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Ein vaterländischer Roman aus der Zeit des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts. Alexis schildert die tiefe Zerrissenheit des Staates vor den Schlachten von Jena und Auerstädt zwischen den preußischen Truppen und der Armee Napoleons.
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Seitenzahl: 1576
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Ruhe ist die erste Bürgerpflicht
Willibald Alexis
Inhalt:
Willibald Alexis - Biografie und Bibliografie
Ruhe ist die erste Bürgerpflicht
Die Kindesmörderin.
Die Geheimräthin mit den spitzen Fingern.
Eine Heimfahrt.
Hier politisch, dort poetisch.
Der vornehme Gast.
Der späte Gast.
Der Staatsmann.
Der wirkliche und der nichtwirkliche Geheimrath.
Der dritte August.
Die alte Zeit.
Die Frau Obristin.
Schwanenjungfrauen.
Das Gewitter.
Wie es im Hause aussieht.
Auch eine Idylle.
Von Urmenschen und großen Menschen im Schlafrock.
Das Citissime.
Der rothe Shawl.
Der Sturm bricht los.
Abällino, der große Bandit.
Staub.
Unterricht in der Erziehung.
Man muß gelten wollen.
Der Legationsrath.
Mars mit dem Zopf.
Der Diplomat.
Die russische Fürstin.
Eine schlimme Nacht.
Scheiden und Meiden.
Wachtstuben-Abenteuer.
Ein Satz in die Löwenhöhle.
Iphigenia.
Auch eine Lehrstunde.
Im Grunewald.
Gehen Sie nach Karlsbad.
Eine wichtige Konferenz in Staatsgeschäften.
Vater und Sohn.
Gewitterschläge am schwülen Kimmel.
Es war etwas nicht, wie es sein sollte.
Bei Josty.
Von Möpsen und Wechseln.
Fensterskizzen.
Das Gespenst von Sanssonci.
Zwei subalterne Personen drohen den Gang der Geschichte zu ändern.
Der dritte November.
Bekenntnisse schöner Seelen.
Von Magistratspersonen und ungerathenen Kindern.
Präparirtes Gift.
Auch Vater und Sohn.
Ein Präludium.
Wallensteins Lager.
Am Altar des Vaterlandes.
Eine Entführung.
Die Patrioten trennen sich.
Innerlich Lachen an einer Berliner Börse.
Ein Mann von zu vielem Sentiment.
Wandel muß Politik treiben und sentimental sein.
»Ob's edler im Gemüth, die Pfeil und Schleudern
Des wüthenden Geschicks erdulden oder –«
Nur keine Lüge mehr!
Die Wollust der Märtyrer.
Was sagen Sie zu meiner Frau?
Nationalität.
Sie hassen.
Der verlorene Sohn und die heilige Magdalene.
Ein belauschtes Intermezzo.
Ein Plagiarius wird entdeckt.
Blicke aus eines Ministers Fenster ins Volksleben.
Blicke aus eines Ministers Fenster ins innere Leben.
Alles für einen Andern.
Theorie und Praxis des Egoismus.
Ein volles Bekenntniß.
Verfallene Wechsel.
Eine Spinne in ihrem Netz gefangen.
Ein treuer Freund seines Herrn.
Gewetzte Degen.
Nur eine Kleinigkeit.
Zur Königin.
Eine Maus und eine Mausefalle.
Wir werden Alle Blut sehen müssen.
Verschlungene Hände.
Sie sind die Puten von Excellenz.
Die Scheidestunde schlug.
Der Schüler des Schauspielers.
In der Dorfkirche.
Ein Frühstück bei Dallach.
Das große Trauerhaus.
Ruhe ist die erste Bürgerpflicht, W. Alexis
Jazzybee Verlag Jürgen Beck
Loschberg 9
86450 Altenmünster
ISBN: 9783849604523
www.jazzybee-verlag.de
Eigentlich Georg Wilhelm Heinrich Häring, bekannter Romandichter, geb. 29. Juni 1798 in Breslau, gest. 16. Dez. 1871 in Arnstadt, entstammte einer französischen Refugiésfamilie aus der Bretagne, die ihren französischen Familiennamen Hareng ins Deutsche übersetzt hatte, besuchte das Werdersche Gymnasium in Berlin, machte als Freiwilliger den Feldzug von 1815 mit, widmete sich hierauf in Berlin und Breslau juristischen Studien und wurde Auskultator und Kammergerichtsreferendar in Berlin. Bald entsagte er jedoch der juristischen Laufbahn und widmete sich ausschließlich der schriftstellerischen Tätigkeit, wobei er mitten im Gewirr publizistischer Vielgeschäftigkeit große poetische Pläne festhielt und künstlerisch gestaltete. 1856 hatte H. das Unglück, bald nach seiner Übersiedelung nach Arnstadt in Thüringen, wo er sich ein anmutiges Heim gegründet, von einem Gehirnschlag getroffen zu werden, von dem er sich nie wieder vollständig erholte. Seine eigentliche literarische Tätigkeit begann H. mit einem idyllischen Epos in Hexametern: »Die Treibjagd« (Berl. 1820), dem zwei Novellen: »Die Schlacht bei Torgau und der Schatz der Tempelherren« (das. 1822), folgten. Aus einer Wette im Freundeskreis ging ein dreibändiger Roman: »Walladmor« (Berl. 1823–24, 3 Bde.), hervor, eine kecke Mystifikation, indem der Verfasser das Werk für eine Schöpfung Walter Scotts ausgab und damit überall Glauben fand. Der Roman wurde ins Englische und mehrere andre Sprachen übersetzt. Unter derselben Maske erschien auch der Roman »Schloß Avalon« (Leipz. 1827, 3 Bde.), dem die »Geächteten« (Berl. 1825) vorausgegangen waren. Bald aber trat H. mit selbständigern Produkten auf, in denen sich Anklänge an Scott und Tieck mit seinen eignen, von der jungdeutschen Bewegung beeinflußten Reflexionen mischten, ohne daß der Objektivität der Darstellung dadurch Eintrag geschah. Unter seinen »Gesammelten Novellen« (Berl. 1830–31, 4 Bde.) und »Neuen Novellen« (das. 1836, 2 Bde.) sind einzelne, wie »Venus in Rom« und »Acerbi«, vortrefflich in Ausführung und Darstellung. Sein eigenstes Gebiet, das der historischen Romandichtung mit dem Hintergrund märkisch-preußischer Geschichte, betrat H. zuerst in seinem umfangreichsten Werke: »Cabanis« (Berl. 1832, 6 Bde.; 7. Aufl. 1893), einem charakteristischen Bild aus der Zeit Friedrichs d. Gr. Aber bereits mit dem Roman »Das Haus Düsterweg« (Leipz. 1835) schien H. wieder in andre Bahnen einzulenken. Als Reiseschriftsteller trat er in seiner »Herbstreise durch Skandinavien« (Berl. 1828, 2 Bde.), den »Wanderungen im Süden« (das. 1828) und den »Wiener Bildern« (Leipz. 1833) auf, welch letztere in Preußen verboten, während umgekehrt seine »Schattenrisse aus Süddeutschland« (Berl. 1834) von den Liberalen angefeindet wurden. Seine »Zwölf Nächte« (Berl. 1838, 3 Bde.) leiden an einer gewissen Nüchternheit und Breite des Räsonnements, die der sonst trefflichen Darstellung Eintrag tun. Sein »Urban Grandier« (Berl. 1843, 2 Bde.) war als Nachtgemälde des Fanatismus von Interesse. Zwischen der Folge seiner historischen Romane erschienen noch: »Der Zauberer Virgilius« (Berl. 1851), »Märchen aus der Gegenwart« (das. 1852) und das Bruchstück eines unvollendet gebliebenen Zeitromans, das Idyll »Ja, in Neapel« (das. 1860). Für die Bühne schrieb H. in früherer Zeit die Lustspiele: »Der Prinz von Pisa« und »Die Sonette« (1828), das Drama »Ännchen von Tharau« (1829) und den Fastnachtsschwank »Der verschwundene Schneidergesell« (1841). Auch gab er »Balladen« (Berl. 1836) und mit E. Ferrand und A. Müller »Babiolen« (Leipz. 1837, 2 Bde.) heraus. Die längere Zeit geführte Redaktion des »Berliner Konversationsblattes«, womit 1830 »Der Freimütige« verbunden wurde, gab er 1835 auf. Das von ihm mit Hitzig begonnene Werk »Der neue Pitaval« (Leipz. 1842–63, Bd. 1–33) behauptet unter allen für ein größeres Publikum bestimmten Sammlungen von Kriminalgeschichten den Vorrang. Seine eigentliche Bedeutung in der neuern deutschen Literatur errang aber Willibald Alexis lediglich mit den vortrefflichen historischen Romanen, zu denen »Cabanis« der Vorläufer gewesen war. Nacheinander erschienen: »Der Roland von Berlin« (Leipz. 1840, 3 Bde.; 6. Aufl. 1902), der die letzten Kämpfe des altmärkischen Bürgertums gegen den neuaufstrebenden Hohenzollernstamm im 15. Jahrh. zum historischen Hintergrund hat; »Der falsche Woldemar« (Berl. 1842, 3 Bde.; 5. Aufl. 1893), der die denkwürdigste Episode der mittelalterlichen Geschichte der Mark Brandenburg behandelt; der Doppelroman »Die Hosen des Herrn von Bredow« (das. 1846–48, 5 Bde.; 14. Aufl. 1900), in zwei Abteilungen: »Hans Jürgen und Hans Jochem« und »Der Werwolf« (in 3 Büchern, 7. Aufl. 1899), welche die Zeit des Kurfürsten Joachim I. und der Reformation zum Hintergrund haben; »Ruhe ist die erste Bürgerpflicht« (das. 1852, 5 Bde.; 5. Aufl. 1898), die traurigste Zeit Preußens vor der Katastrophe von Jena darstellend; »Isegrimm« (das. 1854, 3 Bde.; 5. Aufl. 1899), aus den Tagen der Erhebung und des Aufschwunges nach 1806, und endlich »Dorothe« (das. 1856, 3 Bde.; 4. Aufl. 1896), welcher Roman wiederum in die letzte Zeit des Großen Kurfürsten zurückgreift. Alle diese Romane, obschon nicht völlig von prosaischen Elementen frei, erheben sich doch in der Hauptsache durch die Fülle charakteristischer Gestalten sowie durch die Wiedergabe der Zeitstimmung und die Schilderung märkischer Landschaften, aus denen die Eigentümlichkeiten der Menschen erwachsen, zu wahrhaft poetischer Bedeutung. Härings »Gesammelte Werke« erschienen in 20 Bänden (Berl. 1374), die »Vaterländischen Romane« besonders in 8 Bänden (zuletzt das. 1884); seine »Erinnerungen« gab M. Ewert heraus (das. 1899). Vgl. Julian Schmidt, Neue Bilder aus dem geistigen Leben unsrer Zeit (Leipz. 1873); G. Freytag in den »Gesammelten Werken«, Bd. 16 u. 23; Ad. Stern, Zur Literatur der Gegenwart (das. 1879).
Erstes Kapitel.
»Und darum eben,« schloß der Geheimrath.
In seiner ganzen Würde hatte er sich erhoben und gesprochen. Charlotte hatte ihn nie so gesehen. Der Zorn strömte über die Lippen, bis vor dem Redefluß des Kindermädchens die allzeit fertige Zunge verstummte. Sie war erschrocken zurückgetreten, bis sie sich selbst verwundert an der Thüre fand; aber der Geheimrath schritt noch in der Stube auf und ab.
Charlotte hatte leise zu weinen angefangen: »Aber Herr Geheimrath, um solche Kleinigkeit!«
»Eine Kleinigkeit, die Angst besorgter Eltern um ihre Kinder! – Fünf Stunden von Hause fort ohne eine Sterbenssylbe mir zurückzulassen, und die Kleinen mitgenommen, ohne um Erlaubniß zu fragen!«
»Herr Geheimrath,« schluchzte sie, »haben nie nach gefragt, ich weiß auch gar nicht warum jetzt!«
»Schweige Sie!« fuhr der Hausherr fort. »Sie hat kein Einsehen, keine Moralität. Sie mißbraucht meine Güte. Sie muß aus meinem Hause. Es haben sich schon Viele gewundert, daß ich Sie noch behielt. Aber Sie schlägt mit Ihrer Unverschämtheit den Boden aus dem Faß. Versteht Sie mich! Ein Glück noch, daß wir vom Viertelkommissar erfuhren, daß Sie zur Excekution hinaus war, wir hätten sonst gar nicht gewusst, wo Sie geblieben war.«
»Wenn das die selige Frau Geheimräthin wüsste,« schluchzte das Mädchen, »das war eine seelensgute Frau. Und wie oft hat sie gesagt: wenn wir nicht wären, mein Mann kümmert sich gar nicht um die Kinder. Ja das hat sie gesagt, nicht einmal, hundertmal. Und haben Herr Geheimrath jetzt auch nur einmal nach den Kindern gefragt? Das eben aber sagten die selige Frau Geheimräthin: er hat kein Herz für sie! und es war eine Frau, so sanft wie die himmlische Güte, und viel zu gut für diese Welt, und wer nur ihre stillen Thränen gesehen hat, die sie Nachts vergoß, und darum nahm der liebe Gott sie zu sich, und sie würde sich im Sarge umdrehen, wenn sie wüsste, daß der Herr Geheimrath mir darum solchen Affront anthun.«
Charlotte musste die schwache Seite des Hausherrn kennen. Er wandte sich um, und fuhr mit dem Taschentuche über das Auge, ob, um eine Thräne abzuwischen oder die Verlegenheit zu verbergen, laß ich ungesagt. An der Wand hing das Bild der Verewigten, in sehr abgeblassten Wasserfarben gemalt, ein eben so abgeblasster Immortellenkranz darum. Darunter hing eine andere Schilderei, eine Urne, mit einer Trauerweide. Ein Genius senkte eine Fackel. Das Bild war auf Pappe gezogen, und wenn man näher hinzusah, bemerkte man, daß in der Urne ein Medaillon angebracht war, in welchem einige blonde Haare zu einem Namenszuge sich verschlangen. Der Geheimrath nahm es heraus und drückte es an seine Lippen.
»O du Unvergessliche!« sagte er, noch einmal mit dem Tuch über die Augen fahrend. Sein Zorn war gewichen; in weicherem Tone fuhr er fort: »Aber Charlotte, wie oft habe ich Ihr gesagt, Sie soll mich nicht daran erinnern. Ein Mann in meiner Stellung darf sich nicht den Gefühlen hingeben. Aber Sie weiß das wohl, Sie braucht mich nur an die selige Gute zu erinnern, so tritt mir's in die Augen. Sie führt sich auf, als wenn Sie die Hausfrau wäre – und ist doch nur eine – Sie ist eine –«
Dem Geheimrath war jetzt wirklich etwas in die Augen getreten, was er daraus fortzuwischen suchte, und darüber in Heftigkeit gerieth. Es war der dicke Staub aus der Schilderei, als er das Medaillon mit Gewalt wieder in seine Umfassung zu drücken bemüht war. Je mehr er im Aerger darauf schlug, so dichter puderte es ihm ums Gesicht. »Aus dem Haus muß Sie, daß Sie's weiß,« schloß er, mit den Augen beschäftigt, aus denen jetzt wirkliche Thränen, aber der Rührung, sich pressten.
»Ja, Herr Geheimrath, das werde ich auch, sobald Sie es befehlen,« sagte Charlotte, die ihrerseits die Ruhe wieder gewonnen hatte. »Denn ich kenne meine Schuldigkeit. Aber erst werde ich vors Hallesche Thor gehen, aufs Grab der seligen Frau Geheimräthin, und die Kinder nehme ich mit. Da werde ich mit ihnen weinen, und sie sollen die kleinen Hände falten und ihre Mutter bitten, daß sie ihnen einen lieben Engel vom Himmel schickt, der sie in Schutz nimmt. Denn wissen Sie noch, Herr Geheimrath, wie die selige Frau Geheimräthin auf dem Todtenbette lagen! Kreideweiß das Gesicht! Ach Jesus, was wird aus meinen Kindern! ja das hat sie gesagt!«
»Charlotte!« sagte der Geheimrath, »Sie weiß, daß ich meine selige Frau innigst geliebt habe, aber die Welt gehört den Lebendigen, sagt der Dichter, und die Todten soll man ruhen lassen.«
»Die selige Frau Geheimräthin sollen wohl Ruhe haben, wenn sie aus dem Grabe sehen, wie's hier oben zugeht! Die Frau Geheimräthin, Ihre Schwägerin, kommt auch nicht so oft ins Haus. Aber ich werde mich wohl hüten, und mir die Zunge verbrennen wie damals und sagen was ich denke. Aber was die selige Frau Geheimräthin denkt, wenn die Geheimräthin Schwägerin den Kleinen Zuckerbrod bringt und sie über den Kopf streichelt, das weiß ich.«
»Meine Schwägerin ist eine sehr respektable Frau, Charlotte.«
»I Herr Jesus, wer redet denn auch gegen sie? Aber den Blick vergeß ich nicht, auf ihrem Todtenbett, wie die selige Frau zurückschauderte: Ach wie sieht sie die Kinder an! sagten sie, nämlich die Frau Geheimräthin auf dem Todtenbett. Und so riß sie die Kinder an sich und dann sagte sie: Ach sie hat so spitze Finger!«
»Das waren Visionen, sie war im hitzigen Fieber.«
»Aber die Frau Geheimräthin Schwägerin verknifften ordentlich den Mund und sagten: Mein Gott, als ob ich mich um die Bälger risse! Und dann sagte die Sterbende, und da war sie nicht mehr im Fieber: die Charlotte, die hat wenigstens ein weiches Herz! – und da hatte die Selige recht, und ich habe die Kinder lieb gehabt, als wenn's meine eigenen wären, und wenn's nicht die Kinder wären, i da wäre ich ja schon längst aus dem Hause, wo man so mit mir umgeht.«
Dem Geheimrath schien unangenehm zu Muthe zu werden, da Charlotte in einen Thränenstrom ausbrach, der nicht mehr zu stillen schien.
»Es war ja auch nicht so gemeint,« sagte er endlich, – »Sie soll ja nicht auf der Stelle fort, ich meinte nur –«
»Es werden sich schon Andere finden, – o das weiß ich, – ich weiß auch wer. Und wenn die Selige das von oben sieht, wie die Schwägerin mit ihren spitzen Fingern die Kleinen liebkost, dann wird sie Nachts vor des Geheimraths Bette treten, und was sie ihn dann fragen wird –«
»Halte Sie doch das Mau –! Charlotte – liebe Charlotte, Sie ist echauffirt.«
Das Kindermädchen war echauffirt, es ließ sich nicht in Abrede stellen. Es waren auch Gründe dafür.
Aber der Geheimrath liebte nichts Echauffirtes, nämlich wenn es ihn in seiner Ruhe inkommodirte. Er suchte sie zu beruhigen; er erklärte die Kündigung für eine Aufwallung, ein Echauffement. Indem er sagte, solche Dinge müsse man bei kaltem Blute überlegen, schob er den Stein des Anstoßes etwas weiter auf den Weg.
Da schien ein Friede geschlossen, wenigstens ein Waffenstillstand; Charlotte weinte nur noch still, der Geheimrath seufzte und mochte wieder an Anderes denken, als er sich erkundigte, was denn die Kinder machten? Gleich darauf fiel ihm noch etwas anderes ein.
»Aber, Charlotte, sage Sie, wie kam Sie nur darauf, und mit den Kindern! vors Thor zu laufen, dahin! Eine Hinrichtung ist ein unmoralisches Vergnügen, habe ich Ihr das nicht oft vorgestellt, es ist gegen die Humanität, ein Schauspiel, woran nur der rohe Pöbel Vergnügen finden kann.«
»Sie haben schon ganz Recht, Herr Geheimrath, aber Sie hätten die Person sehen sollen, die Marianne; ganz schlooseweiß war sie, vom Kopf bis zum Fuß, und wie sie die Augen niederschlug, die Hände hielt sie so vor sich gefaltet! Und der Herr Prediger saß neben ihr, und noch oben sprach er mit ihr, und dann küsste sie ihm die Hand und knixte noch einmal vorher gegen uns Alle. Und die vornehmsten Herren in Thränen. Ach Herr Geheimrath, es war Ihnen etwas, ich sage Ihnen, es ging einem durch Mark und Bein, und Manche dachten, ach wenn du doch auch so sterben könntest, so den Herrn Prediger neben sich und ganz weiß, und Blumen, und die Putzmacherin, Mamsell Guichard an der Stechbahn, hatte ihr ein Tuch mit Spitzen geschenkt und die vornehmsten Personen weinten. Und ich habe sie auch gekannt die Marianne, und eyedem war sie keine schlechte Person.«
»Sie hat mir davon erzählt. Aber nun ist sie eine Kindesmörderin.«
»Und das ist schlecht von ihr, Herr Geheimrath; das wird auch kein Mensch abstreiten. Und wir haben's ihr alle vorhergesagt. An solchen Kerl sich zu hängen! Er war noch nicht einmal königlicher Stallknecht, da konnte er noch lange dienen. Und wenn er's geworden, ob er sie dann geheirathet hätte! Wenn's denn doch einmal sein sollte, wär's nur ein anständiger Herr gewesen, sagte ihre Tante. Der hätte doch fürs Kind bezahlt, und wenn er nicht wollte, da ist das Stadtgericht! Das weiß ich ja von meiner Cousine. Heirathen oder bezahlen! sagten der Herr Präsident. Da hat er auch gezahlt jeden Ersten, der Herr Hoflackirer, und wenn's bis zum Dritten nicht da war, auf der Stelle Exekution, jeden Monat. Beim zweiten hat er sich gar nicht erst verklagen lassen. Gleich gezahlt, o 's ist ein sehr reputirlicher Herr, das muß man ihm nachsagen, und wenn's dritte kommt, wer weiß, ob sie dann nicht schon unter der Haube ist. Denn seine Alte wird's ja nicht mehr lange machen, die hat er nur mit dem Geschäft geheirathet. Und warum sollte er sie nicht ins Haus nehmen? Ist ja sein purer Profit. Er kommt viel wohlfeiler fort, als wenn er Alimente zahlen muß. Aber ein Begräbniß wird er seiner Alten ausrichten – na, da könnte sich mancher Geheimrath schämen. Nein, das muß man ihm nachsagen, lumpen lässt sich der Herr Hoflackirer nicht; ist ein sehr reputabler Herr. – Und, wie gesagt, hübsch war die Marianne, so blaß und schön, und das Kind, blutroth hat's wie 'ne Schnur um den Hals gehabt.«
»Und meine Kinder hat sie mitgenommen. Die unschuldigen Würmer! Sie Person Sie!«
»Aber Herr Geheimrath, ich weiß auch nicht, wie Sie mir vorkommen. Es ist ja nur, daß die Kinder es einmal gesehen haben. Das ist ja fürs ganze Leben. So was kriegen sie nicht wieder zu sehen. Es soll ja kein Mensch mehr hingerichtet werden.«
»Wer hat Ihr das wieder vorgeschwatzt?«
»Sie können's mir ganz gewiß glauben, Herr Geheimrath. Das ist die letzte Hinrichtung, hat der König gesagt. Und sie haben ihn beinah zwingen müssen, daß er nur die Feder in die Hand nahm. Die junge schöne Königin hat geweint. Und da hat er sie gefragt: Aber Louise, warum weinst Du denn? Denn unter sich sagen sie immer du! und es kommt Einer zum Andern, ohne daß die Kammerherren anklopfen und sie melden, und darüber ist die Hofmarschallin, die alte Gräfin Voß, ganz aufgebracht. Aber das thut nun nichts. Es wird Alles noch ganz anders werden, sagen sie; und gar nicht wie beim Dicken. Die Livreen werden auch anders. Und alle Menschen sollen Brüder sein, und alle Frauenzimmer Schwestern ...«
Der Geheimrath intonirte, wie durch eine Erinnerung geweckt, plötzlich das Lied, indem er mit den Fingern auf dem Knie den Takt schlug:
»Wir Menschen sind ja alle Brüder.
Vereinigt durch ein heilig Band,
Du Schwester mit dem Leinwandmieder,
Du Bruder mit dem Ordensband!«
Das Kindermädchen warf einen schlauen Blick: »Gestern hinterm Gitterfenster auf dem Hofe – da sangen's Herr Geheimrath viel lauter.«
Die Erwähnung schien dem Geheimrath unangenehm: »Das versteht Sie nicht. Es ist allerdings gegen die Humanität, einen Menschen ums Leben zu bringen. Aber, wie gesagt, das versteht Sie noch nicht, und das ist nur unter uns, und wie sollten wir denn die Spitzbuben los werden und die atrocen Menschen. Laß Sie sich also so was nicht einbilden, und die Königin –«
»Ja, Herr Geheimrath, die Königin, das weiß ich expreß von Jemand, der es weiß, vom Commissar die Köchin, die hat beim Doktor, der die Hoflakaien kurirt, vorher gedient, und da hat sie's von der Mamsell, die beim Hofmarschall ist, mit eigenen Ohren gehört, zum König hat sie's gesagt, die Königin, sie könnte ihm ja keinen Kuß geben, weil seine Hände voll Blut wären, und nur diesmal, hat er gesagt, hätte er's thun müssen, weil's eine Kindesmörderin wäre, nämlich von wegen des Beispiels, weil's sonst Alle thäten. Aber dann soll Keiner mehr geköpft werden, und dies ist das letzte Mal, und darum verdienten's wohl die Kinder, daß ich sie hinführte, denn es soll auch gar kein Blut mehr fließen, und kein Krieg mehr sein, auf der ganzen Welt nicht, und der König hat's gesagt.«
»Aber sage Sie mal, Sie ist doch eine vernünftige Person« – der Hausherr war aufgestanden, um ihr zu beweisen, daß sie diesmal unvernünftig sei. Das ist überall eine schwierige Aufgabe, wo die Person, welcher man es beweisen will, sich für vernünftig hält. Sie musste überdem eine gute Royalistin sein; denn auf die Vorstellung des Geheimrathes, daß so etwas gar nicht in des Königs Macht stehe, ja nicht in des Kaisers, auch nicht in der Macht des großen Feldherrn und Konsuls der Franzosen, erklärte sie, wozu denn ein König wäre, wenn er das nicht mal könne! Der König könne aber noch weit mehr, wenn er nur wolle; es gäbe aber Personen, die viel klüger sein wollten, als der König, und alles besser wissen und machen, und sie wisse auch, was sie gehört, und könnte manches sagen was Mancher nicht gern hörte. Und wer nur gestern Abend sein Ohr aufgehabt hätte im hintersten Hofe und unterm Gitterfenster gehorcht, was die Gefangenen gesungen. Davon könnte manches Vögelchen Lieder singen, die Manchermann gar hässlich klingen würden!
»Sie unverschämtes – ich glaube gar, Sie hat getrunken!«
»Ich getrunken! Habe ich das um den Herrn Geheimrath verdient, als ich gestern Abend gar nicht sah, wie Sie die Treppe herauskamen, die kleine Hintertreppe, und nicht wussten, wo die Thür war? Ich getrunken! Ein Glas Weißbier setzten mir der Herr Wachtmeister von Prinz Louis-Dragonern vor, und das trank ich, der Kinder wegen, denn wir waren außer Athem, weil die Leute so grausam drängten, und so hob der Herr Wachtmeister die Kinder über die Lyceumshecke, und ich quetschte mich durch die Hecke, und da sagte der Wachtmeister, ich sollte erst einen Pomeranzen mit ihm über die Lippen nehmen, weil ich so echauffirt wäre. Das kann der Wirth im blauen Himmel bezeugen; der sagte, wir zerträten ihm seine Hecke und er war betrunken. Aber wo wären wir alle, und die lieben Kinder, die schrien, daß es ein Gotts Erbarmen war; aber der Wachtmeister gab's dem Wirth, daß er mäuschenstill ward. Ich hätt's nicht gerathen, mit dem anzufangen. Er hat die Rheincampagne mitgemacht und trägt noch eine Kugel in der Schulter, Alles für seinen König! sagt er, und wenn Friede bleibt, kriegt er eine Civilanstellung.«
Es war eine Veränderung in dem Geheimrath vorgegangen. Von Zorn keine Spur mehr in seinem Gesichte, als er aus der emaillirten Dose ein lange Prise Spaniol nahm, und mit dem Battisttuch den Tabak, der sich ausgestreut, von den Kleidungsstücken abklopfte, und »Ja, ja, so geht's in der Welt!« sagte. Man sah, zwischen Beiden hatte ein langer Verkehr eine Verständigung hervorgebracht, die gewissermaßen in hieroglyphischen Ausdrücken sich Luft machte. Und Jeder verstand den Andern. Offenbar war er an etwas erinnert worden, was er nicht liebte, und ebenso offenbar, daß Charlotte auf einen andern Gegenstand übergesprungen war, entweder, um ihm die Verlegenheit abzukürzen, oder weil dieser Gegenstand für sie einen Zweck hatte.
Und doch schien der Geheimrath nicht recht zu wissen, was er sagen sollte, indem er mit einem Finger um den andern ein Rad schlug. »Ja, sieht Sie, Charlotte,« sagte er, »wer das wüsste, ob Friede bleibt, oder's wieder losgeht. – Und hat Sie auch das bedacht, ein Kavallerist riecht immer nach dem Stall« – wollte er sagen, oder hatte es gesagt –
Zweites Kapitel.
– Als die Seitenthür aufging, und die Geheimräthin Schwägerin hereinrauschte.
Rauschte, sage ich, denn ihr hellseidenes Kleid, obgleich die Schleppe abgeschnitten, bauschte noch immer in reichen Falten hinter ihr.
»Ich hoffe doch nicht zu derangiren,« sagte die Dame, als der Geheimrath in einiger Verlegenheit aufsprang, und die Spanioldose auf die Erde fiel. Wenn sich Charlotte in Verlegenheit gefühlt, fand sie Gelegenheit, sie zu verbergen, indem sie die Dose auflangte, und mit dem zusammengefegten Tabak in der Schürze das Zimmer verließ.
»Wie kann meine theure Frau Schwägerin mich überraschen!« sagte der Ueberraschte.
»Die Ueberraschung ist nicht ganz meine Schuld, denn der Herr Schwager hörten in dem konfidentiellen Gespräch, was ich zu meinem Bedauern stören musste, nicht mein Klopfen. Da musste ich endlich, ohne auf die Invitation zu warten, eintreten, denn ich liebe nicht das Lauschen.«
Er drückte in verbindlicher Weise ihre Finger an die Lippen und führte sie auf das Canapé.
Ob die Finger besonders spitz waren, kann ich für jetzt nicht sagen, denn sie waren in Tricothandschuhen versteckt, und während die eine Hand an den Lippen des Geheimraths ruhte, umfasste die andere den Fächer, um das Spiel zu beginnen, was bei einer Konversation auf dem Canapé nothwendig ist.
Aber das ganze Gesicht war, was man spitz nennt. Vielleicht hätte man auch die kleine Gestalt der Dame so nennen mögen, indeß war ein Etwas darin, entweder nenne ich es Anmuth oder Elasticität, was diesen Eindruck verwischte, Alabasterarbeit hätte ein Dichter oder Künstler gesagt, der erst der Hauch des Gedankens oder Gefühls Farbe und Bewegung giebt. Weder jung noch alt, weder schön, noch eigentlich hübsch, konnten doch ihre dunkeln kleinen beweglichen Augen, wenn sie aus den blonden Augenbrauen besondere Blicke schossen, anziehen. Es war schwer zu sagen, wovon diese Blicke sprachen, ob von Verstand, Gefühl, Sinnlichkeit, ob sie stachen, suchten, lockten, ob sie aus einer beglückten oder zerissenen Brust kamen. Sie konnten einen sehr verschiedenen Glanz annehmen, nur nicht den der ursprünglichen Wahrheit, jenen Glanz, der auf den ersten Blick einnimmt und überzeugt. Man sah in diesen Augen, daß sich die Gedanken und Gefühle erst sammeln mussten, um ihrem Blick den Ausdruck zu geben, den sie wollte. Es war überhaupt etwas Besonderes in der Frau; es lag in ihrem Wesen Ruhe und Unruhe. Man konnte sie in diesem Augenblick für sehr bedeutend, im nächsten für ein gewöhnliches Weib halten. Ihre Kleidung war einfach aber gesucht; zwischen der zu Grabe getragenen Rokokomode und dem griechischen Ideal, das Mode geworden. Kurze eng anschmiegende Aermel, ein weit ausgeschnitten Kleid mit kurzer Taille, die eine rosaseidne Schärpe noch mehr hervorhob, aber ein Ueberwurf um die Schultern und die langen Handschuhe suchten die Entfaltung der griechischen Nacktheit wieder zu verbergen.
Der Geheimrath entschuldigte sich wegen seiner Toilette. Er hatte Ursache. Die Geheimräthin sagte lächelnd, sie hätte für dieses Aeußerliche keinen Sinn. Aber während er seine Füße in den Pantoffeln zu verstecken suchte, ohne sich doch der Bemerkung enthalten zu können, daß er sich von ihnen nicht trennen könne, weil sie noch von seiner seligen Frau gestickt wären, verbarg die Geheimräthin keineswegs ihre sehr zierlichen Füße auf dem Schemel, als sie mit der sanften, fast süßen Stimme, durch die nur zuweilen ein seiner, schneidender Ton fuhr, sagte:
»Man muß gestehen, daß der Herr Schwager die Treue gegen die selige Geheimräthin bis zum Exceß kultiviren.«
»Und wie geht es denn meinem theuern Bruder, dem Geheimrath?« seufzte er. »Wir haben uns so lange nicht gesehen. Ach Gott, wir Geschäftsmänner!«
»Er ist in seinen Büchern vergraben.«
»Er kultivirt nicht das Leben,« fiel der Hausherr ein. »Ich hatte immer gehofft, daß eine so spirituelle Frau ihm einen Elan geben würde.«
»Passons là-dessus,« sagte die Geheimräthin, mit einer eigenthümlichen Bewegung des Fächers. »Ich begreife freilich zuweilen nicht, warum eigentlich die Männer auf der Welt sind, die sich nichts aus ihr machen. Aber ich bin gewissermaßen in seinem Auftrage hier.«
»Von einem Gelehrten wie er weiß ich diese Attention zu schätzen. Warum musste er aber neulich wieder ablehnen? Zu einer einfachen Suppe, à la fortune du pot, ein Paar gute Freunde nur.«
»Lupinus sagt, er verdirbt sich bei Ihnen immer den Magen.«
»Scherz, Scherz! Spanische Suppen kann ich freilich nicht vorsetzen, auch ist mein Malaga, mein Hochheimer, kein Falerner. Nichts als was ein armer Mann bieten kann. Müssen uns alle nach der Decke strecken, aber herzlich gegeben und – gut gekocht.«
»Wenn Ihre Charlotte will, kocht sie trefflich,« sagte die Geheimräthin mit einem jener Blicke, von denen wir sprachen – »Sie werden sich schwer von ihr trennen können,« setzte sie langsam hinzu. »Sie werden sich vielleicht nie von ihr trennen wollen.«
Der Blick und die Beobachtung hatten für den Geheimrath etwas, was ihn aus seiner Ruhe brachte.
»Liebste Schwägerin, in meiner Lage – in meinen Dienstverhältnissen, begreifen Sie, muß ich dann und wann kleine Diners arrangiren – man muß sich Freunde – man muß die Gönner warm halten. Einer hilft dem Andern. Es geht einmal nicht anders.«
»Das begreife ich vollkommen,« sagte die Schwägerin mit dem gedehnteren Tone, »aber zu Ihren Diners bestellen Sie ja die Schüsseln beim Koch Corsika.«
»Das wohl, in der Regel wenigstens, – indessen –«
»Essen Sie auch gern zu Hause gut. Und damit Sie immer gut gekocht bekommen, ist Ihnen darum zu thun, daß Charlotte immer bei guter Laune ist. Der Kalkul ist richtig, nur verdenken Sie es Ihrer Familie nicht, wenn sie einen andern macht –«
»Welchen, meine verehrteste Schwägerin?«
»Mon beau-frère,« sagte die Geheimräthin, mit dem Fächer einige kurze bedeutungsvolle Schläge durch die Luft führend, »die Familie hofft, daß Sie ihr nicht den Chagrin anthun werden, die Person zu heirathen.«
Der Geheimrath wurde roth, aber nicht sehr, er klatschte mit beiden flachen Händen auf die Kniee und seufzte: »Ja – man wird doch auch mit jedem Jahr älter. Und eine Pflege wie ich sie nur wünschen kann.«
»Herr Geheimrath, aber eine Mesalliance!«
»Mais, ma belle soeur! Adam war unser Aller Vater. Neulich am Klavier, ich hätte meine Schwester embrassiren mögen, Sie sangen es zu allerliebst:
Als Adam grub und Eva spann
Wer war denn da – der erste Geheimrath?«
Er begleitete es durch ein angenehmes Gelächter.
»Es ist also vollkommener Ernst!«
»Ernst, theuerste Schwägerin! Ich hielt' es für einen deliciösen Scherz, wenn es von der Kanzel stürzte: Der königliche Herr Geheimrath Lupinus mit der ehrsamen Jungfrau Charlotte Philippine, Katharine, Tochter des ehrbaren –, was weiß ich, wer ihr Vater war, wenn sie einen hat. Ma belle soeur, wie hätten sie die Köpfe zusammen gesteckt, wie wären sie aus dem Dom gestürzt! Diese Gruppen unter den Pappeln, Nachmittags die Kaffeeklatsche. Und nun denken Sie sich, Schwägerin, Charlotte und ich im Wagen und unsre Vorfahrvisiten! Vierzehn Tage kein ander Gespräch. Und das Hochzeitmenuett! Sanft gebannt – an ihre Hand – durchs Leben – schweben!«
Die Dame war sehr ruhig geworden: »Mais, mon beau-frère, warum haben Sie es aufgegeben?«
»Mon Dieu, wer sagt Ihnen, daß ich es aufgab!«
»Ein witziger Einfall, über den man nachdenkt, ist keiner mehr.«
»Es geht doch nichts über einen sublimen Verstand. Ich werde mich hüten, sie zu heirathen.«
»Ich bin jetzt ganz getröstet, wenn Sie es thun. Wirklich, lieber Schwager. Die Person hat gute Eigenschaften und Ihre Erziehung –«
»Wenn ich sie heirathe, ist die Erziehung aus,« zischelte er ihr laut ins Ohr. »Sobald der Hochmuthsteufel in sie schießt, kocht sie nicht mehr, pflegt mich nicht mehr. Kurzum sie ist nicht mehr was sie ist, und darum müsste mich ja der – Excus! wenn ich meine gute Charlotte aufgäbe, um eine schlechte Geheimräthin draus zu machen. – Man wirft so gemüthliche Redensarten hin, möglich, es könnte sein – wenn nur nicht das und das wäre, wünscht ihr den besten Mann, aber klopft ihr auf die Schulter, sich nicht zu übereilen, es würde sich wohl noch alles anders und besser finden, als Mancher denkt. Et caetera.«
Nach einer Pause, während sie auf ihre spitzen Finger gesehn, sagte die Geheimräthin: »Aber die Person ist auch klug. Sie merkt es. Lieber Schwager, kein Mann ist so klug, daß nicht eine Frau, die er beständig um sich hat, ihm die schwache Stunde abmerkt. Schlingen sind nun einmal die Waffen unserer Schwäche; es ist in der Natur. Entweder entschließen Sie sich und heirathen sie, oder brechen Sie schnell.«
»Das kann ich nicht, c'est absolument impossible! 'S ist wahr, Corsika kocht gut, 's kocht keiner so in Berlin. Das heißt en general – mais –! Was hilft mir das, wenn die Gäste fortgehen und sagen: es war alles recht fein, aber man weiß von nichts besonderm zu sprechen, nichts hat einen Eindruck hinterlassen. Das ist gleichsam ein verlorener Tag. In der Charlotte, verzeihen Sie mir, ist ein Genie. 'S ist nicht zu leugnen, Manches verdirbt sie, aber plötzlich mit einem Elan hat sie eine Komposition gefunden, parbleu! Erinnern Sie sich noch des Rebhühnerfricassés mit farcirten Trüffeln! Da war doch nur eine Stimme. Noch acht Tage drauf, als wir bei Excellenz Schulenburg-Kehnert am Tisch saßen, sprach Lombard davon. Sein Koch hat's versucht, der Englische Gesandte auch, es schickten noch mehrere ihre Köche. Warten Sie – ça ne fait rien. Es hat's Keiner rausgekriegt. Und wär's auch nur um Lombards Willen. Es war ein glücklicher Tag, als er mir beim Abschied die Hand drückte. Ich weiß es, Lombard hat viele Feinde, aber in der Freundschaft und – und in gewissen Ideen hat er eine gewisse constance, persévérance. Man kann wohl sagen, 's ist ein Mann von einem nobeln Esprit, ein Mann comme il faut.«
»Schade, daß Lombard verreist ist,« sagte die Geheimräthin, »ich meine schade für Sie.«
Es war wieder ein so eigener Ton, eiskalt und bitter wie der Blick, der den Geheimrath traf – und sie brach so scharf ab, daß die Wärme und Gemüthlichkeit, welche die Erinnerung der Trüffeln und Rebhühner angeregt, plötzlich gedämpft war.
»Mein Gott, belle soeur, Sie kommen –«
»Von meinem Mann geschickt. Was ist denn das mit den Gefangenen in der Vogtei, und den eingeschmissenen Fensterscheiben? Mein Mann hofft, daß Sie dabei außer dem Spiele sind.«
Wir wissen, daß diese Erinnerung für den Geheimrath zu den unangenehmen gehörte. Die Rosenlinien der Freude verzogen sich auf seinem Gesicht in graue Runzeln. Er schlug auch etwas die Augen nieder.
»Ma belle-soeur wissen, daß ich immer ein Herz habe für die Leiden der Menschheit. Was an mir ist, thue ich, um das Schicksal der armen Gefangenen zu erleichtern.«
»Sie sollen unerhörte Freiheiten genießen. Neulich bei Präsident Kircheisen ward behauptet, sie kämen Abends frei zusammen und spielten Hazardspiele, ja Einer hielte förmlich Bank.«
»Um die Humanität zu fördern drücke ich ein Auge zu. Die inneren Thüren lassen sie sich zuweilen aufschließen. Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei, und unter Gottes Himmel sind wir Alle –«
»Und zwischen den Mauern der Vogtei!« fiel die Geheimräthin ein. »Gestern Abend –«
»Sehn Sie, theuerste Schwägerin, da hatte ich eine rechte Freude. Sie schickten eine Deputation an mich mit der Bitte, ihnen eine kleine, gewissermaßen religiöse Celebration zu gestatten. Da morgen, als heute, ein menschliches Mitwesen, eine irrende Schwester, gewaltsam aus dieser Welt gerissen werden sollte, wollten sie den Abend nicht ohne stille, ich möchte sagen sympathetische Betrachtung hingehen lassen. Ich war wirklich gerührt über dieses Zeichen edler Empfindung unter meinen Kindern, wie ich sie gern nenne.«
»Sie waren also selbst bei dem – sogenannten Festin?«
»Sie erzeigten mir die Ehre mich einzuladen. Ach, aber so bescheiden. Und ich versichere Sie, ich fand eine Stimmung, die einer Kirche Ehre gemacht. Und die Arrangements so sinnreich und einfach. Der Regimentsquartiermeister, der bei der Lichtenau da im Marmorpalais als Dekorateur und Maschinist gearbeitet hatte – ein unglücklicher Mensch, er mag geirrt haben, wer irrt nicht! – konnte um lumpige 10,000 Thaler die Quittungen nicht aufweisen! Lieber Gott, wenn man für Alles Quittungen verlangte, was zur Zeit der Comteß Lichtenau ausgegeben ist! Ein charmanter Mann sonst, sage ich Ihnen, von so philosophischer Ruhe. – Das kleine Zimmer war griechisch drapirt, et aussi un peu gothique. Hinten ein Opferaltar; in Spiritus brannten die Flammen empor zu dem Triangel, aus welchem das Auge der Allwissenheit auf uns herabblickte. Der Rendant vom Salzsteueramt –«
»Der in Hamburg ergriffen ward, als er sich einschiffen wollte?«
»Ein Opfer der Mißverständnisse. Er hatte die beste Absicht, von London aus den kleinen Irrthum auszugleichen, – sonst ein Mann von Charakter, sublimen Ideen, ist auch Maçon. In einem weißen Talar, eine Binde um die Stirn, hielt er eine Rede; ich wünschte, Sie hätten sie gehört; wie ließ er die irrende Schwester beten! Ach aber, wie das kleine Kind, das der Mutter voraufgegangen, die Arme ausbreitete und im Namen der Allmacht sprach: Mutter, Dir ist vergeben! die Seligen warten auf Dich! – da blieb kein Auge trocken.«
»Und nachher haben sie getrunken?«
»Die Gesellschaft hatte einige Flaschen besorgt. Das Herz schloß sich unwillkürlich auf. Man durfte sich doch nicht lumpen lassen. Ich ließ ein Dutzend Hochheimer bringen. Ich sage Ihnen, diese Empfindungen, die sich da aufschlossen! Da war doch kein böser Gedanke, nichts als die reinste, allgemeine Menschenliebe, und wäre nicht der verlorene Mensch, der Sohn des Geheimraths Bovillard, dazwischen gekommen, so wäre auch alles ganz gut abgelaufen.«
»Lässt ihn der Vater noch immer einsperren?«
»Nein, er sitzt jetzt wegen des letzten Skandals mit dem Gensdarmerie-Offizier. Dieser Taugenichts verdirbt mir eigentlich die Harmonie in meiner Gesellschaft. Indessen man hat doch Rücksichten wegen des Vaters.«
»Gewiß, und sehr ernste.«
»Und unser Hofrath Süßring, Sie kennen den exzentrischen Kopf. – Bös ist er nicht, nur wenn er etwas im Kopfe hat. Ich vergaß Ihnen zu sagen, man war so froh geworden, man sah das Opferfeuer brennen. Man wollte sich daran wärmen. Man machte den Vorschlag, an der Flamme das Getränk der Freiheit zu brauen, das aromatische der Engländer, das unser Schiller so herrlich besungen hat –
Vier Elemente, innig gesellt!«
»Man kochte eine Bowle Punsch, das weiß ich auch, und sehr starken.«
»Süßring, der eigentlich in Glatz sitzen soll, aber er ist kränklich und kann die freie Bergluft nicht vertragen. Belle-soeur wissen ja, durch welche Konnexionen – und er ist auch eigentlich unschuldig. Es war nur der Punsch. Sprang er plötzlich auf den Tisch –«
»Und hielt eine seiner bekannten republikanischen Reden.«
»Es sollten keine Kerker und Festungen mehr sein, die Eisenstäbe sollte man zerbrechen und die Schwerter auch, und als er das Lied sang und wir einfielen:
Allen Sündern soll vergeben
Und die Hölle nicht mehr sein!«
»Da schmissen sie mit den Gläsern die Fenster ein.«
»Nein, da sprang Bovillard erst auf den Tisch. Den eigentlichen Zusammenhang weiß ich wirklich nicht mehr, aber in seiner Barocksprache rief der tolle junge Mensch: wenn wir die Hölle zerstörten, wo wir denn bleiben wollten! Nun, ich sage Ihnen, einen Gallimathias plein de romantique, daß uns Hören und Sehen verging.«
»Ich glaube Ihnen wirklich, daß Sie beides nicht mehr konnten.«
»Durch die Unart dieses einen einzigen Menschen ward uns ein Abend gestört – meine Schwester, das Menschenleben ist nicht reich an solchen Abenden voll Harmonie der Seelen. Und der Mond stand draußen und schien so friedlich durchs Gitterfenster.«
»Der Mond wird auch vermuthlich stehen geblieben sein,« sagte die Geheimräthin aufstehend, »wo blieben denn aber der Herr Schwager?«
Sie machte Miene zum Gehen und er beugte sich, um wieder ihre Hand an die Lippen zu führen: »Homo sum, nil humani a me alienum puto, sagt Terenz, theuerste Schwägerin. Fragen Sie meinen Bruder, was das heißt. Im Uebrigen – abgeschüttelt!«
»Meinen Sie, Geheimrath? In der Stadt ist man anderer Meinung. Man spricht davon, daß Sie die Ihnen obliegende surveillance über die Gefangenen schlecht beobachtet.«
»Man hat schon viel über mich gesprochen. Qu'importe!«
»Wenn man aber auch bei Hofe davon spricht. Auch im Palais. Auch wenn der König entrüstet ist. Auch wenn Kabinetsrath Beyme auf der Stelle an den Justizminister schreiben müssen, daß die Sache untersucht wird. Herr Schwager, es ist kein Spaß, warum ich hier bin, es handelt sich um Ihre Existenz.«
Der Geheimrath war zusammengefahren wie die Sinnpflanze bei der menschlichen Berührung. Sein Gesicht war blaß, seine Vollmondswangen schienen wie welk herabgesunken. Er öffnete die Lippen und wollte sprechen, aber die Zähne, die in eine unwillkürliche Berührung geriethen, stammelten nur die Formel: »Mein allerdurchlauchtigster König, mein allergnädigster König und Herr!«
»Ist eine Natur, die wir Alle eigentlich noch nicht kennen, aber in gewissen Dingen hat er sich außerordentlich streng gezeigt.« So sagte die Geheimräthin Schwägerin, die ruhig vor dem Zerknickten stand.
Der Geheimrath stammelte noch etwas von geheimen Feinden, und nachdem er einige Schritte gethan, fiel er auf seinen Armsessel.
»Von Feinden weiß ich nichts,« sagte die Schwägerin, »im Gegentheil, Sie haben sich viele Freunde durch Ihre Diners gemacht, und es trifft sich nur sehr unglücklich, daß Lombard nach Frankreich ist. Aber sich in den Sorgenstuhl zu werfen, ist nicht Zeit, mon beau-frère! Ihre Freunde können wenig, Sie müssen selbst etwas thun, und auf der Stelle. Ihr Zopf ist noch gut, die Frisur passirt für den Abend. Werfen Sie sich in Ihr Habillement.«
»Mein Gott, doch nicht zu Seiner Majestät!« rief er aufspringend und rang die Hände.
»Auch nicht zum Justizminister. Ich rathe Ihnen auch nicht, Haugwitz zu inkommodiren. Aber zu Bovillard müssen Sie. Schnell, schnell, Herr Geheimrath. Er vertritt Lombard beim Minister Mein Mann hat schon etwas vorgearbeitet.«
»Zu Bovillard! ja, zu Bovillard! Aber, mein Gott, was wird er sagen!«
»Wenn Sie von seinem Sohne sprechen, wenn Sie auf ihn die Schuld schieben wollen, würden Sie alles verderben. Sie müssen ihn ganz ignoriren. Verstehen Sie mich; diese Schonung kann nur den Vater gewinnen, denn Vater bleibt er. Daß er von ihm erfahren soll, überlassen Sie Andern. Sie exkulpiren sich nur für sich. Das Wie überlaß ich Ihrem Genie, wie Sie jetzt Ihrer Toilette.«
Sie war hinausgerauscht und der Geheimrath wankte nach seinem Kleiderschrank.
Drittes Kapitel.
Die Geheimräthin stieg die Hintertreppe hinab, auf der sie gekommen. Sie ging langsam, oft, schien es, in Gedanken versinkend.
Auf dem Podest blieb sie stehen, von wo man einen Blick durch ein Wandfenster in die Küche hat. Charlotte spielte mit den Kindern, oder vielmehr die Kinder spielten mit Charlotte. Sie zupften sie vom Herde fort. Malwine wollte ihr etwas ins Ohr sagen, derweil kletterte das Fritzchen heimlich auf den Herd und schüttete die Salzmetze in die Kasserolle. Malwine fing plötzlich an zu lachen und ätschte das Mädchen aus, Fritzchen war mit einem Satz vom Herde auf ihrem Rücken und umschlang ihren Nacken mit den Armen. Sie sträubte sich, schimpfte und suchte den Alp los zu werden, die Kinder tobten, sie schlug.
Eine charmante Erziehungsscene, dachte die Geheimräthin und unwillkürlich entschlüpfte es ihren Lippen: »Es wäre eigentlich nicht so übel, wenn der liebe Gott die Kinder zu sich nähme!«
»Warum den inkommodiren!« sagte eine Stimme dicht hinter ihr. Ein Fremder, in seinen Mantel geschlungen, der vom Regen triefte, stand auf der Stufe neben ihr. Sie hatte ihn nicht bemerkt, als er vom Hofe die Treppe heraufkam. Auch erlaubten ihr die hereinbrechende Dunkelheit und der Mantelkragen nicht, das Gesicht zu sehen, als er im Vorbeigehen den Hut lüftete. Es lag etwas Unheimliches für sie in der Begegnung. Wer lässt sich gern in seinen Gedanken belauschen.
»Wenn nur keine schädliche Substanz in dem Gefäß war,« setzte der Fremde hinzu.
»Wie meinen Sie das?«
»Der Muthwille der Kinder könnte unschuldige Personen in Verdacht bringen.«
»Das einzige Unglück wäre doch nur, daß er heut Abend eine versalzene Suppe auf den Tisch bekommt,« bemerkte die Geheimräthin, die, schnell zu sich gekommen, ihre Unruhe nicht merken ließ.
»So treffe ich den Geheimrath zu Hause, was mir sehr angenehm ist,« entgegnete der Fremde, noch einmal den Hut anfassend, um die Treppe hinaufzusteigen.
»Dies ist nicht der eigentliche Weg zu ihm,« konnte die Geheimräthin sich nicht enthalten zu bemerken. »Auf der Vordertreppe begegnen Sie der Bedienung, um sich melden zu lassen.«
»Meine Botschaft kommt wohl gelegener über die Hintertreppe.«
»Auch wenn er zu Hause wäre, zweifle ich, daß ihm überhaupt Besuch gelegen kommt, da er selbst im Begriff ist, einen zu machen.«
»Ich weiß es,« entgegnete der Fremde, »und wenn auch nicht mein Besuch, wird ihm doch mein Rath nicht ungelegen kommen. Ich habe die Ehre, mich der Frau Geheimräthin gehorsamst zu empfehlen!«
»Seltsam!« sprach die Geheimräthin für sich, als der Fremde mit sichern, leichten Schritten die Treppe hinaufgestiegen war. »Er kennt mich. Wer ist er? Er kommt gewiß in der Angelegenheit – was kann er aber für Rath bringen!«
»An der Hofthür stürzte ihr ein gewaltiger Platzregen entgegen. Ihre Kutsche hielt auf der Straße vor der Hausthür. Sie überlegte, ob sie einen Versuch machen sollte, durch die wahrscheinlich schon verschlossenen Bureaus sich einen trockneren Weg nach dem großen Hausflur zu suchen, als ihr Bedienter mit einem Regenschirm ihr entgegen trat. Auf ihr Befremden darüber, da sie beim Ausfahren keinen mitgenommen, antwortete der Diener, der fremde Herr, welcher eben durchgegangen, habe ihm den seinen zurückgelassen, mit der Bemerkung, ihn für die Frau Geheimräthin zu benutzen, damit sie über den Hof in ihren Wagen könne.«
»Kennt Er den Herrn?« fragte sie beim Einsteigen.
»Ich habe ihn nie gesehen.«
»Seltsam!« wiederholte die Geheimräthin nachdenkend. Nicht alle Gedanken drücken sich auf dem Spiegel des Gesichts aus, und in einer dunklen Kutsche, nur erhellt von einem ungewissen Laternenlicht, wenn der Regen gegen die Fenster schlägt, lässt sich auf diesem Spiegel noch weniger lesen. Dem Dichter ist es indeß zuweilen vergönnt, eine andere Sonde in die Brust zu senken, wie er ja auch Geister und Träume citirt, wo er der Vermittler zwischen dem Reich des Unsichtbaren und des Sichtbaren bedarf.
Sie sann dem Fremden nach. Seine äußeren Umrisse waren ihr verwischt, nur war es ein blasses Gesicht mit scharfen, tiefliegenden Augen, dessen konnte sie sich entsinnen. Sie hatte ihn noch nie gesehen. Doch es waren damals viele Fremden in Berlin; auch hatte der Ton seiner Stimme etwas Ausländisches. Aber was wollte er bei ihrem Schwager? Wirklich einen guten Rath geben? Wenn auch der Geheimrath nicht eben persönliche Feinde hatte waren doch Viele, die auf sein einträgliches Amt lauerten. Weshalb sollte sich ein Fremder gedrungen fühlen, gerade ihrem Schwager zu helfen! Aber sie vertiefte sich im Aufzählen, wer wohl ihm auf den Dienst lauern könnte, bis ein leises Gelächter aus ihren feinen Lippen brach.
Die Geheimräthin fragte sich, woher denn ihr eigener Antheil an dem Geschick des Geheimrathes kam? – Achtete sie ihn? liebte sie ihn? Oder weil er der Bruder ihres Mannes war? Was war ihr ihr Mann? – Ein Mann, der sich in seiner Bücherstube vergrub, wo die Welt umher für ihn lachte!
Man hätte jetzt eine Röthe sehen können über ihr blasses Gesicht steigen. Und um eine solche Familie Sorge und Anstrengung, darum Intriguen, damit eines ihrer Mitglieder nicht zu Schaden komme! Sie kam sich selbst in dem Augenblick so ordinair vor.
Die Kutsche hielt vor ihrem Hause. Der Diener öffnete den Schlag. Er schien aus ihren Mienen ihre Bestimmung lesen zu wollen. Sie warf einen Blick auf die erleuchteten Fenster: »Herr Geheimrath erwarten Frau Geheimräthin zum Piquet.« – Sie hatte schon einen Fuß auf dem Tritt und blieb einen kurzen Augenblick stehen, als thue der Regen, der in unverminderter Heftigkeit fiel, ihr wohl, dann warf sie sich in den Wagen zurück und befahl: »In die Komödie!«
Die Stadt war noch immer aufgeregt von dem Schauspiel am Mittage. Es war seit lange keine Hinrichtung vorgefallen. Die Heimgekehrten kamen erst jetzt aus den Schenken zurück, es gab mancherlei Unruhe, kleine Aufläufe, Verhaftungen. Der Kutscher zog es, der tobenden Menschenschwärme wegen, vor, durch eine der Quergassen zu fahren, welche herrschaftliche Equipagen sonst vermeiden. Auch hier stopften sich die Fuhrwerke, und die Dame hatte Gelegenheit, durch die Kutschenfenster ein Schauspiel zu betrachten, was Frauen ihres Standes sonst nicht aufsuchen – an den hell erleuchteten und grell drapirten Fenstern der kleinen Häuser die Schönheiten, welche sich den Vorübergehenden zur Schau stellen.
Sie schlug die Augen nicht nieder und wandte den Blick nicht ab. Sie fühlte auch kein Mitleid mit den armen Geschöpfen: Sie schlürfen des Lebens Gluth in vollen Zügen, aus einem Taumel in den andern gestürzt, kaum dazwischen erwachend, bis sie verwelken und man sie fortwirft. Und das ist unser Aller Loos – ob früher, ob später? Was kommt es darauf an. Wer nur sagen kann: er hat sein Leben genossen!
Das Komödienhaus war nicht gefüllt. Die Geheimräthin saß allein in ihrer Loge. Ihr schien das Haus dunkel. Es war nicht dunkler als gewöhnlich. Die Talglichter, die der Lampenputzer vor den Augen des Publikums ansteckte, duldeten auch keinen entfernten Vergleich mit dem Glanz der Theater von heut. Man sah wohl damals schärfer, denn man sah mehr, aber das Licht kam aus der Darstellung, versichern uns Die, welche aus jener Zeit das deutsche Theater kennen. Für die Geheimräthin aber blieb es dunkel, obgleich Fleck als Odoardo seine ganze adlige Kraft entfaltete, die spätere Händel-Schütz als Orsina das Publikum entzückte. Lessings Meisterwerk schien ihr an einem Etwas zu lahmen, das sie sich nicht erklären konnte; der jungen Schauspielerin, welche die Emilie zum ersten Male gab, hätte sie nachhelfen mögen. Wenn sie sich Rechenschaft gab, war es aber nicht die Schauspielerin, sondern sie hätte ihrer Rolle, ihrem Charakter eine andere Richtung geben mögen. Ihre Phantasie beschäftigte sich, eine welche andere Rolle Emilie spielen können, selbst glücklich und beglückend, glänzend und Glanz um sich verbreitend, wenn sie den Pulsen folgte, die für den Prinzen schlugen. Eine welche andere Herrschaft über ihn blühte ihr als der stolzen Orsina, vermöge ihres Liebreizes, ihrer geistigen Vorzüge. Sie hatte es in ihrer Macht, auch dieses Prinzen Wankelmuth zu fesseln, und Tausende, ein ganzes Land glucklich zu machen. Und alles das vernichtet ein plumper Dolchstoß, der alle unglücklich macht und – die Thörin bat selbst darum!
Die Geheimräthin war gewohnt, in ihrer Loge Besuche zu empfangen. Entweder zeigte sich heut kein Bekannter, oder sie hielten sich entfernt. In einer Loge gegenüber, wo eine neu angekommene Schauspielerin von Ruf saß, hörte das Klappern der Logenthür nicht auf. Ihr war diese Störung unangenehm, das Schauspiel fing an sie zu langweilen. Sie besann sich, daß sie zwar die Einladung zu einer Gesellschaft heut Abend nicht angenommen, aber auch nicht abgelehnt hatte. Sie hatte nur gesagt, sie fürchte einer Migraine wegen nicht erscheinen zu können. Sie hatte, oder wollte jetzt keine Migraine haben und verließ die Loge.
Der Bediente hielt schon im Korridor ihre Enveloppe bereit. »Er zittert ja.«
Sie hätte kaum nöthig gehabt, sich nach dem Grund zu erkundigen, der Bediente war ja noch in denselben ganz durchnässten Kleidern, in welchen er auf dem langen Doppelwege aufgestanden. Der zugigte Korridor hinter den Logen war nicht geeignet, die Naßkälte zu vertreiben. Johann sagte, das Fieber sei noch immer nicht ganz fort. Die Geheimräthin erwiderte nicht unfreundlich, er müsste endlich etwas dazu thun.
Der Regen goß noch immer in Strömen, als sie wieder in die Kutsche stieg und Johann hinten auf. Der arme Mensch! dachte die Geheimräthin. Seltsam, daß es so sein muß! Es musste so sein; über diesen Damm kam sie nicht hinweg, ja sie lächelte über den närrischen Gedanken, daß sie Johann auffordern könnte, sich in den Wagen zu setzen. Aber sie dachte über die Zukunft des Menschen nach. Er litt nicht vom Regen, sondern an einer inneren Krankheit, deren gelegentliche Ausbrüche nur in Fieberanfällen sich zeigten. Sie glaubte etwas von der Arzneikunde zu verstehen und den Schluß ziehen zu dürfen, daß er nie vollständig genesen werde. Was wird nun aus solchem Menschen? Eine Zeitlang hält man es noch mit ihm aus. Wenn er aber immer wieder zurückfällt, muß man ihn entlassen. Dann findet er wohl noch einen Dienst. Aber auf wie lange? Die neuen Herrschaften werden nicht so lange Geduld mit ihm haben. Er wandert ins Krankenhaus, vielleicht ins Spital, vielleicht auf die Gasse. Und wäre es ihm nicht besser, wenn er durch einen Blutsturz, eine radikale Erkältung ein rasches Ende fände? Er ist auch eine verfehlte Existenz!
Sie schauderte und verfiel in ein Sinnen, dem die Ausdrücke fehlten, bis der Wagen vor dem erleuchteten Hause hielt.
Viertes Kapitel.
Der Eintritt der Geheimräthin in die Gesellschaft erregte einen allgemeinen Aufstand; es schien ein froher. Man hatte sie nicht mehr erwartet. Die Wirthin und einige Damen embrassirten sie; die älteren Herren bemühten sich, ihr die Hand zu küssen: »Nein das ist hübsch und liebenswürdig von Ihnen, uns doch noch zu überraschen!« – »Es wäre ein halber verlorener Abend gewesen ohne die Frau Geheimräthin,« sagte der Wirth. Ein Dritter: »Je später der Abend, so schöner die Gäste.« Es war eine ansehnliche, aber etwas bunte Gesellschaft, vielleicht eine, wo die Wirthe auch solche Verwandte und Bekannte gebeten haben, welche sonst sagen konnten: »Zu so etwas werden wir nicht eingeladen!« Die Geheimräthin war von der zuvorkommendsten Freundlichkeit. Man konnte auf den ersten Blick annehmen, daß sie, wenn nicht an Stand und Vermögen, doch von Natur und Bildung von feinerer Art, ein Wesen war, was man so gewöhnlich ein höheres nennt, wenn es in Kreise tritt, die sich ihrer Gewöhnlichkeit bewusst sind. Der Neid, den es hervorruft, zeigt sich in der Regel erst dann, wenn dies vornehme Wesen seine Eigenschaften geltend machen will. Dies war bei der Geheimräthin nicht der Fall. Sie konnte nicht liebenswürdiger, bescheidener, gewissermaßen harmonischer zur Gesellschaft auftreten; sie bedauerte so sehr den Aufstand, den sie erregt.
»Aber warum ist Ihr lieber Mann nicht mitgekommen? Wir sind ihm zwar unendlich verbunden, daß er sich entschlossen, unsere Frau Geheimräthin uns zu gönnen, aber es wäre doch hübsch gewesen, wenn er sich selbst entschlossen. Das hätte erst unsere Freude vollkommen gemacht.«
»Sie thun meinem Manne Unrecht,« entgegnete die Angekommene. »Wenn es nach ihm gegangen, wäre ich längst hier. Er kann es nicht sehen, wenn ich ein Vergnügen seinetwegen entbehre. Aber liebe Frau Geheimräthin,« – die Wirthin nämlich war auch eine Geheimräthin – »Sie glauben nicht, wie er jetzt mit Arbeiten überhäuft ist, und ich sehe mit wahrer Angst, wie er sich dabei anstrengt, daß sein Kopfleiden wieder heraustritt. So machte ich mir ein Gewissen daraus, ihn heut zu verlassen. Aber er hatte keine Ruhe. Wir wollten Piquet spielen; da legte er mit dem freundlichen Blicke, dem man nicht widerstehen kann, die Karten weg, streichelte mir über die Backe und sagte: Liebe Ulrike, ich werde viel mehr Ruhe haben, wenn ich Dich in heiterer, lieber Gesellschaft weiß. Du musst Dich aufheitern nur um meinetwillen. Da kann man denn nicht widerstehen.«
»Man muß gestehen, unsere Frau Geheimräthin Lupinus ist das Muster einer Hausfrau,« sagte der Wirth, »und diese Ehe eine exemplarische. Man wird nicht viele in Berlin so finden.«
»Mit Ausnahme jedoch!« sagte die Geheimräthin Wirthin, und die Geheimräthin Gast schlang sanft den Arm um ihre Schulter: »Ich kenne eine Ausnahme. Was unsere Ehe betrifft, so möchte ich ihr nur darin einen kleinen Vorzug beimessen, daß wir uns so innig verstehen, ohne es auszusprechen. Wir gehen eigentlich Jeder seinen eigenen Weg, was gewiß zu Mißdeutungen Anlaß giebt, aber Jeder fühlt für den Andern mit, er verfolgt ihn still in den Gedanken, Jeder ist unsichtbar beim Andern. Wir wissen oft nicht, woher diese Sympathie kommt, doch sie ist da. So in diesem Augenblick. Das Vergnügen, in dieser liebenswürdigen Gesellschaft zu sein, ist mir gestört, weil ich weiß, mein Mann hat nicht die Augen geschlossen und ruht nicht, wie er mir versprach, im Lehnstuhl aus, sondern er hat wieder seine Folianten vorgenommen, er vergleicht zwei alte Handschriften, er bückt sich über, er drückt die Feder, während der Angstschweiß ihm von der Stirne träuft, weil er sich die Abweichung einer Lesart nicht erklären kann. Ich sehe das Alles so deutlich vor mir, wie den Pique-As in Ihrer Hand –«
Sie fuhr sich leicht über die Stirn und erschrak über den Eindruck, den ihre Rede gemacht. Dabei kam ihr zu Sinn, daß die Gesellschaft ja durch sie vom Spieltisch zurückgehalten werde. Sie bat um Entschuldigung wegen ihrer unzeitigen Herzenseröffnung.
»Was kann eine schöne Seele Schöneres thun, als Andere ihre Empfindungen mitempfinden lassen,« lispelte eine Seele, die sich wohl selbst für schön hielt.
»Nennen Sie es lieber eine Schwäche,« schüttelte die Geheimräthin den Kopf. »Die Welt will nicht, daß wir uns geben, wie wir sind, und die Welt hat im Grunde Recht.«
Nun aber hatte sie auch keine Ruhe, als bis die Herrschaften sich niedergesetzt. Ein heiteres Vergnügen zu stören, erschien ihr immer wie eine Todsünde.
Sie hatte Recht. Wer die Karte zur Whistpartie in der Hand hält, lässt sich ungern stören, am wenigsten durch Hergensergüsse einer schönen Seele.
Einige hatten die Geheimräthin schon immer für eine Clairvoyante gehalten; die Clairvoyance war in der Mode. Andere meinten, sie sei nur von einer außerordentlich reizbaren nervösen Complexion. Man bedauerte sie, es gab wohl auch Andere, die sie darum beneideten. Hier lobte man sie, wie schonend sie das Verhältniß zu ihrem Ehemann darzustellen wisse, da Jedermann bekannt sei, ein wie eigensinniger Stubengelehrter der Geheimrath wäre. Sie sei gewissermaßen eine Märtyrerin ihres feinen Sentiments. Er bereite und gönne ihr kein Vergnügen, was sie sich nicht abstehle. Eine Andere rief: »Und wie unrecht von ihm, denn von ihr kommt doch das Geld!«
Es war eine glänzende Gesellschaft aus den höheren Kreisen des mittleren Lebens. Aber man muß an eine Gesellschaft aus dem Anfang dieses Jahrhunderts ebensowenig den Maßstab des Glanzes von heut legen, als an die Komödienhäuser von damals den unserer Theater. Der Vergleich geht vielleicht noch weiter. Die Kleiderstoffe und Geschirre waren kostbarer, gediegener und dauerhaltiger, aber im künstlichen Ausbeuten und geschickten Zerlegen des Stoffes, damit jeder Theil seine Wirkung, erhalte, haben wir es weiter gebracht. Trifft das vielleicht auch auf die Unterhaltung zu? – Aber gar keinen Vergleich duldeten die Räumlichkeiten. Unsere Bürgerhäuser werden Paläste. Diese hohen Räume, die gewaltigen Fenster und Flügelthüren, welche den Zimmern die Wände stehlen, fand man zu Anfang dieses Jahrhunderts nur in den wenigen aristokratischen Häusern der nenen Stadt. Die vornehmen Bürgerhäuser in den Vierteln der Friedrichsstadt aus Friedrichs Zeit haben zum Theil anspruchsvolle Façaden, im Innern ist alles klein und zugemessen. Die niedrigen Zimmer liefen eines in das andere; dennoch blieb der Wohnung etwas wohnliches, weil Flügelthüren und Fenster nicht die Räume unnatürlich verkürzten und der Mensch Platz für sich und seine Sachen an den Wänden fand, und trauliche Winkel, sich zu verlieren.
Wovon man sich unterhielt? – Wer fasst die zückenden Irrlichter zusammen, die von Mund zu Munde hüpfen. Und in einer gemischten Gesellschaft!
Hier politisch, dort poetisch,
Regelrecht wie ein Lineal,
Philosophisch und Aesthetisch
Krümmend hier sich wie der Aal,
Sprudelnd wie der Dampf vom Theetisch,
Aber überall trivial.
hat ein späterer Dichter sie beschrieben.
Ob die Geheimräthin sie auch so fand? Sie wechselte oft die Gruppen. Hier der ewige Streit, ob Goethe oder Schiller ein größerer Dichter, sei? In diesen Kreisen war es längst entschieden. Welcher Mann von Bildung hätte zarten Lippen widersprochen, welche dem Dichter, der gesungen:
Ehret die Frauen, sie flechten und weben
Himmlische Rosen ins irdische Leben.
den Preis zuerkannten! Es war nur seltsam, daß der Streit trotz der Entscheidung, immer wieder von Neuem aufgeworfen werden konnte. Eine Geheimräthin – es war aber eine dritte Geheimräthin – stellte sogar die Behauptung auf, während jede Seite in Schiller wenigstens ein nobles Sentiment enthalte, wisse sie keine einzige Sentenz in Goethe, welche die Seele rührt und erhebt. Dies fand doch Widerspruch, und man citirte aus der Iphigenie die Verse:
Wehe dem, der fern von Eltern und Geschwistern,
Ein einsam Leben führt, ihm zehrt der Gram
Das nächste Glück von seinen Lippen weg.
Ihm schwärmen abwärts immer die Gedanken
Nach seines Vaters Hallen, wo die Sonne
Zuerst den Himmel vor ihm aufschloß, wo
Sich Mitgeborne spielend fest und fester
Mit sanften Banden aneinander knüpften.
Ein junger Mann mit blassem, ernstem aber etwas eingefallenem Gesicht recitirte die Verse mit Ausdruck. Man schwieg eine Weile. Als die Geheimräthin sie schön fand, drückten Alle ihre Bewunderung aus. Eine Dame hatte bis da geglaubt, sie rührten von Schiller her, sie hatte die Erhabenheit des Gefühls Goethe nicht zugetraut. Doch bemerkte sie, die Verse ründeten sich nicht so wie bei Schiller, und bei aller Schönheit fehle ihnen der schmeichelhafte Klang des Gefühls. »Aber er liegt in unserer Seele, und fühlt das Weh, das uns in der einsamen Brust verzehrt,« hatte die Geheimräthin gesagt, als sie sich abwandte. Man schien sich zu fragen, was sie damit meine? Ein alter Hofrath antwortete seiner etwas schwerhörigen Nachbarin: »Sie ist eine Adlige von Geburt, und mag's nun doch nicht recht verschnupfen, daß sie einen Bürgerlichen geheirathet hat. Darum hält sie wohl das von ›seines Vaters Hallen‹ auf sich anzüglich. Aber Schloß Wustenau stand schon 1762 sub hasta