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Auf den ersten Blick scheint Rom in der Bibel nur eine untergeordnete Rolle zu spielen. Lediglich wenige Verse berichten vom Aufenthalt des Paulus in der Stadt, und doch lässt Lukas seine Apostelgeschichte ganz bewusst dort, im Zentrum der antiken Welt, enden. Und sehr bald entsteht in der "Ewigen Stadt" eine Erinnerungslandschaft, die in unterschiedlichster Form auf die biblischen Gestalten Petrus und Paulus Bezug nimmt. Dieser Biblische Reiseführer beschreibt aber nicht nur das Rom der Apostel, d.h. die wenigen Orte, die direkt oder indirekt mit dem Aufenthalt und Martyrium von Petrus und Paulus verbunden sind. Auch die Katakomben und Kirchen der ersten Christen sowie die wichtigsten Orte, die die Päpste auf dem Fundament des antiken Rom errichtet haben, werden vorgestellt und erschlossen. So entsteht ein Gesamtbild der Stadt und ihrer Geschichte, die ohne die christliche Umformung der Antike und ihre biblischen Bezüge nicht verständlich ist. Exkurse behandeln zudem u.a. das Petrusamt und Luthers Romaufenthalt. [Rome] At first glance Rome seems to play a subordinate role in the bible. Only a few verses tell of the stay of Paul in the city, but yet Luke very consciously lets his Act of the Apostles end there, in the centre of the ancient world. Soon a commemorative landscape is created in the "Eternal City", referring to the biblical figures Peter and Paul in various ways. This biblical travel guide however does not only describe the Rome of the Apostles, those few places that are directly or indirectly linked to the stay and martyrdom of Peter and Paul. Also the catacombs and churches of the first Christians as well as the most important places, that have been erected by the popes on the foundation of ancient Rome, are presented in detail. In this way an overall picture is created of a city and its history, that is not comprehensive without the transformation of the antiquity and their biblical references. Furthermore, excursuses examine the papacy and Luther's stay in Rome.
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Seitenzahl: 225
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Georg Röwekamp
Rom
Herausgegeben von Christoph vom Brocke und Christfried Böttrich
EVAs Biblische Reiseführer
Georg Röwekamp, Dr. phil., Jahrgang 1959, studierte Theologie mit Schwerpunkt Frühe Kirchengeschichte in Bonn, Jerusalem und Bochum. Von 1998 bis 2016 war er Theologischer Leiter und Geschäftsführer von Biblische Reisen in Stuttgart, seit 2016 ist er Repräsentant des Deutschen Vereins vom Heiligen Lande in Jerusalem.
Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
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© 2017 by Evangelische Verlagsanstalt GmbH · Leipzig
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Gesamtgestaltung: behnelux gestaltung, Halle (Saale)
Coverbild: Forum Boarium © Georg Röwekamp
E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH 2017
ISBN 978-3-374-05059-8
www.eva-leipzig.de
EVAs Biblische Reiseführer
Band1: Griechenland
ISBN 978-3-374-02463-6
Band2: Jordanien
ISBN 978-3-374-02462-9
Band3: Türkei – Westküste
ISBN 978-3-374-02587-9
Band4: Türkei – Mittleres und östl. Kleinasien
ISBN 978-3-374-02610-4
Band5: Ägypten
ISBN 978-3-374-02796-5
Band6: Israel
ISBN 978-3-374-02841-2
Band7: Syrien
ISBN 978-3-374-02825-2
Band8: Rom
ISBN 978-3-374-05002-4
Einleitung
I. Zur Geschichte Roms
Ein Gang über Forum und Kapitol
II. Das Rom der Bibel
III. Das Rom des frühen Christentums
IV. Das Rom des Mittelalters
V. Das Rom der Renaissance
VI. Das Rom des Barock
VII. Das Rom der Neuzeit
Anhang
Cover
Titel
Zum Autor
Impressum
EVAs Biblische Reiseführer, die bereits erschienen
Übersicht
Einleitung
I. Zur Geschichte Roms
Ein Gang über Forum und Kapitol
II. Das Rom der Bibel
Rom in der Bibel
Rom zur Zeit des Neuen Testaments
Petrus und Paulus in Rom
Paulus-Stätten
S. Paolo alla Regola und S. Maria in Via Lata
Tre Fontane
S. Paolo fuori le mura
Petrus-Stätten
S. Pietro in Carcere / Der Mamertinische Kerker
S. Pietro in Vincoli
Domine quo vadis und S. Pietro in Montorio
S. Pietro in Vaticano
Exkurs: Das Petrusamt
Exkurs: Vom Petrusgrab zum Vatikanstaat
Exkurs: Die Vatikanischen Museen und die Vatikanische Bibliothek
III. Das Rom des frühen Christentums
Die Christianisierung Roms – und die Romanisierung des Christentums
Orte des frühen Christentums
Katakomben und Märtyrergräber
S. Giovanni in Laterano
S. Croce in Gerusalemme
S. Maria Maggiore
Weitere frühchristliche Kirchen
IV. Das Rom des Mittelalters
V. Das Rom der Renaissance
Exkurs: Babylon und Antichrist? Luther und Rom
VI. Das Rom des Barock
Exkurs: Bibel gegen Naturwissenschaft? Galilei in Rom
VII. Das Rom der Neuzeit
Anhang
Benutzte und weiterführende Literatur
Abbildungsnachweis
Bibelstellen-Register
Orts-Register
Weitere Bücher
Vierköpfige Herme auf dem Pons Fabricius (62v.Chr.) zur Tiberinsel
»Nach diesen Ereignissen nahm sich Paulus vor, über Mazedonien und Achaia nach Jerusalem zu reisen. Er sagte: Wenn ich dort gewesen bin, muss ich auch Rom sehen« – so heißt es in der Apostelgeschichte (19, 21). Tatsächlich kam Paulus später nach Rom – aber als Gefangener. Es sind im Grunde nur die wenigen Verse über den Aufenthalt des Apostels am Ende der Apostelgeschichte (28, 16–31), die aus Rom einen »biblischen Ort« machen. Und dafür ein ganzer »Biblischer Reiseführer«?
Tatsächlich sind Spuren des historischen Paulus in Rom kaum auszumachen. Und die ältesten Zeugnisse bezüglich des Petrus betreffen die Verehrung seines Grabes am Ende des 2. Jh.s. Dennoch ist es kein Zufall, dass die Apostelgeschichte und damit das lukanische Doppelwerk aus Evangelium und erster »Kirchengeschichte« in Rom endet: (Erst) damit ist die Botschaft von Jesus ans Ziel gelangt, in die Mitte und Hauptstadt des Römischen Reiches. Und genau hierhin hatte ja Paulus bereits sein »theologisches Hauptwerk«, den Römerbrief, gesandt.
Rom hat die Bibel ins Abendland »eingepflanzt« und bildet sozusagen den »Brückenkopf« der biblischen Welt im Westen. Dieser »Biblische Reiseführer« erzählt die religiöse Geschichte dieser Stadt und beschränkt sich aus diesem Grund auch nicht – wie die anderen Bände der Reihe – auf die Zeit bis zum 3./4. Jh. Wie kaum eine andere Stadt bestätigt Rom die Definition, dass Kirchengeschichte – ähnlich wie die Geschichte der christlichen Kunst – die Geschichte der Auslegung der Heiligen Schrift ist (G. Ebeling). Immer wieder bezieht sich die Stadt auf biblische Gestalten, vor allem Petrus und Paulus.
So finden sich in Rom nur wenige im engeren Sinne »biblische Stätten«, aber eine umfangreiche Erinnerungslandschaft mit zahllosen Reliquien (»Überresten«). Die damit verbundene Frömmigkeit ist nicht nur evangelischen, sondern auch vielen katholischen Christen heute fremd – zumal dann, wenn man mit Sicherheit annehmen kann, dass es keine »echten« Reliquien sind. Andererseits spiegelt sich darin das Empfinden, dass Menschen und Orte, aber eben auch Dinge eine besondere »Ausstrahlung« haben können, zumal wenn sie eine Verbindung zu den Ursprüngen des Glaubens herstellen. Zugleich sind sie Ausdruck der Überzeugung, dass dieser Glaube konkrete Spuren in der Welt hinterlassen kann. Auch auf den ersten Blick merkwürdige Legenden und Traditionen sind Versuche, Elemente der biblischen Botschaft »fassbar« zu machen – paulinisch gesprochen: Sie transportieren diesen Schatz in irdenen Gefäßen (vgl. 2 Kor 4, 7). Die Orte selbst beweisen so wenig wie diejenigen im Heiligen Land; auch hier sind sie kein »fünftes Evangelium«, aber sie sind mal mehr, mal weniger deutliche Spiegelungen dessen, was Menschen von dem »Geheimnis, das seit ewigen Zeiten unausgesprochen war« (Röm 16, 25), aufgenommen haben – sowie Versuche, das Andenken derer, die es verkündet haben, zu bewahren.
Deckel eines Reliquienkästchens (6. Jh.) aus dem Heiligen Land mit Darstellung biblischer Szenen und Orte (Vatikanische Museen)
Und auch wenn Reisende gerade zu Beginn ihres Aufenthaltes in Rom den »garstigen Graben« zwischen den Anfängen Jesu im Stall von Betlehem und der römischen Pracht als sehr tief empfinden mögen – eine Reise in die Welt und Umwelt der Bibel ist ohne einen Besuch in der »ewigen Stadt« nicht vollständig. Auch heutige »biblisch« Reisende dürfen mit Recht sagen: »Ich muss auch Rom sehen.«
Forum Romanum (Überblick). Rechts der Backsteinbau der Curia
Am Anfang war die Wölfin. So will es jedenfalls die Sage, die der Historiker Titus Livius zu Zeiten des Augustus erzählt: Eine Wölfin habe einst den Stadtgründer Romulus und seinen Zwillingsbruder Remus ernährt.
In den Kapitolinischen Museen steht bis heute ein uraltes Standbild, das eine Wölfin darstellt und an diesen mythischen Ursprung erinnert. Der Kapitolshügel, wo die Wölfin auch schon in der Antike stand, und das Forum zu seinen Füßen erlauben bis heute einen Überblick über die römische Geschichte, insbesondere in religiöser Hinsicht: Hier, im Zentrum der Stadt, spiegeln sich alle Epochen und Entwicklungen – und so kann ein Gang durch die Geschichte Roms in Form einer »Besichtigung« dieses Ortes erfolgen.
Die Sage von der Wölfin erzählt, König Numitor von Alba Longa, der von dem Trojaner Aeneas abstammte, habe seinen Bruder Amulius vom Thron vertrieben. Dessen Tochter Rhea Silvia hatte er zur (jungfräulichen) Vestalin bestimmt. Diese sei aber dennoch durch den Kriegsgott Mars Mutter der Zwillinge geworden, woraufhin Amulius den Befehl zur Aussetzung der Kinder in einem Körbchen auf dem Tiber gegeben habe. Die beiden seien dann aber am Fuße des Palatin an Land geschwemmt worden, von der Wölfin ernährt und schließlich von einem Hirten gefunden und aufgezogen worden. Als Erwachsener habe dann der kriegerische Romulus eine erste Stadt gegründet und seinen Bruder, der sich über deren Mauer lustig machte, erschlagen – wie in der Bibel steht ein Brudermord am Beginn. Wegen des Mangels an Bewohnern habe er Rom zu einem Asyl für Vogelfreie und Zuwanderer jeglicher Art gemacht.
Das Grab des Stadtgründers verehrten die Römer in der Antike unter dem Lapis Niger, einem schwarzen Stein auf dem Forum vor der Curia, dem Raum der Ratsversammlung. Tatsächlich kam bei Ausgrabungen ein archaisches Heroengrab zum Vorschein. Gleich daneben befindet sich ein konisches Gebilde, das den römischen »Nabel der Welt« (umbilicus mundi) bezeichnet. Später stand hier auch die goldene Meilensäule, idealer Ausgangs- und Zielpunkt aller römischen Straßen (»Alle Wege führen nach Rom«). Und der daneben liegende sogenannte Maxentiusstein spricht um 300n.Chr. von der »ewigen Stadt« – ein Ausdruck, der erstmals zu Zeiten des Augustus aufkam.
Die sogenannte Via Sacra zum Kapitol
Als Gründungsdatum der Stadt errechneten die römischen Historiker den 21. April 753v.Chr. bzw. das Jahr 431 nach der Zerstörung Trojas. Etwa in dieser Zeit haben sich tatsächlich, wohl unter dem Einfluss der Etrusker, die damals die führende Macht in Mittelitalien darstellten, mehrere Siedlungen auf den römischen Hügeln nahe der Tiberfurt (u.a. auf dem Palatin, wo die ältesten archäologischen Spuren einer Siedlung gefunden wurden) zu einer neuen Stadt zusammengeschlossen. Möglicherweise war es auch das etruskische Geschlecht der Rumina oder Ramon, das etruskische Wort für Fluss, dem die Stadt ihren Namen verdankt – dieser dürfte später auf den sagenhaften Romulus übertragen worden sein. Auch die römische Überlieferung, die in Form von Annalen gesammelt wurde, weiß von etruskischen Königen, die die Stadt bis 508 beherrschten.
Wichtiger Akt im Rahmen der »Gründung« war die Trockenlegung des sumpfigen Forums (von foris, »außerhalb«) durch einen Abwassertunnel, die Cloaca Maxima. So konnte hier das neue Zentrum entstehen. Von dort aus führen noch heute in einer großen Schleife die Reste einer alten »Heiligen Straße«, der Via Sacra, auf den Kapitolshügel, der damals mit seinen zwei Kuppen zum religiösen Mittelpunkt der Stadt wurde. Dieser Tatsache und dem Etruskerkönig Olus verdankt er wohl auch seinen Namen, der sich von caput (Haupt) herleitet.
Das Kapitol mit Grundrissen heutiger und antiker Bauten
Der sogenannte Apoll von Veji
Als höchste Macht wurde in Rom und Umgebung seit dieser Frühzeit »Jupiter« verehrt – sein Name setzt sich zusammen aus De(i)us (Gott) und dem Beinamen Pater (Vater). Eigentlich ein Himmels- und Wettergott, wird er in Rom anfangs auch unter den Beinamen Stator (wörtlich »Fluchthemmer«, im übertragenen Sinne »Erhalter«) verehrt – Unerschütterlichkeit wird zu einem wichtigen Wesenszug im Selbstbild der Römer.
Allerdings waren es noch die Etrusker, die auf dem isoliert gelegenen, steilen Kapitolshügel den ersten Tempel errichteten – und zwar für die (ebenfalls etruskische) Trias Jupiter, Juno und Minerva. Die in diesem Fall wohl historisch zutreffenden Annalen datieren die Einweihung auf das Jahr 508v.Chr., schreiben sie aber L. Iunius Brutus zu. Dieser, so heißt es, habe den siebten und letzten der etruskischen Könige, den tyrannischen Tarquinius Superbus, gestürzt und sei anschließend einer der beiden ersten Konsuln geworden. Tatsächlich beseitigten gegen Ende des 6. Jh.s zahlreiche etruskische Städte das Königtum; allerdings erfolgte dieser Übergang zur Republik in Rom wohl erst 504 – die Verbindung der Weihe mit Brutus erfolgte, um den Tempel zu einer ureigenen römischen Einrichtung zu machen.
Von diesem Tempel ist nichts erhalten geblieben. Im Museum der Villa Giulia befindet sich ein etruskisches Standbild des sogenannten »Apoll von Veji« – so ähnlich könnte auch das erste Bildnis des Jupiter in Rom ausgesehen haben. Der Tempel wurde vermutlich während des Keltensturms 387v.Chr. zerstört – auch wenn die spätere Sage davon nichts mehr wissen wollte und von Gänsen berichtet, die durch ihr Geschnatter das Kapitol gerettet hätten. Bei dem anschließenden Neubau als steinerner »Richtungstempel« mit Säulen nur an drei Seiten wurde vermutlich das gewaltige Podium aus Tuffstein angelegt, von dem heute noch die Fundamente zu sehen sind (im Untergeschoss des Konservatorenpalastes). Hier wurden dem Gott die Opfer dargebracht, die das öffentliche Wohl, das Heil des Staates (salus publica) sicherstellen sollten.
Die »Römische Wölfin«
Der sogenannte Brutus
Verbunden mit dem Tempel des Jupiter war das Asylum. Dieser Begriff bezeichnet einerseits die Senke zwischen den beiden Kuppen des Hügels, andererseits aber die Institution des Asyls: Zu den hervorstechenden Merkmalen eines heiligen Bezirks gehörte in der Antike, dass jeder Mensch, auch und gerade der Schuldige, im Bereich des Heiligen vor den Nachstellungen seiner Gegner sicher war (vgl. auch z.B. 1 Kön 1, 50). Entsprechend wurde diese uralte religiöse Regel später auch mit den Kirchen verbunden.
Am Jupitertempel endeten die Triumphzüge der römischen Heerführer über die Via Sacra. Ursprünglich handelte es sich dabei ja um eine religiöse Zeremonie: Der Feldherr brachte Dankopfer dar und reinigte das Heer vom Unsegen des Krieges. Allerdings entsprach auch die goldglänzende Ausstattung des Triumphators dem Jupiterstandbild im Tempel: Als siegreicher Feldherr vergegenwärtigte er die Macht, die im Zentrum Roms verehrt wurde.
In der Nähe des Tempels stand wohl auch die erwähnte Kapitolinische Wölfin aus dem 5. Jh. v. Chr. In der Antike gehörte eine (vergoldete) Figur des Romulus zur Wölfin (die heutigen Figuren sind unschwer als eine Zutat der Renaissance zu erkennen). Zu Beginn des 10. Jh.s stellte Papst Sergius sie vor der Laterankirche auf und dokumentierte damit die Verschiebung des römischen Zentrums zur christlichen Hauptkirche. Erst 1471 kehrte sie auf das Kapitol, in das nach dem Berg benannte Museum zurück. Dort befindet sich auch der bronzene sogenannte »Brutus«. Der Kopf gehörte vermutlich zu einer Statue, die einen römischen Beamten des 3. Jh.s v. Chr. darstellte. Das Gesicht ist individueller und strenger gestaltet als bei gleichzeitigen Werken der hellenistischen Kunst. Das Bild wurde zum Inbild römisch-republikanischer Tugenden, zu denen insbesondere Mut, Opferbereitschaft für die Res publica, und pietas, redliche, »fromme« Gesinnung, gehörten. Die Einführung der dazu gehörenden religiösen Bräuche (mos maiorum) schrieben die Römer übrigens dem Nachfolger des Romulus, Numa Pompilius zu, der sie wiederum der Quellnymphe Egeria verdankte: Überreste des nach ihr benannten Nymphäums sind in der Nähe der Via Appia noch zu sehen.
Zeugnisse der römischen Religiosität, die in den vielfältigsten Erscheinungen göttliche Mächte erkennt, sind die Überreste der Tempel auf dem Forum, die vielfach aus ältester Zeit stammen, u.a. der Heiligtümer des Saturn und der Vesta, wo die jungfräulichen Vestalinnen das Herdfeuer hüteten. Später kamen Tempel griechischer Gottheiten (zuerst der Dioskuren Castor und Pollux) dazu – sie spiegeln den zunehmenden Einfluss dieser Kultur, die man als älter und überlegen empfand. Und schließlich entstanden Heiligtümer für »vergöttlichte Ideen« – zu ihnen gehört der Tempel der Concordia (Eintracht), der nach Ende der Kämpfe zwischen Patriziern und Volk errichtet wurde, als die Plebejer durch Volkstribunen zumindest eine Vertretung im Senat hatten. (Die Grundrechte des Volkes wurden 450v.Chr. im sogenannten Zwölftafelgesetz aufgezeichnet und in Form von bronzenen Tafeln auf dem Forum aufgestellt.) Und noch später entstand am Rand des Forum ein Tempel der Roma – in gewisser Weise war dies die Gottheit, die man in Rom am meisten verehrte.
Politischer Mittelpunkt der Republik war die bereits erwähnte Curia. Deren Mitglieder, die Patrizier, hatten im Laufe der Zeit auch den Plebejern Rechte zugestehen müssen. Der dort tagende Senat als oberstes Organ des Staates organisierte in den folgenden Jahrhunderten die immer weitere Ausdehnung des römischen Machtbereiches, bis im 1. Jh. v. Chr. praktisch der gesamte Raum rund um das Mittelmeer, das so zum mare nostrum (»unser Meer«) wurde, erobert war. Ein Nebeneffekt dieser Feldzüge war der immer weiter sich ausbreitende Einsatz von Sklaven aus den eroberten Ländern, was andererseits große Massen in die Hauptstadt trieb, die mit Brot versorgt werden mussten.
Doch dem Erfolg in der Ferne standen neue Spannungen im Innern gegenüber, u.a. durch das Einströmen besitzloser Massen vom Land – Rom hatte bald ca. eine Million Einwohner. Nach langen Bürgerkriegen und der Ermordung Cäsars (44v.Chr.) setzte sich unter seinem Adoptivsohn Octavian mit dem Beinamen Augustus (27v.Chr.–14n.Chr.) eine monarchische Regierungsform durch. Teil dieses Konzeptes von ihm und seinen Nachfolgern war die Treue der Untertanen zum Kaiser (Augustus und seine Nachfolger übernahmen den Namen Cäsar als Titel) und zu seinem göttlichen Genius. Zeugnis dieses Kaiserkults, der als Klammer des Reiches dienen sollte, sind die zahlreichen Tempel für vergöttlichte Herrscher (Cäsar, Augustus, Trajan, Vespasian) auf dem Forum selbst und im Bereich der sogenannten Kaiserforen.
Konstantin (Kapitolinische Museen)
In einem Saal des Kapitolinischen Museums beleuchten die Porträts der Kaiser auch die künstlerisch-geistige Entwicklung dieser Epoche. Sieht man von den idealisierten Porträts des Augustus ab, ist am Anfang ein gewisser Realismus zu beobachten, der noch in der Tradition der republikanischen Porträts steht – so bei den Bildnissen von Tiberius (14–37n.Chr.), Claudius (41–54) und Nero (54–68), den Kaisern zur Zeit der Apostel, von Vespasian und Titus, Trajan und Hadrian. Im Laufe der Zeit verstärkt sich ein melancholischer Grundzug der Bildnisse – beginnend bei Marc Aurel (161–180), dem stoischen Philosophen, und verstärkt bei den orientalischen Kaisern wie Elagabal (218–222), der aus seiner syrischen Heimat den Kult des zum Sonnengott gewordenen Baal mitbrachte, ihm einen Tempel am Abhang des Palatin errichtete (heute S. Sebastiano) und dessen Fest am 25. 12. einführte. Diese Tendenz geht einher mit einem Hang zur Vergeistigung und Entindividualisierung, von der auch das Haupt der monumentalen Statue Konstantins (306–337) in der sogenannten Exedra des Museums zeugt, wo zudem das Original der Reiterstatue des Marc Aurel steht. Es ist umgeben von den Zeugnissen der Kulte, die in der Kaiserzeit in Rom neben den altrömischen praktiziert wurden – darunter auch das Christentum.
Auf Dauer setzte sich die von Konstantin legalisierte Religion durch, die im Laufe der ersten Jahrhunderte immer bedeutender geworden war – auch wenn sich diese »Wende« in der Stadt Rom nur allmählich vollzog. Die ersten Kirchen konnten ausschließlich am Rande der Stadt entstehen – das Zentrum mit Forum und Kapitol blieb zunächst »heidnisch«. Die von Konstantin vollendete Maxentiusbasilika auf dem Forum gibt aber eine Ahnung von der Größe und vom Stil der neuen Bauten. Auch auf dem Triumphbogen am Rande des Forums, der zur Erinnerung an Konstantins Sieg über den Konkurrenten Maxentius an der nördlich der Stadt gelegenen Milvischen Brücke (312n.Chr.) errichtet wurde, wird noch nicht offen dem christlichen Gott gedankt: Instinctu divinitatis, »auf Eingebung der Gottheit« habe er die Stadt erobert, heißt es dort vermittelnd. Teile des Bogens stammen von früheren Monumenten, doch die Reliefs direkt über den Durchgängen zeigen u.a. die Schlacht (Nordseite) und den anschließenden Auftritt Konstantins auf dem Forum (Südseite).
Einen entscheidenden Einschnitt bedeutete 382n.Chr. die Entfernung der Statue der heidnischen Siegesgöttin Victoria aus der Curia; mit einem Opfer ihr zu Ehren waren bis dahin die Ratssitzungen eröffnet worden. Der heidnische Stadtpräfekt Symmachus protestierte gegen die Entfernung des Götterbildes und forderte vom Kaiser zumindest Toleranz gegenüber dem alten Glauben, konnte sich aber gegen die Argumente u.a. eines Ambrosius von Mailand nicht durchsetzen. Als im Jahr 410 dann die Westgoten – trotz der unter Aurelian (272–278) errichteten Stadtmauer – Rom eroberten, sahen viele, selbst der Christ Hieronymus, das Ende der Welt gekommen. Er schrieb: Capta est urbs, quae totum cepit orbem (»Gefallen ist die Stadt, die die ganze Welt erobert hat«). Die »Altgläubigen« führten dies auf die Entfernung der Victoria und die Vernachlässigung der alten Götter zurück – auch deshalb entwickelte Augustinus in seinem Buch »Der Gottesstaat« eine Geschichtstheologie, die die irdische Stadt Rom »entsakralisierte« und alle Hoffnung allein auf die »himmlische Stadt« richtete.
Konstantinsbogen. Das untere Relief zeigt die Belagerung einer Stadt (Verona?).
Rom war zu dieser Zeit schon länger nicht mehr einzige bzw. offizielle Hauptstadt des Reiches. Seit 330 stellte Konstantinopel das »neue Rom« dar, und die Herrscher des Westteils residierten in Mailand (wo 313 das Christentum zur religio licita, zur »erlaubten Religion« erklärt wurde) oder in Ravenna. Der letzte weströmische Kaiser wurde dort 476n.Chr. vom Germanen Odoaker abgesetzt. In Rom, das 455 noch einmal, diesmal von den Vandalen, erobert wurde, übernahmen auch deshalb mehr und mehr die Bischöfe die Macht – sie waren nun für Ordnung und vor allem für die Versorgung der Bevölkerung zuständig, und es entstand der sogenannte »Kirchenstaat«. Unter ihrem zunehmenden Einfluss wurden die alten Tempel nach und nach zerstört (u.a. im 5. Jh. der Jupitertempel auf dem Kapitol), aber – anders als im Osten des Reiches – nur sehr zögerlich in Kirchen umgewandelt. Das wagt man erst im 6. Jh.: Da wurde am Forum aus dem Tempel des Antoninus Pius und der Faustina die Kirche S. Lorenzo in Miranda und aus dem sogenannten Tempel des Romulus mit dem ehemaligen Audienzsaal des Stadtpräfekten die Kirche der (byzantinischen) Heiligen Cosmas und Damian. Das Apsismosaik dort zeigt die neue »Gottheit« Christus, die auf den Wolken des Himmels wiederkommt. Aus dem Tempel der Venus und der Roma wurde schließlich ein Oratorium zu Ehren von Petrus und Paulus (heute S. Maria Nova bzw. S. Francesca Romana), und im Eingangstrakt zu den Kaiserpalästen am Palatin entstand die Kirche S. Maria Antiqua. Auf einem der eindrucksvollen Fresken dort trägt der Gekreuzigte eine kaiserliche Purpurtunika. Um 630 wurde schließlich auch die nach einem Brand 283 neu errichtete Curia in eine Kirche umgewandelt – und erst im 20. Jh. wieder in den Zustand der Kaiserzeit zurückversetzt.
Kirche S. Lorenzo in Miranda in einem ehemaligen Tempel
Doch die Zeit der sogenannten Völkerwanderung war nicht nur eine Zeit des Niedergangs, sondern barg auch den Keim des Neuen. Das wurde sichtbar, als die Päpste ab dem Jahr 800 das westliche Kaisertum erneuerten, indem sie Herrscher des Frankenreiches, die erst vor relativ kurzer Zeit christlich geworden waren, zu ihren Schutzherren wählten und ihnen dafür eine quasi sakrale Würde verliehen. Doch residierten die neuen Kaiser nicht in der Stadt, sondern im fernen Norden.
Besonders eindrucksvoll spiegelt sich der Übergang zum christlich-mittelalterlichen Rom in der Kirche S. Maria in Aracoeli auf der nördlichen Kuppe des Kapitols. An dieser Stelle stand einst der Tempel der Juno Moneta, der »mahnenden« Göttin, die ursprünglich wohl die jugendliche Lebenskraft der Frau verkörperte und später mit Hera gleichgesetzt wurde. Auch von diesem Tempel ist nichts erhalten geblieben; abgesehen von dem Ausdruck »Münze« (umgangssprachlich »Moneten«) – befand sich doch in unmittelbarer Nähe des Heiligtums die römische Prägestelle. Mit der dortigen Kirche verband man nun die angebliche Weissagung der Tiburtinischen Sibylle an Augustus, von der erstmals Johannes Malalas im 6. Jh. und dann die Legenda aurea berichtet. In Letzterer sammelte Jakobus von Voragine im 13. Jh. alle umlaufenden Heiligenlegenden. In dem Moment, da die Römer den Kaiser als Gott hätten verehren wollen, habe er die Sibylle kommen lassen, um sie zu fragen, ob je ein Mensch geboren werde, der größer sei als er. Daraufhin sei als Antwort um die Mittagszeit ein leuchtender Kreis um die Sonne erschienen und mitten darin eine Jungfrau mit einem Kind auf dem Schoß, die auf einem Altar stand. Dazu habe eine Stimme gesprochen: »Dies ist der Altar des Himmels« (ara coeli).
Santa Maria in Aracoeli: Altar mit der Darstellung von »Jungfrau und Kind«
Im Hintergrund steht dabei zum einen die alte Tradition von den Sibyllen, den Prophetinnen der griechisch-römischen Antike: Angeblich hatte die Sibylle von Cumae (bei Neapel) einst dem König Tarquinius Superbus eine Reihe von Büchern verkauft, die im Jupitertempel aufbewahrt und bei ungünstigen Vorzeichen befragt wurden. Später entstanden neue Werke unter ihrem Namen, die auch jüdisch-christliches Gedankengut verbreiteten. In der Geschichte von der Tiburtinischen Sibylle wird der Kaiser Augustus nun geradezu als »anonymer Christ« gesehen. Anknüpfend an seine Erwähnung im Evangelium sieht man ihn als Werkzeug Gottes, der parallel zur Geburt des himmlischen Friedensfürsten das Reich äußerlich befriedet, angesichts der Geburt Christi auf den Titel Gott verzichtet und einen allgemeinen Schuldennachlass verkündet. Außerdem werden heidnisch-römische Quellen (soweit möglich) als Andeutungen der christlichen Wahrheit gedeutet – in diesem Fall die dunkle Stelle bei Vergil, wo die Sibylle von Cumae verkündet: »Nun kehrt wieder die Jungfrau, kehrt wieder saturnische Herrschaft / Nun wird neu ein Spross aus himmlischen Höhen« (Ekloge IV). Somit führt nicht nur die jüdische, sondern auch die heidnische Geschichte auf die Geburt Christi und den Beginn einer neuen Zeit hin: Teste David cum Sibylla – »David bezeugt es zusammen mit der Sibylle«, heißt es auch in der mittelalterlichen (Toten-)Liturgie.
Denkmal für Cola di Rienzo
Im 13. Jh. wurde von den Franziskanern anstelle der spätantiken Kirche der heutige Bau errichtet: Von der Schlichtheit der damaligen Predigtkirche gibt nur noch die Fassade Zeugnis; im Inneren haben spätere Epochen den Raumeindruck sehr verändert. Auf einer Säule im linken Seitenschiff befindet sich die Inschrift A cubiculo Augustorum (»Aus dem Schlafgemach der Kaiser«) – und lässt, wie oft in Rom, die Frage aufkommen, ob dies Objekt die Legende hervorgebracht hat oder umgekehrt. Unter einem Baldachin im linken Querhaus ruhen Reliquien der Helena, die bereits vor ihrem Sohn Konstantin Christin war. Dort ermöglicht ein Spalt auch den Blick auf einen tiefer liegenden, angeblich von Augustus errichteten Altar, dessen Relief den Kaiser und die Jungfrau zeigt. In Wirklichkeit stammt er aus der Erbauungszeit, symbolisiert aber jene Einheit von Antike und Christentum, die dem christlich gewordenen Rom vorschwebte.
Heute wird in der Sakristei der Kirche der »Santo Bambino« verehrt, eine Statue des Christkindes, die ursprünglich aus dem Holz eines Olivenbaumes aus dem Garten Getsemani geschnitzt wurde. Die heutige Figur ist eine Kopie und ein künstlerisch wenig wertvolles Element der römischen Volksfrömmigkeit – Kinder können dem Bambino von einem eigens eingerichteten Predigtstuhl eine »Predigt« (in Form eines Gedichtes) halten. Die Figur zeigt eindrücklich, welches neue »Gottesbild« die Christen an Stelle des Jupiter oder des Kaisers verehren – ein wehrloses Kind.
Die Geschichte der Stadt blieb im hohen Mittelalter geprägt von dem Wechselspiel zwischen dem Kaiser (meist in der Ferne weilend), dem Papst und den mächtigen Familien vor Ort. Von den Geschlechtertürmen dieser Zeit sind zwei hinter den Kaiserforen noch deutlich sichtbar. Gegen Ende dieser Zeit gerieten die Päpste jedoch in eine folgenreiche Abhängigkeit von den französischen Königen – bis sie 1309 sogar ihre Residenz nach Avignon verlegten.
Während dieses Exils erneuerte der Volkstribun Cola di Rienzo nicht nur noch einmal die Republik in Rom, sondern errichtete im Jahr 1348 auch die gewaltige Treppe aus 124 Stufen zur Kirche S. Maria in Aracoeli. Sie stellt einerseits natürlich ein Prestige-Objekt der Republik dar, aber andererseits auch eine eindrucksvolle »Himmelsleiter« zum Altar des Himmels. Außerdem gelang es Rienzo (dessen Denkmal heute an der Treppe steht), den abwesenden Papst zur Ausrufung eines »Heiligen Jahres« für 1350 zu bewegen: Im Jahr 1300 hatte BonifazVIII. den Pilgern, die anlässlich der Jahrhundertwende plötzlich in Scharen nach Rom strömten, nachträglich besondere Gnaden gewährt und ein solches Jahr nur für jede Jahrhundertwende geplant. Nun sollte einerseits die nächste Generation diese Möglichkeit zum Gnadenerwerb haben, andererseits erhoffte man für die Stadt Rom einen neuen Aufschwung – war die Stadt doch durch den Weggang des Papstes noch kleiner geworden und auf ca. 20.000 Einwohner geschrumpft. Damit war eine Institution ins Leben gerufen, der Rom einen Großteil seiner Anziehung für christliche Pilger verdankte. Durch die Festlegung der Spanne von 50 Jahren zwischen den »Heiligen Jahren« war außerdem eine Anknüpfung an den biblischen Brauch des »Jubeljahres« gegeben, der besagt, dass jedes fünfzigste Jahr ein Jahr der »Freiheit für alle Bewohner des Landes« sein soll (vgl. 3 Mose 25, 8–31).
Das Kapitol heute. Hinten das römische Rathaus.
Marc Aurel-Säule, gekrönt von einer Paulus-Statue
Die Rückkehr der Päpste aus Avignon 1377 eröffnete dann ein neues Kapitel in der römischen Geschichte – auch dieses spiegelt sich im Kapitol, selbst wenn das »Zentrum« der Stadt zum Vatikan rückte, wo die Päpste nun hauptsächlich residierten. Seit dem Mittelalter befand sich auf dem Berg der Sitz der Stadtverwaltung, und auch die im 16. Jh. neu erbauten Paläste wurden offiziell für städtische Beamte errichtet (den Senator und die Konservatoren). Doch der päpstliche Architekt Michelangelo machte deutlich, wer nun der Herr von Rom war: Das Kapitol, das bisher immer zum Forum hin orientiert war, öffnet sich mit Hilfe des neu und im Stil der Renaissance entworfenen Platzes jetzt nach Westen – in Richtung Vatikan! Und die Mitte des Platzes »beherrscht« die Reiterstatue des Kaisers Konstantin. Zwar weiß man inzwischen, dass es sich in Wirklichkeit um ein Standbild des Kaisers Marc Aurel handelt, aber im 16. Jh. galt sie vielen noch als Bildnis des ersten christlichen Kaisers, der seitdem mit seiner Hand Richtung Papst weist.