Ich wartete nur. Und atmete. Und lauschte.

Der Mann atmete schwer und leise, unterbrochen von einem kurzen schmerzerfüllten Keuchen. Seine Finger waren schnell und geschickt, vermochten ihr leichtes Zittern jedoch nicht zu verbergen.

Er ist verletzt.

Plötzlich gab der Druck der Augenbinde nach, und undurchdringliche Finsternis wich einer neuen Art von Dunkelheit.

Der Nachthimmel. Mondschein. Sterne.

Fixpunkte einer Welt, die ich kannte, aber das Industriegelände, auf dem silbrig-schwarz Blut schimmerte und Leichen das Feld übersäten, sagte mir nichts.

Ich lebe.

Ich kann sehen.

Die Freude darüber, die Augenbinde los zu sein, kam und ging so strahlend wie ein Komet.

Doch als sich unsere Blicke trafen, endete mein Leben.

Grün zu grün.

Ich habe grüne Augen.

Tiefer und tiefer fiel ich in seine Fänge.

Mein Leben – Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft – verloren jegliche Bedeutung, sobald ich in seine Augen blickte.

Die Angst, die mir bis jetzt gefehlt hatte, durchbohrte mein Herz.

Ich zitterte. Ich bebte.

Tief in mir erhob sich jahrhundertealtes Wissen.

Jeder Teil von mir näherte sich ihm zuerst und wich dann entsetzt zurück.

Er.

Ein zum Leben erweckter Albtraum.

Ein Albtraum, den ich leben wollte.

Wenn das Leben ein Wandteppich war, fest gewebt, dann war er die Schere, die mich herausschnitt. Er riss mich heraus, stahl mich und veränderte die Prophezeiung dessen, was ich sein sollte.

Kinnlanges dunkles Haar, zerzaust und feucht, rahmte ein kantiges Kinn, eine gerade Nase und volle Lippen ein. In seinem Bartschatten waren noch Überbleibsel des Kampfes zu sehen, Schmutz und Blut. Aber es waren seine Augen, die einen zitternden Pfeil in mein Herz jagten und seinen smaragdgrünen Zorn verbreiteten.

Er erstarrte, dann beugte er sich zu mir vor. In seinen Zügen flackerte so etwas wie Hoffnung. Er öffnete den Mund und in seinem Blick loderte schmerzhaft tiefe Liebe. »Was …?« Ein Bein gab nach und ließ ihn vor mir knien. Seine Hände zitterten, als er sie auf mein Gesicht legte. Seine Finger gruben sich schmerzhaft in meine Wangenknochen. »Das ist nicht –«

Mein Herz raste. Ja.

»Du kennst mich«, hauchte ich.

In dem Moment, in dem meine Stimme uns beide umfing, schoben sich Sturmwolken über den Sonnenschein seines Gesichts, schwärzten die Hoffnung und ersetzten sie durch puren Hass.

Von einer Sekunde auf die andere sah er mich nicht mehr so an, als wäre ich sein Engel, sondern ein verabscheuungswürdiger Teufel.

Die Veränderung ließ mich erschauern – vor Kälte und Härte. Sein Atem ging schwer, seine Brust hob und senkte sich. Dann öffneten sich seine Lippen, und ein geknurrter Befehl fiel von seinem Mund in meine Ohren. »Steh auf. Du gehörst jetzt mir.«

Als ich mich nicht bewegte, landete seine Hand an meiner Seite. Ich war durch Kleidung von seiner Berührung getrennt, dennoch spürte ich sie überall. Er streichelte meine Seele, mein Herz und liebkoste jede Zelle meines Körpers mit Fingern, die mich verachteten.

Es raubte mir den Atem.

Mit einem rücksichtslosen Stoß rollte er mich herum und schnitt mit einer scharfen Klinge meine Fesseln durch. Dann brachte er mich mit müheloser Kraft auf die Beine, erschreckend und erregend zugleich.

Ich wankte nicht. Ich weinte nicht. Zog nur den ekelhaften Lappen aus meinem Mund und starrte ihn schweigend an.

Starrte hinauf und hinauf in seine leuchtend grünen Augen und verstand etwas, das ich eigentlich nicht verstehen sollte.

Er war es.

Mein Albtraum.

2

Ich konnte es einfach nicht glauben. Ich wollte es nicht glauben. Es war eine Lüge. Eine furchtbare, entsetzliche Lüge, um alles zu untergraben, was ich erreichen konnte, seit sie mich ruiniert hatten. Als sie mir in die Augen sah, wollte ich so sehr nachgeben. An das Unmögliche glauben.

Aber diese Naivität war aus mir herausgeprügelt worden.

Ich würde nicht noch mal darauf hereinfallen.

Kill

»Schafft sie rein. Wir haben nicht die ganze Nacht Zeit.«

Das Rolltor des Lasters öffnete sich wieder. Ich blinzelte und war dankbar, dass meine Augen dieses Mal nicht verbunden waren und ich alles sehen konnte.

Entschlossen konzentrierte ich mich auf die nächste Phase meines unbekannten Lebens. Das neue Ziel war kein Feld oder heruntergekommenes Industriegelände. Es war eine große Garage mit niedrig hängenden Halogenlampen und einer Reihe von Motorrädern. Im hinteren Bereich des höhlenartigen Raums befanden sich noch ein paar Muscle-Cars, aber es gab hier mehr Motorräder, als ich zählen konnte.

Meine Gedanken wanderten zu der Fahrt hierher. Sie hatte nicht lange gedauert.

Nachdem der grünäugige Mann, der meine Seele verschlungen hatte, meine Handgelenke losgelassen hatte, hatte er mich hochgehoben und zurück auf die Ladeplattform des Lasters gestellt. Dabei hatte er vor Schmerzen gestöhnt, und ich hatte gesehen, dass sein schwarzes T-Shirt zerrissen und mit etwas getränkt war, das in der Nacht schimmerte. Der Geruch von Blut haftete an ihm und pulsierte warm aus der Wunde, die er zu verbergen versuchte. Es gelang ihm ganz gut. Ich versuchte herauszufinden, wo genau seine Verletzung war, aber in der Dunkelheit des Lasterladeraums war das unmöglich.

Und er verbarg seine vorherige Reaktion auf mich. Seine Augen betrachteten mich jetzt wie eine Wildfremde. Was zwischen uns auch gewesen sein mochte, gab es nicht mehr.

Aber es war etwas gewesen. Ich war mir sonst nicht über viel sicher, aber dieser eine Blick zwischen uns war tiefer, wahrhaftiger, echter als alles gewesen, was ich jemals erlebt hatte.

Dieses Wissen fuhr mir wie ein konstanter Trommelschlag in die Knochen, ein niemals endender Rhythmus, der mich dazu drängte, mehr herauszufinden.

Er kannte mich.

Ich kannte ihn.

Dessen war ich mir absolut sicher.

Ich muss allein mit ihm sein. Ich muss es wissen.

Als ich wieder in den Laster gehoben wurde, waren die anderen Frauen, die zuvor auf den Boden geworfen worden waren, ebenfalls mit an Bord – wie ich ohne Augenbinde und Handfesseln.

Ich machte mir nicht die Mühe, meine Gefährtinnen zu betrachten oder einzuschätzen. Alles in mir wandte sich nach innen – konzentrierte sich auf meine eigene Lage, meinen Gedächtnisverlust und das unerschütterliche Wissen, dass ich etwas mit dem Anführer dieses Durcheinanders zu tun hatte. So selbstsüchtig das auch war, ich hatte keine Zeit für andere.

Noch nicht.

Der Mann mit den grünen Augen schloss sich uns nicht an. Stattdessen knurrte er den drei Männern, die um uns herumstanden, wie Hütehunde um eine Herde Schafe, ein paar Befehle zu, und warf das Rolltor mit einem lauten Knall zu.

Dunkelheit.

Meine Sicht erneut zu verlieren schnürte mir die Kehle zu. Keine Beleuchtung, Sitze oder Reiseerfrischungen. Die Frauen waren still, auch wenn wir ohne Knebel hätten reden können. Es formten sich Grüppchen, die sich in der Dunkelheit dichter zusammendrängten. Eine versuchte meine Hand zu ergreifen, um durch Nähe Trost zu spenden.

Ich schüttelte sie ab, denn ich bevorzugte es, allein zu stehen, mich an der Seitenwand des Fahrzeugs festzuhalten und darauf zu achten, wie sich der schwerfällige Laster neigte. Ich zählte, wie oft er abbog, und zeichnete innerlich eine Karte. Nicht, dass es einen Unterschied machte. Ich würde nie wieder nach Hause finden.

Wo ist dieses Zuhause?

Ganz genau.

Selbst wenn ich freikäme, hätte ich keine Ahnung, wohin ich flüchten sollte, an wen ich mich wenden konnte. Ich war ein verdammtes Rätsel, und jetzt war ich an einem Ort, an dem nichts davon eine Rolle spielte.

Ich zwang mich blinzelnd in die Gegenwart und die Garage voller Motorräder und Muscle-Cars zurück.

»Bewegung, Schlampen.« Ein neuer Mann mit Ziegenbärtchen tauchte auf, der laut schmatzend auf einem Kaugummi herumkaute.

Die Frauen schlurften vorwärts in das Licht, zuckten aber vor der ausgestreckten Hand des Manns in einer braunen Lederjacke zurück.

Fünf.

Fünf Frauen zählte ich, während sie aus dem Wagen und in die neue Welt stiegen, die nun vor uns lag.

»Du.« Der Mann deutete in meine Richtung. »Bist du taub?« Er streckte mir seine Hand entgegen und zog eine Augenbraue in die Höhe. »Komm her.«

Ich funkelte ihn böse an, bewegte mich vorwärts und legte meine Hand entschlossen in seine. »Nein, ich bin nicht taub.« Ich hüpfte von der Plattform und löste meine Finger von seinen, sobald meine Füße den Boden berührten.

Der Klang meiner Stimme ließ mich zusammenzucken. Ich habe einen Akzent. Das hatte ich vorhin auf dem Feld nicht bemerkt.

Die Männer um mich herum sprachen mit amerikanischer Lockerheit. Kurz angebunden, auf den Punkt, leicht gedehnt. Ich klang ein wenig anders … irgendwie vornehm.

»Schafft sie rein. Wir haben noch jede Menge Arbeit vor uns. Diese verdammte Lieferung sollte erst morgen kommen, und ich will sie sicher weggesperrt haben, bevor die Kacke hier richtig am Dampfen ist.«

Die Stimme kam von einem anderen Mann in identischer brauner Lederjacke. Er hatte kurze schwarze Haare, die zu einem kleinen Irokesen frisiert waren. Das große Emblem auf der Rückseite seiner Jacke zeigte einen altmodischen Abakus mit einem brennenden Totenschädel sowie einem Wasserfall aus Münzen, der sich aus seinem Mund ergoss. Das Motto PUR IN GEDANKEN UND RACHE, KORRUPT IN ALLEM, WAS WICHTIG IST umkreiste das Bild.

Eine Motorradgang.

Mir sickerte Schweiß von den Schulterblättern mein Rückgrat entlang wie Wasser bei der Schneeschmelze. Die Angst, die bisher ausgeblieben war, peinigte mich wie eiskalte Nadelstiche. Plötzlich pochten meine Schläfen, und ich presste die Hände dagegen, während ich versuchte, mein plötzliches Grauen zu verstehen. Warum hatte ich jetzt Angst, nicht aber, als ich in dem dunklen Laster aufgewacht war und realisiert hatte, dass man mich entführt hatte?

Was könnte schlimmer sein, als in die Fänge von Menschenhändlern zu geraten?

Sie.

Ich wartete auf eine Erinnerung – auf einen weiteren Wahrheitsschnipsel. Doch es kam nichts.

Ich schauderte und schlang die Arme um meine Taille. Dann suchte ich die Garage nach ihm ab – nach dem grünäugigen Erdbeben, das mein Blut in Wallung brachte und mein Herz höher schlagen ließ.

Etwas in meinem Inneren erkannte ihn. Er erkannte mich. Ob Traum oder Wirklichkeit, ich musste ihn wiedersehen. Ich musste ihn ausfragen, nach der Wahrheit suchen, während er mir in die Augen blickte.

Aber er war nirgendwo zu sehen.

Drei Männer umringten uns und drängten die anderen Frauen dichter zusammen. »Bewegung, ihr Schlampen. Zeit für eure Willkommensparty.« Dann trieben sie uns voran.

Fragen schossen mir durch den Kopf.

Wer waren sie?

Warum waren wir hier?

Was hatten sie mit uns vor?

Ich brannte vor Neugier, sprach die Fragen aber nicht aus, sondern blieb stumm.

»Schweigen ist eine Waffe, Süße. Gib sie nicht auf, bevor du die Fakten kennst und weißt, dass du gewinnen kannst.«

Die flüchtige Erinnerung gab keinen Hinweis, wer das zu mir gesagt hatte oder woher ich kam.

Ich folgte der Gruppe Frauen aus der Garage durch eine breite Tür und einen schmalen grauen Korridor entlang. Die Männer berührten uns nicht, sie hatten weder ihre Waffen gezückt noch ihre Fäuste erhoben.

Sie hatten eine Ruhe an sich, die sich auf uns, ihre Opfer, übertrug. Die Frauen zitterten, und gelegentlich war leises Weinen zu hören, aber keine schrie oder tat etwas, um die fragile Waffenruhe zu brechen.

Der Korridor machte eine Biegung und führte in einen großen Raum mit ein paar verstreuten Sofas, einem großen roten Teppich, Bildern von riesig vergrößerten Magazincovern und Regale mit jeder Sorte Spirituosen, die man sich nur vorstellen konnte. Dort, wo der Boden nackt war, konnte man abgenutztes Parkett sehen, mit vereinzelten Dellen von … Schusswaffenmunition?

Der stilvoll eingerichtete Raum überraschte mich. Ich dachte, das Hauptquartier einer Motorradgang wäre verdreckt, voller Müll und Hinweisen auf andere Gangaktivitäten.

Doch das Zimmer war tadellos sauber.

Wer sind diese Leute?

Zwei der Männer drehten sich zu uns um und legten den Kopf schief. »Stellt euch in einer Reihe auf. Gottverdammt, eine Reihe! Der ältere der beiden mit aschblondem Haar packte die zweite Frau und zerrte sie neben die erste. Das Gleiche wiederholte er mit der dritten und vierten und schob die fünf Frauen hin und her, bis sie alle Schulter an Schulter standen.

Ich wartete nicht auf die gleiche Behandlung, sondern ging von selbst in die gewünschte Position. Doch anstatt an die Spitze der traurigen kurzen Reihe zu gehen, quetschte ich mich in die Mitte.

Als uns der Dunkelhaarige stirnrunzelnd ansah, richtete ich mich auf und machte ein nichtssagendes Gesicht. »In Ordnung. Ich schätze, das reicht.«

Mir lief ein Schauer über den Rücken. Meine Nackenhaare sträubten sich, und ich wusste es einfach.

Er ist hier.

Dieses Bewusstsein glich einem Specht, der winzige Löcher in meine Seele pickte. Ich sah über meine Schulter.

Er war groß – größer als die meisten in seiner Entourage – und bewegte sich mit gefährlicher Eleganz. Ein faszinierender Kampf zwischen den Muskeln eines Fighters und der Eleganz eines Tänzers.

Seine schwarze Jeans und das schwarze T-Shirt verbargen das Blut. Er hatte seine dunkelbraune Jacke geschlossen und versteckte damit die Verletzung, die er sich im Kampf zugezogen hatte.

Er stellte sich vor uns und blickte jede Frau finster an. Die anderen Männer hinter ihm verblassten, seine Armee Lederjacken tragender Krieger, alle angeschlagen, blutig und kriegsmüde.

Um was hatten sie gekämpft? Was war das für ein Ort?

Der Mann sah mich nie an und ignorierte meine Anwesenheit, als wäre ich unsichtbar.

Mein Verstand war mehr mit meiner misslichen Lage beschäftigt als mit der wichtigsten Frage, die ich weiterhin ignorierte. Ich wollte nicht, dass sie sich stellte, denn sobald sie das tat, würde es mir keine Ruhe lassen. Bis ich am Ende den Verstand verlor.

Warum kann ich mich an nichts erinnern?

Die Frage klang laut und wütend in meinem Kopf – und durchbrach meine schwankende Unwissenheit.

Was ist geschehen, das mich so werden ließ?

Meine linke Hand legte sich über die verbrannte Haut an meinem rechten Unterarm. Der Schmerz ließ mich zusammenzucken.

Was ist mit mir geschehen?

Der grünäugige Mann erstarrte, als sein Blick widerwillig auf mir landete. Seine Aufmerksamkeit richtete sich auf meinen Arm. Seine wilde Energie schien mich immer tiefer in seinen Bann zu ziehen.

Ich kribbelte vor einem Verlangen, das so mächtig war, dass es meine gegenwärtige Situation und die Angst, die am Rande meines Hirns tanzte, ausschaltete.

Wer bist du?

Als hätte er meine Frage gehört, verschmolz sein Blick mit meinem. Er glühte vor unterdrückter Emotion. Ich sah Wiedererkennen aufblitzen, Liebe glimmen, und dazu ein herzzerreißendes Leid, das nur diejenigen, die jemanden geliebt und verloren hatten, erkennen konnten.

Je länger wir einander anstarrten, desto angespannter wurden sein Kiefer und seine Schultern. Ganz gleich, was geschehen oder aus mir werden würde, ich wusste, dass er ein Hinweis war.

Ein wichtiger Hinweis.

Der Dreh- und Angelpunkt, der zu meinem Verderben führen würde.

Mein Herz klopfte wild unter seinem forschenden Blick. Meine Lippen teilten sich, als die magnetische Anziehungskraft uns immer näher und näher und näher zueinander hinzog.

Seine Nasenflügel bebten, als würde er mir durch Geruch allein meine Geheimnisse entlocken können.

Ich wartete darauf, dass er sprach. Gleichzeitig sehnte ich mich nach seiner erneuten Berührung – dass er mein Gesicht in die Hände nahm und in meine verschlossenen Gedanken eintauchte. Aber er blieb wie erstarrt, auch wenn unter der Oberfläche Wut und Hass zu spüren waren.

Bitte, lass ihn Antworten haben.

Doch selbst wenn, würde er sie mir wahrscheinlich niemals geben. Ich mochte nicht vollkommen vor Angst gelähmt sein, aber ich war auch keine Närrin. Ich musste meine Vorgeschichte nicht kennen, um zu ahnen, dass das Szenario meiner neuen Zukunft wahrscheinlich nicht gut ausgehen würde.

Ich werde einen Ausweg finden, bevor es so weit kommt.

Mein Verstand raste, während wir uns weiter in die Augen sahen. Es folgte ein lautloses Duell, in dem jeder von uns schneidende Fragen stellte und den anderen zu deuten suchte, alles ohne ein einziges gesprochenes Wort. Doch er war durch seine Größe und den undurchschaubar eisigen Blick so weit entfernt wie die Spitze des Everest.

Der Schock und die Leidenschaft, die er bei unserer ersten Begegnung gezeigt hatte, waren fort. Verschwunden. Hatten niemals existiert.

Je länger ich starrte, desto deutlicher wurde das Gefühl, diesen Mann zu kennen. Es bohrte sich immer tiefer in mich, während das grüne Feuer seiner Augen meine Gedanken verbrannte. Es war nicht abzustreiten, dass er attraktiv und gleichzeitig unheimlich war und trotz seiner Verletzung vor Macht strotzte. Doch da war noch etwas anderes … etwas, das er gut verbarg … zu gut.

Die Mühelosigkeit, mit der er mich ausschloss, ließ mich mit größerer Furcht zurück, als ich bis dahin gefühlt hatte. Die Trennung jeglicher Verbindung schmerzte, als hätte er ein Stück aus mir herausgeschnitten.

Meine Hände ballten sich zu Fäusten.

Dass er mir dieses winzige Stückchen Zuhause verweigerte, das ich in ihm gefunden hatte, bestärkte mich in meiner Überzeugung, dass ich alles tun würde – absolut alles –, um die Antworten zu bekommen, die ich suchte.

Es war mir egal, was ich dafür tun musste.

Oder wen ich dafür tolerieren musste.

Ich würde die Wahrheit herausfinden.

Das werde ich.

Die Männer hinter ihm traten unruhig von einem Bein aufs andere. Der Kerl mit dem Irokesen räusperte sich. »Äh, Prez?«

Der Erdbebenmann versteifte sich und ballte seine Hände ebenfalls zu Fäusten. Doch statt wegzuschauen, wurde unsere Verbindung noch intensiver.

Sie wuchs, wurde tiefer – und war fordernder denn je.

Der Schauer, der mir über den Rücken lief, wurde zu einem Zittern, einer Art Nachbeben, das sich bis in meine Beine erstreckte.

Zwischen uns war etwas glühend Heißes. Eine gefährliche Kombination aus Konkurrenz, Anziehung und Gefahr.

Du kennst mich.

Er biss die Zähne zusammen, fast als hätte er meine Gedanken gehört.

Ich weiß nicht, ob ich über die unerschütterliche Intuition, dass wir miteinander verbunden waren, glücklich sein sollte oder verängstigt, dass mich jemand aus meiner Vergangenheit so behandeln konnte.

Sag es mir.

Bist du mein Geliebter?

Mein Bruder?

Meine Nemesis oder ein Freund?

Ich hasste es, in diesem Nichts zu waten, in dem selbst die Wirklichkeit ohne die Beweise einer Vergangenheit, an die ich mich nicht mehr erinnern konnte, nicht mehr glaubhaft war.

Die Verbindung erreichte einen Siedepunkt und verwandelte die Verbrennung an meinem Arm in ein Inferno.

Dann … blinzelte er.

Er wendete den Blick von mir ab, zerschmetterte die Vertrautheit in tausend Stücke und zerriss das Netz. Was immer ich gefühlt oder gewusst hatte, löste sich blitzartig auf. Das Zittern ließ nach, verschwand im Boden und ließ mich leer zurück. Ich fühlte mich noch mehr allein als zuvor.

Jede Erinnerung oder Erkenntnis verschwand aus seinem Blick und wurde durch lebhafte Wut ersetzt.

Was hatte sich verändert?

Wie hatte er mich so erfolgreich ausschließen können?

Und wie hatte er es so vollständig tun können, dass ich nun selbst daran zweifelte, einen Hinweis auf etwas tiefer Gehendes entdeckt zu haben?

Ist das alles nur in meinem Kopf?

Er fuhr sich mit einer seiner großen Hände durch die Haare und lief vor der Reihe Frauen auf und ab. Seine andere blutige und zerschrammte Hand öffnete und schloss sich an seiner Seite. Gewalt umgab ihn wie eine Aura.

Dann blieb er stehen und schnaubte. »Es ist wohl meine Aufgabe, euch willkommen zu heißen.« Er trat ins Leere und drückte dann seinen großen schwarzen Stiefel ins Parkett. »Entschuldigt die Unordnung. Und vergesst den Kampf, den ihr miterlebt habt.« Sein Blick landete auf jeder von uns und drückte uns fast gegen die Wand. »Mein Name ist Arthur Killian, aber jeder nennt mich Kill. Ihr seid eine Transaktion – nicht mehr, nicht weniger.«

Ich riss die Augen auf. Sein Name … ich wartete darauf, dass er eine Erinnerung anstieß.

Nichts.

Fünf oder sechs Männer erschienen im Raum und lehnten sich gegen die Chesterfield-Sofas, die aussahen, als würden sie in das Büro eines Anwalts gehören. Die Sofas, nicht die Männer. Die Männer sahen aus, als ob sie auf einer Harley geboren worden waren, mit Zigarette im Mundwinkel und schmutzigen Gedanken im Kopf.

Die Frauen neben mir warfen ängstliche, verstohlene Blicke auf die Neuankömmlinge. Sie waren ebenfalls blutig. Einige hatten zerrissene Kleidung, andere aufgeplatzte Lippen und geschwollene Wangen. Alle wirkten aufgedreht und unberechenbar.

Ich rührte mich nicht, sondern beobachtete, saugte sämtliche Informationen auf und versuchte so unauffällig wie möglich zu bleiben.

Arthur Killian, den ich mangels eines besseren Ankers ins Zentrum meiner neuen Welt gerückt hatte, drehte sich zu ihnen um. »Werdet ihr euch benehmen, oder muss ich euch noch mal in eure traurigen Ärsche treten?«

Die Männer grinsten und verschränkten die Arme. »Wir haben es kapiert. Du bist immer noch der Prez.«

Kill knurrte. »Ihr habt es kapiert, aber ihr fühlt es nicht. Wirklich schade. Die Sache ist durch. Sie ist seit vier verdammten Jahren durch, und ich habe fair gewonnen. Ihr habt mir zu gehorchen. Wenn nicht, seid ihr tot.«

Ein Mann Anfang dreißig, der einen längeren Schnurrbart trug, nickte. »Schon klar. Kann nicht sagen, dass ich es toll finde, aber du hast recht mit dem, was du sagst. Wallstreet hat viele Male für dich gebürgt. Ich vertraue seinem Urteil, auch wenn du ein Scheiße fressender Dagger bist.«

»Hey. Club-Business. Besucher.« Der Irokesenkerl nickte in unsere Richtung.

Kill gelang es, seine Wut zu kontrollieren. »Stimmt. Haltet die Klappe. Ihr alle.«

»Du sagst uns, dass wir die Klappe halten sollen? Seit Jahren willst du, dass wir dir die Treue schwören, und jetzt, wo wir das tun wollen, sollen wir die Klappe halten?«

An Kills Hals begann eine Ader gefährlich zu pulsieren. »Meinetwegen! Aber eines will ich klarstellen, ich bin kein Dagger. Nicht mehr. Ich bin der Erste, der sie ausschalten will – also gebt die internen Kämpfe auf und stärkt mir zur Abwechslung mal den Rücken.«

Die Männer traten von einem Bein aufs andere, nickten aber. Einer murmelte: »Das versuche ich ja gerade. Meine Waffe hast du.«

»Gut.« Der Prez – ich schätzte, das war eine Abkürzung für Präsident – nickte. »Wir sind keine unbedeutenden Einprozenter mehr. Damit sind wir fertig. Habe ich nicht bereits bewiesen, dass, wenn ihr mir folgt, Wallstreets Vision wahr wird und niemand mehr sterben muss?«

Ein Mann, in dessen dunkles Stoppelhaar ein Totenschädel rasiert war, blaffte: »Das klingt ja alles toll, aber du bist kaum hier! Ein Prez muss mit seiner Armee gesehen werden …«

»Schluss jetzt!«, brüllte Kill. »Was ich im Namen dieses Clubs mache, geht euch verdammt noch mal nichts an.« Er trat einen Schritt vor und neigte bedrohlich den Kopf. »Ihr seid erwachsene Männer. Ich bin nicht euer verdammter Babysitter.« Er steckte einen Finger ins Gesicht des Kerls mit dem dünnen Schnurrbart und murmelte: »Euch gefällt das Geld nicht, das ich für euch mache? Kein Ding, gebt es mir einfach zurück.«

Der Schnurrbarttyp presste die Lippen zusammen. »Das haben wir uns verdient.«

Kill lachte bitter. »Richtig. Genau wie ich mir euren verdammten Gehorsam verdient habe.«

Der Mann mit dem ausrasierten Totenschädel brummte: »Du denkst, du hast gewonnen? Du wirst niemals gewinnen.«

»Lustig. Genau das habe ich gerade.« Kill hob seine blutbefleckten Hände. »Karma, Jungs. Ihr habt bis morgen Nachmittag Zeit, euren Kram zusammenzupacken und zu gehen, wenn es das ist, was ihr wollt.« Sein Körper schien vor Wut fast zu platzen. »Aber wenn ihr bleibt, ist alles, was heute passiert ist, vorbei. Erledigt.«

»Jetzt reicht es aber mit den geschäftlichen Angelegenheiten«, sagte der Kerl mit dem Irokesen erneut. »Das ist weder die richtige Zeit noch der richtige Ort, meine Herren.«

Mein Blick schoss zwischen den bedrohlich aussehenden Männern in identischen Jacken und dem blutbeschmierten Präsidenten hin und her, der schwer durch seine Nase atmete. Für den Laien sah er wütend aus. Selbstbeherrscht, stark und gesund. Doch diejenigen, die sich damit auskannten, wussten, dass der Glanz in seinen Augen nicht von Wut, sondern Schmerz herrührte. Und die Anspannung in seinem Rücken von seiner stark blutenden Wunde.

Wieso ich die Nuancen von Schmerz und Körpersprache zu deuten vermochte, wusste ich nicht. Es war nicht erklärbar, dass mein ganzes bisheriges Leben ausgelöscht war, Teile meiner Vergangenheit jedoch einfach da waren – um sie unbewusst anzuwenden.

Aber so war es.

Die Blicke der Männer richteten sich auf uns. Eine Reihe verzweifelter Frauen, die darauf warteten, ihr Schicksal zu erfahren.

Einer legte den Kopf schief und höhnte. »Was soll mit ihnen sein? Unwillige Weiber wären ein verdammt noch mal besserer Anblick als die Clubhuren, die hier sonst immer herumhängen. Würde mir nichts ausmachen, mal Ware zu haben, die sich wehrt.«

Ware?

Die Frauen rechts und links von mir wimmerten, einige schlugen die Hände vor den Mund.

Kill starrte uns finster an, bevor er wieder zu seinen Männern blickte. »Fünf sind bereits reserviert. Ihr wisst, dass der Handel morgen stattfinden wird.«

»Okay, aber die sechste können wir haben. Gib sie uns und wir vergessen heute Abend.« Der Kerl mit dem Totenschädel grinste.

Kill ging aus dem Stand zum Angriff über. Sein Gesicht wurde kreidebleich, als der Schmerz einsetzte, aber er zögerte keine Sekunde.

Seine Faust prallte laut und hart gegen das Gesicht des Mannes, der sofort zu Boden ging.

»Raus. Hier«, flüsterte Kill. »Ich habe keinen Bock mehr auf deine Scheiße. Du bist raus.«

Der Mann starrte wütend zu ihm hinauf. Aus seiner Nase schoss Blut. »Du kannst mich nicht verstoßen. Ich habe den Eid abgelegt, Wichser.«

»Ich kann und ich habe. Mein Club. Meine Regeln. Reiß deinen Patch ab.«

Der Mann fauchte: »Du bist ein toter Mann, Killian!«

»Als ob ich das nicht schon mal gehört hätte.« Kill schnippte mit den Fingern. Der Kerl mit dem Irokesen und der Blonde stürmten an seine Seite. »Nehmt ihm den Patch ab. Schafft ihn hier weg.«

»Mit Vergnügen.« Die Männer sammelten den blutenden Mann vom Boden auf und bugsierten ihn zum Ausgang.

»Du bist tot. Ihr alle – hört ihr?« Der Rausgeworfene drohte mit der Faust. Es schien ihm egal zu sein, dass es scharlachrot aus seiner Nase floss.

»Ja, ja. Sieh uns an – wir sind starr vor Angst«, erwiderte der Irokese und stieß ihn voran.

Die anderen Männer hatten sich aufgerichtet.

Der Typ mit dem Schnurrbart marschierte vorwärts und schnappte sich seinen blutenden Kameraden. »Wir haben ihn.« Sein Blick fiel auf Kill. »Du siehst aus, als ob dir der Tod im Nacken sitzt, Kill. Erledige das hier.« Er deutete auf uns, als wären wir Lebensmittel, die im Kühlschrank verstaut werden mussten. »Wir reden dann beim Treffen in ein paar Tagen.«

Killian schnaubte. Seine Brust hob und senkte sich unter der Wirkung von Testosteron und Adrenalin. Schließlich nickte er. »Okay. Hopper, Mo, ihr bleibt. Ich brauche eure Hilfe bei den Frauen. Verwahrt sie gut. Der Käufer will unbefleckte, ungekennzeichnete Ware. Reklamationen können wir nicht gebrauchen.«

Ich straffte meinen Rücken. Bei ihm klangen wir nicht wie Menschen.

Ich wollte keine Ware sein, die man verkaufte oder benutzte.

Angst kroch jetzt stärker durch meine Adern.

Ich kniff die Augen zusammen und suchte nach dem Fetzen Wahrheit hinter seinen Worten. Er war nicht wie die Männer, die zur Garage zurückgehumpelt gekommen waren. Ja, er war grob, groß, wütend, gefährlich und machte sich mit Verbrechern gemein, aber hinter seinen grünen Augen verbarg sich eine scharfe Intelligenz und ein rationaler Verstand.

Er war ein lebender Widerspruch.

Genau wie ich.

Kill sagte kein Wort, sondern nickte nur, als die Neuankömmlinge gingen und wir in einer seltsam stillen Gruppe von acht Personen zurückblieben. Fünf Frauen, drei Männer.

Wenn ich gewusst hätte, wer ich war – welche Fähigkeiten ich außer Tierheilkunde noch besaß –, wäre ich versucht gewesen, um meine Freiheit zu feilschen oder dabei zu helfen, einen Ausweg für die weinenden Frauen neben mir zu finden.

Ich schürzte die Lippen und suchte nach dem überwältigenden Drang zu fliehen, mich zu verstecken – aber der ging mir immer noch ab. Der Anflug von Angst war mein einziger Hinweis darauf, dass ich noch lebte. Aber der war auf den Mann mit den grünen Augen gerichtet, nicht auf die entsetzliche Lage, in der ich mich befand.

Ich bin gebrochen.

Mein Kampf- oder Fluchtreflex war zusammen mit meinen Erinnerungen ausgelöscht worden.

Wir sollen verkauft werden.

Kill fuhr sich mit beiden Händen durchs Haar und sammelte sich. Er verzog sein Gesicht, zischte vor Schmerz und ließ seinen rechten Arm sinken. Dann schluckte er und knurrte: »Ihr habt Glück, von unseren Clubgeschäften hören zu dürfen. Niemand außerhalb unseres Eids ist in unsere internen Abläufe eingeweiht. Aber es ist wahrscheinlich gut, dass ihr es gesehen habt. Ihr könnt mir glauben, wenn ich sage, dass die Dinge gerade nicht sehr … stabil sind. Ich bin der Einzige, der eure Unversehrtheit garantiert, also zeigt ein wenig Respekt. Und glaubt mir, wenn ich sage, dass ihr mich nicht verärgern wollt.«

Seine Stimme wurde lauter, heiserer. »Aber jetzt vergesst, was ihr gehört habt. Es wird euch nichts nutzen. Ihr seid verdammt. Vergesst euer altes Leben, denn ihr werdet es niemals wiedersehen.«

Die Kälte in seinem Tonfall ließ Eiszapfen in der Luft entstehen.

Wieder überschwemmte Angst mein Blut.

Eine Frau hielt sich die Ohren zu und schrie.

Erneut verzog Kill sein Gesicht vor Schmerzen. »Ihr fragt euch wahrscheinlich, warum ihr hier seid, wer wir sind und was wir wollen. Wenn ihr klug seid, wisst ihr es wahrscheinlich bereits, aber ich werde es noch mal erklären.«

Sein Blick fiel auf mich und ertränkte mich in grünem Gras, Moos und Smaragden. »Ihr gehört mir. Uns. Dem Club. Wir besitzen euch – jeden Zentimeter. Ich habe die Macht, was bedeutet, dass eure Begrüßung um einiges angenehmer ist, als sie vor vier Jahren gewesen wäre. Aber auch meine Geduld hat Grenzen.«

Seine Stimme senkte sich zu einer Frequenz, die in meinem Herzen widerhallte. »Das Einzige, an das ihr denken müsst, um euren Aufenthalt angenehmer zu gestalten, ist, mir zu gehorchen. Wenn ich sage, dass ihr etwas tun sollt, tut ihr es ohne Widerworte. Wenn nicht, ist es mit meiner Höflichkeit vorbei. Und wenn die endet … dann ein für alle Mal.«

Ein Schatten verdüsterte sein Gesicht. Der Schmerz trieb ihm Schweißtropfen auf die Stirn. Er biss die Zähne zusammen und schluckte, bevor er befahl: »Ausziehen. Ihr alle. Ich werde dafür sorgen, dass ihr nicht verletzt werdet. Eure neuen Besitzer erwarten Perfektion – wir wollen sie doch nicht enttäuschen.«

Mir blieb das Herz stehen.

»Nein, bitte«, sagte eine junge Frau mit langen blonden Haaren. »Lassen Sie uns gehen.«

Kill hob seine Hand – schnell wie ein Schwert und genauso scharf. »Was habe ich gerade gesagt? Ihr sollt mir ohne Widerworte gehorchen.«

»Tu es, Schlampe.« Der Mann mit dem Irokesen trat vor und ballte seine Hände zu Fäusten. Mit dieser unausgesprochenen Drohung kehrte die Gewalt in den Raum zurück.

Die Frauen zappelten unruhig umher und sahen einander hilfesuchend an.

Zu mir schauten sie seltsamerweise nicht – sie suchten weder meine Gemeinschaft noch drängten sie sich auf der Suche nach Trost an mich.

Je länger wir in dieser Reihe standen, desto offensichtlicher wurde meine Abgrenzung von den weinenden, verschreckten Frauen.

So sehr ich Antworten wollte, so sehr war es vielleicht ein Segen, nicht zu wissen, wer ich war. Mich nicht an meine Familie zu erinnern, meine Freunde, oder wen ich vielleicht niemals wiedersehen würde.

Ich unterschied mich von ihnen. Ich konnte nicht entscheiden, ob es mich stärker oder verwundbarer machte, so aus der Gruppe ausgeschlossen zu sein. Ein kleiner Stachel bohrte sich in mein Herz. Ich gehörte wirklich nirgendwohin – selbst in diesem schrecklichen Leben, in das ich geworfen worden war.

Kill strich mit einer Hand über sein Gesicht. Dabei schmierte er das Blut aus einer Platzwunde an seiner Stirn bis über seine Wange. »Ich habe etwas befohlen. Stellt mich nicht auf die Probe. Nicht heute.«

Sein Blick konzentrierte sich auf meinen. Dieses Mal war nichts da – kein Ziehen oder wissendes Flüstern. Er hatte das Sagen, und ich war nicht mehr als Ware.

Er presste die Lippen zusammen, als sein Blick auf meine Brüste fiel. Es war kein besonders subtiler Befehl.

Ausziehen.

Ich sah an mir hinunter und griff nach der verblichenen blauen Jeans und dem weißen T-Shirt mit der großen, kunstvoll ausgeführten Rose darauf. Beides stank nach Rauch, war aber nicht wie mein Arm verbrannt. Ich trug weder Schuhe noch Jacke.

Ich konnte mich nicht daran erinnern, diese Sachen gekauft zu haben – oder wo ich mich heute Morgen geduscht und angezogen hatte. Irgendwie machte es für mich keinen Unterschied, ob ich angezogen oder nackt war. Die Kleidung bot mir keinen Schutz und bewahrte mich nicht vor Bösem.

Sie war nutzlos. Genauso nutzlos wie Tränen oder Angst. Ich brauchte sie nicht.

Ich weiß nicht, wie ich nackt aussehe.

Mein Herz begann wild zu schlagen. Ich hatte keine Ahnung, ob ich Sommersprossen hatte oder Muttermale oder Narben. Ich lebte im Verstand und Körper einer Fremden. Vielleicht würde ich es ja wissen, wenn ich es mir ansah, und das Rätsel dadurch lösen?

Ich sah wieder in die grünen Augen meines Fleisch gewordenen Albtraums. Er hielt den Blick und verfolgte mit angespanntem Kiefer, wie meine Fingerspitzen über die zarte Rose auf meinem T-Shirt glitten.

Ich schnappte nach Luft, meine Haut prickelte. Allein durch seinen Blick nahm er mir alles. Aber dafür schenkte er mir auch etwas. Ich konnte ihn deutlich lesen – oder vielleicht dachte ich das nur.

Er stand breitbeinig vor mir, was bedrohlich wirkte, aber wie ich wusste, auch der Versuch war, den Schmerz, den er verspürte, in Schach zu halten. Er wirkte gefährlich, aber etwas in meiner Seele wollte daran glauben, dass er mich nicht verletzen würde.

Mach dir nichts vor.

Ich neigte mein Kinn. Das tat ich nicht. Ich würde alles tun, um rational und gefasst zu bleiben. Mir etwas vorzumachen bedeutete, meine Instinkte zu ignorieren und zu fliehen.

Er will dich verkaufen. Dich zu einer Sexsklavin machen.

Das wusste ich. Aber mein Bauchgefühl sagte mir, dass er nicht bösartig war. Ein Mörder war er zweifellos. Er hatte das Leben eines Verbrechers geführt. Aber er verbarg etwas, das ich tief in meinem Inneren spürte. Ich konnte mir nicht erklären, woher ich es wusste, aber ich kannte ihn. Einst hatte ich ihn geliebt, in einem Albtraum, der viel schlimmer gewesen war als dieser. In einer anderen Realität war ich wegen ihm feucht geworden, während er mich angebetet hatte.

Es war nicht meine Schuld, dass ich Fakten nicht von Fiktion, Wahrheit nicht von Märchen unterscheiden konnte.

Er sah mich mit hochgezogener Augenbraue an und wartete.

Ich wartete.

Wir beide warteten darauf, wer zuerst nachgeben würde.

Ich tat es.

Nicht für ihn – sondern für mich. Ich wollte wissen, wer unter meiner Kleidung steckte. Ich wollte die lauernde Vergangenheit abstreifen und sah keinen Grund, an Dingen zu hängen, an die ich mich nicht mehr erinnern konnte.

Ich nahm den Saum meines T-Shirts in die Hände und zog es mir über den Kopf.

Die Frauen neben mir erstarrten und sahen mit großen Augen zu. Ich bekam am ganzen Körper Gänsehaut, als Kill hörbar einatmete.

Dieser Atemzug zog mein Innerstes zusammen. Macht. Er hatte mir mit diesem winzigen Geräusch der Anerkennung Macht zugestanden.

Dichte Haare fielen über meine Schultern und versperrten mir die Sicht.

Meine Haare.

Haare, an die ich mich nicht erinnerte.

Ich befühlte es und ließ meine Fingerspitzen durch eine sanft gewellte Strähne gleiten. Ich konnte nicht sagen, ob sie natürlich oder gefärbt war, aber die Farbe war eine wunderschöne Mischung aus Kastanienbraun und Kirsche. Ein intensives Pigment, das Leidenschaft verhieß und an Blut denken ließ.

Ich bin rothaarig.

Mein Blick wanderte weiter nach unten.

Ich keuchte vor Überraschung.

»Ich weiß, wie sehr du immer eines wolltest. Ich will derjenige sein, der dafür bezahlt. Damit du dich immer an mich erinnerst.« Er zog ein Bild, an dem ich seit Jahren gearbeitet hatte, aus seiner Hosentasche. »Ich weiß, wie viel dir das hier bedeutet.«

Ich zog ihn in eine feste Umarmung.

»Danke. Vielen Dank.«

Ich wandte mich an den Künstler und zog mir das T-Shirt über den Kopf. Dann reichte ich ihm das Bild und breitete meine Hände auf dem nackten Bauch und meiner Brust aus. »Hier. Hier soll es sein.«

Die Erinnerung endete.

Mir schossen Tränen in die Augen. Die Tätowierung erstreckte sich über meine komplette Seite, meinen Brustkorb, die linke Brust und endete an meinem Schlüsselbein. Unten verschwand sie in meiner Jeans. Meine Arme waren nicht tätowiert, und ich konnte mir nicht ausmalen, wie viele Stunden dieses Motiv gekostet hatten.

Ich trug keinen BH. Aber ich schätzte, dass ich ein volles C-Körbchen hatte.

Selbst meine Brustwarze war tätowiert.

Mein Herz wummerte, als mich ein Körper, an den ich mich nicht erinnerte, mit seinen Erfahrungen und Hinweisen verhöhnte. Wer war ich, so etwas zu tun?

Die Tätowierung verkörperte etwas, das tief und schmerzlich an meinem Herzen zog. Sie bedeutete etwas. Sie bedeutete alles. Aber ich konnte mich nicht daran erinnern.

Das Motiv war eine Welt in einer Welt in einem Spiegel in einem vollkommen stillen Gewässer. Die Ausführung war kunstvoll. Die superben Details sprangen ins Auge.

Aber es steckte mehr dahinter. So viel mehr.

Das Pochen in meiner Seele wusste, was es war, aber nichts kam an die Oberfläche oder ließ es mich erraten.

Für mich, die vollkommen Fremde, war es nicht mehr als eine wunderschöne Feder mit kobaltblauem Vergissmeinnicht, Worte, verwebt mit Ranken, und ineinander übergehende Bilder, die so perfekt aufeinander abgestimmt waren, dass ich sie nicht auseinanderhalten konnte.

Aber es war meine rechte Seite, die mich entsetzte.

Verbrennungen.

Fleckige, glänzende Haut bedeckte meine gesamte rechte Seite, fast wie ein Spiegelbild der herrlichen Tätowierung auf meiner linken Körperhälfte. Dort Schönheit, hier Hässlichkeit.

Ich wartete auf eine Erinnerung an das Feuer. Schließlich deuteten die Narben auf ein schrecklich traumatisches Ereignis in meiner Vergangenheit hin. Aber nichts geschah. Weder Flammen noch der Geruch von Rauch.

Meine Lunge arbeitete schwer, um mit dem Staunen über meine seltsame Gestalt zurechtzukommen. Ich erwartete eine heftige Reaktion über das Bizarre meines Körpers. Aber die verdammte Ruhe verließ mich keinen Augenblick, ich blieb besonnen und behielt einen klaren Kopf.

Ich wusste nicht, wer ich war, aber ich hoffte, dass die Geschichte auf meiner Haut bald … bald Sinn ergeben würde.

Die neue Verbrennung auf meinem Arm flammte schmerzhaft auf. Alte Verbrennungen und neue.

Ist das wichtig oder greife ich nach jedem Strohhalm?

Ich war eine Münze mit zwei Seiten: Narben und Sterne; Verbrennungen und Tätowierungen; atemberaubend und abscheulich.

Rechts und links neben mir raschelte es – die anderen Frauen hörten auf, meine Einzigartigkeit zu begaffen, und gehorchten nun dem Befehl. Meine Aufmerksamkeit richtete sich wieder von den Narben auf die Tätowierung und nahm sie begierig in mich auf.

»Wie fühlt es sich an?«

Ich griff nach seinen Fingern, bis zwischen unseren ineinander verschränkten Händen Schweiß und Hitze in einem Feuerwerk explodierten. »Wie Flammen. Endlose winzige Höllenzähne.«

»Hältst du das aus? Alles in einer Sitzung?«

Mir rollte eine Träne aus dem Auge, als die Nadel über eine Rippe jagte. Der Schmerz war unbeschreiblich. Entsetzlich und zum Heulen, aber auch süchtig machend. Eine spezielle Art Schmerz, der meine zerrüttete Seele tröstete.

Ich zwang den Schmerz zu tun, was mir anders nicht gelungen war.

Ich schaute zuerst auf meine Narben, die das Gewicht meiner Sünden trugen, dann auf meine jungfräuliche Haut und murmelte: »Ja, ich halte es aus. Weil ich so viel mehr ertragen habe.«

Die Erinnerung flackerte auf wie ein Blitz, nur um genauso schnell wieder zu verblassen.

Nein!

Wer war ich? Was hatte ich durchgemacht, um ein so unglaubliches Kunstwerk auf meiner Haut zu benötigen, als Erinnerung an … was?

Ich war so in die Tätowierung vertieft, dass ich nicht bemerkte, wie sich die anderen Frauen vor mir auszogen.

Eine Ohrfeige ließ mich nach oben schauen, in die grünen Augen meines Albtraums. »Den Rest auch. Du bist noch nicht fertig.«

Seine Nähe ließ mein Herz wild schlagen. Er roch nach Schweiß und Blut. Ich atmete scharf durch die Nase ein, um mich an seinem Geruch zu berauschen. Kannte ich ihn aus einer anderen Zeit und von einem anderen Ort oder war das vollkommen falsch? Wie konnte ich das überwältigende Gefühl beschreiben, ihn zu kennen?

Warum fühlt es sich an, als ob ich dich in einem anderen Leben geliebt, gehasst und zugrunde gerichtet habe?

Als ich mich nicht bewegte oder sprach, fuhren seine großen Finger an meinen Hosenbund. Ohne den Blick von mir zu wenden, öffnete er den Knopf, dann den Reißverschluss, bevor er seine Hände auf meine Hüften legte und die Jeans nach unten schob.

Meine Haut loderte unter seiner Berührung.

Sein Gesichtsausdruck blieb angespannt. Er ließ sich nicht anmerken, ob es sich auf ihn auswirkte, dass ich da war oder er mich berührte. Ich hasste die Lüge, die er verkörperte.