9,99 €
Zu Fuß, im Kajak, mit Frachtschiff, Flugzeug, Bus und Eisenbahn unterwegs rund um unseren Zauberplaneten Erde. Seit 2003 reist der Weltenwanderer Gregor Sieböck in die weite Welt hinaus und folgt der Stimme seines Herzens. Beschenkt von der Magie des Augenblicks lösen sich dabei Zeit, Raum und Grenzen auf. Die große Herausforderung besteht darin, überhaupt aufzubrechen, vermeintliche Sicherheiten hinter sich zu lassen und stattdessen der Ungewissheit des Weges zu begegnen. Der Weg entsteht dann wie von selbst.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Veröffentlichungsjahr: 2023
story.one
Für Martin
Bevor du gingst lehrtest du mich den Mut der Sterne, wie das Licht selbst nach dem Tod endlos weiterstrahlt. Außer Atem hast du mir das Unendliche erklärt. Wie außergewöhnlich und schön es ist, dass wir leben. Ich konnte nicht anders, als dich zu bitten, alles noch einmal zu sagen. Ich habe versucht, es aufzuschreiben, aber ich konnte keinen Stift finden. Ich würde alles geben, um es noch einmal von dir zu hören: Dass das Universum nur dafür geschaffen wurde, um mit meinen Augen gesehen zu werden.
Aus dem Lied „Saturn“ von „Sleeping at Last“.
Langsam reicht's
Die Aufgabe der Zeit ist es, nicht zu sein
Die Stimme des Herzens
Das kosmische Reisebüro
Der goldene Reisebus
Die gemeinsame Ausrichtung
Im Zug nach Sibirien
Das Opernhaus im Amazonas
Baltazar, der letzte Eisholer
Busfahrt mit Überraschungen
Totale Sonnenfinsternis
Zeitreise am Gletscher
Der Weg ins Tal der Zeit
Wanderung nach Osten
Das Wechseln der Zeitlinie
Vom Leben in der Dunkelheit
Begegnung mit dem Jaguar
„Wenn du die Art und Weise wie du die Dinge betrachtest veränderst, verändern sich die Dinge, die du betrachtest.“ – Wayne Dyer
Ungehorsam sein heißt für mich, klar zu entscheiden, wo ich mitmache und wo nicht. Ich steige immer wieder bewusst aus dem Geschwindigkeitsrausch der Moderne aus, schnüre meine Wanderschuhe und gehe im Alltag genauso wie auf meinen Reisen gerne zu Fuß. In der heutigen Zeit, in der es darum geht, alles möglichst schnell und effizient zu erledigen, ist Gehen an sich schon ein Akt des Ungehorsams.
Im Rhythmus des Gehens habe ich genügend Zeit, Erfahrungen und Erlebnisse zu verarbeiten. Aus den dabei gewonnen Eindrücken ziehe ich meine eigenen Schlüsse und erweitere den Blickwinkel auf die Gesellschaft, die Erde und den Kosmos. Dadurch verlasse ich den mittlerweile sehr eng gefassten Meinungskorridor.
Wie ich die Welt sehe, so begegnet sie mir. Gelingt es, offen für neue Betrachtungsweisen zu sein und Vorurteile gehen zu lassen, dann eröffnen sich unerwartete Wege. Ich entdecke bisher Unbekanntes und es entstehen berührende Begegnungen.
Ungehorsam sein heißt für mich ein Leben im Rhythmus mit der Erde, anstatt sie auszubeuten. Mich nicht dem Konsum zu unterwerfen, sondern bewusst der Essenz des Augenblicks den Vorzug zu geben. Eine Weltoffenheit an Stelle von Ausgrenzung. Ein immerwährendes Hinterfragen, Forschen und Fühlen auf der Suche nach der Wahrheit, anstatt bloß vorgefasste Meinungen zu wiederholen. In der Verbundenheit allen Seins zu leben, anstatt den Fokus auf das Trennende zu legen. Mich nicht dem Joch der Angstmacherei zu unterwerfen, sondern mit Vertrauen und Lebensfreude durch das Leben zu gehen. Ungehorsam sein und nicht überall mitmachen ist täglich eine neue Herausforderung. Doch sie bringt mich dazu, meinen eigenen Weg zu finden und diesen auch zu gehen.
Je langsamer ich bin, umso schneller werde ich. Das ist ein Paradoxon, denn die Geschwindigkeit, die aus der Verlangsamung heraus entsteht, ist eine andere als jene, die aus der Schnelligkeit erwächst. Je langsamer ich werde, umso mehr dehnt sich die Zeit. Das erlebe ich auch gerade beim Schreiben dieses Buches. Ich habe mich entschieden, mir alle Zeit der Welt dafür zu nehmen und schreibe nun dieses Buch so schnell wie kein Buch zuvor. Allerdings geht es wie bei vielem darum, das wirklich zu erleben. „Wenn du in Eile bist, so gehe langsam“, hat einst Konfuzius geschrieben. Viele Jahre lang habe ich diesen Satz verinnerlicht, bis er schließlich Teil meines Lebens wurde.
Alles ist ein großes Spiel. Wenn du auf dem Weg zu einem Termin oder zum Zug spät dran bist, gehst du dann langsam oder schnell? Dabei geht es nicht darum, das zu durchdenken, sondern zu erfahren. Es könnte durchaus sein, dass du über das Ergebnis überrascht bist. Trotzdem soll die Verlangsamung der Zeit nicht zum Dogma werden. So ertappe ich mich auch ab und zu, dass ich am Weg zum Bahnhof zu laufen beginne. Dort angekommen, stehe ich dann mitunter völlig verschwitzt am Bahnsteig und ich denke an Konfuzius. Er lächelt mir im Geiste zu.
Ich bin ein Reisender. Ich verspüre ein inneres Lächeln, wenn ich das für mich Unbekannte erforsche, in die weite Welt hinaus ziehe oder andere Bewusstseinsebenen jenseits von Zeit und Raum erkunde. Ich bin ein Weltenwanderer, das ist mein Leben. Dadurch lebe ich meine Bestimmung und erkenne immer mehr, wer ich bin.
Ich liebe es, zu Fuß unterwegs zu sein. Eines Morgens verließ ich meinen Heimatort in den Alpen und wanderte nach Japan. Dabei folgte ich jahrelang einem fixen Ziel, das ich erreichen wollte. In meinen Gedanken war ich irgendwo in der Zukunft und vergaß dabei ganz, dass ich gerade an jenem Ort war, den ich schon lange einmal besuchen wollte. So war ich weder hier noch dort. Es bedurfte eines radikalen Schrittes. Eines schönen Sommertages war klar, dass ich einfach ohne Ziel losgehen würde. Ich wollte an jeder Wegkreuzung aufs Neue entscheiden, wohin mich der Weg führen sollte. Das war zu Beginn alles andere als einfach, denn durch die Hintertür schlichen sich Ziele ein, vielleicht weniger klar formuliert, aber trotzdem präsent. Was hielt mich davon ab, dass ich mich voll und ganz auf den Weg einließ? Ein Mangel an Vertrauen in den Augenblick! Denn ein Ziel gibt eine vermeintliche Sicherheit. Unterwegs lernte ich immer besser präsent im Jetzt zu sein und den Augenblick bewusst wahrzunehmen.
Das allergrößte Geschenk, das ich der Zeit machen kann, ist es, dass sie „nicht ist.“ Als Mensch gehe ich dorthin, wo ich mich wohlfühle, ich mich selbst leben und verwirklichen kann. Wende ich dies auf die Zeit an, dann wird die Zeit Zeit mit mir verbringen, wenn sie in meiner Gegenwart „nicht sein“ kann. Das Eingangstor dazu ist ein Leben im Jetzt. Gelingt mir das, lebe ich nicht mehr in der Zeit und betrete den Raum der unbegrenzten Möglichkeiten.
Mittlerweile handle ich immer mehr aus dem Augenblick heraus und folge der Stimme meines Herzens. Mir fallen die Blumen am Wegesrand auf. Ich bleibe stehen, wenn ein Schmetterling neben mir vorbei flattert, und ich lausche dem Gesang der Vögel, die meinen Weg begleiten. Ich bin mir des Augenblicks gewahr und treffe die Entscheidungen, wohin ich mich wenden möchte an den Wegkreuzungen. Meine Etappen sind kürzer geworden und in der warmen Mittagszeit halte ich immer öfter im Schatten eines Baumes Siesta.
Ohne fixes Ziel unterwegs zu sein, bedeutet für mich, ausgetretene Pfade und eingefahrene Wege zu verlassen. Sprich, mich von alten Gewohnheiten zu verabschieden. Wenn ich mich aufmache und mein Leben lebe, erkenne ich, dass es außerhalb der Komfortzone sehr komfortabel sein kann. Diese Erkenntnis wiederum schafft Vertrauen und hilft mir, der Stimme meines Herzens zu folgen. Das erfordert Mut! Wenngleich dieser auch nicht immer präsent ist, so erinnere ich mich in den Augenblicken der Mutlosigkeit daran, dass die Erde und das Universum voller Zauber sind. Das inspiriert mich weiterzugehen. Ich kann nur im Jetzt handeln, denn ein Verschieben der Träume und Visionen in die Zukunft bedeutet möglicherweise, dass diese nie eintreten. Die Zeit wartet nicht, sie ist jetzt.
Die Stimme des Herzens ist nicht der Zeit unterworfen. Sie bewegt sich außerhalb der Zeit-Raum-Matrix. Diese Stimme wohnt uns allen inne, doch sie war in mir anfangs nur leise zu vernehmen. Zu sehr hatte ich mich auf meinen Verstand verlassen. Er war oft schnell zur Stelle, wenn es darum ging, Entscheidungen zu treffen. Dadurch setzte ich dann vor allem vergangenheitsorientierte Handlungen, die mir nicht mehr dienlich waren, wenn ich neue Wege gehen wollte. Es war an der Zeit, der Stimme des Herzens zu folgen.
Als ich durch die Nordinsel Neuseelands wanderte, regnete es den ganzen Nachmittag und so suchte ich mir einen Zeltplatz. Mein Zelt war rasch aufgestellt und alsbald lag ich im trockenen, warmen Schlafsack. Was für eine Wohltat. Auf einmal meldete sich jedoch eine Stimme in mir, die mich aufforderte, einen anderen Zeltplatz zu wählen. Ich kroch aus meinem Schlafsack hervor, packte alles ein und baute das Zelt ab. Mittlerweile war es dunkel geworden und ich suchte mir im Schein der Stirnlampe einen neuen Zeltplatz. Ich fand ihn und er fühlte sich gut an. Also stellte ich das Zelt wieder auf und richtete erneut mein Schlafgemach ein. Danach schlief ich selig ein. Mitten in der Nacht kam wie aus dem Nichts ein starker Sturm und in der Nähe fiel ein Baum um. Als ich am Morgen zum Zelt hinausblickte, sah ich, dass dieser Baum genau auf jenen Platz gestürzt war, an dem ich anfangs mein Zelt aufgestellt hatte.
Jahre später war ich auf meiner Wanderung in den Osten durch Österreich unterwegs. Ich durchquerte Wien, wollte aber nicht in der Stadt übernachten und wanderte daher noch bis in die Lobau, einer wunderschönen und am Stadtrand gelegenen Aulandschaft. Als ich dort ankam, war es bereits dunkel. Im Schein der Stirnlampe suchte ich zwei geeignete Bäume, um meine Hängematte aufzuhängen. Ich fand sie. Obwohl der Abstand der Bäume perfekt war und alles den Anschein hatte, dass es ein guter Schlafplatz war, spürte ich, dass es besser war, die Hängematte an einem anderen Ort aufzuspannen. In all den Jahren des Unterwegsseins habe ich eine immer tiefere Verbundenheit mit der Erde aufgebaut und so ist meine innere Stimme feinsinniger geworden. Daher baute ich mein Schlafquartier wieder ab und fand in zehn Metern Entfernung zwei weitere geeignete Bäume. Hier spürte ich, dass ich sicher war. Gegen 4:00 Uhr morgens hörte ich ein lautes Krachen im Unterholz. Es hörte sich an als ob eine wilde Horde direkt auf mich zustürmte. Plötzlich wurde mir klar, dass es Wildschweine waren, und sie zogen scheinbar, ohne von mir Notiz zu nehmen, fast direkt an meiner Hängematte vorbei. Am Morgen im erwachenden Sonnenlicht entdeckte ich ihre Spuren dort, wo ich am Vorabend meinen ersten Schlafplatz ausgewählt hatte. Zum Glück habe ich der Stimme meines Herzens vertraut und die Hängematte wieder abgenommen, sonst hätte ich wohl mitten in der Nacht die Hauer des Ebers in meiner Nierengegend verspürt.