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Wissenschaftlicher Aufsatz aus dem Jahr 2009 im Fachbereich Theologie - Religion als Schulfach, , Sprache: Deutsch, Abstract: Wir leben in einer Zeit, in der Alles und Jedes in Frage gestellt wird; ein dabei immer wieder in die Kritik geratender Punkt ist der Religionsunterricht, der in unseren öffentlichen Schulen von den Kirchen, beziehungsweise von den bevollmächtigten Lehrkräften der Bundesländer erteilt wird. Dieses Buch soll nun diese Diskussion um die Problematik aufnehmen, und aus der Sicht eines langjährig im Beruf stehenden Religionslehrers neu beleuchten und neue Aspekte und Argumente aufzeigen. Ich habe hierbei versucht, grundsätzliche Fragen zur rechtlichen Berechtigung zu erläutern und in ihrer Unterschiedlichkeit darzustellen, Hintergründe zu erhellen, indem der Blickwinkel der Fragestellung auf Europa, Afrika und Amerika ausgedehnt wurde. Bei allen diesen unterschiedlichen Aspekten, wurden auch die theologischen Gedanken, ebenso wie pädagogische, psychologische und weltanschauliche Gedanken aufgenommen und in ihrer Unterschiedlichkeit ausführlicher oder auch etwas knapper dargestellt. Ich persönlich stehe mit meiner Glaubensüberzeugung für den Religionsunterricht an unseren Schulen ein; es war für mich von allergrößter Bedeutung, Informationen über den Sinn und die Inhalte dieses Faches darzustellen. Auch hier gebietet mir allerdings der Blick auf die Belastbarkeit des Lesers und der Leserin darauf zu achten, dass nicht zu Vieles dargestellt wird, und dabei der Rahmen und die Informationen in ihrer Vielseitigkeit dargestellt und nachvollziehbar bleiben. Die Fragen nach dem Ersatzfach ETHIK, die Frage nach der Abschaffung des Faches Religion in Berlin, die Bremer Klausel, sowie die Frage nach der Berechtigung des Islamischen Religionsunterrichtes wurden dabei ebenso berücksichtigt, wie der Blick hin zum Judentum und Buddhismus in dieser Problematik eingebunden wurde. Ziel dieses Buches ist es zu informieren und zu einer sachlichen Diskussion beizutragen. Ich habe mich dabei bemüht, aktuelle Fragen, wissenschaftliche Untersuchungen und aktuelle Erkenntnisse aufzunehmen und die persönlichen Erfahrungen und Erlebnisse damit zu verbinden, dabei aber dennoch alles verständlich und kompakt darzustellen. Ich erbitte für Sie, liebe/r Leser/in die notwendige Ruhe, viel Freude beim Lesen, und wünsche Ihnen dabei viele gute Gedanken, die in letzter Konsequenz dazu beitragen, dass ein so wichtiges Fach an unseren Schulen, das dringend notwendig ist, aus berechtigten Gründen weiter unterrichtet werden kann und darf und muss.
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Religionsunterricht
Ist das noch ein zeitgemäßes Fach an unseren Schulen?
Günter-Manfred Pracher
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unter dem erbeteten Segen und Beistand des lebendigen Gottes
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Eine mögliche Definition für das Wort „Unterricht“ lautet: Unterricht ist die planmäßige, absichtsvolle, meist professionalisierte und institutionalisierte Übermittlung von Kenntnissen, Einsichten, Fähigkeiten und Fertigkeiten.
Ein weiterer Definitionsversuch von Unterricht:
Unterricht ist die planmäßige, absichtsvolle, meist professionalisierte und institutionalisierte Übermittlung von Kenntnissen, Einsichten, Fähigkeiten und Fertigkeiten1.
Das Ziel des Religionsunterrichtes ist es, die Verhaltensdispositionen der Schüler langfristig gesehen zu verändern. Der Unterricht muss so gestaltet sein, dass er immer der Selbstverwirklichung und der Weltorientierung des Schülers dient.
Mit diesen Definitionen ist aber noch nichts über den Inhalt oder gar Intention des Unterrichts ausgesagt. Darum ist es wichtig, dass dabei auch nach den Inhalten und dem Ort der Unterrichtung gefragt wird.
2. Schulischer und außerschulischer Religionsunterricht
Religionsunterricht ist ebenso wie der profane Unterricht in den öffentlichen Schulen beheimatet und auch dort von Fachlehrern erteilt. Die Schule ist in ihrem Selbstverständnis mehr als nur die Sorge für eine reibungslosen Ablauf des Unterrichts, denn der Unterricht, unabhängig von dem jeweiligen Fach, ist den institutionellen Voraussetzungen der Schule unterworfen und wird mit den schulischen Zielen abgestimmt und danach auch gehalten. Diese Aufgabe umfasst mehrere Bereiche oder auch Bedienungsfelder und wird dabei von Faktoren, beziehungsweise sozialen Voraussetzungen oder auch Bedingungen beeinflusst:
So sind hier zunächst die sozialen Voraussetzungen zu beschreiben, die sich im Wesentlichen auf zwei Bereiche beziehen:
a) Die Anthropogenen - psychologischen Faktoren bei Schüler und Lehrer und b) Die sozial - kulturellen Voraussetzungen
a) Anthropogene - psychologische Faktoren bei Schüler und LehrerAnthropologie (griechisch) bedeutet: Vom Menschen oder auch das Reden vom Menschen. „Anthropos“ heißt übersetzt „der aufrecht Gehende“. Lateinisch wird der Mensch als„homo“,nach „humus“: Erde, beziehungsweise Erdboden, als „der aus der Erde Stammende“, mit dem Blick auf den Schöpfungsbericht im 1. Buch Mose, im 2. Kapitel2„der aus der Erde Geschaffene“, „der Irdische“ bezeichnet. Das Wort „Mensch“ weist auf „Mann“ zurück und über diesen Terminus zurück auf die indoeuropäische Wurzel „monu“ oder „manu“. „Manus“ gilt als göttlicher Stammvater der Menschheit. Der Begriff „Mensch“ kann daher als das mit Geist begabte, das denkende Wesen übersetzt werden“.
1Prof. Dr. Christian Böhm, informatik.uni-muenchen.de
2Die Bibel, revidierte Ausgabe 1984, Bibelgesellschaft Stuttgart, 1985, 1. Buch Mose, Kapitel 2, Vers 7: „Da bildete Gott der Herr den Menschen aus Erde vom Ackerboden und hauchte im Lebendodem in die Nase; so ward der Mensch ein lebend Wesen“.
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In der erweiterten Form nach Heimann sieht das so aus:
Quelle: http://www.pflegewiki.de/index.php/Bild:BerlinerModell1.jpg
Die Aufgabe des Religionsunterrichtes ist es also in der Folge, in die Grundlagen der Geschichte und Wertesysteme einer oder auch verschiedener Religionen einzuführen und das entsprechende Wissen zu vermitteln. Das Wissen seinerseits wiederum basiert in erster Linie auf Begriffen wie: Wissensarten, Wissenskontexten, Wissenslogiken und Wissensfeldern. Dabei unterscheidet man heute klar zwischen dem schulischen
Religionsunterricht und den außerschulischen Religionsunterricht. Der Religionsunterricht, unabhängig vom Ort der Erteilung, muss aber keineswegs neutral sein, was dann in der Konsequenz heißt, dass er die Lehren der jeweiligen Glaubensgemeinschaft vermittelt, durch die er erteilt wird. Neutrale und vergleichende Kenntnisse über die verschiedene Glaubenformen und Religionen vermittelt dagegen in einer sehr viel intensiveren Form zum Beispiel die Religionskunde.
Der Begriff„Religionskunde“dagegen bezeichnet ein schulisches Unterrichtsfach, das sich die sachlich kritische Wissensvermittlung, Auseinandersetzung
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und Erörterung der verschiedenen Religionen, in der Hauptsache Grundsätzliches zu den unterschiedlichen Religionen der Welt, zum Ziel gesetzt hat.
Im Gegensatz zu dieser „allgemeinen Religionskunde“ steht der traditionelle und konfessionell gebundene Religionsunterricht3. Er lässt sich in den schulischen Unterrichtsplan einfügen und steht im Allgemeinen unter der Aufsicht des Staates (in Deutschland nehmen die Bundesländer diese Aufgabe wahr) und wird in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der jeweiligen Kirche (Konfession, Glaubensgemeinschaft) erteilt. Der Unterricht wird gewöhnlich durch staatliche Lehrer und unter Aufsicht und Mitwirkung von konfessionellen Institutionen oder direkt von Vertretern der Glaubensgemeinschaften mit entsprechend staatlich anerkannter Qualifikation in der Schule gestaltet und erteilt. Dieser schulische Religionsunterricht dient aber nur bedingt als Einführung von Kindern und Jugendlichen in die jeweiligen Vorstellungen der Glaubens - beziehungsweise Religionsgemeinschaften. Dies bezieht sich beispielsweise in den Ländern Europas bislang vor allem auf Bekenntnisse des Christentums. Die Lehrkräfte stellen zusätzlich beispielhaft, nach einem ihnen vorgegebenen Lehrplan (Curriculum), die Lehren anderer, in der Welt vertretenen Glaubensgemeinschaften vor.
Der außerschulische Religionsunterricht dagegen wird ganz klar auch räumlich außerhalb des offiziellen Schulbetriebs und durch die unterschiedlichen Glaubensgemeinschaften, beispielsweise in der Form des Gemeindeunterricht oder auch über den Weg der Kinderkirche, des Konfirmandenunterrichtes, einer Bibelstunde oder auch durch die örtlich zuständige Koranschule im Islam, um die häufigsten und bekanntesten Formen zu nennen, in eigener Verantwortung gestaltet und erteilt. Die unterschiedlichen Religionen erteilen ihren Religionsunterricht in den eigenen, jeweiligen, konfessionsgebundenen Schulen, in ihren Gotteshäusern (Kirchen, Moscheen, Synagogen und Tempeln) oder auch gelegentlich in privaten Räumlichkeiten.
Die Traditionen und Gestaltungen des Religionsunterrichtes, und gegebenenfalls auch die Einbindung in den allgemeinen Schulunterricht, differieren bereits innerhalb Europas recht erheblich. Um im Verständnis von Religionsunterricht einen Schritt nach vorn zu tun, ist in diesem Zusammenhang die Auseinandersetzung mit dem BegriffReligionund seiner Bedeutung notwendig. Diese Vermittlung der notwendigen Informationen möchte ich deshalb in einem kleinen Exkurs darstellend einfügen:
Als Religion schlechthin wird eine Vielzahl unterschiedlichster kultureller Phänomene bezeichnet. Der Begriff „Phänomene“ selbst, ist im Sinne von Erscheinung/en zu verstehen, wobei man unter Erscheinung nun wiederum im allgemeinen Sprachgebrauch die verschiedenen Arten des Erscheinens, Sichtbarwerdens oder Sich Zeigens von zuvor nicht zu sehenden oder erkennbaren Gegenständen oder Vorgängen in der Umwelt, oder aber ein unwillkürliches, inneres Erleben von plastischen, deutlichen, visuellen Vorstellungen versteht, die dabei auch andere Sinnesqualitäten, besonders häufig die der akustischer Art einschließen können. Die Übergänge zwischen den „Erscheinungen“ der unterschiedlichster Art, wie sie beispielsweise mit dem Begriff Schemen, der uns heute durchaus geläufige Ausdruck schemenhaft, etwas nur schemenhaft wahrzunehmen ausgedrückt wird, hat seinen Ursprung in dem Begriff scheinen und stammt, beziehungsweise findet seine eigentliche Bedeutung in ähnlichen Begriffen wie dem des Schattens, dem Schattenbild,
3http://de.wikipedia.org/wiki/Religionskunde
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dem Trugbild oder auch dem doch eigentlich „wesenlosen“ Gespenst4. Die „Begegnung“ mitdem möglichen Geist eines Toten, den Geistern der Ahnen oder auch Gespenstern,die Erscheinung von imaginären Spukgestalten oder auch das Erleben und die damit verbundenen Erscheinungen von Dämonen5vielfältigster, unterschiedlichster Gestalt oder auch von Teufeln und Engeln jeglicher Art, bis hin zu „Visionen“ sonstigen geistigen Bildern, teilweise mit sehr suspektem Inhalt, mit stimmlichen und dann zumeist als „Offenbarungen“ oder „Verkündigungen“ aufgefassten Erlebnissen, sind durchaus fließend und eigentlich nicht klar voneinander abgrenzbar. Von Hellsehen wird in diesem Zusammenhang aber nur dann gesprochen, wenn das Normalbewusstsein von Seher oder Seherin mitsamt der Fähigkeit erhalten bleibt, der Kontakt mit Umgebung bestehen bleibt, und von den jeweiligen, visionären Erlebnissen, auch bei höchster Konzentration auf das visionäre Geschehen derart hochgradig ist, dass nichts anderes mehr beachtet oder sogar aus der Wahrnehmung, und somit das Bewusstsein der Betreffenden Seher/innen ausgeschlossen ist. Eine Verwechselung mit Halluzinationen liegt immer dann nahe, wenn psychologische Beziehungen zwischen den verschiedenen Erlebnisweisen ungeklärt sind und auch im weiteren Verlauf ungeklärt, also offen bleiben. Eine marxistische orientierte Interpretation der religiösen Erscheinung sieht Ernst Bloch (* 8. Juli 1885 in Ludwigshafen am Rhein; † 4. August 1977 in Tübingen, war ein deutscher, neomarxistischer Philosoph) in der Erscheinung als „Vorschein auf eine bessere Welt“.
Im heutigen Sprachgebrauch bezeichnet Phänomen (phänomenal) auch die Ausnahmeerscheinung. Die so genannten Phänomene beziehen sich auch auf die Zauberei und sind somit ist ein mit unseren Sinnen wahrnehmbares, einzelnes Ereignis, im weiteren Sinne also auch als eine sinnliche Wahrnehmungen unterschiedlicher Ereignisses zu sehen, die menschliches Verhalten, Handeln und Denken prägen können und somit Wertvorstellungen normativ (im Sinne von allgemein Norm gebend, also Normen und Regeln aufstellend) zu beeinflussen vermögen.
Als Fazit bleibt an dieser Stelle also festzustellen, dass es keine wissenschaftlich allgemein anerkannte Definition des Begriffes Religion gibt. Religiöse Weltanschauungen und Sinngebungssysteme (Sinngebungssysteme, die als Religion bezeichnet werden, überschreiten die rein materielle Vorstellungen und suchen die Ursachen im sinnlich erfahrbaren Geschehen) stehen in langen Traditionen und beziehen sich im Regelfall, also in einer sehr hohen Anzahl, auf die übernatürlichen Vorstellungen des Individuums. So gehen viele, aber nicht alle Religionen, von der Existenz eines oder mehrerer persönlicher oder unpersönlicher, überweltlicher Wesen, zum Beispiel einer Gottheit, von Geistern6oder Prinzipien (zum Beispiel Dào: Dào heißt wörtlich aus dem Chinesischen übersetzt: „Weg“, „Straße“, „Pfad“ und bedeutete in der klassischen Zeit Chinas „Methode“, „Prinzip“, „der rechte Weg“, was dem Wort in seiner Bedeutung im Konfuzianismus entspricht. Die Übersetzung nähert sich nur sehr grob an den abstrakten Gehalt des Wortes im daoistischen Kontext an, denn das Dàodéjng des Loz stellte das Dào zum ersten Mal als eine Art von
4Herkunftswörterbuch, der „Großen Duden“, Band 7
5Anneliese Michel und ihre Dämonen, Teufelaustreibung in Klingenberg/Main, 1976
6Geist, griechisch pneuma,griechischounous und auch griechisch psyche,lateinisch spiritus, meins, Animus beziehungsweise anima, hebräisch ruach und arabarisch ruh, englisch mind, spirit, französisch ésprit) ist ein aus historischen Gründen uneinheitlich verwendeter Begriff der Philosophie, Theologie, Psychologie und Alltagssprache.
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transzendenter höchster Wirklichkeit und Wahrheit dar; Dhamma)7aus und machen Aussagen über die Herkunft und Zukunft des Menschen und der Menschheit, wie etwa über das Nirwana oder das Jenseits. Sehr viele Religionen weisen daher eine Reihe gemeinsamer Elemente auf, wie beispielsweise die Kommunikation mit transzendenten Wesen im Rahmen von Heilslehren, Symbolsystemen, Kulten und Ritualen.
Alltagssprachlich werden - vor allem im christlichen Kontext - die Ausdrücke „Religion“, „Religiosität“ und religiöser „Glaube“ oft gleichbedeutend verwendet. Zahlreiche Religionen sind als Institutionen organisiert, dabei kann in vielen, aber nicht allen Fällen, auch von einer Religionsgemeinschaft gesprochen werden. Einige Religionen beruhen auf philosophischen Systemen im weitesten Sinne oder haben solche rezipiert (rezipieren -Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme). Einige sind stärker politisch, teils sogar theokratisch (Theokratie griechisch:,von,theós - Gott undi,Krat(e)ía- Herrschaft, ist eine Herrschaftsform, bei der die Staatsgewalt allein religiös legitimiert und von einer (in der Sicht der Anhänger der Staatsreligion) göttlich erwählten Person (gottberufener Prophet, gottbegnadeter König), einer Priesterschaft (Klerus) oder sakralen Institution (Hierokratie) auf der Grundlage religiöser Prinzipien ausgeübt wird. Ein auf der Theokratie basierender Staat wird auch als Gottesstaat bezeichnet) orientiert. Einige legen starken Wert auf spirituelle Aspekte, andere etwas weniger. Eine klare Abgrenzung ist deshalb nicht möglich; inhaltliche Überschneidungen finden sich allerdings in nahezu allen Religionen und insbesondere bei deren Rezeption und Ausübung durch einzelne Menschen.
7Dharma (Sankrit, männlich, harma; Pali: Dhamma) bezeichnet Sitte, Recht und Gesetz, ethische und religiöse Verpflichtungen, auch Ausdruck für Moral, im englischen oft einengend mit Religion übersetzt. Es handelt sich um einen der zentralen Begriffe des Hinduismus, abgeleitet von der Wurzel 'Dhr' (halten). Dharma, die hinduistische Ethik, bestimmt das Leben eines Hindu in vielfältiger Art und Weise. Persönliche Gewohnheiten, soziale und familiäre Bindungen, Fasten und Feste, religiöse Rituale, Gerechtigkeit und Moral, oft sogar die Regeln der persönlichen Hygiene und Essenszubereitung werden durch den Dharma bestimmt. Die Beachtung ist für Hindus nicht nur Voraussetzung für soziales Wohlergehen, sondern auch für die persönliche Entwicklung. Von der Erfüllung des Dharma hängt das Karma ab, die aus den Taten des Individuums entstandenen Resultate (Ursache und Wirkung). Im Gegensatz zu anderen Weltreligionen haben Hindus jedoch keinen bestimmten, allgemein gültigen Kodex, keine bestimmte Sammlung von Gesetzen, die für alle gleichermaßen verbindlich wären, wie etwa die Zehn Gebote der Juden und Christen
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Die weltweit größten Religionen nach Anhängerzahl gesehen sind das Christentum, der Islam, der Hinduismus, der Buddhismus, der Daoismus, der Sikhismus, das Judentum, Bahai, der Konfuzianismus und Shinto (diese Auflistung ist der Liste der Religionen der Welt entnommen). Mit der wissenschaftlichen Erforschung von Religionen und Religiosität befassen sich im Besonderen folgende wissenschaftlichen Fakultäten: Die Religionswissenschaft, der Religionsgeschichtliche Bereich, die
Religionssoziologie, die Religionsethnologie, die Religionsphänomenologie, die Religionspsychologie und die Religionsphilosophie sowie in vielen Fällen Teilgebiete der jeweiligen Theologie.
Die Aufgabe der Religionskritik ist es dabei, die Religionen und ihre damit verbundene Religiosität, ihre spezifischen Glaubensaussagen, sowie die einzelnen Konzepte und auch die Institutionen oder auch deren praktischen Erscheinungsformen durchaus berechtigter Weise in Frage zu stellen.
Wer nimmt am Religionsunterricht teil?
Grundsätzlich gesehen nimmt jeder Schüler/in zunächst am Religionsunterricht teil. Er/sie ordnet sich dem Angebot seiner/ihrer Konfession unter. Diese Tatsache ist aber in der Praxis nicht mehr ganz so unproblematisch wie es auf den ersten Blick erscheint, da inzwischen in, beziehungsweise an allen Schulformen auch Schüler/innen anderen Religionen (Weltreligionen) und religiösen Gruppierungen in die Klassenverbände eingebunden sind. So wurden zur Bewältigung dieser Problematik Überlegungen in Richtung Ethikunterricht angestellt und umgesetzt, oder, wie in der Schule, in der ich unterrichtete, ein konfessionsübergreifender Unterricht angeboten. In den letzten Jahren haben sich aber die Zahlen der Schüler anderer Religionen erheblich verändert, ich weise dabei nur auf den Anteil moslemischer Schüler/innen hin. Das Bestreben dieser Kultur und Religion ist es, einen eigenen Religionsunterricht in den Schulen zu etablieren. Dabei kommt es bei vielen Bürgern unseres Landes und den verantwortlichen Politikern zu großen Unsicherheiten; einerseits weiß man um den berechtigten Wunsch der anderen Religionen, angelehnt an das Grundgesetz, andererseits kommen „Ängste“ auf, dass hier eine Plattform für nicht mehr kontrollierbare und überschaubare Manipulation Ideologisierung an den Schülern geschaffen werden könnte, die dann zu gesellschaftlichen Problemen führen könnte.
Im Grundsatz gilt aber, dass evangelische, katholische und jüdische Schüler den Unterricht ihrer Konfession oder Religion besuchen, beziehungsweise das entsprechende Unterrichtsangebot besteht. Andersgläubige und bekenntnislose Schüler können sich ebenfalls für einen Besuch des Religionsunterrichtes entscheiden. Wer den Besuch des konfessionellen Religionsunterrichtes nicht mit seinem Gewissen vereinbaren kann, wird davon freigestellt und besucht, sofern das Angebot besteht, den Ethikunterricht. Schulrechtlich möchte ich hier nur auf das Problem der Aufsichtspflicht hinweisen, falls kein Ersatzunterricht angeboten wird, werden kann, aus welchen Gründen auch immer. Bis zum 14. Lebensjahr informieren die Eltern die Schule (durch eine schriftliche Erklärung oder auch Abmeldung), danach beginnt die Religionsmündigkeit, die aber nicht das Problem der Schulaufsichtspflicht löst und erneute, rechtliche Probleme aufwirft.
Als ich hauptamtlich an der Berufschule als Religionslehrer begonnen habe, war es erste Schritt, den Religionsunterricht so anzubieten, dass die Schwelle der
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Religionsfreiheit so niedrig gehalten und das Interesse an dem neuen Fach so hoch angesetzt wird, dass zunächst ganz lapidar ausgedrückt, überhaupt Schüler den Unterricht besuchen wollten; damals, 1976 kam mir das Geschehen in Klingenberg (Exorzismus mit Todesfolge, siehe Fußnote 5) sehr zu Hilfe, denn hier sahen die Schüler/innen die Möglichkeit, die Institution Kirche anzugreifen, ihren ganz persönlichen „Frust“ anzuregieren.
Ich hatte aber noch einen Vorteil, wenn man so will: Ich bin evangelisch, und die evangelische Kirche kennt derartige Praktiken nicht. Ich konnte auf Grund meiner Konfession und der Tatsache, dass an dieser Schule wohl oder übel konfessionsübergreifend unterrichtet werden musste, sehr intensiv auf die Fragen und die Kritik an den beiden Konfessionen eingehen. Es wäre sehr blauäugig, wenn ich sagen würde, dass alles problemlos war und lief; das hat aber mehrere Ursachen. So mussten einige Klassen, die bisher um 12.45Uhr Schulschluss hatten „wegen“ Religion bis 14.45Uhr warten.In den Ausbildungsbereichen des Baugewerbes war das für die Schüler besonders schwer, sodass in den ersten Stunden Coca Cola Flaschen durch das Klassenzimmer flogen, die Schüler laut waren und durch das Klassenzimmer liefen; niemand wollte zunächst zuhören. Ich denke dabei immer wieder an die Auszubildenden Maler und Lackierer, deren Klassenleiter im angrenzenden Vorbereitungszimmer befand und mir sofort helfend zur Seite springen wollte. Das war aber nicht notwendig, denn ich hatte die Klasse sehr schnell im Griff, sodass geregelter Unterricht stattfinden konnte und einige diese Schüler bis zum heutigen Tag Kontakt mit mir halten. Eine andere Gruppe in diesen Bereichen waren die „Konfessionellen“. Sie kamen mit der fadenscheinigen Begründung, dass sie doch katholisch waren oder auch aus der Kirche ausgetreten waren. Auch hier taten sich keine größeren Probleme auf, denn ich machte deutlich, dass die für unsere Schule zuständige Diözese in Fulda von diesem konfessionsübergreifenden Unterricht wusste und ihn billigte, da sonst kein Religionsunterricht stattfinden konnte. Die von der Kirche „ausgetretenen“ Schüler bat ich um einen entsprechenden Nachweis, damit sie die Zeit in einer anderen Fachklasse verbringen konnten, und ich schon einmal die entsprechenden Regelungen in die Wege leiten konnte. Damit waren dann alle restlichen Fragen und Probleme beseitigt! Die schulische Situation machte es einfach zwingend notwendig, konfessionsübergreifend zu unterrichten, da weder die Räume, noch die notwendigen Kollegen/innen für einen parallel zu erteilenden Religionsunterricht zur Verfügung standen. Die Evangelische Landeskirche von Kurhessen und Waldeck wusste ebenfalls um diese Problematik, sah diesen Weg auch nicht unbedingt gerne, denn der konfessionelle Unterricht war das Ziel, aber in Anbetracht der örtlichen, schulischen und personellen Situation wurde dieser Weg toleriert. Ähnlich reagierte man auf katholischer Seite in der Diözese Fulda.
Dankbar können wir Lehrkräfte zu diesem Geschehen sagen: Es hat sich gelohnt, denn unsere Schüler und Schülerinnen nahmen (von drei Austritten in 13 Jahren abgesehen) mit zunehmender Freude und viel Interesse an dem ihnen angebotenen Religionsunterricht teil.
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4. Grundlagen des Religionsunterrichtes
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8Sieben Argumente für die Einführung eines Wahlpflichtbereichs Ethik/Religion. 1. Freie Wahl:
Nur beim Wahlpflichtbereich Ethik/Religion hat jeder Schüler und jede Schülerin eine wirkliche Wahlfreiheit. Nur wenn der Religionsunterricht dem Ethikunterricht gleichgestellt ist, können sie sich entsprechend ihrer weltanschaulichen Grundüberzeugung wirklich frei für das Eine oder das Andere entscheiden. Ein staatliches Fach Zwangsethik zeigt einen Mangel an Toleranz gegenüber anderen. 2. Kulturelle Vielfalt respektieren:
Berlin lebt von seiner kulturellen Vielfalt. Diese gilt es zu respektieren. Daher soll jeder in seiner religiösen und kulturellen Identität ernst genommen werden. Gerade in einer multikulturellen Stadt wie Berlin ist es wichtig, nicht alle Menschen unterschiedslos über einen Kamm zu scheren. Ethik als Zwangsfach behandelt die unterschiedlichsten Schülerinnen und Schüler gleich. Die Fächergruppe Ethik/Religion nimmt dagegen durch ihre Angebotsvielfalt die unterschiedlichen Prägungen der Schülerinnen und Schüler ernst. Gleichgültig ob Christ, Jude, Moslem oder Atheist, die Schülerinnen und Schüler werden so ernst genommen, wie sie sind. 3. Toleranz fördern:
Die Fächer Ethik beziehungsweise Religion sind authentisch und fördern die Toleranz gegenüber Andersdenkenden. Hier lernen die Schülerinnen und Schüler nicht nur, den Wert ihrer eigenen Grundüberzeugung zu schätzen. Hier lernen sie auch etwas über den Wert von Grundüberzeugungen an sich. Das fördert den Respekt und die Toleranz gegenüber den Grundüberzeugungen der Anderen. Und durch die dauerhafte Unterrichtskooperation mit den anderen Bekenntnissen beziehungsweise Ethik verstärkt sich dieser Effekt noch! 4. Authentisches Zeugnis:
Beim Wahlpflichtbereich Ethik/Religion sind die Lehrerinnen und Lehrer nicht auf die theoretische Wertevermittlung beschränkt. Als Vertreter der jeweiligen Grundüberzeugungen können sie die Werte aus Überzeugung selbst vorleben. Theorie und Praxis gehen Hand in Hand.
5. Weltanschauliche Neutralität wahren:
Ethik als alleiniges Pflichtfach steht in einem Dilemma. Es soll Werte vermitteln, muss aber als alleiniges, nicht abwählbares Fach weltanschaulich neutral sein. Es gibt aber keine echte Wertevermittlung ohne ein Bezugssystem. Und ein Bezugssystem ist immer an weltanschauliche Grundüberzeugungen gekoppelt - unabhängig davon, ob diese nun säkularhumanistisch, oder religiös begründet sind. Die Fächergruppe Ethik/Religion befreit Ethik aus diesem Dilemma. Hier gibt es kein Unterrichtsmonopol mehr für Ethik und damit auch nicht die unerfüllbare Verpflichtung zur weltanschaulichen Neutralität. 6. Staatlichen Monopolanspruch verhindern:
Wertevermittlung im Fach Ethik ist weltanschaulich nie neutral. Wird Ethik - wie in Berlinzum alleinigen Pflichtfach, mischt sich der Staat unnötig in Weltanschauungsfragen ein. Das widerspricht der staatlichen Neutralitätspflicht. Mit der Einführung des Wahlpflichtbereichs Ethik/Religion wird dieser Widerspruch aufgelöst: Der Staat hält sich völlig zurück. Allein die Schülerin bzw. der Schüler entscheidet, ob sie bzw. er eine säkular-humanistische oder konfessionell gebundene Wertevermittlung bevorzugt. 7. Fundamentalismus bekämpfen:
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Nach diesen Gedanklichen Auseinandersetzungen nun doch wieder zurück zu den Grundlagen im Bereich des Religionsunterrichtes, des Unterrichtens:•Eine der Hauptgrundlagen besteht sicherlich in einem kindgerechten Unterricht; dabei stehen das Kind und der Jugendliche also der Mensch im Mittelpunkt des Unterrichts!
•Die Aufgabe der Lehrer/innen sollte Kinder und Jugendliche aufrichten anstatt „stur“ nach einen Curriculum zu unterrichten!•Kinder und Jugendliche brauchen für ihren Selbstwertaufbau sinnvolle Bereiche in denen sie agieren und lernen können, aber sie brauchen auch klare Regeln und vertraute Rituale!
•Lehrern/innen und Kindern muss bewusst sein, dass das Lernen der Kinder und Jugendlichen auf die Gegenwart abzielt, sie aber dann auch Chancen haben, ihre Zukunft wirklich zu meistern!
Der Wahlpflichtbereich Ethik/Religion vermindert die Gefahr von Fundamentalismus. Religiöse Fanatiker und radikale Extremisten gibt es leider überall. Als ordentliches Lehrfach kann der Religionsunterricht an den Schulen ein wichtiger Gegenpol sein. Hier erfahren die Schülerinnen und Schüler, dass Religion und Verfassungstreue keine Gegensätze sind. Hier erfahren sie im interreligiösen Dialog mit den anderen Weltanschauungen ganz konkret, dass das Ausleben der eigenen Grundüberzeugung den Respekt und die Toleranz gegenüber dem Andersdenkenden nur vertiefen kann.
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Dr. J. Höllhuber sagt in diesem Zusammenhang, dass es in der heutigen Zeit wichtig ist, dass die Schule - mit den ständig veränderten Anforderungen an sieneben der Wissensvermittlung auch den emotionalen Bereich in ihr pädagogisches Tun einbezieht. Dazu zählen bei ihm der Abbau von zunehmenden Aggressionen; ein Angebot von Kreativ - Methoden zur Meisterung der rasch veränderlichen Lebenssituationen; der Aufbau einer Spiel -und Gesprächsgemeinschaft, sowie einer Konfliktgemeinschaft, den Aufbau von Kultur, um eine Förderung der Klassengemeinschaften zu erreichen; diese Ansätze, so Dr. Höllhuber bilden unverzichtbare Grundlagen für die Unterrichtung, und machen zeitgleich ein breites Spektrum von ganzheitlichen Methoden für die Lehrerin/den Lehrer erforderlich.
Ich möchte zunächst die Geschichte des Religionsunterrichtes in Deutschland an Hand eines kurzen, geschichtlichen Überblicks von der Zeit des Mittelalters bis hin zum Beginn der Neuzeit darstellen:
Schon Karl der Große hat den Auftrag an Bischöfe und Klöster erteilt, Schulen zu gründen. Aber erst mit dem Übergang zur städtischen Kultur ergab sich auch Bedürfnisse von Handel und Handwerk nach Bildung. In den damaligen Schulen wurde Bibelverständnis und berufliches Grundlagenwissen vermittelt. 1717 wurde in Preußen die allgemeine Schulpflicht eingeführt (nicht durchgesetzt) und 1794 wurden Schulen als staatliche Aufgabe definiert. Man war damals allerdings weit davon entfernt, dass überall Schulen vorhanden waren und auch davon, dass alle Kinder die Schule besuchten.
Seit Beginn des 19. Jahrhunderts existierten Volksschulen und Gymnasien, die nicht wie heute aufeinander aufbauten, sondern verschiedene Schichten bedienten. Eine Durchlässigkeit bestand nicht. Erst nach 1870 wurden Bürger-, Real - und Mittelschulen sowie berufliche Schulen gegründet. Eine pädagogische Schulreform, formale Lehrerausbildung und Stufenschulen gab es erst nach dem Zusammenbruch des Kaiserreiches.
Bis dahin gab es - bedingt durch die Einheit von Thron und Altar - keine Schulen in „religionsfreier“ Verantwortung. Die Religion der jeweiligen Landesherren war bestimmend für die Konfession aller ihrer Untertanen. Die Zeit der Weimarer Republik -Nach der Novemberrevolution und der Ausrufung der Republik (9. November 1918) war es grundsätzlich fraglich, ob Religionsgemeinschaften überhaupt noch öffentliche Mittel zur Verfügung gestellt werden sollten und ob Religionsunterricht überhaupt an einer staatlichen Schule unterrichtet werden darf. Es war erstmals möglich, sich die Schule nicht nur traditionell kirchlichkonfessionell, sondern auch bekenntnisfrei zu denken. Die Schulreformer waren in zwei Lager gespalten: Wilhelm Paulsen (* 27. September 1875 in Norderbrarup; † 27. März 1943 in Berlin, gilt seit seiner Zeit als Berliner Oberstadtschulrat (ab 1921) als Entwickler der
„Lebensgemeinschaftsschulen“. An diesen Schulen sollte durch den Wegfall von strengen Lehrplänen und dem Gegensatz zwischen wissendem Lehrenden und unwissenden Schüler/innen ein Lernklima geschaffen werden, welches die Vermittlung von aktuellen gesellschaftlichen Bedürfnissen und diesen angepassten Lerninhalten „vom Kinde aus“ ermöglichte), der führende Vertreter und Hamburger Reformpädagogen sahen in der Abschaffung des Faches die einzige Möglichkeit, die Einflussnahme der Kirche in den Schulen zu verhindern. Reformpädagogen wie Hugo Gaudig (* 5. Dezember 1860 in
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Stöckey; † 2. August 1923 in Leipzig war ein Reformpädagoge und Schuldirektor in Leipzig) argumentierten pädagogisch gegen diesen Standpunkt: Das religiöse Element gehöre unbedingt zum Lebenshorizont Jugendlicher. Führende Religionspädagogen, wie zum Beispiel Otto Eberhard (* 28.11. 1875 in Ludwigslust (Mecklenburg), † 26.9. 1966 in Berlin) unterstützte zwar auch den reformpädagogischen Gedanken der Arbeitsschule, vertrat aber einen Religionsunterricht aus theologischen Gründen: Jungen Menschen, die in einer christlich orientierten Welt aufwachsen, müssen auch die Normen christlicher Ethik und Liebe nahe gebracht werden. Er argumentierte für einen konfessionell ausgerichteten Religionsunterricht. Weitere Protagonisten dieses Streits waren auf politischer Ebene Adolph Hoffmann (am 12. November 1918, in Folge der revolutionären Ereignisse, übernahm Adolph Hoffmann, als Vertreter der USPD, gemeinsam mit dem Sozialdemokraten Konrad Haenisch, die Leitung des preußischen Kultusministeriums, des späteren Ministeriums für Wissenschaft, Kultur und Bildung. Innerhalb weniger Wochen setzte Hoffmann, gegen erhebliche Widerstände, Forderungen der Freidenkerbewegung durch: Die Abschaffung der geistlichen Schulaufsicht am 27.11.1918, die Aufhebung des Religionszwangs an den Schulen am 29.11.1918, die Trennung von Schule und Kirche und für Erleichterungen beim Kirchenaustritt am 13.12.1918; zeitgleich trat er dafür ein, dass den Eltern das Recht zustehen müsse, ihre Kinder „dissidentisch“ (anders denkend, konfessionslos) zu erziehen, plädierte für die Einführung des konfessionsfreien Moralunterrichts und die Beseitigung staatlicher Zuschüsse an die Kirchen. Außerdem bestand er auf der Abschaffung der konfessionellen Eidesformel, der Aufhebung des § 166 des Strafgesetzbuches („Gotteslästerung“) und die Zulassung von „Dissidenten“ (zu keiner Glaubensgemeinschaft gehörender Mensch) zum Staatsdienst. Diese Maßnahmen bedeuteten praktisch eine „Trennung von Staat und Kirche und Schule und Kirche auf reichsgesetzlichem Wege“. Eine Formulierung, die dann im Artikel 138, Absatz 1 der Verfassung einging. Geplant war für den 1. April 1919 alle staatlichen Zuschüsse an die Kirchen einzustellen. Aber schon im Dezember erkranke Hoffmann und sein sozialdemokratischer Mitminister Haenisch (1913 erfolgt erstmals die Kandidatur für den Preußischen Landtag; zusammen mit Otto Braun und Adolf Hofer wird er für den Wahlkreis Niederbarnim-Oberbarnim, den damals größten preußischen Landtagswahlkreis, gewählt. Haenisch bleibt bis zu seinem Tode 1925 Abgeordneter des Preußischen Landtages für die SPD) setzte das wichtige Reformwerk einfach aus. Die weitere politische Entwicklung in Deutschland verhinderte die bis heute aktuelle Trennung von Kirche und Staat. Paradox und tragisch zugleich hierbei war, dass bei der Umsetzung der berechtigten Forderungen nach Trennung von Kirche, Schule und Staat, der freireligiöse Hoffmann konsequent und entschlossen handelte, der aus der proletarischen Freidenkerbewegung stammende Haenisch dagegen als Bremser fungierte (Es kommt eben doch darauf an, die Welt nicht nur zu interpretieren, sondern sie zu verändern!) und der sich als bekennender Atheist verstand und die „Befreiung der Schule von aller kirchlichen Bevormundung“, Trennung von Kirche und Staat verlangte. Da sich auf der politischen Ebene wegen der bestehenden Mehrheitsverhältnisse keine der Gruppen in der verfassungsgebenden Nationalversammlung durchsetzen konnte, wurde in Bezug auf den Fortbestand des Religionsunterrichtes in der Schule auf Vermittlungsvorschlag von Friedrich Naumann (DDP und preußischer Kirchenfunktionär) der Artikel 149 Reichsverordnung beschlossen, der inhaltlich auch für die Formulierung des
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Artikel 7 Grundgesetz maßgeblich war. Der Religionsunterricht war konfessionell und durfte keine neutrale Religionskunde im Sinne sozialistischer Position sein.91933 bis 1945 / Drittes Reich
Am 20. Juli 1933 wurde zwischen Papst Pius XI (* 31. Mai 1857 in Desio, Lombardei; † 10. Februar 1939 in Rom) - bürgerlicher Name Achille Ambrogio Damiano Ratti - war Papst von 1922 bis 1939. Pius XI. widmete sich nach Leo XIII. der Soziallehre und prägte diesen Begriff. In der Enzyklika Quadragesimo anno widmete er sich der Notwendigkeit des „gerechten Lohns“.)und dem Deutschem Reich das Reichskonkordat geschlossen. In Artikel 21 bis 24 wurde katholischer Religionsunterricht als ordentliches Unterrichtsfach vereinbart, worin die Erziehung zu vaterländischem, staatsbürgerlichem und sozialem Pflichtbewusstsein aus dem Geiste des christlichen Glaubens- und Sittengesetzes mit besonderem Nachdruck gepflegt wird. Den kirchlichen Oberbehörden wird Gelegenheit eingeräumt, im Einvernehmen mit der Schulbehörde zu prüfen, ob die Schüler Religionsunterricht in Übereinstimmung mit den Lehren und Anforderungen der Kirche erhalten. Bei der Anstellung von katholischen Religionslehrern verständigt sich der Bischof mit der Landesregierung. Die Beibehaltung und Neueinrichtung katholischer Bekenntnisschulen bleibt gewährleistet. In allen Gemeinden, in denen Eltern oder Erziehungsberechtigte es beantragen, werden katholische Volksschulen errichtet, wenn die Zahl der Schüler unter Berücksichtigung der örtlichen schulorganisatorischen Verhältnisse einen geordneten Schulbetrieb durchführbar erscheinen lassen. An allen katholischen Volksschulen werden nur solche Lehrer angestellt, die der katholischen Kirche angehören und Gewähr leisten, den besonderen Erfordernissen der katholischen Bekenntnisschule zu entsprechen. In der allgemeinen Berufsausbildung der Lehrer werden Einrichtungen geschaffen, die eine Ausbildung katholischer Lehrer gemäß der katholischen Bekenntnisschule gewährleisten.
Die Schulbestimmungen des Reichskonkordats wurden von 1933 bis 1945 nicht vollzogen und vielfach verletzt. Reichskonkordat von 1933 -
Der katholische Religionsunterricht in den Volksschulen, Berufsschulen, Mittelschulen und höheren Lehranstalten ist ordentliches Lehrfach und wird in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der katholischen Kirche erteilt. Im Religionsunterricht wird die Erziehung zu vaterländischem, staatsbürgerlichem und sozialem Pflichtbewusstsein aus dem Geiste des christlichen Glaubens des Sittengesetzes mit besonderem Nachdruck gepflegt werden, ebenso wie es im gesamten übrigen Unterricht geschieht. Lehrstoff und Auswahl der Lehrbücher für den Religionsunterricht werden im Einvernehmen mit der kirchlichen Oberbehörde festgesetzt. Den kirchlichen Oberbehörden wird Gelegenheit gegeben werden, im Einvernehmen mit der Schulbehörde zu prüfen, ob die Schüler Religionsunterricht in Übereinstimmung mit den LehrernundAnforderungen der Kirche erhalten.
Die Zeit nach 1945
Bundesrepublik Deutschland: Während des staatlichen Aufbaus sahen die Verfassungen in mehreren Ländern die christliche Gemeinschaftsschule als einzige Schulform vor (Verfassung des Landes Baden vom 22. Mai 1947,
9K. Kronhagel: Religionsunterricht und Reformpädagogik, Münster 2004, 2003 als Dissertation, Universität Hamburg