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Wer gegen Rechte bestehen will, muss sie zuerst verstehen. Das ist nicht immer leicht, denn die rechte Szene hat ihre ganz eigene Sprache und Sprechweise entwickelt – zum Teil mit neuen Wortgebilden, aber auch mit geläufigen Wörtern, denen ein anderer Sinn zugewiesen wird. Andreas von Bernstorff filtert aktuelle Schlüsselwörter der deutschen Rechten aus dem Strom der Medien und betrachtet sie bei Tageslicht: Was bedeuten sie, woher kommen sie, und wie wirken sie? Von "Abendland" über "Klimawahn" bis "Zigeunerschnitzel" nimmt der Autor rechte Konzepte und alltägliche Diskriminierungen unter die Lupe. Dabei werden immer wieder überraschende Zusammenhänge sichtbar, die manch harmlos wirkende Vokabel in neuem Licht erscheinen lassen. Die einfach gehaltenen Wörterbucheinträge geben schnelle Orientierung und sind dabei sorgfältig belegt. Als Handreichungen für den Alltag schärfen sie unsere Aufmerksamkeit und Urteilsfähigkeit, und sie pflegen den Diskurs, wo andere ihn abschalten wollen. Das Buch wendet sich an Menschen, die in Medien arbeiten, in der politischen Bildung, in Schulen, Gewerkschaften, Verbänden und Kirchen, Stiftungen und Parteien, aber auch an alle anderen politisch wachen und interessierten Menschen.
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Seitenzahl: 168
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Erläuterungen zu den Bildmotiven auf dem Umschlag finden sich auf den Seiten 77 (Lambda-Symbol im Kreis) bzw. 153 (Wirmer-Flagge des deutschen Widerstandes).
Andreas Graf von Bernstorff
Von »Abendland« bis »Zigeunerschnitzel«
2020
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Satz: Verlagsservice Hegele, Heiligkreuzsteinach
Printed in Germany
Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck
Erste Auflage, 2020
ISBN 978-3-8497-0340-0 (Printausgabe)
ISBN 978-3-8497-8217-7 (ePUB)
© 2020 Carl-Auer-Systeme Verlag und Verlagsbuchhandlung GmbH, Heidelberg
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Carl-Auer Verlag GmbH
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Tel. +49 6221 6438-0 • Fax +49 6221 6438-22
Vorwort
Einleitung
Rechte Kreise
Rechte Medien und Plattformen
Rechtes Weltbild
Rechte Feindbilder und Geschichten
Zu den Schreibweisen in diesem Buch
Rechte Wörter
Abendland
Abschiebe-Saboteur
Altmedien, Altparteien
Anti-Abschiebe-Industrie
Antideutsche
Asylant
Asylforderer
Asylindustrie
Asyllobby
Asylterror
Asyltourismus
Aufarbeitungsgewinnler
Austausch
Bahnhofsklatscher
Bombenholocaust
Bürgerkrieg
Chemtrails
Clexit
Dekadenz
Deutschenfeinde, Deutsch(en)feindlichkeit, Deutschenhasser
Deutschlandabschaffer
Deutschland GmbH
Entvölkerung
Ethnopluralismus
Faschismus, Faschist
Fliegenschiss
Flüchtlingsflut, -lawine, -schwemme, -strom, -tsunami, -welle …
Fremd im eigenen Land
Frühsexualisierung
Genderfaschismus, Genderwahn
GEZ
Gleichschaltung
Großer Austausch
Gutmensch
Identität / identitär
IM Erika
Integrationsindustrie
Invasionsarmee
Invasionsgewinnler
Invasoren
Islamisierung
Klimafaschismus, Klimasozialismus
Klimahysterie
Klimawahn
Konservative Revolution
Links-grün versifft
Lügenpresse
Männerhorden
Meinungsdiktatur
Metapolitik
Migration
Nazikeule
Politisch inkorrekt
Politische Korrektheit
Rapefugees
Rasse
Reconquista
Schuldkult
System
Tag X
Tätervolk
Toleranzfaschismus
Überfremdung
Umerziehung
Umvolkung
USA
Verschwulung
Vogelschiss
Volk
Volksgemeinschaft
Volkstod
Volksverdünner, Volksverdünnung
Volksverräter
Vorbürgerkrieg
Widerstand
Zensur
Zersetzung
Zigeunerschnitzel
Anhang
Interne Sprachregelung der AfD
Literatur
Über den Autor
»Umvolkungsbezirk Neukölln« – wie bitte? Was ist Schuldkult? Clexit? Warum ist Volksverräter ein so unsäglicher Anwurf? Weil es ein Wort aus der NS-Sprache ist? Oder ist es das ursprünglich gar nicht, sondern durch die NS-Zeit kontaminiert, vergiftet?
Was sind Identitäre? Reichsbürger oder Selbstverwalter, die Deutschland eine GmbH nennen – warum sind sie so gefährlich?
So etwas sollte uns bewusst sein, wenn wir im Netz stöbern, Demonstrationsplakate sehen oder plötzlich im Bekanntenkreis AfD-Freunde entdecken.
Die rechte Szene hat ihre ganz eigene Sprache und Sprechweise entwickelt, zum Teil mit neuen Wortgebilden, die im Alltag und in der Sprache der etablierten Medien nicht gebräuchlich sind. Andere, geläufige Wörter haben in dieser – rechten – Welt eine eigene Bedeutung(szuweisung erhalten). Zuallererst stiften diese Wörter Identität und Zusammengehörigkeit. Man versteht sich und grenzt sich ab. Naziwörter werden wiederbelebt. Häufiger sind Neuprägungen wie links-grün versifft. Sie dienen dazu, klare Feindbilder aufzubauen. Umdeutungen und Kombinationen wie Gender- oder gar Toleranzfaschismus sollen wiederum die rechte Szene gegen Nazi-Vorwürfe immunisieren. Natürlich zielen die rechten Wortschmiede darauf ab, dass ihre Kreationen und Umdeutungen irgendwann die Alltagssprache erobern, dass wir schließlich alle so reden. Dieses Buch soll helfen, dies zu verhindern – indem wir auf rechte Wörter die rechten Worte finden.
Wir holen ein paar Dutzend Schlüsselwörter der aktuellen deutschen Rechten hervor und betrachten sie bei Tageslicht. Was bedeuten sie, woher kommen sie, und wie wirken sie? Diese Arbeit stützt sich auf verschiedene Vorarbeiten. In dem Sammelband von Bente Gießelmann et al. (2. Aufl. 2019) vom Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung (DISS) finden sich 25 ausführliche wissenschaftliche Abhandlungen zu einzelnen »Kampfbegriffen«. Helmuth Kellershohn, maßgeblich daran beteiligt, möchte ich für seine ermutigende fachliche Kommentierung meines Projekts danken. Das populär gehaltene »Wörterbuch des besorgten Bürgers« von Robert Feustel et al. (2.Aufl. 2018) gibt eine Menge Anregungen, es verzichtet freilich ganz auf Nachweise. Diese Lücke soll hier geschlossen werden. Robert Feustel danke ich für seine kollegiale Unterstützung.
Der vorliegende Band enthält einfache Texte zur schnellen Orientierung, weist aber jede Stelle nach. Es sind Handreichungen für die Alltagspraxis. Sie sollen unsere Aufmerksamkeit, die Urteilsfähigkeit schärfen und den Diskurs pflegen, wo andere ihn abschalten wollen. Das Buch wendet sich an Menschen, die in Medien arbeiten, in der politischen Bildung, in Schulen, Gewerkschaften, Verbänden und Kirchen, Stiftungen und Parteien; aber auch darüber hinaus an alle politisch wachen und interessierten Menschen im deutschen Sprachraum.
Ich bin der Meinung, dass Ausgrenzung von Rechten – außer vielleicht von expliziten Nationalsozialisten – aus dem öffentlichen und auch privaten Diskurs falsch und nicht zu rechtfertigen ist. Der Bundestag sollte ruhig eine AfD-Vizepräsidentin haben, wenn sie ansonsten unbescholten ist, der verehrte Hans Leyendecker als Kirchentagspräsident sollte souverän genug sein, Rechte auf Podien einzuladen. Und Rechte aller Couleur, soweit sie nicht als verfassungswidrig eingestuft sind, müssen natürlich unbehelligt Räume für ihre Sitzungen mieten dürfen.
Es wird immer wieder gesagt, überzeugte Rechte seien durch Argumente nicht umzustimmen. Sollen wir also die Rechten links liegen lassen? Sollen wir ihre Argumente und Gesellschaftsentwürfe ignorieren? Und was ist dann mit den weniger Überzeugten? Die Mehrheitsgesellschaft, also »alle, die die AfD nicht mögen«, wird sich nicht damit begnügen können, dass alles schon gesagt sei (und damit basta, mit denen reden wir nicht.) Ganz im Gegenteil beweist sich die Kraft der freiheitlich-demokratischen Ordnung auf der Basis des Grundgesetzes bestimmt nicht in der Diskursverweigerung. Sondern im täglichen Streit der Meinungen. Wer also gegen Rechte bestehen will, muss sie zuerst verstehen.
Die Grundregeln eines demokratischen Diskurses gebieten es, dass jeder Standpunkt jederzeit hinterfragt werden darf, solange dies in gegenseitigem Respekt geschieht und auf der Basis der Grund- und Freiheitsrechte aller Menschen in einem demokratisch verfassten Gemeinwesen.
Die Kritik an rechter Sprache beginnt mit Viktor Klemperer. Er hat während der NS-Zeit seine Beobachtungen zur politischen Sprache protokolliert. Seine »LTI. Notizen eines Philologen«1 wurde in abgewandelter Weise 1945/46 weitergeführt durch die Beiträge in der Zeitschrift »Wandlung«, die dann unter dem Titel »Aus dem Wörterbuch des Unmenschen« von Dolf Sternberger, Gerhard Storz und Wilhelm Süskind versammelt wurden (Sternberger hat seinen Vornamen um einen Buchstaben verkürzt). Am umfassendsten informiert das beeindruckende lexikalische Werk von Cornelia Schmitz-Berning, »Vokabular des Nationalsozialismus«, in der zweiten Auflage von 2007. Aus diesem Fundus lässt sich so manche Wortgeschichte und Denkfigur ermitteln.
Hilfreich ist auch Matthias Heine »Verbrannte Wörter« (2019); Heine sammelt in seinem Band NS-Prägungen und -Umdeutungen, die man nicht einfach so verwenden kann oder sollte (asozial) und gibt andere frei (Bombenwetter), wo man sich nicht so sicher ist. Mit »freigeben« meine ich hier, dass man sie, ohne Menschen zu verletzen oder Verbrechen zu verharmlosen, verwenden kann. Ich spiele hier auf eine gute Ordnung des Sagbaren an, die in anderen Worten auch immer wieder von der sprachkritischen Aktion »Unwort des Jahres« angemahnt wird. Dass solches Bemühen von Rechten als »Sprachpolizei« bekämpft wird, weist auf die Stellung der Rechten zur Verfassung hin. »Die Würde des Menschen ist unantastbar«: Allein schon aus diesem ersten Artikel des Grundgesetzes leitet sich der Auftrag zur Pflege einer humanen, diskriminierungsfreien Sprache ab. Dem ist dieses Buch verpflichtet.
Zu den rechten Kreisen, deren Wortschatz oder Arsenal hier betrachtet wird, gehören ein nationalkonservatives Spektrum, nationalrevolutionäre und nationalsozialistische Akteure. Ihre Parteien sind die NPD2, Die Republikaner, Die Rechte, Der III. Weg, Die Freiheit, Pro NRW und andere Kleinparteien sowie große Teile der AfD, nicht nur ihr völkischer Flügel um Björn Höcke und die Junge Alternative. Weiter die Identitäre Bewegung Deutschland (IBD) sowie Reichsbürger und Selbstverwalter. Unter den Preppern, die sich auf einen Katastrophentag X vorbereiten, gibt es rechtsradikale Gewalttäter und friedliche Unpolitische. Und schließlich hat das CSU-Führungspersonal im bayerischen Landtagswahlkampf 2018 peinlich überdeutlich sprachlichen Anschluss an die AfD gesucht.
Ich vermeide den Begriff »Populismus«, weil er vom Inhalt zu Kommunikation und Aktionsformen hin ablenken kann. Diesen Aspekt behandelt Fritz B. Simon in seiner »Anleitung zum Populismus«, einem Buch, das nicht in falsche Hände fallen sollte: Lesen und die Leichtigkeit von Sarkasmus und Ironie genießen unter dem Aspekt: Wir haben euch durchschaut – ihr macht uns nichts vor. Das lehrt Simon uns durch seinen paradoxen Eingriff. Wenn ich »Neue Rechte« schreibe, dann meine ich die seit den 1970er-Jahren von Frankreich ausgehende Bewegung, die insbesondere mit dem Konzept Ethnopluralismus hervorgetreten ist. Ansonsten schreibe ich »neue Rechte«. Es ist aber für die Zwecke dieses Buches die Unterscheidung zwischen neuer, Neuer und alter Rechten nicht nötig. Zudem gibt es derzeit eine starke Tendenz zur Verschmelzung, die Abgrenzung der AfD-Spitze gegen Rechtsextreme ist nicht überzeugend. Der Verfassungsschutz konstatiert bereits im Mai 2019:
»Wir beobachten eine enthemmte Gewalt, eine verstärkte Vernetzung und eine Entgrenzung zwischen bürgerlichen Protestformen und Extremisten.«3
Personenpotenzial
Rechtsextremismuspotenzial1
2017
2018
In Parteien
6.050
5.510
»Nationaldemokratische Partei Deutschlands« (NPD)
4.500
4.000
»DIE RECHTE«
650
600
»Der III. Weg«
500
530
Sonstiges rechtsextremistisches Personenpotenzial in Parteien2
400
380
In parteiunabhängigen bzw. parteiungebundenen Strukturen3
6.300
6.600
Weitgehend unstrukturiertes rechtsextremistisches Personenpotenzial4
12.900
13.240
Summe
25.250
25.350
Nach Abzug von Mehrfachmitgliedschaften
24.000
24.100
Davon gewaltorientierte Rechtsextremisten
12.700
12.700
1 Die Zahlen sind zum Teil geschätzt und gerundet.
2 Unter dem sonstigen rechtsextremistischen Personenpotenzial in Parteien werden die Mitglieder von »Bürgerbewegung pro NRW« (»pro NRW«) und zusätzlich im Jahr 2018 die »Freie Bürger Union (FBU – Landesverband Saarland« gezählt.
3 Hierzu zählen ein Teil der insgesamt 950 rechtsextremistischen »Reichsbürger« und »Selbstverwalter«, die in überregionalen Strukturen organisiert sind, sowie 600 Mitglieder der »Identitären Bewegung Deutschland« (IBD, Verdachtsfall, vgl. hierzu ausführlich S. 82 ff.). Zur IBD liegen tatsächliche Anhaltspunkte für eine rechtsextremistische Bestrebung vor, sodass die Gruppierung durch das BfV im Rahmen eines Verdachtsfalles bearbeitet wird.
4 Hierzu zählen ein Teil der insgesamt 950 rechtsextremistischen »Reichsbürger« und »Selbstverwalter«, die keiner festen Struktur zuzurechnen sind.
Abb. 1: »Rechtsextremismuspotenzial« (Verfassungsschutzbericht 2019)
Für eine Analyse der wichtigsten Narrative der Rechten hat die Amadeu-Antonio-Stiftung (vgl. Baldauf et al. 2017) die folgenden Medien und Plattformen als repräsentativ ausgewählt: PI-News (Politically Incorrect), AfD, Identitäre Bewegung, Ein Prozent für unser Land, Compact-Magazin für Souveränität aus dem rechten Kopp-Verlag, Pegida und NPD.4 Wichtig sind auch die rechtskonservative Wochenzeitung Junge Freiheit, die identitäre Sezession und sezession.net des Institut für Staatspolitik im Antaios-Verlag Schnellroda, schließlich Zuerst!, Blaue Narzisse und auch Tumult.
Die rechte Agenda wird von nicht eindeutig rechten Medien geteilt wie »Cicero«, »Tichys Einblick« und »Achse des Guten«. Übergänge und Themenübernahmen gibt es in beide Richtungen immer wieder mit »Bild«. Überhaupt liefern »Bild«, »Welt« und »Focus« einen Großteil der Nachrichteninhalte für die rechten Medien. Dabei ist »Bild« häufig auch »Stichwortgeber für die rechte Blase«.5 Von fast 2 000 Texten aus etablierten Medien, die unter rechten Twitterern besonders häufig geteilt werden, stammt im Zeitraum zwischen April 2017 und April 2018 eine Hälfte aus drei Quellen: »Welt«, »Focus« und »Bild«. Die andere Hälfte verteilt sich ihrem Ursprung nach auf zahlreiche regionale, überregionale und internationale Medien. »Thematisch ist das nicht überraschend, liefert die ›Bild‹ doch zuverlässig Kriminalitätsmeldungen mit prominenter Platzierung der Täterherkunft«, konstatiert die »Tageszeitung« (»taz«).6
Es gibt derzeit drei große Phänomene, die unsere gewohnte Welt unübersichtlicher, unbeherrschbarer machen und auf Konservative besonders irritierend wirken. Das ist die Genderthematik mit einem neuen Geschlechterverhältnis; das sind postkoloniale Wanderungsbewegungen; und das ist der Klimawandel. Gegen hochkomplexe Thematiken setzen Rechte – und eben auch die AfD – auf den gesunden Menschenverstand. Dieser benötigt – in deren Verständnis – keine Wissenschaft, keine mediale Diskussion und keine Parlamentsdebatte. Er kommt aus jedem von uns. Er gelangt aus sich selbst heraus zu plausiblen und praktikablen Schlüssen. Er folgert: Migranten gehören außen vor, tradierte Geschlechterrollen bleiben, Klimawandel findet nicht statt. Falls doch Klimawandel, dann ohne uns: Was wir Menschen nicht gemacht haben, können wir auch nicht bremsen. Durch derlei Abschottung und Selbstisolation kommt man unangefochten zu dem ominösen Wir gegen alle anderen.
Jetzt geht es an die Ausmalung der großen Horrorszenarien: Wir gehen unter im Strudel von Migration und Islamisierung, wir werden zersetzt durch Frühsexualisierung, Verschwulung und selbstständige Frauen. Die grünen Ökofaschisten nehmen uns erst die Autos weg, dann machen sie das Licht aus, und dann fliegen sie nach Mallorca und Kalifornien. Die Deutschen verschwinden, die westeuropäischen Völker gleich mit. Das Abendland geht unter.
Schließlich folgt die Schuldzuweisung, denn das alles geschieht ja nicht ohne Plan. Jemand steht dahinter, zieht die Fäden. Bei NPD und neuen Nationalsozialisten gilt immer noch die alte Verschwörungstheorie. Das »an sich ortlose Finanzkapital« operiert von seinen Stützpunkten an der US-amerikanischen Ostküste und Israel aus: »USrael«. Hier werden auch amerikanische Geheimdienste ins Spiel gebracht, die angeblich daran arbeiten, Europa, aber vor allem Deutschland mit Migranten bis zur Unkenntlichkeit zu »fluten«. So ein klassisch antisemitisches Sprachbild verwendet auch der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke, wenn er von einem »internationalen Geldmachtkomplex mit seiner krakenhaften Machtstruktur«7 spricht. Für die »antiislamistischen« Muslimfeinde steht fest, dass die Muslimbruderschaft Europa erobern will.
Und alle Rechten eint der Vorwurf: Die dekadenten Eliten arbeiten an der Auflösung der Nationen und Völker. Die werden mit postkolonialen Schuldkomplexen geimpft und zur Unterwerfung gebracht, die Deutschen zusätzlich mit der Auschwitzkeule gepeinigt, und alle müssen in Sack und Asche gehen.
Anders ausgedrückt:
»Der gesunde Menschenverstand wird damit auf perfide Weise scharf gemacht. Die Spaltung zwischen denen da oben (abgehoben) und uns hier unten (miteinander verbunden) erscheint nicht mehr als das, was sie ist: eine ideologische sprachliche Setzung, sondern als selbstevidente Zustandsbeschreibung« (Probst 2019).
Das Weltbild der Rechten wird also beherrscht von »Wir und die anderen«. Wir sind die Deutschen, Europäer, Weißen, Männer. Die anderen sind Migranten, Muslime (»der Islam«) und Amerika (diesseits von Donald Trumps Anhängerschaft). Das sind die äußeren Feinde. Sie haben Verbündete auf deutschem Boden: alle Vertreter von Universalismus und Menschenrechten, Genderpolitik, offener Gesellschaft und liberaler Demokratie; übrigens auch die großen Konfessionsgemeinschaften. Viele Rechte hassen Juden – bisweilen in Gestalt von amerikanischem Ostküstenfinanzkapital oder USrael. Als proamerikanisch, proisraelisch jedoch deklarieren sich primär muslimfeindliche Gruppen wie Pro-NRW oder die Redaktion von PI-News, der größten rechten Plattform im Netz bzw. überhaupt eine der größten politischen Plattformen deutscher Sprache. Gelten die USA als Kriegstreiber, so ist Russland andererseits eine Friedensmacht und für manche sogar Bewahrer einer christlich-abendländischen Kultur gegen die westlichen Zersetzer. Entsprechend gelten als innere Feinde Multikulturalismus, eine angeblich seit 1945 betriebene Umerziehung der Deutschen als Angriff auf deutsche Kultur oder Identität, Einwanderung als Waffe, Gutmenschen als Deutschenhasser und regelrechte Volksverräter. Die Instrumente dieses Establishments, teils in Diensten einer Weltverschwörung gegen die Deutschen, sind die systematische Lüge via Lügenpresse, Zensur und die Sprachpolizei der politischen Korrektheit. Rechte sind in der Regel homophob, also schwulenfeindlich.
Sie selbst stilisieren sich als wehrlose Opfer. Sie treten mit einer Larmoyanz und Wehleidigkeit auf, die je nachdem zur Unterstützung einlädt oder zum Fremdschämen provoziert. Wenn man gestandene Konservative mag. Als politische Gesamtveranstaltung oft ein unwürdiges Schauspiel.
Alle rechten Wörter, also von rechten Sprachakteuren benutzte Wörter, sind kursiv hervorgehoben, auch wenn sie innerhalb von Zitaten stehen, deren Autoren sie nicht kursiv setzen. Zum Beispiel:
In einem Interview sagt Dobrindt, unter
»Anti-Abschiebe-Industrie« verstehe er »eine unsägliche Allianz von Zwangsideologen und Partikularinteressen, die durch Klagewellen versucht, Abschiebungen zu verhindern und die Durchsetzung des Rechtsstaates zu sabotieren.«
Wenn die Hervorhebung im Original steht, zum Beispiel, wenn das Bundesamt für Verfassungsschutz – BfV – in einem Text bestimmte Stellen hervorhebt, wird dies angemerkt durch: (Hervorh. BfV).
Hervorgehoben mit →Pfeil werden rechte Wörter, die an anderer Stelle dieses Buches einen eigenen Artikeleintrag haben, Beispiel: Damit sucht Dobrindt Anschluss an die rechte Redeweise von der →Asylindustrie.
Entgegen den sonst geltenden Verlagskonventionen sind in diesem Buch nicht kursiv, sondern durch Anführungsstriche hervorhoben: Buchtitel sowie die Namen von Zeitschriften und Zeitungen, sofern sie nicht dem (äußerst) rechten Spektrum zuzuordnen sind. Aber auch Zeitungen wie die »Frankfurter Allgemeine Zeitung« (»FAZ«) und »Die Tageszeitung« (»taz«).
In diesem Buch ist der besseren Lesbarkeit halber nur das männliche grammatische Geschlecht explizit genannt. Mitgemeint sind aber immer sowohl das weibliche als auch alle anderen Geschlechter.
Die in den Fußnoten in runden Klammern stehenden Datumsangaben beziehen sich auf die Erstveröffentlichung (z. B. des genannten Zeitungsartikels), die in eckigen Klammern stehenden Datumsangaben beziehen sich auf den Tag, an dem die angegebene Internetseite zuletzt besucht wurde (das heißt, dass bis zum angegebenen Datum die betreffende Internetseite existierte).
2Die Deutsche Volksunion (DVU) ist seit dem 1. Januar 2011 mit der NPD fusioniert.
3Siehe: https://www.verfassungsschutz.de/de/oeffentlichkeitsarbeit/presse/pm-20190513-symposium-2019 (21.05.2019) [07.11.2019].
4Siehe: https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/publikationen/toxische-narrative-monitoring-rechts-alternativer-akteure/ (07.09.2017) [07.11.2019].
5Siehe: https://taz.de/Kolumne-Right-Trash/!5519296/ (06.07.2018) [07.11.2019].
6Ebd.
7Rede bei dem »Hermannstreffen« des AfD-Flügels in Augustdorf (NRW) am 24.11.2018, siehe: https://www.youtube.com/watch?v=kflg_5GphB4&feature=youtu.be&t=1700, Minute 18:15 [20.01.2020].
Von der geografischen Orientierung zur Hasspropaganda: Das Abendland-Konzept wird seit dem frühen 19. Jahrhundert in verschiedenen Varianten vorgetragen. Seit den ersten Pegida-Demonstrationen im Oktober 2014 wird es zur Begründung von Hassparolen gegen den Islam und Einwanderer eingesetzt. Pegida heißt Patriotische Europäer gegen die →Islamisierung des Abendlandes.8
Sol occidens ist bei den Römern zunächst die untergehende Sonne, occidens folglich der Westen und speziell die Provinzen und Länder Westeuropas. Martin Luther nennt den Westen (1534) »Abend«. Geografen richten die Landkarten nach Oriens, dem Morgenland mit Zentrum Jerusalem, aus, daher der Begriff »Orientierung«. Wenn es damals eine religiös-kulturelle Scheidelinie gibt, dann die zwischen der christlichen Westkirche und der ebenfalls christlichen Ostkirche, vereinfacht: Rom versus Byzanz (später Konstantinopel, heute Istanbul).
Die deutsche Romantik des frühen 19. Jahrhunderts definiert das Abendland erstmals religiös-kulturell: römisch, germanisch, christlich im Unterschied zum muslimischen Morgenland. Abendland ist aber im Wörterbuch der Brüder Grimm, erschienen ab 1852, immer noch einfach »westlich gelegenes Land«9.
»Morgenland« ist nie negativ besetzt. Die biblischen Weisen aus dem Morgenland verehren das neugeborene Christuskind. Die »Geschichten aus 1001 Nacht« sind seit den 1820er-Jahren bis weit ins 20. Jahrhundert ein beliebter Lesestoff des deutschen und europäischen Bürgertums. Die erste vollständige Übersetzung ins Deutsche stammt von dem jüdischen Romanisten Gustav Weil aus Heidelberg. »Der Islam gehört zur deutschen Literatur«, sagt der Literaturwissenschaftler Heinrich Detering und zeigt das an zahlreichen Beispielen (Detering 2019, S. 44).
Ideologisch neu aufgeladen wird Abendland durch das Hauptwerk des Geschichtsphilosophen Oswald Spengler mit seinem Werk »Der Untergang des Abendlandes«. Für Spengler wachsen, gedeihen, blühen und sterben Kulturen und Weltreiche ab wie Pflanzen oder Tiere – ohne sich jedoch fortzupflanzen. Seine universalhistorischen Untersuchungen 1918–1922 gipfeln in der Prognose, der Untergang des Abendlandes sei unausweichlich, aber noch zu bremsen und gestaltbar. Für Spengler ist der Höhepunkt der abendländischen Kultur die absolutistische Fürstenherrschaft des 18. Jahrhunderts. Deutschlands Entscheidung 1918 für Liberalismus und parlamentarische Demokratie lehnt er ab und plädiert für eine Verbindung von autoritativem Preußentum (Pflichtprinzip) mit dem modernen Sozialismus (Solidarprinzip). Spengler hat wesentlichen Anteil an der Gegenüberstellung von westlicher Zivilisation mit ihren Idealen »Freiheit«, »Gleichheit«, »Brüderlichkeit« und den preußischen Tugenden »Pflicht«, »Ordnung« und »Gerechtigkeit« als Leitbilder einer deutschen Kultur.10
Im sogenannten Dritten Reich gewinnt eine komplett völkischrassistische Variante die Oberhand. Abendland wird mit Europa gleichgesetzt. Und seine geschriebene Geschichte wird sozusagen eingedeutscht. Die germanische Heldengeschichte beginnt jetzt mit der Verteidigung der griechisch-hellenischen Kultur durch die – angeblich germanischen! – Spartaner unter der Führung von König Leonidas in der Schlacht bei den Thermopylen 480 v. Chr. gegen die Perser. Und von diesem Beginn an wird die Verteidigung Europas – oder auch nötigenfalls Rückeroberung, →Reconquista – als eine wiederkehrende Notwendigkeit durch die Jahrhunderte forterzählt. Der heldische Opfertod der unterlegenen Spartaner wird im neuzeitlichen Europa vielfach besungen.