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So unterstützen Sie Referendare souverän!
Wie werde ich ein guter Lehrer? Wie komme ich mit Kollegen und Schülern zurecht? Was sind meine wichtigsten beruflichen Ziele? Und wie organisiere ich mich und meine Arbeit? Das sind nur einige der Fragen, die Referendare sich oft selbst, aber immer wieder auch Seminarleitern und Mentoren stellen.
Dieses Buch erklärt, was
Coachingist, und zeigt, wie Coaching bei der Beantwortung dieser Fragen helfen kann. Die wesentlichen Werkzeuge werden an konkreten Beispielen vorgestellt, die für die Ausbildung im Referendariat typisch sind.
Übungen und Profitippshelfen dabei, den eigenen Coachingstil zu entwickeln. So gelingt mühelos der Transfer zu einer Coachingpraxis, die die Themen der Referendare ernst nimmt!
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 255
Meiner Mutter– zum Gedenken
Hinweise:
Aus Gründen besserer Lesbarkeit erscheinen im Text bei Nennungen von Personengruppen oder Funktionen nur die männlichen Formen; die weiblichen sind stets mitgemeint.
Zudem verwende ich zur Vereinfachung den Begriff „Referendar” (Abkürzung [R]), wenn der Auszubildende als Coachee gemeint ist, und die Begriffe „Ausbilder” oder „Coach” (Abkürzung [C]), wenn der Coach gemeint ist.
Zusatzmaterial: Die wichtigsten Vorlagen im A4-Format zum direkten Einsatz in Coachingsitzungen finden Sie als PDF zum Download in unserem Webshop (www.aol-verlag.de): „Referendare coachen: Schemata und Formulare” (Bestellnummer: 10061DA1).
Referendare erfolgreich coachen
Dr. Udo W. Kliebisch (Studiendirektor) ist überfachlicher Ausbilder und Fachleiter am Zentrum für schulpraktische Lehrerausbildung in Dortmund (Seminar Gymnasien/Gesamtschulen) sowie Coach, zertifizierter Beratungslehrer und KODE®-Kompetenztrainer.
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Redaktion: Kristina Poncin
Lektorat: omnibooks, Bielefeld
Layout/Satz (Print u. E-Book): KCS GmbH, Buchholz bei Hamburg
Coverfoto: © Yuri Arcurs – Fotolia.com
ISBN: 978-3-403-70061-6
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Die Coachingthemen und Beispieldialoge in diesem Buch beruhen auf dem langjährigen Erfahrungsschatz unseres Autors; insbesondere die Fallbeispiele sind aber verfremdet, typisiert und oft neu zusammengestellt. Es handelt sich weder um Gesprächsprotokolle einzelner Coachingsitzungen noch um konkrete Einzelfallschilderungen, sondern immer um verdichtete Darstellungen typischer Themen und Gesprächsverläufe sowie bewährter Lösungsmöglichkeiten.
Coaching ist im Managementbereich mittlerweile etabliert und erfolgreich angewandt. Coaching bietet die Möglichkeit, eine Führungskraft dabei zu unterstützen, die Situation aus einer anderen Perspektive zu sehen und neue Handlungsmöglichkeiten zu überlegen. Daneben gibt es Coaching auch in zahlreichen anderen Bereichen: Es gibt Vertriebs- oder Transitioncoaching, aber auch Schüler- oder Elterncoaching. Im Schulbereich und der Lehrerausbildung wird Coaching bislang jedoch vergleichsweise wenig genutzt. Eben hier setzt das vorliegende Buch von Udo Kliebisch an.
Coaching von Referendaren heißt für ihn: „Ich begleite Referendare während des Vorbereitungsdienstes und unterstütze sie auf dem Weg, eine professionelle Lehrerpersönlichkeit zu entwickeln und diese authentisch zu leben.” Unterstützung und Begleitung von Referendaren ist immer schon Anliegen von Ausbildern gewesen. Wenn, wie wir wissen, der Erfolg von Lehrern in beträchtlichem Maße von ihrer Persönlichkeit abhängt, dann wird zwangsläufig die Entwicklung der Persönlichkeit zu einem zentralen Moment der Lehrerausbildung. Das aber ist nicht durch Vermittlung von Fachwissen zu erreichen, wohl aber durch Coaching, nämlich durch persönliche Begleitung und Unterstützung von Referendaren.
Eben das ist das Anliegen des Buches: Ausbilder in der Lehrerbildung zu unterstützen, ihre Rolle als Begleiter und Unterstützer der Referendare, und das heißt als Coach, zu schärfen und auszufüllen.
Nach einer Eingrenzung des Coachingverständnisses und Hinweisen zum Ablauf von Coachingsitzungen machen den Hauptteil des Buches die „Werkzeuge” („Coachingtools”) aus. Dabei reicht der Rahmen von Vertrauen schaffen über zirkuläre Fragen, Werte bewusst machen, Als-ob-Interventionen, Wunderfrage, Reframing bis zur Stärkung von Selbstvertrauen oder der Unterbrechung von Teufelskreisen. Da finden sich fast alle aus der Coachingliteratur vertrauten Tools aus systemischem Coaching, NLP, Rational-emotiver Verhaltenstherapie u. a., aber sie sind konkret heruntergebrochen auf den Alltag von Ausbildern in der Lehrerbildung.
Jedes Mal werden ganz konkrete praktische Hinweise gegeben: Blickkontakt halten, bestätigende Reaktionen, Aufstehen und den Raum nutzen, sich in die Position eines anderen (eines Schülers oder des Schulleiters) versetzen als Einstieg in zirkuläre Fragen usw. Daran schließen sich kurze Dialoge an, die dem Leser das Gesagte verdeutlichen. Ganz besonders hilfreich sind anschließend auch die kurzen praktischen Übungen. Sie sind schnell und einfach durchzuführen: „Wenn Sie mit einem Kollegen reden: ,Was meinst du, würde unser Chef dazu sagen?‘” Den Abschluss bilden dann „Profitipps”, die das Wichtigste zusammenfassen, sowie Lesehinweise.
Das Buch ist kein systematisches Lehrbuch, das schrittweise in die Grundlagen von Coaching einführt – und will es auch nicht sein. Es bietet auch keine Rezepte, die man in jeder Situation eins zu eins und automatisch anwenden kann. Auch die Dialoge oder die am Schluss angefügten Beispiele sind Vorschläge, die man nicht einfachhin kopieren kann, sondern mit denen man sich auseinandersetzt. Aber genau das ist der Gewinn des Buches: Es bietet Anregungen, die den Blick schärfen, die helfen, den persönlichen Coachingstil zu entwickeln. Udo Kliebisch ist ein Praktiker, der seine jahrzehntelange Erfahrung mit Referendaren und damit auch bei deren Unterstützung und Begleitung einbringt; damit ist das, was er sagt, für die Lehrerausbildung unmittelbar anschlussfähig.
Das Buch ist ein Begleiter, in dem man immer wieder Anregungen findet. Udo Kliebisch formuliert es selbst: Nicht alles zur selben Zeit lesen, überlegen, welche Tools für die aktuelle Situation nützlich sind, vielleicht zwei bis fünf Tools herausgreifen. Es ist damit ein Buch, das einen entscheidenden Beitrag dazu leisten kann, sich die Rolle als Coach im Rahmen der Lehrerausbildung bewusst zu machen und dafür neue Handlungsmöglichkeiten auszuprobieren.
Paderborn, August 2011
Prof. Dr. Eckard König
Männchen mit Paketen © AirOne – Fotolia.com (#28203121)
„Wer immer nur das tut, was er schon kann, wird auch immer das bleiben, was er schon ist.”
(Henry Ford)
Wohin wollen wir? Wir wollen verstehen, was Coaching ist. Intuitiv wissen wir: Coaching ist eine Art der Beratung, nur eben doch etwas anderes als Beratung, irgendwie auch mehr als Beratung. Wie können wir uns dem Phänomen nähern? Denn: Eine Abgrenzung von Beratung gegenüber Coaching ist in bestimmten Bereichen tatsächlich schwierig. Schon Beratung kann vieles sein, manchmal mehr, als man glaubt und dem Begriff guttut. Die Onlineenzyklopädie Wikipedia nennt zum Stichwort Beratung etwa vierzig Unterkategorien, darunter so Verschiedenes wie Seelsorge, Schuldnerberatung, Feng-Shui- oder Berufsberatung, aber auch Coaching und systemisches Coaching. Beratung spielt scheinbar in allen Lebensbereichen eine Rolle; Beratung kann damit auch so ziemlich alles sein.
Fazit: Kaum ein Leser des Wikipedia-Artikels weiß am Ende genau, was Beratung wirklich ist. Diese begriffliche Undifferenziertheit spiegelt sich auch in einer mehrdeutigen Verwendung des Beratungsbegriffs im Schulbereich. Beratung kann in der Schule in verschiedenen Kontexten auftreten:
Laufbahnberatung
Elternberatung
Sozialpsychologische Beratung
Lernberatung
Männchen mit Hinweisschildern © AirOne – Fotolia.com (#27435329)
Die unklare Verwendung des Begriffs Beratung zeigt sich vor allem in der konkreten Umsetzung von Beratung in der Schule: Der Zugang zu Schülern oder Eltern wird unterschiedlich sein, je nachdem ob der Lehrer in erster Linie informiert wie bei der Laufbahnberatung oder aber mit Verhaltensfragen der Schüler zu tun hat wie bei einer sozialpsychologischen Beratung. Ein weiteres Problem: Was Beratung angeht, sind viele Lehrer eher Autodidakten. Weder das Lehramtsstudium noch das Referendariat sind Trainingsräume für Beratung, obwohl Beratung ein verpflichtender Bestandteil der Ausbildung ist. Um professionell zu beraten, reicht es aber nicht, wenn man hin und wieder Kollegen beim Beraten über die Schulter schaut. Trotzdem: Lehrer müssen beraten. Beraten ist eines der Handlungsfelder, die die Lehrertätigkeit ausmachen.
Auch Seminarausbilder müssen beraten, zum Beispiel im Anschluss an Unterrichtsbesuche, die sie bei Referendaren durchführen. Man spricht von Ausbildungsberatung und meint damit so Unterschiedliches wie:
anleiten
beurteilen
beraten (im engeren Sinn)
unterstützen
Feedback geben
Man sieht: Ausbildungsberatung ist stets eine Kombination aus Prozess- und Expertenberatung. Zum einen soll sie den Prozess der Professionalisierung der Referendare unterstützen, zum anderen kann das nur gelingen, wenn Ausbilder neben Grundlagenwissen auch ihr Expertenwissen an die Referendare weitergeben. Dieses Weitergeben kann natürlich auch durch Anregungen geschehen, die die Referendare selbstständig umsetzen sollen.
Wissen wir jetzt mehr darüber, was Beratung eigentlich ist, was Beratung in der zweiten Phase der Lehrerausbildung grundsätzlich bedeutet? Der Facettenreichtum bleibt! Ausbilder, die Referendare beraten, sollen gleichzeitig mehrere Funktionen ausüben: So sollen sie beraten und gleichzeitig beurteilen. Sie sollen unterstützen und zugleich anleiten. Zum Teil schließen sich die Rollen aus, die damit durchscheinen. Wie also ist Beratung bei Themen möglich, die die Referendare persönlich betreffen, ohne dass der Berater in einen Rollenkonflikt gerät? Welcher Referendar wird über sich als Person sprechen, wenn er weiß, dass der Seminarausbilder ihn auch beurteilen muss? Die Gefahr dieses Dilemmas: Ausbildungsberatung wird mehr und mehr zur Expertenberatung, bei der sich Fachleiter und Referendar auf „die Sache” zurückziehen. Prozessberatung retardiert zur punktuellen Betrachtung von Phänomenen. Persönlichkeitsentwicklung: Fehlanzeige!
Licht ins Beratungsdunkel zu bringen heißt auch, sich nicht allein auf Vorgegebenes zu verlassen. Was bedeutet Ausbildungsberatung? Das ist die falsche Frage! Eine eindeutige Definition für Beratung im Vorbereitungsdienst lässt sich nicht finden.
Was ist mein Verständnis von Ausbildungsberatung? So muss die Frage für Seminarausbilder lauten– und dann kann man sie auch beantworten. Und diese Antwort wird uns helfen zu klären, was Coaching von Ausbildungsberatung unterscheidet.
Ausbildungsberatung ist ein zielführender Prozess. Dieser Prozess hat die gesamte Ausbildung der Referendare im Blick. Beratungsgespräche sind Kommunikationsprozesse, die der Seminarausbilder gestaltet. Dabei greift er im besten Fall auf Grundlagen zurück, die er sich selbst angeeignet hat. So kennt er vielleicht die eine oder andere psychologische Schule: Das Konzept von Rogers beispielsweise, das in der Beratung große Bedeutung gewonnen hat. Vielleicht weiß er aber auch einiges über das Neurolinguistische Programmieren (NLP), kennt Werkzeuge, die dieses Konzept bereithält. Oder Fachleiter wissen schon etwas über lösungsorientierte oder systemische Ansätze von Beratung. Zudem greifen Ausbilder (bewusst oder intuitiv) auf Gesprächstechniken zurück: Von aktivem Zuhören zum Beispiel haben manche gehört und können es anwenden.
Lesetipps Kliebisch/Meloefski 2011a
Ausbildungsberatung basiert vor allem auf Unterrichtsbesuchen, die die Referendare während des Vorbereitungsdienstes durchführen. Unterrichtsbesuche bespricht man anschließend. Wer ist man? Natürlich nimmt an dieser Besprechung der Referendar teil, der den Unterricht gezeigt hat, aber auch der Seminarausbilder, der das entsprechende Unterrichtsfach vertritt (Fachleiter). An Unterrichtsnachbesprechungen können weitere Personen teilnehmen, die ein dienstliches Interesse daran haben:
Ausbildungslehrer
Schulleiter
Ausbildungsbeauftragte
andere Referendare
Die Teilnahme weiterer Personen an einer Nachbesprechung von Unterricht hat unterschiedliche Ziele, die von der Stellung der Personen im System abhängig sind:
Kooperation zwischen Schule und den Zentren für schulpraktische Lehrerausbildung ist wichtig.
Kooperation der Referendare untereinander ist wünschenswert.
Multiplikation von Expertenwissen erleichtert und beschleunigt Ausbildungsprozesse.
People talking © AirOne – Fotolia.com (#28142737)
Diese Ziele sind auf einer pragmatischen Ebene angesiedelt; sie fragen nicht primär nach dem Nutzen für den Referendar, der im Mittelpunkt der Besprechung steht. Der dialogische Charakter einer Beratung wird durch die Teilnahme weiterer Personen aufgehoben. Dies führt zu Nachteilen, die den Beratungsverlauf behindern:
Aspekte: Vielen Personen fällt meist viel ein, auch Unwichtiges. Das Gebot der Partizipation führt aber dazu, dass meist alles sagbar wird, was gefällt.
Fazit für den betroffenen Referendar: Zu viele Beratungsaspekte!
Struktur: Nachbesprechungen unter Teilnahme weiterer Personen verlaufen meist unsystematisch; niemand der Beteiligten strukturiert den Verlauf.
Fazit für den betroffenen Referendar: Diffuser Eindruck von vielem ohne klare Gewichtung!
Verlauf: Bei der Teilnahme weiterer Personen an der Unterrichtsnachbesprechung wechseln die Gesprächsformen: In der einen Phase der Besprechung berät der Ausbilder den Referendar direkt (Dialog) und die übrigen Teilnehmer hören nur zu. In einer anderen Phase kann dies ganz anders sein: Mehrere Referendare diskutieren untereinander oder ein Ausbildungslehrer spricht mit dem Seminarausbilder.
Fazit für den betroffenen Referendar: Kein klarer Ansprechpartner und keine klare Beratungssituation!
Zeitrahmen: Je mehr Personen an einer Beratung teilnehmen, desto länger dauern oft die Nachbesprechungen. Die Rücksicht auf die Beteiligten legt eine Toleranz nahe, wie sie auch bei Kamingesprächen üblich ist. Besprechungen, die länger als eine Stunde dauern, sind anstrengend und lernpsychologisch wenig wirksam.
Fazit für den betroffenen Referendar: Geringe Effizienz– viel Zeiteinsatz, wenig Ergebnis!
Praxisnähe: Angesichts des Settings vieler Unterrichtsnachbesprechungen bleiben Anregungen, die Ausbilder geben, auf einer mittleren Ebene der Konkretion und Verbindlichkeit stecken. Erste Schritte, Handlungspläne und zeitnahe Feedbackschleifen sind meist nur Lippenbekenntnisse, wenn sie denn überhaupt vorkommen.
Fazit für den betroffenen Referendar: Kompetenzentwicklung ausgebremst!
Was bedeutet das für die Ausbildungsberatung? Welche Mindestanforderungen sollten gelten?
Je strukturierter der Gesprächsverlauf, desto klarer das Ergebnis.
Je weniger Beteiligte, desto mehr Effizienz.
Je weniger Aspekte, desto größer der Lernerfolg.
Je konkreter die Hilfe, desto mehr Kompetenzzuwachs.
Je mehr kurze Feedbackschleifen, desto produktiver die Prozessbegleitung.
Je kürzer die Nachbesprechung, desto größer der Mehrwert für alle Beteiligten.
Ausbildungsberatung kann auch dann ineffizient sein, wenn diese Regeln eingehalten werden. Warum? Weil Seminarausbilder zu viel reden! Sie reden in erster Linie als Experten, sie stoßen daher weniger die Denk- und Handlungsprozesse der Referendare an. Klarer Fall: Seminarausbilder sind Experten auf ihrem Gebiet. Doch (auch!) Ausbildungsberatung muss vor allem den Referendar ins Spiel bringen – so wie auch ein guter Fernsehmoderator dafür sorgt, dass seine Gäste im Mittelpunkt des Zuschauerinteresses stehen und nicht er. Gute Ausbildungsberatung aktiviert Referendare zum Selbstdenken, Mitdenken und Weiterdenken. Der Fachleiter initiiert solche Prozesse. Gut ist es, wenn er dem Referendar am Ende der Nachbesprechung sagen kann: „Super, Sie haben fast alle Probleme selbst erkannt und auch sinnvolle Alternativen genannt. Jetzt geht‘s für Sie ans Machen!”
Coachen kann man lernen. Coachen muss man lernen! Jedenfalls dann, wenn man Referendare coachen möchte. Überfachliche Ausbilder werden zusätzlich qualifiziert, um das Coaching von Referendaren professionell durchzuführen. Doch was ist eigentlich ein Coaching? Alle Welt redet davon: Viele Profis scheinen persönliche Coachs zu haben, Sportler zum Beispiel, Wirtschaftsbosse oder auch Fernsehmoderatoren. Und jetzt auch noch Coaching in der Lehrerausbildung? Coaching– ein Modewort!
Der Begriff Coaching ist ähnlich schillernd wie der Beratungsbegriff. Ich versuche eine Annäherung: Coachings nutzt man im Management und im Vertrieb zur Optimierung der Verkaufs- und Gewinnchancen eines Unternehmens. Coachings dienen aber auch der individuellen Entwicklung der Persönlichkeit; so gibt es Coachs, die als Personal Trainer berufliche Karrieren unterstützen oder in speziellen Kursen Möglichkeiten zur Entfaltung von Ressourcen anbieten. Coachings wenden sich an gesunde Menschen. Coaching ist also niemals Therapie.
Der Begriff „Coachee” ist analog dem Begriff „Trainee” gebildet und stammt (wie der Begriff „Coaching”) aus dem Bereich der Wirtschaft (Management, Unternehmensberatung, Training). Ein Coachee ist eine Person, die ein Coaching in Anspruch nimmt. Der Begriff „Coachee” ist allerdings umstritten: Kritisiert wird das Beziehungsgefälle, das der Begriff enthält. Das Beziehungsgefälle widerspricht der Kommunikationssituation beim Coaching, die eher symmetrisch strukturiert ist, eher ein Gespräch auf Augenhöhe ist. Alternativ nutzt man den Begriff „Klient”, der allerdings das Coaching in die Nähe einer Therapie rückt. Auch das ist problematisch. Der Begriff „Ratsuchender” als weitere Alternative ist in der Regel dem Kontext der Beratung vorbehalten.
Hinweis: In diesem Buch verwende ich zur Vereinfachung ab jetzt immer den Begriff „Referendar“ bzw. [R] , wenn der Auszubildende als Coachee gemeint ist, und die Begriffe „Ausbilder“ oder „Coach“ bzw [C] , wenn der Coach gemeint ist.
Was heißt das für die besondere Coachingsituation im Vorbereitungsdienst? Der Referendar entwickelt mit Unterstützung des Ausbilders Perspektiven für seine Weiterentwicklung auf beruflichem Feld. Der Ausbilder hilft dem Referendar, diese Perspektiven zu gestalten. Coaching bezieht sich inhaltlich immer auf die berufliche Situation des Referendars; private Aspekte können von Belang sein, wenn sie das berufliche Feld beeinflussen. Der Ausbilder ist auf Zeit Begleiter des Referendars. Ein Coaching ist im Referendariat wie auch sonst als Hilfe zur Selbsthilfe gedacht: Es ist ein auf die Bedürfnisse des Referendars zugeschnittenes Programm zur individuellen Förderung von Kompetenzen. Dieses Programm hilft dem Referendar, seine persönlichen Fertigkeiten und Fähigkeiten zu entwickeln. Diese Fähigkeiten und Fertigkeiten sind für ein professionelles Handeln als Lehrer wichtig.
Was bedeutet das für mein Coachingverständnis im Rahmen der Lehrerausbildung? Dazu folgen einige Beschreibungen dessen, was ein Coach ist, was Coaching ist und wie Coaching wirkt:
„Wichtige Menschen auf angenehme Weise von dort, wo sie sind, dorthin zu bringen, wo sie sein wollen.” (Peter Szabó/Insoo Kim Berg)
„Coaching ist individuelle Beratung auf der Prozessebene, d. h., der Coach liefert keine direkten Lösungsvorschläge, sondern begleitet den Klienten und regt dabei an, wie eigene Lösungen entwickelt werden können.” (Christopher Rauen)
„Der Coach stößt Suchprozesse an, doch die Entdeckungen und Entscheidungen werden dem anderen überlassen.” (Kerstin Hack)
„Unter Coaching verstehe ich eine Kombination aus individueller Beratung, persönlichem Feedback und praxisorientiertem Training. Im Coaching werden Fragestellungen behandelt, die die berufliche Aufgabe und Rolle sowie die Persönlichkeit des Coachees betreffen.” (Maren Fischer-Epe)
„Coaching bedeutet, andere Menschen zu unterstützen, die Situation aus einer neuen Perspektive zu sehen und selbst neue Lösungen zu finden.” (Eckard König/Gerda Volmer)
„Ein Coach darf kein Geheimniskrämer, kein moderner Medizinmann sein. Er hat Klienten, keine Patienten. Er ist nicht Heiler, sondern Begleiter.” (Martin Wehrle)
„Coaching ist die professionelle Beratung, Begleitung und Unterstützung von Personen mit Führungs-/Steuerungsfunktionen und von Experten in Unternehmen/Organisationen. Zielsetzung von Coaching ist die Weiterentwicklung von individuellen oder kollektiven Lern- und Leistungsprozessen bzgl. primär beruflicher Anliegen.” (DBVC)
Und so verstehe ich mich selbst, wenn ich Referendare coache:
Ich begleite Referendare während des Vorbereitungsdienstes und unterstütze sie auf dem Weg, eine professionelle Lehrerpersönlichkeit zu entwickeln
People talking © AirOne – Fotolia.com (#28142737)
Das bedeutet konkret:
Ich begleite Referendare bei ihrer Selbstentwicklung im beruflichen Kontext.
Das heißt:
Mein Coaching ist ein berufsbezogener Prozess, der die gesamte Zeit der Ausbildung andauert. Er ist orientiert an den Kompetenzen und Standards, die für die Ausbildung im Vorbereitungsdienst gelten.
Ich nehme die Referendare in ihrem beruflichen Denk- und Handlungshorizont wahr und ernst.
Das heißt:
Mein Coaching ist ausgerichtet an den Bedürfnissen und Fragen der Referendare, an ihren Problemen und Zielen, manchmal auch an ihren Visionen über sich und die Schule. Die spezifische berufliche Situation der Referendare ist Basis für das Coaching. Ich lasse die Verantwortung für den Coachingprozess (soweit wie möglich) bei den Referendaren. Ihr Denken, ihre möglichen Lösungen sind wichtiger als meine Ratschläge.
Ich bin in vielen Fällen Experte für die Themen der Referendare, in jedem Fall aber Begleiter in einem Entwicklungsprozess, den die Referendare während der Ausbildung durchlaufen.
Das heißt:
Ich verstehe unter anderem etwas vom Unterrichten, von der Lehrerrolle und von Problemen während der Ausbildung. Auf diesen Feldern kann ich Referendaren wertvolle Hilfe und Anregungen geben, indem ich mein Wissen und meine Erfahrung an sie weiterreiche. Zugleich bin ich Prozessbegleiter, indem ich Suchbewegungen der Referendare anstoße und strukturiere.
Ich ermutige die Referendare, die Themen für das Coaching selbst zu entdecken.
Das heißt:
Ich lasse die Verantwortung für die Themen des Coachings (weitgehend) bei den Referendaren. Mein Ziel ist eine angemessene Verknüpfung von Experten- und Prozessberatung, die den Referendaren bei der Arbeit an ihren Themen ein Höchstmaß an Selbstständigkeit lässt. Ich rege Themen für das Coaching an, wenn ich dies als transparente Hilfe sinnvoll finde.
Ich bin für die Umsetzungen der Lösungen nicht verantwortlich, die die Referendare im Coaching für ihre Probleme entwickeln. Die Referendare sind selbst dafür verantwortlich, mit welchem Engagement sie sich in der Praxis um die Bewältigung ihrer Probleme kümmern. In den Coachingsitzungen reflektiere ich mit den Referendaren den aktuellen Stand ihrer Probleme und die Erfolge, die sie beim Umsetzen von Lösungen hatten. Dabei spreche ich mit den Referendaren auch über ihre Bereitschaft und ihren Willen zur Umsetzung der Lösungen, die sie sich erarbeitet haben.
Ich arbeite mit einem integrativen Coachingkonzept und nutze dabei nachvollziehbare Werkzeuge.
Das heißt:
Ich nutze beim Coachen verschiedene Konzepte der Psychologie und der Sozialwissenschaften, der Pädagogik und Kommunikationstheorie. Mein Vorgehen halte ich stets transparent. Dies gilt sowohl für den Ablauf des Coachings allgemein und der konkreten Sitzungen als auch für alle Werkzeuge, die ich einsetze.
Ich bewerte und beurteile die Referendare nicht.
Das heißt:
Ich bin mir bewusst: Coaching findet im benotungsfreien Raum statt. Beim Coaching geht es daher immer um Unterstützung, um Hilfe zur Selbsthilfe. Bewertungen und Beurteilungen im Sinne einer Einschätzung von Leistungen gehören nicht ins Coaching. Coachen bedeutet für mich, Referendare individuell zu fördern. Das strebe ich an, indem ich die Fähigkeiten der Referendare im Umgang mit problematischen beruflichen Handlungssituationen erweitere.
Grundlegendes
Die folgenden Punkte sollten Sie klären, bevor Sie überhaupt coachen. Manches davon sollten Sie auch den Referendaren transparent machen.
10 To-dos, die immer gelten:
White board © AirOne – Fotolia.com (#28890854)
Coaching ist ein Vier-Augen-Gespräch; der Ausbilder ist über die Inhalte des Coachings zur absoluten Verschwiegenheit verpflichtet. Verschwiegenheit bedeutet auch Verschwiegenheit gegenüber anderen Seminarausbildern. Der Referendar muss sicher sein: Was er in den Sitzungen sagt, verlässt den Sitzungsraum nicht. Ausnahme: Er selbst erzählt es weiter.
Der Zeitrahmen für das Coaching ist dem Referendar vorher bekannt. Ich kalkuliere etwa eine Zeitstunde. 75 Minuten sind erlaubt, 40 Minuten sind mindestens nötig. Der Referendar und der Ausbilder bringen die nötige Zeit mit und lassen sich während des Gesprächs nicht stören. Hektik wird vermieden, Langatmigkeit aber auch.
Das Coaching sollte in einem geeigneten Raum stattfinden, am besten in einem Raum, der nur dem Coaching vorbehalten ist. Eine angenehme Atmosphäre hilft, dem Coaching den richtigen Rahmen zu geben. Ruhe muss sein! Kaffee und Kuchen lässt man besser weg. Ein Glas Wasser kann nicht schaden.
Medien im Coachingraum zu haben ist nützlich: Tafel und Kreide in jedem Fall, alternativ ein Flipchartständer mit mehreren Blättern; gut ist ein OH-Projektor, vielleicht ein Beamer. Klebeband und Karten im Format DIN A5 braucht man für bestimmte Tools. Ein Moderatorenkoffer ist sehr praktisch! Wichtig: Nutzen Sie bei Ihrer Arbeit vor allem Tafel und Kreide (siehe dazu auch die Hinweise bei den einzelnen Werkzeugen). Visualisierungen sind wichtig und helfen dem Referendar und Ihnen.
Die Sitzpositionen der Gesprächspartner zueinander sind für das Coaching wie für jede Beratung wichtig: Der Coach setzt sich immer etwa im rechten Winkel zum Referendar, so kann dieser sich dem Ausbilder zuwenden, wann immer er möchte. Das Gefühl, fliehen zu können, bleibt für beide Gesprächspartner durch die Übereck-Position gewahrt. Das schafft Sicherheit für beide Gesprächspartner! Ein kleiner quadratischer oder rechteckiger Tisch ist dabei hilfreich. Dadurch wird die Situation entstresst.
Nähe und Distanz sind wichtige Wohlfühlkriterien. Rücken Sie dem Referendar nicht zu nah. Die Profidistanz von etwa einem Meter sollten Sie wahren. Nutzen Sie räumliche Nähe, auch bewusst herbeigeführte. Räumliche Nähe zum Referendar ist ein gutes Instrument immer dann, wenn Sie Ihre Äußerungen dringlich machen und unterstreichen wollen. Beugen Sie sich zum Beispiel in diesen Fällen zum Referendar. Aber Achtung: Weniger als 50 Zentimeter Abstand zueinander sind auch hier nicht angesagt!
Kleidung macht den Coach: Zeigen Sie dem Referendar auch durch Ihr Outfit, dass Sie ihn und das Coaching ernst nehmen. Gepflegt und sportlich-elegant darf es sein. Vermeiden Sie Overdressing oder Freizeitkleidung.
Geben Sie dem Referendar am Anfang der Sitzung die Hand und schauen Sie ihn dabei an. Nicht nur, dass Sie auf diesem Weg schon manches erfahren– nasser Händedruck?–, Sie entspannen auch die Situation. Dies ist für beide Seiten ein Gewinn.
Macht man viele Coachings, braucht man ein sinnvolles System zur Dokumentation. Entwickeln Sie eines, das zu Ihnen passt. Wichtig: Mitschreiben während eines Coachings ist zwar beliebt, aber nur begrenzt sinnvoll. Sie wenden sich dadurch immer wieder einem Blatt Papier (oder vielleicht noch schlimmer!) dem Bildschirm Ihres PCs zu. In dieser Zeit können Sie nicht beim Referendar sein. Also: Nur wenig während der Sitzung mitschreiben! Das Wesentliche gleich danach aufschreiben! Wichtig: Planen Sie unbedingt die Zeit ein, die Sie für die Nachbereitung brauchen!
Referendare dagegen haben mehr von den Sitzungen, wenn sie sich fortlaufend Notizen machen. Achten Sie darauf und geben Sie den Auftrag dazu, falls die Referendare nicht von selbst darauf kommen. Was die Referendare am Ende in jedem Fall notiert haben sollten:
alle Lösungen, die sie sich erarbeitet haben
die Bewertungen der Lösungen
den Handlungsplan
Tipp: Manche Referendare fotografieren am Ende einer Sitzung Tafelbilder einfach ab (Fotoprotokoll). Regen Sie dies an. Dadurch können auch die Referendare während des Coachings weitgehend auf Notizen verzichten. Dies erhöht die Effizienz für alle.
Männchen mit Fußfessel © AirOne – Fotolia.com (#27920039), Männchen mit Zielscheibe © AirOne – Fotolia.com (#29780667), Männchen mit vielen Puzzleteilen © AirOne – Fotolia.com (#30379072), Männchen mit Lupe und Puzzleteil © AirOne – Fotolia.com (#28518189), Männchen trägt Puzzleteil © AirOne – Fotolia.com (#27485643)
Die Sitzungen eines Coachings sollten immer nach demselben Muster ablaufen. Unabhängig davon sollte der Coach offen sein für aktuelle Erfordernisse, die ein Abweichen vom Muster sinnvoll erscheinen lassen oder nötig machen. Mein Ablaufraster habe ich die MAMMA-Methode genannt. Die MAMMA-Methode lehnt sich (wie praktisch alle solche Muster) an das GROW-Konzept an, das John Whitmore entwickelt hat. Mein Ablaufmuster variiert Whitmores Konzept aber doch deutlich.
Gedächtnis-Tipp:Denken Sie an den weltbekannten Song Mamma mia der schwedischen Popgruppe ABBA oder einfach an Ihre Mutter und Sie werden das MAMMA-Konzept leicht erinnern.
Meine Coachingsitzungen mit Referendaren dauern etwa eine Stunde und verlaufen in der Regel in fünf Schritten:
1. Schritt: M wie Mangel als Problem beschreiben
Männchen mit Fußfessel © AirOne – Fotolia.com (#27920039)
Referendare, die ich betreue, bereiten sich auf Coachingsitzungen vor. Dazu erhalten Sie eine Praxishilfe, die sie beim Durchdenken ihres Anliegens leitet (siehe dazu das Tool „Handlungssituationen bearbeiten”):. Worum geht es in dieser Phase der Sitzung? Ausgangspunkt jedes Coachings ist ein Problem, das der Referendar besitzt. Ich verwende den Problembegriff hier, wie ihn Karl Duncker (1974) geprägt hat. Das bedeutet für die Situation im Vorbereitungsdienst: Der Referendar erlebt sein Problem in einer (oder mehreren) beruflichen Handlungssituation(en). Zugleich weiß er zumindest im Großen und Ganzen, wie die Situation ohne Problem aussähe. Er kennt also ansatzweise auch sein Ziel. Worin besteht also das Problem? Der Referendar weiß nicht oder nicht hinreichend, wie er das Ziel erreichen soll. Es besteht also für ihn keine direkte Verbindung zwischen seiner aktuellen Erfahrung mit dem Problem und dem antizipierten Wunschzustand in der Zukunft. Der Weg zwischen dem Hier und Jetzt und dem gewünschten Zustand in der Zukunft ist für den Referendar verbaut, zumindest teilweise blockiert. Er blickt nicht durch. Das Problem besteht für ihn also darin, zwar zu wissen, wohin die Reise gehen soll, aber den Weg zum Ziel nicht zu kennen. Dieses Unbehagen erlebt der Referendar als Mangel an Handlungsmöglichkeiten. Diesen Mangel möchte er beseitigen. Wichtig: Einen solchen Mangel an Handlungsmöglichkeiten kann ein Referendar auf jeder Stufe einer Kompetenzleiter erleben, also der Referendar mit ausgezeichneten Leistungen ebenso wie der, der weniger erfolgreich ist. Eine Situation wird für den Referendar erst dann zu einer Mangelsituation, wenn er für sich selbst eine Diskrepanz zwischen einem wünschenswerten Soll-Zustand und seinem aktuellen Ist-Zustand erlebt und zugleich diese Diskrepanz beseitigen möchte. Um die Diskrepanz aufzuheben muss er sich dem Problem stellen, das die Mangelerfahrung auslöst. Mangel und/oder Problem sind also keine etikettierenden Begriffe eines defizitorientierten Zugangs zum Referendar, sondern die Begriffe kennzeichnen typische Strukturen einer jeden Erfahrung, die einen Menschen zum Handeln motiviert und dadurch eine Entwicklung nicht zuletzt des Handelnden selbst anstößt und ermöglicht.
In der ersten Phase der Coachingsitzung stellt der Referendar sein Problem dar. Hilfreiche Fragen und Impulse können dabei sein (siehe hierzu auch das Tool „Handlungssituationen bearbeiten”):
„In welchen Situationen tritt das Problem auf?”
„Wie erklären Sie sich das Problem?”
„Wer/Was ist am Entstehen des Problems beteiligt?”
„Welchen Anteil haben Sie selbst am Entstehen des Problems?”
„Welchen Mangel genau erleben Sie im Blick auf das Problem?”
„Was motiviert Sie, sich mit dem Problem zu beschäftigen?”
„Woran erkennen Ihre Schüler/Kollegen/Fachleiter, dass Sie das Problem besitzen?”
Ziel ist es in dieser Phase, das Problem möglichst präzise zu beschreiben, in Teilen durchaus auch zu analysieren. Wichtig für Sie als Coach: Sie müssen nicht alles im Detail verstehen, was der Referendar erläutert. Die Präzisierung dient vor allem dazu, dass der Referendar sein Problem selbst versteht, eventuell besser als zuvor.
Profitipps
Bitten Sie den Referendar, seine Darstellung mit einigen wenigen Begriffen strukturiert zu visualisieren (zum Beispiel an der Tafel). Die Visualisierung schafft für den Referendar den nötigen Abstand, der ihm hilft, sein Problem noch differenzierter wahrzunehmen. Stellen Sie Rückfragen, wenn Ihnen die Visualisierung (in Teilen) unklar bleibt.Am Ende des Vortrags: Fragen Sie den Referendar, ob er wirklich fertig ist: „Möchten Sie noch etwas ergänzen?“ Warten Sie nach einer solchen Frage hinreichend lange, um sicher zu sein, dass der Referendar im Moment nichts mehr hinzufügen möchte. Denkpausen sind wichtig!Bitten Sie den Referendar, parallel zu der Frage „Möchten Sie noch etwas ergänzen?“, ein paar Meter von der Tafel zurückzutreten und sich seine Visualisierung anzuschauen. Der räumliche Abstand zur Tafel schafft eine neue Perspektive, die manchmal auch neue Gedanken erzeugt. Warten Sie einen Moment, ehe Sie weitermachen.Stützen Sie den Referendar und seine Sicht seines Problems, indem Sie seine Gedanken positiv spiegeln: „Ich verstehe Sie.“ – „Das kann ich mir vorstellen.“ – „Das stört Sie vermutlich sehr.“ Tipps dazu finden Sie auch in dem Tool „Vertrauen schaffen“.2. Schritt: A wie Anliegen als Ziel formulieren
Männchen mit Zielscheibe © AirOne – Fotolia.com (#29780667)
Diese Phase ist nach meiner Erfahrung fast in jeder Sitzung die schwierigste, oft auch die, die deshalb am längsten dauert. Hier bitte ich den Referendar, genau zu sagen, was sein Ziel für die aktuelle Sitzung ist. Grundlage ist sein Problem, das er in der ersten Phase der Sitzung dargestellt hat.
Hilfreiche Fragen und Impulse können (je nach Problem) sein (siehe hierzu auch das Tool „Ziele genau bestimmen”):
„Was möchten Sie am Ende der heutigen Sitzung mehr oder besser wissen oder können?”
„Erklären Sie mir, was Sie am Ende der heutigen Sitzung erreicht haben wollen.”
„Was genau ist Ihr Ziel für die heutige Sitzung?”
„Was genau wünschen Sie sich für die heutige Sitzung?”
„Woran würde Ihr Referendarskollege X merken, dass Sie aus der heutigen Sitzung etwas mitgenommen haben?”
„Was wäre das erste Anzeichen, an dem Ihre Schüler eine Veränderung Ihres Verhaltens bemerken würden?”
„Woran würde ich erkennen, dass Sie das Problem nicht mehr haben?”
„Woran würde ich als Erstes merken, dass das Problem geringer geworden ist?”
Ich frage also nach den professionsbezogenen Kompetenzen, die der Referendar entwickeln möchte. Je nach Lage sind die Fragen enger oder weiter gefasst, sind sie direkt oder systemisch gestellt (siehe hierzu zum Beispiel die Tools „Zirkulär fragen”, „Hypothetisch fragen”).
Ein Referendar kann seine Kompetenzen in unterschiedlichen Bereichen entwickeln wollen: Es kann um Werthaltungen und Überzeugungen gehen ebenso wie um ein Mehr an Aktivität zum Beispiel in Seminarsitzungen. Manche Referendare formulieren Ziele im Blick auf ihre Fach- und Methodenkompetenz, wieder andere möchten sich auf dem Gebiet der sozialkommunikativen Kompetenz entwickeln.
LesetippsKliebisch 2011; Heyse/Erpenbeck 2009; Heyse/Erpenbeck/Ortmann (Hrsg.) 2010
Aller Anfang ist aber schwer: Viele Referendare kommen mit allgemeinen Zielvorstellungen zum Coaching: „Ich möchte mein Zeitmanagement verbessern.” – „Ich möchte bei den Schülern besser ankommen.” – „Ich möchte die Methode x oder y öfter nutzen.” – „Ich glaube, ich bin nicht streng genug.”