Raumschiff Promet - Von Stern zu Stern 01: Aufbruch - Christian Montillon - E-Book

Raumschiff Promet - Von Stern zu Stern 01: Aufbruch E-Book

Christian Montillon

0,0
3,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Die Schwarzen Raumer ziehen durch das Weltall. Sie kennen offenbar nur ein Ziel: Vernichtung! Dem Außerirdischen Arn Borul gelingt die Flucht von seinem Heimatplaneten Moran, er landet auf Terra. Dort steckt die Raumfahrt noch in den Kinderschuhen. Doch gemeinsam mit Borul schaffen die Terraner das Unmögliche. Der neuentwickelte Forschungsraumer Promet startet unter dem Kommando von Peet Orell ins All. Das große Abenteuer beginnt.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 161

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Christian Montillon

AUFBRUCH

In dieser Reihe bereits erschienen:

5001 Christian MontillonAufbruch

5002 Oliver MüllerSprung ins Ungewisse

5003 Vanessa BusseDunkle Energie

5004 Vanessa Busse

Christian Montillon

AUFBRUCH

Raumschiff Promet

Band 1

© 2014 by BLITZ-Verlag

Redaktion: Jörg Kaegelmann

Titelbildgestaltung: Mark Freier

Satz: Winfried Brand

All rights reserved

www.BLITZ-Verlag.de

ISBN 978-3-95719-491-6

Teil 1: 

Planet Moran, 33 Jahre zuvor

Tran Krot atmete auf. Die Sirene heulte, der Arbeitstag war beendet. Er schulterte sein Erntewerkzeug und schickte sich an, die Felder an den Hängen des Paily-Bergmassivs zu verlassen. Sein Blick fiel auf Kyl, die blaue Sonne, die ihr warmes Licht den ganzen Tag über ihm hatte leuchten lassen. Sie stand bereits tief, dennoch flammte sie hell und strahlend am Firmament. Wenn er zuhause in den Spiegel sah, waren seine Iriden wahrscheinlich dunkelgrün und tränten, wie immer, wenn er zu viel Sonne abbekommen hatte. Er hasste das, doch Lirta Sin nannte ihn einen eitlen Pfirralo-Geck.

Trotz der späten Uhrzeit musste er die Augen noch mit der Hand abschirmen. Der Weg zurück würde ihn sicher noch einmal 45 Hodd an Zeit kosten. Zeit, die ihm fehlte, wenn er den Abend mit seiner Frau noch ein wenig genießen wollte. Er warf keinen Blick mehr nach hinten.

Den Mann, der etwa eineinhalb Kilometer entfernt und gut zweihundertfünfzig Meter über ihm am Fenster stand und auf die Felder hinabsah, hätte er aus dieser Entfernung ohnehin nicht entdeckt.

Und das Unheil ließ sich sowieso nicht mehr aufhalten.

*

Der Rückmarsch verlief einsilbig. Er war zwar nicht der einzige Arbeiter in diesem Bereich, aber die Männer waren von ihrem Tagewerk gestresst und froh, endlich ihre Ruhe zu haben. Kein Moraner zeigte sich außerhalb seiner Dienstzeit noch gesellig. Es schickte sich nicht.

Nach und nach verkleinerte sich die Truppe, immer mehr Arbeiter bogen schweigend in verschiedene Gassen und Seitenstraßen ein, als sie die Außenbezirke der Stadt erreichten. Die umliegenden Gebäude waren flach, die wenigsten zweistöckig. Einfach, aber solide. Das, was man wirklich brauchte.

Auch Tran bewohnte mit seiner Frau ein ebenerdiges Haus mit einem ungeneigten Dach. Lirta. Wie sehr freute er sich darauf, wieder ihr hübsches Gesicht zu sehen und ihr durch die Silberhaare zu streichen. Sie rochen besser als alles andere auf den Feldern. Besser als ein Tag voller Arbeit. Im Unterschied zu seinen waren sie ein wenig länger und noch heller. Ohne auf die Umgebung zu achten, ging er weiter. Er war diesen Weg schon so oft gegangen. Wenn Kyl aufhören würde zu leuchten, konnte er ihn blind finden.

Mit einem Mal wurde die Stille um ihn herum zerrissen. Ein Rauschen schwoll an, ein Geräusch, wie er es noch nie gehört hatte. Tran legte den Kopf in den Nacken, dabei schrammte sein bartloses Gesicht am geschulterten Werkzeug entlang. Die Haut riss auf, eine kleine Wunde zeichnete sich auf ihr ab. Am Himmel konnte er nichts entdecken. Auch nicht, als er den Blick über den Himmel schweifen ließ. Sterne gab es dort noch nicht, dazu stand Kyl noch zu hoch. Er betrachtete erneut die Sonne.

War da nicht doch etwas?

Er legte das Werkzeug ab und schirmte ein weiteres Mal seine Augen ab. Vor der Sonnenscheibe sah er einige schwarze Punkte. Aber sie konnten doch nicht für diesen Lärm verantwortlich sein. Oder doch? Angestrengt starrte er auf die Flecken. Vergrößerten sie sich? Ja, tatsächlich! Und ihre Zahl nahm zu. Zuerst hatte er fünf sehen können, jetzt waren es bereits zehn, nein, über zwanzig. Das Rauschen wurde zu einem Orkan. Nun traten immer mehr Moraner aus ihren Häusern und starrten, genau wie er, gebannt nach oben. Einige Kinder hielten sich die Ohren zu.

„Was ist das?“

Die Worte lenkten Trans Aufmerksamkeit auf sich. Eine alte Frau kniff die Augen halb zu und sah völlig verängstigt aus. Niemand konnte ihr eine Antwort geben. Immer noch war außer schwarzen Flecken, nun von der Größe einer Faust, nichts zu erkennen. Fest stand nur, dass da … etwas auf sie zukam.

Ein ungutes Gefühl breitete sich in Trans Magengegend aus. Er fühlte, dass Furchtbares geschehen würde. Er drehte sich wieder zu der alten Frau. Sie lehnte mit dem Rücken gegen die Hauswand und stammelte Worte, die Tran nicht verstand. Der Anblick berührte etwas in ihm. Lirta! Ich muss zu ihr!

Er rannte los. Die anderen sahen ihm kurz nach, ehe sie wieder in den Himmel blickten. Mehr als einhundert der nun schon kopfgroßen Gebilde bewegten sich dort wie eine Armee von Käfern, die drohten, die gesamte Ernte zu fressen.

Tran versuchte, noch schneller zu sein. Zum Glück war es nicht mehr allzu weit. Doch so schnell wie die … Raumschiffe konnte er nicht sein. Er bremste ab, hielt sich keuchend an einer Hausecke fest und riss die Augen auf.

Raumschiffe!

Das da oben mussten Raumschiffe sein. Innerhalb weniger Augenblicke wurden sie nun schwärzer als die Nacht auf Moran – und unbeschreiblich groß. Ihre schiere Menge jagte ihm Angst ein. Und sie kamen immer näher. In nur wenigen Hundert Meter Höhe raste das erste über ihn hinweg. Für einen winzigen Moment stand er im Schatten dieses Giganten. Es kam ihm so vor, als hätte ihn ein Ungeheuer verschluckt und im gleichen Augenblick wieder ausgespien.

Tran kam nicht mehr dazu, sich zu wundern, dass das orkanartige Brausen urplötzlich verschwand, denn nur einen Lidschlag später drohte eine gewaltige Explosion seine Trommelfelle zu zerreißen. Er schrie und presste sich die Hände vor die Ohren, doch es nützte nichts. Der Lärm schwoll auf infernalische Weise an. Am liebsten hätte er sich verkrochen, doch eine unsichtbare Macht schien ihn dazu zu zwingen, in die Richtung des Lärms zu sehen.

Hin zur Zerstörung.

Zum Chaos.

Zum Tod.

Der Rathausturm stand in lodernden Flammen, und Tran Krot verstand …

Dies war ein Angriff. Eine Invasion!

*

Thosro Ghinu stand am Fenster seines oberen Labors. Von hier genoss er, zumindest mit einem Sichtverstärker, einen fantastischen Blick auf die Stadt. Davor lagen die Felder, auf denen die Arbeiter schufteten. Bald würden sie Feierabend haben. Er sah es inzwischen als Ritual, sie jeden Tag zu beobachten, wie sie die Felder verließen und seine Einsamkeit wieder herstellten.

Die meisten hielten ihn für einen Spinner, doch sein guter Ruf und seine Erfolge als Wissenschaftler hatten es ihm ermöglicht, in den Hängen des Paily-Massivs dieses Labor einzurichten. Der Traum seines Lebens. Das Ergebnis jahrelanger Forschung und Analyse – und Durchsetzungskraft gegen diejenigen, die Wissenschaft finanzierten.

Neben der oberirdischen Anlage, zu der auch dieser Bereich mit der breiten Fensterfront gehörte, erstreckte es sich tief in den Fels hinein; tiefer, als es irgendein Moraner wusste. Nicht einmal die Regierung war eingeweiht. Warum auch? Man hätte ihm nicht geglaubt. Vielleicht hätte man ihm alle Zuweisungen gestrichen und jede weitere Unterstützung eingestellt. Das konnte er nicht riskieren. Also würde die Katastrophe umso größer ausfallen. Er trug daran keine Schuld.

Diese Narren!

Diese elenden Narren vom Verstand eines Tirosa-Kriechers!

Mit unterdrücktem Zorn schüttelte Thosro Ghinu unmerklich den Kopf. Dann atmete er durch. Es war nicht nötig, sich darüber aufzuregen. Nicht schon wieder, und nicht heute. Denn an diesem Tag würde es noch nicht geschehen, dessen war er sich sicher. Seine Instrumente sendeten keine Warnzeichen, er konnte sich beruhigt schlafen legen, wenn Kyl untergegangen war. Vorher war es keinem Moraner gestattet, sich zur Ruhe zu begeben, nur Kindern, Kranken oder Sterbenden. So bestimmten es die Priester seit Ewigkeiten, doch heutzutage hielt sich fast niemand mehr daran. Und auch ihn interessierte es nicht. Für Thosro Ghinu zählte nur die Wissenschaft, und diese war es, die ihn wach hielt. Oft erkannte er ungewöhnliche Zusammenhänge in seinen Arbeitsgebieten erst, wenn er viele Stunden darüber nachdachte.

Ein Klingeln ließ ihn aus seinen Gedanken aufschrecken. Thosro wirbelte herum. Sein Blick fiel auf einen metallischen Kasten. Dieser vibrierte leicht und gab im Abstand von etwa einer halben Minute den Klingelton ab.

Aber das kann nicht sein! Dann wären sie ja schon …

Unschlüssig trat er einen Schritt näher an das Messgerät heran. Wieder klingelte es, die Vibration verstärkte sich. Der Ton wiederholte sich regelmäßig in kurzem Abstand.

Zu früh! Zu wenig Zeit!

Angst lähmte ihn für einen Augenblick, doch er durfte das nicht zulassen! Er musste schnell handeln. Zuerst wollte er überprüfen, ob es sich nicht um einen Fehlalarm handelte. Schließlich hätten die Frühwarner ihn schon vor Stunden informieren müssen!

Er sprang von Gerät zu Gerät, überprüfte Daten, Ausdrucke und Schwingungen. Dazu checkte er auch noch einmal die Anschlüsse und Anzeigen. Das Klingeln erklang nun in schnellerem Rhythmus. Alle Technologie befand sich in optimalem Zustand.

„Warum, bei sämtlichen Würmern der Nacht, habt ihr nicht früher reagiert?“, schrie er die Maschinen an, als könnten sie ihn verstehen und ihm antworten.

Er rannte zum Fenster und sah hoch zum Himmel.

Man konnte sie nicht übersehen: schwarze Punkte, die sich schnell näherten. Das Klingeln verwandelte sich in einen Dauerton. Gebannt wartete Thosro auf den Angriff, von dem er immer gewusst hatte, dass er erfolgen würde. Früher oder später. Warum nicht später …?

Als die ersten Gebäude in Flammen aufgingen, schloss er die Augen.

*

Tran raste durch den Außenbezirk der Stadt. Hier war noch nichts zerstört worden, während im inneren Bereich bereits ein Flammenmeer tobte. Immer mehr Moraner rannten ihm entgegen, oft musste er ihnen ausweichen, was ihm in seiner Panik nicht immer gelang. Sein Atem rasselte, die Muskeln fühlten sich an, als müssten sie reißen.

Lirta!

Ob sie noch lebte?

Er wollte gar nicht daran denken, was geschehen würde, wenn …

Nein, diesen Gedanken nicht weiterverfolgen, sondern rennen, einfach nur rennen. Die Schreie um ihn herum schwollen an, je näher er den inneren Bereichen kam. Alle Arten mischten sich zu einer Symphonie des Grauens. Schreie aus Angst, vor Schmerzen und im Augenblick des Todes. Ein grauenhaftes Stück, das der Tod spielte.

„Lirta!“ Er musste ihren Namen einfach schreien, auch wenn er kaum Hoffnung hatte, dass sie ihn hörte. Nur noch ein paar Hundert Meter. Weiter, immer weiter. Die Beine wollten ihm den Dienst versagen. Er stolperte mehr, als dass er lief.

Halt durch, du musst durchhalten!, sprach er sich selbst Mut zu. Doch er war am Ende seiner Kräfte angelangt. Keine zweihundert Schritte vor seinem Haus brach er zusammen. Er spürte kaum, dass Flüchtende über ihn hinwegtrampelten. Immer wieder trafen ihn die harten Schuhe auf den Rücken und auch ins Gesicht. Seine Nase knackte laut. Wahrscheinlich war sie gebrochen. Er fühlte es kaum. Er war müde. Ein Stück müdes Fleisch, das schlafen wollte.

Blut sickerte aus der Nase und lief in seinen Mund. Für einen kurzen Moment stellte er sich vor, wie eine Welle aus Blut das Feuer auslöschte. Ein bizarres, schreckliches Bild, und doch voller Trost.

Dann verlor er die Besinnung.

*

Auf einmal packte ihn etwas an der Schulter. Tran wusste für einen Augenblick nicht, wo er sich befand. Er konnte auch nicht sagen, wie lange er ohne Bewusstsein gewesen war. Höchstens eine halbe Minute, schätzte er, denn sonst wäre er bereits tot. Die Flammenwand fraß sich immer weiter vor. Vernichtete Gebäude, Fahrzeuge und Bäume. Nichts konnte ihr Einhalt gebieten. Die Zahl der Toten musste in die Tausende gehen. Das Ausmaß der Katastrophe lähmte Tran fast mit eiskaltem Entsetzen. Doch er durfte nicht aufgeben.

Er durfte nicht!

„Tran!“

Die Stimme. Das war doch …

„Tran! Komm zu dir! Wir müssen hier weg. Schnell!“

Lirta! Das war ihre Stimme! Träumte er? Im nächsten Moment klatschte etwas in sein Gesicht. Lirta hatte ihm eine Ohrfeige gegeben.

„Bist du jetzt wieder klar oder muss ich dir noch eine verpassen?“

„Du bist es wirklich!“, flüsterte er, sodass sie ihn unmöglich gehört haben konnte.

„Hoch mit dir.“ Sie zerrte an ihm und mühsam quälte er sich auf die Beine.

Als sie loslief, folgte er ihr einfach.

„Wo rennst du hin?“, schrie er über den Lärm hinweg. Sie gab ihm keine Antwort. Was hätte sie auch sagen sollen? Weg von den Flammen, das war klar. Und danach? Zögerte das alles nicht nur ihren Tod hinaus? Es war völlig sinnlos. Diese Welt starb, und ihre Bewohner waren nichts als jämmerliche Insekten, die in dumpfer Panik um ihr Leben rannten.

Sie bogen um Häuserecken in eine andere Straße ein. Auf einmal schoss ihnen ein Gleiter entgegen. Er schwebte etwa zehn Meter über dem Boden. Ein Mann steuerte ihn. „Zum Paily-Massiv! Flieht ins Gebirge! Zum Paily-Massiv! Flieht ins Gebirge!“ Seine Stimme musste es sein, die sie elektronisch verstärkt hörten.

Nur diese beiden Sätze wiederholte der Mann. Wahrscheinlich war auch er gelähmt vor nacktem Entsetzen und konzentrierte sich darauf, seine Aufgabe zu erfüllen. Dann war der Gleiter verschwunden.

„Hier lang!“, schrie Tran. Den Weg kannte er auswendig. Schließlich war dort sein Arbeitsplatz. Gewesen …

*

Thosro Ghinu fing sich wieder. Schnell machte er seinen Gleiter startklar und mit ihm raste er Richtung Inferno. Vor der Stadt kamen ihm schon Moraner entgegen, panisch in ihrer kopflosen Flucht.

„Zum Paily-Massiv! Flieht ins Gebirge! Zum Paily-Massiv! Flieht ins Gebirge!“, rief er, elektronisch verstärkt über den Funk. Nicht alle folgten seiner Aufforderung. Diese Menschen vergaben ihre letzte Chance auf Rettung, und er konnte nichts tun, um etwas daran zu ändern. Thosro hoffte, dass er noch möglichst viele Moraner erreichen würde. Doch als er die Stadt erreichte, sah er, dass er diese Hoffnung begraben musste. Alle inneren Bezirke wurden ein Raub der Flammen. Was die Raumschiffe nicht durch Beschuss zerstörten, fraß das Feuer. Die unbekannten Angreifer waren mittlerweile weitergezogen. In der nächsten Stadt würde es genauso ablaufen. Und in der nächsten und der nächsten und so weiter.

Thosro schüttelte den Kopf. Für die Moraner an anderer Stelle gab es keine Hoffnung mehr. Zwar hatte er noch versucht, eine Warnung über Funk abzusenden, aber die Kanäle waren blockiert. Wahrscheinlich trugen die Invasoren daran die Schuld.

„Zum Paily-Massiv! Flieht ins Gebirge! Zum Paily-Massiv! Flieht ins Gebirge!“, wiederholte er seine Aufforderung. Dann kam er dem Feuer zu nah. Die Hitze im Gleiter stieg auf unerträgliche Temperaturen, und er drehte notgedrungen um. Über die Flüchtenden hinweg beeilte er sich, zurück zu seiner Anlage zu kommen. Er musste der Erste dort sein, wenn er ein Chaos verhindern wollte.

*

Er landete den Gleiter und öffnete elektronisch die Durchgänge, die die Flüchtenden zu den von Robotern und Maschinen in den Fels getriebenen Notunterkünften leiten würden. Schilder wiesen zusätzlich den Weg. Keine fünf Minuten nach ihm erreichten die ersten Flüchtlinge die Eingänge. Er konnte sie über die Überwachungsanlage beobachten.

„Folgt den Gängen! Versammelt euch in der Halle!“, rief er über die interne Anlage. Er wartete fast zwei Stunden. Als sich niemand mehr über die Felder den Bergen näherte, verriegelte er die Türen. Der Laut, mit dem sie ins Schloss fielen, war das Schrecklichste, das er je gehört hatte. Mit ihm begrub er jede Hoffnung: In der Stadt gab es keine Überlebenden mehr. Wahrscheinlich sah es auf dem gesamten Planeten Moran bereits so aus. Er machte sich auf den Weg nach unten. Über ein Treppensystem verließ er den oberen Forschungsbereich. Dieser sollte auch in Zukunft für die Moraner eine Tabuzone bleiben.

*

Tran und Lirta erreichten die Anlage fast als Erste, da sie den Weg auswendig kannten. Zumindest bis zu den Feldern. Danach waren sie weiter geradeaus gelaufen. Am Hang des Bergmassivs gab es nur noch einen kleinen Trampelpfad, der sie steil bergauf führte. Immer wieder hatten sie ängstliche Blicke nach hinten geworfen, doch es war keins der tödlichen Raumschiffe mehr aufgetaucht. Der Weg war irgendwann in eine befestigte Straße übergegangen. Von da an war es nicht mehr weit gewesen bis zu einem Schott, das in einen beleuchteten Tunnel führte. Zusammen mit vielen anderen, die kurz nach ihnen kamen, betraten sie die Anlage.

„Folgt den Gängen! Versammelt euch in der Halle!“, begrüßte sie eine Stimme. Tran glaubte sie zu erkennen. Es musste der Mann aus dem Gleiter sein. Der Tunnel gabelte sich, die immer größer werdende Gruppe trennte sich auf. Am Ende erreichten aber doch alle das gleiche Ziel. Eine gigantische Halle, fast schon ein Kuppeldom, empfing sie. In einem Halbrund waren lange Sitzreihen angebracht, auf die sich die meisten setzten. Andere liefen unschlüssig auf und ab. Immer wieder war Schluchzen und Weinen zu hören. Gegenüber der Tribüne befand sich eine Art Podest, das direkt an der Wand stand und in etwa acht Metern Höhe lag.

Tran und Lirta saßen eng beieinander und hielten sich an den Händen.

„Wo sind wir hier?“, fragte sie ihn, doch er konnte nur mit den Schultern zucken. Ihre Stimme war fast tonlos. „Wie viele wohl gestorben sind?“

Auch darauf konnte er nicht genau antworten, aber ein Wort ging ihm durch den Kopf: Viele.

Zu viele.

Was waren das nur für Angreifer gewesen? Was gab es auf Moran schon zu holen? Plötzlich liefen ihm Tränen aus den Augen. Lirta schloss ihn in die Arme.

„Es ist gut. Wir haben es überlebt.“

Er ließ sich kaum beruhigen und kam sich gleichzeitig lächerlich vor. Sollte er es nicht sein, der sie tröstete? Waren die Rollen nicht völlig falsch verteilt? Doch in diesen Momenten fühlte er sich einfach nur schwach und verloren. Die Tribüne füllte sich weiter. Er versuchte die Anzahl der Überlebenden zu schätzen, doch er konnte es nicht. Dazu fehlte ihm die Übung. Eigentlich hatte er noch nie eine solche Menge von Moranern gleichzeitig in einem Raum erlebt. Es waren zwar unglaublich viele, aber im Vergleich zur Zahl der Bewohner ihrer Stadt nur eine verschwindend geringe Zahl.

Aufgrund der flachen Bebauung zog sich die Stadt sehr in die Länge. Und nur die Einwohner des Außenbezirks hatten eine Chance gehabt, an diesen Ort zu entkommen. Vielleicht gab es ja noch andere dieser Bunker. Hatte die Regierung womöglich davon gewusst? Waren sie auf einen extremen, entsetzlichen Notfall wie diesen vorbereitet gewesen?

Er hoffte, dass er Antworten auf seine Fragen bekommen würde.

*

Thosro Ghinu streckte sich. Es war an der Zeit, vor die Überlebenden zu treten. Er hatte lange genug gewartet und wollte nicht, dass die Unruhe in Panik umschlug. Noch standen alle unter Schock. Das musste er ausnutzen. Ihnen zuliebe. Sie mussten verstehen, was geschehen war, solange sie es noch konnten.

Mit dem Zeigefinger der rechten Hand drückte er auf den Sensor, und die Wand vor ihm öffnete sich. Mit drei schnellen Schritten trat er auf das Podest und sah hinab auf die Menge. Bisher hatten ihn erst wenige wahrgenommen. Das würde sich nun ändern.

„Moraner!“, rief er von seinem erhöhten Standpunkt. Sofort verstummten die Gespräche und alle grünen Augenpaare richteten sich auf ihn.

„Ihr seid die Letzten eurer Art!“, eröffnete er seine Ansprache und konnte sehen, welche Wirkung dieser Satz auf die Versammelten hatte. Er hatte lange nachgedacht, sich aber entschieden, es sofort und schonungslos beim Namen zu nennen. Vereinzelt erklangen leise Schreie zu ihm herauf.

„Mein Name ist Thosro Ghinu. Ich bin Wissenschaftler. Einer der letzten Forscher dieser Welt. Man hat mich verlacht und als Irren hingestellt und war froh, als ich die Welt quasi verließ. Mein Asyl hier in den Bergen von Paily habe ich mir selbst gesucht und es ausgebaut. Nun ist es zu eurer letzten Zufluchtsstätte geworden. Umgeben von nacktem Fels, Eis, Schnee und Stürmen im Winter, habe ich weiter nach der Bedrohung geforscht, die ihr heute erlebt habt. Mir verdankt ihr eure Rettung. Mir allein!“ Die letzten Worte hatte er geschrien. Das Publikum hing an seinen Lippen. Und er genoss diesen Auftritt, so entsetzlich der Grund dafür auch sein mochte. Endlich erhaschte er ein Stück des Ruhms, der ihm zustand.