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Rekonstruktion und Erneuerung E-Book

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Beschreibung

Aktuelle Lehrwerke für den Fremdsprachenunterricht sollen (und wollen) den Anforderungen des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen, der Kultusministerkonferenz sowie Prinzipien der neokommunikativen Methode gerecht werden. In den letzten Jahren werden zudem Bedarfe an globaler Bildung und rassismus- und diskriminierungsfreien Inhalten sowie Wünsche nach digitalen Lösungen an das Lehrwerk herangetragen. Die Beiträge des Sammelbandes untersuchen die Konzeptionierung von Lehrwerken und den Einsatz derselben aus synchroner und diachroner Perspektive.

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Manuela Franke / Kathleen Plötner

Rekonstruktion und Erneuerung

Die neue Lehrwerkgeneration als Spiegel fremdsprachendidaktischer Entwicklungen

DOI: https://doi.org/10.24035/9783823395539

 

© 2022 • Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KGDischingerweg 5 • D-72070 Tübingen

 

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetztes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

 

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Internet: www.narr.deeMail: [email protected]

 

ISSN 0175-7776

ISBN 978-3-8233-8553-0 (Print)

ISBN 978-3-8233-0367-1 (ePub)

Inhalt

Rekonstruktion und Erneuerung? Die neue und neueste Lehrwerkgeneration im FokusBibliographieZum aktuellen Stand der Ausspracheschulung in Spanisch- und Französisch-Schüler:innenbüchern1 Einleitung2 Bewertungsgrundlage: Forschungsstand zur Aussprachedidaktik2.1 Aufbrechen der Strukturen der L1 durch bewusstes und häufiges Hören und darauf aufbauendes Sprechen2.2 Die Bedeutung von Suprasegmentalia2.3 Beachten von psychologischen Barrieren2.4 Die Rolle der Imitation (Zuhören und Nachsprechen) in der Ausspracheschulung2.5 Die Rolle kognitivierender Vermittlung3 Korpus und Analysefragen4 Analyseergebnisse4.1 In welchen Abschnitten der Schüler:innenbücher kommt Aussprachevermittlung in welcher Form vor?4.2 Gegenstände der Aussprachevermittlung4.3 Formen von Arbeitsaufträgen und Übungstypen5 Auswertung und SchlussBibliographiePrimärliteraturSekundärliteraturQuo vadis, Grammatik?1 Einführung1.1 Der Lehrlerngegenstand ‚Grammatik‘1.2 Forschungsanliegen2 Die ‚ideale‘ Grammatik im Lehrwerk …3 Vorwürfe an Grammatik (im Lehrwerk)4 Grammatik in À plus ! 1 – eine kontrastive Analyse4.1 Sprachliche Verortung von Grammatik4.2 Umfang von GrammatikübungenFazitBibliographieErklärvideos in ausgewählten Französischlehrwerken der neuen Generation (2020)1 Einleitung2 Was ist ein Erklärvideo?3 Welche Funktionen und Vorteile hat ein Erklärvideo und wie kann es im (Fremdsprachen-)Unterricht eingesetzt werden?4 Was macht ein gutes Erklärvideo aus?5 Welche Formen von Erklärvideos gibt es?6 Erklärvideos in ausgewählten Französischlehrwerken des ersten Lernjahrs der neuen Generation6.1 Erklärvideos im Lehrwerk Découvertes 1 (2020)6.2 Erklärvideos im Lehrwerk À plus ! 1 (2020)7 SchlussfolgerungLehrwerkeSekundärliteratur und InternetquellenEl enfoque por tareas en los libros de texto alemanes para la clase de españolIntroducciónEnfoque por tareas como innovación pedagógicaEl papel de los libros de texto en el enfoque por tareasAnálisis de libros de texto escolares1 Progresión de las tareas finales2 Análisis de la tarea final de una unidad3 Análisis de las actividades previas a la tarea final de una unidad4 Análisis de las actividades posteriores a la tarea final de una unidadResultadosConclusionesAnexoLista de referenciasBibliografia primariaBibliografia secundariaInternetLehrwerke für romanische Sprachen als Innovationsträger im Kontext curricular geförderter Mehrsprachigkeit?1 Einführung2 Plurale Ansätze in aktuellen Lehrplänen – eine Bestandsaufnahme am Beispiel der österreichischen Sekundarstufe2.1 Allgemeinbildende Höhere Schulen (AHS)2.2 Berufsbildende Höhere Schulen (BHS)2.3 Zwischenfazit3 Lernerseitige Ressourcenvalorisierung durch plurale Ansätze in Lehrwerken4 Mehrsprachigkeitsdidaktische Grundbildung für Lehrer:innen als Begleitmaßnahme zur Implementierung integrativer Lehrwerke5 Fazit mit Ausblick auf den Stellenwert unterrichtsbezogener LehrwerkforschungLiteraturMehrsprachigkeit in Lehwerken für den schulischen Italienischunterricht1 Einleitung2 Rekonzeptualisierung der Mehrsprachigkeit3 Verortung mehrsprachigkeitsdidaktischer Ansätze in offiziellen Unterlagen4 Studien über Mehrsprachigkeit in Lehrwerken für Italienisch: Forschungsstand5 Fragestellungen, Korpus und Methodologie6 Lehrwerkanalyse7 SchlussbemerkungenLiteraturPrimärliteraturIn dem Beitrag zitierte (jedoch nicht analysierte) LehrwerkeSekundärliteraturInternetseitenDie Darstellung der Kolonialisierung Amerikas – eine rassismuskritische Analyse einer Lehrwerklektion im historischen Vergleich1 Einführung ins Thema2 Lehrwerke und die Rolle (visueller) Repräsentation von kolonialhistorischen Inhalten3 Analyse rassismusrelevanter Darstellungen und Bezeichnungspraktiken im Spanischlehrwerk3.1 Methode3.2 Rassismuskritische Analyse der Darstellung der Kolonialisierung Amerikas im Versionenvergleich4 Fazit und AusblickBibliographiePrimärliteraturSekundärliteraturAnforderungen an Französischlehrwerke in der Einstiegsphase in die Lehrwerkarbeit aus Sicht von Französischlehrkräften der Primarstufe (Berlin)1 Die Lehrwerkarbeit und der Französischunterricht2 Forschungsziel3 Studiendesign3.1 Erhebungskontext3.2 Die Methode der Datenerhebung3.3 Die Methode der Datenauswertung3.4 Ergebnisse der Erhebung4 Diskussion der Erhebungsergebnisse4.1 Einstiegsphase und Lehrwerkarbeit4.2 Lehrwerkskonzeption und Lehrwerkauswahl4.3 Primarstufenunterricht und LehrwerksbestandteileLiteraturPrimärliteraturSekundärliteraturDer Einsatz des Lehrwerks am Beispiel der Sprechkompetenzförderung im Anfangsunterricht1 Sprechkompetenzförderung mit dem Lehrwerk in der Sekundarstufe I2 Studienergebnisse zum Einsatz des Lehrwerks am Beispiel der Sprechkompetenzförderung2.1 Sample der Teilauswertung2.2 Auswertungssystem2.3 Präsentation und Diskussion der Ergebnisse3 FazitBibliographie

Rekonstruktion und Erneuerung? Die neue und neueste Lehrwerkgeneration im Fokus

Manuela Franke & Kathleen Plötner

Lehrwerke für den Französisch-, Spanisch- und Italienischunterricht können auf eine jahrhundertelange Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte zurückblicken, die eng an die Entwicklung und Etablierung unterschiedlicher (Sprach)Lerntheorien und fremdsprachendidaktischer Konzepte sowie an bildungspolitische Vorgaben und Entscheidungen geknüpft ist. Um ein Lehrwerk zu einem wesentlichen Hilfsmittel für den Unterricht zu machen, ist eine enge Orientierung desselben an Curricula und Lehrplänen unumgänglich. Aktuelle Lehrwerke für den Fremdsprachenunterricht stellen sich der Herausforderung: Sie sollen (und wollen) einerseits den Anforderungen des GeR sowie Prinzipien der neokommunikativen Methode gerecht werden. Andererseits kommen in den letzten Jahren zusätzlich Forderungen nach globaler Bildung, rassismus- und diskriminierungsfreien Inhalten sowie digitalen Lösungen hinzu, die ebenfalls berücksichtigt werden müssen. Ob dies schon immer gelingt, ob hier (Er)Neuerungen oder sogar Umbrüche festgestellt werden können oder aber, ob es sich eher um Rekonstruktionen bzw. um neue Präsentationsformen von tradierten Konzepten1 handelt – die Untersuchung dessen ist Aufgabe der Lehrwerkforschung und Lehrwerkkritik, der sich der vorliegende Band zuordnet.

Neben den inhaltlichen und methodischen Entwicklungen hat sich auch die Anzahl der verschiedenen Bestandteile eines Lehrwerks mit den wachsenden didaktisch-methodischen Herausforderungen gesteigert. 2014 umfasste ein Lehrwerk für eine Jahrgangsstufe beispielsweise bereits zwischen 30 und 40 verschiedene Lehrwerkkomponenten, wie etwa dem Schüler:innen- und Lehrer:innenbuch, Begleitheften (Grammatiktrainer, Vokabeltrainer, Arbeitsheft), auditiven und audiovisuellen Medien etc. (cf. Thaler 2014: 5). Lehrwerke sollen Lehrenden wie Lernenden als „multimedialer Verbund verschiedenster Materialien“ (Nieweler 2010: 175) den Unterrichtsalltag erleichtern sowie die von der KMK festgelegten Ziele, Kompetenzen und Inhalte umfassen (cf. Stöber 2010: 6). Als „Vermittler zwischen Curriculum und Unterrichtsgestaltung“ (Nieweler 2010: 175) gründen Lehrwerke auf sprachlichen, inhaltlichen und medialen Progressionen, die Lernende in einzelnen Kompetenzen schulen bzw. fördern (sollen).

Arbeiten heute eine Vielzahl an Akteur:innen aus Theorie und Praxis bzw. aus Verlagswesen, Hochschule, Bildungsverwaltung, Schulpraxis etc. an der Konzeption von Lehrwerken mit – ein Beleg für die stärkere Theorie-Praxis-Verzahnung, die seit Jahren ein Desiderat im Bildungsbereich ist –, so waren diese zu früheren Zeitpunkten, etwa im 19. Jahrhundert, oftmals noch Produkte einzelner Personen. Durch die Kommerzialisierung der Lehrwerke, den Wandel des Bildungsbegriffs respektive die Popularisierung des Kompetenzbegriffs (cf. Lederer 2014), durch die Einführung und Stärkung von Bildungskonzepten wie etwa Differenzierung, Mehrsprachigkeit und Inklusion haben sich die Erwartungen an Lehrwerke in den letzten Jahren verändert. Zudem führen die zunehmende Medialisierung und Mediatisierung von Lebensbereichen zu Rekonstruktionen, Erneuerungen und Umbrüchen in ihrer Gestaltung und ihren Inhalten.

Lehrwerke sind aufgrund ihrer Orientierung an und der Erfüllung von einer Vielzahl an Anforderungen seitens verschiedener Bildungsakteur:innen als Spiegel von gesellschaftlichen, bildungspolitischen sowie fachdidaktischen Entwicklungen zu erachten (cf. Haggarty & Pepin 2002). Aus einer didaktischen Perspektive werden sie aktuell als eine Kombination von „teaching, learning, and workbooks“ (Fuchs & Henne 2018: 25) bezeichnet. Als „Kinder ihrer Zeit“ (Surkamp 2017: 206) spiegeln sie bestenfalls die zum jeweiligen Zeitpunkt bzw. für den jeweiligen Zeitraum gültigen und ggf. auch umstrittenen Inhalte, Konzepte und Methoden des Fremdsprachenlehrens und -lernens wider. Dies zeichnet sich vor dem Hintergrund der voranschreitenden Digitalisierung und dem damit einhergehenden bzw. noch bevorstehenden Wandel der Lehrwerke2 erneut ab. Eine Vielzahl der Lehrbücher liegt bereits als E-books vor; in der Regel wird aber (noch) die Printversion favorisiert. Im Gegensatz dazu ist das Begleitmaterial für Lehrende bereits hauptsächlich in digitaler Form erhältlich. Pandemiebedingt sind Fragen der Digitalisierung noch einmal in ein neues Licht gerückt worden und zukunftsweisende Maßnahmen erforderlich, die dem autonomen Lernen mit dem Lehrwerk sowie synchronen und asynchronen Lernformaten zuträglich sind. Erste Apps zum Vokabellernen (z. B. Vokabeltrainer-App zu À plus !) sind nun auch auf dem Bildungsmarkt erhältlich, zur eher spärlichen Nutzung durch Lernende liegen bis dato nur Aussagen von Verlagsvertreter:innen vor.

Digitalisierung und Lehrwerke in pandemischen und postpandemischen Zeiten bilden umso mehr ein interessantes Forschungsfeld, als dass lange Zeit Lehrwerke für Lehrkräfte weitaus wichtiger als die Rahmen- bzw. Bildungspläne waren (Börner et al. 2011: 37). Insbesondere in der Spracherwerbsphase der Sekundarstufe I wird der Fremdsprachenunterricht – im Vergleich zur Primar- und Oberstufe – stark vom Lehrwerk gesteuert (für den Französischunterricht z. B. Fäcke 2017: 212; Thaler 2014: 6, Fuchs et al. 2010: 150). In einigen Bundesländern, so Nieweler (2000: 14-15), konnte sogar beobachtet werden, dass sich didaktische Innovationen zunächst im Lehrbuch manifestierten und erst anschließend in die Rahmen-/Bildungspläne übernommen wurden. Aktuell stellt sich die Frage, wie sich Lehrwerke hier positionieren (können), welche digitalen Innovationen sie übernehmen, wie sie Medien(einsatz) thematisch und methodisch in ihren Reihen weiterentwickeln und ob sie sich weiterhin gegenüber anderen Materialangeboten durchsetzen können.

Die Kommerzialisierung von und rasante Zunahme an Lehrwerken im 20. Jahrundert spiegeln sich auch auf der Ebene ihrer Beforschung wider. Während die Aufmerksamkeit zu Beginn der Lehrwerkforschung insbesondere auf den Inhalten lag, lässt sich in den letzten Jahren eine Diversifizierung der Forschungsinteressen verzeichnen: Wissenschaftler:innen fokussieren nunmehr die Entstehungskontexte von Lehrwerken und deren politische, kulturelle und soziale Einbettung (cf. Fuchs & Bock 2018: 1f). Zudem werden neben Studien zur Lehrwerkentwicklung zunehmend wissenschaftliche Lehrwerkanalysen zu zentralen fachdidaktischen Kompetenzen und Konzepten durchgeführt (z. B. Usener 2016), meist in Kombination mit ausführlichen Kritiken. Ein noch wenig beforschter Bereich, vor allem auch in der Romanistik, ist die Lehrwerkverwendung und -rezeption seitens der Lehrkräfte, Lernenden und Eltern.

In diesem Band werden die ab 2012 publizierten Auflagen der (teilweise noch) aktuellen Lehrwerkgeneration von Cornelsen, Klett, Diesterweg & Co. für den schulischen Unterricht für die 2. und 3. Fremdsprachen beforscht. Mit Untersuchungen zu À plus ! 1 (2020), Découvertes 1 (2020) und Encuentros hoy 3 (2020) wird die nun anlaufende neueste Lehrwerkgeneration in drei Artikeln berücksichtigt. Obwohl Verlage – wie oben geschildert – eine Vielzahl an Materialien zum Erwerb der zweiten und dritten Fremdsprachen anbieten, spiegelt sich auch in der Mehrzahl der Untersuchungen (zum Schüler:innenbuch) im vorliegenden Band wider, dass das Schüler:innenbuch und das dazugehörige Arbeitsheft – wie bereits 2010 von Kurtz festgehalten – als die wichtigsten Medien im schulischen Fremdsprachenunterricht erachtet werden. Die zuvor beschriebene Vielfalt an Anforderungen an Lehrwerke zeigt sich in der thematischen Diversität der lehrwerkanalytischen Beiträge des Sammelbandes, die sich mit dem aufgabenorientierten Ansatz, mit Grammatik, Aussprachschulung, Mehrsprachigkeitsförderung, Lernvideos und Rassismuskritik beschäftigen. Zudem beinhaltet der Band zwei empirische Studien zum Lehrwerkeinsatz in der Schule.

 

Julia Lange widmet sich in ihrem Beitrag dem aktuellen Stand der Ausspracheschulung in Französisch- und Spanischlehrwerken. Zu diesem Zweck führt sie eine umfassende Analyse von jeweils fünf Schüler:innenbüchern und den dazugehörigen Arbeitsheften für das erste Lernjahr durch.

 

Kathleen Plötner untersucht kontrastiv Entwicklungen in den Schüler:innenbüchern und Arbeitsheften von À Plus ! 1 aus den Jahren 2012 und 2020 hinsichtlich des Lehrlerngegenstands ‚Grammatik‘.

 

Anne-Marie Lachmund widmet ihren Artikel verschiedenen Lernvideos in den Schüler:innenbüchern und Begleitmaterialien von À Plus ! 1 (2020) und Découvertes (2020). Sie stellt Funktionen, Vorteile und Formen von Lernvideos vor und prüft das Angebot der analysierten Lehrwerke hinsichtlich ihrer Qualität.

 

Virtudes González untersucht die Umsetzung des aufgabenbasierten Ansatzes in Spanischlehrbüchern des Anfangsunterrichts.

 

Michaela Rückl befasst sich vor dem Hintergrund curricular geförderter Mehrsprachigkeit mit der möglichen Innovationsfunktion von Lehrwerken für romanische Sprachen.

 

Auch Sara Colombo fokussiert das Thema Mehrsprachigkeit. Sie stellt in ihrem Beitrag eine Untersuchung von Italienischlehrwerken hinsichtlich ihrer mehrsprachendidaktischen Konzeption vor.

 

Janina Vernal-Schmidt befasst sich mit rassismuskritischen Ansätzen und deren Umsetzung am Beispiel der Darstellung der Kolonialisierung Amerikas in zwei Spanischlehrbüchern.

 

Emma Dakla arbeitet zum Einsatz von Lehrwerken in der Grundschule. Anhand einer Interviewstudie stellt sie die Erfahrungen von Lehrkräften mit Lehrwerken im Französischunterricht der Primarstufe vor.

 

Manuela Franke legt ebenfalls den Fokus auf die Nutzung von Lehrwerken. In ihrem Aufsatz stellt sie erste Analyse-Ergebnisse zur Kompetenz Sprechen aus einer Untersuchung zur Lehrwerksverwendung basierend auf Beobachtungsprotokollen von Studierenden aus dem Spanisch- und Französischunterricht der Sekundarstufe I vor.

Bibliographie

Börner, Otfried & Edelhoff, Christoph & Rebel, Karlheinz & Schmidt, Torben & Schröder, Konrad (2011): „Funktion und Profil von Lehrwerken in der Epoche von Standards und Kompetenzen“. In: Gnutzmann, Claus & Königs, Frank & Küster, Lutz (Hrsg.): Fremdsprachen lehren und lernen, 40 (2). Tübingen: Narr, 31-48.

Brill, Lilli Marlen (2005): Lehrwerke/Lehrwerksgenerationen und die Methodendiskussion im Fach Deutsch als Fremdsprache. Aachen: Shaker.

Fuchs, Eckhardt & Bock, Annekatrin (2018): „Introduction“. In: Fuchs, Eckhardt & Bock, Annekatrin (Hrsg.): The Palgrave Handbook of Textbook Studies. New York: Palgrave Macmillan, 1-9.

Fuchs, Eckhardt & Henne, Kathrin (2018): „History of Textbook Research“. In: Fuchs, Eckhardt & Bock, Annekatrin (Hrsg.): The Palgrave Handbook of Textbook Studies. New York: Palgrave Macmillan, 25-56.

Fuchs, Eckhardt & Niehaus, Inga & Stoletzki, Almut (2014): Das Schulbuch in der Forschung. Analysen und Empfehlungen für die Bildungspraxis. Göttingen: V&R unipress. https://repository.gei.de/bitstream/handle/11428/170/9783847103851_Fuchs%20et%20al_Schulbuch%20in%20Forschung_WZ.pdf?sequence=1&isAllowed=y, Zugriff: 23.05.2021.

Funk, Hermann & Kuhn, Christina (2020): „Die Arbeiten mit digitalen Lehrwerken“. In: Hallet, Wolfgang & Königs, Frank G. & Martinez, Hélène (Hrsg.): Handbuch Methoden im Fremdsprachenunterricht. Hannover: Friedrich Verlag, 236-240.

Haggarty, Linda & Pepin, Birgit (2002): „An Investigation of Mathematics Textbooks and Their Use in English, French and German Classrooms. Who Gets an Opportunity to Learn What?“. In: British Educational Research Journal 28, 4, 567-590.

Kurtz, Jürgen (2010): „Zum Umgang mit dem Lehrwerk im Englischunterricht“. In: Fuchs, Eckhardt & Kahlert, Joachim & Sandfuchs, Uwe (Hrsg.): Schulbuch konkret. Kontexte – Produktion – Unterricht. Bad Heilbrunn: Klinkhardt, 149-163.

Lederer, Bernd (2014): Kompetenz oder Bildung. Eine Analyse jüngerer Konnotationsverschiebungen des Bildungsbegriffs und Plädoyer für eine Rück- und Neubesinnung auf ein transinstrumentelles Bildungsverständnis. Innsbruck: innsbruck university press.

Nieweler, Andreas (2010): „Lehrwerke“. In: Surkamp, Carola (Hrsg.): Metzler Lexikon. Fremdsprachendidaktik. Stuttgart: Metzler’sche Verlagsbuchhandlung und Carl Ernst Poeschel Verlag, 175-176.

Nieweler, Andreas (2000): „Sprachenlernen mit dem Lehrwerk – Thesen zur Lehrbucharbeit im Fremdsprachenunterricht“. In: Fery, Renate & Raddatz, Volker (Hrsg.): Lehrwerke und ihre Alternativen. Frankfurt a. M.: Peter Lang, 13-19.

Stöber, Georg (2010): „Schulbuchzulassung in Deutschland. Grundlagen, Verfahrensweisen uns Diskussionen“. In: Eckert. Beiträge 3, 1-24. http://lernenimspiel.de/wordpress/wp-content/uploads/2016/05/Stoeber_Schulbuchzulassung.pdf, Zugriff: 23.05.2021.

Thaler, Engelbert (2014): „Lehrwerk-Kompetenz“. In: Praxis Fremdsprachenunterricht Basisheft, 1/2014. Cornelsen, 4-8.

Usener, Jana (2016): Lehrwerke und interkulturelle Kompetenz im Spanischunterricht. Analyse und Perspektiven. Universität Halle: Dissertation. d-nb.info/1116950545/34, Zugriff: 04.05.2021.

Zum aktuellen Stand der Ausspracheschulung in Spanisch- und Französisch-Schüler:innenbüchern

Julia Lange

In der vorliegendem Studie wird die Gestaltung der Ausspracheschulung in fünf Französisch-Schüler:innenbüchern und fünf Spanisch-Schüler:innenbüchern (eingesetzt in Nordrhein-Westfalen) untersucht. Die Analyse zeigt, dass die Schüler:innenbücher der Beziehung zwischen Schreibung und Aussprache die höchste Bedeutung zuordnen. Andere Ausspracheschwierigkeiten auf segmentalem und besonders auch auf suprasegmentalem Niveau stehen dahinter zurück. Eine Optimierung der Vermittlung von Lese- und Schreibkompetenzen erscheint sinnvoll, um segmentale und v. a. suprasegmentale Ausspracheschwierigkeiten besser bzw. überhaupt einbeziehen zu können. Was die rein phonetisch-phonologische Ausspracheschulung angeht, so werden Teilkompetenzen der Aussprache wie diskriminierendes oder identifizierendes Hören oft übersprungen. Auch sind die Ausspracheübungen in den Schülerbüchern kaum wiederholend angelegt.

1Einleitung

Die Aussprachevermittlung steht im modernen Fremdsprachenunterricht als Teil der sprachlichen Mittel im Dienst der Herstellung von kommunikativer Kompetenz. Hierbei gerät sie noch leichter als Grammatik, Wortschatz oder pragmatische Elemente in die Gefahr, vernachlässigt zu werden (cf. Mertens 2011: 66: 81).

Während didaktische Rahmenlinien, wie etwa der aktuelle Kernlehrplan NRW, der Aussprache eine ähnlich hohe Bedeutung beimessen wie anderen sprachlichen Mitteln (cf. KLP NRW 2019: Sekundarstufe I: 19-20), ist die Bedeutung und die Gestaltung der Aussprachevermittlung im Fremdsprachenunterricht noch größtenteils unklar. Zum aktuellen Forschungsstand in Hinblick auf die Aussprachevermittlung in Französischlehrwerken schreiben Horvath u. a. (2019: 92): „Ein systematischer Vergleich der derzeit im deutschsprachigen Raum eingesetzten Französischwerke [sic] bleibt ein Desiderat.“ Bei den Spanisch-Lehrwerken ist die Forschungslage ebenfalls unbefriedigend.1 Die vorliegende Studie soll ein erster Ansatzpunkt sein, um dieses Desiderat zu bereinigen.

2Bewertungsgrundlage: Forschungsstand zur Aussprachedidaktik

Als Grundlage für die Bewertung der Analyseergebnisse werden im Folgenden zunächst die wichtigsten Ansprüche an eine gelingende Aussprachedidaktik im Überblick zusammengetragen.

2.1Aufbrechen der Strukturen der L1 durch bewusstes und häufiges Hören und darauf aufbauendes Sprechen

Dem bewussten und aufmerksamen Hören kommt in der fremdsprachlichen Aussprachevermittlung eine besondere Rolle zu, denn erst durch ausreichend umfangreiche und systematische Höreindrücke können Lernende überhaupt in die Lage versetzt werden, neue kognitive Kategorien im Bereich der Aussprache zu erwerben (Kaunzner ²2017: 5-6). Grund hierfür ist, dass die phonologischen Kategorien der L1, die während des Erstspracherwerbs erworben werden, kognitiv besonders fest verankert sind.1

Da durch direkte Vergleiche neue Laute besser wahrgenommen und erfasst werden können, „[…] spielen diskriminatorische Übungen zur Sensibilisierung […] (le vent – le vin) […] eine wichtige Rolle“ (Nieweler 2017: 119, cf. auch Dieling & Hirschfeld 2000: 49-50). Das aufmerksame Hören sollte aus diesen Gründen am Beginn der Aussprachevermittlung stehen (ebd., Hirschfeld 2011: 13-14, Mordellet-Roggenbuck 2005: 17-18). Es ist darauf zu achten, dass zu denselben Ausspracheproblemen sowohl Hörübungen als auch Sprechübungen angeboten werden und die Sprechübungen auf den Hörübungen aufbauen (Dieling & Hirschfeld 2000: 48, Göbel & Graffmann 1977: 3-6).

Da die Veränderung stark verfestigter neuronaler Netzwerke und motorischer Bewegungsmuster sehr anstrengend ist, sollten Lerneinheiten zur Aussprache kurz und häufig sein und ausreichend Wiederholungen enthalten; dies bedeutet konkret, dass Ausspracheübungen nicht eine ganze Unterrichtseinheit, sondern nur kurze Teile dieser einnehmen, dafür jedoch in mehreren Unterrichtseinheiten aufgegriffen werden sollten (Hirschfeld 2000: 15, Kaunzner ²2017: 7, Cauneau 1992: 21, Göbel & Graffmann 1977: 3).

2.2Die Bedeutung von Suprasegmentalia

Unter Suprasegmentalia werden im Folgenden lautliche Phänomene verstanden, die den Einzellaut überschreiten. Dazu zählen hier Prozesse zwischen Lauten und Silben1, Wort-/Phrasenakzent (Betonung bestimmter Silben im Wort oder in der Wortgruppe) und Intonation.

Sprachwahrnehmung verläuft über zwei Wege, den Weg top-down (es wird zunächst eine Gesamtbedeutung wahrgenommen, die im zweiten Schritt mit Details ausgefüllt wird) und den Weg bottom-up (Einzelbestandteile einer Äußerung werden zu einer Gesamtbedeutung zusammengeführt) (Barattelli & Schade 2003: 86). Bedeutung wird also immer in entscheidendem Maß auch über Rhythmus und Satzmelodie vermittelt.

Auf dieser Erkenntnis aufbauend, schlussfolgern einige Autor:innen, dass es sinnvoll ist, suprasegmentale Phänomene in der Aussprachevermittlung möglichst früh, bereits vor der Beschäftigung mit einzelnen Lauten, anzusetzen. Mordellet-Roggenbuck (2005: 23-24) wählt die Prosodie als ersten Gegenstand der Aussprachevermittlung im Französischunterricht:

Pourquoi […] placer ce chapitre [sur la prosodie] en début de cours ? D’une part, parce que les faits prosodiques sont décisifs pour la compréhension et pour la prononciation de l’énoncé oral. Klimow […] va même jusqu’à affirmer que la prosodie de la langue prédestine l’articulation. Ainsi, dit-il, si la prosodie en cours de langue étrangère est bien mise en place dès le début de l’enseignement, l’articulation des sons suivra automatiquement. […]

Cauneau (1992: 36-37) berichtet vom Erfolg eines solchen Ansatzes im Rahmen der verbo-tonalen Methode von Guberina:

Auf der Suche nach einer Verbesserung der Ausspracheschulung beobachtete [Prof. Guberina] Schauspieler einer französischen Theatertruppe […] Mit seinen Mitarbeitern achtete er besonders auf Intonation, Rhythmus und Körpersprache der Schauspieler. […] Er ermunterte seine Studenten zur Nachahmung – mit Erfolg; sie bekamen tatsächlich eine bessere Aussprache. Von da an wurden Intonation, Rhythmus und Körpersprache wichtige Elemente in der Ausspracheschulung. […]

Dieling & Hirschfeld (2000: 32) argumentieren, dass „erfahrungsgemäß […] Artikulationsabweichungen vom Hörer viel eher verarbeitet und auch viel eher toleriert [werden] als Verstöße gegen den Sprechrhythmus, gegen den Wort- und Satzakzent oder falsche melodische Muster“. Auch Reimann (2016: 37-38) und Hirschfeld (2011: 15) erwähnen die Wichtigkeit einer frühen Vermittlung prosodischer Kompetenz.

Allerdings verläuft die Aussprachevermittlung heute meist entgegengesetzt. Erst sind Einzellaute und danach – wenn sie nicht vollständig weggelassen werden – prosodische Phänomene Gegenstand der Ausspracheschulung (Mordellet-Roggenbuck 2005: 23, Dieling & Hirschfeld 2000: 32). Grund hierfür ist vermutlich, dass die Realisierung prosodischer Elemente als für zu schwierig für das Anfänger:innenniveau angesehen wird: „L’expérience montre que la prononciation en groupes rythmiques est une des grandes difficultés des débutants en français“ (Mordellet-Roggenbuck 2005: 38).

Übersehen wird jedoch, dass – abgesehen von den oben genannten Vorteilen des frühzeitigen Vermittelns prosodischer Strukturen – das Hörverstehen zumindest in Französisch2 entscheidend behindert wird, wenn prosodische Phänomene nicht von Anfang an eingebunden werden:

[…] l’auditeur de langue maternelle française orientera son écoute vers la fin du groupe rythmique porteur de l’accent alors que le germanophone ‘attend’ des proéminences actuelles pour chaque mot et sera dérouté de ne pas les trouver en français s’il n’y est pas préparé (Mordellet-Roggenbuck 2005: 34).

Mordellet-Roggenbuch schlägt deswegen vor, prosodische Strukturen im Anfänger:innenunterricht zu vermitteln durch häufiges aufmerksames Hören verschiedenster Hörtexte aus diversen Medien (Mordellet-Roggenbuck 2005: 34), durch einfache, kurze Wortgruppen wie ça va, ça va très bien, elle est là, ils ont seize ans (Mordellet-Roggenbuck 2005: 38) und durch eine Konzentration auf die Grundschemata der Intonation unter Vermeidung der individuellen und expressiven intonatorischen Mittel (Mordellet-Roggenbuck 2005: 36).

2.3Beachten von psychologischen Barrieren

Gerade im Bereich der Ausspracheschulung muss beachtet werden, dass der Erwerb einer neuen Aussprache in vielfältiger Weise auf psychologische Barrieren treffen kann, beispielsweise können öffentliche Ausspracheübungen als peinlich erlebt werden (Hirschfeld 2011: 13, Dieling & Hirschfeld 2000: 63, Mertens 2011: 67). Eine der Lösungen, die für dieses Problem gesehen wird, ist das Gestalten von Ausspracheübungen als Spiel (cf. Dieling & Hirschfeld 2000: 64).1

2.4Die Rolle der Imitation (Zuhören und Nachsprechen) in der Ausspracheschulung

Mertens (2011: 67-68) fand in seiner Befragung von Studierenden zu ihrem schulischen Französischunterricht unter anderem heraus, dass die Imitation in der Aussprachevermittlung eine große Rolle spielt. Er beurteilt dies größtenteils negativ, indem er klarstellt, dass der Imitation ein behavioristischer Lernbegriff zugrunde liegt, und indem er Imitation mit „der impliziten, beiläufigen Arbeit an der Aussprache“ in Verbindung bringt (Mertens 2011: 67).

Das Problem an der Imitation ist weniger der methodische Ansatz der Imitation an sich, sondern ihr ausschließlicher, unreflektierter und ungezielter Einsatz (Dieling & Hirschfeld 2000: 56). Ein Imitationsauftrag setzt nämlich mehrere Kompetenzen voraus: erstens, das genaue Hören und zweitens, die präzise Steuerung der Sprechwerkzeuge (Dieling & Hirschfeld 2000: 56). Um eine erfolgreiche Imitationsleistung zu erzielen, sollte zunächst das genaue Hören geübt werden (siehe Kap. 2.1.). Auch sollte die Aussprachevermittlung nicht bei der Imitation stehen bleiben, sondern mit produktiven und angewandten Sprechübungen fortfahren, wie es z. B. das Konzept von Dieling & Hirschfeld (2000: 57-62) vorsieht.

2.5Die Rolle kognitivierender Vermittlung

Mehrere Autor:innen heben hervor, dass Kognitivierung den Ausspracheerwerb erleichtern und beschleunigen kann. Grünke (2019: 43-44, 52) fand in seiner Untersuchung zum Erwerb der spanischen Spiranten [β, ð, ɣ] heraus, dass die Bewusstmachung einen positiven Einfluss auf den Erwerb der Spiranten hatte oder sogar ein ausschlaggebender Punkt für den Erwerbsfortschritt war. Für Kaunzner (2017³: 6) ist das Wechselspiel von imitativem und kognitivem Lernen wichtig. Für Reimann, der der Kognitivierung viel Raum in seiner Konzeption einer Ausspracheschulung einräumt, ist das Wechselspiel von „Kognition bzw. Kognitivierung, Emotion (affektive Komponente der Aussprache) und Motorik (Zunge als Muskel, Trainingsbedarf!)“ zentral (Reimann 2016: 38). Göbel & Graffmann (1977: 3) sehen die Bewusstmachung des relevanten Aussprachephänomens als Voraussetzung für eine gelingende Vermittlung an. Dieling & Hirschfeld (2000: 35-36) erläutern, dass kognitivierende Vermittlungsformen besonders für ältere Schüler:innen sinnvoll sind, während jüngere Schüler:innen oft noch relativ viel Fortschritt durch Imitation machen können. Mordellet-Roggenbuck (2005, 16) weist allerdings aufgrund ihrer „observations pratiquées en classe de français à l’école primaire“ darauf hin, dass es auch bei Schüler:innen im Grundschulalter nicht ausreichend ist, sich ausschließlich auf die imitative Methode zu verlassen.

Kognitivierende Vermittlung kann einerseits über lehrer:innen- oder schüler:innenerstellte mündliche oder schriftliche Informationstexte erfolgen (z. B. wie sie Reimann 2016: 42-46, 50-60 vorstellt), andererseits mittels Erschließung (Dieling & Hirschfeld 2000: 35-36). Die Erschließung ist heute vor allem im Bereich des Verhältnisses von Schreibung und Lautung gängige Praxis in den Französisch- und Spanisch-Lehrwerken (siehe Kap. 4.2.2. und 4.3.3.), wird jedoch in der fachdidaktischen Literatur außer von Dieling & Hirschfeld (2000: 35-36) und Hirschfeld (2011: 15) kaum erwähnt.

Ein vieldiskutiertes Mittel der kognitivierenden Vermittlung von Aussprache ist die Verwendung des Internationalen Phonetischen Alphabets. Nieweler (2017: 119) hält fest: „Die Beherrschung der Lautschrift wird heute nur noch passiv verlangt.“ Wichtig ist ihm vor allem der Nutzen des IPA für die selbstständige Erarbeitung neuen Vokabulars. Dieling & Hirschfeld (2000: 41-42) führen Vor- und Nachteile des IPA im Fremdsprachenunterricht auf und kommen zu dem Schluss, dass die Vorteile des IPA überwiegen, auch wenn die Probleme – vor allem die Komplexität – nicht zu verleugnen sind. Wichtige Pro-Argumente sind für die Autorinnen z. B. die Nützlichkeit des IPA für selbstständige Wortschatzarbeit, für die Sichtbarmachung von Gegenständen der Hör- und Sprechübungen, die Eindeutigkeit und Korrektheit des IPA in der Darstellung bestimmter Laute – ein Vorteil, den orthographische Lautumschriften wie z. B. schö süi für je suis nicht unbedingt aufweisen – und die Möglichkeit, den Unterschied von Lautung und Schreibung auf kognitiver Ebene zu verdeutlichen (Dieling & Hirschfeld 2000: 41). Das IPA wird auch in den Konzeptionen der Aussprachevermittlung von Reimann (2016) und Mordellet-Roggenbuck (2005) verwendet.

3Korpus und Analysefragen

Es werden fünf Französisch- und fünf Spanisch-Schüler:innenbücher untersucht. Die untersuchten Schüler:innenbücher sind in Nordrhein-Westfalen zugelassen und für Schüler:innen im ersten Lernjahr und in der Sekundarstufe I konzipiert (eine Ausnahme ist Encuentros hoy 11 für Spanisch als dritte Fremdsprache; Encuentros hoy 1 wird zur Ergänzung des Korpus herangezogen, um die Zahl der Schüler:innenbücher auf beiden Seiten gleich hoch zu halten). Es wird für jedes Schüler:innenbuch die im Jahr 2020 gültige Ausgabe herangezogen. Folgende Schüler:innenbücher werden untersucht:

Titel, Band (Jahr)

Autor:innen

Verlag

Línea amarilla 1 (2006)

Bade, Peter u.a.

Klett

¿Qué pasa? 1 (2018)

Martos Villa, Pilar u.a.

Diesterweg

¡Apúntate! 1 (2016)

Balser, Joachim u.a.

Cornelsen

¡Vamos! ¡Adelante! 1 (2014)

Arriagada, Melania u.a.

Klett

Encuentros hoy 1 (2018)

Goreczka-Hehl, Carolina u.a.

Cornelsen

Tout va bien 1 (2013)

Belaval-Nink, Sandrine u.a.

Westermann

À plus ! 1 (2012)

Blume, Otto-Michael u.a.

Cornelsen

Tous ensemble 1 (2013)

Darras, Isabelle u.a.

Klett

Découvertes 1 Série jaune (2012)

Bruckmayer, Birgit u.a.

Klett

Découvertes 1 Série bleue (2012)

Bruckmayer, Birgit u.a.

Klett

Tab. 1:

Untersuchte Schüler:innenbücher

Die Analysefragen sind:

In welchen Abschnitten der Schüler:innenbücher kommt Aussprachevermittlung in welcher Form vor?

Welche Phänomene der Aussprache des Französischen/des Spanischen werden wie häufig und in welcher Form angesprochen? Die in den Schüler:innenbüchern thematisierten Aussprachephänomene, die von den Schüler:innen erworben werden sollen, werden im Folgenden als Gegenstände der Ausspracheschulung bezeichnet.

Welche aussprachebezogenen Arbeitsaufträge treten wie häufig und in welcher Form auf? Mit Arbeitsauftrag ist im Folgenden eine nummerierte Übung bzw. Aufgabe2 im Schüler:innenbuch gemeint.3

Bei den Spanisch-Schüler:innenbüchern wird zusätzlich darauf geachtet, welche Varietät des Spanischen als Aussprachenorm vermittelt wird.

Zusätzlich zum Schüler:innenbuch gibt es heute oft zahlreiche Zusatzmaterialien, die hier leider nicht berücksichtigt werden können. Auch konzentriert sich die Analyse auf das erste Lernjahr. Eine Analyse all dieser Lehrwerke in ihrer gesamten Bandbreite an Materialien und Medien wäre jedoch notwendig, um ein vollständiges Bild über die Aussprachevermittlung in aktuellen Französisch- und Spanischlehrwerken zu erhalten.

4Analyseergebnisse

4.1In welchen Abschnitten der Schüler:innenbücher kommt Aussprachevermittlung in welcher Form vor?

In folgenden Schüler:innenbuch-Abschnitten kamen ausspracherelevante Gegenstände vor: Inhaltsverzeichnis1, Lerneinheiten (siehe Kap. 4.2. und 4.3.), Selbstreflexions-/Selbstevaluationsaufgaben und Abschlussaufgaben der Lerneinheiten2, Grammatikteil3, Vokabellisten zu den Lerneinheiten, Strategie-/Methodenteil4, Anhang (Informationstext) zur Aussprache des Französischen/Spanischen (siehe Kap. 4.1.1. und 4.1.2.), Liste der Classroom Phrases und der Operatoren.5

4.1.1Anhang zur Aussprache des Spanischen/Französischen

Fast alle Schüler:innenbücher enthalten im Anhang Tabellen mit einer Übersicht über die Laute des Spanischen/des Französischen. Nur ein Schüler:innenbuch enthält im Anhang keinen solchen Abschnitt (¡Vamos! ¡Adelante!).

Hauptzweck dieser Übersichten in den Französisch-Schüler:innenbüchern ist wahrscheinlich, den Schüler:innen das Lesen der IPA-Transkriptionen der Vokabeln im Vokabelteil (siehe Kap. 4.1.2.) zu ermöglichen. Darüberhinausgehend soll in den Übersichten auch Wissen vermittelt werden, welches benötigt wird, um sich die Aussprache eines neuen Worts von der Schreibung ausgehend zu erschließen: Die tabellarischen Übersichten der spanischen/französischen Phoneme werden von einer Darstellung der wichtigsten Graphem-Phonem-Korrespondenzen begleitet, meistens, indem erst das spanische/französische Phonem in IPA angegeben wird und dessen Aussprache daraufhin mit einem spanischen/französischen Beispielwort, in dem das entsprechende Graphem fettgedruckt ist, erläutert wird.1 In Línea amarilla und in ¿Qué pasa? ist sogar die tabellarische Übersicht nach Graphemen und nicht nach Phonemen geordnet.2

Vier Spanisch-Schüler:innenbücher (nicht ¡Vamos! ¡Adelante!) enthalten zusätzlich Erklärungen zum Wortakzent in Zusammenhang mit der Setzung der Tilde. Dagegen enthält kein Französisch-Schüler:innenbuch in diesem Teil Informationen zu suprasegmentalen Elementen. Hier ist die Bedeutung erkennbar, die dem Erwerb des Schriftsystems beigemessen wird: Suprasegmentale Phänomene werden vor allem behandelt, wenn sie orthographisch relevant sind.3

4.1.2Vokabellisten zu den Lerneinheiten und Wörterbücher

In Spanisch weist kein Schüler:innenbuch Aussprachehinweise in den Vokabellisten zu den Lerneinheiten oder in den Wörterbüchern auf. In Französisch ist dies umgekehrt immer der Fall: Alle Französisch-Schüler:innenbücher beinhalten in der Vokabelliste IPA-Transkriptionen nach jedem Vokabeleintrag. Zusätzlich werden in variierendem Umfang Ausspracheerklärungen zu ausgewählten Vokabeln vorgenommen. Vor dem Vokabelteil findet sich eine tabellarische Übersicht zu den Lauten des Französischen, welche das Lesen der IPA-Notationen ermöglichen soll (siehe Kap. 4.1.1.). Im Wörterbuchteil ist in den Französisch-Schüler:innenbüchern grundsätzlich nur die Richtung Französisch-Deutsch mit IPA-Transkriptionen versehen, jedoch nicht die Richtung Deutsch-Französisch.1

Die Unterschiede zwischen Französisch und Spanisch sind wohl auf die höhere Komplexität des französischen Schriftsystems zurückzuführen. Die Transkription der Vokabeln ins IPA soll die Schwierigkeit überbrücken, dass die Schüler:innen sich die Aussprache neuer Vokabeln (noch) nicht anhand des Schriftbilds erschließen können.

4.2Gegenstände der Aussprachevermittlung

4.2.1Quantitativer Überblick über die Gegenstände der Aussprachevermittlung

In den Schüler:innenbüchern werden Gegenstände aus den Bereichen Verhältnis von Schreibung und Lautung, Einzellaute und Suprasegmentalia thematisiert. Im Folgenden wird tabellarisch ein grober Überblick darüber gegeben, wie oft diese Gegenstandsbereiche in den aussprachebezogenen Arbeitsaufträgen der untersuchten Schüler:innenbücher anzutreffen sind.1 Genauere Beschreibungen zu den Gegenständen werden im Anschluss vorgenommen.

Gegenstandsbereich

Spanisch

Französisch

Verhältnis von Schreibung und Lautung

29

39

Laute

21

34

Suprasegmentalia

4

17

Ohne konkreten Gegenstand2

31

33

Summe

85

123

Tab. 2:

Anzahl der Arbeitsaufträge pro Gegenstandsbereich im Korpus

Insgesamt liegt der Schwerpunkt auf dem Verhältnis von Schreibung und Lautung. Diese Tendenz verstärkt sich noch, wenn man beachtet, dass viele Arbeitsaufträge zur Schrift häufig als Arbeitsaufträge zu den Phonemen ‚getarnt‘ sind (siehe Kap. 4.2.3.).

Grund für das starke Gewicht der Schrift in der Ausspracheschulung ist sicherlich, dass Unsicherheiten entstehen, wenn in der Fremdsprache starke Abweichungen zwischen Lautung und Schreibung – wie etwa besonders im Französischen – bestehen (cf. auch Pustka 2020, Mordellet-Roggenbuck 2014, Kramer 2010). Zusätzlich sind sichere Kenntnisse des Schriftsystems der Fremdsprache vonnöten, wenn das Erlernen von Vokabeln zu einem (Groß‑)Teil auf der Basis schriftlichen Inputs (z. B. Vokabellisten) erfolgt.

Der Bereich der Suprasegmentalia ist im Spanischen deutlich unterrepräsentiert. Im Französischen erklärt sich der höhere Anteil im Bereich Suprasegmentalia durch die Behandlung der Liaison (siehe Kap. 4.2.4.). Abgesehen davon wird auch in Französisch an Suprasegmentalia nicht viel behandelt. Überlegungen zu Gründen hierfür finden sich in Kap. 4.2.4.

4.2.2Verhältnis von Schreibung und Lautung

Da die spanischen Grapheme g+a,o,u vs. g+e,i, j sowie c+a,o,u vs. c+e,i und z andere Lautwerte als im Deutschen besitzen, werden sie in fast allen Spanisch-Schüler:innenbüchern behandelt.1 Während die Lautwerte von g+a,o,u,e,i und c+a,o,u,e,i meistens systematisch durch die Schüler:innen erschlossen werden sollen, werden j und z nicht immer systematisch erschlossen, sondern hier sollen teilweise einfach die Hörbeispiele imitiert werden (z. B. in ¿Qué pasa?, S. 16).

Zusätzlich wird in allen fünf Spanisch-Schüler:innenbüchern durch Arbeitsaufträge und/oder Infokästen die Aussprache von g+u+e,i vs. g+u+a,o thematisiert, auch hier, weil diese Grapheme und die ihnen entsprechenden Lautkombinationen im Deutschen (außer in Fremdwörtern) nicht vorkommen.

Obwohl auch ll, ch, r und rr, v und b sowie h andere Lautwerte haben als im Deutschen oder sogar dem Deutschen unbekannt sind, kommen diese Grapheme selten in den Schüler:innenbüchern vor. Zum Graphem ll gibt es nur in einem Schüler:innenbuch einen Arbeitsauftrag (¡Apúntate!).2 Zu ch findet in ¡Vamos! ¡Adelante! eine Erschließung statt, zu r und rr in ¿Qué pasa?, zu v und b in Encuentros hoy und ¡Apúntate!, zu h in ¡Vamos! ¡Adelante!. Die Grapheme ñ, y und s kommen gar nicht bzw. nur im Rahmen des Alphabets vor (siehe unten).

In Französisch sind bereits große Abweichungen zwischen den Schüler:innenbüchern festzustellen, wenn es darum geht, wie häufig das Verhältnis von Schreibung und Lautung thematisiert wird. Tout va bien enthält 11 verschiedene Gegenstände in diesem Bereich, À plus ! 7, Découvertes Série bleue und Série jaune sowie Tous ensemble jeweils 4.

Dem Deutschen (außer in Fremdwörtern) unbekannt ist der Einsatz von Akzenten wie dem französischen accent aigu, accent grave und accent circonflexe. Deswegen sind die französischen Grapheme é, è, ê in den Schüler:innenbüchern der häufigste Gegenstand.3 Das Graphem e mit dem Lautwert [ə] wird nur in Tout va bien (S. 31) explizit in eine Regelerschließung eingebunden; ansonsten kommt es vor allem im Rahmen von Arbeitsaufträgen mit hörendem Erkennen zur Aussprache der bestimmten und unbestimmten Artikel le bzw. les vor (Tous ensemble, À plus !). In Tous ensemble kommen im Arbeitsauftrag zu [e, ɛ] die Grapheme é, è, ai, jedoch nicht ê vor (S. 56).

Eine große Lernschwierigkeit, da ebenfalls im Deutschen unbekannt, sind die stummen Verbendungen und die Homophonie der finiten Verben im Singular und in der 3. Ps. Pl. im Französischen. Deswegen finden sich hierzu in drei Schüler:innenbüchern (Tout va bien, À plus !, Tous ensemble) Erschließungsaufgaben und in den beiden anderen (Découvertes Série bleue und Série jaune) Infokästen.

Die französischen Grapheme mit den Lautwerten /g/, /ʒ/ und /ʃ/, d. h. g+a,o,u, g+e,i, j und ch weichen ebenfalls vom Graphemsystem des Deutschen ab und spielen deswegen in den Französisch-Schüler:innenbüchern eine Rolle. Aber auch dies geschieht selten und wenig systematisch. Explizite Arbeitsaufträge zur Regelerschließung aller dieser Grapheme gibt es nur in Tout va bien (S. 52, 120). Darüber hinaus kommen die Grapheme ge, j und ch in allen Schüler:innenbüchern vor, oft in Arbeitsaufträgen, in denen die Laute [ʒ] und [ʃ] in den gegebenen Beispielwörtern imitiert oder erkannt werden sollen. Die Grapheme gi und g+a,o,u werden häufig weggelassen (Tous ensemble, À plus !, Découvertes Série jaune und Découvertes Série bleue).4

Dasselbe gilt für die Grapheme mit dem Lautwert /s/ und /z/, d. h. c+e,i, ss, ç, s, x und z: In allen Schüler:innenbüchern behandelt wird für den Laut /s/ das Graphem s am Wortanfang und für den Laut /z/ das Graphem s in der Liaison. Fast alle Schüler:innenbücher behandeln darüber hinaus für den Laut /s/ die Grapheme ç und ce (nicht Tous ensemble), das Graphem ci kommt ausschließlich in Tout va bien vor. Das Graphem s in intervokalischer Position für den Laut /z/ kommt in drei Schüler:innenbüchern vor (nicht in Tous ensemble und nicht in À plus !). Das Graphem z für den Laut /z/ wird in allen Schüler:innenbüchern außer in À plus ! thematisiert. Darüber hinaus kommen für den Laut /s/ vor: s vor stimmlosen Konsonanten (Tout va bien, Découvertes Série bleue und Série jaune), ss (Tout va bien, À plus !), x im Wort soixante (Tout va bien). Für den Laut /z/ kommt noch x im Wort sixième vor (À plus !). Alle diese Grapheme werden fast ausschließlich durch Arbeitsaufträge mit Imitieren, häufig auch Höridentifizieren bearbeitet.

Die Grapheme c+a, und c+o für /k/ in Abgrenzung zu c+e,i für /s/ kommen nur jeweils ein Mal vor, c+u kommt gar nicht vor. Grapheme für /k/ werden abgesehen von diesen Fällen und mit qu ein weiteres Mal in Tout va bien überhaupt nicht thematisiert.

Auch die Grapheme der Nasalvokale, ebenfalls dem Deutschen unbekannt, werden in sehr verschiedenem Ausmaß eingebunden. In Tout va bien findet zu allen Nasalen eine Erschließung der zugehörigen Grapheme statt. In À plus ! sind die Grapheme der Nasale in den Beispielwörtern zu einem Arbeitsauftrag (erkennendes Hören) fett markiert. Es bleibt der Lehrkraft überlassen, ob sie die Grapheme einbinden möchte. In Découvertes Série bleue kommen im Strategieteil an einer Stelle, wo auf die Übertragungsfähigkeit des Wissens zu Graphem-Phonem-Korrespondenzen auf neue Wörter hingewiesen wird, auch einige Grapheme von Nasalen vor.

Schließlich widmen sich drei Schüler:innenbücher (Tous ensemble, Tout va bien, À plus !) den Graphemen ou und u, die im Französischen und im Deutschen unterschiedliche Lautwerte haben.5

Weitere Grapheme, die angesprochen werden, sind h aspiré/h muet (Infokästen im Grammatikteil bzw. Vokabelteil in Tout va bien und in À plus !), oi (Erschließungsauftrag in Tout va bien, Imitationsauftrag in Tous ensemble) und ll (Imitationsauftrag in Tout va bien).

Zusätzlich zu erwähnen ist, dass alle Schüler:innenbücher das Alphabet in der Fremdsprache behandeln, dies jedoch vorrangig mit dem Ziel der Vermittlung der Buchstabennamen als Vokabeln (z. B. sp. a, be, ce, de, e, efe, ge, hache usw./fr. [a, be, se, de, e, ɛf, ʒe, aʃ] usw.).

Insgesamt ist zur Auswahl der in den Schüler:innenbüchern behandelten Gegenstände im Bereich der Schrift festzuhalten, dass in Spanisch zwar wichtige Unterschiede zwischen dem deutschen und dem spanischen Schriftsystem wie c/g+a,o,u, c+e,i, j und z in allen Schüler:innenbüchern behandelt werden, jedoch nicht alle; etwa fehlen oft b vs. v, ll und h.6 In Französisch lässt die Auswahl zwar eine Orientierung an häufigen Unterschieden zwischen Deutsch und Französisch erkennen (z. B. Grapheme der Nasalvokale, Grapheme von /e, ɛ, ə/, /ʒ/, /s/ und /z/),7 jedoch bleibt die Auswahl äußerst lückenhaft und heterogen.

4.2.3Laute

Alle Spanisch-Schüler:innenbücher außer Encuentros hoy behandeln die dem Deutschen fremden Laute [r, ɾ]. Ein Arbeitsauftrag findet sich in ¡Apúntate! (beim Hören [r] bzw. [ɾ] erkennen), eine Erschließung der Artikulationsweise in ¡Vamos! ¡Adelante! und in ¿Qué pasa?, hier zusammen mit einer Graphem-Phonem-Erschließung. Zungenbrecher sind enthalten in ¡Apúntate!, ¡Vamos! ¡Adelante!, ¿Qué pasa? und Línea amarilla.

Obwohl alle Spanisch-Schüler:innenbücher die Grapheme c+e,i (einige auch z, siehe Kap. 4.2.2.), die den Lautwert /θ/ haben, behandeln, kommt die Artikulation des im Deutschen unbekannten Lauts [θ] selbst nur in drei Schüler:innenbüchern vor, und dies fast ausschließlich in Zungenbrechern, die imitiert werden sollen (¡Apúntate!, ¡Vamos! ¡Adelante!, ¿Qué pasa?). Zwar werden auf den zugehörigen Hördateien die Zungenbrecher von Sprecher:innen vorgesprochen, die die Unterscheidung von /s/ und /θ/ machen (siehe Kap. 4.2.5.), jedoch wird die Art und Weise der Artikulation von [θ] nie reflektiert.1

Ähnliches gilt für die Artikulation von [x]. Zwar ist der Laut im Rahmen der Graphem-Phonem-Korrespondenzen von g+e,i in allen und von j in mehreren Spanisch-Schüler:innenbüchern Thema (siehe Kap. 4.2.2.). In seiner Eigenschaft als Laut kommt [x] jedoch nur in zwei Schüler:innenbüchern durch zu imitierende Zungenbrecher vor (¿Qué pasa? und Línea amarilla). Da es im Deutschen das dem spanischen /x/ von der Artikulation her ähnliche Phonem /x/ gibt, liegt nahe, dass der Gegenstand hier eigentlich die Grapheme des Spanischen für das Phonem /x/ sein sollen.

In zwei Schüler:innenbüchern wird die Aspiration der stimmlosen spanischen Plosive [p, t, k] durch Lernende mit Deutsch als L1 zum Gegenstand gemacht (¡Vamos! ¡Adelante!, Línea amarilla). Die Aspiration soll jeweils mit Artikulationstricks spürbar und kontrollierbar werden (¡Vamos! ¡Adelante!, S. 97: Eine brennende Kerze darf beim Aussprechen von Wörtern mit [p, t, k] nicht flackern; Línea amarilla, S. 57 (Teil Lernstrategien): Papierschnipsel auf der offenen Hand dürfen sich nicht bewegen.)

Línea amarilla spricht schließlich die Vokalöffnung, etwa in den Beispielwörtern dt. das Los und sp. los (padres), an, wobei erneut nicht Lautphänomene, sondern auch hier das Verhältnis von Schreibung und Lautung das eigentliche Lernziel ist.2

Auch in den Französisch-Schüler:innenbüchern wird oft die Artikulation eines Lauts statt den die eigentliche Lernschwierigkeit beinhaltenden Graphem-Phonem-Korrespondenzen behandelt.

In allen fünf Französisch-Schüler:innenbüchern werden die Laute [s] und [z] behandelt. Meistens geschieht dies durch Imitieren oder Erkennen von [s] bzw. [z] beim Hören. Immer wird die Artikulation von [s] und [z] verknüpft mit den Bildern von einer Biene und einer Schlange (außer in Découvertes Série bleue S. 35, hier kommen ein Autoreifen und summendes Handy vor).

Das Standarddeutsche besitzt grundsätzlich auch die Lautopposition /z/ : /s/ (z. B. reisen versus reißen), sodass es auf den ersten Blick verwirrend erscheinen mag, dass ausgerechnet [s] und [z] derartige Lernschwierigkeiten bereiten. Beim Sprachvergleich Deutsch-Französisch fällt auf, dass nicht die Phoneme /z/ und /s/, sondern die Graphem-Phonem-Korrespondenzen in beiden Sprachen verschieden sind.3 Vermutlich liegt im Übertragen der deutschen Graphem-Phonem-Korrespondenzen auf das Französische die Hauptfehlerquelle.4 In den Arbeitsaufträgen wird aber nicht explizit nach den Graphem-Phonem-Korrespondenzen gefragt (außer in Tout va bien):

{Découvertes Série jaune, S. 32} 4a) Hört die Sätze an. Wenn ihr [s] hört, macht mit den Armen Schlangenlinien und zischt wie eine Schlange. Wenn ihr [z] hört, breitet die Arme aus und summt wie eine Biene. {Die Sätze sind:} vous êtes, Toulouse, nous sommes, le stylo, en vacances, nous habitons, le garçon, le magasin, je déteste ça, ells sont, elles habitent, bizarre. 4b) Ecoutez et répétez {les phrases de l’exercice 4a}.

In allen Schüler:innenbüchern kommen weiterhin die Laute [ɛ, e, ə] vor (siehe auch Kap. 4.2.2.). Diese Laute gibt es im Deutschen in vergleichbarer Form (die stärksten Abweichungen vom Französischen bestehen wohl beim Schwa, cf. Meisenburg & Selig 1998: 64), sodass auch hier die Lernschwierigkeiten vermutlich primär auf Unterschieden der deutschen und französischen Grapheme beruhen. Im Vergleich zu [s] und [z] ist in den Französisch-Schüler:innenbüchern bei [ɛ, e, ə] allerdings die Erschließung der französischen Graphem-Phonem-Korrespondenzen häufiger – vermutlich, da die Graphem-Phonem-Korrespondenzen hier noch komplexer sind und weil die Grapheme von [ɛ, e, ə] unter anderem mit den im Schriftbild auffälligen Diakritika accent aigu, accent grave und accent circonflexe verbunden sind (siehe Kap. 4.2.2.). So sollen in drei Schüler:innenbüchern erst Hörbeispiele gehört werden, daraufhin wird die Erschließung der Graphem-Phonem-Korrespondenzen vorgenommen (Tout va bien, Découvertes Série bleue und Série jaune).5 Daneben gibt es jedoch in allen Schüler:innenbüchern außer in Découvertes Série bleue und Série jaune auch Arbeitsaufträge, in denen entweder nur Hörbeispiele mit [ɛ, e, ə] imitiert oder der im Hörbeispiel vorkommende Laut benannt werden soll. Hierbei werden jedoch immer nur zwei der drei Laute behandelt.6

Der dritthäufigste Gegenstand in den Französisch-Schüler:innenbüchern auf Lautebene sind die Nasale. Vier Bücher enthalten Arbeitsaufträge (hörendes Erkennen) zu den Nasalen (Tout va bien, À plus !, Découvertes Série bleue und Série jaune). Allerdings beziehen nur Tout va bien, À plus ! und Découvertes Serie jaune alle drei Nasale [ɑ̃, ɔ̃, ɛ̃] ein. In Découvertes Série bleue geht es nur um [ɛ̃] und [ɔ̃]. Tous ensemble thematisiert die Nasale gar nicht.

In Découvertes Série jaune wird die Artikulation der Nasale direkt thematisiert, und zwar in einen Merkkasten, in dem ein Artikulationstrick beschrieben wird, der bei der Aussprache der Nasale helfen soll:

{Découvertes Série jaune, S. 11} Findet ihr es schwierig, durch die Nase zu sprechen? Versucht es mal so: Sprecht ein langes A und legt dann langsam den Kopf in den Nacken.

Ebenso oft wie die Nasale spielen die Frikative [ʒ] und [ʃ] eine Rolle. Alle Schüler:innenbücher enthalten hierzu Arbeitsaufträge, in denen die Hörbeispiele imitiert oder der im Hörbeispiel auftretende Laut identifiziert werden soll. Obwohl es nicht in den Arbeitsaufträgen formuliert wird, kann auch bei [ʒ] und [ʃ] vermutet werden, dass weniger der Lauterwerb, sondern viel mehr der Erwerb von Graphem-Phonem-Korrespondenzen angestrebt wird: Der Laut [ʒ] kommt im Deutschen in Lehnwörtern aus dem Französischen wie etwa Jalousie, Genie, Visage vor (er kann jedoch entstimmt werden), den Laut [ʃ] gibt es im Deutschen. Zudem legen die Arbeitsaufträge in Tout va bien und Tous ensemble zu [ʒ] und [ʃ] nahe, dass es eigentlich um die Graphem-Phonem-Korrespondenzen geht: Tout va bien enthält einen Arbeitsauftrag explizit zur Erschließung der Graphem-Phonem-Korrespondenzen. Im Arbeitsauftrag in Tous ensemble sind die Grapheme fett und bunt markiert.

Weitere Gegenstände auf Lautebene in den Französisch-Schüler:innenbüchern (Tout va bien, Découvertes Série bleue) sind [f] und [v] (auch hier geht es vermutlich eigentlich um die vom Deutschen abweichenden Graphem-Phonem-Korrespondenzen), h aspiré und h muet (Tout va bien, À plus !, cf. auch Kap. 4.2.2.), [wa], [ɥi], [œ] (Tout va bien) und [y], [i], [ɥ] (À plus !).

Auswertend ist festzuhalten, dass die Schüler:innenbücher durchaus die wichtigsten Phoneme des Spanischen/Französischen berücksichtigen, die im Deutschen nicht existieren (sp. /ɾ : r/ und /θ/ sowie die französischen Nasalvokale). Darüber hinaus zielen aber viele Arbeitsaufträge, die sich vorgeblich mit fremdsprachlichen Lauten beschäftigen, in Wirklichkeit auf das Verhältnis von Schrift und Lautung. Insbesondere bleibt so unberücksichtigt, dass die stimmlosen Plosive /p, t, k/ im Deutschen aspiriert sind, jedoch nicht im Spanischen/Französischen, und dass die stimmhaften Plosive /b, d, g/ im Deutschen entstimmt artikuliert werden, jedoch nicht im Spanischen/Französischen (cf. Gabriel & Meisenburg & Selig 2013: 61, Meisenburg & Selig 1998: 51-52). Für das Französische wäre außerdem wichtig, die Auslautverhärtung stimmhafter Konsonanten am Wortauslaut im Deutschen zu berücksichtigen (cf. Meisenburg & Selig 1998: 51), die oft besonders bei finalem /ʒ, z, v/ ins Französische interferiert wird (cf. Bieritz 1971: 111).

4.2.4Suprasegmentalia

Vier Spanisch-Schüler:innenbücher behandeln den Wortakzent des Spanischen und die Setzung der Tilde, drei davon im Anhang zur Aussprache des Spanischen anhand eines Informationstextes, eins durch eine Erschließung im Lektionsteil (¿Qué pasa?, S. 67). Der Wortakzent wird vermutlich vor allem eingebunden, weil er die Aussprache eines Worts von der Schreibung her ermöglicht und weil er die Voraussetzung für die Regel zur Setzung der Tilde – d. h. für einen Gegenstand zur Orthographie – bildet:1

{¿Qué pasa?, S. 67} 19a) Escucha y repite las palabras. Después escribe las palabras en tu cuaderno y subraya la sílaba acentuada. {…} 19b) Completa la regla en tu cuaderno. Vervollständige die Regeln in deinem Heft. Wo werden die Wörter im Spanischen betont? {Merkkasten mit Lücken zum Vervollständigen durch die Schüler:innen:} Alle Wörter, die auf … oder auf die Konsonanten … oder … enden, werden auf der vorletzten Silbe betont. Alle Wörter, die auf … enden (aber nicht auf die Konsonanten … oder …), werden auf der letzten Silbe betont. {Weiterer Merkkasten:} Alle Wörter, die anders als nach dieser Regel betont werden, tragen einen Akzent auf der betonten Silbe, z. B. alemán oder música. {…}

Wahrscheinlich aus Gründen der Einfachheit ist von palabras esdrújulas nie die Rede. Beispiele für esdrújulas werden unter den Ausnahmen genannt.

Die bedeutungsunterscheidende Funktion des Wortakzents in Verbalparadigmen wird fast nie thematisiert, nur Línea amarilla (S. 67) enthält einen Arbeitsauftrag, in dem die Schüler:innen ein Gedicht mit Verbformen in der passenden Betonung aufsagen sollen.

Intonatorische Strukturen, die Gliederung der Äußerung in grupos fónicos und Resyllabierungsphänomene werden fast nicht bzw. gar nicht behandelt. Dies entspricht der aktuell häufigsten Konzeption der Aussprachevermittlung, in der segmentale Phänomene den Vorrang haben (siehe unten und Kap. 2.2.):

In einem einzigen Schüler:innenbuch (¡Apúntate!) kommen die Grundintonationsmuster Aussage- und Fragesatz sowie die intonatorische Trennung zweier grupos fónicos (No está en la habitación vs. No, está en la habitación) in insgesamt zwei Arbeitsaufträgen vor.

Resyllabierungsphänomene werden in keinem Spanisch-Schüler:innenbuch thematisiert. Nur im Rahmen der Lernstrategien zur Verbesserung der Aussprache wird in zwei Schüler:innenbüchern ganz am Rande und ganz grob angemerkt: Achte darauf, dass du die Wörter bindest (Encuentros hoy, S. 163) und sehr ähnlich in ¡Apúntate! (S. 152).