ROBOCOP 2 - Der Roman zum Film - Ed Naha - E-Book

ROBOCOP 2 - Der Roman zum Film E-Book

Ed Naha

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Beschreibung

Detroit, Ende des 20. Jahrhunderts.

Er arbeitet computergesteuert und mit der Präision einer Vernichtungswaffe: RoboCop, diese perfekte Synthese von Mensch und Maschine, der Schrecken der Unterwelt.

Jetzt braucht ihn Detroit mehr als jemals zuvor: In den Straßen der Millionenstadt regiert die nackte Gewalt. Die Polizei, im Würgegriff eines mächtigen Privatkonzerns, ist in den Streik getreten, und die Drogenbosse nutzen die Gunst der Stunde.

RoboCop weiß, was er zu tun hat.

Aber dann schickt die Gegenseite einen zweiten, ganz und gar anders gesinnten RoboCop ins Feld...



Der Roman RoboCop 2 ist die Adaption des gleichnamigen und bereits legendären dystopischen Action-Films aus dem Jahr 1990 (Regie: Irvin Kershner, der u. a. auch Filme wie Die Augen der Laura Mars, Star Wars: Das Imperium schlägt zurück und Sag niemals nie inszenierte), in den Hauptrollen: Peter Weller (Alex Murphy/RoboCop), Nancy Allen (Officer Anne Lewis), Tom Noonan (Cain) und Belinda Bauer (Dr. Juliette Faxx).

Der Autor Ed Naha gilt seit seinen Romanen zu Erfolgsfilmen wie Robocop, Ghostbusters 2 und Dead Bang als Amerikas gefragtester Autor auf diesem Gebiet.

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ED NAHA

RoboCop 2

Roman

Apex Science-Fiction-Klassiker, Band 34

Apex-Verlag

Inhaltsverzeichnis

Das Buch 

 

ROBOCOP 2 

 

TEIL 1 

1. 

2. 

3. 

4. 

5. 

6. 

7. 

8. 

 

TEIL 2 

9. 

10. 

11. 

12. 

13. 

14. 

15. 

16. 

17. 

18. 

19. 

20. 

21. 

22. 

23. 

24. 

25. 

26. 

 

TEIL 3 

27. 

28. 

29. 

30. 

31. 

Epilog 

 

Das Buch

Detroit, Ende des 20. Jahrhunderts.

Er arbeitet computergesteuert und mit der Präision einer Vernichtungswaffe: RoboCop, diese perfekte Synthese von Mensch und Maschine, der Schrecken der Unterwelt.

Jetzt braucht ihn Detroit mehr als jemals zuvor: In den Straßen der Millionenstadt regiert die nackte Gewalt. Die Polizei, im Würgegriff eines mächtigen Privatkonzerns, ist in den Streik getreten, und die Drogenbosse nutzen die Gunst der Stunde.

RoboCop weiß, was er zu tun hat.

Aber dann schickt die Gegenseite einen zweiten, ganz und gar anders gesinnten RoboCop ins Feld...

Der Roman RoboCop 2 ist die Adaption des gleichnamigen und bereits legendären dystopischen Action-Films auf dem Jahr 1990 (Regie: Irvin Kershner, der u. a. auch Filme wie Die Augen der Laura Mars, Star Wars: Das Imperium schlägt zurück und Sag niemals nie inszenierte), in den Hauptrollen: Peter Weller (Alex Murphy/RoboCop), Nancy Allen (Officer Anne Lewis), Tom Noonan (Cain) und Belinda Bauer (Dr. Juliette Faxx).

Der Autor Ed Naha gilt seit seinen Romanen zu Erfolgfilmen wie Robocop, Ghostbusters 2 und Dead Bang als Amerikas gefragtester Autor auf diesem Gebiet.

ROBOCOP 2

TEIL 1

»Diese Welt ist eine Komödie für die, die nachdenken... und eine Tragödie für die, die fühlen.«

- Horace Walpole

  1.

Er war ein Cop.

Ein guter Cop.

Früher hatte er auf den Namen Murphy, Alex Murphy, gehört, aber da war er auch noch ein Mensch gewesen. Die Zeit und die Umstände hatten seine Persönlichkeit gründlich verändert. Heute war er mehr als nur ein Mensch - und gleichzeitig viel weniger.

»Die Stütze des Gesetzes«, so nannte man ihn. Ein Wesen, halb Mensch, halb Maschine, darauf programmiert, der Bevölkerung zu dienen.

Seine Geschichte ließ sich in wenigen Worten zusammenfassen: Dank der Fortschritte der Roboter-Technik war sein kugeldurchsiebter Körper dem sicheren Tod entrissen und in eine mächtige Metallhülle gesteckt worden.

Sein Aufgabengebiet war klar umgrenzt.

Anweisung 1: Diene der öffentlichen Sicherheit.

Anweisung 2: Hüte das Gesetz.

Anweisung 3: Schütze die Unschuldigen.

Die Lichter von Old Detroit blinkten RoboCop durch das Visier an, während er seinen TurboCruiser durch eine der zahlreichen verwahrlosten und leeren Straßen der alten Stadt steuerte. Halb zerstörte Gebäude ragten neben Läden und Mietshäusern empor, die sich hier immer noch zu behaupten versuchten. Neonlichter summten und blitzten, Türen hingen halb aus den Scharnieren. Überall schwere Metalltore, die von Mietern und Ladenbesitzern angebracht worden waren, um sich vor Einbrüchen zu schützen. Ein aussichtsloses Unterfangen, dachte RoboCop. Die Woge der Verbrechen schwoll unaufhaltsam an. Die Stadt wurde buchstäblich von einer Flut der Untaten überspült.

Er hielt den TurboCruiser an und stieg aus.

Durch Ruß und Smog, die die Stadt wie einen Mantel umhüllten, schimmerte das bleiche Licht des Vollmondes - ein seltsamer, grünlicher Farbton.

»Der besteht sicher aus altem Käse, Daddy«, hörte RoboCop tief in seinem Innern die Stimme des kleinen Jungen. Das Wesen, das zur Hälfte aus Murphy und zur anderen Hälfte aus Robotik bestand, kämpfte den Schmerz nieder, der die Erinnerung begleitete. Er hatte einen Sohn gehabt, früher einmal. Und eine Frau. Und ein Heim. Er hatte das alles verloren, als er der erste und einzige Cyborg-Gesetzeshüter geworden war.

Er kämpfte immer noch darum, dass die inneren Prozesse seiner neuen Persönlichkeit sich mit den Resten seines alten Ichs verbanden, dass sie miteinander verschmolzen.

Es gab Momente, in denen er seine Einsamkeit so stark empfand, dass er vor Schmerz zusammenzuckte.

Er war der einzige seiner Art.

Wieder einmal wurde ihm das qualvoll bewusst.

RoboCop kam an einer Bar vorbei und warf einen Blick hinein. Es waren kaum Gäste da, und der Wirt schlummerte unter einem plärrenden Fernsehapparat. Robo blieb am Eingang stehen; den Gestank von billigem Schnaps und Urin, der aus dieser Spelunke strömte, nahm er gar nicht wahr. Er starrte auf den Bildschirm, wo jetzt ein leerer Wagen zu sehen war. Ein Dieb mit einem Rattengesicht näherte sich dem Fahrzeug und schob geschickt einen Draht zwischen die Fensterscheibe und den Rahmen. Klick machte es, und schon war die Tür auf. Der

Dieb glitt auf den Fahrersitz und nahm, ein breites, selbstzufriedenes Grinsen auf dem verschwitzten Gesicht, hinter dem Lenkrad Platz.

Ohne Vorwarnung legte sich der Sicherheitsgurt wie ein Tentakel über die Brust des Eindringlings und hakte sich ein. Der Dieb lächelte immer noch, als wollte er sagen: Welchen Quatsch werden sie sich als nächstes ausdenken! Aber schon legten sich weitere Gurte um seinen Körper und banden ihn am Sitz fest. Der Mann zappelte hilflos, und in seinen Augen stand nacktes Entsetzen.

Der Fahrzeug-Computer erwachte brummend zum Leben. »Sie haben das falsche Schloss erwischt«, verkündete er. »Willkommen zur neuesten Entwicklung in Automobil-Selbstverteidigung.«

Schnaubend verfolgte RoboCop, wie elektrische Blitze auf dem Fernsehbild die Autofenster und Gurte entlang hinabzuckten. Der Dieb stieß einen erstickten Schrei aus und verlor das Bewusstsein. Seine Glieder zuckten wie wild, während die Stromstöße in seine Nerven fuhren.

Ein fröhlicher Ansager, der noch geschmackloser angezogen war als ein Gebrauchtwagenhändler, stapfte beschwingt zum Wagen und öffnete mit einem Ruck die Fahrertür. Der gegrillte Dieb plumpste wie ein Mehlsack aus dem Wagen heraus, während die Gurte sich wieder einrollten.

»Magna-Volt!« verkündete der Ansager aufgeregt. »Das Nonplusultra der Autosicherheit. Keine Alarmanlage, die ja doch im falschen Moment losgeht und nur alle Nachbarn gegen einen aufbringt. Wozu da noch die Mühe auf sich nehmen, die Polizei zu rufen!«

Der Mann trat lässig über den qualmenden Dieb hinweg und setzte sich nun selbst hinters Steuer. Er lächelte in die Kamera und ließ den Motor an. »Sehen Sie, Magna-Volt beansprucht nicht einmal die Batterie über Gebühr!«

Mit einer majestätisch anzusehenden Bildsequenz endete der Werbespot: Der Wagen fuhr durch eine saubere, gut beleuchtete Straße davon.

Als nächstes standen die Abendnachrichten auf dem Programm. Zwei Moderatoren, die schon seit Jahren darum wetteiferten, wer die bessere (und fortschrittlichste) Zahncreme benutzte, strahlten vom Bildschirm. Jess Perkins, die Blondine, die ihre Kleider und Blusen eng wie eine zweite Haut trug, entschied den Wettkampf meist für sich. Allerdings sagte sich RoboCop, dass die Mehrzahl der männlichen Zuschauer weniger an ihren strahlend weißen Zähnen als an den etwas tiefer liegenden Körperpartien interessiert war. Neben ihr zeigte sich Casey Wong, ein Eurasier mit Bürstenschnitt und einem so breiten Lachen, das man wohl auch vom Mond kaum übersehen könnte.

Hinter den beiden tobte ein brennendes Inferno. Im Vordergrund verendeten tropische Bäume wie im Zeitraffer.

»Das Atomkraftwerk am Amazonas ist in die Luft geflogen«, gab Casey bekannt, ohne auch nur eine Zehntelsekunde sein breites Lächeln zu verlieren. »In diesem Augenblick verstrahlen die Trümmer den größten zusammenhängenden Regenwald der Welt. Umweltschützer sprechen von einer Katastrophe.«

»Davon sprechen sie doch bei jeder Gelegenheit, nicht wahr?«, strahlte Jess.

Robos Augen verengten sich, als sich hinter den Moderatoren eine vertraute Gestalt durch das Fernsehbild bewegte. Die massige Gestalt des Enforcement-Droiden 209 schob sich mit mechanischen Bewegungen über eine Detroiter Straße. Einer seiner riesigen Füße blieb in einem Schlagloch stecken. Der gigantische, bucklige Roboter, dessen runder Leib auf den zwei Beinen schwankte, drehte die Arme, ruderte mit ihnen und schwang seine beiden 20mm-Kanonen hin und her, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren.

»Zu den Landesnachrichten«, fuhr Jess fort. »Generalbundesanwalt Marcus begrüßte heute den geplanten Einsatz von ED-209-Kampfmaschinen in fünf amerikanischen Großstädten, auch wenn sich die Klagen über Fehlfunktionen dieser Roboter immer mehr häufen. Casey?«

Mit einem perlweißen Lächeln übergab Jess an ihren Kollegen. »Und hier die letzten Meldungen vom Streik der Polizisten in Old Detroit. Doch zuvor eine wichtige Erklärung des Bundesgesundheitsamtes.«

Auf dem Schirm erschien ein bärtiger Mann in einer bunten und reich verzierten Uniform, die eher zu einem Admiral gepasst hätte. Offenbar hatte E. Edward Edwards, oberster Gesundheitsbevollmächtigter der Bundesregierung ganz verschlafen, dass er schon auf Sendung war. Jetzt drückte er rasch seine Zigarette aus und blickte schnaufend nach vom.

»Meine Damen und Herren«, verkündete eine allwissende Stimme aus dem Off, »der oberste Gesundheitsbevollmächtigte der Vereinigten Staaten.«

»Mitbürger«, begann Edwards entschlossen, während ihm noch Zigarettenrauch aus der Nase drang, »eine Gesundheitskrise bedroht unser Land, und nur Sie können ihr Einhalt gebieten. Eine neue >Designer-Droge< hat bereits Heerscharen von Abhängigen geschaffen, jeden zehnten Einwohner Detroits hat es schon erwischt... Und diese Droge breitet sich wie ein Buschfeuer über das Land aus.«

Der Bärtige hielt ein kleines Plastikgebilde in die Kamera. Eine Nuke-Ampulle. »Auf den Straßen und Schulhöfen nennt man dieses Zeugs Nuke. Und so eine Ampulle wird sehr billig angeboten.«

Auf dem Fernsehbild war jetzt ein Mann mit zittrigen Händen zu sehen. Zwei lange Finger drückten auf eine Nuke- Ampulle. Eine winzige Nadel schob sich aus dem Plastikmantel und bohrte sich in eine Halsader des Süchtigen. Die Flüssigkeit, so klärte eine Stimme aus dem Off auf, gelangte auf direktem Weg ins Gehirn und legte dort die unterschiedlichsten Sektionen lahm. Der Drogenkonsument geriet in eine Art Dämmerzustand, später in den Wahnsinn.

»Wie es heißt, beschert Nuke dem Konsumenten das Gefühl, unglaublich stark und gut drauf zu sein«, fuhr der Bevollmächtigte fort. »Man soll sich für unbesiegbar halten. Doch Vorsicht... die langfristigen Auswirkungen sind noch nicht zur Gänze erforscht. Soviel jedoch ist heute schon bekannt: Nuke ist die Substanz auf unserem Planeten, die die stärkste Abhängigkeit hervorruft!«

Edwards zeigte jetzt auf einen Tierkäfig, in dem eine weiße Ratte wie ein verrückt gewordener Tennisball von den Wänden sprang und abprallte. »Diese Ratte hat vor fünf Stunden das Äquivalent einer Nuke-Dosis verabreicht bekommen. Ihre Euphorie hat nur kurz angehalten. Jetzt leidet sie an der heimtückischen Agonie, die Nuke-Entzug auslöst. Versuchen Sie nicht, es der Ratte gleichzutun! Achten Sie darauf, dass Ihre Kinder nicht so enden wie diese Ratte! Nehmen Sie kein Nuke!«

Der Gesundheitsbevollmächtigte ließ sich wieder hinter seinem Schreibtisch nieder und hätte dabei fast den vollen Aschenbecher umgeworfen. »Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Tag und vor allem eine gesunde Zukunft.«

Robo starrte immer noch auf den Bildschirm, der jetzt wieder Jess und Casey zeigte - vor dem Hintergrund einer überdimensionalen Polizeimarke, über die wie ein Stempelaufdruck in roten Lettern das Wort STREIK eingeblendet wurde.

»Nach vier Monaten befindet sich die überwiegende Mehrheit der Polizeibeamten immer noch im Ausstand«, verkündete Casey. »Sie verlangen bessere Arbeitsbedingungen von Omni-Consumer-Products, OCP, von der Firma also, die von der Stadtverwaltung beauftragt wurde, die Detroiter Polizei zu finanzieren und zu leiten. Die Tarifverhandlungen wurden heute endgültig abgebrochen, und die Cops sind sehr ungehalten darüber.«

Als nächstes sah man ein Dutzend Streikposten vor dem Revier in Old Detroit.

Ein besorgter älterer Polizist, auf dessen Gesicht die vielen Dienstjahre in den verrufensten Stadtvierteln tiefe Falten hinterlassen hatten, blickte direkt in die Kamera. »OCP hat unsere Gehälter um vierzig Prozent gekürzt und unsere Pension ersatzlos gestrichen. Und jetzt wollen die hohen Herren nicht einmal mehr mit uns reden! Gott allein mag den Grund dafür kennen, aber es macht ganz den Eindruck, als wollte OCP diesen Streik unbedingt provozieren, auf dass die Stadt im Chaos versinkt!«

In diesem Augenblick wachte der Wirt aus seinem Schlummer auf und schaltete das Gerät ab. RoboCop stand, immer noch - vom Mondlicht umspielt - im Eingang, wo der Wirt ihn nun bemerkte.

»Wie geht's denn so, Robo?«, fragte der alte Mann. Seine Stimme klang wie ein Seufzen.

RoboCop nickte kurz. »Wie üblich - alles scheint beim alten zu bleiben«, antwortete er floskelhaft.

»Ja, so ist es.« Der Wirt nickte. »Ich sag' Ihnen mal was, es stimmt einen verdammt traurig, wenn man sich so die Nachrichten anschaut. Ich habe mein ganzes Leben in dieser Gegend gewohnt, aber so schlimm wie heute ist es hier noch nie gewesen. Kinder, die sich mit Drogen volldröhnen, tragen mehr Kanonen mit sich herum, als sich in all meinen Vietnam-Jahren zusammen zu Gesicht bekommen habe. Statt wie früher im Park herumzuschmusen und sich zu befummeln, spielen sie heute lieber am Abzug einer Knarre herum. Wirkt sich nicht gerade positiv aufs Geschäft aus, das kann ich Ihnen flüstern. Hier traut sich ja bald überhaupt keiner mehr auf die Straße... klar, bei all den Drogenköpfen und Ganoven! Und jetzt streiken auch noch die Cops!« Er hielt erschrocken inne und lächelte unsicher: »Ich wollte Ihnen damit natürlich nicht zu nahe treten, Robo.«

»Ist schon okay«, entgegnete RoboCop. Er presste die metallenen Kiefer zusammen und blickte auf den Smoghimmel hinaus. »Eine gute Nacht wünsche ich, Sir.«

»Klar, danke«, sagte der Wirt und lächelte gequält. »Wenn ich solange lebe.«

Es gärte in Robo, als er zu seinem TurboCruiser marschierte. Er musste sich zwingen, sich nicht von seinem Zorn überrennen zu lassen. Nicht nur seine eigene Welt fiel einfach auseinander, es schien auch so, als würde die richtige Welt von nichts mehr zusammengehalten.

Er glitt hinter das Steuer.

Er verschob seine Bestandsaufnahme auf einen späteren, geeigneteren Zeitpunkt.

Heute Nacht war er nur Cop.

Ein Cop, der Dienst zu tun hatte.

Und niemand würde ihn daran hindern.

  2.

Die lange Limousine suchte sich ihren Weg durch das höhlenartige Straßensystem von Detroit. Auf dem Rücksitz saß Bürgermeister Cyril Kuzak und war alles andere als glücklich. Er war noch ein junger Farbiger gewesen, da wurde er schon in dieses Amt gewählt. Sozusagen als Mann aus dem einfachen Volk, denn er war in den Slums von Old Detroit aufgewachsen und hatte sich mühsam nach oben geboxt.

Jetzt war er zwar ganz oben auf der Karriereleiter angelangt, aber eigenartigerweise musste er sich noch immer den Nacken verrenken und zu anderen aufblicken, die noch weiter oben standen. Und das gefiel ihm ganz und gar nicht.

Kuzaks Finger strichen über den Revers seines Tausenddollaranzugs. Er besaß alle Annehmlichkeiten der Macht, doch über Macht selbst verfügte er nicht. Wenn das eine Ironie des Schicksals sein sollte, so konnte der Bürgermeister nicht darüber lachen.

Er sah hinauf in den Nachthimmel. In einiger Entfernung hoch über dem spiralförmigen, schlanken Wolkenkratzer leuchtete das OCP-Logo über der schlafenden Stadt. Kuzaks Dienstfahrzeug steuerte darauf zu.

Neben Kuzak saß ein Mann, der sich jetzt regte. Ratsherr George Poulos, ein Gentleman, der bei seiner Kleidung noch die unscheinbarsten Details perfekt aufeinander abstimmte, räusperte sich, als wolle er dem Bürgermeister einen Wink geben: Hören Sie mit den Tagträumen auf und konzentrieren Sie sich auf das, was vor uns liegt.

Kuzak grunzte verächtlich, als die Limousine vor dem Eingang des Firmensitzes von OCP anhielt. Auf dem Vorplatz waren Arbeiter damit beschäftigt, Graffiti von einem ED-209 zu entfernen, der außer Betrieb war. Verdammter Killer-Blechhaufen, dachte der Bürgermeister. Er wandte sich an Poulos.

»Vergessen Sie nicht«, ermahnte er den Ratsherrn, »wir sind nicht hier, um etwas zu erbetteln.«

Poulos nahm nicht zum ersten Mal an einer Besprechung wie der anstehenden teil. »Natürlich nicht.«

»Ich bin gekommen, um Taten zu fordern!« erklärte Kuzak, als müsse er sich selbst davon überzeugen. »Ich bin gekommen, um diese Taten zu sehen!«

Die Männer marschierten auf die Kathedralen-artige Eingangshalle des Gebäudes zu und erreichten die Fahrstühle, die sie zur Chef-Etage von OCP beförderten. Dort oben thronte ein silberhaariger Despot, den alle nur den Alten nannten.

Während der Aufzug durch die durchsichtige Röhre nach oben glitt, wurde Kuzak immer wütender. Er hatte dem alten Giftpilz wirklich einiges zu sagen! Was glaubte der denn, wer er war, dass er es wagte, so mit Kuzaks Stadt umzuspringen, wie es ihm gerade beliebte? Die Polizisten wie Dreck, die Bevölkerung wie unmündige Kinder zu behandeln!

Die Fahrstuhltür öffnete sich. Ein jugendliche Frische ausstrahlender leitender Angestellter namens Johnson ließ die beiden ins Tempelinnere hinein. Der junge Mann grinste wie eine Katze, der die Maus nicht mehr entkommen kann. Okay, mochte er denken, wir stecken gerade in einer kleinen Krise, aber mit dem Alten kommt man aus jeder noch so heiklen Situation heil heraus. Johnson verdankte seinen Aufstieg vor allem dem Umstand, dass er sich nicht in Dinge einmischte, die ihn nichts angingen.

Kuzak verzog das Gesicht, als er den Raum betrat. Das riesige Zimmer wirkte wie die High-Tech-Version der Tafelrunde in König Arthurs Burg Camelot. Verdammt, hier hätte man locker eine Bowlingbahn eröffnen können und immer noch genügend Platz für andere nützliche Dinge gehabt. Kuzaks Miene verdüsterte sich noch mehr, als er rasch im Kopf zusammenrechnete, was allein die Einrichtung gekostet haben mochte. Auf jeden Fall mehr als das Jahresgehalt, das er als Bürgermeister vorweisen konnte.

Johnson grinste weiterhin selbstgefällig vor sich hin.

»Es trägt nicht gerade zur Wahrung der Würde meines Amtes bei, dass ich zu Ihnen kommen muss, Johnson«, murrte Kuzak.

»Seien Sie meines tief empfundenen Bedauerns über diese leisen Unbequemlichkeiten versichert, Euer Ehren«, kam es dem jungen Mann glatt über die Zunge.

Poulos verdrehte die Augen und folgte dem Bürgermeister in das Zimmer. Holzgang, ein Anwalt mit Pokermiene, lehnte an einem Schreibtisch. Der Alte thronte auf seinem Sessel und starrte durch das riesige Fenster hinaus auf die Wolkenkratzer der Stadt. Die Ankunft von Kuzak und Poulos schien er gar nicht wahrzunehmen.

Der Bürgermeister zankte sich immer noch mit Johnson herum. »Leise Unannehmlichkeiten?«, entfuhr es ihm in einer Mischung aus Erheiterung und Empörung. »Zwanzig Minuten durch den Verkehr dieser Stadt ist nicht eben eine leise Unannehmlichkeit! Vor allem dann nicht, wenn man der Bürgermeister einer der bedeutendsten Städte Amerikas ist!«

Der Alte stieß einen Seufzer des Überdrusses aus. Kuzak achtete nicht darauf. Poulos ließ sich in einem Sessel nieder und blickte den jungen leitenden Angestellten an. »Kommen wir doch gleich zur Sache, ja?«, begann er. »Wann beabsichtigen Sie, den Polizisten ihre Gehaltserhöhung zu geben, damit sie wieder an ihre Arbeit zurückkehren?«

Der Anwalt, dessen Miene und Gesichtshaut an Reptilien erinnerten, nahm gegenüber dem Ratsherrn Platz und erklärte ungerührt: »Wir sind nicht die Wohlfahrt, und wir haben nichts zu verschenken. Außerdem schuldet uns die Stadt siebenunddreißig Millionen Dollar.«

Der Unterkiefer des Bürgermeisters klappte hörbar nach unten. Wie betäubt ließ er sich in einen freien Sessel fallen. »Sie müssen uns doch entgegenkommen und einen Nachlass gewähren...«

Der Anwalt zuckte leicht die Achseln. »Zahlungstermin ist Zahlungstermin. So ist das nun einmal im Geschäftsleben.«

»Aber wie sollen wir bei diesen Zuständen und unter den herrschenden Bedingungen eine solche Summe aufbringen!«, rief Kuzak.

Der Alte drehte seinen Sessel herum und präsentierte sich zum ersten Mal den Versammelten. Seine Mundwinkel waren höhnisch verzogen. »Das können Sie auch nicht«, erklärte der Despot, und seine Mundwinkel weiteten sich zu einem unfreundlichen Grinsen.

Kuzak starrte Johnson an. »Wovon redet er eigentlich, Himmeldonnerwetter noch mal!«

»Wir erwarten von Ihnen nicht, dass Sie die Summe aufbringen können«, sagte der Alte nun ohne Spott. Allerdings klangen seine Worte jetzt wie ein Gesetz.

Holzgang schlug einen vor ihm liegenden Ordner auf und nahm ein paar Blätter heraus. »Ich möchte Sie an unseren Kontrakt erinnern, Euer Ehren... Im Falle einer nicht geleisteten Zahlung erhält OCP den uneingeschränkten Zugriff auf alle Besitztümer der Stadt.«

Kuzaks Adamsapfel hüpfte auf und ab, als wollte er einen Breakdance aufführen. Poulos' Gesicht war weiß wie die Wand. Er riss Holzgang die Papiere aus der Hand, studierte sie kurz, schluckte einige Male und starrte dann den Bürgermeister an.

»Das haben Sie unterschrieben? Sie Vollidiot!«, brüllte er.

Kuzak versuchte verzweifelt, seine Autorität zu wahren. »Nennen Sie mich nicht einen Vollidioten! Immerhin bin ich der Bürgermeister!«

Holzgang hatte Erbarmen mit Poulos und nahm ihm die Blätter aus den zitternden Händen. Er lächelte den Bürgermeister an, der jetzt die Beherrschung verlor. »Wollen Sie damit etwa andeuten, dass Sie sich einfach alles unter den Nagel reißen, sobald wir mit einer Rate im Rückstand sind?«

Der Anwalt nickte bestätigend. Der Alte genoss die Situation augenscheinlich: »Das können wir, und das werden wir. Wir privatisieren die Stadt Detroit.«

»Sie haben sich nach Kräften bemüht, unsere Kreditwürdigkeit zu unterminieren!« schäumte Kuzak.

»Das war noch die leichteste Übung«, sagte Holzgang.

Allmählich dämmerte dem Bürgermeister, in welcher Lage er sich befand. »Und Sie haben den Polizeistreik provoziert, wahrscheinlich sogar hinter den Kulissen vorbereitet! Sie Bande von Drecksäcken! Sie wollen, dass Detroit zusammenbricht, damit Sie die Stadt wie ein marodes Unternehmen schlucken können!«

Johnson grinste dem Alten zu. »Und ich dachte schon, er würde es nie kapieren.«

Kuzak war viel zu wütend, um Angst zu verspüren. »Haben Sie überhaupt eine Vorstellung, wie viele Menschen dort draußen in den Straßen ihr Leben verlieren? Sie... Sie sind nichts anderes als eine Mörderbande!«

Holzgang räusperte sich. »Ich möchte Ihnen dringend anraten, sich im Ton zu mäßigen. Weitere Ausbrüche dieser Art werden für Sie die unangenehmsten Folgen haben.«

»Das ist die unglaublichste Scheiße, die ich mir je habe anhören müssen!«, brüllte der Bürgermeister mit der Lautstärke eines Urtiers. Dann starrte er den Alten mit funkelnden Augen an. »Und Sie sind ein seniler alter Sack!«

Im nächsten Moment sprang Kuzak aus seinem Sessel und stürzte sich auf den Despoten. Der Alte sah ihm gelassen entgegen. Poulos packte den Bürgermeister an den Schultern und zog ihn zum Ausgang. »Beruhigen Sie sich doch!« mahnte er Kuzak eindringlich. »Kommen Sie, machen wir, dass wir hier hinauskommen!«

Kuzak ließ sich zur Tür führen. »Ist schon in Ordnung. Ich bin wieder okay.«

Er drehte sich noch einmal um und schenkte den OCP-Herren das gütige Lächeln, mit dem er seine Wahl gewonnen hatte: »Gentlemen, ein letztes noch...«

Er riss sich aus Poulos' Umklammerung und stürmte wieder auf den Alten zu. »Sie verficktes Arschloch! Wir scheißen Sie mit Klagen zu, bis Sie keine Luft zum Atmen mehr finden!«

Der Ratsherr zerrte den Bürgermeister aus dem Raum. Der Alte kicherte auf seinem Thron. »Versuchen Sie es nur, Euer Ehren. Versuchen Sie alles, was Sie nur möchten.«

Johnson trat zum Alten, während Holzgang die Papiere zurück in den Ordner legte. »Wenn ich mir eine Bemerkung erlauben darf, Sir. Sie schreiben hier und heute Geschichte. Eine sehr mutige Entscheidung.«

Der Alte drehte seinen Sessel wieder zur Glasscheibe um. »Nichts als Evolution, Johnson. Das sind die einfachsten Gesetze der Evolution. Die Zukunft ist angebrochen. Gewählte Beamte, die ebenso wichtigtuerisch wie unfähig sind, haben dieses Land auf die Knie gezwungen. Verantwortungsbewusste Privatunternehmen müssen es wieder hochbringen. Das ist mein Traum, Johnson. Mein Vermächtnis.«

»Meinen Glückwunsch, Sir«, sagte der leitende Angestellte, während er mit Holzgang im Gefolge den Raum verließ. »Ein Meisterzug im großen Plan. Der Zug eines wahrhaftigen Visionärs.«

Der Alte nickte. »Da kann ich Ihnen nicht widersprechen, Johnson.«

Der Alte bekam nicht mit, wie die beiden so leise wie möglich die Tür hinter sich schlossen. Er blickte wieder auf die Wolkenkratzer und Wohnblocks hinaus. Detroit war einmal eine blühende Stadt gewesen. Und schon bald würde sie zu ihrer alten Größe zurückfinden. Detroit war ihm stets als seine Stadt vorgekommen. Und bald würde sie ihm tatsächlich gehören.

Seine Stadt... ganz allein seine Stadt.

  3.

 

 

Tief unter dem OCP-Turm, in der Gegend, die als Old Detroit bekannt war, brach programmgemäß die Hölle aus. Der Krieg der Nacht, in dem die Armen und Hoffnungslosen einander in immer neu aufflammender sinnloser Gewalt und Blutlust auffraßen.

Alarmsirenen hallten hinter der Pennerin durch die gespenstischen Straßen wider, während sie den Einkaufswagen über den Bürgersteig schob. Der Wagen, an dem sich nur noch drei Räder drehten, transportierte ihr gesamtes Hab und Gut: drei Dutzend zerdrückte Dosen, für die sie morgen auf dem Nachbarschaftsmarkt bei der Altmetallsammlung etwas Geld bekommen würde... sofern sie diese Nacht lebend überstand.

Sie hielt ihre abgenutzte Handtasche unter den rechten Arm geklemmt. Diese Handtasche war alles, was ihr von einer anderen Zeit, einem anderen Leben geblieben war. Einer Zeit, in der man sie geachtet und geschätzt hatte. Einem Leben, in dem sie weit über dem menschlichen Abfall gestanden hatte, den sie heute verkörperte und der damals in ihrer Stadt noch nicht existiert hatte.

Doch heute versank sie immer tiefer im Sumpf der Verzweiflung. Sie benötigte ihre ganze Kraft, um sich in Bewegung zu halten. Maggie, so hatte einmal ihr Name gelautet. In der Welt, in der sie nun lebte, hatten Namen keinerlei Bedeutung mehr.

Die alte Frau zuckte zusammen, als das Kreischen von Wagenbremsen durch ihre Erinnerungen pflügte. Das Auto war voller lachender, betrunkener Teenager und rammte ihren Einkaufswagen, der sich überschlug, so dass die Dosen und die Alte auf dem kalten, harten Bürgersteig über- und durcheinanderpurzelten. Die Jugendlichen fuhren weiter und johlten vor Vergnügen.

Die Frau hockte auf dem Trottoir und betrachtete sich die Bescherung. Ihre linke Körperseite schmerzte, doch diese Art von Schmerzen war sie längst gewöhnt. Schwerfällig rappelte sie sich auf. »Rotzlümmel!«, murrte sie.

Sie sah sich hilflos um. Einige ihrer wertvollen Dosen rollten immer noch über die Straße. Sie wollte sich gerade nach einer bücken, als sie wie aus dem Nichts ein furchtbarer Hieb in den Magen erreichte. Die Alte krümmte sich und brach zusammen. Ein junger Kerl in einem abgewetzten Trenchcoat riss ihr die Handtasche unter dem Arm hervor und renkte ihr dabei höchst unsanft die Schulter aus.

Die alte Frau, die man einst Maggie gerufen hatte, brach zusammen und blieb schluchzend auf dem Bürgersteig liegen. Jetzt konnte sie nur noch hoffen, dass die extreme Kälte dieser Nacht in ihre Knochen und in ihr Herz eindringen würde, um sie ein für alle Mal von ihrem Leid zu erlösen.

Der Dieb hielt die Handtasche wie einen Football unter dem linken Arm, sprintete die Straße hinunter und kam an einer Reihe kichernder Nutten vorbei. Die meisten waren noch keine sechzehn, trugen Mini-Röcke und hatten sich mehr Farbe ins Gesicht geschmiert, als man auf einem Gemälde von Monet findet. Die letzte in der Reihe streckte ein strapsstrumpfbewehrtes Bein aus und brachte den Burschen ins Stolpern.

Der junge Mann überschlug sich und krachte in einen Stapel Pappkartons. »Drecksnutten!«, schrie er, bevor sein Kopf gegen eine Steinwand krachte und er die Besinnung verlor.

Die Frauen fielen sofort wie Vampire über ihn her und leerten seine Taschen und die gestohlene Handtasche.

»Drecksnutten!«, stöhnte er noch.

»Kannst ja die Bullen rufen!«, höhnte eine Zehnjährige und stieß im selben Moment einen freudigen Überraschungsruf aus, als sie in einer Tasche eine Nuke-Ampulle entdeckte, die sie sich augenblicklich an den Hals presste. Binnen Sekunden war sie in Höchstform und wurde von ihren Kolleginnen beneidet.

Die Frauen ließen den stöhnenden Taschendieb auf dem Asphalt zurück und suchten sich eine einträglichere Gegend.

Sie flanierten über die Avenue und kamen an vier Pennern vorbei, die sich mit abgebrochenen Flaschen um eine Fünfdollarnote schlugen.