Robinson Crusoe - Daniel Defoe - E-Book + Hörbuch

Robinson Crusoe Hörbuch

Daniel Defoe

4,5

Beschreibung

Illustrierte und überarbeitete Ausgabe Robinson Crusoe ist ein Roman von Daniel Defoe, der die Geschichte eines Seemannes erzählt, der mehrere Jahre auf einer Insel als Schiffbrüchiger verbringt. Das Buch erschien 1719 und gilt als der erste englische Roman. Der junge Kaufmannssohn Robinson Crusoe setzt trotz der Ermahnungen seines Vaters die gesicherte Existenz in England aufs Spiel und versucht sein Glück im Überseehandel. Er erlebt spannende Abenteuer auf seinen ersten Reisen, bis er schließlich bei einem Sturm in der Karibik Schiffbruch erleidet und allein auf einerabgelegenen Insel strandet. Für Crusoe beginnt ein jahrelanger, abenteuerreicher Kampf ums Überleben. Die Geschichte von Robinson Crusoe kann auf das Leben des Abenteurers Alexander Selkirk zurückgeführt werden. Selkirk blieb vier Jahre und vier Monate auf einer Insel, auf die er nach einem Streit mit seinem Kapitän ausgesetzt wurde, bis er am 2. Februar 1709 gerettet wurde. Durch Selkirks Erlebnisse ließ sich Daniel Defoe vermutlich zu seinem Roman Robinson Crusoe anregen. Null Papier Verlag

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Zeit:4 Std. 44 min

Sprecher:Rufus Beck
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Daniel Defoe

Robinson Crusoe

Illustrierte Fassung

Daniel Defoe

Robinson Crusoe

Illustrierte Fassung

Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2024Klosterstr. 34 · D-40211 Düsseldorf · [email protected]: Carl Offterdinger, A. F. LydonÜbersetzung: Karl Altmüller EV: Bibliogr. Institut, Leipzig, Wien, 1917 5. Auflage, ISBN 978-3-954180-70-7

null-papier.de/angebote

Inhaltsverzeichnis

Zum Ro­man

1. Ro­bin­sons Ju­gend­jah­re und ers­te Rei­sen

2. Skla­ve­rei und Flucht

3. Auf­ent­halt in Bra­si­li­en, Rei­se und Schiff­bruch

4. Ar­bei­ten auf dem Schif­fe und an sei­ner Woh­nung

5. Das Er­be­ben

6. Die Krank­heit

7. Ers­te Ent­de­ckungs­rei­se zu Lan­de

8. Die Ern­te

9. Der Schiffs­bau

10. Ent­de­ckungs­rei­se zu Was­ser

11. Die Zie­gen­her­de

12. Ves­ti­gia me ter­rant

13. Die Grot­te

14. Das spa­ni­sche Schiff

15. Die Kan­ni­ba­len

16. Frei­tag

17. Er­kun­di­gun­gen

18. Die Ge­ret­te­ten

19. Die Frei­beu­ter

20. Ro­bin­sons Abrei­se

21. Rei­sen

22. Neue See­rei­se

Dan­ke

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Ihr Jür­gen Schul­ze

Klas­si­ker bei Null Pa­pier

Ali­ce im Wun­der­land

Anna Ka­re­ni­na

Der Graf von Mon­te Chri­sto

Die Schat­zin­sel

Ivan­hoe

Oli­ver Twist oder Der Weg ei­nes Für­sor­ge­zög­lings

Ro­bin­son Cru­soe

Das Got­tes­le­hen

Meis­ter­no­vel­len

Eine Weih­nachts­ge­schich­te

und wei­te­re …

Zum Roman

Ro­bin­son Cru­soe ist ein Ro­man von Da­niel De­foe, der die Ge­schich­te ei­nes See­man­nes er­zählt, der meh­re­re Jah­re auf ei­ner In­sel als Schiff­brü­chi­ger ver­bringt. Das Buch er­schi­en 1719 und gilt als der ers­te eng­li­sche Ro­man.

Der jun­ge Kauf­manns­sohn Ro­bin­son Cru­soe setzt trotz der Er­mah­nun­gen sei­nes Va­ters die ge­si­cher­te Exis­tenz in Eng­land aufs Spiel und ver­sucht sein Glück im Über­see­han­del. Er er­lebt span­nen­de Aben­teu­er auf sei­nen ers­ten Rei­sen, bis er schließ­lich bei ei­nem Sturm in der Ka­ri­bik Schiff­bruch er­lei­det und al­lein auf ei­ner­ab­ge­le­ge­nen In­sel stran­det. Für Cru­soe be­ginnt ein jah­re­lan­ger, aben­teu­er­rei­cher Kampf ums Über­le­ben.

Die Ge­schich­te von Ro­bin­son Cru­soe kann auf das Le­ben des Aben­teu­rers Alex­an­der Sel­kirk zu­rück­ge­führt wer­den. Sel­kirk blieb vier Jah­re und vier Mo­na­te auf ei­ner In­sel, auf die er nach ei­nem Streit mit sei­nem Ka­pi­tän aus­ge­setzt wur­de, bis er am 2. Fe­bru­ar 1709 ge­ret­tet wur­de. Durch Sel­kirks Er­leb­nis­se ließ sich Da­niel De­foe ver­mut­lich zu sei­nem Ro­man Ro­bin­son Cru­soe an­re­gen.

1. Robinsons Jugendjahre und erste Reisen

Ich bin ge­bo­ren zu York im Jah­re 1632, als Kind an­ge­se­he­ner Leu­te, die ur­sprüng­lich nicht aus je­ner Ge­gend stamm­ten. Mein Va­ter, ein Aus­län­der, aus Bre­men ge­bür­tig, hat­te sich zu­erst in Hull1 nie­der­ge­las­sen, war dort als Kauf­mann zu hüb­schem Ver­mö­gen ge­kom­men und dann, nach­dem er sein Ge­schäft auf­ge­ge­ben hat­te, nach York ge­zo­gen. Hier hei­ra­te­te er mei­ne Mut­ter, eine ge­bo­re­ne Ro­bin­son. Nach der ge­ach­te­ten Fa­mi­lie, wel­cher sie an­ge­hör­te, wur­de ich Ro­bin­son Kreuz­na­er ge­nannt. In Eng­land aber ist es Mode, die Wor­te zu ver­un­stal­ten, und so hei­ßen wir jetzt Cru­soe, nen­nen und schrei­ben uns so­gar selbst so, und die­sen Na­men habe auch ich von je­her un­ter mei­nen Be­kann­ten ge­führt.

Ich hat­te zwei äl­te­re Brü­der. Der eine von ih­nen, wel­cher als Oberst­lieu­ten­ant bei ei­nem eng­li­schen, frü­her von dem be­rühm­ten Oberst Lock­hart be­feh­lig­ten In­fan­te­rie­re­gi­ment in Flan­dern diente, fiel in der Schlacht bei Dün­kir­chen. Was aus dem jün­ge­ren ge­wor­den ist, habe ich eben­so­we­nig in Er­fah­rung brin­gen kön­nen, als mei­ne El­tern je Kennt­nis von mei­nen eig­nen Schick­sa­len er­hal­ten ha­ben.

Schon in mei­ner frü­hen Ju­gend steck­te mir der Kopf voll von Plä­nen zu ei­nem um­her­schwei­fen­den Le­ben. Mein be­reits be­jahr­ter Va­ter hat­te mich so viel ler­nen las­sen, als durch die Er­zie­hung im Hau­se und den Be­such ei­ner Frei­schu­le auf dem Lan­de mög­lich ist. Ich war für das Stu­di­um der Rechts­ge­lehr­sam­keit be­stimmt. Kein an­de­rer Ge­dan­ke aber in Be­zug auf mei­nen künf­ti­gen Be­ruf woll­te mir be­ha­gen als der, See­mann zu wer­den. Die­ses Vor­ha­ben brach­te mich in schrof­fen Ge­gen­satz zu den Wün­schen und Be­feh­len mei­nes Va­ters und dem Zu­re­den mei­ner Mut­ter, wie auch sons­ti­ger mir freund­lich ge­sinn­ter Men­schen. Es schi­en, als habe das Schick­sal in mei­ne Na­tur einen un­wi­der­steh­li­chen Drang ge­legt, der mich ge­ra­des Wegs in künf­ti­ges Elend trei­ben soll­te.

Mein Va­ter, der ein ver­stän­di­ger und erns­ter Mann war, durch­schau­te mei­ne Plä­ne und such­te mich durch ein­dring­li­che Ge­gen­vor­stel­lun­gen von den­sel­ben ab­zu­brin­gen. Ei­nes Mor­gens ließ er mich in sein Zim­mer, das er we­gen der Gicht hü­ten muss­te, kom­men und sprach sich über jene An­ge­le­gen­heit mit großer Wär­me ge­gen mich aus. »Was für an­de­re Grün­de«, sag­te er, »als die blo­ße Vor­lie­be für ein un­s­te­tes Le­ben, kön­nen dich be­we­gen, Va­ter­haus und Hei­mat ver­las­sen zu wol­len, wo du dein gu­tes Un­ter­kom­men hast und bei Fleiß und Aus­dau­er in ru­hi­gem und be­hag­li­chem Le­ben dein Glück ma­chen kannst. Nur Leu­te in ver­zwei­fel­ter Lage, oder sol­che, die nach großen Din­gen stre­ben, ge­hen au­ßer Lan­des auf Aben­teu­er aus, um sich durch Un­ter­neh­mun­gen em­por zu brin­gen und be­rühmt zu ma­chen, die au­ßer­halb der ge­wöhn­li­chen Bahn lie­gen. Sol­che Un­ter­neh­mun­gen aber sind für dich ent­we­der zu hoch oder zu ge­ring. Du ge­hörst in den Mit­tel­stand, in die Sphä­re, wel­che man die hö­he­re Re­gi­on des ge­mei­nen Le­bens nen­nen könn­te. Die aber ist, wie mich lan­ge Er­fah­rung ge­lehrt hat, die bes­te in der Welt; in ihr ge­langt man am si­chers­ten zu ir­di­schem Glück. Sie ist we­der dem Elend und der Müh­sal der nur von Hän­de­ar­beit le­ben­den Men­schen­klas­se aus­ge­setzt, noch wird sie von dem Hoch­mut, der Üp­pig­keit, dem Ehr­geiz und dem Neid, die in den hö­he­ren Sphä­ren der Men­schen­welt zu Hau­se sind, heim­ge­sucht.«

»Am bes­ten«, füg­te er hin­zu, »kannst du die Glück­se­lig­keit des Mit­tel­stan­des dar­aus er­ken­nen, dass er von Al­len, die ihm nicht an­ge­hö­ren, be­nei­det wird. Selbst Kö­ni­ge ha­ben oft über die Miss­lich­kei­ten, die ihre hohe Ge­burt mit sich bringt, ge­klagt und ge­wünscht, in die Mit­te der Ex­tre­me zwi­schen Hohe und Nied­ri­ge ge­stellt zu sein. Auch der Wei­se be­zeugt, dass je­ner Stand der des wah­ren Glückes ist, in­dem er be­tet: ›Ar­mut und Reich­tum gib mir nicht‹.«

»Habe nur dar­auf Acht«, fuhr mein Va­ter fort, »so wirst du fin­den, dass das Elend der Mensch­heit zu­meist an die hö­he­ren und nie­de­ren Schich­ten der Ge­sell­schaft ver­teilt ist. Die, wel­che in der mitt­le­ren le­ben, wer­den am sel­tens­ten vom Miss­ge­schick ge­trof­fen, sie sind min­der den Wech­sel­fäl­len des Glücks aus­ge­setzt, sie lei­den bei wei­tem we­ni­ger an Miss­ver­gnü­gen und Un­be­ha­gen des Lei­bes und der See­le wie jene, die durch aus­schwei­fend üp­pi­ges Le­ben auf der einen, durch har­te Ar­beit, Man­gel am Not­wen­di­gen oder schlech­ten und un­zu­läng­li­chen Le­bens­un­ter­halt auf der an­de­ren Sei­te, in Fol­ge ih­rer na­tür­li­chen Le­bens­stel­lung ge­plagt sind. Der Mit­tel­stand ist dazu an­ge­tan, alle Ar­ten von Tu­gen­den und Freu­den ge­dei­hen zu las­sen. Frie­de und Ge­nüg­sam­keit sind im Ge­fol­ge ei­nes mä­ßi­gen Ver­mö­gens. Ge­müts­ru­he, Ge­sel­lig­keit, Ge­sund­heit, Mä­ßig­keit, alle wirk­lich an­ge­neh­men Ver­gnü­gun­gen und wün­schens­wer­ten Er­hei­te­run­gen sind die se­gens­rei­chen Ge­fähr­ten ei­ner mitt­le­ren Le­bens­stel­lung. Auf der Mit­tel­stra­ße kommt man still und ge­mäch­lich durch die Welt und sanft wie­der her­aus, un­ge­plagt von all­zu schwe­rer Hand- oder Kopf­ar­beit, frei vom Skla­ven­dienst ums täg­li­che Brot, un­be­irrt durch ver­wi­ckel­te Ver­hält­nis­se, die der See­le die Ruhe, dem Leib die Rast ent­zie­hen, ohne Auf­re­gung durch Neid, oder die im Her­zen heim­lich glü­hen­de Ehr­be­gier­de nach großen Din­gen. Die­ser Weg führt viel­mehr in ge­las­se­ner Be­hag­lich­keit durch das Da­sein, gibt nur des­sen Sü­ßig­kei­ten, nicht aber auch sei­ne Bit­ter­nis­se zu kos­ten, er lässt die auf ihm wan­deln mit je­dem Tage mehr er­fah­ren, wie gut es ih­nen ge­wor­den ist.«

Hier­auf drang mein Va­ter ernst­lich und in­stän­digst in mich, ich sol­le mich nicht ge­walt­sam in eine elen­de Lage stür­zen, vor wel­cher die Na­tur, in­dem sie mich in mei­ne jet­zi­ge Le­bens­stel­lung ge­bracht, mich sicht­bar­lich habe be­hü­ten wol­len. Ich sei ja nicht ge­zwun­gen, mei­nen Un­ter­halt zu su­chen. Er habe es gut mit mir vor und wer­de sich be­mü­hen, mich in be­que­mer Wei­se in die Le­bens­bahn zu brin­gen, die er mir so­eben ge­rühmt habe. Wenn es mir nicht wohl er­ge­he in der Welt, so sei das le­dig­lich mei­ne Schuld. Er habe kei­ne Verant­wor­tung da­für, nach­dem er mich vor Un­ter­neh­mun­gen ge­warnt habe, die, wie er be­stimmt wis­se, zu mei­nem Ver­der­ben ge­rei­chen müss­ten. Er wol­le al­les Mög­li­che für mich tun, wenn ich da­heim blei­be und sei­ner An­wei­sung ge­mäß mei­ne Exis­tenz be­grün­de. Da­ge­gen wer­de er sich da­durch nicht zum Mit­schul­di­gen an mei­nem Miss­ge­schick ma­chen, dass er mein Vor­ha­ben, in die Frem­de zu ge­hen, ir­gend­wie un­ter­stüt­ze. Schließ­lich hielt er mir das Bei­spiel mei­nes äl­te­ren Bru­ders vor. Den habe er auch durch ernst­li­ches Zu­re­den ab­hal­ten wol­len, in den nie­der­län­di­schen Krieg zu ge­hen. Den­noch sei der­sel­be sei­nen Ge­lüs­ten ge­folgt und habe dar­um einen frü­hen Tod ge­fun­den. »Ich wer­de zwar«, so en­de­te mein Va­ter, »nicht auf­hö­ren, für dich zu be­ten, aber das sage ich dir im Voraus: wenn du dei­ne tö­rich­ten Plä­ne ver­folgst, wird Gott sei­nen Se­gen nicht dazu ge­ben, und du wirst viel­leicht ein­mal Muße ge­nug ha­ben, dar­über nach­zu­den­ken, dass du mei­nen Rat in den Wind ge­schla­gen hast. Dann aber möch­te wohl nie­mand da sein, der dir zur Um­kehr be­hilf­lich sein kann.«

Bei die­sen letz­ten Wor­ten, die, was mein Va­ter wohl selbst kaum ahn­te, wahr­haft pro­phe­tisch wa­ren, ström­ten ihm, be­son­ders als er mei­nen ge­fal­le­nen Bru­der er­wähn­te, die Trä­nen reich­lich über das Ge­sicht. Als er von der Zeit der zu spä­ten Reue sprach, ge­riet er in eine sol­che Be­we­gung, dass er nicht wei­ter re­den konn­te.

Ich war durch sei­ne Wor­te in in­ners­ter See­le er­grif­fen, und wie hät­te das an­ders sein kön­nen! Mein Ent­schluss stand fest, den Ge­dan­ken an die Frem­de auf­zu­ge­ben und mich, den Wün­schen mei­nes Va­ters ge­mäß, zu Hau­se nie­der­zu­las­sen. Aber ach, schon nach we­ni­gen Ta­gen wa­ren die­se gu­ten Vor­sät­ze ver­flo­gen, und um dem pein­li­chen Zu­re­den mei­nes Va­ters zu ent­ge­hen, be­schloss ich ei­ni­ge Wo­chen spä­ter, mich heim­lich da­von zu ma­chen. In­des führ­te ich die­se Ab­sicht nicht in der Hit­ze des ers­ten Ent­schlus­ses aus, son­dern nahm ei­nes Ta­ges mei­ne Mut­ter, als sie un­ge­wöhn­lich gu­ter Lau­ne schi­en, bei Sei­te und er­klär­te ihr, mein Ver­lan­gen die Welt zu se­hen gehe mir Tag und Nacht so sehr im Kop­fe her­um, dass ich Nichts zu Hau­se an­fan­gen könn­te, wo­bei ich Aus­dau­er ge­nug zur Durch­füh­rung ha­ben wür­de. »Mein Va­ter«, sag­te ich, »täte bes­ser, mich mit sei­ner Ein­wil­li­gung ge­hen zu las­sen als oh­ne sie. Ich bin im neun­zehn­ten Jah­re und zu alt, um noch die Kauf­mann­schaft zu er­ler­nen oder mich auf eine Ad­vo­ka­tur vor­zu­be­rei­ten. Woll­te ich’s doch ver­su­chen, so wür­de ich si­cher­lich nicht die ge­hö­ri­ge Zeit aus­hal­ten, son­dern mei­nem Prin­zi­pal2 ent­lau­fen und dann doch zur See ge­hen.« Ich bat die Mut­ter bei dem Va­ter zu be­für­wor­ten, dass er mich eine See­rei­se zum Ver­such ma­chen las­se. Käme ich dann wie­der und die Sa­che hät­te mir nicht ge­fal­len, so woll­te ich nim­mer fort und ver­sprä­che für die­sen Fall, durch dop­pel­ten Fleiß das Ver­säum­te wie­der ein­zu­ho­len.

Mei­ne Mut­ter ge­riet über die­se Mit­tei­lung in große Be­stür­zung. Es wür­de ver­ge­bens sein, er­wi­der­te sie, mit mei­nem Va­ter dar­über zu spre­chen, der wis­se zu gut, was zu mei­nem Bes­ten die­ne, um mir sei­ne Ein­wil­li­gung zu so ge­fähr­li­chen Un­ter­neh­mun­gen zu ge­ben. »Ich wun­de­re mich«, setz­te sie hin­zu, »dass du nach der Un­ter­re­dung mit dei­nem Va­ter und nach sei­nen lieb­rei­chen Er­mah­nun­gen noch an so Et­was den­ken kannst. Wenn du dich ab­so­lut ins Ver­der­ben stür­zen willst, so ist dir eben nicht zu hel­fen. Da­rauf aber darfst du dich ver­las­sen, dass ich mei­ne Ein­wil­li­gung dir nie gebe und an dei­nem Un­glück nicht ir­gend wel­chen Teil ha­ben will. Auch wer­de ich nie­mals in Et­was ein­wil­li­gen, was nicht die Zu­stim­mung dei­nes Va­ters hat.«

Wie ich spä­ter er­fuhr, war die­se Un­ter­re­dung von mei­ner Mut­ter, trotz ih­rer Ver­si­che­rung, dem Va­ter da­von Nichts mit­tei­len zu wol­len, ihm doch von An­fang bis zu Ende er­zählt wor­den. Er war da­von sehr be­trof­fen ge­we­sen und hat­te seuf­zend ge­äu­ßert: »Der Jun­ge könn­te nun zu Hau­se sein Glück ma­chen, geht er aber in die Frem­de, wird er der un­glück­lichs­te Mensch von der Welt wer­den; mei­ne Zu­stim­mung be­kommt er nicht.«

Es währ­te bei­na­he noch ein vol­les Jahr, bis ich den­noch mei­nen Vor­satz aus­führ­te. In die­ser gan­zen Zeit aber blieb ich taub ge­gen alle Vor­schlä­ge, ein Ge­schäft an­zu­fan­gen, und mach­te mei­nen El­tern oft­mals Vor­wür­fe dar­über, dass sie sich dem, wor­auf mei­ne gan­ze Nei­gung ging, so ent­schie­den wi­der­setz­ten.

Ei­nes Ta­ges be­fand ich mich zu Hull, wo­hin ich je­doch zu­fäl­lig und ohne etwa Flucht­ge­dan­ken zu he­gen, mich be­ge­ben hat­te. Ich traf dort einen mei­ner Ka­me­ra­den, der im Be­griff stand, mit sei­nes Va­ters Schiff zur See nach Lon­don zu ge­hen. Er drang in mich, ihn zu be­glei­ten, in­dem er nur die ge­wöhn­li­che Lock­spei­se der See­leu­te, näm­lich freie Fahrt, an­bot. So ge­sch­ah es, dass ich, ohne Va­ter oder Mut­ter um Rat zu fra­gen, ja ohne ih­nen auch nur ein Wort zu sa­gen, un­be­glei­tet von ih­rem und Got­tes Se­gen und ohne Rück­sicht auf die Um­stän­de und Fol­gen mei­ner Hand­lung, in bö­ser Stun­de (das weiß Gott!) am ers­ten Sep­tem­ber 1651 an Bord des nach Lon­don be­stimm­ten Schif­fes ging.

Nie­mals, glau­be ich, ha­ben die Miss­ge­schi­cke ei­nes jun­gen Aben­teu­rers ra­scher ih­ren An­fang ge­nom­men und län­ger an­ge­hal­ten als die mei­ni­gen. Un­ser Schiff war kaum aus dem Hum­ber­fluss, als der Wind sich er­hob und die See an­fing fürch­ter­lich hoch zu ge­hen. Ich war frü­her nie auf dem Mee­re ge­we­sen und wur­de da­her leib­lich un­aus­sprech­lich elend und im Ge­müt von furcht­ba­rem Schre­cken er­füllt. Jetzt be­gann ich ernst­lich dar­über nach­zu­den­ken, was ich un­ter­nom­men, und wie die ge­rech­te Stra­fe des Him­mels mei­ner bös­wil­li­gen Ent­fer­nung vom Va­ter­haus und mei­ner Pf­licht­ver­ges­sen­heit als­bald auf dem Fuße ge­folgt sei. Alle gu­ten Ratschlä­ge mei­ner El­tern, die Trä­nen des Va­ters und der Mut­ter Bit­ten tra­ten mir wie­der vor die See­le, und mein da­mals noch nicht wie spä­ter ab­ge­här­te­tes Ge­wis­sen mach­te mir bit­te­re Vor­wür­fe über mei­ne Pf­licht­wid­rig­keit ge­gen Gott und die El­tern.

In­zwi­schen stei­ger­te sich der Sturm, und das Meer schwoll stark, wenn auch bei wei­tem nicht so hoch, wie ich es spä­ter oft er­lebt und schon ei­ni­ge Tage nach­her ge­se­hen habe. Doch reich­te es hin, mich, als einen Neu­ling zur See und da ich völ­lig un­er­fah­ren in sol­chen Din­gen war, zu ent­set­zen. Von je­der Woge mein­te ich, sie wür­de uns ver­schlin­gen, und so oft das Schiff sich in ei­nem Wel­len­tal be­fand war mir, als kämen wir nim­mer wie­der auf die Höhe. In die­ser See­len­angst tat ich Ge­lüb­de in Men­ge und fass­te die bes­ten Ent­schlüs­se. Wenn es Gott ge­fal­le, mir das Le­ben auf die­ser Rei­se zu er­hal­ten, wenn ich je­mals wie­der den Fuß auf fes­tes Land set­zen dür­fe, so woll­te ich als­bald heim zu mei­nem Va­ter ge­hen und nie im Le­ben wie­der ein Schiff be­tre­ten. Dann woll­te ich den vä­ter­li­chen Rat be­fol­gen und mich nicht wie­der in ein ähn­li­ches Elend be­ge­ben. Jetzt er­kann­te ich klar die Rich­tig­keit der Be­mer­kun­gen über die gol­de­ne Mit­tel­stra­ße des Le­bens. Wie ru­hig und be­hag­lich hat­te mein Va­ter sein Le­ben lang sich be­fun­den, der sich nie den Stür­men des Mee­res und den Küm­mer­nis­sen zu Lan­de aus­ge­setzt hat­te. Kurz, ich be­schloss fest, mich auf­zu­ma­chen gleich dem ver­lo­re­nen Soh­ne und reu­ig zu mei­nem Va­ter zu­rück­zu­keh­ren.

Die­se wei­sen und ver­stän­di­gen Ge­dan­ken hiel­ten je­doch nur Stand, so lan­ge der Sturm währ­te und noch ein We­ni­ges dar­über. Am nächs­ten Tage leg­te sich der Wind, die See ging ru­hi­ger, und ich ward die Sa­che ein we­nig ge­wohnt. Doch blieb ich den gan­zen Tag still und ernst und litt noch im­mer et­was an der See­krank­heit. Am Nach­mit­tag aber klär­te sich das Wet­ter auf, der Wind leg­te sich völ­lig, und es folg­te ein köst­li­cher Abend. Die Son­ne ging leuch­tend un­ter und am nächs­ten Mor­gen eben­so schön auf. Wir hat­ten we­nig oder gar kei­nen Wind, die See war glatt, die Son­ne strahl­te dar­auf, und ich hat­te einen An­blick so herr­lich wie nie zu­vor.

Nach ei­nem ge­sun­den Schlaf, frei von der See­krank­heit, in bes­ter Lau­ne be­trach­te­te ich voll Be­wun­de­rung das Meer, das ges­tern so wild und fürch­ter­lich ge­we­sen und nun so fried­lich und an­mu­tig war. Und ge­ra­de jetzt, da­mit mei­ne gu­ten Vor­sät­ze ja nicht Stand hal­ten soll­ten, trat mein Ka­me­rad, der mich ver­führt hat­te, zu mir. »Nun, mein Jun­ge«, sag­te er, mich mit der Hand auf die Schul­ter klop­fend, »wie ist’s be­kom­men? Ich wet­te, du hast Angst aus­ge­stan­den, bei der Hand voll Wind, die wir ges­tern hat­ten, wie?« – »Eine Hand voll Wind nennst du das?« er­wi­der­te ich; »es war ein gräss­li­cher Sturm.« – »Ein Sturm? Narr, der du bist; hältst du das für einen Sturm? Gib uns ein gu­tes Schiff und of­fe­ne See, so fra­gen wir den Teu­fel was nach ei­ner sol­chen elen­den Bri­se. Aber du bist nur ein Süß­was­ser­seg­ler; komm, lass uns eine Bow­le Punsch ma­chen, und du wirst bald nicht mehr an die Af­faire den­ken. Schau, was ein präch­ti­ges Wet­ter wir ha­ben!«

Um es kurz zu ma­chen, wir ta­ten nach See­manns­brauch. Der Punsch wur­de ge­braut und ich ge­hö­rig an­ge­trun­ken. Der Leicht­sinn die­ses einen Abends er­säuf­te alle mei­ne Reue, all mei­ne Ge­dan­ken über das Ver­gan­ge­ne, alle mei­ne Vor­sät­ze für die Zu­kunft. Wie die See, als der Sturm sich ge­legt, wie­der ihre glat­te Mie­ne und fried­li­che Stil­le an­ge­nom­men hat­te, so war auch der Aufruhr in mei­ner See­le vor­über. Mei­ne Be­fürch­tun­gen, von den Wo­gen ver­schlun­gen zu wer­den, hat­te ich ver­ges­sen, mei­ne al­ten Wün­sche kehr­ten zu­rück, und die Ge­lüb­de und Ver­hei­ßun­gen, die ich in mei­nem Jam­mer ge­tan, wa­ren mir aus dem Sinn. Hin und wie­der stell­ten sich in­des­sen mei­ne Be­den­ken wie­der­um ein, und ernst­haf­te Be­sorg­nis­se kehr­ten von Zeit zu Zeit in mei­ne See­le zu­rück. Je­doch ich schüt­tel­te sie ab und mach­te mich da­von los gleich als von ei­ner Krank­heit, hielt mich ans Trin­ken und an die lus­ti­ge Ge­sell­schaft und wur­de so Herr über die­se »An­fäl­le«, wie ich sie nann­te. Nach fünf oder sechs Ta­gen war ich so voll­kom­men Sie­ger über mein Ge­wis­sen, wie es ein jun­ger Mensch, der ent­schlos­sen ist, sich nicht da­von be­un­ru­hi­gen zu las­sen, nur sein kann.

Aber ich soll­te noch eine neue Pro­be be­ste­hen. Die Vor­se­hung hat­te, wie in sol­chen Fäl­len ge­wöhn­lich, es so ge­ord­net, dass mir kei­ne Ent­schul­di­gung blei­ben konn­te. Denn wenn ich das ers­te Mal mich nicht für ge­ret­tet an­se­hen woll­te, so war die nächs­te Ge­le­gen­heit so be­schaf­fen, dass der gott­lo­ses­te und ver­här­tets­te Bö­se­wicht so­wohl die Grö­ße der Ge­fahr, als die der gött­li­chen Barm­her­zig­keit da­bei hät­te an­er­ken­nen müs­sen.

Am sechs­ten Tage un­se­rer Fahrt ge­lang­ten wir auf die Rhe­de von Yar­mouth. Der Wind war uns ent­ge­gen und das Wet­ter ru­hig ge­we­sen, und so hat­ten wir nach dem Sturm nur eine ge­rin­ge Stre­cke zu­rück­ge­legt. Dort sa­hen wir uns ge­nö­tigt, vor An­ker zu ge­hen, und la­gen, weil der Wind un­güns­tig, näm­lich aus Süd­west blies, sie­ben oder acht Tage da­selbst, wäh­rend wel­cher Zeit vie­le an­de­re Schif­fe von New-Cast­le her aus eben die­ser Rhe­de, wel­che den ge­mein­sa­men Ha­fen für die gu­ten Wind die Them­se hin­auf er­war­ten­den Schif­fe ab­gab, vor An­ker gin­gen.

Wir wä­ren je­doch nicht so lan­ge hier ge­blie­ben, son­dern mit der Flut all­mäh­lich strom­auf­wärts ge­gan­gen, hät­te der Wind nicht zu hef­tig ge­weht. Nach dem vier­ten oder fünf­ten Tag blies er be­son­ders scharf. Da aber die Rhe­de für einen gu­ten Ha­fen galt, der An­ker­grund gut und un­ser An­ker­tau sehr stark war, mach­ten uns­re Leu­te sich Nichts dar­aus, son­dern ver­brach­ten ohne die ge­rings­te Furcht die Zeit nach See­manns­art mit Schla­fen und Ze­chen. Den ach­ten Tag aber ward des Mor­gens der Wind stär­ker, und wir hat­ten alle Hän­de voll zu tun, die Top­mas­ten ein­zu­ziehn und al­les zu dich­ten und festz­u­ma­chen, dass das Schiff so ru­hig wie mög­lich vor An­ker lie­gen könn­te. Um Mit­tag ging die See sehr hoch. Es schlu­gen große Wel­len über das Deck, und ein- oder zwei­mal mein­ten wir, der An­ker sei los­ge­wi­chen, wor­auf un­ser Ka­pi­tän so­gleich den No­tan­ker los­zu­ma­chen be­fahl, so­dass wir nun von zwei An­kern ge­hal­ten wur­den.

Un­ter­des­sen er­hob sich ein wahr­haft fürch­ter­li­cher Sturm, und jetzt sah ich zum ers­ten Mal Angst und Be­stür­zung auch in den Mie­nen uns­rer See­leu­te. Ich hör­te den Ka­pi­tän, der mit al­ler Auf­merk­sam­keit auf die Er­hal­tung des Schif­fes be­dacht war, mehr­mals, wäh­rend er ne­ben mir zu sei­ner Ka­jü­te hin­ein- und her­aus­ging, lei­se vor sich hin­sa­gen: »Gott sei uns gnä­dig, wir sind alle ver­lo­ren« und der­glei­chen Äu­ße­run­gen mehr.

Wäh­rend der ers­ten Ver­wir­rung lag ich ganz still in mei­ner Koje, die sich im Zwi­schen­deck be­fand, und war in ei­ner un­be­schreib­li­chen Stim­mung. Es war mir nicht mög­lich, die vo­ri­gen reui­gen Ge­dan­ken, die ich so of­fen­bar von mir ge­sto­ßen hat­te, wie­der auf­zu­neh­men. Ich hat­te ge­glaubt die To­des­ge­fahr über­stan­den zu ha­ben, und ge­meint, es wür­de jetzt nicht so schlimm wer­den wie das ers­te Mal. Je­doch als der Ka­pi­tän in mei­ne Nähe kam und die er­wähn­ten Wor­te sprach, er­schrak ich fürch­ter­lich. Ich ging aus mei­ner Ka­jü­te und sah mich um. Nie­mals hat­te ich einen so furcht­ba­ren An­blick ge­habt. Das Meer ging ber­ge­hoch und über­schüt­te­te uns alle drei bis vier Mi­nu­ten. Wenn ich über­haupt Et­was se­hen konn­te, nahm ich Nichts als Jam­mer und Not rings­um wahr. Zwei Schif­fe, die nahe vor uns vor An­ker la­gen, hat­ten, weil sie zu schwer be­la­den wa­ren, ihre Mast­bäu­me kap­pen und über Bord wer­fen müs­sen, und uns­re Leu­te rie­fen ein­an­der zu, dass ein Schiff, wel­ches etwa eine hal­be Stun­de von uns an­ker­te, ge­sun­ken sei. Zwei an­de­re Schif­fe, de­ren An­ker nach­ge­ge­ben hat­ten, wa­ren von der Rhe­de auf die See ge­trie­ben und, al­ler Mas­ten be­raubt, je­der Ge­fahr preis­ge­ge­ben. Die leich­ten Fahr­zeu­ge wa­ren am bes­ten dar­an, da sie der See nicht so vie­len Wi­der­stand ent­ge­gen­set­zen konn­ten; aber zwei oder drei trie­ben auch von ih­nen hin­ter uns her und wur­den vom Win­de, dem sie nur das Sprietse­gel bo­ten, hin und her ge­jagt.

Ge­gen Abend frag­ten der Steu­er­mann und der Hoch­boots­mann den Ka­pi­tän, ob sie den Fock­mast kap­pen dürf­ten. Er woll­te an­fangs nicht dar­an, als aber der Hoch­boots­mann ihm ent­ge­gen hielt, dass, wenn es nicht ge­schä­he, das Schiff sin­ken wür­de, wil­lig­te er ein. Als man den vor­de­ren Mast be­sei­tigt hat­te, stand der Haupt­mast so lose und er­schüt­ter­te das Schiff der­ma­ßen, dass die Mann­schaft ge­nö­tigt war, auch ihn zu kap­pen und das Deck frei zu ma­chen.

Je­der­mann kann sich den­ken, in wel­chem Zu­stand bei die­sem Al­len ich, als Neu­ling zur See, und nach­dem ich so kurz vor­her eine sol­che Angst aus­ge­stan­den, mich be­fand. Doch wenn ich jetzt die Ge­dan­ken, die ich da­mals hat­te, noch rich­tig an­zu­ge­ben ver­mag, so war mein Ge­müt zehn­mal mehr in Trau­er dar­über, dass ich mei­ne frü­he­ren Ab­sich­ten auf­ge­ge­ben und wie­der zu den vor­her­ge­fass­ten Plä­nen zu­rück­ge­kehrt war, als über den Ge­dan­ken an den Tod selbst. Die­se Ge­füh­le, im Ve­rein mit dem Schreck vor dem Sturm, ver­setz­ten mich in eine Ge­müts­la­ge, die ich mit Wor­ten nicht be­schrei­ben kann. Das Schlimms­te aber soll­te noch kom­men!

Der Sturm wü­te­te der­ma­ßen fort, dass die Ma­tro­sen selbst be­kann­ten, sie hät­ten nie­mals einen schlim­mern er­lebt. Un­ser Schiff war zwar gut, doch hat­te es zu schwer ge­la­den und schwank­te so stark, dass die Ma­tro­sen wie­der­holt rie­fen, es wer­de um­schla­gen. In ge­wis­ser Hin­sicht war es gut für mich, dass ich die Be­deu­tung die­ses Worts nicht kann­te, bis ich spä­ter da­nach frag­te.

Mitt­ler­wei­le wur­de der Sturm so hef­tig, dass ich sah, was man nicht oft zu se­hen be­kommt, näm­lich wie der Ka­pi­tän, der Hoch­boots­mann und et­li­che an­de­re, die nicht ganz ge­fühl­los wa­ren, zum Ge­bet ihre Zuf­lucht nah­men. Sie er­war­te­ten näm­lich je­den Au­gen­blick, das Schiff un­ter­ge­hen zu se­hen. Mit­ten in der Nacht schrie, um uns­re Not voll­zu­ma­chen, ein Ma­tro­se, dem auf­ge­tra­gen war dar­auf ein Au­gen­merk zu ha­ben, aus dem Schiffs­raum, das Schiff sei leck und habe schon vier Fuß Was­ser ge­schöpft. Als­bald wur­de je­der­mann an die Pum­pen ge­ru­fen. Bei die­sem Ruf glaub­te ich das Herz in der Brust er­star­ren zu füh­len. Ich fiel rück­lings ne­ben mein Bett, auf dem ich in der Ka­jü­te saß, die Boots­leu­te aber rüt­tel­ten mich auf und sag­ten, wenn ich auch sonst zu Nichts nüt­ze sei, so tau­ge ich doch zum Pum­pen so gut wie je­der an­de­re. Da raff­te ich mich auf, eil­te zur Pum­pe und ar­bei­te­te mich recht­schaf­fen ab.

In­zwi­schen hat­te der Ka­pi­tän be­merkt, wie ei­ni­ge leicht­be­la­de­ne Koh­len­schif­fe, weil sie den Sturm vor An­ker nicht aus­zu­hal­ten ver­moch­ten, in die freie See sta­chen und sich uns nä­her­ten. Da­her be­fahl er ein Ge­schütz zu lö­sen und da­durch ein Not­si­gnal zu ge­ben. Ich, der ich nicht wuss­te, was das zu be­deu­ten hat­te, wur­de, weil ich glaub­te, das Schiff sei aus den Fu­gen ge­gan­gen, oder es sei sonst et­was Ent­setz­li­ches ge­sche­hen, so er­schreckt, dass ich in Ohn­macht fiel. Weil aber je­der nur an Er­hal­tung des eig­nen Le­bens dach­te, be­küm­mer­te sich kei­ne See­le um mich. Ein an­de­rer nahm mei­ne Stel­le an der Pum­pe ein, stieß mich mit dem Fuß bei Sei­te und ließ mich für tot lie­gen, bis ich nach ge­rau­mer Zeit wie­der zu mir kam.

Wir ar­bei­te­ten wa­cker fort, aber das Was­ser stieg im Schiffs­raum im­mer hö­her, und das Schiff be­gann au­gen­schein­lich zu sin­ken. Zwar leg­te sich jetzt der Sturm ein we­nig, al­lein un­mög­lich konn­te un­ser Fahr­zeug sich so lan­ge über Was­ser hal­ten, bis wir einen Ha­fen er­reich­ten. Des­halb ließ der Ka­pi­tän fort­wäh­rend Not­schüs­se ab­feu­ern. End­lich wag­te ein leich­tes Schiff, das ge­ra­de vor uns vor An­ker lag, ein Hilfs­boot aus­zu­sen­den. Mit äu­ßers­ter Ge­fahr na­he­te die­ses sich uns, doch schi­en un­mög­lich, dass wir hin­ein­stei­gen könn­ten oder dass es auch nur an un­ser Schiff an­zu­le­gen ver­möch­te. End­lich ka­men die Ma­tro­sen mit Le­bens­ge­fahr durch mäch­ti­ges Ru­dern so nahe, dass uns­re Leu­te ih­nen vom Hin­ter­teil des Schif­fes ein Tau mit ei­ner Boje zu­wer­fen konn­ten. Als sie un­ter großer Mühe und Not des Seils hab­haft ge­wor­den, zo­gen sie sich da­mit dicht an den Stern un­se­res Fahr­zeugs her­an, wor­auf wir denn sämt­lich uns in das ih­ri­ge be­ga­ben. Aber nun war gar kein Ge­dan­ke dar­an, dass wir mit dem Boo­te das Schiff, zu dem es ge­hör­te, er­rei­chen könn­ten. Da­her be­schlos­sen wir ein­mü­tig, das Boot vom Wind trei­ben zu las­sen und es nur so viel wie mög­lich nach der Küs­te zu steu­ern. Der Ka­pi­tän ver­sprach den frem­den Leu­ten, ihr Fahr­zeug, wenn es am Stran­de schei­tern soll­te, zu be­zah­len. So ge­lang­ten wir denn, teils durch Ru­dern, teils vom Win­de ge­trie­ben, nord­wärts etwa in der Ge­gend von Win­ter­ton-Neß nahe an die Küs­te her­an.

Der erste Schiffbruch

Kaum eine Vier­tel­stun­de hat­ten wir un­ser Schiff ver­las­sen, als wir es schon un­ter­ge­hen sa­hen. Jetzt be­griff ich, was es heißt, wenn ein Schiff in See leck wird. Ich ge­ste­he, dass ich kaum den Mut hat­te hin­zu­se­hen, als die Ma­tro­sen mir sag­ten, das Schiff sei im Sin­ken. Denn seit dem Au­gen­blick, wo ich in das Boot mehr ge­wor­fen als ge­stie­gen war, stand mir das Herz vor Schre­cken und Ge­müts­be­we­gung und vor den Ge­dan­ken an die Zu­kunft, so zu sa­gen, stil­le.

Wäh­rend die Boots­leu­te sich mü­he­ten uns an Land zu brin­gen, be­merk­ten wir (denn so­bald uns die Woge in die Höhe trug, ver­moch­ten wir die Küs­te zu se­hen), wie eine Men­ge Men­schen am Stran­de hin- und her­lie­fen, um uns, wenn wir her­an­kämen, Hil­fe zu leis­ten. Doch ge­lang­ten wir nur lang­sam vor­wärts und konn­ten das Land nicht eher er­rei­chen, bis wir den Leucht­turm von Win­ter­ton pas­siert hat­ten. Hier flacht sich die Küs­te von Cro­mer west­wärts ab, und so ver­moch­te das Land die Hef­tig­keit des Win­des ein we­nig zu bre­chen. Dort leg­ten wir an, ge­lang­ten sämt­lich, wie­wohl nicht ohne große An­stren­gun­gen ans Ufer und gin­gen hier­auf zu Fuße nach Yar­mouth. Als Schiff­brü­chi­ge wur­den wir in die­ser Stadt, so­wohl von den Be­hör­den, wel­che uns gute Quar­tie­re an­wie­sen, als auch von Pri­vat­leu­ten und Schiffs­eig­nern, mit großer Hu­ma­ni­tät be­han­delt und mit so viel Geld ver­se­hen, dass es hin­ge­reicht hät­te, uns, je nach­dem wir Lust hat­ten, die Rei­se nach Lon­don oder nach Hull zu er­mög­li­chen.

Hät­te ich nun Ver­nunft ge­nug ge­habt, in mei­ne Hei­mat zu­rück­zu­keh­ren, so wäre das mein Glück ge­we­sen, und mein Va­ter wür­de, um mit dem Gleich­nis un­se­res Hei­lan­des zu re­den, das fet­tes­te Kalb zur Fei­er mei­ner Heim­kehr ge­schlach­tet ha­ben. Nach­dem er ge­hört, das Schiff, mit dem ich von Hull ab­ge­gan­gen war, sei auf der Rhe­de von Yar­mouth un­ter­ge­gan­gen, hat er lan­ge in der Mei­nung ge­lebt, ich sei er­trun­ken.

Je­doch mein bö­ses Schick­sal trieb mich mit un­wi­der­steh­li­cher Hart­nä­ckig­keit vor­wärts. Zu­wei­len zwar sprach mir mei­ne Ver­nunft und mein be­son­ne­nes Ur­teil laut zu, heim­zu­keh­ren, aber ich hat­te nicht die Kraft dazu. Ich weiß nicht, ob es eine ge­heim­nis­vol­le zwin­gen­de Macht, oder wie ich es sonst nen­nen soll, gibt, die uns treibt, Werk­zeu­ge un­se­res ei­ge­nen Ver­der­bens zu wer­den, wenn es auch un­mit­tel­bar vor uns liegt und wir mit of­fe­nen Au­gen ihm uns nä­hern. Ge­wiss ist aber, dass nur ein un­ab­wend­bar über mich be­schlos­se­nes Ver­häng­nis, dem ich in kei­ner Wei­se ent­rin­nen konn­te, mich, trotz den ru­hi­gen Grün­den und dem Zu­re­den mei­ner Über­le­gung, und un­ge­ach­tet zwei­er so deut­li­chen Leh­ren, wie ich sie bei mei­nem ers­ten Ver­such er­hal­ten hat­te, vor­wärts dräng­te.

Mein Ka­me­rad, der mich frü­her in mei­ner Ge­wis­sens­ver­här­tung be­stärkt hat­te (er war, wie ich schon sag­te, der Sohn des Ei­gen­tü­mers un­se­res un­ter­ge­gan­ge­nen Schiffs), war nun ver­zag­ter als ich. Als wir uns das ers­te Mal in Yar­mouth spra­chen, zwei oder drei Tage nach un­se­rer An­kunft, – wir la­gen in ver­schie­de­nen Quar­tie­ren, – schi­en der Ton sei­ner Stim­me ver­än­dert, und mit me­lan­cho­li­scher Mie­ne frag­te er mich, wie es mir gehe. Nach­dem er sei­nem Va­ter mit­ge­teilt hat­te, wer ich sei und dass ich die­se Rei­se nur zum Ver­su­che ge­macht habe, und zwar in der Ab­sicht, spä­ter in die Frem­de zu ge­hen, wand­te sich die­ser zu mir und sag­te in ei­nem sehr erns­ten fei­er­li­chen Ton: »Jun­ger Mann, Ihr dürft nie­mals wie­der zur See ge­hen; Ihr müsst dies Er­leb­nis für ein sicht­ba­res und deut­li­ches Zei­chen an­se­hen, dass Ihr nicht zum See­mann be­stimmt seid«. – »Wie, Herr«, er­wi­der­te ich, »wollt Ihr selbst denn nie wie­der auf das Meer?« – »Das ist et­was an­de­res«, ant­wor­te­te er. »Es ist mein Be­ruf und da­her mei­ne Pf­licht; al­lein Ihr habt bei Die­ser Ver­suchs­rei­se vom Him­mel eine Pro­be von dem er­hal­ten, was Euch zu er­war­ten steht, wenn Ihr auf Eu­rem Sin­ne be­har­ret. Vi­el­leicht hat uns dies al­les nur Eu­ret­we­gen be­trof­fen, wie es mit Jona in dem Schif­fe von Tar­sis ging. Sagt mir«, fuhr er fort, »was in al­ler Welt hat Euch be­we­gen kön­nen, die­se Rei­se mitz­u­ma­chen?«

Hier­auf er­zähl­te ich ihm einen Teil mei­ner Le­bens­ge­schich­te. Als ich ge­en­det, brach er lei­den­schaft­lich in die Wor­te aus: »Was habe ich nun ver­bro­chen, dass solch ein Un­glücks­mensch in mein Schiff ge­ra­ten muss­te! Ich wür­de nicht um tau­send Pfund mei­nen Fuß wie­der mit Euch in das­sel­be Fahr­zeug set­zen.«

Die­ser Aus­bruch war durch die Erin­ne­rung an den von ihm er­lit­te­nen Ver­lust her­vor­ge­ru­fen, und der Mann hat­te ei­gent­lich kein Recht dazu, sich mir ge­gen­über so stark zu äu­ßern. Doch re­de­te er mir auch spä­ter noch sehr ernst zu und er­mahn­te mich, zu mei­nem Va­ter zu­rück­zu­keh­ren und nicht noch ein­mal die Vor­se­hung zu ver­su­chen. Ich wür­de se­hen, sag­te er, dass die Hand des Him­mels sicht­bar mir ent­ge­gen­ar­bei­te. »Ver­lasst Euch dar­auf, jun­ger Mann«, füg­te er hin­zu, »wenn Ihr nicht nach Hau­se geht, wer­det Ihr, wo­hin Ihr Euch auch wen­det, nur mit Miss­ge­schick und Not zu rin­gen ha­ben, bis die Wor­te Eu­res Va­ters sich an Euch er­füllt ha­ben.«

Bald dar­auf trenn­ten wir uns. Ich hat­te ihm nur kurz geant­wor­tet und sah ihn nach­her nicht wie­der, weiß auch nicht, was aus ihm ge­wor­den ist.

Ich mei­nes­teils be­gab mich, da ich jetzt et­was Geld in der Ta­sche hat­te, zu Lan­de nach Lon­don. So­wohl dort wie schon un­ter­wegs hat­te ich man­chen in­ne­ren Kampf zu be­ste­hen durch den Zwei­fel, ob ich heim­keh­ren oder zur See ge­hen soll­te. Was die ers­te­re Ab­sicht be­traf, so stell­te sich den bes­sern Re­gun­gen mei­ner See­le als­bald die Scham ent­ge­gen. Es fiel mir ein, wie ich von den Nach­barn aus­ge­lacht wer­den und wie be­schämt ich nicht nur vor Va­ter und Mut­ter, son­dern auch vor al­len an­de­ren Leu­ten ste­hen wür­de. Seit je­ner Zeit habe ich oft be­ob­ach­tet, wie un­ge­reimt und tö­richt die Ar­tung des Men­schen­her­zens, be­son­ders in der Ju­gend, ge­gen­über der Ver­nunft, die es in sol­chen Fäl­len al­lein lei­ten soll­te, sich zeigt: dass wir näm­lich uns nicht schä­men zu sün­di­gen, aber wohl zu be­reu­en; dass wir kei­ne Be­den­ken ha­ben vor der Hand­lung, de­rent­we­gen wir für einen Nar­ren an­ge­se­hen wer­den müs­sen, aber wohl vor der Buße, die al­lein uns wie­der die Ach­tung ver­nünf­ti­ger Men­schen ver­schaf­fen könn­te.

In je­ner Un­ent­schlos­sen­heit dar­über, was ich er­grei­fen und wel­chen Le­bens­weg ich ein­schla­gen soll­te, ver­harr­te ich ge­rau­me Zeit. Ein un­wi­der­steh­li­cher Wi­der­wil­le hielt mich auch fer­ner ab heim­zu­keh­ren. Nach ei­ner Wei­le aber ver­blass­te die Erin­ne­rung an das Miss­ge­schick, das ich er­lebt, und als die­se sich erst ge­mil­dert hat­te, war mit ihr auch der letz­te Rest des Ver­lan­gens nach Hau­se ge­schwun­den. Und kaum hat­te ich alle Ge­dan­ken an die Rück­kehr auf­ge­ge­ben, so sah ich mich auch schon nach der Ge­le­gen­heit zu ei­ner neu­en Rei­se um.

Das Un­heil, wel­ches mich zu­erst aus mei­nes Va­ters Hau­se ge­trie­ben; das mich in dem un­rei­fen und tol­len Ge­dan­ken ver­strickt hat­te, in der Fer­ne mein Glück zu su­chen; das die­sen Plan in mir so fest hat­te ein­wur­zeln las­sen, dass ich für al­len gu­ten Rat, für Bit­ten und Be­feh­le mei­nes Va­ters taub ge­we­sen war, das­sel­be Un­heil ver­an­stal­te­te jetzt auch, dass ich mich auf die al­le­r­un­glück­se­ligs­te Un­ter­neh­mung von der Welt ein­ließ. Ich be­gab mich näm­lich an Bord ei­nes nach der afri­ka­ni­schen Küs­te be­stimm­ten Schif­fes, oder, wie uns­re See­leu­te zu sa­gen pfle­gen, ei­nes Gui­neafah­rers. Je­doch, und dies war ein be­son­ders schlim­mer Um­stand, ver­ding­te ich mich nicht etwa als or­dent­li­cher See­mann auf das Schiff. Da­durch, ob ich gleich ein we­nig här­ter hät­te ar­bei­ten müs­sen, wür­de ich doch den see­män­ni­schen Dienst gründ­lich er­lernt und mich all­mäh­lich zum Ma­tro­sen oder Lieu­ten­ant, wenn nicht gar zum Ka­pi­tän hin­auf­ge­ar­bei­tet ha­ben. Nein, wie es im­mer mein Schick­sal war, dass ich das Schlimms­te wähl­te, so tat ich es auch dies­mal. Denn da ich Geld in der Ta­sche und gute Klei­der auf dem Lei­be hat­te, woll­te ich nur wie ein großer Herr an Bord ge­hen, und hat­te so­mit auf dem Schif­fe we­der et­was Or­dent­li­ches zu tun, noch lern­te ich den See­manns­dienst voll­stän­dig ken­nen.

In Lon­don hat­te ich gleich an­fangs das Glück, in gute Ge­sell­schaft zu ge­ra­ten, was ei­nem so un­be­son­ne­nen und un­bän­di­gen Ge­sel­len nicht oft zu Teil wird. Denn ob zwar der Teu­fel gern bei Zei­ten nach sol­chen sei­ne Net­ze aus­wirft, hat­te er’s bei mir doch un­ter­las­sen. Ich mach­te die Be­kannt­schaft ei­nes Schiffs­ka­pi­täns, der eben von der guin­ei­schen Küs­te zu­rück­ge­kehrt war und, da er dort gute Ge­schäf­te ge­macht hat­te, im Be­grif­fe stand, eine neue Rei­se da­hin zu un­ter­neh­men. Er fand Ge­fal­len an mei­ner da­mals nicht ganz reiz­lo­sen Un­ter­hal­tung, und als er ver­nom­men, dass ich Lust hat­te, die Welt zu se­hen, bot er mir an, kos­ten­frei mit ihm zu rei­sen. Ich kön­ne mit ihm den Tisch und den Schlaf­raum tei­len, und wenn ich etwa ei­ni­ge Wa­ren mit­neh­men wol­le, sie auf ei­ge­ne Rech­nung in Afri­ka ver­kau­fen und viel­leicht da­durch zu wei­te­ren Un­ter­neh­mun­gen er­mu­tigt wer­den.

Dies Aner­bie­ten nahm ich an und schloss mit dem Ka­pi­tän, ei­nem red­li­chen und auf­rich­ti­gen Man­ne, in­ni­ge Freund­schaft. Durch sei­ne Unei­gen­nüt­zig­keit trug mir ein klei­ner Kram, den ich mit­ge­nom­men, be­deu­ten­den Ge­winn ein. Ich hat­te näm­lich für un­ge­fähr 40 Pfund Ster­ling Spiel­wa­ren und der­glei­chen Klei­nig­kei­ten auf den Rat des Ka­pi­täns ein­ge­kauft, wo­für ich das Geld mit Hil­fe ei­ni­ger Ver­wand­ten, an die ich mich brief­lich ge­wen­det, zu­sam­men­brach­te, wel­che, wie ich ver­mu­te, auch mei­ne El­tern oder we­nigs­tens mei­ne Mut­ter ver­mocht hat­ten, et­was zu mei­ner ers­ten Un­ter­neh­mung bei­zu­steu­ern.

Dies war die ein­zi­ge un­ter mei­nen Rei­sen, die ich eine glück­li­che nen­nen kann. Ich ver­dan­ke das nur der Recht­schaf­fen­heit mei­nes Freun­des, durch des­sen An­lei­tung ich auch eine ziem­li­che Kennt­nis in der Ma­the­ma­tik und dem Schiff­fahrts­we­sen er­lang­te. Er lehr­te mich, den Kurs des Schiffs zu ver­zeich­nen, Beo­b­ach­tun­gen an­zu­stel­len, über­haupt al­les Not­wen­digs­te, was ein See­mann wis­sen muss. Da es ihm Freu­de mach­te, mich zu be­leh­ren, hat­te ich auch Freu­de, von ihm zu ler­nen, und so wur­de ich auf die­ser Rei­se zu­gleich Kauf­mann und See­mann. Ich brach­te für mei­ne Wa­ren fünf Pfund und neun Un­zen Gold­staub zu­rück, wo­für ich in Lon­don drei­hun­dert Gui­ne­en lös­te; aber lei­der füll­te mir ge­ra­de die­ser Ge­winn den Kopf mit ehr­gei­zi­gen Plä­nen, die mich ins Ver­der­ben brin­gen soll­ten.

Üb­ri­gens war je­doch auch die­se Rei­se nicht ganz ohne Miss­ge­schick für mich ab­ge­lau­fen. Ins­be­son­de­re rech­ne ich da­hin, dass ich wäh­rend der gan­zen Dau­er der­sel­ben mich un­wohl fühl­te und in Fol­ge der über­mä­ßi­gen afri­ka­ni­schen Hit­ze (wir trie­ben näm­lich un­sern Han­del haupt­säch­lich an der Küs­te vom 15. Grad nörd­li­cher Brei­te bis zum Äqua­tor hin) von ei­nem hit­zi­gen Fie­ber be­fal­len wur­de.

Nun­mehr galt ich für einen or­dent­li­chen Gui­ne­ahänd­ler. Nach­dem mein Freund zu mei­nem großen Un­heil bald nach der Rück­kehr ge­stor­ben war, be­schloss ich, die­sel­be Rei­se zu wie­der­ho­len, und schiff­te mich auf dem frü­he­ren Schif­fe, das jetzt der ehe­ma­li­ge Steu­er­mann führ­te, ein. Nie hat ein Mensch eine un­glück­li­che­re Fahrt er­lebt. Ich nahm zwar nur für hun­dert Pfund Ster­ling Wa­ren mit und ließ den Rest mei­nes Ge­winns in den Hän­den der Witt­we mei­nes Freun­des, die sehr recht­schaf­fen ge­gen mich han­del­te; den­noch aber er­litt ich furcht­ba­res Miss­ge­schick.

Das Ers­te war, dass uns, als wir zwi­schen den ka­na­ri­schen In­seln und der afri­ka­ni­schen Küs­te se­gel­ten, in der Mor­gen­däm­me­rung ein tür­ki­scher Kor­sar aus Sa­leh über­rasch­te und mit al­len Se­geln Jagd auf uns mach­te. Wir spann­ten, um zu ent­rin­nen, un­se­re Se­gel gleich­falls sämt­lich aus, so­viel nur die Mas­ten hal­ten woll­ten. Da wir aber sa­hen, dass der Pi­rat uns über­ho­le und uns in we­ni­gen Stun­den er­reicht ha­ben wür­de, blieb uns Nichts üb­rig, als uns kampf­be­reit zu ma­chen.

Wir hat­ten zwölf Ka­no­nen, der tür­ki­sche Schuft aber führ­te de­ren acht­zehn an Bord. Ge­gen drei Uhr Nach­mit­tags hat­te er uns ein­ge­holt. Da er uns je­doch aus Ver­se­hen in der Flan­ke an­griff, statt am Vor­der­teil, wie er wohl ur­sprüng­lich be­ab­sich­tigt hat­te, schaff­ten wir acht von un­sern Ka­no­nen auf die an­ge­grif­fe­ne Sei­te und ga­ben ihm eine Sal­ve. Nach­dem der Feind un­ser Feu­er er­wi­dert und dazu eine Mus­ke­ten­sal­ve von 200 Mann, die er an Bord führ­te, ge­fügt hat­te (ohne dass je­doch ein ein­zi­ger un­se­rer Leu­te, die sich gut ge­deckt hiel­ten, ge­trof­fen wur­de), wich er zu­rück. Als­bald aber be­rei­te­te er einen neu­en An­griff vor, und auch wir mach­ten uns aber­mals zur Ver­tei­di­gung fer­tig. Dies­mal je­doch griff er uns auf der an­de­ren Sei­te an, leg­te sich dicht an un­sern Bord, und so­fort spran­gen sech­zig Mann von den Tür­ken auf un­ser Deck und be­gan­nen un­ser Se­gel­werk zu zer­hau­en.

Wir emp­fin­gen sie zwar mit Mus­ke­ten, En­ter­ha­ken und an­de­ren Waf­fen, mach­ten auch zwei­mal un­ser Deck frei; trotz­dem aber, um so­gleich das trau­ri­ge Ende des Kamp­fes zu be­rich­ten, muss­ten wir, nach­dem un­ser Schiff seeun­tüch­tig ge­macht und drei uns­rer Leu­te ge­tö­tet wa­ren, uns er­ge­ben und wur­den als Ge­fan­ge­ne nach Sa­leh, ei­ner Ha­fen­stadt der Ne­ger, ge­bracht.

Dort ging es mir nicht so schlecht, als ich an­fangs be­fürch­tet hat­te. Ich wur­de nicht wie die an­de­ren ins In­ne­re nach der kai­ser­li­chen Re­si­denz ge­bracht, son­dern der Ka­pi­tän der See­räu­ber be­hielt mich un­ter sei­ner eig­nen Beu­te, da ich als jun­ger Bursch ihm brauch­bar schi­en. Die furcht­ba­re Ver­wand­lung mei­nes Stan­des, durch wel­che ich aus ei­nem stol­zen Kauf­mann zu ei­nem ar­men Skla­ven ge­wor­den war, beug­te mich tief. Jetzt ge­dach­te ich der pro­phe­ti­schen Wor­te mei­nes Va­ters, dass ich ins Elend ge­ra­ten und ganz hilf­los wer­den wür­de. Ich wähn­te, die­se Vor­her­sa­gung habe sich nun be­reits er­füllt und es kön­ne nichts Schlim­me­res mehr für mich kom­men. Schon habe mich, dach­te ich, die Hand des Him­mels er­reicht, und ich sei ret­tungs­los ver­lo­ren. Aber ach, es war nur der Vor­schmack der Lei­den, die ich noch, wie der Ver­lauf die­ser Ge­schich­te leh­ren wird, durch­ma­chen soll­te.

Als mein neu­er Herr mich für sein ei­ge­nes Haus zu­rück­be­hielt, tauch­te die Hoff­nung in mir auf, er wer­de mich dem­nächst mit zur See neh­men und ich kön­ne dann, wenn ihn etwa ein spa­ni­sches oder por­tu­gie­si­sches Kriegs­schiff ka­pern wür­de, wie­der mei­ne Frei­heit er­lan­gen. Die­ser schö­ne Wahn ent­schwand bald. Denn so oft sich mein Pa­tron ein­schiff­te, ließ er mich zu­rück, um die Ar­beit im Gar­ten und den ge­wöhn­li­chen Skla­ven­dienst im Hau­se zu ver­rich­ten, und wenn er dann von sei­nen Streif­zü­gen heim­kam, muss­te ich in der Ka­jü­te sei­nes Schif­fes schla­fen und die­ses über­wa­chen.

Wäh­rend ich hier auf Nichts als mei­ne Flucht dach­te, woll­te sich doch nicht die min­des­te Mög­lich­keit zur Aus­füh­rung der­sel­ben zei­gen. Auch war nie­mand da, dem ich mei­ne Plä­ne hät­te mit­tei­len, und der mich hät­te be­glei­ten kön­nen. Denn un­ter mei­nen Mits­kla­ven be­fand sich kein Eu­ro­pä­er. So bot sich mir denn zwei Jah­re hin­durch, so oft ich mich auch in der Ein­bil­dung da­mit be­schäf­tig­te, nicht die min­des­te hoff­nun­ger­we­cken­de Aus­sicht auf ein Ent­rin­nen dar.

King­ston upon Hull, kurz Hull, ist eine eng­li­sche Stadt, die am Nor­du­fer der Fluss­mün­dung des Hull Ri­ver in den Hum­ber ge­le­gen ist.  <<<

Chef, Auf­trag­ge­ber, Bro­therr  <<<

2. Sklaverei und Flucht

Un­ge­fähr nach Ablauf die­ser Zeit rief mir ein selt­sa­mer Um­stand mei­ne Flucht­plä­ne wie­der ins Ge­dächt­nis. Eine ge­rau­me Wei­le hin­durch blieb näm­lich mein Herr, wie ich hör­te aus Geld­man­gel, ge­gen sei­ne Ge­wohn­heit zu Hau­se lie­gen. Wäh­rend die­ser Zeit fuhr er jede Wo­che ein oder meh­re Mal in sei­nem klei­nen Schiffs­boot auf die Rhe­de zum Fi­schen, wo­bei er stets mich und einen klei­nen Mo­res­ken zum Ru­dern mit­nahm. Wir mach­ten ihm auf die­sen Fahr­ten al­ler­lei Spä­ße vor, und da ich mich zum Fisch­fang an­stel­lig zeig­te, er­laub­te er, dass ich nebst ei­nem sei­ner Ver­wand­ten und dem Moh­ren­jun­gen auch bis­wei­len al­lein hin­aus­fuhr und ihm ein Ge­richt Fi­sche hol­te.

Als wir einst an ei­nem sehr wind­stil­len Mor­gen solch eine Fahrt mach­ten, ent­stand ein so di­cker Ne­bel, dass wir die Küs­te, von der wir kaum eine Stun­de ent­fernt wa­ren, aus dem Ge­sicht ver­lo­ren. Wir ru­der­ten un­abläs­sig, ohne zu wis­sen, ob wir vor­wärts oder zu­rück kämen, den gan­zen Tag und die fol­gen­de Nacht hin­durch und wur­den erst am nächs­ten Mor­gen ge­wahr, dass wir, statt uns dem Lan­de zu nä­hern, nach der of­fe­nen See hin ge­ra­ten und min­des­tens zwei deut­sche Mei­len vom Ufer ent­fernt wa­ren. Den­noch er­reich­ten wir die­ses, völ­lig aus­ge­hun­gert, un­ter nicht ge­rin­ger Mühe und Ge­fahr wie­der, nach­dem sich des Mor­gens ein schar­fer Wind land­wärts er­ho­ben hat­te.

Un­ser Ge­bie­ter, durch dies Er­eig­nis ge­warnt, be­schloss, künf­tig für sei­ne Per­son grö­ße­re Vor­sicht an­zu­wen­den und nicht mehr ohne Kom­pass und Pro­vi­ant auf den Fisch­fang zu ge­hen. Da er das Lang­boot un­se­res von ihm ge­nom­me­nen Schif­fes zu sei­ner Ver­fü­gung hat­te, trug er sei­nem Schiffs­zim­mer­mann, der wie ich Skla­ve und ge­bo­re­ner Eng­län­der war, auf, in die­sem Boot eine klei­ne Ka­jü­te zu er­rich­ten, ähn­lich der in ei­ner Bar­ke, und zwar so, dass hin­ter der­sel­ben Je­mand Platz habe, um zu steu­ern und das große Se­gel zu re­gie­ren, da­vor aber zwei Per­so­nen Raum fän­den, um die an­de­ren Se­gel zu hand­ha­ben.

Das Lang­boot führ­te ein so­ge­nann­tes Giek­se­gel und die Raa rag­te über die Ka­jü­te hin­aus, wel­che schmal und nied­rig war und höchs­tens für den Ka­pi­tän und ein Paar Skla­ven, so­wie einen Tisch und ein Schränk­chen zur Auf­be­wah­rung von Brot, Reis, Kaf­fee und der­glei­chen Raum bot. In die­sem Fahr­zeug fuh­ren wir dann flei­ßig zum Fi­schen aus, und da ich mich gut auf das Ge­schäft ver­stand, ließ mein Herr mich nie zu Hau­se.

Ei­nes Ta­ges woll­te die­ser mit ein paar vor­neh­men Moh­ren zum Ver­gnü­gen oder zum Fisch­fang eine Fahrt ma­chen und ließ dazu un­ge­wöhn­li­che An­stal­ten tref­fen. Schon abends zu­vor hat­te er Mund­vor­rat an Bord ge­schickt und mir auf­ge­tra­gen, drei Flin­ten mit dem im Boot be­find­li­chen Pul­ver und Blei be­reit zu hal­ten, da­mit er und sei­ne Freun­de sich auch durch die Vo­gel­jagd ver­gnü­gen könn­ten. Ich tat wie mir be­foh­len, und war­te­te in dem sau­ber ge­putz­ten Boot, dar­auf Flag­ge und Wim­pel lus­tig we­he­ten, auf die An­kunft mei­nes Ge­bie­ters und sei­ner Gäs­te. Bald nach­her aber kam je­ner al­lein, sag­te mir, die letz­te­ren sei­en durch Ge­schäf­te ver­hin­dert, ich sol­le da­her mit dem Moh­ren und dem klei­nen Jun­gen wie ge­wöhn­lich al­lein hin­aus­fah­ren und für sei­ne Freun­de zum Abendes­sen ein Ge­richt Fi­sche fan­gen.

In die­sem Au­gen­blick ka­men mir mei­ne Flucht­ge­dan­ken wie­der in den Sinn. Ich sah jetzt ein klei­nes Schiff ganz zu mei­ner Ver­fü­gung ge­stellt und be­rei­te­te, als mein Herr fort war, so­gleich al­les statt für den Fisch­fang zu ei­ner lan­gen Fahrt vor. Frei­lich wuss­te ich nicht, wo­hin die­se ge­hen soll­te, aber das küm­mer­te mich nicht, da ich nur von dort weg­zu­kom­men be­dacht war.

Zu­nächst sann ich auf einen Vor­wand, um den Moh­ren nach Pro­vi­ant aus­zu­schi­cken. Ich sag­te ihm, es zie­me sich nicht für uns, von dem Mund­vor­rat un­sers Ge­bie­ters zu neh­men. Dies leuch­te­te ihm ein, und er brach­te denn auch bald einen großen Korb mit ge­rös­te­tem Zwie­back, wie sol­cher dort zu Lan­de be­rei­tet wur­de, nebst drei Krü­gen mit fri­schem Was­ser her­bei. Ich wuss­te, wo mein Herr sei­nen Fla­schen­korb hat­te, der, nach der Façon zu schlie­ßen, auch von ei­nem eng­li­schen Schif­fe er­beu­tet sein muss­te. Die­sen stell­te ich in das Boot, wie wenn er dort für un­sern Herrn schon ge­stan­den habe. Dann trug ich einen etwa fünf­zig Pfund schwe­ren Wachs­klum­pen hin­ein, so­wie einen Knäu­el Bind­fa­den, ein Beil, eine Säge und einen Ham­mer, lau­ter nütz­li­che Din­ge, be­son­ders das Wachs, aus dem ich Lich­ter ma­chen woll­te. Dann dre­he­te ich dem Moh­ren, wel­cher Is­ma­el hieß, aber Mu­ley ge­nannt wur­de, eine wei­te­re Nase. »Mu­ley«, sag­te ich zu ihm, »die Ge­weh­re un­sers Herrn sind an Bord. Könn­ten wir nicht auch ein we­nig Pul­ver und Schrot be­kom­men? Es wäre doch hübsch, wenn wir für uns ei­ni­ge Al­ka­mies (eine Art See­vö­gel) schie­ßen könn­ten. Ich weiß, der Schieß­be­darf liegt im großen Schiff.« – »Gut«, er­wi­der­te er, »ich will’s ho­len.« Bald dar­auf kam er wirk­lich mit ei­nem großen Le­der­beu­tel, in wel­chem sich etwa an­dert­halb Pfund Pul­ver, fünf bis sechs Pfund Schrot und et­li­che Ku­geln be­fan­den, und trug dies al­les zu­sam­men ins Boot. Un­ter­deß hat­te ich auch in mei­nes Herrn Ka­jü­te et­was Pul­ver ge­fun­den, das ich in eine der großen Fla­schen im Fla­schen­korb, die bei­na­he leer war und de­ren In­halt ich in eine an­de­re goss, füll­te. So, mit dem Nö­tigs­ten ver­se­hen, se­gel­ten wir aus dem Ha­fen zum Fisch­fang. Der Wind ging lei­der aus Nord­nord­ost; wäre er von Sü­den ge­kom­men, hät­te ich leicht die spa­ni­sche Küs­te, oder we­nigs­tens die Bai von Ca­dix er­rei­chen kön­nen. Trotz dem aber, moch­te der Wind auch noch so un­güns­tig we­hen, blieb mein Ent­schluss fest, von die­sem schreck­li­chen Orte zu ent­rin­nen, das Üb­ri­ge aber dem Ge­schick an­heim zu stel­len.

Nach­dem wir ei­ni­ge Zeit ge­fischt hat­ten, ohne Et­was zu fan­gen (denn wenn ich auch einen Fisch an der An­gel spür­te, zog ich ihn nicht her­aus), sag­te ich zu dem Moh­ren: »Hier hat’s kei­ne Art; wir wer­den von hier un­serm Herrn Nichts heim­brin­gen, wir müs­sen es wei­ter drau­ßen ver­su­chen«. Er, sich nichts Ar­ges ver­se­hend, wil­lig­te ein und zog, da er am Stern des Schif­fes stand, die Se­gel auf. Ich steu­er­te dann das Boot bei­na­he eine deut­sche Mei­le auf die of­fe­ne See hin­aus. Hier­auf brach­te ich es in die Stel­lung, als ob ich fi­schen wol­le, gab dem Jun­gen das Steu­er­ru­der, ging nach vorn, wo der Mohr stand, tat, wie wenn ich be­ab­sich­tig­te, hin­ter ihm Et­was auf­zu­he­ben, fass­te ihn rück­lings an und warf ihn kur­z­er Hand über Bord. So­fort tauch­te er wie­der auf, denn er schwamm wie Kork, und bat mich, ihn wie­der her­ein zu he­ben. Er wol­le ja, sag­te er, mit mir in die wei­te wei­te Welt ge­hen. Da er rasch hin­ter dem Boot her schwamm, wür­de er mich bei dem schwa­chen Wind bald er­reicht ha­ben. Ich aber eil­te in die Ka­jü­te, er­griff eine der Vo­gel­flin­ten und rief ihm zu: »Wenn du dich ru­hig ver­hältst, wer­de ich dir Nichts zu Lei­de tun. Du schwimmst gut ge­nug, um das Land er­rei­chen zu kön­nen, und die See ist ru­hig. Mach, dass du fort­kommst, so will ich dich ver­scho­nen; wagst du dich aber an das Boot her­an, so bren­ne ich dir eins vor den Kopf, denn ich bin ent­schlos­sen, mich zu be­frei­en.« Hier­auf wand­te er sich um, schwamm nach der Küs­te und hat die­se auch je­den­falls mit Leich­tig­keit er­reicht; denn er war ein aus­ge­zeich­ne­ter Schwim­mer.

Eben­so gut frei­lich hät­te ich auch den Moh­ren mit mir neh­men und den Jun­gen statt sei­ner er­säu­fen kön­nen, aber es war Je­nem nicht zu trau­en. Als er sich fort ge­macht, sag­te ich zu dem klei­nen Bur­schen, wel­cher Xury hieß: »Höre, wenn du mir treu bleibst, will ich et­was Gro­ßes aus dir ma­chen; willst du mir aber nicht beim Bar­te Ma­ho­meds und sei­nes Va­ters Treue schwö­ren, so muss ich dich ins Was­ser wer­fen.« Der Jun­ge lä­chel­te mir ins Ge­sicht und ant­wor­te­te mir so treu­her­zig, dass ich ihm nicht miss­trau­en konn­te: er ver­spre­che mir treu zu sein und mit mir zu ge­hen, wo­hin ich wol­le.

So lan­ge mich der schwim­men­de Mohr im Auge zu be­hal­ten ver­moch­te, steu­er­te ich das Boot dem ho­hen Meer zu, und zwar so, dass man mei­nen soll­te, wir hät­ten uns der Meeren­ge von Gi­bral­tar zu­ge­wandt. Je­der ver­nünf­ti­ge Mensch muss­te an Stel­le der Ne­ger dies auch an­neh­men. Denn wer hät­te den­ken sol­len, dass wir süd­wärts ge­se­gelt wä­ren, recht ei­gent­lich nach der Bar­ba­ren­küs­te hin, an der gan­ze Völ­ker­schaf­ten von Ne­gern wohn­ten, die uns mit ih­ren Käh­nen um­zin­geln und uns um­brin­gen konn­ten; wo wir auch nir­gends zu lan­den ver­moch­ten, ohne Ge­fahr zu lau­fen, von wil­den Bes­ti­en oder noch un­barm­her­zi­gern wil­den Men­schen zer­ris­sen zu wer­den. Den­noch aber än­der­te ich, so­bald die Abend­däm­merung kam, die Rich­tung un­se­res Boo­tes und steu­er­te di­rekt nach Süd­ost. Die­sen Kurs schlug ich ein, um in der Nähe der Küs­te zu blei­ben. Da wir gu­ten fri­schen Wind hat­ten, ka­men wir so schnell vor­wärts, dass wir am nächs­ten Nach­mit­tag ge­gen drei Uhr uns schon bei­na­he 150 Mei­len süd­lich von Sa­leh, weit ent­fernt von dem Reich des Kai­sers von Marok­ko und ir­gend ei­nes an­de­ren Herr­schers (wir sa­hen we­nigs­tens kei­nen Men­schen am Lan­de) be­fan­den.

Mei­ne Furcht vor den Moh­ren war so groß, und ich bang­te so sehr da­vor, ih­nen in die Hän­de zu fal­len, dass ich mich nicht ent­schlie­ßen konn­te, an Land oder auch nur vor An­ker zu ge­hen. Der Wind weh­te noch vol­le fünf Tage hin­durch uns güns­tig. Nach­dem er sich dann süd­wärts ge­dreht hat­te, durf­te ich glau­ben, dass, wenn man auch zu Schif­fe auf uns Jagd ge­macht ha­ben soll­te, die­se doch nun auf­ge­ge­ben sein wür­de. Da­her wag­te ich mich jetzt an die Küs­te und warf An­ker an der Mün­dung ei­nes klei­nen Flus­ses. Ich wuss­te we­der, un­ter wel­chem Brei­ten­gra­de, noch in wel­chem Land, noch bei wel­chem Volk ich mich be­fin­de. Kei­ne Men­schen­see­le ließ sich se­hen; auch hat­te ich kein Ver­lan­gen da­nach, denn das Ein­zi­ge, wo­nach ich mich sehn­te, war fri­sches Was­ser.

Wir ge­lang­ten abends in die Fluss­mün­dung und be­schlos­sen, so­bald es dun­kel sei, an Land zu schwim­men und die Ge­gend aus­zu­kund­schaf­ten. Je­doch ver­nah­men wir, als es Nacht ge­wor­den, einen so fürch­ter­li­chen Lärm, ein sol­ches Bel­len, Brül­len und Heu­len wil­der Tie­re, Gott weiß wel­cher Art, dass mein ar­mer Jun­ge vor Angst ster­ben woll­te und mich fle­hent­lich bat, nicht vor Ta­ge­s­an­bruch an das Ufer zu ge­hen. »Gut, Xury«, sag­te ich, »dann wol­len wir es las­sen; aber viel­leicht be­kom­men wir bei Tage Men­schen zu se­hen, die es ge­ra­de so schlecht mit uns mei­nen als die­se Lö­wen.« – »Ei, dann wir schi­cken ih­nen ei­ni­ge Ku­geln aufs Fell«, er­wi­der­te Xury la­chend, »die ih­nen ma­chen Bei­ne.« – Ein we­nig Eng­lisch näm­lich hat­te der Jun­ge durch den Ver­kehr mit uns Skla­ven ge­lernt.

Ich war froh, den Jun­gen so lus­tig zu se­hen, und ließ ihn zur Er­mu­ti­gung einen Schluck Rum aus ei­ner der Fla­schen mei­nes Pa­trons tun. Üb­ri­gens war Xu­ry’s Rat gut, da­her ich ihn auch be­folg­te. Wir war­fen un­sern klei­nen An­ker aus und la­gen die Nacht über still. An Schla­fen war je­doch kein Ge­dan­ke. Denn nach ei­ni­gen Stun­den sa­hen wir ge­wal­tig große Bes­ti­en ver­schie­de­ner Art, die wir nicht zu nen­nen wuss­ten, an den Strand kom­men und sich ins Was­ser stür­zen. Sie mach­ten sich das Ver­gnü­gen ei­ner Ab­küh­lung und heul­ten und brüll­ten da­bei in ei­ner Art, wie ich es mein Leb­tag nicht wie­der ge­hört habe.

Xury war furcht­bar er­schro­cken und ich nicht min­der. Aber wie ent­setz­ten wir uns erst, als ei­nes der Un­tie­re auf un­ser Boot zu­ge­schwom­men kam. Wir konn­ten es nicht se­hen, doch an sei­nem Schnau­ben war zu hö­ren, dass es eine un­ge­heu­er große und grim­mi­ge Bes­tie sein muss­te. Xury be­haup­te­te, es sei ein Löwe, und es moch­te wohl auch ei­ner sein. Der arme Jun­ge schrie, ich soll­te den An­ker lich­ten und weg­ru­dern. »Nein«, er­wi­der­te ich, »wir wol­len nur das Ka­bel­tau ver­län­gern und nach der See hin­steu­ern, dann kön­nen die Tie­re uns nicht fol­gen.« Kaum hat­te ich die­se Wor­te ge­spro­chen, als ich das Un­ge­heu­er zu mei­ner großen Über­ra­schung schon bis auf zwei Ru­der­län­gen uns nahe er­blick­te. So­fort eil­te ich nach der Ka­jü­te, er­griff ein Ge­wehr und gab Feu­er, wor­auf die Bes­tie sich als­bald um­wand­te und wie­der nach dem Lan­de schwamm.

Es ist un­mög­lich, den fürch­ter­li­chen Lärm, das Ge­schrei und Ge­heul zu be­schrei­ben, das un­mit­tel­bar an der Küs­te und wei­ter ins Land hin­ein nach mei­nem Schus­se ent­stand. So Et­was hat­ten die­se Krea­tu­ren wahr­schein­lich frü­her nie ge­hört. Ich zog dar­aus den Schluss, dass wir wäh­rend der Nacht nicht hier ans Land ge­hen dürf­ten, und es schi­en so­gar frag­lich, ob wir es bei Tage wa­gen dürf­ten; denn den wil­den Men­schen in die Hän­de zu ge­ra­ten, war um Nichts bes­ser, als in die Ge­walt der wil­den Tie­re zu kom­men, zum we­nigs­ten hat­ten wir vor bei­den gleich große Angst. Trotz­dem aber ge­bot uns die Not­wen­dig­keit, ir­gend­wo zu lan­den, um Was­ser zu ho­len, wo­von wir kei­ne Pin­te mehr im Boo­te hat­ten. Es frag­te sich nur, wo wir es wa­gen soll­ten. Xury sag­te mir, wenn er mit ei­nem der Krü­ge ans Ufer ge­hen dür­fe und es da über­haupt Was­ser gäbe, wol­le er es schon be­kom­men. Ich frag­te ihn, warum denn er ge­hen wol­le und er nicht lie­ber sehe, wenn ich es täte. Er ant­wor­te­te mir dar­auf mit sol­cher Treu­her­zig­keit, dass ich ihn da­durch für im­mer lieb ge­wann. »Wenn kom­men wil­de Män­ner«, sag­te er, »sie es­sen mich, du weg­ge­hen.« »Nun, Xury«, er­wi­der­te ich, »dann wol­len wir alle bei­de ge­hen, und wenn die wil­den Män­ner kom­men, schie­ßen wir sie nie­der, dann kön­nen sie kei­nen von uns fres­sen.« Hier­auf gab ich ihm ein Stück Zwie­back und ließ ihn einen Schluck Rum aus dem Fla­schen­korb tun. Dann ru­der­ten wir das Boot mög­lichst nahe ans Ufer und wa­te­ten, nur mit un­sern Ge­weh­ren und zwei Was­ser­krü­gen aus­ge­rüs­tet, ans Land.

Ich wag­te nicht das Boot aus den Au­gen zu ver­lie­ren, weil ich fürch­te­te, die Wil­den möch­ten in Käh­nen den Fluss her­un­ter kom­men. Der Jun­ge aber, wel­cher etwa eine Mei­le land­ein­wärts eine Nie­de­rung ge­wahr­te, eil­te da­nach hin, und gleich dar­auf sah ich ihn wie­der zu­rück­keh­ren. Ich glaub­te, er sei von Wil­den ver­folgt oder durch ein Tier er­schreckt, und rann­te, um ihm zu hel­fen, ihm ent­ge­gen. Als ich je­doch nä­her kam, sah ich, dass er Et­was über die Schul­tern hän­gen hat­te, das ich als ein von ihm ge­tö­te­tes Tier er­kann­te. Es glich ei­nem Ha­sen, war aber von an­de­rer Far­be und län­ger von Bei­nen. Wir hat­ten große Freu­de dar­über, da es uns eine herr­li­che Mahl­zeit lie­fer­te. Das Bes­te aber, was Xury mit­brach­te, war die Nach­richt, dass er gu­tes Was­ser ge­fun­den und kei­ne Wil­den ge­se­hen hat­te.

Bald dar­auf wur­den wir ge­wahr, dass wir uns um Was­ser nicht so große Sor­gen hät­ten zu ma­chen brau­chen. Denn ein we­nig hö­her in der Bucht hin­auf, in der wir la­gen, fan­den wir, so­bald die Flut, die nicht tief den Fluss hin­ein ging, ver­lau­fen war, das Was­ser süß und frisch. So füll­ten wir denn un­se­re Krü­ge, ver­schmaus­ten un­ser Wild­pret und mach­ten uns wie­der rei­se­fer­tig. Spu­ren ei­nes mensch­li­chen We­sens hat­ten wir in die­ser Ge­gend nicht wahr­ge­nom­men.

Weil ich schon frü­her ein­mal an die­ser Küs­te ge­we­sen war, wuss­te ich, dass die ka­na­ri­schen In­seln, so­wie die des grü­nen Vor­ge­birgs von hier nicht weit ab­lie­gen konn­ten. Da mir’s aber an In­stru­men­ten zur Un­ter­su­chung des Brei­ten­grads, un­ter dem wir uns be­fan­den, ge­brach, und ich auch lei­der nicht ge­nau die Lage je­ner In­seln kann­te, war ich im Zwei­fel über die Rich­tung, die ich nach ih­nen ein­zu­schla­gen hät­te. Au­ßer­dem wäre es eine Leich­tig­keit ge­we­sen, sie zu er­rei­chen.

Ich hat­te mei­ne Hoff­nung dar­auf ge­setzt, dass mir, wenn ich mich im­mer längs der Küs­te hiel­te, bis ich in die Re­gi­on käme, wo die Eng­län­der ih­ren Han­del trie­ben, eins von ih­ren Schif­fen auf­sto­ßen und uns auf­neh­men wer­de. So­viel ich nach mei­ner Be­rech­nung her­aus­ge­bracht, muss­te ich da­mals in der Ge­gend sein, die zwi­schen dem Kai­ser­reich Marok­ko und den Ne­ger­staa­ten liegt und wo die Küs­te nur von Bes­ti­en be­wohnt ist. Die Ne­ger ha­ben die­sen Land­strich ver­las­sen und sich aus Furcht vor den Moh­ren nach Sü­den zu­rück­ge­zo­gen, wäh­rend die Moh­ren die Ge­gend we­gen ih­rer Un­frucht­bar­keit nicht des An­baus wert hal­ten. Bei­de Völ­ker­schaf­ten ha­ben auch des­halb jene Stre­cke auf­ge­ge­ben, weil so er­staun­lich viel Ti­ger, Lö­wen, Leo­par­den und an­de­re wil­de Tie­re dort hau­sen. Die Moh­ren be­nut­zen die Ge­gend da­her nur zum Ja­gen, in­dem sie ar­meen­weis zu zwei- bis drei­tau­send Mann dort­hin zie­hen. Bei­na­he hun­dert Mei­len lang sa­hen wir an der Küs­te nur wüs­tes Land, bei Tage wie aus­ge­stor­ben, des Nachts er­füllt vom Ge­heul und Ge­brüll der Bes­ti­en.

Ein- oder zwei­mal glaub­te ich den Pik von Te­ne­rif­fa zu er­bli­cken und hat­te große Lust, nach ihm hin zu steu­ern; nach mehr­ma­li­gen ver­geb­li­chen Ver­su­chen aber, durch wid­ri­gen Wind ge­nö­tigt und auch weil die See für mein klei­nes Fahr­zeug zu hoch ging, be­schloss ich, nach mei­nem frü­he­ren Pla­ne mich längs der Küs­te zu hal­ten.

Mehr­mals war ich ge­nö­tigt, ans Land zu ge­hen, um fri­sches Was­ser zu ho­len. Ei­nes Ta­ges war­fen wir früh am Mor­gen un­ter ei­nem ziem­lich hoch ge­le­ge­nen Küs­ten­punkt An­ker. Die Flut be­gann und wir woll­ten sie ab­war­ten, um mit ihr wei­ter zu ge­hen. Xury, der sei­ne Au­gen flin­ker als ich über­all hat­te, rief mir lei­se zu, es sei bes­ser, wenn wir von der Küs­te uns ab­wen­de­ten, »denn«, sag­te er, »dort liegt ein schreck­li­ches Un­ge­heu­er ne­ben dem Hü­gel und schläft«.

Ich sah nach der an­ge­deu­te­ten Rich­tung und er­blick­te wirk­lich ein scheuß­li­ches Un­tier. Es war ein sehr großer Löwe, der am Ufer im Schat­ten ei­nes Hü­gel­vor­sprungs lag. »Xury«, sag­te ich, »du musst ans Land und ihn ab­muck­sen.« Xury schau­der­te und er­wi­der­te: »Ich muck­sen? Er mich es­sen auf einen Bis­sen.« Da ließ ich den Jun­gen sich still ver­hal­ten, nahm uns­re größ­te Flin­te, lud sie stark mit Pul­ver und mit zwei Ku­geln und leg­te sie ne­ben mich. In ein an­de­res Ge­wehr tat ich zwei Ku­geln, in ein drit­tes (denn wir hat­ten drei) fünf Ku­geln von klei­ne­rem Ka­li­ber. Beim ers­ten Schuss hielt ich der Bes­tie scharf nach dem Kopf, al­lein sie hat­te die Tat­ze ein we­nig über die Schnau­ze ge­legt, so­dass die Ku­geln sie über dem Knie tra­fen und ihr nur den Ge­lenk­kno­chen zer­schmet­ter­ten. Der Löwe sprang auf, knurr­te an­fangs lei­se, fühl­te aber sein Bein ent­zwei, sank nie­der und stell­te sich dann auf drei Bei­ne, in­dem er das schreck­lichs­te Ge­brüll los ließ, das ich je ver­nom­men. Ich war er­schro­cken, dass ich den Kopf ver­fehlt, griff aber so­fort nach dem zwei­ten Ge­wehr und gab aber­mals Feu­er; wie­wohl der Feind aus­rei­ßen woll­te, traf ich ihn dies­mal doch in den Kopf und sah mit Ver­gnü­gen, wie er zu­sam­men­brach und ohne großen Lärm sei­nen To­des­kampf kämpf­te. Jetzt be­kam Xury Cou­ra­ge und woll­te ans Land. »Gut«, sag­te ich, »geh.« Da­rauf sprang er ins Was­ser, nahm in die eine Hand eine klei­ne Flin­te, schwamm mit der an­de­ren ans Ufer, be­gab sich dicht an das Tier her­an, hielt ihm das Ge­wehr nahe vor­’s Ohr und mach­te ihm mit ei­nem neu­en Schuss durch den Kopf vollends den Garaus.

Dies Wild­pret lie­fer­te uns aber Nichts zu es­sen, und es tat mir leid, drei Schüs­se an ein Tier ver­schwen­det zu ha­ben, mit dem wir Nichts an­fan­gen konn­ten. Xury aber sag­te, Et­was wol­le er doch da­von­tra­gen, und bat mich um das Beil. »Wozu, Xury?« frag­te ich. »Kopf ab­hau­en«, ant­wor­te­te er. Je­doch ge­lang ihm das nicht, und er brach­te nur eine un­ge­heu­re Tat­ze mit sich zu­rück.

Ich hat­te un­ter­des­sen über­legt, dass uns viel­leicht das Fell von ei­ni­gem Wert sein könn­te, und be­schloss es ab­zu­zie­hen. So mach­te ich mich denn mit Xury ans Werk; der Jun­ge aber leis­te­te da­bei viel mehr als ich, denn ich ver­stand mich schlecht auf die Sa­che. Die Ar­beit nahm einen gan­zen Tag in An­spruch, bis wir zu­letzt das Fell da­von­tru­gen. Wir spann­ten es über das Dach un­se­rer Ka­jü­te aus, wo es die Son­ne rasch trock­ne­te; dann be­nutz­te ich es als De­cke für mein La­ger.

Nach die­sem Auf­ent­halt se­gel­ten wir zehn bis zwölf Tage in ei­nem fort süd­wärts. Jetzt gin­gen wir mit un­serm Pro­vi­ant, der stark ins Ab­neh­men ge­ra­ten war, sehr spar­sam um. Ans Land wag­ten wir uns nur, um Was­ser zu neh­men.

Mein Plan war, zu ver­su­chen, ob wir den Gam­bia oder Se­ne­gal, das heißt die Ge­gend des grü­nen Vor­ge­birgs zu er­rei­chen ver­möch­ten, wo ich hof­fen durf­te, ei­nem eu­ro­päi­schen Schif­fe zu be­geg­nen. Ge­sch­ah dies nicht, so blieb mir Nichts üb­rig, als nach den kap­ver­di­schen In­seln zu steu­ern oder un­ter den Ne­gern um­zu­kom­men. Ich wuss­te, dass alle eu­ro­päi­schen Schif­fe, die nach der Küs­te von Gui­nea oder nach Bra­si­li­en oder Ost­in­di­en ge­hen, auf dem grü­nen Vor­ge­birg oder je­nen In­seln Sta­ti­on ma­chen. So setz­te ich denn mein gan­zes Ge­schick auf die eine Num­mer: ent­we­der be­geg­ne­te ich ei­nem Schiff, oder ich war ver­lo­ren.

Als ich in die­ser Un­ge­wiss­heit etwa zehn Tage hin­durch ge­re­gelt war, be­gann ich wahr­zu­neh­men, dass die Küs­te be­wohnt sei. An meh­ren Stel­len sa­hen wir im Vor­bei­fah­ren Leu­te an dem Ufer ste­hen, die uns be­ob­ach­te­ten. Wir konn­ten auch er­ken­nen, dass sie ganz schwarz und völ­lig nackt wa­ren. Ein­mal wan­del­te mich die Lust an, ans Land zu ih­nen zu ge­hen, aber Xury riet mir ab und sag­te: »Nicht ge­hen, ja nicht ge­hen.«