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Respekt wünschen sich alle. Kein Wunder! Denn nur in einer Atmosphäre gegenseitiger Wertschätzung macht der Job Freude und wird zur Quelle von Zufriedenheit und Glück. Die Frage ist bloß: Wie gelingt das?
Längst erwiesen ist, dass ein Unternehmen, das seine Mitarbeiter/innen mit Achtung behandelt, gewinnt – nicht nur im materiellen Sinn. Denn: Wertschätzung ist Wertschöpfung!
Business-Coach und Managementtrainerin Andrea Lienhart zeigt, wie respektvolle Zusammenarbeit und Unternehmensführung in der beruflichen Praxis aussehen: Respekt ist nicht nur eine ethische Frage, sondern heute auch ganz klarer Wettbewerbsvorteil.
Ein Buch von großer Anschaulichkeit und Klarheit der Gedanken, mit vielen Übungen aus der Praxis – und einem ordentlichen Schuss Humor!
„Habe stets Respekt vor dir selbst, Respekt vor anderen und übernimm Verantwortung für deine Taten.“ Dalai Lama
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Seitenzahl: 172
Für
URSA PAUL
Als ich jung war, meinte ich, ich stünde auf meinen eigenen Füßen. Je älter ich werde, desto bewusster erlebe ich, dass ich auf den Schultern der Gemeinschaft stehe. Ohne die Leistungen all der Generationen zuvor – ohne das Wissen und die Methoden, die uns unsere Vorfahren mitgegeben haben – und ohne die Leistungen meiner Mitmenschen ist mein Beitrag zur Gemeinschaft nicht möglich. Arbeit findet gemeinsam mit anderen für andere statt.
Und zeitgleich kann ich von dem, was ich selbst hervorbringe, nicht leben. Ich bin darauf angewiesen, dass eine Vielzahl von Menschen auf der ganzen Welt aktiv ist, damit ich eine Tasse Kaffee trinken kann. Wir leben heute in einer faktischen Fremdversorgung.
In dieser Situation, in der Arbeit stets mit anderen für andere geleistet wird, müssen zwei Dinge zusammenkommen, dass meine Arbeit Sinn hat.
Erstens muss ich bereit sein, mich mit ihr verbinden zu wollen, die Aufgaben müssen für mich sinnvoll sein. Jeder Mensch sollte die Aufgaben ergreifen, bei denen er sich authentisch erlebt, denn seine Arbeit ermöglicht ihm, sich zu entwickeln, seine eigene Lebensbiografie zu gestalten.
Zweitens, und genauso wichtig für meine Arbeit ist, dass sie meine Kunden – und schon mein nächster Kollege ist mein bester Kunde – als sinnvoll erkennen, denn ich arbeite darauf hin, dass ich Wertschätzung und Respekt erfahre. Die Gewissheit darum, dass meine Kunden meine Arbeit würdigen, gibt meiner Arbeit Sinn und trägt dazu bei, dass ich meine Arbeit noch besser machen möchte. Respekt begünstigt die Fähigkeit zur Selbstmotivation.
Heutzutage leiden wir an einer gesellschaftlichen Realität, in der wir vieles gering schätzen, was andere für uns leisten. Ein Ausdruck dieser Geisteshaltung ist, dass Manager Menschen im Unternehmen als Kostenfaktor sehen. Das ist ein Denkirrtum, denn die Beteiligten einer Arbeitsgemeinschaft bringen das Ergebnis hervor.
Ohne diese Erkenntnis hätte sich dm-drogerie markt nicht so konstant und positiv entwickeln können, denn eine Arbeitsgemeinschaft funktioniert umso besser, je mehr die Leistungen jedes einzelnen Beteiligten wertgeschätzt und respektiert werden.
Unser gesellschaftliches Bewusstsein der Notwendigkeit von Respekt, damit die Mitmenschen ihre Arbeit als sinnvoll erleben, gilt es zu befeuern. Die Lektüre dieses Buchs leistet einen wertvollen Beitrag, um jedem Interessierten die zahlreichen Facetten und unterschiedlichen Annäherungen an dieses Thema zu eröffnen. Sowohl der erste notwendige Schritt, der stets bei einem selbst beginnt, als auch der folgende, der die Mitmenschen einschließt – sei es im alltäglichen Miteinander, sei es als Führungskraft –, werden anschaulich dargestellt.
Dieses Buch möchte ich jedem nahelegen, um die neue gesellschaftliche Realität – dass wir an zu viel Geringschätzung leiden – mit dem Denken und dem Herzen erfassen zu können.
Prof. Götz W. WernerGründer und Aufsichtsrat von dm-drogerie markt
Respekt wünschen sich alle. Kein Wunder! Denn nur in einer Atmosphäre gegenseitiger Wertschätzung macht der Job Freude und wird zur Quelle von Zufriedenheit und Glück. Die Frage ist bloß: Wie gelingt das?
In meiner Arbeit begleite ich seit vielen Jahren Menschen, die sich weiterentwickeln wollen. Diese Menschen kommen aus allen möglichen Branchen zu mir und stehen vor den unterschiedlichsten Herausforderungen. Es sind Führungskräfte, Angestellte, Selbstständige. So unterschiedlich die Lebenswelten der Menschen sind, die sich an mich wenden, so ähnlich sind die Fragen, die sie alle immer wieder herausfordern und beschäftigen. Das Thema »Respekt« spielt hierbei eine zentrale Rolle, es ist Dreh – und Angelpunkt für Zufriedenheit und Erfolg im Beruf.
Denn wer wünscht sich nicht, von seinen Mitmenschen respektiert und geachtet zu werden? Wer möchte nicht im Job rücksichtsvoll behandelt werden und Anerkennung erfahren? Ob es sich nun um die Zusammenarbeit mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, Führungskräften, Kolleginnen oder Kunden handelt – hinter einer Vielzahl von Schwierigkeiten im beruflichen Miteinander steckt ursächlich oft ein Mangel an gegenseitigem Respekt.
Um die Bedeutung von Respekt zu wissen ist eine Sache. Ihn im beruflichen Alltag zu praktizieren und zur Lebenswirklichkeit werden zu lassen eine andere – und schon schwerer! Ich habe dieses Buch geschrieben, um genau dabei Hilfestellung zu leisten. Es zieht die Summe aus meiner jahrzehntelangen Erfahrung mit dem Thema.
Vielen Menschen mangelt es bereits am Respekt sich selbst gegenüber. Sie wissen nicht, wie sie mit ihren Schwächen umgehen sollen oder wie sie ihre Stärken optimal nutzen können . . . Oder sie wissen nicht wohin mit ihren verschiedenen – manchmal höchst widersprüchlichen – Bedürfnissen. Diese Menschen möchte ich im ersten Teil meines Buches dabei unterstützen, ein großes »respektables« JA zu sich selber zu finden.
Der zweite Teil behandelt den Respekt, den wir vor anderen empfinden oder von anderen erhalten. Viele Menschen wissen nicht, wie sie mit ihren Kolleginnen und Kollegen angemessen umgehen sollen; sie fühlen sich im Berufsleben nicht ernst genommen. Für sie ist dieses zweite Kapitel geschrieben worden. Es führt in die Kunst des Perspektivenwechsels ein, in das Denken in Möglichkeiten; es zeigt auf, wie man am besten mit unangenehmen Gefühlen umgeht, sich mit dem richtigen Ton Respekt verschafft oder Konflikte realistisch behandelt – Schritt für Schritt.
Der dritte Teil wendet sich an die Chefetagen: Denn für Führungskräfte gelten beim Thema Respekt noch einmal besondere Regeln. Wenn Sie eine Führungskraft sind, stehen Sie vor der doppelten Herausforderung, sich selbst den Respekt Ihrer Mitarbeiter zu verschaffen und zugleich innerhalb der Abteilung oder des Teams, das Sie führen, den wechselseitigen Respekt hochzuhalten. Wie Ihnen das gelingt – das erfahren Sie hier!
Für Unternehmen hat das Thema »Respekt« über den ethischen Aspekt hinaus auch eine handfeste wirtschaftliche Bedeutung. Aktuelle Untersuchungen belegen: Wo Respekt gelebt wird, geht es allen Beteiligten gut. Nicht nur, was das Betriebsklima betrifft, sondern durchaus auch, was den Jahresumsatz anlangt. Respekt ist Gold wert – im buchstäblichen Sinn! Deshalb folgt im dritten Teil des Buches unter dem Stichwort »Erfolgsfaktoren« eine Menge Hinweise darauf, wie Respekt im Unternehmen gefördert und gelebt werden kann.
Da ich in meiner Arbeit dem Thema »Respekt« immer wieder begegne, sei es in Seminaren, im Coaching oder bei Teamentwicklungsprozessen, wollte ich kein theoretisches Buch schreiben. Im Gegenteil: Mir war es wichtig, das Thema »Respekt« konkret und praxisnah zu bearbeiten. Die besten Überlegungen und Einsichten nutzen nichts, wenn wir sie nicht ins Handeln übersetzen. Darum finden Sie in meinem Buch eine Fülle von eingängigen, leicht umzusetzenden und auch humorvollen Beispielen und Übungen. Sie haben sich in meiner Praxis allesamt unzählige Male bewährt.
Es gibt unzählige Wege, Respekt zu leben. Ich lade Sie ein, Ihren ganz persönlichen Weg zu finden!
Ihre Andrea Lienhart
Vielleicht haben Sie dieses Buch in erster Linie zur Hand genommen, weil Sie sich eine Antwort auf die Frage erwarten, wie Sie sich mehr Respekt im Job verschaffen können. »Er respektiert mich einfach nicht!« oder »Der sollte sich nur ein Mal in meine Situation hineinversetzen!« oder »Unmöglich, wie meine Chefin mit mir umgeht! Was glaubt die eigentlich . . .!«, sind das Aussagen, die auch von Ihnen stammen könnten?
Womöglich sind Sie in Ihrer Arbeitsgruppe die Zielscheibe von Spott oder herabsetzenden Bemerkungen? Haben Ihre Kollegen es auf Sie »abgesehen«? Oder Sie denken sich zuweilen: »Ach, wenn ich meine Vorgesetzte oder meinen Bürokollegen oder diesen speziellen, sehr schwierigen Kunden bloß ein klitzekleines bisschen verändern könnte – wie leicht und angenehm wäre dann die Zusammenarbeit!«
Vielleicht halten Sie dieses Buch aber auch in den Händen, weil Respekt auf Ihrer persönlichen Werteskala schon lange ganz oben steht und Sie sich Anregungen wünschen, wie Sie ihn noch stärker an Ihrem Arbeitsplatz bzw. in Ihrem Unternehmen umsetzen können – als Mitarbeiter oder als Führungskraft.
Wie auch immer: Wir alle wissen sehr genau, wie gut es sich anfühlt, respektiert zu werden. Es gibt kaum einen anderen Wert, der so breite Zustimmung erfährt wie Respekt. Sei es zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern, zwischen Kolleginnen und Kollegen, zwischen Männern und Frauen, zwischen Jüngeren und Älteren, zwischen verschiedenen Abteilungen, zwischen Mitarbeitern und Kunden, zwischen Innen – und Außendienst, zwischen Verkäufern und Käufern . . .
Mitarbeiter wünschen sich Respekt
Wussten Sie, dass ein Vorgesetzter, der seinen Mitarbeitern mit Respekt begegnet, weltweit ganz oben auf der Wunschliste an einen idealen Arbeitsplatz steht? Dieser Wunsch wird einzig von dem Wunsch übertroffen, einer möglichst interessanten Arbeit nachgehen zu können – rangiert jedoch deutlich vor Faktoren wie »Bezahlung«, »Arbeitsplatzsicherheit«, »Aufstiegsmöglichkeiten« oder »Freizeit«. Doch respektvolle Chefs sind rar: In einer weiteren Umfrage sollten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nämlich ihre reale Arbeitsplatzsituation beurteilen – und da zeigte es sich, dass Vorgesetzte ihre Wertschätzung eher selten ausdrücken. 1
Eine Befragung durch das internationale Beratungsunternehmen Mercer in 22 Staaten belegt die hohe Einschätzung des am Arbeitsplatz erfahrenen Respekts weit über Deutschland und Europa hinaus. Global betrachtet, ist Respekt einer der wichtigsten Faktoren überhaupt für das Engagement der Mitarbeiter in ihrem Job.
Ein Mangel an Respekt macht krank
»Ein Mangel an Wertschätzung macht krank«, sagt der Neurobiologe Joachim Bauer, der die Bedeutung von Anerkennung und Wertschätzung für die Gesundheit und Leistungskraft von Mitarbeitern untersucht hat. »Wir Menschen sind aus neurobiologischer Sicht auf soziale Resonanz und Kooperation angelegte Wesen. Es ist der Kern aller menschlichen Motivation, zwischenmenschliche Anerkennung, Wertschätzung und Zuwendung zu finden und zu geben.«2
Fehlender Respekt kostet richtig viel Geld: Im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales hat das Kölner Institut Great Place to work eine Untersuchung unter 37.000 Mitarbeitern aus 314 Unternehmen durchgeführt. Ergebnis: Nur 36 Prozent der Beschäftigten fühlten sich an ihrem Arbeitsplatz anerkannt; die Befragten litten unter Angst um den Job, unter unfairer Bezahlung und mangelndem Respekt. Das hat Auswirkung auf die Motivation, auf die Krankentage, auf das Interesse der Mitarbeiter, im Unternehmen zu bleiben.
Auch andere Forschungsarbeiten – etwa am Institut für medizinische Soziologie am Universitätsklinikum Düsseldorf unter der Leitung von Professor Johannes Siegrist – stellen einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Respektlosigkeit am Arbeitsplatz und körperlichem wie geistigem Leistungsabfall fest.
Eine Untersuchung des Thinktanks Level Playing Field Institute in San Francisco beziffert den wirtschaftlichen Schaden, den qualifizierte Arbeitskräfte verursachen, die kündigen und als Kündigungsgrund »Unfairness« angeben, auf 64 Milliarden Dollar. Allein in den Vereinigten Staaten! Randgruppen wie Schwarze oder Homosexuelle verlassen im Vergleich zu den übrigen Mitarbeitern nach derselben Studie zwei – bis dreimal so häufig ein Unternehmen aus Mangel an entgegengebrachtem Respekt als die übrigen Mitarbeiter. 3
Die gute Nachricht: Ethik und Rendite lassen sich gleichzeitig verwirklichen
Auf der anderen Seite: Wo Respekt gelebt wird, arbeiten Unternehmen effizienter und erfolgreicher. Dort sind die Mitarbeiter weniger krank, kündigen seltener und zeigen mehr Eigeninitiative; Betriebsklima und Kundenbindung sind besser.
Eine Studie der Bonner Unternehmensberatung Deep White und dem MCM Institute der Universität St. Gallen kommt zu dem Ergebnis: »Die Arbeitswelt in deutschen Unternehmen ist insgesamt durch ›harte Werte‹ wie Macht, Verantwortung und Hierarchie geprägt. Zu viel Routine, Führung mit Angst oder eine schlechte Streitkultur haben aber einen nachgewiesenen, negativen Einfluss auf die Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter und damit auf den Geschäftserfolg. (. . .) Der geschäftliche Erfolg ist abhängig von der Wertekultur. Ein Viertel des Erfolgs von Unternehmen kann mit der gelebten Wertekultur am Arbeitsplatz erklärt werden.«4
»Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es zurück.« Wohl wahr! Denn eine Führungskraft, die ihre Mitarbeiter respektiert, erfährt automatisch ebenfalls mehr Respekt von diesen. Diese Führungskraft hat eine positivere Ausstrahlung, kann besser motivieren und wird im Endeffekt mehr Erfolg haben als jemand, der es an Respekt fehlen lässt. Respektvolles Handeln und wirtschaftlicher Erfolg widersprechen einander nicht.
Im Alltag herrschen zwar meist noch die alten Grundsätze, nach denen Gewinn und Marktanteil alles sind. Natürlich ist es notwendig, die Arbeitsresultate im Auge zu behalten. Doch inzwischen ist klar: Das ist nicht die ganze Wahrheit. Untersuchungen belegen, dass Ethik und Rendite sich gleichzeitig verwirklichen lassen. Ja, mehr noch: Wertschätzung und Wertschöpfung bedingen einander. Sie gehen Hand in Hand!
Respekt: Versuch einer Definition
Was hat es mit dem Respekt eigentlich genau auf sich? Was ruft ihn hervor? Wie drückt er sich aus? Wie wird er definiert?
Bevor Sie weiterlesen, beantworten Sie einfach einmal für sich selbst die nachfolgenden Fragen:
Mit dem Respekt verhält es sich ein bisschen wie mit der Liebe: Vom Gefühl her weiß jeder sofort, was damit gemeint ist – doch eine eindeutige Definition zu finden, fällt schwer. Es gibt Respekt, der sich gewissermaßen auf Augenhöhe vollzieht, beispielsweise zwischen Arbeitskollegen. Doch auch der Führungskraft bringen wir Respekt entgegen – besonders, wenn wir ihre Kompetenz spüren. Andererseits erwarten wir ebenso, dass die Führungskraft uns ihrerseits mit Respekt behandelt. Für Mangel an Respekt, für Respektlosigkeit, haben wir alle eine feine Antenne. Eltern erwarten Respekt von ihren Kindern – und Kinder können durch Beobachtung ihrer Eltern und Bezugspersonen lernen, was respektvoller Umgang miteinander bedeutet. Alle wissen, was eine »Respektsperson« ist – denn von Respekt sprechen wir häufig auch im Zusammenhang mit Autoritäten und älteren Menschen. Respekt lässt sich durchaus erzwingen, er kann aus Angst gespeist sein: Herrscher fordern ihn gebieterisch von ihren Untertanen, Staaten möchten, dass man ihre Symbole respektiert, und sanktionieren Respektlosigkeiten auf diesem Gebiet. Respekt muss sich nicht notwendigerweise auf andere Menschen beziehen: Vor großen Kunstwerken können wir ebenso Respekt empfinden wie vor der Stille einer Kirche oder vor der Herrlichkeit der Natur . . . Nicht zuletzt spielt der Respekt, den wir unserer eigenen Person entgegenbringen, für unser Selbstgefühl eine entscheidende Rolle: Denn dass ein Leben unter dem Siegel der Selbstwertschätzung anders verläuft als unter dem der Selbstverachtung, leuchtet ein.
Worauf sich die Respektbekundungen jeweils richten – das hat sich über die Zeiten hinweg gewandelt. Wenn wir alte Filme anschauen, amüsieren wir uns manchmal: Wer da alles früher als »Respektsperson« galt! Der Generation Internet ist heute beinahe das gesamte Wissen der Welt durch wenige Mausklicks abrufbar. Kein Wunder, dass da der Respekt vor Titeln oder vor Experten schwindet . . . Und doch spricht der Soziologe Bernhard Bauhofer von der »neuen Sehnsucht nach Respekt im 21. Jahrhundert«. Persönlichkeiten, die authentisch, kompetent und erfolgreich sind, werden nach wie vor respektiert und bieten Orientierung. Wie andere Werte – Ehrlichkeit, Fairness, Höflichkeit, Gerechtigkeit, Verantwortungsbewusstsein – erfährt auch der Respekt in unserer Zeit eine Renaissance. [Ref 6]
Was ist das also – Respekt? Ein Begriff, der viele Facetten umfasst, so viel ist sicher. Den Psychologen und Philosophen ist es bisher noch nicht gelungen, eine allgemein anerkannte Definition zu finden. [Ref 7]
Sprachgeschichtlich hat »Respekt« mit Schauen und Sehen zu tun. Das Wort geht auf den lateinischen Ausdruck respectus zurück und auf das Verb respicere – beides ursprünglich Ausdrücke für das Zurückblicken. Im Deutschen haben wir in dem Wort »Rücksicht« eine ganz wörtliche Entsprechung – ein Ausdruck, der seinerseits in das Begriffsfeld »Respekt« hineingehört. Denn wer Rücksicht nimmt, erweist anderen Menschen Respekt.
Respekt ist nicht gleich Respekt
»Respekt ist das, was man jemandem entgegenbringt, einfach weil er ein Mensch ist«, schreibt der Benediktinerpater Mauritius Wilde in seinem Buch über Respekt und Wertschätzung. Doch Respekt ist nicht gleich Respekt. Das Wort »Respekt« kann Verschiedenes ausdrücken:
Eine Haltung, die sich darin zeigt, einen anderen Menschen zu (be)achten – unabhängig von Herkunft, Aussehen, Religion, Status etc.Die Rücksichtnahme gegenüber anderen Menschen, gegenüber ihren Bedürfnissen und VerletzlichkeitenDer Ausdruck einer angemessenen Distanz in einer Beziehung: »Hier bin ich, dort bist du.«Bei gleichberechtigten Partnern: die wechselseitige Wertschätzung auf gleicher AugenhöheDie Anerkennung einer besonderen Leistung.Respekt kann an herausragende Leistungen gekoppelt sein – muss es aber keinesfalls. Denn Respekt steht allen Menschen zu – einfach, weil sie da sind. Niemand muss etwas »Besonderes« vorweisen können, niemand muss zuerst irgendwelchen Erwartungen entsprechen, um Anspruch auf respektvolle Behandlung zu haben. Respekt ist so nötig wie die Luft, die wir atmen – und er sollte auch so selbstverständlich sein. [Ref 8]
Eine persönliche Erinnerung
Ich erinnere mich noch sehr genau an eine Situation, in der ich als junge Schülerin Respekt erlebt habe. Es war der Tag, an dem mir mein Klassenlehrer mitteilte, dass ich nicht versetzt werden würde. Sicherlich können Sie sich vorstellen, wie mulmig mir damals war, als ich »zum Gespräch« gebeten wurde . . . Was mein Lehrer seinerzeit wörtlich zu mir sagte, weiß ich nicht mehr. Doch bis heute spüre ich noch die Freundlichkeit und Zuwendung, mit der er mir die unangenehme Botschaft übermittelte. Er gab mir zu verstehen: »Andrea, ich mag dich und schätze dich sehr. Es tut mir leid, dass du dein Klassenziel nicht erreicht hast, und ich unterstütze dich gerne, damit sich deine Leistungen in Zukunft wieder verbessern.«
Was habe ich als Schülerin (ich war damals ungefähr zehn Jahre alt) in dieser Situation gelernt? Ich habe gespürt, dass mein Lehrer mich trotz einiger schlechter Zensuren als Person achtete. Meine Leistungen waren das eine – sie waren der Grund, warum er mich nicht versetzen konnte. Doch zugleich hat er mir vermittelt, dass meine Leistungen nichts an dem Respekt änderten, den er mir als Mensch entgegenbrachte. Bis heute habe ich einen guten Kontakt zu diesem Lehrer, der jetzt dabei ist, seinen Ruhestand vorzubereiten.
Von Bewertung und Anerkennung[Ref 9]
Der amerikanische Philosoph Stephen Darwall unterscheidet zwischen »vertikalem« und »horizontalem« Respekt. Der »vertikale« Respekt bewertet – eine besondere Leistung zum Beispiel. Er erkennt beispielsweise die Verdienste eines Nobelpreisträgers, eines erfolgreichen Sportlers oder einer tüchtigen Führungskraft an. Der »horizontale Respekt« dagegen ist bedingungslos; er wird jedem Menschen entgegengebracht, weil dieser eine autonome Persönlichkeit ist. Die »horizontale« Art von Respekt bewährt sich immer gerade dann, wenn es schwierig wird; wenn es zum Beispiel im Job problematische Gespräche, Absagen, Kritik oder personenbezogene Kündigungen gibt. »Der horizontale Respekt, die Anerkennung des anderen als autonomen Menschen, das ist die Basis für das Zusammenleben überhaupt«, sagt der Hamburger Respektforscher Niels van Quaquebeke.
Warum ist Respekt so wichtig?
Im Wesentlichen bedeutet Respekt für mich nichts anderes als: den anderen als Menschen zu sehen. Wie sehr wir auf Respekt angewiesen sind, spüren wir immer dann, wenn er uns fehlt – wir nicht genügend oder überhaupt nicht respektiert werden. Gerade in schwierigen Situationen ist es so wichtig, vom anderen beachtet und gut behandelt zu werden.
Ein Fall von Respektlosigkeit
Ein junger Mann, der Teilnehmer eines Projektes für Arbeitsuchende war, berichtete mir einmal von einem »Vorstellungsgespräch«. Er bewarb sich um eine einfache Aushilfstätigkeit als Lagerist. Ich erinnere mich noch genau, wie aufgeregt er schon Tage vor dem Vorstellungstermin war. Er hatte keine Ausbildung, war sprachlich nicht besonders gewandt und äußerst ungeübt für solche Situationen. Als er von seinem Termin zurückkam, war er deprimiert und traurig. Er erzählte mir: Außer ihm waren noch ungefähr 15 andere Bewerber zur selben Uhrzeit einbestellt worden. Nach einer Wartezeit betrat ein Mann den Raum – »keine Ahnung, wer das war« –, sah sich um, deutete mit dem Finger auf drei der Bewerber und sagte: »Du, du und du, mitkommen – die anderen können gehen!« Das war der »Vorstellungstermin«, dem der Teilnehmer mit solcher Spannung und Hoffnung entgegengefiebert hatte!
Zugegeben, hier handelt es sich um einen besonders extremen Fall von Respektlosigkeit. Leider könnte ich Ihnen noch viele derartige Beispiele nennen aus einer Zeit, in der ich Arbeitsuchende dabei unterstützte, wieder in Lohn und Brot zu kommen. [Ref 10]
In einer Situation wie der beschriebenen kommt es noch nicht einmal entscheidend darauf an, dass der junge Mann den Job nicht bekommen hat – viel verletzender war die Abwertung seiner Persönlichkeit zu einem ersetzbaren Etwas. Solche Situationen werfen ein Schlaglicht auf die Kultur in dem betreffenden Unternehmen. Verdient nur der Starke und Selbstbewusste Respekt – der Schwache und Hilfsbedürftige dagegen nicht?
»Respekt ruft Respekt hervor«, schreibt der Benediktinerpater Mauritius Wilde. Das heißt: Wenn Sie einem anderen Menschen Respekt entgegenbringen, können Sie am ehesten damit rechnen, auch selbst respektiert zu werden. [Ref 11]
Bedeutet das nicht auch, dass es Ihnen leichter fallen wird, den anderen zu respektieren, wenn Sie sich selbst respektieren können? Haben Sie überhaupt schon einmal darüber nachgedacht, wie es um Ihren Respekt sich selbst gegenüber bestellt ist?
Bereits das Wort »Respekt« selbst lädt gewissermaßen dazu ein, einmal eine andere Brille aufzusetzen. Denn, wie erwähnt: Sprachgeschichtlich hat Respekt mit »Schauen« und »Sehen« zu tun.
Jeder Erwachsene, der sich die Frage stellt, ob er sich selbst gegenüber ausreichend Respekt aufbringt, wird unweigerlich irgendwann damit beginnen, über seine Kindheit nachzudenken. Denn die Kindheit ist der Lebensabschnitt, der auf die spätere Selbstachtung einen entscheidenden Einfluss ausübt. [Ref 12]