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Beschreibung

Papst Franziskus steht seit seinem Schreiben »Amoris laetitia« über die Liebe in der Familie kirchenintern in der Kritik. Auf die Attacken gegen den Papst und das nachsynodale Schreiben reagiert die am 16.10.2017 gestartete internationale katholische Initiative »Pro Pope Francis« um den Wiener Pastoraltheologen Paul Zulehner und den tschechischen Soziologen und Religionsphilosophen Tomáš Halík, die den Papst öffentlich unterstützt. Sie steht für eine pastorale Kultur, die sich an der Barmherzigkeit orientiert, für einen Weg, den die Kirche zusammen mit ihrem Papst einschlagen möge. Der vorliegende Debattenband versammelt die Stellungnahmen wichtiger Kirchenvertreter, Ordensleute, Theologen, Persönlichkeiten des Öffentlichen Lebens, Spiritueller Begleiter und engagierter Laien. Beiträger: Bischof Franz-Josef Overbeck, Gerda Schaffelhofer, Alois Glück, Eva-Maria Faber, Margit Eckholt, Anselm Grün, Christian Bauer, Klaus Lüdicke, Hubert Wolf, Rita Süssmuth.

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Seitenzahl: 209

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Paul M. Zulehner, Tomáš Halík (Hrsg.)

Rückenwindfür den Papst

Warum wir Pro Pope Francis sind

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Impressum

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikationin der Deutschen Nationalbibliografie;detaillierte bibliografische Daten sind im Internetüber http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt.Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig.Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen,Mikroverfilmungen und die Einspeicherung in und Verarbeitungdurch elektronische Systeme.

wbg THEISS ist ein Imprint der wbg.

© 2018 by wbg (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), DarmstadtDie Herausgabe des Werkes wurde durch dieVereinsmitglieder der wbg ermöglicht.Redaktion: Barbara Honold | Lektorat und LayoutSatz: primustype Hurler GmbH, NotzingenUmschlaggestaltung: Harald Braun, BerlinUmschlagabbildung: Osservatore Romano/Agenzia Romano Siciliani/© 2017, KNA. Alle Rechte vorbehalten.

Besuchen Sie uns im Internet: www.wbg-wissenverbindet.de

ISBN 978-3-8062-3804-4

Elektronisch sind folgende Ausgaben erhältlich:eBook (PDF): ISBN 978-3-8062-3842-6eBook (Epub): ISBN 978-3-8062-3843-3

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Innentitel

Inhaltsverzeichnis

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Impressum

Inhaltsverzeichnis

Pro Pope Francis. Eine Solidaritätsaktion für Papst FranziskusTomáš Halík, Paul M. Zulehner

Der Papst erhält Unterstützung in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Ein Überblick über die BeiträgeTomáš Halík, Paul M. Zulehner

Eine lebendige Kirche auf den Straßen dieser WeltEin Gespräch zwischen Bischof Franz-Josef Overbeck und Paul M. Zulehner

Eine Kirche der FreiheitEin Gespräch zwischen Rita Süssmuth und Paul M. Zulehner

Schubumkehr. Chance für die Kirche im 3. JahrtausendGerda Schaffelhofer

Zeichen der ZeitAlois Glück

Lasst uns vorangehen!Eva-Maria Faber

„Sitz der Weisheit.“ Mit Maria befreiende und partizipative Räume der Kirche erschließenMargit Eckholt

KirchenträumeAnselm Grün

Kirche als Societas Jesu. Mit Papst Franziskus in die Spur der NachfolgeChristian Bauer

Das Recht ist das Recht der MenschenKlaus Lüdicke

Die vielen Gerüche der Schäfchen. Warum Subsidiarität der Schlüssel zu Reformen in der katholischen Kirche istHubert Wolf

Pro Pope Francis.Eine Solidaritätsaktion fürPapst Franziskus

Tomáš Halík, Paul M. Zulehner

Der Papst aus Argentinien war für die Weltkirche eine große Überraschung. Das betraf nicht nur seine lateinamerikanische Herkunft. Auffällig ist auch sein einfacher Lebensstil. Er bewohnt nicht die ehrwürdigen päpstlichen Gemächer, sondern lebt im Gästehaus Santa Marta. Protzige Limousinen lehnt er ab. Seine Kleidung ist ohne feudalen Prunk. Unter dem weißen Talar trägt der franziskanische Jesuit eine schwarze Hose. Seine orthopädischen Schuhe hat er aus Buenos Aires mitgebracht.

Überraschend ist ebenfalls sein Leitungsstil. Klerikalismus ist ihm zuwider, Zentralismus ebenso. Dagegen setzt er auf eine prozesshaft bestens geleitete Synodalität. Ihm liegt daran, dass das Wirken des Heiligen Geistes in der Kirche nicht überhört wird. Dieses ortet er aber nicht nur im Vatikan, sondern an vielen Stellen, verteilt über die ganze Weltkirche. Daher zitiert er in seiner Regierungserklärung Evangelii gaudium vierzigmal lokale Bischofskonferenzen. Den Hirtenbrief der Argentinischen Bischöfe hat er auf den weltkirchlich verbindlichen Rang eines „authentischen Lehramts“ angehoben. Eine Orientierungshilfe der Bischöfe der Pastoralregion Buenos Aires zu Amoris laetitia und ein Brief von Papst Franziskus, in dem dieser die Richtlinien gutheißt, wurden in den Acta Apostolicae Sedis (AAS) amtlich veröffentlicht. Der vatikanische Staatssekretär Pietro Kardinal Parolin erklärte auf Wunsch des Papstes, die beiden veröffentlichten Dokumente gehörten zum „authentischen Magisterium“. Inhaltlich besagt die Orientierungshilfe der argentinischen Bischöfe Folgendes: kein „unbeschränkter Zugang zu den Sakramenten“ für Katholiken in jedweden Lebensumständen; Rücksicht auf Empfindlichkeiten in Pfarrgemeinden; Festhalten an der Lehre der Unauflöslichkeit der Ehe; Ermutigung von wiederverheirateten Geschiedenen zu sexueller Enthaltsamkeit oder einer Teilnahme am kirchlichen Leben ohne Sakramente – und, in Einzelfällen sowie nach einem „Weg der Unterscheidung“ zusammen mit einem Geistlichen, die Möglichkeit, die Hilfe der Sakramente der Versöhnung und der Eucharistie zu suchen.

Nicht zuletzt haben sich der Stil und die Pastoralkultur der katholischen Kirche in seiner kurzen Amtszeit markant verändert. Sie sind zugleich bibelfester, also jesusförmiger, und (deshalb) menschenfreundlicher geworden. Der Papst spricht ungern von Sünden, sondern lieber von Wunden und Verwundungen, die Menschen einander und sich selbst oder auch der Natur zufügen. Er moralisiert nicht, sondern will heilen. In der Nachfolge des Heilands kann so die Kirche für die Menschen zum „Heil-land“ werden. Er führt die Menschen nicht in den Gerichtssaal, sondern möchte, dass die Kirche für die Menschheit eine Art Feldlazarett ist (so im Interview mit Spadaro; AL 305). Er urteilt nicht, sondern begleitet. Er ist kein Legalist, der einfach Gesetze auf das menschliche Leben anwendet. Vielmehr schaut er dem einzelnen Menschen ins Gesicht und fragt, wie ihm das Gesetz auf seinem holprigen Lebensweg Unterstützung und Trost sein kann. Er ist also kein Ideologe, sondern ein Hirte.

Amoris laetitia

All dies hat sich rund um die beiden Familiensynoden 2015/2016 besonders deutlich gezeigt. Der Papst hieß die Bischöfe der Welt zunächst zuhören. Eine weltweite Umfrage wurde gemacht. Es sollte ans Licht gebracht werden, wie jene, die in Ehe und Familie mit Kindern und Alten leben, aber auch jene, denen das Treueversprechen aus Schuld und Tragik nicht gelungen ist, diese oftmals prekären Situationen mit dem Evangelium im Herzen meistern. Er wollte die implizite Theologie des Volkes Gottes erheben. Des Papstes „Experten“ für die pastorale Entwicklung der katholischen Weltkirche sollten vorrangig die „Lebens- und Leidenserfahrenen“ sein. Darüber hätten die Bischöfe aufmerksam zu beraten, und das im Licht des Evangeliums und der reichhaltigen Lehrtradition der Kirche. Evangelisierung bedeutet daher für Papst Franziskus also nicht, dass die Kirche bloß lehrt, sondern auch, dass sie lernt. Dieses Verständnis von Evangelisierung hat er von seinem Vorbild Kardinal Carlo M. Martini übernommen. Im Apostolischen Schreiben über die Freude der Liebe (Amoris laetitia, 2015) fasste er zusammen, was sich an Einsichten im langen synodalen Lernprozess für ihn ergeben hat.

Dieses Schreiben teilt freilich das Schicksal vieler päpstlicher Schreiben zuvor. Die Texte werden überflogen, die Diskussion aber macht sich an ganz wenigen Punkten fest. Das war schon so bei Humanae vitae von Paul VI. (1968); nach dem Erscheinen dieser Enzyklika über Leben und Sexualität wurde nur über die Pille heftig diskutiert. Ähnlich erging es Johannes Paul II. mit Familiaris consortio (1981). Statt dass über die familiale Schicksalsgemeinschaft beraten wurde, ging es letztlich nur um die Frage, ob katholische Gläubige, die geschieden sind und gegen den erklärten Willen der Kirche wieder heiraten, Zugang zu den Sakramenten finden können. Johannes Paul II. hatte im Rahmen der traditionellen Moraltheologie befunden, dass dies aus objektiven Gründen nicht möglich sei, es sei denn, die neuerliche Verbindung sei „objektiv“ keine „Ehe“ mehr – entweder weil sich die Betroffenen trennen, oder (wenn sie das nicht können und auch nicht dürfen, ohne neuerlich schuldig zu werden) „sich jener Akte enthalten, die Eheleuten vorbehalten sind“ (FC 84). Und dann vermerkt Papst Franziskus in der Fußnote 351 von Amoris laetitia (AL 305), dass auf dem Heilungsweg wachsenden Liebens in der Spur des Evangeliums nach dem Zerbrechen einer ehelichen Gemeinschaft die Eucharistie Nahrung und Heilmittel sein könne:

351 In gewissen Fällen könnte es auch die Hilfe der Sakramente sein. Deshalb „erinnere ich [die Priester] daran, dass der Beichtstuhl keine Folterkammer sein darf, sondern ein Ort der Barmherzigkeit des Herrn. Gleichermaßen betone ich, dass die Eucharistie nicht eine Belohnung für die Vollkommenen, sondern ein großzügiges Heilmittel und eine Nahrung für die Schwachen“ ist.

Für die um die Lehre der Kirche und die traditionelle strenge Sakramentenpraxis der katholischen Kirche Besorgten war dies eine nur schwer zu ertragende Entwicklung. Manche sahen einen nahezu „häretischen Verrat“ an Dogma und Kirchenrecht. Vier Kardinäle kleideten ihren Vorwurf in die Gestalt eines „Dubiums“ – ein mittelalterliches Instrument, um einen vom Glauben abgewichenen Papst zur Umkehr zur wahren Lehre zu bewegen. Der Papst gab ihnen keine direkte Antwort (was manche irritierte). Er verwies auf die gründlichen Argumente im Schreiben und die breite Akzeptanz seiner Positionen auf der Weltbischofssynode über die Familie. Als das alles nichts nützte und keine Ruhe einkehrte, gab er eine indirekte Antwort, indem er die argentinischen Bischöfe für sich sprechen ließ. Das hat freilich die Gemüter kaum beruhigt.

Für die Medien in aller Welt war dies ein willkommener Vorgang. Endlich konnte man auch etwas Kritisches – bad news also, mit welchen die Medien um Aufmerksamkeit buhlen – über Papst Franziskus berichten. Manchen Medien war der weltweite Ruhm des Mannes in Weiß nicht geheuer und den „Antiklerikalen“ unter ihnen auch ärgerlich. Sie fingen an, das bevorstehende Ende des Papstes herbeizuschreiben. Er sei „angezählt“, kurz vor seiner Entlassung aus dem Papstamt. Impeachment auf römisch-katholisch.

Offener Brief

In dieser Situation schlug Tomáš Halík – ein einst im Untergrund geweihter tschechischer Priester, Dissident und Mitglied der Charta 77 sowie Religionsphilosoph – vor, öffentlich sichtbar zu machen, dass Papst Franziskus nicht nur außerhalb der katholischen Weltkirche, sondern auch innerhalb dieser breite Unterstützung für seinen Kirchenkurs genießt. Zusammen formulierten wir einen Offenen Brief, setzten diesen in zwölf Sprachen auf die Homepage www.pro-pope-francis.com und warben um Unterstützung. In kurzer Zeit trugen sich über 70000 Personen als „Supporters“ (Unterstützende) ein.

Dies ist der Wortlaut dieses Offenen Briefes:

Hochgeschätzter Papst Franziskus!

Ihre pastoralen Initiativen und deren theologische Begründung werden derzeit von einer Gruppe in der Kirche scharf attackiert. Mit diesem öffentlichen Brief bringen wir zum Ausdruck, dass wir für Ihre mutige und theologisch wohl begründete Amtsführung dankbar sind.

Es ist Ihnen in kurzer Zeit gelungen, die Pastoralkultur der katholischen Kirche von ihrem jesuanischen Ursprung her zu reformieren. Die verwundeten Menschen, die verwundete Natur gehen Ihnen zu Herzen. Sie sehen die Kirche an den Rändern des Lebens, als Feldlazarett. Ihr Anliegen ist jeder einzelne von Gott geliebte Mensch. Das letzte Wort im Umgang mit den Menschen soll nicht ein legalistisch, sondern ein barmherzig interpretiertes Gesetz haben. Gott und seine Barmherzigkeit prägen die Pastoralkultur, die Sie der Kirche zumuten. Sie träumen von einer „Kirche als Mutter und Hirtin“. Diesen Ihren Traum teilen wir.

Wir bitten Sie, von diesem eingeschlagenen Weg nicht abzuweichen, und sichern Ihnen unsere volle Unterstützung und unser stetes Gebet zu.

Die Unterzeichnenden

Interkontinentales Netzwerk

Aus der wachsenden Zahl der „Supporters“ wurden jene Personen ausgewählt, die an Universitäten oder im öffentlichen Leben eine führende Position einnehmen. Über 2500 Personen gelangten so auf eine Spezialliste der „Signatories“ (Unterzeichnenden).

Eine ansehnliche Auswahl herausragender Persönlichkeiten wurde auf der Homepage in einer Bildergalerie veröffentlicht; die Bilder wurden mit persönlichen Testimonials unterlegt. Um nur einige zu nennen:

• Charles Taylor: Professor emeritus of Philosophy, Montreal (Kanada)

• Sr. Lea Ackermann: Gründerin von SOLWODI, Boppard-Hirzenach (Deutschland)

• Rocco Buttiglione: Europaminister 2001–2005 (Italien)

• László Sólyom: Staatspräsident Ungarns von 2005–2010 (Ungarn)

• Waltraud Klasnik: Landeshauptfrau a. D., seit 2010 Opferschutzbeauftragte der katholischen Kirche Österreich (Österreich)

• Asztrik Várszegi, OSB: Titularbischof, Abtpräses, Erzabt von Pannonhalma (Ungarn)

• Marie-Jo Thiel: Professeure des Universités, Strasbourg, présidente de l’Association européenne de théologie catholique (Frankreich)

• Fritz Lobinger: emeritierter Bischof von North-Aliwal (Südafrika)

• Václav Malý: Weihbischof in Prag (Tschechien)

• Diamantino Prata de Carvalho: Emeritierter Bischof von Campanha (Brasilien)

• Martina Berthold: Mitglied der Landesregierung Salzburg (Österreich)

Die Unterzeichnenden wurden angefragt, ob sie der Aktion, die vor allem auf emotionale Unterstützung setzte, durch Expertisen auch theologische Schützenhilfe geben wollten. 175 Personen aus aller Welt, von Tokyo über Taipeh bis São Paolo, von Harvard bis Oxford, Warschau über London bis Paris haben im Dezember 2017 zugesagt. Die Papers aus aller Welt werden im Original, nach Sprachen/Kontinenten geordnet, in einem E-Book veröffentlicht. Sodann ist beabsichtigt, kontinentale Synthesen zu verfassen. Eine Zusammenfassung dieser Essays über die Vision der Kirche der Zukunft soll unter dem Titel „Wir teilen diesen Traum“ in englischer und deutscher Sprache veröffentlicht werden. Der Arbeitstitel bezieht sich auf den Satz in unserem Brief: „Sie (Papst Franziskus) träumen von einer ‚Kirche als Mutter und Hirtin‘. Diesen Ihren Traum teilen wir.“

Insbesondere soll es um die Beantwortung von drei Grundfragen gehen, die sich im Zusammenhang mit der Realisierung des Traumes des Papstes stellen; sie gehen von Gaudium et spes aus und kommen bei Lumen gentium an:

1. Welches sind die „Zeichen der Zeit“, welche die Kirche in Ihrem Land, in Ihrer Region, auf Ihrem Kontinent herausfordern?

2. Welchen Beitrag kann und soll die Kirche zur Bewältigung der Herausforderungen leisten?

3. Welche Entwicklung der Kirche (auf Ihrem Kontinent) ist erforderlich, damit die Kirche angesichts der Herausforderungen der Zeit im Sinn des Evangeliums handlungsfähig ist?

Online-Umfrage

Papst Franziskus verortet, wie gesagt, das Wirken Gottes nicht nur an Lehrstühlen – obgleich der Papst in seinem jüngsten Schreiben Veritatis gaudium (2018) den theologischen Fakultäten eine wichtige Rolle in seinem Bild von der Kirche in der Welt von heute zumutet. Vielmehr ist er auch an dem Geistgewirkten in der Breite des Kirchenvolks interessiert.

Wir folgen dieser Logik des Papstes in unserer Aktion „Pro Pope Francis“. Um tief ins Kirchenvolk hineinzuhorchen, wurden die oben genannten drei Fragen, die wir den Fachleuten gestellt hatten, auch den Unterstützenden in einer Online-Umfrage gestellt. Während es im ersten Schritt vor allem darum ging, Unterstützung und Zustimmung zum Ausdruck zu bringen, sollten in diesem zweiten Schritt die (pastoral)theologischen Argumente im Vordergrund stehen.

Der Online-Fragebogen enthielt im Anschluss an die drei oben erwähnten Fragen weitere geschlossene Fragen, die die Amtsausübung des Papstes und deren Hintergründe betreffen. Zum Schluss wollten wir auch etwas über die Personen erfahren, welche die Antworten geben. Angenommen wurde, dass viele ähnlich denken, dass es aber auch „typische“ Unterschiede zwischen ihnen gibt. Wir hofften, dass sich nicht nur Personen beteiligen, die den Papst und seinen Kirchenkurs unterstützen, sondern auch andere, die skeptisch bis ablehnend sind.

Es folgen einige der Themenfelder, zu denen geschlossene Fragen gestellt wurden.

Zur Lage der Kirche

Ein erster Frageblock ist der Lage der (römisch-katholischen) Kirche gewidmet. Diese wird von Papst Franziskus durchaus kritisch gesehen. Wiederholt hat er die Beschäftigung der Kirche mit sich selbst beklagt:

„Andare – gehen: auf die anderen zugehen, denn eine in sich verschlossene Kirche ist eine tote Kirche; eine Kirche, die nicht aus der eigenen Umzäunung herausgeht, um alle zu suchen, aufzunehmen und zu Christus zu führen, ist eine Kirche, die ihre Sendung und ihre Berufung Lügen straft“ (Papst Franziskus nach der Bischofssynode für die Familie am 24.10.2015).

„Brechen wir auf, gehen wir hinaus, um allen das Leben Jesu Christi anzubieten! Ich wiederhole hier für die ganze Kirche, was ich viele Male den Priestern und Laien von Buenos Aires gesagt habe: Mir ist eine ‚verbeulte‘ Kirche, die verletzt und beschmutzt ist, weil sie auf die Straßen hinausgegangen ist, lieber, als eine Kirche, die aufgrund ihrer Verschlossenheit und ihrer Bequemlichkeit, sich an die eigenen Sicherheiten zu klammern, krank ist. Ich will keine Kirche, die darum besorgt ist, der Mittelpunkt zu sein, und schließlich in einer Anhäufung von fixen Ideen und Streitigkeiten verstrickt ist. Wenn uns etwas in heilige Sorge versetzen und unser Gewissen beunruhigen soll, dann ist es die Tatsache, dass so viele unserer Brüder und Schwestern ohne die Kraft, das Licht und den Trost der Freundschaft mit Jesus Christus leben, ohne eine Glaubensgemeinschaft, die sie aufnimmt, ohne einen Horizont von Sinn und Leben. Ich hoffe, dass mehr als die Furcht, einen Fehler zu machen, unser Beweggrund die Furcht sei, uns einzuschließen in die Strukturen, die uns einen falschen Schutz geben, in die Normen, die uns in unnachsichtige Richter verwandeln, in die Gewohnheiten, in denen wir uns ruhig fühlen, während draußen eine hungrige Menschenmenge wartet und Jesus uns pausenlos wiederholt: ‚Gebt ihr ihnen zu essen!‘ (Mk 6,37)“. (EG 49)

Ebenso heftig attackiert Franziskus den in der Kirche anzutreffenden Klerikalismus. Auch dieser Aspekt wurde mit einer Frage bedacht. Eruiert wurde zudem, ob das Christentum wächst, was ja in den meisten Kontinenten der Fall ist – lediglich Europa gilt als Ausnahme; hier wird von einer „Krise“ gesprochen. Und wenn eine solche diagnostiziert wird: Ist es eine Krise des Glaubens, der Kirche oder beider?

Tab. 1 Aussagen zur Lage der Kirche

Die Kirche beschäftigt sich bei uns zu sehr mit sich selber.

In unserer Region gibt es keinen Klerikalismus.

Das Christentum wächst in unserer Region stark.

Es gibt in unserem Land eine tiefe Glaubenskrise.

Nicht der Glaube, sondern die Kirche ist in einer tiefen Krise.

Die Kirche wird sich in den nächsten zehn Jahren erholen.

Ich hoffe zuversichtlich, dass am Ende der Zeiten Gott alle rettet.

Diesem Themenblock ist als theologischer Hintergrund die Frage nach dem universellen Heilsoptimismus zugeordnet, zu dem Papst Franziskus sich bekennt (vgl. dazu sein Interview mit der „Zeit“ am 9.3.2017). Mit Blick auf ein Kapitell der Basilika von Vézelay, das die Rettung des Judas durch den Auferstandenen darstellt, äußert der Papst die Hoffnung, dass Gott am Ende aller Ewigkeiten alle retten wird.

Kirche und heutige Welt

Papst Franziskus ist der erste moderne Papst, der am Zweiten Vatikanischen Konzil nicht teilgenommen hat. Er will aber die Konzilsbeschlüsse für die Entwicklung der katholischen Weltkirche engagierter als bisher fruchtbar machen. Die Stagnation hinsichtlich der Umsetzung des Konzils unter seinen Vorgängern beklagte er in einer Predigt öffentlich mit folgenden harschen Worten:

„Das Konzil war ein großartiges Werk des Heiligen Geistes. Denkt an Papst Johannes: Er schien ein guter Pfarrer zu sein, aber er war dem Heiligen Geist gehorsam und hat dieses Konzil begonnen. Aber heute, 50 Jahre danach, müssen wir uns fragen: Haben wir da all das getan, was uns der Heilige Geist im Konzil gesagt hat? In der Kontinuität und im Wachstum der Kirche, ist da das Konzil zu spüren gewesen? Nein, im Gegenteil: Wir feiern dieses Jubiläum und es scheint, dass wir dem Konzil ein Denkmal bauen, aber eines, das nicht unbequem ist, das uns nicht stört. Wir wollen uns nicht verändern und es gibt sogar auch Stimmen, die gar nicht vorwärts wollen, sondern zurück: Das ist dickköpfig, das ist der Versuch, den Heiligen Geist zu zähmen. So bekommt man törichte und lahme Herzen.“

„Der Heilige Geist drängt zum Wandel, und wir sind bequem … Um es klar zu sagen: Der Heilige Geist ist für uns eine Belästigung. Er bewegt uns, er lässt uns unterwegs sein, er drängt die Kirche, weiter zu gehen. Aber wir sind wie Petrus bei der Verklärung: ‚Ah, wie schön ist es doch, gemeinsam hier zu sein.‘ Das fordert uns aber nicht heraus. Wir wollen, dass der Heilige Geist sich beruhigt, wir wollen ihn zähmen. Aber das geht nicht. Denn er ist Gott und ist wie der Wind, der weht, wo er will. Er ist die Kraft Gottes, der uns Trost gibt und auch die Kraft vorwärtszugehen. Es ist dieses ‚Vorwärtsgehen‘, das für uns so anstrengend ist. Die Bequemlichkeit gefällt uns viel besser.“

Von den Teilnehmenden der Umfrage wollten wir erfahren, wie sie das Verhältnis von Kirche und moderner Welt sehen. Dieses zu verbessern war ein zentrales Anliegen des Konzils. Die Kirche sollte gleichsam nach einer langen Weltschwangerschaft endlich in dieser modernen Zeit „zur Welt kommen“. Papst Johannes XXIII. wollte dazu die Fenster der mit hohen Abwehrmauern gegen die moderne Welt versehenen Kirchenburg öffnen. Auf dem Konzil wurde sodann um diese Öffnung zur heutigen Welt heftig gerungen. Bis heute gibt es Befürworter und Gegner: Die einen beklagen in ihrem Gefolge eine „Verweltlichung der Kirche“, eine Anpassung an den Zeitgeist. Anderen hingegen – wie auch dem Papst Franziskus – geht die Öffnung zu schleppend. Öffnung, aggiornamento, sollte aber nicht zu einer Verweltlichung der Kirche führen, sondern eine prophetische Präsenz der Kirche in der heutigen Welt ermöglichen. Nur so kann sie im Auftrag Jesu (Mt 5,13f.) Licht der Welt und Salz der Erde sein.

Ein Teilaspekt der Öffnung der Kirche ist die Begegnung mit anderen Religionen, aber auch mit den Atheismen der heutigen Zeit.

Tab. 2 Aussagen zum Verhältnis Kirche und heutige Welt/zum Zweiten Vatikanischen Konzil

Die Kirche muss sich der Welt noch viel mehr öffnen, sich aussetzen, auf sie einlassen.

Die moderne Lebenskultur bietet für den christlichen Glauben eine gute Chance.

Die Kirche muss sich von der Welt deutlicher unterscheiden.

Wenn sich die Kirche der heutigen Welt öffnet, ist sie in Gefahr, verweltlicht zu werden.

Ich bin mit den Entwicklungsperspektiven des Zweiten Vatikanischen Konzils zufrieden.

Ich bin mit der tatsächlichen nachkonziliaren Entwicklung in der Kirche unzufrieden.

Die Kirche ist keine politische Partei, aber sie ist in der Politik parteiisch.

Die Zusammenarbeit mit anderen Religionen, aber auch mit Suchenden und Atheisten gelingt bei uns gut.

Synodalität/Subsidiarität

Was Papst Franziskus schon als Vorsitzenden des Rates der Lateinamerikanischen Bischofskonferenzen (CELAM) irritiert hat, war der streng kontrollierende Zentralismus Roms. In diesem diagnostiziert er einen der Gründe für die Stagnation der katholischen Kirche. Eine zentralistisch geführte Kirche, ängstlich um ihre Einheit besorgt, trage vor allem zur Entfremdung zwischen Kultur und Evangelium bei und behindere so den Grundauftrag der Kirche, die Freude des Evangeliums (Evangelii gaudium) in allen Kulturen einzupflanzen.

Wer wirkliche Öffnung der Kirche hin zur Welt von heute mit ihren vielfältigen Kulturen will, kommt also um eine Dezentralisierung der Weltkirche nicht herum. Der Begriff, den die Katholische Soziallehre dafür gefunden hat, heißt Subsidiarität: Übergeordnete Einheiten dürfen nur solche Aufgaben an sich ziehen, zu deren Wahrnehmung die untergeordneten Einheiten nicht in der Lage sind. Die Kirche fordert dies in der heutigen Welt ein, praktiziert die Subsidiarität aber selbst intern nur sehr zögerlich bis gar nicht. Ein mit Subsidiarität theologisch verwandter Begriff ist „Synodalität“; er drückt aus, den Weg (odos) gemeinsam (syn) zu gehen. Der Papst wünscht sich, dass auch in dieser Hinsicht die katholische Kirche von den Orthodoxen Kirchen lernt, in denen die Synodalität eine lange Tradition hat:

„Und wenn wir wirklich an das freie und großherzige Handeln des Geistes glauben, wie viele Dinge können wir voneinander lernen! Es handelt sich nicht nur darum, Informationen über die anderen zu erhalten, um sie besser kennenzulernen, sondern darum, das, was der Geist bei ihnen gesät hat, als ein Geschenk aufzunehmen, das auch für uns bestimmt ist. Um nur ein Beispiel zu geben: Im Dialog mit den orthodoxen Brüdern haben wir Katholiken die Möglichkeit, etwas mehr über die Bedeutung der bischöflichen Kollegialität und über ihre Erfahrung der Synodalität zu lernen.“ (EG 246)

Eine Auswirkung des Prinzips der Synodalität ist die Aufwertung der Bischofskonferenzen, vor allem ihrer kontinentalen Zusammenschlüsse.

Synodalität ist kein Widerspruch zur Notwendigkeit des Amtes in der Kirche. Beide sind in eine gute schöpferische Beziehung zueinander zu bringen. Gerade in einer synodalen Kirche braucht es ein starkes Amt, dieses aber versehen mit einer der Synodalität angemessenen Amtskultur. Eine solche ist nicht mehr monokratisch, feudal, klerikal, in einem autoritär verstandenen Sinn „hierarchisch“, sondern heiligen Ursprungs (hieros arché), um das Wirken des Geistes in der ganzen Kirche zur Geltung zu bringen, dabei aber die Geister sorgfältig zu unterscheiden und so die Verschattung des Geistwirkens durch Macht und Interesse gering zu halten.

Tab. 3 Aussagen zur Synodalität/Subsidiarität

Es braucht in der katholischen Kirche mehr Subsidiarität.

Den Bischofskonferenzen und ihren kontinentalen Zusammenschlüssen ist mehr Entscheidungsvollmacht zuzuweisen.

Wenn die Bischofskonferenzen mehr Rechte bekommen, bedroht das die Einheit der katholischen Kirche.

Die katholische Kirche braucht, bei aller Bedeutung des Amtes, mehr synodale Beteiligung.

Amoris laetitia

Eine Hand voll Fragen sind konkreten pastoralen Themen gewidmet. Dazu zählt neben der Frauenfrage und dem Einsatz des Papstes für das eine Welthaus mit seiner epochalen Enzyklika Laudato si‘ insbesondere die Pastoral im Umkreis von Ehe und Familie und hier wiederum das Thema „Scheidung und Wiederheirat“.

Die Fragen zu Amoris laetitia kreisen um die „strittigen Themen“: dass die katholische Kirche von der orthodoxen Kirche lernen kann, bei akribischem Festhalten an der überkommenen Lehre für den Einzelfall nach dem Prinzip der Oikonomia einen Weg der Eingliederung ins volle sakramentale Leben der kirchlichen Gemeinschaft zu finden; dass dabei das Gewissen der Betroffenen unersetzlich ist. Es geht um das sensible Verhältnis von Gerechtigkeit und Erbarmen und die möglichen Grenzen der Vergebungskompetenz der Kirche.

Tab. 4 Aussagen zu pastoralen Themen (Frauen, Ökologie, Ehe und Familie)

Die Rolle der Frauen in der katholischen Kirche ist einschließlich des Zugangs zum Diakonat aufzuwerten.

Die Enzyklika von Papst Franziskus über die Umwelt (Laudato si’) hat meinen Lebensstil nachhaltig verändert.

Es ist richtig, dass die katholische Kirche auf der Familiensynode von der orthodoxen Tradition die pastoralen Prinzipien der Akribia (strenge Treue zum Gebot) und der Oikonomia (Berücksichtigung des Einzelfalls) übernommen hat.

Wir sind berufen, die Gewissen zu bilden, nicht aber dazu, den Anspruch zu erheben, sie zu ersetzen.

Die Gerechtigkeit kann nicht zu Gunsten des Erbarmens aufgegeben werden.

Ich halte es theologisch für gerechtfertigt, dass Geschiedene, die ein zweites Mal heiraten, im Einzelfall zu Kommunion gehen können.

Wem Gott in seinem Erbarmen vergibt, dem muss auch die Kirche ohne Wenn und Aber vergeben.

Zukunft der Pfarrgemeinden

In einigen Regionen der Weltkirche wird derzeit über die Zukunft der herkömmlichen Pfarrgemeinden diskutiert. Um den Mangel an Priestern, Kirchenmitgliedern und finanziellen Mitteln zu bewältigen, werden in vielen Diözesen pastorale Großräume gebildet und diese manchmal als „Pfarre neu“ mit vielen „Gemeinden“ (ohne Priester, in der Hand von Laien) bezeichnet.

Dem Papst selbst ist an den Pfarrgemeinden sehr gelegen. Dabei stützt er sich auf pastorale Erfahrungen als Erzbischof von Buenos Aires. Unter Papst Johannes Paul II. begann sich – und das in beträchtlicher Spannung zum Mailänder Erzbischof Carlo M. Martini – die Annahme zu verbreiten und in die pastorale Politik des Vatikans umzusetzen, dass die Zukunft der Kirche nicht mehr den Pfarrgemeinden, sondern den neuen Geistlichen Bewegungen gehöre. Der Papst hat zu dieser Entwicklung in Evangelii gaudium klar Position bezogen. Die Zukunft sich weiterentwickelnder Pfarrgemeinden steht für ihn nicht zur Debatte. Den Geistlichen Gemeinschaften und anderen Einrichtungen spricht er dabei nicht ihre Bedeutung für die Entwicklung der Kirche und ihr Tun ab, sieht sie aber auf die Kernstruktur der Kirche, nämlich die Pfarrgemeinde bezogen: