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Die "ronaden" versammeln verdichtete Gefühle, Erlebnisse und Erfahrungen. In einer sehr sinnlichen Form werden Erfahrungswelten transportiert, in denen viele Menschen - vor allem Frauen - sich wiederfinden. Rona Duwe nutzt die ronaden als persönlichen Ausdruck ihres Lebenswegs als alleinerziehende Mutter, als Feministin, Patriarchatskritikerin und als Frau, die ihre Gefühle und Grenzen konstant auslotet. So findet sich in diesem Band ein ganzes Spektrum an Emotionen, in die die LeserInnen eintauchen können. Von Leichtfüßigkeit, Lust und Naturerfahrung bis hin zu Gesellschaftskritik, Wut und tiefer Traurigkeit ist alles vertreten. Begleitet werden die Texte von Fotografien der Autorin von ihren vielen Spaziergängen, Streifzügen und Reisen. "Gefühle in Worte zu kleiden ist große Kunst! Ich kann Deine Texte immer fühlen." Eine Leserin auf Facebook "Du beobachtest, spürst und schreibst so messerscharf, so wahr, so richtig, und ich kann einfach immer wieder jedes Wort unterschreiben." Eine Leserin auf Facebook "Wunderschön, beruhigend und in die Tiefe gehend, gepaart mit stimmungsvollen Bildern. Die ronaden haben einen Ehrenplatz in meiner Wohnung und wurden mehrfach verschenkt. Chapeau!" Silke Schaudinn
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Seitenzahl: 50
für die,
die mich berührten,
begleiteten
und ermutigten.
NARBEN
SOMMERREGEN
RAUREIF
FÖHN
TAUWETTER
NUR ZEICHEN
VERANKERT
HEUTE
GESTERN
MORGEN
FANGFRISCH
DAS TAG-FÜR-TAG KEINE ANKLAGE
FLIRRENDE MITTAGSHITZE
BRANDUNG
UFERLOS
LIEBE – ALTES STÜCK
TIEFSEE
DREI
UTOPIE
VERMISSEN
In der Mondfalte der Nacht
sitzt das Gestirn mir im Gesicht.
Ich vergaß Dich wach,
dafür träume ich Dich jetzt.
So wie ich den Tag verträume,
laufe ich nachts durchs Haus
mit all den Fragen und Sorgen so beladen,
dass die Eule lacht.
Ich würde Dir gern Dein Gepäck
vor die Tür stellen.
Das hab ich schon zu lang dabei.
Ja, nachts da liegt das
unter allem anderen
als schwerster Stein.
Ganz festgezurrt an meinem Rücken.
Das hast Du damals sorgfältig verschnürt.
Damit ich‘s nicht vergesse:
Das Kleinsein,
das eigentlich Dein Kleinsein ist
im Großsein.
Das ist ein schönes Frauen-Erbstück
mit Glitzer drauf und Rüschen und
Scheinbarschön.
Drinnen ist es die Fratze,
die den Spiegel trübt,
die vergessene, bittere Alte.
Die Generationenalte.
Sie hat die Wut
in sich gekehrt
und kocht jetzt saure Suppen.
Sie kann mich lähmen
und die Luft zum Atmen rauben.
„Ich war schon hier,
Du auch!“,
schreit sie mich nieder.
„Da musst Du eben durch,
wie ich!“
„Hier nimm!“,
sagt sie
und reicht das Joch.
Ich aber kann nicht mehr,
ich bin so müde.
Du hast mir Deine nicht geschlafenen
Nächte vermacht.
So muss ich für Dich mitschlafen.
Und: Ich kann den Sinn nicht sehen.
Noch einmal Joch ... Warum?
Noch eine, die sich selbst
für nichts vergeudet?
Für ein paar Cent und Creme
für die Falten?
Der Sinn ist mir verloren.
Und eigentlich
sollten wir mal endlich
viel mehr schlafen.
Um endlich
aufzuwachen.
Die Leinen lösen.
Das Tau, das langsam
ins Wasser rutscht
Und Dich freigibt.
Du verlässt den Hafen
ein weiteres Mal.
Heimat.
Für Dich ein vergängliches Gut.
Du gleitest hinaus
in die stille Weite.
Kein Blick zurück.
Jede Welle ist Abschied,
der doch schon längst
hinter Dir liegt.
Vor vielen Tagen
hat Dein Herz schon
Adieu gesagt.
Und jetzt erst folgt
der Verstand.
Die brüchige Linie in
Deiner Hand
zeigt den Weg.
Schon immer.
„Ich kann nicht bleiben“
ist Dein klares Gefühl.
Du dachtest immer,
Du kommst irgendwann an.
Irgendwo ist der Hafen
mit einer Kerze im Fenster,
warmen Socken,
einer Katze am Ofen
und einer Hand,
die auf Dich gewartet hat.
Heute weißt du,
diesen Ort gibt es nicht.
Oder er ist nicht von Dauer.
Er ist nur Pause
und dann geht es weiter.
Der brüchigen Linie
folgst Du
und kommst nie an.
Du bleibst im Fliegen,
im Wind.
Auf der Gischt.
Du pflanzt Dich nicht ein.
Gesichter rauschen vorüber.
Kein Halt.
Die Hand eines Kindes,
die im Vorbeilaufen
Spuren zeichnet
in die Wand,
die Geländer,
die Zäune,
die Blätter der Hecke.
In Mustern kannst Du
nicht leben.
Kein Muster passt auf Dauer.
Stattdessen Brüche
und Scherben,
loses Strickwerk,
Linien aus Bleistift,
Sandspuren,
Nähte, Flicken und Narben,
Flechten und Knoten,
ein buntes Band,
ein Grau aus Schichten
vieler Farben.
Deine Konstante
ist inkonstant, fließend.
Du hast gelernt,
dass auf Antworten
neue Fragen folgen.
Auf Sicherheit
folgt Zweifel.
Auf Klarheit
folgt Chaos.
Es gibt für dich nicht
DEN Weg,
DIE Antwort,
DIE Spur,
DEN Menschen.
Für Dich gibt es
das haltlose Schweben,
die zittrige Stärke,
die Balance als Moment,
das Weiß als ewigen Anfang.
Du selbst,
Dein Atem
im Jetzt
als einzige Richtschnur,
als Anker.
Manchmal
gehst Du durch ein Nadelöhr.
Alles wird eng.
In diesem Moment
kannst Du nur atmen
und bleiben
und fühlen.
Wenn Du kämpfst,
wird es enger.
Wenn Du fragst,
wird es enger.
Wenn Du haderst,
wird es enger.
Wenn einer sagt,
Du warst doch so stark,
hilft das nicht.
Auch dann wird es enger.
Stark kommst Du da nicht durch.
Du kommst da durch
in dem Moment,
in dem Du jede Hoffnung aufgegeben hast.
Du kommst durch,
wenn es Dir egal geworden ist,
ob Du durchkommst.
Wenn Du nicht mehr an morgen denkst
oder an gestern,
sondern nur noch an Jetzt.
Und entscheidest:
Ja, es ist jetzt eng.
Ich bleibe trotzdem da.
Ich kann da atmen.
Ich kann da sein.
Ich bin.
Trag Deine Narben mit Stolz.
Verstecke sie nicht.
Sie sind Routen der Stärke,
Wegmarken des Mutes.
Sie bleiben
als Erinnerung der Wandlung.
Sie machen Dein Leiden sichtbar.
Sie zeigen Deine Verwundbarkeit.
Und Deine Fähigkeit zur Heilung.
Trotz allem.
Dein geduldiger und nachsichtiger Körper
verschließt die Wunden.
Auch die Seele findet Wege,
dass Du heilst,
dass Du weiterlebst,
dass Du stärker wirst.
Trotz allem.
Und dass Du eines Tages wieder lachst
mit einer weiteren Falte.
Klimperndes Tropfen,
berauschendes Rauschen.
Auf diesen Moment
hat alles gewartet.
Es ruft mich hinaus,
die Füße ins dampfende Gras.
Dem Himmel entgegen
die schweißnasse Brust.
Der Regen öffnet
ein Duftkabinett.
Feuchte Erde, nasser Asphalt,
erleichterte Blüten.
Mit großer Geste wird
die Hitze vom Tag gespült.
Es atmet sich leichter.
Es atmet sich auf.
Wir öffnen die Fenster
und baden in köstlicher Kühle.
Die Haut
in Eis getaucht.
Es glitzert.
Es knistert,
wenn Deine Finger
darüberwandern
mit einer Spur
aus Wärme.
Es beginnt
am tiefsten Punkt
im Bauch.
Übelkeit.
Rumoren.
Druck.
Zähe Wärme.
Schweißperlen am Nabel.
Tropfend.
Hitze,
die unaufhaltsam
aufsteigt.
Der Wind kühlt nicht.
Verteilt
in jede Pore,
quälend.
Mein Körper
flammt.
Ich entkomme nicht.
„Es taut“, sagst Du.
Ich sehe hinaus
und spüre,
wie der Griff der Kälte sich löst.
Wie langsam die Farben
wieder erwachen.
Die weiße Schicht
weicht,
verflüssigt sich.
Die nackte Erde
deckt sich auf
mit jedem Grad Wärme.
„Es taut“, sagst Du.
Aber nicht in uns.
Du lässt nicht zu,
dass es näher wird,
wärmer.
Gefrierst Gefühle
in Plastiktüten.
Für irgendwann.
Der kleine Vogel Hoffnung,
der jahrelang im Käfig saß
drei Körner nur am Tag bekam.
Es hieß, das reicht als Maß.
Sein Federkleid war grau geworden,
er konnte kaum noch singen,