Rheinsberg - Kurt Tucholsky - E-Book

Rheinsberg E-Book

Kurt Tucholsky

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Beschreibung

Eine Liebesgeschichte über ein junges unverheiratetes Paar, das einen Wochenendausflug ins Brandenburgische Rheinsberg macht: Die Berliner Claire und Wolfgang geben sich als "Ehepaar Gambetta" aus, um ein ungestörtes Wochenende in der Natur verbringen zu können. Sie fahren Boot, besichtigen das Schloss Rheinsberg und amüsieren den Leser mit ihrer vor Ironie und bisweilen Sarkasmus strotzenden Umgangssprache. -

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Kurt Tucholsky

Rheinsberg

Ein Bilderbuch für Verliebte

Saga

RheinsbergCoverbild / Illustration: Shutterstock Copyright © 1912, 2020 Kurt Tucholsky und SAGA Egmont All rights reserved ISBN: 9788726540192

1. Ebook-Auflage, 2020

Format: EPUB 2.0

Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit Zustimmung von SAGA Egmont gestattet.

SAGA Egmont www.saga-books.com und Lindhardt og Ringhof www.lrforlag.dk

– a part of Egmont www.egmont.com

RHEINSBERG

Natürlich kommt das nie mehr wieder.

Allein: es war einmal.

Ich war ein Star und pfiff die bunten Lieder;

ich war Johann, der muntre Seifensieder –

und Claire war real.

Das ist schon lange her.

Und heute –?

Jetzt sind die andern dran.

Nach unsrer Sprache plaudern Liebesleute,

Zahntechniker und ihre jungen Bräute . . .

Das hört sich also an:

„Du sock nich imme nach die annern

Mättschen blickn!

Isch eiffesüschtisch, olle Bums-Roué!

Du imme mit die kleinen Dickn!

Nu isch ins Bett bigehn bimickn,

weil müdischlisch biwé!“

So liebt euch denn (in allen Ehren)!

Die Liebe währet ewiglich.

Und folgt ihr dieses Büchleins Lehren

und küßt ihr euch, ihr Wölfchen

und ihr Clairen –:

dann denkt an mich.

Kurt Tucholsky

Seinen eigentlichen Anfang nahm das Abenteuer erst, als sie in Löwenberg ausstiegen. Der D-Zug ruhte lang und dunkel in der Halle unter dem Holzdach – sie durchschritten einen Tunnel; oben, in hellem Sonnenlicht, stand die Kleinbahn, wie aus Holz gefügt, steif und verspielt.

Sie stiegen ein.

„Claire?“

„Wolfgang?“

„Diese Bahn scheint noch lange hier zu stehen . . . machen wir einen kleinen Spaziergang?

„Setz dich hin und falte die Hände! Sie geht gleich ab.“

Der Zug ruckte und ruckelte sich gemächlich durch Salatgärten, Hofmauern. Der Horizont flimmerte blendend weiß . . . War es eine Schönheit, diese Landschaft? – Nein: da standen Baumgruppen, durch nichts ausgezeichnet, das Land wurde wellig in der Ferne, versteckte ein Wäldchen und zeigte ein anderes – man freute sich im Grunde, daß alles da war . . . Das Maschinehen schob und klingelte zornig, durch den staubigen Rauch hindurch klingelte es melodisch, wie eine läutende Kirchturmsglocke bei Sturm.

„Wolf, den Reiseführer!“

Sie hatten ihn im D-Zug liegen lassen – er hatte ihn im D-Zug liegen lassen.

Sie hielten, mitten im Walde, auf der Strecke.

Die Köpfe heraus; die Beamten waren zurückgelaufen, hatten Schaufeln mitgenommen: die Lokomotive mußte Funken ausgeworfen haben, ein kleiner Brand war entstanden . . .

„Ich will mitlöschen!“

Er kugelte den sandigen Abhang hinunter; die Reisenden lachten. Oben stand Claire und verdrehte die Augen.

„Du mußt ja . . .!“

Er kam zurück, ganz bestaubt, lächelnd, glücklich. Er hatte sich wieder einmal betätigt. Die Beamten kamen, stiegen auf, der Zug ruckte an . . .

„Eigentlich . . .“

„Na?“

„Ich finde es heiter. Denk mal, mein Papa und mein’ Mama sitzen jetzt im Kontor, fahren in der Stadt herum und glauben ihr Töchterchen wohlgeborgen im Schoß der treusorgenden Freundin. Hingegen . . .“

„Hingegen . . .?“

„Na ja, treusorgen sorgst du ja für mich . . .“

Der Jäger nebenan hatte schon lange in sich hineingelacht. Er saß da, grün, bepackt, schwer und braungebrannt. Man hatte, wenn man ihn sah, die Empfindung von ganz frühen, feuchten Morgen, ein Mann tappt durch den halbdunklen Wald, es riecht kräftig und gut . . . Das kleine, runde Loch der Büchse guckte unheilverkündend, schwarz und dunkel in die Luft: kleine Kugeln werden herausfliegen, das Reh, auf das es morgen gerichtet wird, lief vielleicht jetzt gerade mit seinen Gefährten zur Quelle, trank und war zierlich im Walde verschwunden . . . Der Jäger stand auf, stopfte sich eine Pfeife und sagte beim Hinausgehen: „Schonzeit, junger Mann, Schonzeit!“ – und trampfte lachend davon.

Das Kupee war erfüllt von ihrem Schreien, das die rumpelnden und klirrenden Geräusche übertönen sollte.

Man verständigte sich nur schwer:

„ . . . Sonne weit über das Land . . .“

„ . . . wie? Sonne reit’ über das Land? . . .“

„ . . . nein . . . Sonne weeiit . . . Land . . . Seh mal: ’ne Akazie! ’ne blühende Akazie, lauter blühende Akazien!“

„Is gar keine, is ’ne Magnolie!“

„Hach! Also wer weiß denn von uns beiden in der Botanik Bescheid? Ich oder ich?“

„’ne Magnolie is es.“

„Meine Liebe, ich müßte bedauern, es mit einem kräftig geführten Schlag gegen Sie nicht bewenden lassen zu können. Alle Wesensmerkmale der Akazie deuten auch bei diesen Bäumen auf eine solche hin.“

„Is aber ’ne Magnolie.“

„Herr Gott, Claire! Siehst du denn nicht diese typisch ovalen Blätter, die weißen, kleinen, traubenförmigen Blütenstiele! – Mädchen!“

„Aber . . . Wölfchen . . . wo es doch ’ne Magnolie is . . .“

Sie erstickte in Küssen.

Dann galt es noch eine Bauersfrau nachzuahmen, die auf der letzten Station hochgeschürzt und breitbeinig stehengeblieben war, um sich vermittels ihres zweiten Unterrocks zu schneuzen. Claire erwies sich hierbei als geschickt und brauchbar.

Endlich kamen sie aber doch an.