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"Revolution der Ernährung: die neue vollwertige Ernährung des Menschen" war ein Vortrag von Max Bircher-Benner aus dem Jahre 1930. In diesem Vortrag beschreibt Bircher-Benner in Kurzform seine Erkenntnisse in der Ernährungsforschung und seine daraus abgeleitete vollwertige Ernährung. Aus dem Inhalt: Die neue Ära hat in der Tat die Pflanzenkost, die so lange herabgewürdigt worden ist, rehabilitiert. Ihr wird nun der höchste Platz zugeteilt. Es war ein europäischer Irrtum, zu lehren und zu glauben, dass der Mensch mit Pflanzenkost allein nicht ernährt werden könne. Keine andere Ernährung erreicht eine ebenso hohe Vollwertigkeit. Aber allerdings, sie darf nicht mit den üblichen vegetabilen Produkten der Küche und mit Weißbrot versucht werden. Sie darf auch nicht mit Trockenfrüchten und Erdnüssen à la Süßkind versucht werden. Von der Lehre zur praktischen Verwirklichung der Ernährung mit diesen vollwertigen Nahrungsmitteln, den Akkumulatoren erster Ordnung, ja selbst auch zu einer aus erster und zweiter Ordnung gemischten Ernährung führt ein Weg, der in der Regel nur für das Kindesalter leicht zu begehen ist, mit steigendem Alter unter den Einflüssen der zivilisierten Ernährungssitten, — ich nenne nur die Schwächung der Kaukraft und der Verdauungsorgane, die Versäuerung und die Harnsäurebelastung, — schwieriger und dornenvoller wird. Die Verwirklichung wird zur Umstellung und erfordert Erfahrung, Technik, Sorgfalt und gütiges Verständnis für menschliche Natur, kurz — eine ganz besondere Kochkunst. "Der Weg ist schwer", sagt der weise Chinese, "aber die leichten führen nicht zum Himmel." Wo immer diese Umstellung, sachkundig und verständig durchgeführt, gelingt, zeitigt sie ungeahnten Gewinn an Gesundheit und Leistungsfähigkeit. Es bestätigt sich dabei, dass dem Menschen von Natur eine frugivore Ernährung bestimmt ist. Als Extra ist der Vortrag "Frischgemüse im Haushalt" enthalten, der erstmals 1934 in Schriftform erschienen ist. Erstveröffentlichung: Wendepunkt-Verlag 1931 und 1934 Autor: Dr. med. Max Bircher-Benner 2. E-Book-Auflage 2018 Umfang: ca. 60 Buchseiten, mehrere Original-Abbildungen
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Seitenzahl: 85
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Revolution der Ernährung:
die neue vollwertige Ernährung
des Menschen
und
Frischgemüse im Haushalt
Die Bedeutung ihrer Verwendung und Zubereitung
von
„Revolution der Ernährung“ und „Frischgemüse im Haushalt“ von Dr. med. M. Bircher-Benner
Erstveröffentlichung: Wendepunkt-Verlag 1931 und 1934
Cover: Severin Roesen – Still Life with a Basket of Fruit
Neuauflage: F. Schwab Verlag – www.fsverlag.de
Copyright © 2018 by F. Schwab Verlag
Wenn man im Interesse der Gesundung unseres Volkes auf die neuen Erkenntnisse der Ernährungswissenschaft, auf die vielfachen Schäden einer falschen Ernährung und auf die dringende Notwendigkeit einer durchgreifenden Ernährungsumstellung hinweist, stößt man immer und immer wieder auf eine erstaunliche Unkenntnis. Immer noch glauben viele, es handle sich bei diesen Fragen um die Ansicht einiger weniger „übermoderner“ Ärzte und Forscher und wenige wissen, dass eine Revolution in den Ernährungsfragen eingetreten ist, vorbereitet durch die zähe, jahrzehntelange Forscherarbeit von Legionen von Ärzten und Wissenschaftlern der verschiedensten Länder.
Eine ganz knappe, übersichtliche Darstellung über diesen Entwicklungsgang der Wissenschaft hat bisher gefehlt. Es ist uns deshalb eine besondere Freude, diese Lücke durch den kurzen Vortrag des berühmten Züricher Ernährungsforschers und praktischen Arztes Dr. med. M. Bircher-Benner schließen zu können, der kürzlich als Einleitung einer Vortragsreihe auf der Züricher Internationalen Kochkunstausstellung gehalten worden ist. Die verschiedenen Probleme sind in diesem Vortrag absichtlich nur angetönt, da dessen Aufgabe darin bestand, lediglich die große Linie der Entwicklung aufzuzeigen. Um auch die praktische Nutzanwendung zu geben, wurde dem 1. Vortrage auch noch der Hauptinhalt des vierten auf der Kochkunstausstellung in Zürich gehaltenen Vortrages über die neue vollwertige Ernährung des Menschen beigefügt. Wer sich genauer mit diesem Problem beschäftigen will findet reichen Aufschluss in den populären Schriften des Autors „Eine neue Ernährungslehre“, „Ernährungskrankheiten“ und „Ungeahnte Wirkungen einer falschen und richtigen Ernährung“.
Möge dieses Büchlein eine Bresche schlagen in zähe, weitverbreitete Vorurteile und die Erkenntnis in weiteste Kreise tragen, dass unsere wissenschaftlichen Anschauungen in Ernährungsfragen — übrigens nicht zuletzt dank der unermüdlichen, segensreichen Arbeit des verehrten Autors in den letzten Jahrzehnten —einer neuen Morgenröte entgegengehen. Wenn dieses Wissen erst in breitere Kreise gedrungen ist, dann wird auch der Wille, die Nutzanwendungen der neuen Erkenntnisse für sich selbst zu ziehen, immer mehr wachsen, und damit eine Gesundung unseres Volkes eintreten, die mit allen Kräften vorzubereiten der Leitstern des Autors wie des Verlages ist.
Basel, Leipzig, Wien, im November 1930.
Wendepunkt-Verlag A.-G.
Meine verehrten Damen und Herren!
Bevor ich mit unserem Thema beginne, möchte ich Ihnen sagen, dass das rege Interesse, das Sie der Ernährungsfrage, dieser Lebensfrage, entgegenbringen, mich mit dem Wunsche erfüllt, meine Aufgabe so zu lösen, dass Sie einen nutzbaren Gewinn nach Hause tragen. Die Behandlung der Ernährungsfrage vor der Öffentlichkeit stößt indessen unvermeidlich auf einen schwierigen Punkt: auf die Grundverschiedenheit des Sehens beim Laien und beim Arzte. Gestatten Sie mir deshalb, darüber zuerst einige Worte zu sagen.
Die Aufmerksamkeit des Menschen im Alltag ist auf seine Pflichten, seinen Beruf, seinen Erwerb, sein Emporkommen, seine Geltung in der Gemeinschaft, sein Glück und sein Unglück und auf die Erlangung von Lebensgenuss gerichtet. Gesundheitspflege und Ernährung bleiben Fragen eines wenig belichteten Hintergrundes. Sie regeln sich nach den vorhandenen Sitten und Gebräuchen eines Volkes. Und diese Sitten und Gebräuche, seien sie gesundheitlich gut oder schlecht, genießen ein kaum bewusstes, aber desto größeres Vertrauen.
Der Blick des Arztes dagegen richtet sich auf eine andere Seite des menschlichen Lebens, auf die leidenden, erkrankten, geschwächten, zerbrochenen, dahinsiechenden Menschen, auf die Tragödie der erschütterten und schwindenden Gesundheit, auf qualvolles und notbringendes Vergehen. Soll ich von meinem Erleben sprechen, so muss ich Ihnen sagen, dass seit vier Jahrzehnten Tag für Tag die Bilder des Leidens vor meinen Augen vorüberzogen und die Geschichten der Krankheiten, der geschwächten Konstitutionen und der Not wie Wellen des Meeres an mein Ohr brandeten. Wer darf sich wundern, wenn dabei im Innern des Arztes ein anderes Denken einsetzt als im Laien, wenn er nicht nur nach Linderungs- und Trostmitteln sucht, sondern auch nach den wahren Ursachen all dieser Krankheitsnot und nach ihren Zusammenhängen mit dem Alltagsleben, den Sitten und Gebräuchen der sogenannten gesunden Menschheit. Findet er bei diesem Suchen ursächliche Fehler und Mängel in den Sitten und Gebräuchen, so kommt er sogleich in einen Gegensatz zur Welt und in einen Widerspruch zu den herrschenden Meinungen und Wertungen. Dass er es wagt, auf Grund seiner eigenen neuen Erkenntnisse Kranke auf ungewöhnlichem Wege zu heilen, erregt schon Anstoß; an die Sitten und Gebräuche jedoch zu greifen, um den Ursachen auf den Leib zu rücken und die Verhütung der Krankheiten anzustreben, das überschreitet das Maß der Duldung.
Es war ein erschütterndes Ereignis in meinem jungen Arztleben, als ich eines schönen Tages erkennen musste, dass meine Ernährungswissenschaft nicht standhielt, dass meine Diätetik dem Kranken nichts half, dass dagegen eine diametral entgegengesetzte Diätetik, von der ich nur Schaden erwartet hätte, die kaum mehr erhoffte Hilfe brachte. Das war eine entscheidende Stunde in meinem Leben und zugleich eine schmerzliche und eine folgenschwere Entdeckung. Sie liegt jetzt 35 Jahre zurück.
Von jenem Tage an datiert mein Interesse für die Ernährungsfrage. Es wuchs von Jahr zu Jahr, denn die überraschenden günstigen Erfahrungen wiederholten sich bei anderen Kranken, summierten sich, meine Einsicht in die Ernährungsfrage und ihre Zusammenhänge mit dem Erkranken und dem Gesunden vertiefte sich. Ich sah, dass weder die Tiere noch die Menschen die Nahrung um der Eiweißstoffe willen zuführen, sondern um der Energie willen. Aber diese Energie war mit dem Kalorienmaß nicht zu werten. Sie war nicht Wärme, sondern auch für den Menschen, wie für die Pflanzen, die elektromagnetische Energie des Sonnenlichtes. Damit gelangte ich zu einer neuen Wertung der Nahrungsmittel. Ihren Nährwert entschied die Reinheit oder Unreinheit des in ihnen vorhandenen Sonnenlichtes. Unreine Sonnenlichtnahrung schuf die Krankheit, reine Sonnenlichtnahrung die Gesundung. Vor meinen Augen erhob sich die Ernährungsfrage zu einer neuen, unermesslichen Bedeutung für die kranke wie für die gesunde Menschheit.
Nunmehr war für mich lichtstärkste, vollwertigste und heilkräftigste Nahrung die frische Frucht und das frische grüne Blatt, kurz Rohkost; die Fleischnahrung dagegen sank auf die niedrigste Stufe. Damit hatte sich der Widerspruch zu den Ernährungssitten und -gebräuchen in seiner ganzen unerbittlichen Schärfe aufgetan. Ich musste mich auf einen harten Kampf gefasst machen. Sollte ich nicht lieber schweigen? Noch heute, da ich diesen Vortrag beginne, empfinde ich die Kluft, die mein Schauen und die allgemeinen Ernährungsbegriffe trennt, — die Zika markiert sie ja mit aller Deutlichkeit, — wieder regte sich die bange Frage: „Soll ich nicht lieber schweigen?“ Doch da erheben sich vor meinem Blicke wieder die vielen Leidensgestalten der vergangenen Jahrzehnte, diese infernale Leidenstragödie infolge Missernährung der Zivilisation, zugleich mit den oft so mühsam erzielten und doch so überraschenden Heilerfolgen. Sie sagen: „Du musst sprechen!“ Und ich gehorche.
Die Zeit brachte mir eine mächtige Unterstützung. Während die Jahre dahinflossen, vollzog sich in der wissenschaftlichen Ernährungsforschung eine wahre Revolution, der sich unsere Aufmerksamkeit nunmehr zuwenden mag.
Wie alt ist denn eigentlich die Ernährungswissenschaft? In der Urzeit, als der Mensch noch im Garten Eden lebte, ernährte er sich nach dem Worte des Schöpfers: „Siehe, ich habe euch allerlei Kraut gegeben, das sich besamet auf dem ganzen Erdboden, und fruchtbare Bäume, die sich besamen, die sollen eure Speise sein.“ Und in der Tat: Das Gebiss des Menschen ist diesem Worte des Schöpfers entsprechend ein reines Fruchtessergebiss. Im Garten Eden kannte der Mensch die Zubereitung der Nahrung mit Feuer noch nicht. Doch das Menschengeschlecht breitete sich über die Erde aus. Die Eiszeit kam mit Not und Schrecken. Da lernte es auch die Tiere des Landes, des Meeres und der Luft als Nahrung zu gebrauchen und folgte dabei dem Vorbilde der karnivoren Tiere, der Raubtiere. Zuerst nahm es, wie jene Tiere, die animale Nahrung im lebenden, rohen Zustande. Erst später bediente es sich des Feuers zur Zubereitung des Mahles. Sie kennen wohl alle die Sage von Prometheus, der den Göttern das Feuer stahl und den Menschen auf die Erde brachte. Er wurde zur Strafe an einen Felsen geschmiedet, und der Adler fraß ihm die Leber weg. In diesem Symbol spricht die erstaunliche Einsicht der alten Weisen, die schon in altersgrauer Zeit erkannten, dass die Hitze des Feuers die Nahrung schädigt und dem Menschen schwere Ernährungskrankheiten bringt. Erst die allerneueste Ernährungsforschung hat dieses Wissen der Alten bestätigt. Jahrtausende sind nun vergangen. An den ausgegrabenen Knochenresten der Vorzeit und an ägyptischen Mumien wurde nachgewiesen, dass schon früh die Nährschäden sich einstellten. Viele Überlieferungen bezeugen das Vorhandensein von Wissen über die Wirkungen der Nahrung, doch eine Ernährungswissenschaft im heutigen Sinne existierte nicht vor dem neunzehnten Jahrhundert.
Der Aufschwung der Naturwissenschaften, insbesondere der Chemie, ermöglichte mit Anbruch des 19. Jahrhunderts die Inangriffnahme des Ernährungsproblems mit den Hilfsmitteln der wissenschaftlichen Chemie. So datiert denn die eigentliche Ernährungswissenschaft erst seit dem Ende der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts. Sie knüpft sich an berühmte Namen, an Liebig, Voit, den jetzt noch in Berlin lebenden Rubner, an den Basler Physiologen v. Bunge und andere, denen allen wertvolle wissenschaftliche Erkenntnisse zu verdanken sind.
Die chemische Untersuchung der Nahrung führte zur Entdeckung der drei Nährstoffe: Eiweiß, Fett, Kohlehydrat (Zuckerstoff), die in allen Nahrungsmitteln vorhanden sind. Diese Nährstoffe lieferten die Bausteine zum Aufbau des menschlichen Organismus und die Betriebskraft für den Energieverbrauch. Ihre Verbrennungswärme wurde in Kalorien festgestellt und daraus die Verbrennungswärme der Nahrungsmittel berechnet. Rubner konnte nachweisen, dass für den Energieverbrauch des Menschen das Gesetz von der Erhaltung der Energie, der von Julius Robert Mayer entdeckte I. Hauptsatz der Wärmelehre, gültig ist. Voit gab aus statistischen Berechnungen den Standard des Bedarfes: Ein Mann von 70 Kilogramm Körpergewicht bedarf pro Tag bei mittlerer Arbeit 120 g Eiweiß, 50 g Fett, 500 g Kohlehydrate und zusammen 3000 Kalorien.
Mit solchen noch zu ergänzenden Kenntnissen glaubte man sagen zu können, was der Mensch zu seiner vollwertigen Ernährung braucht. Am wichtigsten unter den Nährstoffen erschien das Eiweiß, das man aus dem Stickstoffgehalt der Nahrungsmittel errechnete. Der Nährwert wurde auf den Eiweißgehalt eingestellt. Die Nährwerttabellen entstanden. Je mehr Eiweiß, umso nahrhafter. So entstand die Wertung des Muskelfleisches als eines besonders kräftigen Nahrungsmittels, während man eine Frucht, ein grünes Blatt wegen des relativ geringen Eiweißgehaltes als geringwertig einschätzte.