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Das Buch gibt Ihnen Einblicke in die teilweise schwierige Materie des Sozial- und Arbeitsrechts und soll Ihnen zugleich Wegweiser für den Umgang mit Behörden und/oder Arbeitgeber:innen sein.
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Seitenzahl: 225
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Die Ausarbeitung einschließlich aller ihrer Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung der Verfasserin unzulässig und strafbar.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Allgemeines
Das Auffinden eines Gesetzes
Die Lektüre eines Gesetzes
Die Rechtsordnung in der Bundesrepublik Deutschland
Aufgabe des Sozialrechts
Rechtsquellen des Sozialrechts
Funktionen der Sozialleistungen
Sozialverfahrensrecht und Gerichtsordnung
Das Verwaltungsverfahren
Das Widerspruchsverfahren (Vorverfahren)
Das gerichtliche Verfahren
aa. Zuständigkeit
bb. Instanzenzug
cc. Das Klageverfahren
dd. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
ee. Der Eilantrag
ff. Die Untätigkeitsklage
Private Krankenversicherung
Beihilfe
Arbeitsrecht und Gerichtsordnung
Ende eines Klageverfahrens
Das Arbeitsverhältnis
Arbeitsvertrag
Nachweis über Arbeitsbedingungen und Form
Normenhierarchie – Rangfolge- und Günstigkeitsprinzip
(Schwer-)Behinderung bei MS
Das Feststellungsverfahren
Der sog. Verschlimmerungsantrag
Bildung des Grades der Behinderung (GdB)
Der Schwerbehindertenausweis
Die Gleichstellung
Merkzeichen
Nachteilsausgleiche
GdB-abhängige Nachteilsausgleiche
aa. GdB 20
bb. GdB 30 / 40
cc. GdB 50
dd. GdB 60
ee. GdB 70
ff. GdB 80
gg. GdB 90
hh. GdB 100
Merkzeichenabhängige Nachteilsausgleiche
Das Merkzeichen „aG“ und Parkerleichterungen
Mögliche Parkerleichterungen bei Nichtvorliegen des Merkzeichens „aG“
Ende des Schutzes des Schwerbehindertenrechts
Schwerbehinderung und Altersrente
Besondere Regelungen im Arbeitsrecht
Bewerbungs- und Einstellungsverfahren
Einladung zum Vorstellungsgespräch
Fragerecht des/der Arbeitgeber:in
Offenbarungspflicht des/der Arbeitnehmer:in
Einstellungsuntersuchung mit Exkurs Verbeamtung
Besondere Regelungen im bestehenden Arbeitsverhältnis
Benachteiligungsverbot
Behinderungsgerechte Beschäftigung und Arbeitsplatzgestaltung
Befreiung von Mehrarbeit
Präventionsmaßnahmen und Betriebliches Eingliederungs-Management
aa. Präventionsverfahren
bb. Das Betriebliche Eingliederungsmanagement
Ermöglichung von Teilzeitarbeit
Rehabilitations- und Teilhabeleistungen
Leistungsgruppen
Zuständigkeiten
Begleitende Hilfe im Arbeitsleben
Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben
aa. Leistungen an Menschen mit Behinderung und/oder chronischer Erkrankung
Hilfen zur Erhaltung oder Erlangung eines Arbeitsplatzes
Berufsvorbereitung
Individuelle betriebliche Qualifizierung
Berufliche Anpassung und Weiterbildung
Berufliche Ausbildung
Förderung der Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit
Sonstige Hilfen
bb. Leistungen an Arbeitgeber:innen
Ausbildungszuschüsse
Eingliederungszuschüsse
Zuschüsse für Hilfsmittel und technische Arbeitshilfen im Betrieb
Kostenerstattung für Probebeschäftigungen
cc. Zuständigkeitsprüfung und Fristenregelung
Die Ausstattung mit Hilfsmitteln als Leistung der Krankenbehandlung
Anspruchsvoraussetzungen
Hilfsmittel
Wunsch- und Wahlrecht
Leistungsumfang
Heilmittelverordnungen
Voraussetzungen
Entlassmanagement
Rehabilitationssport und Funktionstraining
Reha-Sport
Funktionstraining
Zentraler Unterschied
Verordnung/Verordnungsweise
Kostenträger
Krankenkasse
Weitere Kostenträger
Kostenerstattung bei der Selbstbeschaffung von Leistungen zur Teilhabe
Tatbestände
Frist
Fristverlängerung
Rechtfolge
Krankenbeförderung von gesetzlich Krankenversicherten
Leistungsumfang
Kostenübernahme für Fahrten zur ambulanten Behandlung
Fahrdienste für mobilitätseingeschränkte Menschen
Nachteilsausgleiche für Studieninteressierte und Studierende
Nachteilsausgleiche in der (Berufs-)Schule
Erwerbsminderungsrente
Voraussetzungen
Befristung
Rentenbeginn
Rentenhöhe
Erreichen der Regelaltersgrenze
Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung
Lebensbereiche
Begutachtung und Einstufung der Pflegebedürftigkeit
Wichtige Leistungsänderungen
Auswirkung der Pflege auf die Rente
Familienpflegezeit: Rentenansprüche
MS und die Anschaffung eines Treppenliftes
Zuzahlungen als Eigenbeteiligungen und die Belastungsgrenze
Patientenrechte
Wohngeld
Weiterführende Hinweise auf Internetportale und kostenfrei erhältliche Publikationen
EURO-Schlüssel für Behindertentoiletten
ANHÄNGE:
ANHANG 1
– Fünf wichtige Punkte fürs Gespräch des Patienten mit dem/der behandelnden Arzt/Ärztin und MS-bedingte Beeinträchtigungen
ANHANG 2
– Vom Grad der Behinderung abhängige Nachteilsausgleiche
ANHANG 3
– Merkzeichenabhängige Nachteilsausgleiche
ANHANG 4
– Kfz-Steuerermäßigung und/oder Freifahrt für schwerbehinderte Menschen im Öffentlichen Personennahverkehr
ANHANG 5
– Wichtige GdB-abhängige Nachteilsausgleiche für schwerbehinderte und gleichgestellte Menschen sowie Arbeitgeber:innen im Arbeitsleben im Überblick
ANHANG 6
– Krankengeld
ANHANG 7
– Leistungen der Pflegeversicherung 2022
ANHANG 8
– Monatliche Rentenansprüche für Pflegende
ANHANG 9
– Musterbrief „Einsicht in meine Patientenakte“
ANHANG 10
– Musterbrief „formloser Widerspruch“
ANHANG 11
– Musterbrief „Widerspruchsbegründung“
ANHANG 12
– Musterbrief „Klageerhebung vor dem Sozialgericht“
ANHANG 13
– Rollstuhltypen
ANHANG 14
– Musterbrief „Pauschale Kostenerstattung für Strom für elektrisch betriebene Hilfsmittel“
ANHANG 15
– Musterbrief „Stromkostenabrechnung nach dem tatsächlichen Verbrauch“
Abkürzungsverzeichnis
Stichwortverzeichnis
Selbstkompetenz
beeinflusst Ihr Handeln und
umfasst die Fähigkeit zur
Selbstwahrnehmung und Selbstorganisation.
Liebe Leser:innen,
Die Diagnose MS verändert das Leben von einem Tag auf den anderen. Da sie vor allem bei jungen Erwachsenen zwischen dem 20. und dem 40. Lebensjahr auftritt und das Leben in nahezu jedem Lebensbereich beeinflusst, sind fundierte Informationen wichtig, bei denen neben der medizinischen und sozialen immer auch die rechtliche Dimension der Erkrankung Berücksichtigung findet.
Mein Buch gibt Ihnen einen ersten Einblick in die teilweise schwierige Materie des Sozial- und Arbeitsrechts und soll Ihnen zugleich Wegweiser im Umgang mit Behörden, Sozialleistungsträgern und Arbeitgeber:innen sein.
Die Informationen stellen allerdings keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt, nicht ersetzen.
Nutzen Sie bei Fragen unbedingt auch das Erfahrungswissen der Beratungsstellen der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG). Für einen überschaubaren Mitgliedsbeitrag erhalten Sie dort fundierten Rat zu allen medizinisch-pflegerischen, sozialrechtlichen und psychologischen Fragen sowie unabhängige Informationen rund um die Erkrankung.
Auch wenn die Amtssprache nicht eben zu einer entspannten Lektüre einlädt, bleiben Sie dran und werden Sie aktiv. Sichern Sie sich langfristig Ihre Selbstständigkeit, erhalten Sie sich Ihre Lebensqualität und nehmen Ihre berechtigten Interessen angstbefreit wahr.
Ich wünsche Ihnen eine Lektüre mit Gewinn.
Ihre
Sie können im Internet (https://www.gesetze-im-internet.de) recherchieren, in dem Sie den Namen oder die Abkürzung des jeweiligen Gesetzes eingeben oder eine Gesetzessammlung erwerben, z. B. Beck-Texte im dtv-Verlag oder die Gesetzessammlung „Gesetze für die Soziale Arbeit“ aus dem Nomos-Verlag (101., neu bearbeitete Auflage 2022, ISBN 978-3-406-79345-5, 12,90 €).
HINWEIS:
Beim
Sozial- und
beim
Arbeitsrecht
handelt es sich um zwei
ständig fließende, sich rasch verändernde Rechtsgebiete
. Achten Sie also darauf, dass Sie mit der neuesten Fassung des jeweiligen Gesetzes arbeiten.
Schauen Sie zunächst in das Inhaltsverzeichnis des Gesetzes und orientieren Sie sich an den Überschriften.
TIPP:
Gesetze sind meistens so strukturiert, dass das Allgemeine vorne und das Spezielle weiter hinten steht.
Eine zweite Möglichkeit ist, nach dem Stichwortverzeichnis vorzugehen, das den meisten Gesetzessammlungen angefügt ist. Die Arbeit mit den Stichworten setzt allerdings voraus, dass Sie die Struktur eines Gesetzes verstanden haben.
Die Rechtsordnung in Deutschland unterscheidet zwischen Privatrecht und öffentlichem Recht. Das Privatrecht regelt die Beziehungen zwischen den Bürgern, das öffentliche Recht die Beziehungen zwischen dem Staat und den Bürgern.
Rechtsgebiete
Privatrecht
Öffentliches Recht
Bürgerliches Gesetzbuch
Allgemeiner Teil, Schuldrecht, Sachenrecht, Familienrecht und Erbrecht
Nebengesetze zum BGB Sonderprivatrechte
Handelsrecht
Arbeitsrecht
Gesellschaftsrecht Wettbewerbsrecht gewerbliche Schutzrechte
Staats- und Verfassungsrecht Europarecht Völkerrecht Verwaltungsrecht Polizei- und Ordnungsrecht Baurecht Kommunalrecht Gewerberecht Subventionsrecht Steuer- und Abgabenrecht
Sozialrecht
Strafrecht Prozessrechte
Abb. 1 - Rechtsgebiete
Ein besonderes Teilgebiet des Öffentlichen Rechts ist das Sozialrecht oder das Recht der sozialen Sicherung (s. Abb. 1).
Das Sozialrecht hat die Aufgabe, für soziale Gerechtigkeit und soziale Sicherheit seiner Bürger zu sorgen, s. § 1 SGB I – Aufgaben des Sozialgesetzbuches.
Es dient der Erfüllung des grundgesetzlichen Auftrags zur Sicherung des Sozialstaatsprinzips des Grundgesetzes (Art. 20 Abs. 1 und 28 Grundgesetz – GG), das gleichberechtigt neben anderen Staatsprinzipien wie dem Demokratieprinzip oder dem Rechtsstaatsprinzip steht.
Wichtigste Rechtsquelle des weit verzweigten Sozialrechts ist das Sozialgesetzbuch (SGB). Darin sind in derzeit 12 Büchern (SGB I - XII) die entscheidendsten Regelungen des Sozialrechts zusammengeführt worden, wobei jedes Buch als eigenständiges Gesetz gilt.
Sozialgesetzbuch I (SGB I)
In Kraft getreten: 01.01.1976
Allgemeiner Teil (Soziale Aufgabe / Soziale Rechte) / Gemeinsame Vorschriften z. B.
Aufklärung, Beratung, Antragstellung, Mitwirkungspflichten, Vorschuss
Sozialgesetzbuch II (SGB II)
In Kraft getreten: 01.01.2005
Grundsicherung für Arbeitssuchende (Arbeitslosengeld II / Hartz IV)
Sozialgesetzbuch III (SGB III)
In Kraft getreten: 01.01.1998
Arbeitsförderung (u. a. Arbeitslosengeld I)
Sozialgesetzbuch IV (SGB IV)
In Kraft getreten: 01.01.1977
Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung
Sozialgesetzbuch V (SGB V)
In Kraft getreten: 01.01.1989
Gesetzliche Krankenversicherung mit Regelungen der Krankenversicherung, die auch für die Rentenversicherung bedeutend sind (z. B. § 40 Abs. 4 SGB V für den Vorrang der Rentenversicherung bei medizinischer Rehabilitation [kurz: Reha])
Sozialgesetzbuch VI (SGB VI)
In Kraft getreten: 01.01.1992
Gesetzliche Rentenversicherung mit den speziellen Regelungen zum Reha- und Teilhaberecht in der Rentenversicherung (insbesondere §§ 9 bis 32, 116 SGB VI)
Sozialgesetzbuch VII (SGB VII)
In Kraft getreten: 01.01.1997
Gesetzliche Unfallversicherung
Sozialgesetzbuch VIII (SGB VIII)
In Kraft getreten: 03.10.1990 (neue Bundesländer), 01.01.1991 (alte Bundesländer)
Kinder- und Jugendhilfe
Sozialgesetzbuch IX (SGB IX)
01.01.2018 (Neufassung) In Kraft getreten: 01.07.2001,
Recht der Schwerbehinderten / Reha-Recht mit dem übergeordneten Reha- und Teilhaberecht, das für mehr als einen Reha-Träger von Bedeutung ist (§§ 1 bis 89 SGB IX)
Sozialgesetzbuch X (SGB X)
In Kraft getreten: 01.01.1981 bzw. 01.01.1983
Verwaltungsverfahrensvorschriften
(1. Kapitel (§§1 – 66 SGB X) – bis dahin geregelt in etwa 25 Gesetzen mit mehr als 200 Paragrafen)
z. B. Verwaltungsverfahren, Fristberechnungen, Erstattungsansprüche
Sozialgesetzbuch XI (SGB XI)
In Kraft getreten: 01.01.1995
Gesetzliche Pflegeversicherung
Sozialgesetzbuch XII (SGB XII)
In Kraft getreten: 01.01.2005
Sozialhilfe
Sozialgesetzbuch XIV (SGB XIV)
Verabschiedet 12.12.2019, tritt schrittweise zum 01.01.2024 in Kraft
Soziales Entschädigungsrecht (bisher schon existierende Gesetze werden hier zusammengeführt)
Abb. 2 – Sozialgesetzbücher
Daneben gelten zahlreiche sozialrechtliche Einzelgesetze mit den zu ihrer Ergänzung und Änderung erlassenen Gesetzen, Rechtsverordnungen und Satzungen als dessen besondere Teile.
Die Systematik richtet sich dabei vornehmlich nach den Funktionen der entsprechenden Sozialleistung.
Heute gibt es die vier Hauptbereiche:
das
Sozialversicherungsrecht
,
das
Recht der sozialen Entschädigung
(bei Gesundheitsschäden),
das
Recht der sozialen Förderung
und
das
Recht der sozialen Hilfe
.
Sozialversicherung
soziale Entschädigung
soziale Förderung
soziale Hilfe
beitragsfinanziert
steuerfinanziert
steuerfinanziert
steuerfinanziert
Eintritt sozialen Risikos
Ausgleich von Opfern für die Allgemeinheit
Chancengleichheit
Sicherung des Existenzminimums
gemeinsame Vorschriften (SGB IV): enthält die gemeinsamen Vorschriften für die Sozialversicherung Krankenversicherung (SGB V): Absicherung des Krankheitsrisikos Pflegeversicherung (SGB XI): Absicherung des Pflegebedürftigkeitsrisikos Rentenversicherung (SGB VI): Absicherung der Risiken des Alters, der Invalidität und des Todes Arbeitslosenversicherung (SGB III): Absicherung des Risikos der Arbeitslosigkeit Echte Unfallversicherung (SGB VII):
Absicherung des Risikos der Bedrohung der materiellen Existenz durch Eintritt eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit im Zusammenhang mit abhängiger Arbeit
Unechte Unfallversicherung
*
(SGB VII)
*
Während die echte Unfallversicherung Arbeitnehmer:innen vor den Gefahren eines Arbeitsunfalls und einer Berufskrankheit schützt, erfasst die unechte Unfallversicherung die sonstigen gesetzlich unfallversicherten Personen, z. B. Kinder in Kindertagesstätten, Schüler in Schulen, Studenten in der Hochschule, Nothelfer, Blutspender und Spender körpereigener Gewebe.
Kriegsopferversorgung (BVG) Gewaltopferentschädigung (OEG) Impfschadenentschädigung (IfSG) Wehrdienst- (SVG) und Zivildienstentschädigung (ZDG) Entschädigung bestimmter politischer Häftlinge (HHG) Entschädigung bestimmter, u.a. politisch Verfolgter (StrRehaG, VwRehaG und BerRehaG)
Arbeitsförderung (SGB III) (aktive) Leistungen zur Eingliederung in Arbeit (SGB II) Ausbildungsförderung (BAföG) Familienleistungen: Kindergeld (BKGG/EStG), Elterngeld (BEEG) und Unterhaltsvorschuss (UhVorschG) Wohngeld (WoGG) Behindertenförderung: Reha und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX)
Sozialhilfe (SGB XII) Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (§§ 41–46b SGB XII) Asylbewerberleistungen (AsylbLG) ALG II („HARTZ IV“): Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II) Kinder- und Jugendhilfe (SGB VIII)
Abb. 3 – Sozialleistungen und ihre Funktionen
Die verschiedenen Sozialleistungsansprüche stehen teils in einem Rangverhältnis zueinander. So sind die sozialen Hilfeleistungen wie Arbeitslosengeld II bzw. umgangssprachlich: Hartz IV (§ 9 Abs. 1 SGB II) und Sozialhilfe (§ 2 Abs. 1 SGB XII) gegenüber den Leistungen der Sozialversicherung, der sozialen Entschädigung und der sozialen Förderung nachrangig. Sie kommen demnach nur dann zum Zug, wenn der notwendige Bedarf nicht durch Selbsthilfe oder Leistungen anderer – insbesondere unterhaltsverpflichteter Angehöriger oder anderer Sozialleistungsträger* – erfüllt werden kann (§ 3 Abs. 3 und § 5 SGB II / § 2 SGB XII).
* Andere Sozialleistungsträgersind z. B. die Ämter für Ausbildungsförderung, die Sozialversicherungsträger – also die Unfall-, Renten-, Kranken- und Pflegeversicherungsträger – und die Versorgungsämter mit Entschädigungsleistungen für Gesundheitsopfer.
HINWEIS:
Das schließt allerdings nicht aus, dass vorrangige Sozialleistungen und soziale Hilfeleistungen auch nebeneinander gewährt werden können
(
BEISPIEL:
Wenn das Arbeitslosengeld I nicht zum Leben ausreicht, können zusätzlich Wohngeld, Kinderzuschlag oder Arbeitslosengeld II in Betracht kommen)
.
Weil das Sozialrecht ein großes Rechtsgebiet umfasst, hat es ein eigenes Verfahrensrecht und eine eigene Gerichtsordnung.
Zunächst muss ein:e Betroffene:r sich darüber klar werden, was er/sie von wem beanspruchen möchte. Hier tauchen die ersten Probleme auf, denn welche Ansprüche im Einzelnen bestehen und wer zuständig ist, ist nicht immer leicht zu erkennen.
Der Gesetzgeber hat daher folgende gesetzliche Regelungen geschaffen:
§ 13 SGB I – Aufklärung
Die Leistungsträger, ihre Verbände und die sonstigen in diesem Gesetzbuch genannten öffentlich-rechtlichen Vereinigungen sind verpflichtet, im Rahmen ihrer Zuständigkeit die Bevölkerung über die Rechte und Pflichten nach diesem Gesetzbuch aufzuklären.
§ 14 SGB I – Beratung
Jeder hat Anspruch auf Beratung über seine Rechte und Pflichten nach diesem Gesetzbuch. Zuständig für die Beratung sind die Leistungsträger, denen gegenüber die Rechte geltend zu machen oder die Pflichten zu erfüllen sind.
§ 15 SGB I – Auskunft
(1) Die nach Landesrecht zuständigen Stellen, die Träger der gesetzlichen Krankenversicherung und der sozialen Pflegeversicherung sind verpflichtet, über alle sozialen Angelegenheiten nach diesem Gesetzbuch Auskünfte zu erteilen.
(2) Die Auskunftspflicht erstreckt sich auf die Benennung der für die Sozialleistungen zuständigen Leistungsträger sowie auf alle Sach- und Rechtsfragen, die für die Auskunftsuchenden von Bedeutung sein können und zu deren Beantwortung die Auskunftsstelle imstande ist.
(3) Die Auskunftsstellen sind verpflichtet, untereinander und mit den anderen Leistungsträgern mit dem Ziel zusammenzuarbeiten, eine möglichst umfassende Auskunftserteilung durch eine Stelle sicherzustellen.
(4) Die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung sollen über Möglichkeiten zum Aufbau einer staatlich geförderten zusätzlichen Altersvorsorge produkt- und anbieterneutral Auskünfte erteilen.
Das eigentliche Verwaltungsverfahren beginnt regelmäßig mit einem Antrag auf eine bestimmte Leistung (z. B. auf Zuerkennung einer Erwerbsminderungsrente, auf Feststellung des Behindertengrades usw.).
HINWEIS:
Es empfiehlt sich, Anträge
schriftlich
zu stellen.
Diese sollten Angaben enthalten, die man sich mit den Frageworten „wer, was, wo, wie und warum“ ins Bewusstsein rufen kann.
Nach Antragseinreichung ist es Aufgabe der Behörde, den Antrag zu prüfen und ggf. den entscheidungserheblichen Sachverhalt zu ermitteln, „Amtsermittlungs-/Untersuchungsgrundsatz“.
Antragstellende sind grundsätzlich zur Mitwirkung verpflichtet (siehe §§ 60 – 64 SGB I). Die Mitwirkungspflichten finden ihre Grenzen in § 65 SGB I.
Gesetzliche Regelung
§ 65 SGB I – Grenzen der Mitwirkung
(1) Die Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 64 bestehen nicht, soweit
ihre Erfüllung nicht in einem angemessenen Verhältnis zu der in Anspruch genommenen Sozialleistung oder ihrer Erstattung steht oder
ihre Erfüllung dem Betroffenen aus einem wichtigen Grund nicht zugemutet werden kann oder
der Leistungsträger sich durch einen geringeren Aufwand als der Antragsteller oder Leistungsberechtigte die erforderlichen Kenntnisse selbst beschaffen kann.
(2) Behandlungen und Untersuchungen,
bei denen im Einzelfall ein Schaden für Leben oder Gesundheit nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann,
die mit erheblichen Schmerzen verbunden sind oder
die einen erheblichen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit bedeuten, können abgelehnt werden.
(3) Angaben, die dem Antragsteller, dem Leistungsberechtigten oder ihnen nahestehende Personen (§ 383 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 der Zivilprozessordnung) die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden, können verweigert werden.
Es ist allerdings auch möglich, dass die Behörde von sich aus eine für den/die Betroffene negative Entscheidung durch eine sog. schriftliche Anhörung vorbereitet (z. B. die Einstellung oder Rückforderung von Leistungen oder die Absenkung des Behindertengrades).
Sind alle behördlichen Ermittlungen und Prüfungen abgeschlossen endet das Verwaltungsverfahren in der Regel durch einen sog. Verwaltungsakt – es ergeht ein schriftlicher Bescheid, der am Ende in aller Regel eine Rechtsbehelfsbelehrung enthält.
Gegen einen den Antrag ablehnenden Bescheid und auch im Falle einer Gewährung, die jedoch nicht mit dem Interesse des/der Antragstellenden übereinstimmt, steht diesem/dieser das Rechtsmittel des Widerspruchs zur Verfügung, der innerhalb eines Monats eingelegt werden muss. Gerechnet wird ab dem Tag, an dem der Bescheid dem/der Betroffenen zugegangen ist.
Sollten Betroffene nicht über diese Möglichkeit belehrt worden sein, so gilt eine Jahresfrist.
Das Vorverfahren wird mit der Erhebung eines Widerspruchs bei der zuständigen Behörde (im Rechtsbehelfshinweis genannt) eingeleitet (§ 83 SGG).
HINWEIS:
Ein Widerspruch der bei der
unzuständigen Behörde
eingelegt wird, wahrt nur dann die Widerspruchsfrist, wenn er von der unzuständigen Behörde rechtzeitig an die zuständige Behörde weitergeleitet wird. Die Frist des § 84 Abs. 1 SGG muss also gegenüber der Stelle gewahrt werden, bei der – formgerecht – der Widerspruch einzulegen ist.
Gibt diese den Widerspruch nicht an die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, weiter, liegt kein Zugang bei dieser vor, was bedeutet: Der Widerspruch ist nicht eingelegt.
Im Widerspruchsverfahren prüft die gleiche Behörde, die den Bescheid erlassen hat (sog. Ausgangsbehörde), den beanstandeten Bescheid noch einmal.
HINWEIS:
Grundsätzlich ist jeder schriftliche Einwand innerhalb der Widerspruchsfrist als Widerspruch anzusehen, wenn er sich einem Verwaltungsakt zuordnen lässt.
Auf die Bezeichnung des Rechtsbehelfs als Widerspruch kommt es nicht an.
Checkliste für den Widerspruch:
Name, Adresse (mit Telefonnummer) und DatumAdresse der Behörde, an die sich der Widerspruch richtetAktenzeichen/Versicherungsnummer/Mitgliedsnummer/GeburtsdatumAngabe, wogegen sich der Widerspruch richtetBegründung des Widerspruchs ist hilfreich und empfehlenswertMöchte man die Begründung nachreichen, sollte man das bereits im Widerspruchsschreiben mitteilen.Eine starre Frist für die Begründung des Widerspruchs gibt es nicht. Eine alsbaldige möglichst ausführliche Widerspruchsbegründung dürfte allerdings in eigenem Interesse sein.Hinweis auf beigefügte AnlagenEigenhändige Unterschrift nicht vergessen!Muster s. ANHÄNGE 10 und 11
Das Widerspruchsverfahren endet mit einer schriftlichen Widerspruchsentscheidung der Behörde. Entweder ist der Widerspruch vollständig erfolgreich, dann erlässt die Behörde einen sogenannten Abhilfebescheid und das Verfahren ist beendet. Soweit die Behörde den Widerspruch jedoch als (teilweise und gänzlich) unbegründet zurückweist, ergeht ein sogenannter Widerspruchsbescheid.
Gegen diesen kann man binnen eines Monats Klage erheben.
Gesetzliche Regelung
§ 91 SGG
(1) Die Frist für die Erhebung der Klage gilt auch dann als gewahrt, wenn die Klageschrift innerhalb der Frist statt bei dem zuständigen Gericht der Sozialgerichtsbarkeit bei einer anderen inländischen Behörde oder bei einem Versicherungsträger oder bei einer deutschen Konsularbehörde oder, soweit es sich um die Versicherung von Seeleuten handelt, auch bei einem deutschen Seemannsamt im Ausland eingegangen ist.
(2) Die Klageschrift ist unverzüglich an das zuständige Gericht der Sozialgerichtsbarkeit abzugeben.
HINWEIS:
Der
Verfahrensweg
(1. Antrag, 2. Bescheid, 3. Widerspruch, 4. Widerspruchsbescheid, 5. Klage, 6. Berufung, 7. Revision)
ist einzuhalten
.
Sinn des Vorverfahrens ist es, die Gerichte durch seine Filterfunktion zu entlasten, aber auch eine Selbstkontrolle der Verwaltung dadurch zu erreichen, dass diese ihre Entscheidung nochmals in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht überdenken und etwaige Fehler korrigieren kann.
Einzelheiten des gerichtlichen Verfahrens sind im Sozialgerichtsgesetz (SGG) geregelt.
aa. Zuständigkeit
Die Gerichte der Sozialgerichtbarkeit sind insbesondere zuständig für Streitigkeiten in folgenden Bereichen (§ 51 SGG):
Gesetzliche Krankenversicherung
Soziale und private Pflegeversicherung nach dem SGB XI
Gesetzliche Unfallversicherung
Gesetzliche Rentenversicherung
Knappschaftsversicherung
Arbeitslosenversicherung
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Sozialhilfe
Asylbewerberleistungsgesetz
Vertragsarzt- und Vertragszahnarztrecht und Recht der Psychotherapeuten
Kriegsopferversorgung ohne Kriegsopferfürsorge und Soldatenversorgung
Opferentschädigungsrecht
Recht der schwerbehinderten Menschen
Alterssicherung der Landwirte
Elterngeldrecht
Sozialgerichte sind auch zuständig sind für Streitigkeiten von privat versicherten Personen gegen private Pflegeversicherungsunternehmen.
Das Kindergeld ist ein spezieller Fall:
Für die Regelungen des Bundeskindergeldgesetzes sind die Sozialgerichte zuständig. Kindergeld wird aber fast immer nach dem Einkommenssteuergesetz (dort: §§ 32, 62 bis 78) gezahlt, weil Kindergeld als „negative Steuer“ verstanden wird. Deshalb sind für das Kindergeld die Finanzgerichte zuständig.
Sozialgerichte sind zudem nicht zuständig für Streitigkeiten im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe, des Unterhaltsvorschusses, der Ausbildungsförderung und des Wohngeldes. Zuständig hierfür sind die Verwaltungsgerichte.
Die Sozialgerichtsbarkeit hat drei Instanzen:
die Sozialgerichte (SG),
die Landessozialgerichte (LSG) und
das Bundessozialgericht (BSG).
Sozialgerichte und Landessozialgerichte sind sog. Tatsacheninstanzen. Sie haben zur Prüfung des geltend gemachten Anspruchs den Sachverhalt, der dem Klagebegehren zugrunde liegt, umfassend aufklären.
Demgegenüber entscheidet das Bundessozialgericht als Revisionsgericht über Rechtsfragen.
In allen drei Instanzen wirken neben Berufsrichter:innen (Abb. 4: schwarz) auch ehrenamtliche Richter:innen (Abb. 4: hellgrau) mit, §§ 9, 12, 30, 38 SGG).
Abb. 4 - Sozialgerichtsbarkeit
Das sozialgerichtliche Verfahren beginnt mit der Erhebung der Klage.
Der Sachverhalt wird von Amts wegen ermittelt (vgl. § 103 SGG).
Den Richter:innen obliegt eine weit gehende Aufklärungspflicht einschließlich der Beseitigung von Formfehlern, der Erläuterung unklarer und der Stellung sachdienlicher Anträge, der Ergänzung ungenügender Angaben und der Abgabe wesentlicher Erklärungen.
Das Klagerecht des Bürgers vor den Sozialgerichten ist als Schutzrecht ausgestaltet, was durch eine Vielzahl „bürgerfreundlicher“ Regelungen gewährleistet wird (z. B. bestimmte Frist- und Formerleichterungen, das Recht, eine:n bestimmte:n Arzt /Ärztin als Sachverständige:n zu benennen und grundsätzliche Kostenfreiheit des Verfahrens).
Gesetzliche Regelungen
§ 90 SGG
Die Klage ist bei dem zuständigen Gericht der Sozialgerichtsbarkeit schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu erheben.
§ 91 SGG
(1) Die Frist für die Erhebung der Klage gilt auch dann als gewahrt, wenn die Klageschrift innerhalb der Frist statt bei dem zuständigen Gericht der Sozialgerichtsbarkeit bei einer anderen inländischen Behörde oder bei einem Versicherungsträger oder bei einer deutschen Konsularbehörde oder, soweit es sich um die Versicherung von Seeleuten handelt, auch bei einem deutschen Seemannsamt im Ausland eingegangen ist.
(2) Die Klageschrift ist unverzüglich an das zuständige Gericht der Sozialgerichtsbarkeit abzugeben.
§ 92 SGG
(1) 1 Die Klage muss den Kläger, den Beklagten und den Gegenstand des Klagebegehrens bezeichnen. 2 Zur Bezeichnung des Beklagten genügt die Angabe der Behörde. 3 Die Klage soll einen bestimmten Antrag enthalten und von dem Kläger oder einer zu seiner Vertretung befugten Person mit Orts- und Zeitangabe unterzeichnet sein. 4 Die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel sollen angegeben, die angefochtene Verfügung und der Widerspruchsbescheid sollen in Abschrift beigefügt werden.
(2) 1 Entspricht die Klage diesen Anforderungen nicht, hat der Vorsitzende den Kläger zu der erforderlichen Ergänzung innerhalb einer bestimmten Frist aufzufordern. 2 Er kann dem Kläger für die Ergänzung eine Frist mit ausschließender Wirkung setzen, wenn es an einem der in Absatz 1 Satz 1 genannten Erfordernisse fehlt. 3 Für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gilt § 67 entsprechend.
§ 109 SGG
(1) 1 Auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen muss ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. 2 Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, dass der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt.
(2) Das Gericht kann einen Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist.
§ 183 SGG
1 Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch kostenfrei, soweit sie in dieser jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagte beteiligt sind. 2 Nimmt ein sonstiger Rechtsnachfolger das Verfahren auf, bleibt das Verfahren in dem Rechtszug kostenfrei. 3 Den in Satz 1 und 2 genannten Personen steht gleich, wer im Falle des Obsiegens zu diesen Personen gehören würde. 4 Leistungsempfängern nach Satz 1 stehen Antragsteller nach § 55a Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative gleich. 5 § 93 Satz 3, § 109 Abs. 1 Satz 2, § 120 Absatz 1 Satz 2 und § 192 bleiben unberührt. 6 Die Kostenfreiheit nach dieser Vorschrift gilt nicht in einem Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2).
ZIEL:
Herstellen von Chancengleichheit zwischen
den zumeist unerfahrenen und rechtsunkundigen
Bürgern
und der personell, rechtlich und verwaltungstechnisch gut ausgestatteten
Sozialverwaltung
.
Niemand soll aus Furcht vor Gerichtskosten daran gehindert werden, den Schutz seiner sozialen Rechte vor den Sozialgerichten zu suchen.
Zu den Gerichtskosten zählen allerdings nicht die außergerichtlichen Kosten wie Rechtsanwaltsgebühren, die jede:r Verfahrensbeteiligte grundsätzlich selbst tragen muss.
Demjenigen, der nicht in der Lage ist, die Kosten einer gerichtlichen Rechtsverfolgung ganz oder teilweise selbst aufzubringen (Antragstellende:r muss bedürftig sein), kann die Prozesskostenhilfe ermöglichen, sein/ihr Recht mit Hilfe eines/einer Rechtsanwaltes/Rechtsanwältin bei Gericht durchsetzen.
Die Vorschriften über die Prozesskostenhilfe sehen vor, dass die der Partei entstehenden Kosten der Prozessführung, falls notwendig, ganz oder teilweise vom Staat getragen werden.
TIPP für an MS erkrankte Menschen
Der Antrag auf Prozesskostenhilfe kann persönlich bei der Geschäftsstelle des Gerichts gestellt werden. Das ist gerade dann sinnvoll, wenn man Schwierigkeiten hat, das Formblatt „Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bei Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe“ – steht im Internet zum Download bereit – auszufüllen, oder Fragen offen sind.
Prozesskostenhilfe nach der Zivilprozessordnung (ZPO) ist möglich, § 73 a SGG i. V. m. §§ 114 ff. ZPO.
Anspruch auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwaltes/einer Rechtsanwältin haben bedürftige Personen, wenn sie
einen Prozess oder ein Verfahren führen müssen und die dafür erforderlichen Kosten nicht oder nur teilweise aufbringen können und
nach Einschätzung des Gerichts nicht nur geringe Aussichten auf Erfolg haben und
nicht von der Prozess- oder Verfahrensführung absehen würden, wenn sie die Kosten selbst tragen müssten.
Ein Anspruch auf Prozesskostenhilfe jedoch besteht nicht, wenn
eine Rechtsschutzversicherung oder eine andere Stelle die Kosten übernehmen würde oder
aufgrund einer gesetzlichen Unterhaltspflicht jemand anderes für die Kosten aufkommen muss, z. B. Ehepartner:in/eingetragene Lebenspartner:in oder bei einem unverheirateten Kind die Eltern oder ein Elternteil).
Wird dem/der Antragsteller:in Prozesskostenhilfe gewährt, dann werden die Gerichtskosten sowie die Kosten des eigenen Rechtsanwaltes/der Rechtsanwältin durch die Staatskasse getragen.
Bei sehr geringem Einkommen wird Prozesskostenhilfe als Zuschuss gewährt, ansonsten muss die gewährte Prozesskostenhilfe in maximal vier Jahre lang zu zahlenden Raten zurückgezahlt werden.
HINWEIS:
Verbessern sich die wirtschaftlichen Verhältnisse
des/der Betroffenen
wesentlich
*
, muss diese:r seiner/ihrer Informationspflicht (§ 120 a Abs. 2 ZPO) gegenüber dem Gericht nachkommen. Eine Pflichtverletzung führt unter den Voraussetzungen des § 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO zu einer rückwirkenden Aufhebung der Bewilligung.
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Eine
wesentliche
Änderung wird bei einem monatlichen Einkommen mit 100 Euro beziffert (§ 120 a Abs. 2 S. 2 ZPO).
Benötigen Betroffene lediglich einen Rat in rechtlichen Dingen, kommen die Regelungen der Prozesskostenhilfe nicht zum Tragen. Stattdessen besteht dann die Möglichkeit der Beantragung von Beratungshilfe.
ABER: Beratungshilfe wird nicht in allen Fällen gewährt.
Blick in die Rechtsprechung
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat bereits am 14. Dezember 2011 – 1 BvR 2735/11 – entschieden, dass die Versagung von Beratungshilfe für Beantragung einer Erwerbsminderungsrente Betroffene nicht in der Rechtswahrnehmungsgleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 20 Abs. 3 GG) verletzt, da auch ein bemittelter verständiger Bürger zunächst versuchen würde, die kostenfreie Beratung durch die zuständige Behörde in Anspruch zu nehmen.
Es besteht auch kein Anspruch auf Beratungshilfe, um einen Antrag auf Feststellung eines Grades der Behinderung nach dem SGB IX zu stellen, so der Beschluss des BVerfG vom 4. April 2016 – 1 BvR 2607/15.
Das BVerfG sieht keinen Grund, weswegen im Falle eines Antrags auf Feststellung eines Grades der Behinderung etwas anderes gelten sollte als beim Antrag auf Erwerbsminderungsrente.
Eine Beratungshilfeleistung für anwaltliche Unterstützung im Antragsverfahren ist damit grundsätzlich ausgeschlossen.
Checkliste für die Klage
Mit dieser Checkliste können Klagewillige prüfen, ob alles Wichtige in ihrer Klage enthalten ist:
Name, Adresse (mit Telefonnummer) und DatumAnschrift des SozialgerichtsDatum des Bescheides und des WiderspruchsbescheidesAngabe der Beklagten (d. h. der Behörde, von der der Widerspruchsbescheid stammt)Geschäftszeichen oder Aktenzeichen des WiderspruchsbescheidesErklärung, dass Klage erhoben wirdAntrag, aus dem deutlich wird, was vom Klagegegner verlangt wird. Eine juristische Fachsprache ist dabei nicht nötigBegründung. Dabei ist es sinnvoll, den Sachverhalt möglichst vollständig zu schildern und evtl. Beweismittel (z. B. Zeugen, Befundberichte, sonstige Unterlagen usw.), mit anzugeben.Kopien des angefochtenen Bescheides und des Widerspruchsbescheides als AnlagenEigenhändige UnterschriftMuster s. Anhang 12
Versäumt der/die Kläger:in die Klagefrist, kann ausnahmsweise Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden, § 67 SGG. Grundsätzlich ist die Vorschrift des § 67 SGG auch im Widerspruchsverfahren anzuwenden, § 84 Abs. 2 S. 3 SGG.
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird dem/der Antragstellenden nur dann gewährt, wenn die Fristversäumnis unverschuldet war.
Der Antrag