Royale Babys - Prinzessinnen im Glück (5-teilige Serie) - Leanne Banks - E-Book
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Royale Babys - Prinzessinnen im Glück (5-teilige Serie) E-Book

Leanne Banks

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Beschreibung

NUR EINE HEIMLICHE SOMMERROMANZE? Es ist ein herrlicher warmer Tag, als Prinzessin Pippa am Strand des Inselreichs Chantaine auf den attraktiven Nic Lafitte trifft. Schon einmal haben sie geflirtet - jetzt beginnen sie eine heimliche Sommeraffäre. Mit ungeahnten Folgen für Herz und Krone! WIE VERFÜHRT MAN EINE PRINZESSIN? Wie fühlen Sie sich, Prinzessin?" Coco kann die Frage des Reporters nicht beantworten. Zu neu ist für sie, dass sie zur Königsfamilie von Chantaine gehört. Zum Glück ist ein starker Mann an ihrer Seite: Benjamin Garner, der ihr mehr bedeutet als ihr royaler Titel …" WIE ANGELT MAN SICH EINEN PRINZEN? Ihr Chef ist ein echter Prinz! Als Sophie ihn auf eine Reise begleitet, um seine adlige Familie kennenzulernen, steht auch ihr Leben plötzlich Kopf. Denn in dem sonnigen Inselreich kommen sich die beiden näher und beginnen eine heimliche Affäre. Doch das ist Sophie nicht genug… VERLIEBT IN MEINEN BODYGUARD Treat Walker ist der perfekte Bodyguard! Trotzdem will die alleinerziehende Prinzessin Fredericka nicht Tag und Nacht von ihm bewacht werden - bis sie erkennt, wie wichtig ihm ihr kleiner Sohn ist. Und plötzlich kann sie das aufregende Knistern zwischen ihnen nicht mehr leugnen … EINE PRINZESSIN UNTERM MISTELZWEIG Nie hätte er es für möglich gehalten: Die Nanny schenkt seinen Kindern endlich das Lachen zurück! Und auch Gavin glaubt bei jedem Blick in Saras Augen wieder an die Liebe. Bis sein Traum von einer sinnlichen Adventszeit zerplatzt: Ihm wird klar, dass Sara ihn eiskalt belogen hat …

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Seitenzahl: 855

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Leanne Banks

Royale Babys - Prinzessinnen im Glück (5-teilige Serie)

IMPRESSUM

Nur eine heimliche Sommerromanze? erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Ralf MarkmeierRedaktionsleitung:Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)Produktion:Jennifer GalkaGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2012 by Leanne Banks Originaltitel: „The Princess and the Outlaw“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe ROMANA EXTRABand 12 - 2013 by Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg Übersetzung: Karin Weiss

Umschlagsmotive: CoffeeAndMilk / iStock, Getty Images_Fomalgaut

Veröffentlicht im ePub Format in 12/2018 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733738983

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

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PROLOG

„Was macht Nic Lafitte denn hier?“, rief Bridget aus.

„Angeblich ist er ein wichtiger Sponsor und sehr beliebt“, antwortete Tina leicht verächtlich.

„Dann kennen die Leute ihn nicht“, entgegnete Bridget und stieß Phillipa an, die genauso überrascht war wie ihre Schwestern. „Warum ist er immer da, wo du bist? Vielleicht ist er der Teufel in Menschengestalt und kann überall gleichzeitig sein.“

Phillipa war geneigt, ihr zuzustimmen, denn Nic Lafitte schien eine gewisse Macht über sie zu haben.

Er kam ihr vor wie eine personifizierte Naturgewalt, die sich mit einem verheerenden Orkan vergleichen ließ. In den letzten drei Wochen war sie ihm erfolgreich aus dem Weg gegangen und überzeugt gewesen, dass sie durch die Flucht aus ihrer Heimat Chantaine Zeit zum Nachdenken gewinnen würde.

Niemals hätte sie sich träumen lassen, dass er ausgerechnet heute auf dieser Benefizveranstaltung in Texas, die sie mit ihren Schwestern besuchte, für seinen außergewöhnlichen Einsatz in Sachen Nächstenliebe ausgezeichnet werden würde.

Der Ballsaal kam ihr plötzlich viel zu klein vor. Panik ergriff sie, und sie wäre am liebsten hinausgelaufen. Während ihre Schwestern sie aufmerksam musterten, atmete sie tief durch und versuchte, den Kloß in der Kehle hinunterzuschlucken. „Mir ist etwas übel, entschuldigt mich. Ich bin gleich wieder da.“

Um keine Aufmerksamkeit zu erregen, eilte sie mit gesenktem Kopf aus dem Saal. Sobald ich weit genug weg bin von Nic und der verheerenden Wirkung, die er auf mich hat, ist alles wieder in Ordnung, machte sie sich Mut.

Schließlich schloss sie die Tür hinter sich und lehnte sich mit dem Rücken an die Wand, die sich angenehm kühl anfühlte. Ihre Schwestern hatten nicht übertrieben – der texanische Sommer war tatsächlich die reinste Hölle.

Um sich zu beruhigen, atmete sie mehrmals tief durch. Wie war sie nur in diese Sache hineingeraten? Im Vergleich zu ihren Geschwistern hatte sie sich immer gern im Hintergrund gehalten, was nicht schwierig war als fünftes von sechs Kindern. Ihr ältester Bruder Stefan hatte die Nachfolge seines verstorbenen Vaters, des Fürsten von Chantaine, angetreten und war durch seine Erziehung auf diese Rolle vorbereitet worden. Phillipa hingegen hatte studiert, weil sie keine Lust gehabt hatte, als Prinzessin ständig im Rampenlicht zu stehen.

Als ihre beiden älteren Schwestern anfingen, sich mehr auf ihre Ehemänner als auf die Pflichten als Prinzessinnen zu konzentrieren, hatte sie sich umso intensiver mit dem Studium beschäftigt. So hatte sie oft genug eine Ausrede gehabt, wenn sie irgendwelche offiziellen Termine wahrnehmen sollte.

„Ich will verdammt sein, wenn das nicht Prinzessin Phillipa von Chantaine ist“, ertönte plötzlich eine ihr sehr vertraute männliche Stimme.

Es verschlug ihr den Atem, als sie in Nics dunkle Augen sah. „Mit dir habe ich hier am allerwenigsten gerechnet“, brachte sie schließlich mühsam hervor.

Er deutete ein Lächeln an. „Das überrascht mich nicht“, antwortete er und legte ihr eine Hand auf den Arm. „Was für ein glücklicher Zufall, wir haben nämlich noch einiges zu klären. Du fährst jetzt mit mir. Ich lasse meinen Wagen kommen.“

Ihr Herz klopfte so heftig, als würde es bald zerspringen. „Das geht nicht. Meine Schwestern sind auch im Saal. Wenn ich einfach verschwinde, starten sie eine Suchaktion.“

„Es wäre nicht das erste Mal, dass deine Familie mir mit der Polizei droht.“ Er sah sich um und dirigierte sie über den Flur. „Wenn du nicht mitkommen willst, reden wir eben woanders.“

„Du bist verrückt.“ Weiter kam sie nicht, denn in diesem Moment stieß er die Tür zur Garderobe auf und zog Phillipa mit sich bis in die hinterste Ecke.

Dann packte er sie sanft, aber entschlossen an den Schultern. „Verrat mir doch, was du dir wirklich wünschst und was du brauchst, Pippa“, forderte er sie mit seiner tiefen Stimme auf, die so sexy klang, dass sie insgeheim erbebte.

Prompt dachte sie zurück an die heimlichen Treffen, an die Nachmittage auf seiner Jacht, an die Nächte, in denen sie schwimmen gegangen waren, und an die Spaziergänge am anderen Ende der Insel, bei denen sie so viel über ihn erfahren hatte. Er hatte es ihr leicht gemacht, auch über sich zu sprechen. Noch nie zuvor hatte Phillipa sich so sehr zu einem Mann hingezogen gefühlt, obwohl die Feindseligkeiten zwischen ihren Familien das eigentlich gar nicht zulassen sollten.

Langsam und ohne den Blick abzuwenden, senkte er den Kopf und küsste sie. Sie hatte das Gefühl dahinzuschmelzen und befürchtete, die Kontrolle zu verlieren.

„Das ist Wahnsinn. Es kann nicht funktionieren, das habe ich dir schon tausendmal gesagt“, flüsterte sie.

„Warum denn nicht?“, fragte er herausfordernd. „Wenn wir beide es wollen, spricht nichts dagegen.“

Pippa mahnte sich, vernünftig zu bleiben – das würde ihr eine Menge Schwierigkeiten ersparen. „Was wir uns momentan wünschen, ist nicht ausschlaggebend. Es gibt Wichtigeres als flüchtige Emotionen.“

„Wenn du davon wirklich überzeugt bist, musst du dir die Frage gefallen lassen, warum du meine Küsse erwiderst.“

In diesem Moment hörte sie ein Geräusch von der Tür her und zuckte zusammen. „Da ist jemand, wir müssen hier weg.“

Gemeinsam verließen sie das Versteck und wurden von Tina und Bridget empfangen, die sie mit versteinerten Mienen musterten.

„Halte dich von meiner Schwester fern“, forderte Bridget Nic auf.

„Das kann nur Pippa entscheiden“, entgegnete er.

„Du benutzt sie doch nur“, hielt Tina ihm vor. „Du willst nur mit ihr zusammen sein, um den schlechten Ruf deiner Familie zu verbessern.“

„Glücklicherweise gibt es genug Menschen, die meine Familie respektieren.“

„Aber nur, weil ihr euch Respekt mit Geld erkauft“, gab Tina zurück. „Lass also Pippa in Ruhe, du kannst für sie niemals gut genug sein. Wenn du überhaupt etwas für sie empfindest, solltest du aus ihrem Leben verschwinden.“

„Okay, ich gehe jetzt, doch nur Phillipa allein entscheidet, wie und ob es mit uns weitergeht“, erklärte er angespannt und begegnete ihrem schockierten Blick. „Mach’s gut, mein Liebling. Vergiss nicht, es gibt Dinge im Leben, die vorherbestimmt sind“, fügte er noch hinzu, ehe er die drei Schwestern stehen ließ.

1. KAPITEL

Sieben Monate später fing Pippa wieder mit dem Joggen an, um fit zu bleiben, wie sie behauptete. In Wahrheit versuchte sie jedoch nur, vor ihren Erinnerungen und vor der Erkenntnis davonzulaufen, dass es wahrscheinlich für sie nur diesen einen Mann gab, den sie nicht haben konnte.

Um sechs Uhr morgens war der weiße Sandstrand noch menschenleer. Sie genoss die Ruhe und Stille um sich herum und das leise Plätschern der Wellen. Vielleicht würde es ihr helfen, die quälenden Gedanken zu ordnen.

Schließlich machte sie eine Pause und atmete tief die salzige Luft ein. Als sie nach wenigen Minuten weiterlief, kam ihr plötzlich jemand entgegen. Beim Näherkommen erkannte sie, dass es sich um eine zierliche Frau mit kurzem weißem Haar in einem Strandkleid handelte. Pippa nickte und sagte freundlich: „Guten Morgen.“

Die Frau wandte sich jedoch ab und stolperte dann auch noch.

„Verzeihung, brauchen Sie Hilfe?“, erkundigte sich Pippa besorgt.

Die Frau schüttelte den Kopf. „Nein, vielen Dank. Es ist wunderschön hier, nicht wahr?“ Ihre betont muntere Stimme stand in eigenartigem Kontrast zu ihrem hinfälligen Äußeren.

„Ja, das finde ich auch.“ Sie erinnert mich an jemanden, überlegte Pippa, wusste aber nicht, an wen. Als die Fremde erneut stolperte, war sie ernsthaft beunruhigt. „Ich begleite Sie gern, wenn Sie mir sagen, wohin Sie möchten.“

„Nein, vielen Dank“, wehrte die Frau geradezu entsetzt ab und brach plötzlich zusammen.

„Oh nein!“ Alarmiert beugte Pippa sich über sie. Außer sich vor Angst, tätschelte sie der Frau sanft die Wangen und sagte immer wieder: „Bitte, kommen Sie zu sich!“ Als sie gerade über ihr Smartphone Hilfe herbeirufen wollte, öffnete die Fremde die Augen und blickte Pippa durchdringend an.

„Geht es Ihnen besser? Möchten Sie etwas Wasser trinken?“ Sie hielt ihr die Flasche hin, die sie immer zum Joggen mitnahm. „Ich lasse den Krankenwagen kommen.“

„Nein, bitte nicht“, protestierte die andere und fing an, herzzerreißend zu schluchzen.

Pippa konnte es kaum ertragen. „Bitte, lassen Sie mich Ihnen doch helfen!“

„Ich möchte doch nur auf Chantaine sterben.“

Plötzlich wusste Pippa, warum die Frau ihr bekannt vorkam: Sie sah Nic sehr ähnlich, er hatte dieselben Augen, war allerdings viel größer und kräftiger als seine Mutter.

„Amelie“, flüsterte sie. „Sie sind Amelie Lafitte.“

Zögernd nickte die andere. „Wie kommen Sie darauf?“

„Ich kenne Ihren Sohn Nic.“ Er hatte einmal erwähnt, dass seine Mutter krebskrank war.

„Ich wollte nur einen Strandspaziergang machen. Bestimmt nimmt er es mir übel, dass ich die Jacht ohne sein Einverständnis verlassen habe.“

„Ich rufe ihn an“, verkündete Pippa.

„Das verdirbt mir die ganze Freude, er ist so ein Schwarzseher.“ Amelies Stimme klang schon wieder viel fester.

Erstaunt darüber, wie schnell Nics Mutter sich erholt hatte, wählte Pippa seine Nummer, die sie immer noch auswendig kannte, obwohl sie sie schon vor Monaten gelöscht hatte.

Wenig später hielt eine schwarze Limousine auf der Straße oberhalb des Strands an, und Nic stieg aus. Mit angespannter Miene eilte er auf die beiden Frauen zu. Ihn nach sieben Monaten wiederzusehen, machte Pippa ganz nervös. Ihr Herz klopfte so heftig, als würde es zerspringen.

„Hallo, mein Liebling“, begrüßte Amelie ihn. „Es tut mir leid, dass ich dir solche Umstände mache. Ich konnte nicht mehr schlafen und wollte unbedingt einen Strandspaziergang machen.“

„Ich hätte dich doch begleitet“, antwortete er, ehe er sich an Pippa wandte. „Danke, dass du mir Bescheid gesagt hast. Ich nehme meine Mutter mit zurück, dann kannst du weiterjoggen. Ich wusste gar nicht, dass du so sportlich bist.“

„Na ja, ich mache Intervalltraining, eine Kombination aus Lauf- und Erholungsphasen.“

Er nickte und drehte sich wieder zu seiner Mutter um. „Dad ist außer sich vor Sorge. Er wäre am liebsten mitgekommen.“

„Mit dem gebrochenen Fuß kann Paul das ja gar nicht“, entgegnete seine Mutter. „Ich hätte jetzt Lust auf diese köstlichen Crêpes, die es immer in dem Café am Stadtrand gab“, fügte sie lächelnd hinzu.

„Das Café existiert noch“, erklärte Pippa.

„Oh, lassen Sie uns hingehen. Sie kommen doch mit, oder?“ Amelie sah Pippa fragend an.

Pippa warf Nic einen hilflosen Blick zu.

„Mutter, weißt du denn nicht, wer sie ist?“ Er half ihr aufzustehen.

Nachdenklich betrachtete Amelie sie. Auf einmal dämmerte es ihr. „Ja, Sie sind eine Devereaux, stimmt’s? Das sehe ich an Ihren Augen und Ihrem Kinn. Dann könnte es etwas problematisch werden.“

„Nur etwas?“ Nic verzog spöttisch die Lippen. „Lassen wir sie selbst entscheiden. Also, Pippa, was hältst du davon?“

Er deutete ihr kurzes Zögern falsch. „Es ist okay, wenn du nicht mitkommen möchtest. Noch einmal danke, dass du dich um meine Mutter gekümmert hast.“

„Ich komme mit“, erwiderte sie spontan. „Es sei denn, du nimmst die Einladung deiner Mutter zurück.“

Ihre Antwort schien ihn zu verblüffen, was sie mit Genugtuung feststellte.

„Nein, sie gilt natürlich. Willst du mit uns fahren?“

„Danke, ich nehme meinen eigenen Wagen und brauche ungefähr eine Viertelstunde. Bis gleich. Sie sollten etwas trinken, Mrs Lafitte.“

„Vielen Dank, meine Liebe“, bedankte Amelie sich lächelnd. „Ist sie nicht ganz entzückend, Nic?“

„Ja, wirklich entzückend“, stimmte er ihr spöttisch zu.

Während Pippa die Baseballkappe und die Sonnenbrille aufsetzte und sich im Rückspiegel betrachtete, stellte sie sich die entsetzten Mienen vor, wenn man im Fürstenhaus von ihrem Vorhaben erführe. Dass sie morgens um sechs am Strand laufen ging, war eine Sache. Sich in diesem Aufzug in der Öffentlichkeit zu zeigen, war jedoch etwas ganz anderes. Hoffentlich würde sie niemand erkennen! Sie stieg aus und schloss den Wagen ab.

Anders als ihre Geschwister trat sie selten öffentlich auf, was sich jetzt sicher als Vorteil erweisen würde. Immerhin hatte sie das lange gelockte braune Haar, an dem man sie hätte erkennen können, zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden und unter der Kappe versteckt.

Pippa betrat das vornehme Café und Restaurant und erblickte sogleich Amelie und Nic. Mutter und Sohn winkten ihr zu, Nics Miene verriet jedoch, dass er überrascht über ihr Kommen war. Offenbar hatte er nicht damit gerechnet, dass sie ihr Versprechen hielt.

Pippa ging zu dem Tisch in der Nische, an dem die beiden saßen und ließ sich auf den roten Samtstuhl sinken.

„Fein, dass Sie uns Gesellschaft leisten“, sagte Amelie lächelnd und wies auf die Speisekarte. „Ich habe mich noch nicht entschieden, was ich nehme.“

„Worauf hätten Sie denn Lust?“ Pippa nahm die Karte zur Hand und überflog sie.

Amelie zuckte hilflos mit den Schultern.

In diesem Moment erschien die Bedienung. „Haben Sie schon gewählt? Kann ich Ihnen etwas zu trinken bringen?“

Amelie bestellte einen Café au Lait, Nic einen schwarzen Kaffee und Pippa entschied sich für einen Tee.

Amelie bestellte gleich mehrere Crêpes mit unterschiedlichem Belag, während Nic und Pippa sich jeweils mit einem begnügten.

„Entschuldigen Sie, Sie kommen mir bekannt vor. Sind Sie Nachrichtensprecherin?“, fragte die junge Frau Pippa.

Pippa lächelte erleichtert. „Nein, ich bin nur eine ganz normale Studentin. Aber danke für das Kompliment.“

„Oh, keine Ursache“, erwiderte die Kellnerin verlegen und verschwand.

Wie gebannt hatten Nic und seine Mutter Pippa beobachtet. Jetzt lächelte Amelie sie strahlend an. Pippa hatte das Gefühl, als würde der ganze Raum plötzlich heller. Jetzt wusste sie auch, an wen Nics Mutter sie erinnerte – an Audrey Hepburn!

„Ich bin so froh, hier zu sein. Der Duft allein ist so verführerisch, dass ich am liebsten noch mehr bestellen würde. Aber ich werde nur ein bisschen von allem probieren, und den Rest nehmen wir für Paul mit.“ Amelies Miene wurde ernst. „Der Ärmste, er hat solche Schmerzen.“

Das klang so, als wäre sie selbst vollkommen schmerzfrei. Pippa wusste jedoch, dass dem nicht so war. Amelies Entschlossenheit, das Leben noch zu genießen, fand sie bewundernswert. Es machte sie jedoch auch etwas betroffen.

„Angeblich dauert es manchmal ziemlich lange, bis ein gebrochener Fuß wieder heilt“, sagte sie.

„Ja, das stimmt. Paul findet es unerträglich, in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt zu sein. Er ist sehr ungeduldig.“ Amelie warf Nic einen Blick zu und fügte hinzu: „Das liegt in der Familie. Doch genug davon“, wandte sie sich wieder an Pippa. „Erzählen Sie mir doch etwas über sich, über Ihr Leben und Ihre Interessen. Die Presseberichte über Ihre Familie habe ich immer gelesen. Ihr Vater Edward war sicher stolz auf Sie und Ihre Geschwister.“

Pippa zögerte. Sollte sie wahrheitsgemäß antworten, dass ihr Vater sich nicht allzu sehr um seine Kinder gekümmert hatte, außer um Stefan, seinen Nachfolger?

„Ich bin ein Bücherwurm, wie man so sagt. Momentan schreibe ich meine Doktorarbeit über Genealogie“, antwortete sie schließlich.

„Ah ja.“ Amelie nickte nachdenklich. „Die Crêpes schmecken köstlich“, wechselte sie dann das Thema. „Meine Liebe, ich muss gestehen, dass ich Ihrem Vater nach unserer Trennung nur das Allerbeste gewünscht habe. Hoffentlich war er glücklich.“

Pippas Vater war mit Amelie verlobt gewesen, ehe er den Thron bestiegen hatte. Doch als sie Paul Lafitte kennengelernt hatte, hatte sie sich Hals über Kopf in den hochgewachsenen dunkelhaarigen Texaner verliebt, dessen Vorfahren Piraten gewesen waren.

Als Amelie die Verlobung lösen wollte, war Edward zunächst nicht einverstanden gewesen, bis Paul sich eingemischt hatte. Es hatte einen heftigen Streit gegeben, und Pippas Vater hatte sich gedemütigt gefühlt. Sie vermutete, dass er danach keine andere Frau mehr wirklich geliebt hatte.

„Soweit ich es beurteilen kann, hat er sein Leben genossen“, erwiderte sie ausweichend.

Amelie streichelte ihre Hand. „Sie sind eine bezaubernde junge Frau. Sie machen ihm alle Ehre.“ Sie stand auf. „Entschuldigt mich einen Moment, ich bin gleich wieder da.“

„Soll ich dich begleiten?“, bot Nic ihr an.

„Nein, vielen Dank.“ Sie lächelte freundlich und ging in Richtung der Toiletten.

„Es scheint ihr ganz gut zu gehen, oder?“, fragte Pippa.

„Im Moment ja. Aber das wechselt ständig. Sie weiß, dass ihr nicht mehr viel Zeit bleibt, und versucht, das Beste daraus zu machen. Leider ist sie manchmal so spontan wie ein kleines Mädchen. Da mein Vater mit seinem gebrochenen Fuß ihr nicht helfen kann, kümmere ich mich um sie.“

Pippa hatte Mühe, ihre Betroffenheit zu verbergen. Um sich abzulenken, bat sie die Bedienung, die restlichen Crêpes zum Mitnehmen einzupacken. „Das ist bestimmt nicht leicht für dich. Einerseits möchtest du ihr wahrscheinlich jeden Wunsch erfüllen, aber andererseits willst du sie auch nicht gefährden. Sie hat erwähnt, dass sie gern auf Chantaine sterben würde.“

Er hob die Augenbrauen. „Angesichts der Tatsache, dass mein Vater die Insel nicht betreten darf, wird dieser Wunsch schwer zu erfüllen sein.“

„Das hatte ich ganz vergessen“, gab Pippa zu. „Ich kann mir allerdings nicht vorstellen, dass man nach so vielen Jahren noch an dem Verbot festhält.“

„Da täuschst du dich.“ Er lachte verbittert auf. „Denn nach all den Jahren hasst deine Familie uns immer noch. Ich möchte nicht riskieren, dass er hier festgenommen wird. Jedenfalls versuche ich, meiner Mutter alle Wünsche zu erfüllen, aber was nicht geht, geht nicht.“ Als er Amelie zurückkommen sah, stand er auf. Pippa erhob sich ebenfalls.

Dann nahm er die Tragetasche mit den eingepackten Crêpes, die ihm die Serviererin reichte, und bedankte sich.

„Ich möchte mir alles noch einmal genau einprägen.“ Amelie sah sich in dem Raum um und ging dann voraus zur Tür.

Während Pippa den beiden folgte, gestand sie sich ein, dass sie sich noch genauso stark zu Nic hingezogen fühlte wie zuvor. Dabei hatte sie gehofft, darüber hinweg zu sein. Es tat ihr unendlich leid, dass sie ihm in dieser schweren Zeit nicht helfen konnte, aber das würde er wahrscheinlich gar nicht zulassen. Jedenfalls bewunderte sie den Mut und die Lebensfreude, die seine Mutter trotz ihrer schlimmen Krankheit ausstrahlte.

Amelie blieb neben Nics Limousine stehen und drehte sich zu Pippa um. „Danke für Ihre Hilfe. Sie sind eine ganz reizende junge Frau, Prinzessin. Ich bin froh, dass ich Sie kennengelernt habe.“

„Danke für das Kompliment. Auch ich freue mich über unsere Begegnung. Nennen Sie mich doch einfach Pippa.“

„Gern, und ich bin Amelie. Vielleicht sehen wir uns einmal wieder“, verabschiedete sich die ältere Frau und stieg ein, während Nic ihr die Wagentür aufhielt.

Ehe Pippa sich zum Gehen wandte, warf sie ihm noch einmal einen sehnsuchtsvollen Blick zu.

Er erwiderte ihn, und sie hatte das Gefühl, als würde ihr Herz stehenbleiben. „Auf Wiedersehen, Prinzessin“, sagte er jedoch nur.

Während sie über den mit Marmorfliesen ausgelegten Flur des Palasts zu ihrer Suite eilte, ermahnte Pippa sich, sich auf die Doktorarbeit zu konzentrieren, statt immer wieder über Nic und seine Mutter nachzudenken.

Als sie um die Ecke bog, hörte sie einen schrillen Schrei. Das konnte nur Tyler, einer der kleinen Stiefsöhne ihrer Schwester, sein.

„Tyler, mein Liebling, du bist doch noch nicht angezogen“, erklang Bridgets Stimme, die mit Travis auf dem Arm hinter ihm herlief. „Oh Pippa, du bist meine Rettung. Kannst du ihn bitte festhalten? Offenbar findet er es lustig, nackt durch den Palast zu laufen.“

Als Tyler Pippa sah, blieb er stehen, und sie nahm ihn auf den Arm. „Wohin willst du denn? Hast du gerade gebadet? Du duftest so gut.“ Sie tat so, als würde sie an seiner Schulter schnuppern und brachte den Kleinen zum Lachen.

„Danke.“ Atemlos kam Bridget näher.

Sofort streckte Tyler die Ärmchen nach ihr aus. „Mumma“, sagte er und gab ihr einen dicken Kuss, als sie sich zu ihm vorbeugte und ihn auf den anderen Arm nahm. „Jetzt spielst du wieder den kleinen Unschuldsengel“, stellte sie belustigt fest und küsste ihn sanft auf die Stirn.

„Wo sind die Kindermädchen?“, erkundigte sich Pippa und nahm ihr Travis ab.

„Claire hat heute Vormittag frei, und Maria muss ihre kranke Mutter versorgen. Eigentlich wollte ich heute zur Ranch fahren.“ Bridget verdrehte die Augen und lachte. „Ich hätte nie gedacht, dass Stefan Ryder und mir erlauben würde, hier eine zu bauen.“

„Und ich hätte mir nie vorstellen können, dass du jemals auf einer Ranch mit Stiefkindern leben würdest.“

„So sehe ich sie gar nicht. Die liebenswerten Bengel sind mir ans Herz gewachsen. Sie sind genauso meine wie Ryders Kinder“, entgegnete Bridget.

„Ich kann auf die beiden aufpassen, wenn du möchtest“, bot Pippa an. Sie wusste, wie wichtig es für ihre Schwester und ihren Mann war, endlich ein eigenes Zuhause zu haben.

„Irgendwie habe ich das Gefühl, dich viel zu oft in Anspruch zu nehmen und von deinem Studium abzuhalten.“

„Das ist schon okay.“ Die beiden Jungen waren nicht der Grund, warum sie sich nicht auf die Doktorarbeit konzentrieren konnte. „Du wirst ja nicht den ganzen Tag wegbleiben.“

„Nein, höchstens zwei Stunden. Ich danke dir, du bist die Beste.“ Bridget küsste sie auf die Wange. „Dann komm mit, ich ziehe Tyler rasch an, ehe ich fahre.“

Lächelnd folgte Pippa ihr in ihre Suite. „Seit deiner Heirat mit Ryder hast du dich verändert. Dein Leben hat sich sehr verbessert, stimmt’s?“

„Das beweist, wie positiv es sich auswirkt, wenn man den richtigen Mann an seiner Seite hat. Sobald ich etwas mehr Zeit habe, werde ich damit anfangen, einen für dich zu suchen.“

„Gib dir keine Mühe.“ Pippa war alarmiert. „Ich will erst meine Doktorarbeit beenden.“

„Irgendwann ist sie ja fertig.“ Bridget versuchte, Tyler anzuziehen, der nicht stillhalten wollte. „Außerdem kannst du nicht ewig warten. Ich meine, was Beziehungen betrifft.“

„Hast du etwa schon vergessen, wie es dir ergangen ist? Oder waren dir Stefans Versuche, den richtigen Mann für dich zu finden, etwa nicht lästig?“

„Ich will dich ja nicht mit irgendeinem Langeweiler zusammenbringen, sondern mit einem heißen Typ, wenn du verstehst, was ich meine.“

„Klingt gut, aber spar dir die Mühe“, wehrte Pippa ab. „Ich gehe mit den Jungen ins Spielzimmer. Übrigens, wollt ihr auf eurer Ranch wirklich Rinder züchten?“

„Ja, wenn es nach Ryder geht. Da ich ihn von Texas weggelockt habe, muss ich ihm hier etwas Gleichwertiges bieten. Bis nachher“, verabschiedete Bridget sich, küsste die Zwillinge auf die Stirn und eilte davon.

Eine Stunde später kam sie wieder, und Pippa zog sich mit einem Sandwich in ihre Suite zurück. Doch statt sich auf die Arbeit zu konzentrieren, dachte sie über die Begegnung mit Nic und seiner Mutter nach. Plötzlich fielen ihr ihr Cousin Harold, der nach Tibet gegangen war, und seine Schwester Georgina ein, die einen Engländer geheiratet hatte.

Die Eltern der beiden waren verstorben und hatten ihnen am anderen Ende der Insel ein Cottage hinterlassen, das die meiste Zeit leer stand. Das wäre doch etwas für Nics Eltern, überlegte sie.

Nein, das war unmöglich. Ihr Bruder Stefan würde ihr das nie verzeihen.

Schließlich nahm sie sich zusammen und arbeitete bis nach Mitternacht an ihrer Doktorarbeit. Dann fiel sie todmüde ins Bett und schlief sofort ein. Doch irgendwann träumte sie von einer schwarzen Limousine, die langsam über einen schön angelegten Friedhof fuhr. Schwarz gekleidete Menschen mit Blumen in den Händen folgten ihr. Pippas Herz verkrampfte sich vor Schmerz.

In diesem Moment wachte sie auf, und ihre Gedanken überschlugen sich. Nic und seine Mutter taten ihr unendlich leid. Sie überlegte, wie sie Amelie den Wunsch erfüllen könnte, auf Chantaine zu sterben. Aber es wäre nicht richtig gewesen, Nic zuliebe ihre Familie zu hintergehen.

Andererseits – wie konnte sie Nic und Amelie nicht helfen?

Am nächsten Tag telefonierte Pippa mit Georgina, die sofort bereit war, ihr das Cottage zur Verfügung zu stellen. Es gefiel ihr gar nicht, Heimlichkeiten vor ihrer Familie zu haben. Andererseits konnte sie es mit ihrem Gewissen nicht vereinbaren, Amelies Wunsch zu ignorieren.

2. KAPITEL

Nachdem Nic an Bord der Jacht seine E-Mails beantwortet und die geschäftliche Korrespondenz erledigt hatte, atmete er tief die milde Nachtluft ein. Sie lagen in Küstennähe vor Anker, damit seine Mutter jederzeit zu ihrer geliebten Insel hinüberblicken konnte. Ihm war klar, dass er bald in die USA zurückkehren und sich um die Firma seines Vaters kümmern musste. Wegen Amelies Krankheit hatte Paul verständlicherweise alles andere vernachlässigt – seine Frau war sein Leben. Nic fragte sich besorgt, wie sein Vater ihren Tod verkraften würde.

Als er sich gerade einen Scotch einschenken wollte, läutete sein Handy. Auf dem Display erkannte er Pippas Nummer und war freudig überrascht. Nach der Begegnung gestern Morgen hatte er nicht damit gerechnet, wieder von ihr zu hören.

„Hallo, Prinzessin“, meldete er sich.

„Hallo, Nic. Ich hoffe, ich störe dich nicht.“ Ihre Stimme klang so angespannt, dass er neugierig wurde.

„Nein, ich habe nur die Stille um mich herum genossen“, erwiderte er.

„Entschuldige die Störung, aber ich möchte dir etwas berichten, was dich vielleicht interessiert. Es geht um deine Mutter.“

Schlagartig löste sich seine gute Stimmung auf. „Was ist mit ihr? Hast du mit deiner Familie über ihre Situation geredet? Wollt ihr meinen Eltern etwa verbieten, vor der Insel zu ankern oder im Hafen anzulegen?“

„Nein, auf keinen Fall“, versicherte sie ihm. „Im Gegenteil, ich kann deinen Eltern ein Cottage anbieten.“

Sekundenlang war er sprachlos. „Wiederholst du das bitte?“

„Gern. Ich kann deinen Eltern ein Cottage auf Chantaine anbieten.“

„Und warum, wenn ich fragen darf?“

„Na ja“, begann sie zögernd, „meine Cousine Georgina und ihr Bruder Harry wohnen nicht mehr hier, und das Cottage, das sie geerbt haben, steht seit Jahren leer. Deshalb halte ich es für eine gute Idee, dass deine Eltern es eine Zeit lang benutzen.“

„Klar, warum eigentlich nicht? Allerdings spricht die Tatsache dagegen, dass mein Vater die Insel nicht betreten darf. Ich bezweifle, dass sich dein Bruder in einer Anwandlung von Mitgefühl oder in einem Anflug von Vernunft entschlossen hat, meinem Vater zu verzeihen.“

„Du brauchst Stefan nicht zu beleidigen, er verteidigt nur die Ehre meines Vaters“, erwiderte sie. „Jedenfalls dachte ich, dass deine Mutter sich vielleicht über das Angebot freuen würde.“

„Wie du das Problem mit meinem Vater lösen willst, hast du mir noch nicht verraten.“

„Dafür werden wir schon eine Lösung finden. Deine Mutter hat seinen gebrochenen Fuß erwähnt, also wird er nicht herumlaufen. Und wenn er es doch ab und zu tun will, kann er einen Hut und eine Brille aufsetzen.“

„Und sich auch noch einen falschen Bart ankleben?“ Nic fand die Idee einfach lächerlich.

„Mir ist klar, dass mein Plan nicht perfekt ist“, gab sie zu, „aber es ist besser als nichts.“

„Ich werde nicht riskieren, dass mein Vater festgenommen oder ausgewiesen wird“, erklärte er.

„Vielleicht liegt diese Entscheidung ja gar nicht bei dir.“

„Was soll das denn heißen?“

„Deine Eltern müssen es entscheiden. Ich gehe davon aus, dass niemand deinen Vater erkennt. Sein Foto hängt ja nicht in öffentlichen Gebäuden aus, wie es bei euch in Amerika üblich ist.“

„Du meinst die Fahndungsplakate, die bei uns heutzutage nur noch in den Postämtern und Gemischtwarenläden ausgehängt werden. Immerhin ein Fortschritt seit den Zeiten des Wilden Westens“, stellte er spöttisch fest.

„Auch bei uns gibt es Fortschritte. So werden Menschen, die kein schweres Verbrechen begangen haben, nicht gleich eingesperrt.“

„Beruhigen kann mich das nicht. Ich weiß, dass die Unschuldsvermutung auf Chantaine nicht gilt. Das bedeutet, bei euch kann jeder Beschuldigte ohne einen gerichtlichen Beschluss ins Gefängnis gesteckt werden“, erinnerte er sie.

„Ich habe dich nicht angerufen, um mit dir über unser Justizsystem zu reden, sondern wollte dir nur das Cottage für deine Eltern anbieten. Wenn sie eine Zeit lang dort wohnen möchten, lasse ich es reinigen und alles vorbereiten. Wenn nicht, hat es sich hiermit erledigt.“ Damit beendete sie das Gespräch.

Er blinzelte verblüfft. Offenbar hatte er Pippa unterschätzt.

Obwohl sein Vater seiner Familie viele Probleme bereitet hatte, tat Nic alles für ihn. Paul Lafitte war ein aufbrausender und ziemlich aggressiver Mensch. Er würde die Herausforderung, sich auf Chantaine aufzuhalten, mit Freuden annehmen.

Schließlich fuhr Nic sich mit der Hand durchs Haar und ging in das luxuriös ausgestattete Wohnzimmer, wo sein Vater vor dem Fernseher eingenickt war.

Als Nic das Gerät ausschaltete, riss Paul die Augen auf. „Wer liegt vorn?“

„Die Rangers“, log Nic.

„So? Das glaubst du doch selbst nicht“, sagte sein Vater.

Nic lachte auf. „Man soll die Hoffnung nicht aufgeben. Möchtest du etwas trinken?“

„Nein. Setz dich. Was hast du auf dem Herzen? Ich sehe dir an, dass dich irgendetwas beschäftigt.“

„Ich habe vorhin einen interessanten Anruf erhalten“, erklärte Nic und ließ sich auf dem Sofa nieder.

„Bestimmt von einer Frau. Ist sie schwanger?“

„Nein, nichts dergleichen“, antwortete er lachend. „Man hat mir ein Cottage auf Chantaine angeboten, in dem du und Mom eine Zeit lang wohnen könntet.“

„Oh! Wie hast du das denn geschafft?“

Nic zuckte mit den Schultern. „Man kann es einen glücklichen Zufall nennen. Das Problem ist allerdings, dass du die Insel nicht betreten darfst.“

Lächelnd rieb sich sein Vater das Kinn. „Richtig. Aber nachdem Edward deine Mutter beleidigt hatte, musste ich ihm einfach einen Kinnhaken geben. Das war mir die Sache wert.“

„Wenn du dich jetzt auf der Insel aufhältst, läufst du Gefahr, festgenommen zu werden“, gab Nic zu bedenken. „Bei den Gesetzen hier sitzt du vielleicht einige Wochen im Gefängnis. Es ist also ein Risiko. Du bist nicht mehr der junge Draufgänger von damals. Was machen wir, wenn Mom in dieser Zeit etwas zustößt?“

Sein Vater kniff die Augen zusammen. „Es ist der größte Wunsch deiner Mutter, hierzubleiben. Deshalb werden wir das freundliche Angebot deines Freundes akzeptieren. Zum Teufel mit der Familie Devereaux.“

„Das sehe ich anders. Es ist eine Devereaux, die uns das Cottage überlässt.“

„So? Das klingt ja spannend.“ Sein Vater hob fragend die buschigen Augenbrauen. „Schieß los!“

„Ein anderes Mal. Am besten legst du dich hin und ruhst dich aus vor dem nächsten Abenteuer.“

Paul lächelte geheimnisvoll. „Wenn mein Ururgroßvater den Behörden mit einem Holzbein entwischt ist, schaffe ich es erst recht mit einem gebrochenen Fuß.“

Nic seufzte. „Fordere das Schicksal nicht heraus, Dad.“

„Hallo?“, meldete Pippa sich verschlafen, als Nic sie früh am nächsten Morgen anrief. Ihre Stimme klang so sexy, dass sie ihm wohlige Schauer über den Rücken jagte.

„Hier ist Nic. Meine Eltern und ich nehmen dein Angebot an. Am besten treffen wir uns vor dem Cottage. Ich werde es selbst reinigen und alles vorbereiten, damit niemand Wind von der Sache bekommt.“

Nach kurzem Zögern erwiderte sie: „Daran habe ich gar nicht gedacht. Aber du hast natürlich recht. Ich bin daran gewöhnt, dass das Personal zur Verschwiegenheit verpflichtet wird.“

Über ihre Naivität musste er lächeln. „In deinem eigenen und im Interesse meiner Eltern sollten möglichst wenige Leute davon erfahren.“

„Gut. Wir treffen uns um eins. Meinem Bodyguard sage ich, dass ich in die Bibliothek gehe.“

„Aber er wird dir doch folgen, oder?“

„Natürlich. Doch er wird sich schnell langweilen und mich schließlich allein lassen.“

„Was ist das denn für eine eigenartige Pflichtauffassung?“

„Beschwerst du dich etwa darüber?“

„Ja und nein.“ Als er ihr melodisches Lachen hörte, war ihm sogleich leichter ums Herz. „Wie kriegst du ihn dazu, seinen Job so leicht zu nehmen?“

„In meinem Leben passiert nicht viel. Ich gehe nur selten aus, habe noch nie Drogen genommen, beschäftige mich momentan mit Genealogie und passe gern auf meine Nichte und die Neffen auf.“

„Fühlst du dich nicht eingeengt? Möchtest du nicht manchmal mehr Freiheit haben?“

„Die habe ich, wann immer ich will.“ Ihre Stimme klang plötzlich seltsam kühl. „Wir sehen uns dann um eins.“ Nachdem sie ihm die Adresse genannt hatte, beendete sie das Gespräch, ohne sich zu verabschieden.

Nic legte das Handy weg. Er war es nicht gewöhnt, dass eine Frau ihn am Telefon so kurz abfertigte. Aber das bewies eigentlich nur, dass er ihr nicht gleichgültig war. Und das gefiel ihm ausgesprochen gut.

Kurz vor eins fuhr er über die von verwilderten Hecken gesäumte Einfahrt zu dem weitläufigen Bungalow. So groß hatte er sich das Cottage, wie Pippa das Haus bezeichnet hatte, nicht vorgestellt. Jedenfalls war es groß genug, dass er auch dort wohnen konnte und seine Eltern nicht allein zu lassen brauchte.

Er parkte den Wagen hinter Pippas Auto, stieg aus und ging zur Haustür. Da niemand auf sein Klopfen reagierte, öffnete er die Tür und betrat die Eingangshalle. Dann entdeckte er sie. Sie war damit beschäftigt, im Wohnzimmer zu staubsaugen und hatte ihm den Rücken zugekehrt.

Fasziniert beobachtete er sie und konnte sich von ihrem verführerischen Anblick nicht losreißen.

Als sie sich unvermittelt umdrehte, fiel ihr vor Schreck der Handgriff des Staubsaugers aus der Hand. „Meine Güte, hättest du nicht anklopfen können?“, fuhr sie ihn an.

Er stellte das Gerät ab. „Ich habe zweimal laut geklopft, aber du hast nicht geantwortet. Dass du dich hier als Putzfee betätigst, hätte ich dir gar nicht zugetraut.“

„Ich habe zweimal mit einer Jugendgruppe in Norwegen Urlaub gemacht. Es gehörte zu unseren Pflichten, die Unterkunft sauber zu halten.“

„Das hast du deinen Eltern sicher nicht verraten, oder?“

„Nein“, erwiderte sie lachend. „Ich habe sowieso nicht viel mit ihnen geredet. Aber unserem Kindermädchen gegenüber habe ich es erwähnt. Danach durfte ich nicht mehr an solchen Reisen teilnehmen. Es hat mir jedenfalls ganz gut gefallen, denn es gab dort eine große Bibliothek, und niemand hat sich darum gekümmert, welche Bücher ich mir ausgeliehen habe.“

„Heißt das, um lesen zu können, was du willst, bist du sogar bereit zu putzen?“, fragte er scherzhaft.

„So ungefähr.“ Sie blickte ihn lächelnd an.

Lange sah er ihr in die Augen, bis sie sich abwandte und sich räusperte.

„Ich muss jetzt hier weitermachen“, verkündete sie.

„Kann ich dir helfen?“

„Ja, du kannst die Fußböden wischen. Abgestaubt habe ich schon überall, allerdings war ich noch nicht in den Gästesuiten im Anbau. Vielleicht willst du ja auch die Möbel so umstellen, wie es den Bedürfnissen deiner Eltern entspricht. Dein Vater soll mit seinem gebrochenen Fuß ja nicht stolpern.“

„Ich finde es ganz gut, dass er momentan nicht so beweglich ist. Dann kann er wenigstens keinen Schaden anrichten. Er ist einfach zu rebellisch und impulsiv. Ich traue ihm ohne Weiteres zu, dass er auf der Insel herumläuft, nur um deine Familie zu provozieren.“

„Aber er würde doch niemandem erzählen, wer er ist, oder?“ Pippa sah Nic besorgt an.

„Hoffentlich nicht. Ich kann es jedoch nicht ausschließen. Deshalb war ich mir auch nicht sicher, ob das Ganze so eine gute Idee ist.“

„Weshalb hast du deine Meinung geändert?“

„Weil du mich davon überzeugt hast, dein Angebot anzunehmen. Ich muss meinen Vater nur jeden Tag daran erinnern, dass es darum geht, meiner Mutter den Aufenthalt hier so angenehm wie möglich zu gestalten. Dann wird wahrscheinlich nichts passieren.“

„Danke“, erwiderte sie erleichtert.

„Wenn du solche Angst vor deiner Familie hast, verstehe ich nicht, warum du das Risiko überhaupt eingehst. Das Verhältnis zu deinen Geschwistern wäre sicher getrübt, wenn alles herauskäme.“

„Natürlich möchte ich meine Geschwister nicht enttäuschen. Doch wenn ich deiner Mutter ihren größten Wunsch erfüllen kann, tue ich es. Alles andere kann ich mit meinem Gewissen nicht vereinbaren.“

„Danke für deine Hilfsbereitschaft. Ich werde mein Möglichstes tun, die Sache geheim zu halten. Meine Mutter weiß noch nichts davon, sie wird sich sehr freuen.“

„Das hoffe ich“, erwiderte Pippa lächelnd.

„Okay, dann fange ich jetzt an zu putzen.“

Als Pippa mit dem Staubsaugen fertig war, entdeckte sie Nic im Badezimmer neben der Eingangstür. Es war ein seltsamer Anblick, wie dieser fast ein Meter neunzig große, international erfolgreiche Geschäftsmann die Armaturen auf Hochglanz polierte. Bewundernd betrachtete sie seine breiten Schultern und die schmale Taille. Sogar in dem T-Shirt sah er hinreißend aus. Doch solche Gedanken führten zu nichts, sie musste sich zusammennehmen und sie verdrängen.

Als er sich zu ihr umdrehte, fühlte Pippa sich ertappt und errötete.

„Kann ich irgendetwas für dich tun?“, fragte er.

Eigentlich schon, aber in einem ganz anderen Sinn, schoss es ihr durch den Kopf. „Ja. Ich wollte für deine Eltern eine Einkaufsliste machen. Kannst du mir dabei helfen?“

Er verzog die Lippen. „Damit kenne ich mich nicht aus, darum kümmert sich unsere Haushälterin. Doch wahrscheinlich hast du recht. Wir müssen es selbst machen, damit wenigstens etwas da ist bei ihrer Ankunft.“

„Wir?“, wiederholte sie.

„Ja. Ich wollte nicht so unhöflich sein und dich bitten, es allein zu erledigen“, antwortete er.

Aber er hätte es am liebsten getan, dachte sie und runzelte die Stirn.

„Oder mischst du dich nicht gern unter das normale Volk?“, fügte er herausfordernd hinzu, als sie zögerte.

„Damit habe ich kein Problem“, entgegnete sie. „Ich muss nur meine Baseballkappe aufsetzen. Was ist mit der Einkaufsliste?“

„Nicht nötig“, erklärte er.

Wenig später fuhren sie los. Obwohl die Limousine sehr geräumig war, raubte Nics Nähe Pippa fast den Atem, und sie bekam Herzklopfen.

„Wo ist der nächste Supermarkt?“, erkundigte er sich.

„Keine Ahnung“, gab sie zu.

„Hier.“ Er reichte ihr sein Smartphone. „Das hilft uns weiter.“

Es dauerte einige Minuten, bis sie ihn in die richtige Richtung dirigieren konnte.

„Eier, Milch, Brot, Butter und etwas Obst reichen sicher für den Anfang, oder?“ Pippa sah ihn fragend an.

„Nein, wir müssen unbedingt Schokolade, Cookies und Wein kaufen. Vielleicht auch eine Torte. Meine Mutter hält es nicht mehr für wichtig, sich gesund zu ernähren, seit die Diagnose feststeht. Und mein Vater hat sowieso seine eigenen Vorstellungen von gesunder Ernährung.“

Als Nic den Wagen auf dem Parkplatz abgestellt hatte, half er Pippa beim Aussteigen. „Wenn wir uns nicht zu lange im Supermarkt aufhalten, wird dich bestimmt niemand erkennen.“

„Ach, mit der Baseballkappe falle ich weniger auf“, entgegnete sie. „Zumindest sehe ich aus wie ein ganz normaler Mensch.“

„Ich etwa nicht?“, wollte er wissen.

Sie musterte ihn von Kopf bis Fuß. Selbst wenn er in Lumpen gekleidet wäre, würde er immer noch ungemein sexy wirken, fand sie. „Du hast anscheinend keine Ahnung, was man unter normal versteht“, erwiderte sie und eilte davon.

Er folgte ihr mit dem Einkaufswagen. Als sie in der Obst- und Gemüseabteilung etwas länger stehen blieb, erinnerte er sie: „Wir sollten uns beeilen, PD.“

„Irgendwie gefällt es mir nicht, dass du mich so nennst.“ Ihr war klar, dass PD die Abkürzung ihres Namens Phillipa Devereaux war.

Nic senkte den Kopf und flüsterte an ihrem Ohr: „Soll ich dich stattdessen PP für Prinzessin Pippa nennen?“

Seine Nähe war zu irritierend, und sie trat einige Schritte zurück. „Nein, das passt mir erst recht nicht.“

„Komm schon, setz dich in Bewegung!“

Sie warf ihm einen vorwurfsvollen Blick zu. „Außer meinen Geschwistern wagt es niemand, so mit mir zu reden“, erklärte sie und folgte ihm.

„Das ist nur eins meiner vielen Talente, PD“, meinte er belustigt.

„Ah ja, das hatte ich vergessen.“

Schließlich standen sie mit den Einkäufen an der Kasse. Doch als Pippa die Lebensmittel auf das Fließband legen wollte, fiel ihm ein, dass etwas fehlte.

„Wir brauchen noch Schokolade. Sag ihm, er soll dich festhalten“, bat er sie und verschwand.

„Ich soll mich festhalten lassen?“, wiederholte sie, verblüfft über die seltsame Ausdrucksweise. Aber er hörte sie schon gar nicht mehr. Dafür betrachtete der junge Kassierer sie interessiert.

„Wenn Sie jemanden brauchen, der Sie festhält, helfe ich Ihnen gern, sobald meine Schicht beendet ist“, bot er ihr an.

Irgendwie war es ihr peinlich, denn sie hatte wenig Erfahrung im Flirten. „Ich habe nur wiederholt, was mein … Freund gesagt hat. Er meinte es ganz anders. Leider drückt er sich oft missverständlich aus.“

„Ach so.“ Der Kassierer schien enttäuscht zu sein. „Dann lassen Sie bitte die Kundin hinter Ihnen vor.“

Pippa überlegte, ob sie sich als Mitglied des Fürstenhauses zu erkennen geben sollte, entschied sich jedoch dagegen. Also machte sie der Kundin Platz, deren Wagen bis oben hin gefüllt war.

Wenige Sekunden später kam Nic mit der Schokolade zurück und sah Pippa stirnrunzelnd an. „Weshalb hast du die Frau vorgelassen?“

„Er hat deine Bemerkung gehört und falsche Schlüsse daraus gezogen. Als ich sein freundliches Angebot, mir behilflich zu sein, ablehnte, war er wohl etwas beleidigt und wollte die Kundin hinter mir zuerst bedienen.“

Nic zog eine Augenbraue hoch. „Verstehe. Der arme Kerl.“

3. KAPITEL

„Hast du wirklich Lust, Stephenia heute Abend etwas vorzulesen?“, fragte Eve Jackson Devereaux, die Frau des Fürsten von Chantaine, während sie mit Pippa in das Zimmer ihrer Stieftochter ging. „Du siehst müde aus.“

„Ach, so schlimm ist es nicht. Du weißt doch, wie gern ich das mache. Genießt den Abend! Ihr habt es verdient, Stefan und du.“

„Du bist die beste Schwägerin, die ich mir vorstellen kann“, sagte Eve.

Pippa war gerührt. „Das bist du auch für mich“, erwiderte sie und betrachtete Eve prüfend. „Allerdings kommst du mir ziemlich erschöpft vor. Du solltest dir mehr Ruhe gönnen. Auch als Texanerin verfügst du nicht über übermenschliche Kräfte.“

Eve lachte. „Meinst du? Eigentlich habe ich Hemmungen, dich zu fragen, ob du morgen für unser Kindermädchen einspringen könntest. Ich habe nämlich einen Arzttermin.“

Es passte Pippa gar nicht, doch sie wollte Eve nicht enttäuschen. „Kein Problem. Gibt es einen besonderen Grund für den Arztbesuch?“

„Nein, nur eine Routineuntersuchung. Und danke, dass du aushilfst. Stefan und ich finden, dass du auch endlich dein persönliches Glück finden solltest. Daran werden wir arbeiten.“

„Wie bitte?“ Pippa geriet fast in Panik. Die Aufmerksamkeit ihrer Familie konnte sie momentan gar nicht gebrauchen. „Was habt ihr vor?“

Eve warf ihr einen rätselhaften Blick zu. „Das wirst du schon sehen.“

„Macht euch um mich keine Gedanken“, wehrte Pippa ab. „Ich bin sowieso mit meiner Doktorarbeit beschäftigt und habe für kaum etwas anderes Zeit.“

„Lass dich einfach überraschen.“

„Okay“, stimmte Pippa beunruhigt zu, während ihre Schwägerin die Tür zu Stephenias Zimmer öffnete, wo die Dreijährige auf dem Boden inmitten ihrer Spielsachen saß.

„Stephie, du solltest längst im Bett sein“, sagte Eve.

„Bin ich doch auch.“ Mit Unschuldsmiene kletterte die Kleine sofort in ihr Kinderbett.

„Sie ist ein bezauberndes Kind“, flüsterte Eve.

„Ja, das kann man wohl sagen“, stimmte Pippa ihr lächelnd zu. „Ich glaube, ich habe Glück. Sie schläft bestimmt rasch ein.“

In dem Moment streckte Stephenia die Ärmchen nach Eve aus. „Mama Eve.“

Die Mutter der Kleinen war bei einem Bootsunglück ums Leben gekommen. Aber Eve wollte sich aus Respekt gegenüber der Verstorbenen von dem Kind nicht mit Mutter oder Mom anreden lassen, sondern hatte ihm beigebracht, sie Mama Eve zu nennen.

„Wo ist Daddy?“, fragte das Mädchen, während Eve es in die Arme schloss.

„Er duscht gerade und kommt später, um dir einen Gutenachtkuss zu geben. Aber vielleicht schläfst du dann schon.“

Steffi küsste sie auf die Wange, und Pippa musste plötzlich daran denken, dass sie selbst von Kindermädchen aufgezogen worden war.

„Pippa.“ Jetzt streckte Stephenia auch die Ärmchen nach ihr aus. Pippa drückte sie an sich.

„Ich lasse euch beide allein“, verkündete Eve. „Träum schön, mein Liebling.“

„Nacht, Mama Eve.“

Lächelnd schloss Eve die Tür hinter sich.

Pippa setzte sich neben die Kleine aufs Bett. Stephenia war kaum zu bändigen gewesen, als sie in den Palast gekommen war. Sie stammte aus einer kurzen Beziehung Stefans mit einem Model, und er hatte erst nach dem Unfalltod seiner Exfreundin von dem Kind erfahren. Es war ein Schock für die ganze Familie gewesen, doch schon bald hatten alle das hübsche und temperamentvolle Mädchen ins Herz geschlossen.

Schon nach wenigen Minuten war die Kleine eingeschlafen. Lächelnd legte Pippa ihr Buch weg, stand auf, küsste sie behutsam auf die Stirn und verließ leise den Raum, nachdem sie das Licht ausgeknipst hatte.

Während sie über den Flur ging, dachte sie nicht zum ersten Mal darüber nach, ob sie jemals eigene Kinder haben würde. Bisher hatte sie nicht viele Gelegenheiten gehabt, jemanden kennenzulernen. Vor jeder Verabredung hatten Stefan und seine Berater den jungen Mann, um den es sich handelte, überprüft. Die einzige einigermaßen normale Beziehung hatte sie mit Nic gehabt, wenn es auch nur kurz gewesen war. Es war keine Affäre im eigentlichen Sinn gewesen, aber auch mehr als nur eine gute Freundschaft. Jedenfalls hatte er sie nicht wie eine Prinzessin, sondern wie eine begehrenswerte junge Frau behandelt.

Meine Güte, ich habe Wichtigeres zu tun, als über so etwas nachzudenken, ermahnte sich Pippa und betrat ihre Suite.

Nachdem Nic seine Eltern noch am selben Tag in das Cottage gebracht hatte, mussten sie sich vor Erschöpfung erst einmal ausruhen. Seine Mutter versuchte immer noch, sich nicht anmerken zu lassen, wie schlecht es ihr ging. Aber Nic spürte, wie schwer ihr alles fiel. Wegen der Nebenwirkungen verzichtete sie darauf, zu viele Schmerzmittel zu nehmen und war fest entschlossen, den Rest ihres Lebens zu genießen.

Zusammen mit einigen Mitarbeitern reinigte Nic den Swimmingpool und den Whirlpool. Er hoffte, dass ihn die körperliche Arbeit seinen Frust vergessen ließ. Er wusste, dass er seiner Mutter nicht helfen konnte, die Krankheit zu heilen, aber das wollte er irgendwie nicht wahrhaben. Wie sehr ihn die Situation belastete, sollten seine Eltern nicht merken, denn sie hatten wirklich genug mit sich selbst zu tun.

Plötzlich sah er Pippa kommen. In dem weiten Baumwollrock und der leichten Sommerbluse sah sie ganz bezaubernd aus. Das lange Haar hatte sie locker auf dem Kopf zusammengesteckt. Er wusste, dass sie sich nicht so hübsch fand wie ihre Schwestern, aber in ihrer kurzen gemeinsamen Zeit hatte er sie als die wunderbarste und verführerischste Frau kennengelernt, der er jemals begegnet war.

Sie eilte an ihm vorbei, als hätte sie ihn nicht bemerkt. Deshalb pfiff er hinter ihr her und kletterte aus dem Pool. „Hallo, PD! Wohin so eilig?“

Sie wirbelte herum. „Ich habe dich nicht gesehen.“ Jetzt entdeckte sie auch seine Leute, die die kleine Szene interessiert beobachteten. „Hast du etwa gearbeitet?“, fragte sie verblüfft.

„Natürlich. Körperliche Arbeit lenkt ab. Außerdem kann ich danach gut schlafen.“ Der bewundernde Blick, mit dem sie seine breiten Schultern und seine muskulöse Brust musterte, gefiel ihm. „Meine Eltern haben sich hingelegt, sie waren nach dem Umzug von der Jacht hierher ziemlich erschöpft.“

„Du hast rasch gehandelt“, stellte sie fest.

In diesem Moment öffnete seine Mutter die Haustür und rieb sich verschlafen die Augen. Doch als sie Pippa erblickte, lächelte sie. „Hallo, Prinzessin“, begrüßte sie sie.

„Mom, du sollst sie doch Pippa nennen“, erinnerte Nic sie sogleich.

„Ach ja, stimmt.“ An Pippa gewandt fügte sie hinzu: „Ich bin Ihnen ja so dankbar, dass Sie uns ermöglicht haben, hier im Cottage zu wohnen.“

„Das haben Sie nur meiner Cousine und meinem Cousin zu verdanken“, erwiderte sie.

„Aber Sie haben es in die Wege geleitet“, wandte Amelie ein.

„Was hast du da in der Tasche?“, erkundigte Nic sich in diesem Moment.

„Eis“, antwortete Pippa. „Aus dem besten Eiscafé auf der Insel.“

„Oh, dann essen wir es am besten sofort, sonst lässt mein Mann mir nicht viel übrig.“ Als Nic schmunzelte, drohte sie ihm scherzhaft: „Wenn du mich auslachst, bekommst du nichts ab.“

„Ich möchte auch gar kein Eis, sondern lieber ein Mineralwasser.“ Er führte seine Mutter und Pippa ins Haus und in die Küche.

„Du hattest nicht erwähnt, dass du den Swimmingpool säubern wolltest. Es könnte reine Zeitverschwendung sein“, warnte ihn Amelie.

„Wenn du ihn auch nur ein einziges Mal benutzt, war es die Mühe wert, Mom.“ Er nahm eine Flasche Wasser aus dem Kühlschrank.

„Du bist ein wunderbarer Sohn.“ Seine Mutter war ganz gerührt.

Mit Tränen in den Augen beobachtete Pippa die kleine Szene. „Ich muss mich leider wieder verabschieden und zurückfahren“, verkündete sie. „Eigentlich hatte ich angenommen, es würde noch ein paar Tage dauern, bis du mit deinen Eltern hier einziehst, Nic. Offenbar habe ich dich unterschätzt.“

„Und das nicht zum ersten Mal.“ Er sah ihr in die Augen und fühlte sich unwiderstehlich zu ihr hingezogen. Diese Frau ging ihm unter die Haut wie keine andere.

„Ich werde mir Mühe geben, es nicht wieder zu tun“, versprach sie.

Er zuckte mit den Schultern. „Warten wir es ab.“

„Sie müssen mir versprechen, wiederzukommen“, sagte Amelie zu Pippa.

„Das mache ich gern. Bis später.“

Nic begleitete Pippa zu ihrem Wagen. „Ich wollte dich nur darauf hinweisen, dass sich der Zustand meiner Mutter rapide verschlechtert. Damit kann nicht jeder umgehen.“

Sie blieb stehen und drehte sich zu ihm um. „Ich bin nicht wie andere. Ich lasse kranke Menschen nicht im Stich“, entgegnete sie beleidigt. „Oder spielst du darauf an, dass ich unsere Beziehung beendet habe?“

„Und wenn es so wäre?“

„Das war eine ganz andere Situation, außerdem war es kaum mehr als ein Flirt. Wir beide passen sowieso nicht zusammen.“

„Weil deine Familie meine hasst“, stellte er fest.

„Ja, das auch. Aber es gab keinen Grund, die Beziehung fortzusetzen, denn was mich betrifft, war es nichts anderes als eine Gefühlsverirrung.“

Er lachte auf. „Du behauptest also, du hättest dich nicht wirklich zu mir hingezogen gefühlt, sondern nur in einem Anflug von Unzurechnungsfähigkeit für mich geschwärmt?“

„Das habe ich nicht gesagt.“

Er fand ihr Erröten ganz bezaubernd. „Und wenn ich nun kein Lafitte wäre?“ Es war ihm wichtig, diesen Punkt zu klären.

Auf einmal fühlte Pippa sich sehr verletzlich und wandte sich ab. „Es ist sinnlos, darüber nachzudenken, denn du bist, wer du bist. Ich muss jetzt los. Jedenfalls werde ich deine Mutter bald wieder besuchen.“ Sie wollte weitergehen, stolperte jedoch über eine Baumwurzel.

Geistesgegenwärtig hielt Nic sie fest und atmete ihren dezenten Duft ein, während sie sich kurz an ihn klammerte. Doch dann löste sie sich von ihm und trat einen Schritt zurück.

„Entschuldige, ich habe nicht aufgepasst.“

„Kein Problem.“ Er begegnete ihrem Blick, in dem sich dieselbe Sehnsucht spiegelte, die auch er empfand.

„Danke“, war alles, was sie hervorbrachte.

„Mach’s gut“, verabschiedete er sich, hielt ihr die Wagentür auf und sah hinter ihr her, bis das Auto verschwunden war.

Er hatte versucht, die Erinnerung an Pippa zu verdrängen, aber es gab noch viel zu viel Unerledigtes zwischen ihnen.

Nach dem Besuch bei Nic und seinen Eltern war Pippa sehr aufgewühlt, als sie sich für das Abendessen mit ihrer Familie umzog. Dass er sie immer noch aus ihrem seelischen Gleichgewicht bringen konnte, überraschte sie selbst. Sie hatte angenommen, dass er längst mit einer anderen Frau zusammen war. An Verehrerinnen mangelte es ihm bestimmt nicht. Er erweckte jedoch den Eindruck, als wäre er noch nicht darüber hinweg, dass sie die Beziehung beendet hatte. Sie hatten sich immer nur heimlich getroffen, und es hatte ihr fast den Atem geraubt, wie sehr sie sich zu ihm hingezogen gefühlt hatte. Ihm schien es genauso zu gehen.

Weil sie ihre Gefühle für ihn nicht mehr unter Kontrolle gehabt hatte, hatte sie ihn nicht mehr sehen wollen. Allerdings musste sie sich eingestehen, dass sie ihn nach wie vor unwiderstehlich fand.

Im Spiegel betrachtete sie ihr widerspenstiges Haar, das sich kaum bändigen ließ, jedenfalls heute nicht. Doch das ließ sich nicht ändern. Nachdem sie etwas Lipgloss aufgetragen hatte, verließ sie ihre Suite und eilte über die Flure.

Als sie das Esszimmer betrat, sah sie als Erstes Bridget und Ryder mit den Zwillingen, während Eve mit Stephenia beschäftigt war.

„Stefan kommt gleich“, verkündete sie. „Wie war dein Tag, Pippa?“

„Gut“, log sie. „Ich bin mit meiner Arbeit weitergekommen.“

In diesem Moment betrat Stefan mit einem breiten Lächeln den Raum. „Schön, dass ihr alle schon da seid“, stellte er zufrieden fest. „Setzt euch. Das Essen wird gleich serviert, ich habe in der Küche Bescheid sagen lassen.“

Nachdem alle Platz genommen hatten, erklärte er freudestrahlend: „Es gibt eine wunderbare Neuigkeit, die ich euch nicht vorenthalten möchte: Eve und ich erwarten unser erstes Kind.“

„Eigentlich unser zweites, vergiss Stephenia nicht“, korrigierte Eve ihn lächelnd.

„Das ist ja fantastisch“, rief Bridget. „Dann stehe ich nicht mehr so sehr unter Druck.“

Pippa musste lachen über die Bemerkung. „Und ich auch nicht.“

„Du willst doch nicht etwa schwanger werden, ohne verheiratet zu sein? Du warst immer die Bravste von uns allen“, entgegnete Bridget, fügte jedoch sogleich hinzu: „Das haben wir allerdings von Valentina auch behauptet, und sie war schon vor der Hochzeit schwanger.“

„Es war doch nur ein Scherz“, beruhigte Pippa sie.

„Da bin ich aber froh.“ Stefan trank einen Schluck Wein.

„Außerdem haben wir Pläne für dich“, verkündete Bridget, während das Seezungenfilet servierte wurde.

Pippa versuchte, ihre Nervosität zu verbergen. „Du und Eve, ihr redet immer wieder von irgendwelchen Plänen. Das ist mir sehr unangenehm.“

„In den nächsten Wochen finden einige Festlichkeiten statt, die sich hervorragend für unser Vorhaben eignen“, meinte Stefan.

„Wofür?“, fragte Pippa und fing an zu essen.

„Wir werden dir ein paar attraktive Junggesellen vorstellen“, sagte Bridget vergnügt. „Ist das nicht aufregend?“

„Wie bitte?“ Pippa blieb beinah der Bissen im Hals stecken.

„Das wird dir bestimmt gefallen“, prophezeite Bridget.

„Betrachte es einfach als eine Abwechslung“, schlug Eve vor.

„Mir ist bewusst geworden, dass du kaum Gelegenheit hast, nette Männer kennenzulernen“, erklärte Stefan.

Pippas Magen verkrampfte sich. „Findet ihr nicht, dass ich dabei auch ein Wörtchen mitzureden habe?“

„Wir dachten, du solltest endlich mal ein bisschen Spaß haben, statt dich immer nur in deine Bücher und die Arbeit zu vergraben“, verteidigte Bridget ihre Pläne.

„Es gefällt mir nicht, dass ihr versucht, mich zu verkuppeln.“ Pippa war der Appetit vergangen.

„Es war ja nur gut gemeint. Als Mitglied des Fürstenhauses ist es für dich schwierig, Kontakte zu knüpfen“, versuchte ihr Bruder, die Wogen zu glätten. „Wir wollten es dir nur erleichtern.“

„So wie man es auch mit dir gemacht hat“, stellte sie ärgerlich fest und legte die Gabel hin.

„Darüber müssen wir jetzt nicht sprechen.“

„Wir müssen auch nicht darüber sprechen, mich zu verkuppeln.“

Bridget räusperte sich. „Pippa, seit der Sache mit Nic Lafitte bist du nicht mehr du selbst. Wir möchten dir helfen, darüber hinwegzukommen.“

„Das bin ich doch schon längst. Mir ist klar, dass er nur daran interessiert war, sein Ego aufzupolieren“, sprach sie aus, was ihre Familie hören wollte, obwohl sie davon keineswegs überzeugt war. „Ich bin vielleicht naiv, aber nicht dumm.“ Sie hob das Glas Wein. „Lasst uns das Thema beenden und auf Stefan, Eve und das Baby anstoßen!“

In diesem Moment stieß Tyler einen markerschütternden Schrei aus, und Travis und Stephenia machten es ihm nach. Pippa war darüber sehr erleichtert, denn jetzt stand sie nicht mehr im Mittelpunkt.

4. KAPITEL

Viel zu oft dachte Pippa darüber nach, dass der Name Lafitte für ihre Familie so etwas wie ein rotes Tuch war. Es fiel ihr von Tag zu Tag schwerer, sich nicht über ihre Geschwister wegen der immer noch bestehenden Feindschaft gegenüber Nic und seinen Eltern zu ärgern. Das, was vor so vielen Jahren geschehen war, hatte längst keine Bedeutung mehr. Jedenfalls taten ihr Amelie, die wusste, dass sie bald sterben würde, und ihr Mann sehr leid. Aber sie empfand auch Mitgefühl für Nic, der versuchte, seinen Eltern die schwierige Situation zu erleichtern.

Nachdem sie den Wagen abgestellt hatte, sah sie sich um. Nein, niemand war ihr gefolgt, und ihr Bodyguard war in seinem Sessel mit einer Zeitung in der Hand eingenickt. Sie hatte wirklich Übung darin, ihn so zu langweilen, dass er unaufmerksam wurde.

Sie nahm den Blumenstrauß in die Hand, stieg aus und machte sich darauf gefasst, Nic wieder bei der Arbeit anzutreffen. Doch weit und breit war kein Mensch zu sehen. Sowohl der Swimmingpool als auch der Whirlpool, die beide mit frischem klarem Wasser gefüllt waren, lagen verlassen da.

Vor der Haustür blieb sie unschlüssig stehen. Es war völlig still im Haus. Sie wollte nicht stören, denn Amelie und ihr Mann ruhten sich wahrscheinlich aus.

„Hallo“, ertönte in diesem Augenblick Nics Stimme hinter ihr.

Sie wirbelte herum und sah ihn aus dem Gästetrakt herüberkommen. „Hallo. Es ist alles so ruhig, deshalb habe ich gezögert anzuklopfen.“

„Ich habe dich kommen gehört. Vorhin haben meine Eltern geschlafen, aber meine Mutter ist ein bisschen unruhig. Wir sollten bald wieder mal einen Ausflug mit ihr machen.“ Nic öffnete die Tür. „Komm herein. Ich schaue rasch nach, ob sie noch im Schlafzimmer sind.“ Er eilte davon.

Kurz darauf kehrte er mit besorgter Miene zurück. „Meine Mutter ist nicht da.“

Pippa hatte plötzlich ein ungutes Gefühl. Das letzte Mal, als Amelie auf eigene Faust losgelaufen war, war sie zusammengebrochen. „Vielleicht ist sie im Badezimmer oder in der Küche. Hast du dort auch nachgesehen?“

„Ja, aber ich konnte sie nirgends entdecken.“

„Vielleicht macht sie nur einen kurzen Spaziergang“, meinte sie.

„Das gibt es bei ihr nicht. Vermutlich hat sie das Haus verlassen, als ich drüben am Laptop gearbeitet habe und mein Mitarbeiter Goldie, der hier aushilft, zum Markt gegangen ist. Ich war mir sicher, dass sie schläft. Jetzt muss ich sie natürlich suchen“, verkündete er angespannt.

„Aber wo?“

„Keine Ahnung. Jedenfalls kann ich nicht untätig hier herum­sitzen. Ich hinterlasse meinem Vater eine Nachricht, damit er weiß, was los ist.“

„Ich begleite dich“, bot sie spontan an.

„Nein, das ist keine gute Idee. Ich rufe dich an, sobald ich sie gefunden habe.“

Sie ärgerte sich über seine Bemerkung und wandte ein: „Ich kenne die Insel besser als du und kann mir ungefähr vorstellen, wo deine Mutter sein könnte.“

„Okay“, gab er nach kurzem Zögern nach. „Wenn du jemanden siehst, der dich erkennen könnte, musst du dich im Auto verstecken.“

„Kein Problem. Ich stelle nur rasch noch die Blumen in die Vase und hole die Baseballkappe aus meinem Wagen.“

„Und ich rufe Goldie kurz an, damit er sofort zurückkommt und mein Vater nicht allein ist.“

Pippa beeilte sich. Ehe sie schließlich die Kappe aufsetzte, löste sie das Haar, das sie zu einem Knoten zusammengesteckt hatte.

„Du solltest es öfter offen tragen“, stellte Nic fest.

„Damit ich so aussehe, als hätte ich den Finger in die Steckdose gesteckt?“ Noch nie zuvor hatte jemand ihr gelocktes Haar schön gefunden, und sie hatte schon daran gedacht, es glätten zu lassen.

„Mir gefällt es. Du siehst wirklich etwas wild damit aus. Entspricht das etwa deinem Temperament?“

„Keineswegs.“ Sie setzte die Kappe auf. „Fahren wir?“

„Ja.“ Er hielt ihr die Beifahrertür auf, und sie ließ sich auf den Sitz sinken.

„Hat deine Mutter erwähnt, dass sie sich hier irgendetwas anschauen möchte?“, fragte sie, als er wenig später über die Einfahrt auf die Hauptstraße fuhr.

„Nein, sie hat nur betont, wie glücklich sie ist, wieder auf der Insel zu sein. Als mein Vater damals weg war, hat sie uns Kindern abends vor dem Einschlafen Geschichten über Chantaine erzählt.“

„Dein Vater war weg?“, wiederholte sie erstaunt.

„Ja, er war im Gefängnis, aber er wurde wegen eines Formfehlers freigesprochen.“

Schockiert blinzelte sie. „Das wusste ich nicht. Es war sicher schwierig für euch.“

„Ja, meine Brüder haben es ihm nie verziehen.“

„Aber sie haben Kontakt mit deiner Mutter, oder?“

„Sie lehnen es ab, mit ihr zu sprechen, wenn mein Vater dabei ist.“

„Oh nein, deine Familie ist ja noch schlimmer als meine.“

„Da hast du recht.“ Er warf ihr einen kurzen Blick zu, ehe er sich wieder auf den Verkehr konzentrierte.

„Natürlich hat man über euch alles Mögliche geredet, aber etwas Genaues wusste ich nicht.“

„Jeder hat eine Leiche im Keller. Sogar dein Bruder Stefan hat doch mit seiner unehelichen Tochter für eine Überraschung gesorgt, stimmt’s?“

Es war geradezu ein Skandal gewesen und für die Familie sehr belastend, als Stefan erfuhr, dass er eine Tochter hatte. „Jedenfalls hat er sich sofort um das Kind gekümmert und ist ein guter Vater.“

„Das spricht für ihn.“

„Finde ich auch. Er liest ihr sogar fast jeden Abend eine Gutenachtgeschichte vor. Unser Vater hingegen hat kaum Notiz von uns genommen. Er hat uns in die Welt gesetzt, damit wir ihm die Arbeit abnahmen und er sich seinem Hobby, der Jacht, widmen konnte.“ Bei der Erinnerung an ihre Kindheit verspürte sie eine seltsame Traurigkeit, die sie längst überwunden geglaubt hatte.

Nic parkte die Limousine oberhalb des Strandes und half Pippa beim Aussteigen. „Lass uns hier anfangen.“

„Hat deine Mutter irgendwelche Besonderheiten erwähnt?“, wollte Pippa wissen, während sie den Strand absuchten.

„Was meinst du?“

„Jeder Strand ist anders und hat sein spezielles Publikum. Hier siehst du vor allem jüngere Leute, weiter nördlich tummeln sich die Promis. Daran schließt sich der Strand an, der vor allem von Familien mit Kindern besucht wird.“

Plötzlich fiel ihm etwas ein etwas. „Wie heißt er?“

„St. Christophe.“

„Ja, den Namen hat meine Mutter genannt, sie ist dort wohl oft als Kind mit ihren Eltern gewesen. Hoffentlich wagt sie sich nicht ins Wasser.“

Schweigend fuhren sie weiter. Pippa spürte, wie angespannt er war.

„Schade, dass deine Mutter keine Nachricht hinterlässt, wenn sie Ausflüge macht“, meinte sie schließlich.