Ronaden - Rona Duwe - E-Book

Ronaden E-Book

Rona Duwe

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Beschreibung

Die "ronaden" versammeln verdichtete Gefühle, Erlebnisse und Erfahrungen. In einer sehr sinnlichen Form werden Erfahrungswelten transportiert, in denen viele Menschen - vor allem Frauen - sich wiederfinden. Rona Duwe nutzt die ronaden als persönlichen Ausdruck ihres Lebenswegs als alleinerziehende Mutter, als Feministin, Patriarchatskritikerin und als Frau, die ihre Gefüh­le und Grenzen konstant auslotet. So findet sich in diesem Band ein ganzes Spektrum an Emotionen, in die die LeserInnen eintauchen können. Von Leichtfüßigkeit, Lust und Naturerfahrung bis hin zu Gesellschafts­kritik, Wut und tiefer Traurigkeit ist alles vertreten. Begleitet werden die Texte von Fotografien der Autorin von ihren vielen Spaziergängen, Streifzügen und Reisen. "Gefühle in Worte zu kleiden ist große Kunst! Ich kann Deine Texte immer fühlen." Eine Leserin auf Facebook "Du beobachtest, spürst und schreibst so messerscharf, so wahr, so richtig, und ich kann einfach immer wieder jedes Wort unterschreiben." Eine Leserin auf Facebook "Wunderschön, beruhigend und in die Tiefe gehend, gepaart mit stimmungs­vollen Bildern. Die ronaden haben einen Ehrenplatz in meiner Wohnung und wurden mehrfach verschenkt. Chapeau!" Silke Schaudinn

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für die,

die mich berührten,

begleiteten

und ermutigten.

Inhaltsverzeichnis

NARBEN

SOMMERREGEN

RAUREIF

FÖHN

TAUWETTER

NUR ZEICHEN

VERANKERT

HEUTE

GESTERN

MORGEN

FANGFRISCH

DAS TAG-FÜR-TAG KEINE ANKLAGE

FLIRRENDE MITTAGSHITZE

BRANDUNG

UFERLOS

LIEBE – ALTES STÜCK

TIEFSEE

DREI

UTOPIE

VERMISSEN

In der Mondfalte der Nacht

sitzt das Gestirn mir im Gesicht.

Ich vergaß Dich wach,

dafür träume ich Dich jetzt.

So wie ich den Tag verträume,

laufe ich nachts durchs Haus

mit all den Fragen und Sorgen so beladen,

dass die Eule lacht.

Ich würde Dir gern Dein Gepäck

vor die Tür stellen.

Das hab ich schon zu lang dabei.

Ja, nachts da liegt das

unter allem anderen

als schwerster Stein.

Ganz festgezurrt an meinem Rücken.

Das hast Du damals sorgfältig verschnürt.

Damit ich‘s nicht vergesse:

Das Kleinsein,

das eigentlich Dein Kleinsein ist

im Großsein.

Das ist ein schönes Frauen-Erbstück

mit Glitzer drauf und Rüschen und

Scheinbarschön.

Drinnen ist es die Fratze,

die den Spiegel trübt,

die vergessene, bittere Alte.

Die Generationenalte.

Sie hat die Wut

in sich gekehrt

und kocht jetzt saure Suppen.

Sie kann mich lähmen

und die Luft zum Atmen rauben.

„Ich war schon hier,

Du auch!“,

schreit sie mich nieder.

„Da musst Du eben durch,

wie ich!“

„Hier nimm!“,

sagt sie

und reicht das Joch.

Ich aber kann nicht mehr,

ich bin so müde.

Du hast mir Deine nicht geschlafenen

Nächte vermacht.

So muss ich für Dich mitschlafen.

Und: Ich kann den Sinn nicht sehen.

Noch einmal Joch ... Warum?

Noch eine, die sich selbst

für nichts vergeudet?

Für ein paar Cent und Creme

für die Falten?

Der Sinn ist mir verloren.

Und eigentlich

sollten wir mal endlich

viel mehr schlafen.

Um endlich

aufzuwachen.

Die Leinen lösen.

Das Tau, das langsam

ins Wasser rutscht

Und Dich freigibt.

Du verlässt den Hafen

ein weiteres Mal.

Heimat.

Für Dich ein vergängliches Gut.

Du gleitest hinaus

in die stille Weite.

Kein Blick zurück.

Jede Welle ist Abschied,

der doch schon längst

hinter Dir liegt.

Vor vielen Tagen

hat Dein Herz schon

Adieu gesagt.

Und jetzt erst folgt

der Verstand.

Die brüchige Linie in

Deiner Hand

zeigt den Weg.

Schon immer.

„Ich kann nicht bleiben“

ist Dein klares Gefühl.

Du dachtest immer,

Du kommst irgendwann an.

Irgendwo ist der Hafen

mit einer Kerze im Fenster,

warmen Socken,

einer Katze am Ofen

und einer Hand,

die auf Dich gewartet hat.

Heute weißt du,

diesen Ort gibt es nicht.

Oder er ist nicht von Dauer.

Er ist nur Pause

und dann geht es weiter.

Der brüchigen Linie

folgst Du

und kommst nie an.

Du bleibst im Fliegen,

im Wind.

Auf der Gischt.

Du pflanzt Dich nicht ein.

Gesichter rauschen vorüber.

Kein Halt.

Die Hand eines Kindes,

die im Vorbeilaufen

Spuren zeichnet

in die Wand,

die Geländer,

die Zäune,

die Blätter der Hecke.

In Mustern kannst Du

nicht leben.

Kein Muster passt auf Dauer.

Stattdessen Brüche

und Scherben,

loses Strickwerk,

Linien aus Bleistift,

Sandspuren,

Nähte, Flicken und Narben,

Flechten und Knoten,

ein buntes Band,

ein Grau aus Schichten

vieler Farben.

Deine Konstante

ist inkonstant, fließend.

Du hast gelernt,

dass auf Antworten

neue Fragen folgen.

Auf Sicherheit

folgt Zweifel.

Auf Klarheit

folgt Chaos.

Es gibt für dich nicht

DEN Weg,

DIE Antwort,

DIE Spur,

DEN Menschen.

Für Dich gibt es

das haltlose Schweben,

die zittrige Stärke,

die Balance als Moment,

das Weiß als ewigen Anfang.

Du selbst,

Dein Atem

im Jetzt

als einzige Richtschnur,

als Anker.

Manchmal

gehst Du durch ein Nadelöhr.

Alles wird eng.

In diesem Moment

kannst Du nur atmen

und bleiben

und fühlen.

Wenn Du kämpfst,

wird es enger.

Wenn Du fragst,

wird es enger.

Wenn Du haderst,

wird es enger.

Wenn einer sagt,

Du warst doch so stark,

hilft das nicht.

Auch dann wird es enger.

Stark kommst Du da nicht durch.

Du kommst da durch

in dem Moment,

in dem Du jede Hoffnung aufgegeben hast.

Du kommst durch,

wenn es Dir egal geworden ist,

ob Du durchkommst.

Wenn Du nicht mehr an morgen denkst

oder an gestern,

sondern nur noch an Jetzt.

Und entscheidest:

Ja, es ist jetzt eng.

Ich bleibe trotzdem da.

Ich kann da atmen.

Ich kann da sein.

Ich bin.

NARBEN

Trag Deine Narben mit Stolz.

Verstecke sie nicht.

Sie sind Routen der Stärke,

Wegmarken des Mutes.

Sie bleiben

als Erinnerung der Wandlung.

Sie machen Dein Leiden sichtbar.

Sie zeigen Deine Verwundbarkeit.

Und Deine Fähigkeit zur Heilung.

Trotz allem.

Dein geduldiger und nachsichtiger Körper

verschließt die Wunden.

Auch die Seele findet Wege,

dass Du heilst,

dass Du weiterlebst,

dass Du stärker wirst.

Trotz allem.

Und dass Du eines Tages wieder lachst

mit einer weiteren Falte.

SOMMERREGEN

Klimperndes Tropfen,

berauschendes Rauschen.

Auf diesen Moment

hat alles gewartet.

Es ruft mich hinaus,

die Füße ins dampfende Gras.

Dem Himmel entgegen

die schweißnasse Brust.

Der Regen öffnet

ein Duftkabinett.

Feuchte Erde, nasser Asphalt,

erleichterte Blüten.

Mit großer Geste wird

die Hitze vom Tag gespült.

Es atmet sich leichter.

Es atmet sich auf.

Wir öffnen die Fenster

und baden in köstlicher Kühle.

RAUREIF

Die Haut

in Eis getaucht.

Es glitzert.

Es knistert,

wenn Deine Finger

darüberwandern

mit einer Spur

aus Wärme.

FÖHN

Es beginnt

am tiefsten Punkt

im Bauch.

Übelkeit.

Rumoren.

Druck.

Zähe Wärme.

Schweißperlen am Nabel.

Tropfend.

Hitze,

die unaufhaltsam

aufsteigt.

Der Wind kühlt nicht.

Verteilt

in jede Pore,

quälend.

Mein Körper

flammt.

Ich entkomme nicht.

TAUWETTER

„Es taut“, sagst Du.

Ich sehe hinaus

und spüre,

wie der Griff der Kälte sich löst.

Wie langsam die Farben

wieder erwachen.

Die weiße Schicht

weicht,

verflüssigt sich.

Die nackte Erde

deckt sich auf

mit jedem Grad Wärme.

„Es taut“, sagst Du.

Aber nicht in uns.

Du lässt nicht zu,

dass es näher wird,

wärmer.

Gefrierst Gefühle

in Plastiktüten.

Für irgendwann.

Der kleine Vogel Hoffnung,

der jahrelang im Käfig saß

drei Körner nur am Tag bekam.

Es hieß, das reicht als Maß.

Sein Federkleid war grau geworden,

er konnte kaum noch singen,