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Das Buch bietet einen Überblick über die verschiedenen methodischen Ansätze der qualitativ-empirischen Sozialforschung im Bereich der Sonderpädagogik. Dazu werden unterschiedliche Erhebungs- und Auswertungsverfahren aus aktuellen sonderpädagogischen Forschungsprojekten exemplarisch vorgestellt. Mit der eingängigen Dreiteilung: "Feldzugänge - Erhebungsmethoden - Auswertungsmethoden" zeigt der Band auf anschauliche Weise, wie mit diesen Verfahren verstehende Zugänge zu unterschiedlichen Feldern und Zielgruppen der sonderpädagogischen Arbeit möglich werden. Gleichzeitig werden in den präsentierten Forschungsfeldern aber auch methodische Stolpersteine und auftauchende Probleme thematisiert. Das Buch liefert so auch wertvolle Hinweise zur Reichweite und Aussagekraft der behandelten Methoden.
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Seitenzahl: 505
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1. Auflage 2016
Alle Rechte vorbehalten
© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Print:
ISBN 978-3-17-022476-6
E-Book-Formate:
pdf: ISBN 978-3-17-030064-4
epub: ISBN 978-3-17-030045-3
mobi: ISBN 978-3-17-030046-0
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Qualitative Forschungsmethoden in sonderpädagogischen Forschungsfeldern – zur Einführung
Dieter Katzenbach
I Feldzugang und Akquise
(Sonder-)pädagogische Fallakquise und ihre Problemfelder am Beispiel der Thematik
Adipositas im Kindes- und Jugendalter
Hendrik Trescher & Ulrich Oevermann
Feldzugang bei kognitiver Beeinträchtigung – am Beispiel der direkten Beforschung demenziell erkrankter Personen
Hendrik Trescher
II Erhebungsverfahren
Interviewtechniken
Offene Leitfadeninterviews im Kontext sogenannter geistiger Behinderung
Nadine Schallenkammer
Offene nichtstandardisierte Interviews als Grundlage fallrekonstruktiver objektiv-hermeneutischer Sozialforschung
Brigitte Schlick
Die Heidelberger Struktur-Lege-Technik (SLT) zur Rekonstruktion von Subjektiven Theorien von Menschen mit intellektueller Behinderung
Thorsten Giese
Projektive Verfahren
Projektive Verfahren als Zugang zu inneren Erlebniswelten – Entwicklung eines Erhebungsinstrumentes am Beispiel der Erschließung triangulärer Beziehungsmuster von Kindern
Jessica Ruth
Spiel- und Erzählverfahren zur Erschließung kindlicher Erfahrungswelten
Katrin Schrenker
Teilnehmende Beobachtung
Psychoanalytisch orientierte Beobachtungen in der empirischen Sozialforschung
Marian Kratz
III Auswertungsmethoden
Videografie
Videografisches Datenmaterial als Grundlage von Interaktionsanalysen – Ein Beispiel aus der Unterrichtsforschung
Felix Buchhaupt
Qualitative Inhaltsanalyse
Theorie und Praxis der Qualitativen Inhaltsanalyse
Felix Buchhaupt & Nadine Schallenkammer
Objektive Hermeneutik
Grundlagen der Objektiven Hermeneutik
Hendrik Trescher
Analyse »natürlicher« Protokolle – Sonderpädagogische Beratungs- prozesse im Fokus der Objektiven Hermeneutik
Olga Kauz
Gewinn und Grenzen der Methode der Objektiven Hermeneutik für Interaktionsanalysen im Forschungsfeld »geistige Behinderung«
Gerlinde Uphoff
Objektive Hermeneutik in der Anwendung – Ethnografische Beobachtung und institutionelle Strukturanalyse am Beispiel des Forschungsfelds Demenz
Hendrik Trescher
Tiefenhermeneutik
Tiefenhermeneutik als Interpretationsmethode psychoanalytischer Sozial- und Kulturforschung
Marian Kratz & Jessica Ruth
Tiefenhermeneutische Analyse kindlicher Erzählungen
Jessica Ruth
Zur Auswertung von Spiel- und Erzählverfahren
Katrin Schrenker
Die Autoren
Im letzten Jahrzehnt sind eine Vielzahl von Publikationen zu Forschungsmethoden in den Sozialwissenschaften entstanden, darunter viele Beiträge, die sich speziell mit erziehungswissenschaftlichen Forschungsfragen beschäftigen. Das von Friebertshäuser und Prengel herausgegebene, erstmals 1997 erschienene Handbuch »Qualitative Forschungsmethoden in der Erziehungswissenschaft« liegt mittlerweile (2013) in vierter überarbeiteter Auflage vor. Es vereint Beiträge von 83 Autorinnen und Autoren. Neben diesem, den Rang eines Klassikers einnehmenden Grundlagenwerk, sind eine Vielzahl praxisnaher Lehrbücher erhältlich, die Studierenden und Wissenschaftlern praktische Anleitungen zur Anwendung konkreter Methoden an die Hand geben (nur um einige Beispiele zu nennen: Kleemann, Krähnke & Matuschek, 2009; Przyborski & Wohlrab-Sahr, 2008; Rosenthal, 2005). Man könnte also meinen, das Feld sei erschöpfend behandelt.
Gleichwohl sind wir der Auffassung, dass der vorliegende Band eine Lücke schließt, die mit der Spezifik des Forschungsfeldes der Sonderpädagogik zusammenhängt; einer Spezifik, der in der vorliegenden Methodenliteratur bisher wenig Beachtung geschenkt wurde. Hier sind vor allem zwei Aspekte hervorzuheben:
Zum einen beschäftigt sich sonderpädagogische Forschung meist mit Thematiken, die für die betroffenen Menschen emotional belastend sind; Themen, die oftmals mit Gefühlen von Scham, Kränkung oder Trauer verbunden sind. Daraus ergeben sich methodische und forschungsethische Implikationen, die hier über den ganzen Forschungsprozess, vom Feldzugang bis hin zur Datenauswertung, verfolgt werden. Eng damit verknüpft ist der Umstand, dass sich sonderpädagogische Forschung häufig in Bereichen hoher Intimität abspielt und in Bereiche eindringt, die üblicherweise der Privatsphäre (wie z. B. Wohnen) zugerechnet werden oder einem besonderen Vertrauensschutz (wie z. B. Beratungssettings) unterliegen. Wiederum ergeben sich hieraus spezifische Rahmenbedingungen auf allen Ebenen des Forschungsprozesses.
Zum anderen beschäftigt sich sonderpädagogische Forschung oftmals mit Menschen, denen man aufgrund kognitiver Beeinträchtigungen zumindest unterstellt, sprachlich nur eingeschränkt oder gar nicht auskunftsfähig zu sein. Forschung, in der Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen selbst zu Wort kommen, stellt nach wie vor die rare Ausnahme dar. Forschung findet hier meist über die Menschen, nur in Ausnahmen mit ihnen statt. Mehrere Beiträge dieses Bandes beschäftigen sich daher mit den Möglichkeiten, aber auch den Besonderheiten der Anwendung qualitativer Forschungsmethoden bei Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen wie geistiger Behinderung oder demenzieller Erkrankung.
In der sonderpädagogischen Forschung begegnet man dieser Spezifik an allen drei Schlüsselstellen des Forschungsprozesses, nämlich 1) dem Feldzugang bzw. der Akquise von Teilnehmerinnen und Teilnehmern, 2) den Erhebungsmethoden und 3) den Auswertungsverfahren. Dementsprechend gliedert sich der Band in diese drei Teile.
Die Beiträge des Bandes folgen dem gleichen Aufbau: Zunächst wird in die jeweilige Methode grundlegend eingeführt. Dann werden am Beispiel konkreter Forschungsprojekte die jeweiligen Besonderheiten im Feldzugang bzw. in der Anwendung der Methode aufgezeigt und die damit einhergehenden forschungsmethodischen Probleme dargelegt. Schließlich wird gezeigt, wie mit diesen Schwierigkeiten umgegangen werden kann, welche Modifikationen gegebenenfalls vorgenommen werden müssen und – nicht zuletzt – wo die Möglichkeiten, aber auch die Grenzen einer Methode liegen.
Die beiden Beiträge im ersten Teil des Bandes befassen sich mit den Schwierigkeiten der Fallakquise und des Feldzugangs, wie sie im Rahmen sonderpädagogischer Forschung auftreten können. Trescher und Oevermann illustrieren am Beispiel einer Studie zu Adipositas im Kindes- und Jugendalter, also einem zwar nicht genuin sonderpädagogischen, gleichwohl aber äußerst schambehafteten Thema, wie schwierig es ist, Teilnehmerinnen und Teilnehmer für eine Untersuchung zu gewinnen – und welche unorthodoxen Wege hier manchmal zum Ziel führen können. Das zweite zentrale Thema dieses Bandes, dass sonderpädagogische Forschung oftmals damit einhergeht, in die Privatsphäre der beforschten Personen einzudringen, verdeutlicht Trescher in einem weiteren Beitrag. Neben der sich damit abzeichnenden tendenziellen Übergriffigkeit der Forschung überhaupt zeigt sich hier eine weitere Problematik: Die zu untersuchende Lebenspraxis spielt sich häufig in institutionalisierten Kontexten wie Heimen, Beratungssettings, Fördersituationen etc. ab, bei denen den Repräsentanten der Institutionen eine wichtige Gate-keeper-Funktion zukommt. Sie treffen in der Regel die Entscheidung, ob überhaupt, und wenn ja, mit wem geforscht werden kann. Diese Entscheidung kann immer mit dem schutzwürdigen Interesse der Wahrung der Intimsphäre der Klienten begründet werden, aber es ist natürlich auch möglich, dass hier letztlich doch eher die Interessen der Institution bestimmend sind.
Im zweiten Teil des Bandes finden sich Beiträge zu den drei klassischen Erhebungsmethoden qualitativer Sozialforschung, nämlich dem Interview, den projektiven Verfahren und der teilnehmenden Beobachtung.
Eingeleitet wird der Abschnitt durch den Beitrag von Schallenkammer zu offenen Leitfadeninterviews mit Menschen mit sogenannter geistiger Behinderung. Im Feld der kognitiven Beeinträchtigungen wird, wie bereits angemerkt, meist über, kaum mit den betroffenen Menschen geforscht. Direkte Befragungen stellen nach wie vor die Ausnahme dar. Es finden sich in der Literatur zwar einige Beiträge, in denen auf notwendige Anpassungen der Interview-Durchführung bei Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen hingewiesen wird. Wenig Beachtung findet in der ohnehin spärlichen Literatur aber ein Phänomen, auf das Schallenkammer eindrücklich aufmerksam macht. Wie sie am Beispiel der Analyse des Eingangsstimulus eines Interviews akribisch aufzeigt, können sich die mit dem Etikett »geistige Behinderung« einhergehenden defizitären Zuschreibungen unter der Hand, auch gegen die explizite Intention des Interviewers, durchsetzen und damit eine »verbehindernde« Interaktionspraxis auch im Interview selbst fortschreiben.
Schlick befasst sich in ihrem Beitrag zum offenen nichtstandardisierten Interview einleitend mit der Abgrenzung zu anderen nichtstandardisierten Interview-Formen wie z. B. dem narrativen Interview. Ausführlich erörtert sie unter forschungsmethodischen und -ethischen Gesichtspunkten das Für und Wider einer zugespitzten Initialfrage, die – gerade im Hinblick auf ein kritisches (wiederum oftmals schambesetztes) Lebensereignis wie hier die Frühgeburtlichkeit des Interview-Partners – zunächst als schroff und taktlos wahrgenommen werden kann.
Die Heidelberger-Struktur-Lege-Technik (SLT) zur Rekonstruktion von Subjektiven Theorien hebt die klassische Trennung von Datenerhebung und -auswertung ein Stück weit auf, denn die kommunikative Validierung der Erhebungsbefunde gemeinsam mit dem Interview-Partner ist ein Kernmerkmal des Verfahrens. Giese zeigt in seinem Beitrag, dass diese Technik, mit den entsprechenden Modifikationen versehen, gewinnbringend auch in der Befragung von Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung eingesetzt werden kann.
Die Erschließung des inneren Erlebens und der psychischen Repräsentation gelebter Beziehungserfahrungen entzieht sich der direkten Beobachtung und rührt an besonders intime Bereiche des Individuums – insbesondere wenn es sich um schmerzliche Erfahrungen handelt. Ruth beschreibt in ihrem Beitrag den Weg der Entwicklung eines eigenen, am speziellen Forschungsinteresse orientierten projektiven Verfahrens, Schrenker erläutert am Beispiel der MacArthur Story Stem Battery die Anwendung eines vorliegenden halbstandardisierten Erhebungsinstruments.
Mit der spezifischen Form der psychoanalytisch orientierten, teilnehmenden Beobachtung befasst sich Kratz in seinem Beitrag, der den Teil zu den Erhebungsmethoden abschließt. Kratz orientiert sich in seinem Beitrag an der ursprünglich an der Tavistock Clinic zu Ausbildungszwecken entwickelten Methode der Infant Observation und diskutiert ausführlich das allen qualitativen Verfahren inhärente, hier aber besonders deutlich zutage tretende Spannungsverhältnis von Subjektivität und Erkenntnisgewinn.
Der dritte Teil des Bandes ist den Auswertungsverfahren gewidmet. Neben der aktuell zunehmend an Bedeutung gewinnenden Frage der Auswertung videografisch erhobener Daten und der gleichsam zum Standardrepertoire der Sozialforschung zählenden Qualitativen Inhaltsanalyse nehmen hier zwei rekonstruktive Verfahren, nämlich die Objektive Hermeneutik und die Tiefenhermeneutik, einen besonderen Raum ein; unter anderem deshalb, weil diese Verfahren – wie wir meinen: zu Unrecht – in der sonderpädagogischen Forschung noch kaum Anwendung finden.
Mit der Videografie ergibt sich für die erziehungswissenschaftliche Forschung eine neue Möglichkeit der Protokollierung flüchtiger sozialer Situationen. Die Forschung gewinnt damit eine neue Qualität der Aufzeichnung, aber auch einen exponentiellen Anstieg der Komplexität des Datenmaterials. Wie Buchhaupt in seinem Beitrag zeigt, können damit verbalsprachliche Kommunikationsinhalte mit dem stetigen Wandel von Körperhaltung, Gesten, Gesichtsausdrücken und Blicken im Raum in direkte, gleichzeitige Verbindung gebracht werden. Wie mit dieser »simultanen Sequenzialität« forschungspraktisch umgegangen werden kann, demonstriert Buchhaupt an konkreten Beispielen.
Möglichkeiten und Grenzen der Qualitativen Inhaltsanalyse werden von Buchhaupt und Schallenkammer im folgenden Beitrag dargelegt. Am konkreten Beispiel erläutern die Autoren die Anwendung der Methode und diskutieren darauf aufbauend die Frage, inwieweit die Qualitative Inhaltsanalyse überhaupt dem Forschungsparadigma der qualitativen Sozialforschung zugerechnet werden kann. Sie weisen insbesondere auf die Gefahr hin, dass die im Rahmen der Qualitativen Inhaltsanalyse vollzogene Einordnung von Textpassagen in ein Kategoriensystem dazu führen kann, dass die dafür eigentlich notwendigen Verstehens- und Interpretationsleistungen der ForscherInnen unzulässig abgekürzt werden. Dies gilt umso mehr, wenn man den für Forschungsprojekte üblichen Zeitdruck mitbedenkt.
Ein Beitrag von Trescher eröffnet den Themenblock zur Objektiven Hermeneutik. Trescher stellt die theoretischen Grundlagen des Verfahrens kurz vor und erläutert ihre methodischen Regeln. Die praktische Anwendung wird dann in den drei folgenden Beiträgen vorgeführt. Kauz zeigt dies am Beispiel eines der empirischen Forschung nur schwer zugänglichen Handlungsfeldes, nämlich der sonderpädagogischen Beratung. Aufgrund der Intimität und prinzipiellen Schutzwürdigkeit des Settings liegen hier nur wenige natürliche Protokolle vor. Uphoff diskutiert die Anwendung der Objektiven Hermeneutik im Kontext geistiger Behinderung. Sie verweist auf die Tatsache, dass man hier in der Analyse häufig mit sprachlichem Material konfrontiert ist, das in doppeltem Sinne »schwer verständlich« ist, einerseits auf der lexikalischen Ebene aufgrund undeutlicher Aussprache, andererseits auf der Ebene der Syntax, wenn Sprechakte als grammatikalisch nicht »wohlgeformt« erscheinen. Uphoff zeigt, dass die Methode auch in diesem Feld durchaus anwendbar ist, dass aber die Qualität der Fallrekonstruktion davon abhängt, inwieweit die Interpreten ihr Verhältnis zum Phänomen der geistigen Behinderung hinreichend reflektiert haben. An konkreten Beispielen illustriert sie die Gefahr, wie sich die im Feld häufig vorzufindenden Defizitzuschreibungen in der Interpretationsgruppe unerkannt widerspiegeln können und so die Sinnhaftigkeit der (Sprech-)Handlungen geistig behinderter Akteure implizit in Abrede gestellt wird.
Trescher schließlich zeigt die Anwendung der Objektiven Hermeneutik auf ein Datenmaterial, das durch teilnehmende Beobachtungen gewonnen wurde. Diese Erhebungsmethode ist – gerade im sonderpädagogischen Kontext – von besonderer Relevanz, wenn die betroffenen Personen etwa aufgrund beeinträchtigter kognitiver Funktionen sich selbst nicht oder nur noch sehr eingeschränkt sprachlich mitteilen können, man sich aber nicht mit der Befragung Dritter (z. B. von Fachkräften und/oder Angehörigen) zufrieden geben will. Trescher zeigt zum einen die Anwendbarkeit der Objektiven Hermeneutik auf dieses Datenmaterial, das nicht – wie sonst in der Objektiven Hermeneutik gängig – auf der Transkription natürlicher Protokolle (also Audio- bzw. Videoaufnahmen) basiert. Und er zeigt darüber hinaus, dass es dieses Datenmaterial erlaubt, bei der Analyse gleichzeitig zwei Fallebenen im Blick zu behalten, nämlich die Ebene der Interaktion bestimmter Akteure wie auch die Ebene der Institution, die den strukturellen Rahmen der Interaktionen der ersten Ebene bildet.
Die Grundlagen der Tiefenhermeneutik stellen Kratz und Ruth in ihrem Einführungsbeitrag dar. Dazu führen sie zunächst in Lorenzers Konzept des szenischen Verstehens als methodologische Grundlage der Tiefenhermeneutik ein, um dann konkrete Verfahrensschritte zur praktischen Anwendung der Methode vorzustellen. Dieses Vorgehen illustriert Ruth im anschließenden Beitrag, in dem sie auf die Datenbasis zurückgreift, die mit der bereits vorgestellten Erhebungsmethode eines selbst entwickelten projektiven Verfahrens erhoben wurde.
Mit der Kombination verschiedener Auswertungsverfahren befasst sich der abschließende Beitrag dieses Bandes. Schrenker greift zur Verdeutlichung auf das Datenmaterial zurück, das mithilfe der oben beschriebenen MacArthur Story Stem Battery gewonnen wurde und zeigt, dass die bei diesem und ähnlichen Verfahren übliche, eher subsumtionslogisch operierende Auswertung durch Codiermanuale zumindest bei kleinen Stichproben durch rekonstruktive Auswertungsverfahren sinnvoll ergänzt werden kann.
Es ist mit den vorangegangenen Ausführungen hoffentlich gelungen, ein zentrales Anliegen dieses Bandes deutlich zu machen. Allen hier versammelten Autorinnen und Autoren ist es von hoher Bedeutung, dem qualitativen Forschungsparadigma folgend, die beforschten Menschen in ihrem Subjektstatus anzuerkennen, ihnen also durch die Forschung gleichsam eine Stimme zu verleihen. Dies gilt umso mehr, als sich sonderpädagogische Forschung per se mit Menschen befasst, die sich in marginalisierten Lebenslagen befinden und die selbst wenig Gehör finden. Dabei läuft man jedoch in Gefahr, mit der Betonung der Spezifik des Forschungsfeldes auch eine Besonderheit der beforschten Personen implizit mit zu behaupten. Damit nimmt man unweigerlich aus forschungsmethodischen Gründen deren Besonderung in Kauf, eine Besonderung, die – nicht zuletzt im Zuge inklusionspädagogischer Überlegungen (vgl. Katzenbach, 2014) – ja auf der Gegenstandsebene explizit problematisiert werden soll.
Diesem Dilemma, durch die Problematisierung der Differenz gleichzeitig zu ihrer Reifizierung beizutragen, ist kaum zu entkommen – und dies ist aus der Forschung zu anderen Differenzlinien, wie der Geschlechter- oder der Migrationsforschung, wohlbekannt. Prozesse der Stigmatisierung und Essentialisierung von Differenz können durch die Wahl geeigneter Forschungsmethoden nicht ungeschehen gemacht werden, aber – und dies ist das Anliegen dieses Bandes – es kann der Versuch unternommen werden, diese Prozesse (auch) aus der Perspektive der betroffenen Subjekte zu beschreiben und zu analysieren. Es ist daher kein Zufall, dass mit der Objektiven Hermeneutik und der Tiefenhermeneutik die sogenannten rekonstruktiven Verfahren einen Schwerpunkt dieses Bandes darstellen, versprechen sie doch, sich dem Ideal eines methodisch kontrollierten Fremdverstehens zumindest anzunähern.
Friebertshäuser, B. & Prengel, A. (Hrsg.) (1997). Handbuch Qualitative Forschungsmethoden in der Erziehungswissenschaft (4., durchg. Aufl., 2013). Weinheim, München: Juventa.
Katzenbach, D. (2014). De-Kategorisierung inklusive? Über Risiken und Nebenwirkungen des Verzichts auf Etikettierungen. In: C. Huf & I. Schnell (Hrsg.), Inklusion in KiTa und Grundschule (33–55). Stuttgart: Kohlhammer.
Kleemann, F., Krähnke, W. & Matuschek, I. (2009). Interpretative Sozialforschung. Eine praxisorientierte Einführung. Wiesbaden: VS Verlag.
Przyborski, A. & Wohlrab-Sahr, M. (2008). Qualitative Sozialforschung. Ein Arbeitsbuch. München: Oldenbourg.
Rosenthal, G. (2005). Interpretative Sozialforschung. Eine Einführung (2. Aufl., 2008). Weinheim, München: Juventa.
Der vorliegende Beitrag behandelt die Akquiseproblematik im sonderpädagogischen Feld. Dabei soll die direkte Beforschung der sonderpädagogischen Klientel im Vordergrund stehen.1 Es werden zunächst gängige Wege des Feldzugangs in der sonderpädagogischen Forschung vorgestellt und diskutiert. Damit, das sei bereits jetzt erwähnt, soll Forschenden nicht der Eindruck vermittelt werden, dass sonderpädagogische Feldforschung nur schwer gelingen kann, vielmehr soll in diesem Zusammenhang auf potenzielle Hürden und Problematiken aufmerksam gemacht werden. Im Anschluss daran soll die mitunter multiple Problematik des Feldzugangs beispielhaft am Forschungsprojekt Adipositas im Kindes- und Jugendalter dargelegt werden.
Forscher müssen oftmals von einem von vorn herein festgelegten, mitunter mühevoll ausgearbeiteten, Akquisesetting abweichen, wenn im Verlauf der Akquise festgestellt wird, dass das oftmals idealtypisch formulierte Setting in der Forschungspraxis nicht eingehalten werden kann, weil es schlicht nicht zur gewünschten Materialgewinnung führt. Die Forschenden treffen immer wieder auf nicht einkalkulierte Hürden, die den Ablauf der Akquise verändern. Akquisetätigkeit ist aufgrund des hohen Intimitätsgrades, in welchen bei der sonderpädagogischen Feldforschung eingedrungen wird, nicht immer leicht zu planen. So sind manche Thematiken beispielsweise stark schambesetzt, und es ist nicht einfach, Menschen auf diese Themen, wie im Beispiel hier Adipositas, anzusprechen. Auch die Akquise über bestimmte Vermittler ist nicht immer einfach umzusetzen, bzw. mitunter gar nicht möglich. Hier sind beispielsweise Beratungskontexte zu nennen.
Trotz guter Planung ist es in der sonderpädagogischen Forschungspraxis oftmals so, dass die Akquisetätigkeit in Abhängigkeit zu Fragestellung, Erhebungs- und Auswertungsmethode(n) sowie dem aktuellen Stand des jeweiligen Forschungsprozesses angepasst werden muss. Akquise muss also im Verlauf als prozesshaft bezeichnet werden.
Der Zugang über Betreuungsinstitutionen ist oftmals der Weg, der von vornherein als am schnellsten und einfachsten angesehen wird. Zunächst erscheint es logisch, dort mit der Akquise zu beginnen, da Wohneinrichtungen, Schulen, Arbeitseinrichtungen, Tagesförderstätten etc. qua Status einen engen Kontakt zu ihrer Klientel haben. Da zu erwarten ist, dass diese Einrichtungen mitunter sehr viele Menschen betreuen, kann auch davon ausgegangen werden, dass der Zugang über solche Institutionen eine relativ erfolgreiche Akquise verspricht. Dies mag für Einzelerhebungen auch zutreffen, insbesondere dann, wenn der Forschende mit der Institution vertraut ist, also die Klientel, das Personal und die formellen und informellen Strukturen kennt.2 Oftmals erscheint es daher sinnvoll und hilfreich, Betreuungsinstitutionen über Einzelpersonen anzusprechen, die dort tätig sind, und diese von dem eigenen Vorhaben respektive dessen Notwendigkeit und Sinn zu überzeugen. Dennoch ist damit noch längst nicht die Akquise garantiert, denn die Entscheidungswege solcher Einrichtungen sind mitunter lang. Während bei einem selbstverwalteten Kinderladen die Entscheidungskette kurz sein mag, müssen bei größeren Einrichtungen oftmals Bereichsleitung, Leitung und gegebenenfalls auch der Träger ihre Zustimmung erteilen. Dies ist mitunter schwierig und zeitaufwändig. Hierbei ist zu bedenken, dass die jeweiligen Entscheidungsträger ein Interesse an der Befragung haben müssen. Oftmals ist es aber gerade so, dass Vorbehalte bestehen, insbesondere dort, wo schambesetzte Problemfelder angesprochen werden, zumal Betreuungsinstitutionen ihre Klientel nicht verletzen möchten und ihre Fürsorgepflicht wahrnehmen müssen.3 Außerdem ist hier die Problematik des , also der (gezielten) Steuerung des Zugangs durch die angefragten Betreuungsinstitutionen zu bedenken. Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn die Betreuungsinstitution den Zugang zu von ihr nach eigenen Kriterien ausgewählten Einzelpersonen aus ihrer Klientel ermöglicht.
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