Sagen & Legenden aus Bayern - Mario Junkes - E-Book

Sagen & Legenden aus Bayern E-Book

Mario Junkes

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Beschreibung

Karl der Große auf der Reismühle am Würmsee, der bayrische Hiasl, die Katzenwurst in Geiselwind, die Bamberger Waage, der Pestvogel in Gräfendorf – und auch die sieben Schwaben dürfen nicht fehlen, wie sie ihr Feldzug von Augsburg über Kempten in das ferne Land des Bodensees führt. Eine reichhaltige Tradition berichtet von unzähligen Geschichten: König Watzmann, Eppela Gaila – und woher kommt eigentlich der Name Aschaffenburg? Die besten dieser Sagen und Legenden hat Mario Junkes für Sie gesammelt und in das Gewand einer moderneren Sprache gekleidet. So können auch Sie daran teilhaben und reisen im Handumdrehen von Bad Kissingen nach Passau, von Coburg nach Oberstdorf, von Günzburg nach Cham und von Rothenburg nach Nürnberg und München. Ganz gleich, ob man den Freistaat Urlaubsziel oder sogar Heimat nennt – die Geschenke Bayerns sind jederzeit eine Pracht.

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Seitenzahl: 224

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SAGEN UND LEGENDEN AUS BAYERN

MARIO JUNKES

INHALT

Einleitung

Bayern. Traditionell anders.

I. Legenden von Karl dem Großen und andere altbayrische Sagen

›Siehe, ich bin die Magd, mir geschehe nach deinem Wort‹

Wie Karl der Große auf der Reismühle am Würmsee geboren ward

Wenn drei sich streiten, freut sich der Stärkste

Der Hahnenkampf

Das Schicksal zeigt den Römern Rot

Die heilige Fahne und die stählerne Krone

Die Apokalypse Karls des Großen

Kaiser Karl im Brunnen und im Berge

Ein Königreich für einen Becher Wasser

Das Taubenbrünnlein zu Feuchtwangen

Mia san Noah

Abkunft der Bayern

Minga

Das Münchner Kindl

Spieglein, Spieglein auf dem Brunnen

Der Spiegelbrunnen in München

Vier Asse besiegen die Pest

Der Schäfflertanz

Ausgespielt von der Lieben Frau

Der Teufel in der Frauenkirche

Von einer Dohle zum Tode verurteilt

Die Sage vom Goldschmied

Heinrich Löwenherz

Der Löw‘ im Tal

Ein muttergöttlicher KO

Der Schlafhaubenkrämer

Den Verrat teuer bezahlt

Das Fausttürmlein

Das Türmchen zeigt den Münchnern Rot

Das rote Licht

Ein riesiger Beschützer

Onuphrius am Marienplatz

Im Evakostüm zur Arbeit

Die drei Holzfräulein

Eine Tochter der Loreley

Die Isarnixe

II. Sagen und Legenden von Jägern und Wäldern

Wer den Krieg sät, dessen Familie wird Tränen ernten

Der Künigenbrunnen

Ur-Opa-Trick: Gut gebrannt ist schnell gerodet

Der Name Aschaffenburg

Mit Ehevertrag wäre das nicht passiert, oder?

Der wilde Jäger in dem Odenwieserwald

Wie der Blitz in den Himmel

Die Flämmchen am Zollstock

Coiffure »Madame Agnes« – auch nachts geöffnet

Die »lange Agnes« im Walde bei Furth

Unfreiwillig per Anhalter durch die Galaxis

Die wilde Jagd bei Lengenfeld

Wachhund Gockel

Vom Pfennigsberg

III. Sagen und Legenden von Hexen, Zauberern und Zwergen

Wasserfräulein werden ist nicht schwer, Wasserfräulein sein dagegen sehr

Das Bodloser Loch

Encyclopaedia Bergmännlica

Beschwörung der Bergmännlein

Nachwuchsförderung in der Hexen-Bundesliga

Das Hemdabwerfen

Wenn Raben Pyrrhus spielen

Das Spatzenbild

Ein Gesäß-Matthias

Der bayerische Hiasl

Chauffiert mit dem Strohballen

Die Hexe von Menzing

Aufgeseilt

Die Wetterhexe

Kein Anglerinnenlatein

Herrin der Fische

Ein Stühlchen, sie alle zu kennen

Hexen erkennen

Verzettelt

Zauberzeddel

Aus die Laus

Das Weib mit den Läusen

Die Roten sind unter den Bayern!

Die roten Männlein vom Trauberg

Die verlassene Bäckerei im Zwergenloch

Zwerge leihen Brot

IV. Sagen und Legenden von Kirchen und Klöstern

Baumeister Ameise GmbH & Co. KG

Das Eichenberger Kapellchen

»Deine Treu hat ihren Lohn dahin.«

Albertus Magnus zu Lauingen

Sankt Kümmernis

Die Kümmernisbilder

Wernher – beinhart

Der Abt zu Kalbsangst

Vade retro!

Attila vor Augsburg

Schon vor mehr als 1000 Jahren eingeführt: Ein gerechter Lohn für alle

Der Dom zu Bamberg

Zehn Ziegel als Henker

Die blinde Jungfrau

Zahnarztpraxis Dr. Altefrau

Der Engländer und sein Diener

Für die Katz

Die Innbrücke in Rosenheim

Das Heiligenbild mit dem eigenen Willen

Die Kirche des heiligen Leonhard in Kaufering

Gehen Sie ins Kloster! Begeben Sie sich direkt dorthin! Gehen Sie nicht über Los! Ziehen Sie nicht 4000 Taler ein!

»Die langen Schranken« in Schweinfurt

Begnadete Künstler

Die Meistersinger von Nürnberg

Fass!

Die rechte Hand

Er bringt die Kinder, sie den Ehebruch

Die treulose Störchin

Der hohe Schiedsrichter vergaß das höchste Schiedsgericht

Doktor Bach

Die Flammen einfach wegbeten

Große Feuersnot in Donauwörth

Heidelbeerige Muttergottes, bitte für uns Sünder, jetzt und in der Stunde unseres Todes, Amen.

Perlen der Muttergottes

Eher geht ein Käsleib durch ein Nadelöhr

Der versteinerte Käslaib

Hart wie Stein, weich wie Brot

Otto Seemoser, der Torwart zu Freising

Des Doktor Bachs Leid, der Gräfin ihr' Freud'

Stiftung des Klosters Wettenhausen

Petrutz

Jordanus Utz

Gestatten: Jesus Christ, Schutzpolizist

Die Neumünsterkirche in Würzburg

Einmal nach Hause, aber dalli, Sack Zement!

Der Flucher

Weit vor der Scheune abgeladen

Der versunkene Bauer

›Wenn du kein Geld mehr hast, musst du weggehen!‹

Vom hartherzigen Brotträger

V. Sagen und Legenden vom Teufel und von Jungfrauen, Geistern, Gespenstern und anderen Gesellen

Ein Navigationsgerät, Modell »Geist«

Am guten Mann

Die Last der Welt

Bamberger Waage

Teurer Wein

Das Geistermahl

GPNV: Geisterpersonennahverkehr

Der Aufhocker

Der Grünbacher Glitch

Der Baumläuferbub

Bestattungsinstitut Rabe

Der betrügerische Anwalt von München

Ein teuflisches Werk

Der Dombaumeister

Eine teuflisch gefährliche Überfahrt

Der Geißfuß

Zum Teufel mit dem Teufel

Der kalte Schlag der Schmiede

Wer hat Angst vorm schwarzen Mann?

Der lange Mann in der Mordgasse zu Hof

Mistforke 1, Lindwurm 0

Der Lindwurm in Schaippach

Ein Punkt für hunderttausend Tote

Der Pestvogel in Gräfendorf

Bist du nicht willig, so pflüg' ich dich halt

Der Pflug im Straubinger Wappen

›Es schleichet der Schlorgger beim singenden Pfaff‹

Der Schlorgger in Kaufbeuren

Ihre Waschkraft machte sie so ergiebig

Der schwarze Mann

Von den Socken

Der Strumpfstricker zu Ingolstadt

Schwedenbitter

Der Spuk in der Universitätsbibliothek zu Würzburg

Mit Hirsch, Gockel und Hund den Satan ausgetrickst

Der Teufelsfelsen

Ein Ring, sie alle zu schützen

Der Wallensee

Tripelkopf

Die drei Götzen

Fischlein, Fischlein, geh' zur Ruh, mache beide Augen zu

Der Weltfisch

Am Fieber erfroren

Die drei Späne

Wenn keine Gebete mehr helfen

Die Drudensteine

Mit Ansage zählt doppelt

Die Prophezeiung des Soldaten

Sogar der Teufel weiß: Geiz ist nicht geil

Die drei Fräulein

Im Namen des Lichtbringers, des Morgensterns und des Luzifers, Amen

Die umgehende Wehmutter

Gut geneppt ist halb geprellt

Die Wirtin von Schweinau

Kopflose sind meistens Nieten – doch hier erzielen gleich vier Spieler den Hauptgewinn

Diez Schwinburg

Auto-Teile-Urian: schneller Service, teure Rechnung

Erlebnisse am Fastnachtsdienstag

›Ich hab' heute nichts versäumt, denn ich hab' nur vom Schatz geträumt.‹

Traum vom Schatz auf der Brücke

Es kann das Geistlein nicht in Frieden trinken, wenn es der bösen Schickse nicht gefällt

Vom Mostgeistlein

Sonne, Mond und Sterne

Von dem Mann namens Böckler

Ergebnis vom Wurstpokal des Dreißigjährigen Krieges: Spvgg Geiselwind-Katze 1 – Schwedengeneral 0

Das Wurstmännchen (auch: Die Murrmann-Sage)

Für immer in Herrn Urians Sweat-Shop

Der Teufel und die Näherin

VI. Sagen und Legenden von Bergen, Burgen und Schlössern

Sechs Feinunzen Quak

Ausgehackte Frösche

Eine Lüge, eine Liebe und eine List

Burg Hohenbogen

Bäckerhandwerk hat goldenen Boden

Das Goldlaiblein

Kontra, Re, Bock, Jungfrau

Der Bock bein Auraer Kreuz

Eine Sintflut im Isartal

Der Einsturz des Tölzer Schlosses

Weibliches um den Karlstein

Der Karlstein bei Reichenhall

Die Roßbacher Menschentrappe

Der versteinerte Ritter

Der Rabenritter Kuno

Die Burgruine Rabenschaichen bei Kempten

Der Gailing geht so lange durch die Lande, bis er bricht

Eppela Gaila

Krone und Herz und Seele aus Stein

König Watzmann

Aus die Maus

Maussee

Freude, Witz und Igelsitz

Burg Leuchtenberg in der bayerischen Oberpfalz

VII. Ein Teil der Sagen und Legenden der sieben Schwaben

»Wie alle Sieben für Einen, so für alle Sieben nur Einen.«

Wie die sieben Schwaben nach Augsburg kommen und sich Waffen holen

»Ein braver Mann geht geradeaus.«

Wie die sieben Schwaben weiterziehen und welchen Weg sie einschlagen

»Den Esel kennt man an den Ohren.«

Wie die sieben Schwaben sich von einer Zauberin wahrsagen lassen

»Hott bedeutet wahr, hüst bedeutet nicht wahr.«

In diesen und den anderen Kapiteln wird erzählt, was sich vorderhand mit den sieben Schwaben zugetragen hat

Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen

Vom Gelbfüßler – und was sich weiter begeben

Zwei Mägen, aber kein Herz

Vom Knöpfleschwaben – und was sich weiter zugetragen

»Was ich heut' soll verzehren, ist gestern schon getan.«

Vom Blitzschwaben – und was sich sonst ereignet

»Gott verlässt keinen ehrlichen Schwaben nicht.«

Vom Spiegelschwaben und dem Allgäuer – und was ferner geschehen

Am Tod gestorben

Wie die sieben Schwaben auf einen Bären stoßen und was sie dazu sagen

»Hy, Ochs'!«

Wie die sieben Schwaben in den Stauden stecken bleiben

Menschliche Balz: Eindeutig zweideutig

Wie die sieben Schwaben einem Mägdlein begegnen und wie der Blitzschwab von ihr auf die Kirbe geladen wird

Sieben auf einen Streich

Wie die sieben Schwaben einem Bayern begegnen und wie sie ihn heimschicken

Lichtgestalt in der Seele, den Leibhaftigen auf den Lippen

Das Kapitel vom Waldbruder

Bis über die Grenze mit Sichel und Sense

Welches Lied der Blitzschwab gesungen

Den Memminger Mond zu sehen gewohnt

Wie der Blitzschwab Händel bekommt mit dem Spiegelschwaben und wie sie wieder gut Freund geworden sind

»Mir dampft ja schon die Bluse.«

Wie der Blitzschwab an dem Allgäuer Rache nimmt

Bis dass der Bär euch scheidet

Was für eine Gefahr dem Spiegelschwaben droht und wie er sich daraus errettet

An gute Kehlen zu verschenken: Märzenbier im April

Wie sie gegen Wissen und Willen in die Stadt Memmingen kommen und dort Bierbeschau halten

›Ich geh' schwimmend durch die Straßen …‹

Wie unsere Schwaben durch das blaue Meer schwimmen, ohne zu ersaufen

Auch ohne Drahtesel Helden der Landstraße

Wie der Allgäuer die Landstraße findet, aber bald ersoffen wäre

»Hier schwabe ich und kann nicht anders.«

Einige Stückle vom Nestelschwaben, woraus hervorzugehen scheint, dass er kein Schwabe war

Richter und Henker – kein Dichter und Denker

Wie die sieben Schwaben aufgefangen und festgesetzt werden

Wo Milch und Spätzle sinnlos walten, da kann sich kein' Justiz gestalten

Wie die sieben Schwaben sich aus der Gefangenschaft befreien

Stiernacken Leutkirch – Ochsenschwanz Allgäu 0:0 n.V.

Wie die sieben Schwaben einer Herde Vieh begegnen und wie der Allgäuer ein Stiergefecht hält

»Eins, eins, eins.«

Noch ein paar Stückle vom Nestelschwaben

Eine Klinikpackung der eigenen Medizin

Von einem fahrenden Schüler und was er von Schwabenstreichen erfahren

›Du hast mehr Väter als Brüder.‹

Wie der Spiegelschwab einen Tiroler foppt und von ihm wieder gefoppt wird

Schwabendavid gegen Goliath

Von einem Heldenstück, das der Blitzschwab getan

Eine Fantastilliarde Narrengold

Vom Spiegelschwaben und wie er einen Schatz findet

Ein kleines Wörterbuch: Schwäbisch – Deutsch

Literatur- und Quellenverzeichnis

EINLEITUNG

BAYERN. TRADITIONELL ANDERS.

Liebe lesende Menschen,

willkommen zur nächsten Reise durch die Welt der Sagen und Legenden, die uns heute in den Freistaat Bayern führt. Ihr Autor durfte wieder nach Herzenslust in der großen deutschen Sagenschatzkiste stöbern und hat aus allen sieben Ecken Bayerns eine Auswahl für Sie zusammengestellt. Diese schier überbordende Truhe strotzt vor Geschichte und es bleibt zu hoffen, dass in diesem Band jedem Landesteil Genüge getan wurde.

Ein großer Dank gilt der Bayerischen Staatsbibliothek und der Staatlichen Bibliothek Passau für die Bereitstellung vorzüglicher Digitalisate. Der Volkskundler Franz Xaver von Schönwerth und der Schriftsteller Alexander Schöppner haben mit ihrem Sammeln von Sagen und Legenden eine unschätzbare Arbeit geleistet und den Dank der nachfolgenden Generationen verdient. Der Kollege Horst Dieter Radke hat dem fränkischen Teil Bayerns bereits einen schönen Sagenband gewidmet, den der Regionalia Verlag für Sie bereithält. Ihr geschätzter Autor hat den schwäbischen Teil Bayerns ebenfalls mit einem Band beehrt, von dem im vorliegenden Band der Teil der »Sieben Schwaben« wiedergegeben werden soll, der sich auf bayrischem Boden abspielte.

Für einen Eifeler Jungen war das schier unerschütterliche bayrische Selbstbewusstsein stets ein Mysterium. Es brauchte erst das Erwachsenwerden und den damit verbundenen tieferen Einblick in die Landesgeschichte, der die Groschen fallen ließ. Den Rest besorgten die Bekanntschaften zu den Menschen Bayerns: von den hochqualifizierten Kolleginnen und Kollegen aus dem Übersetzerhandwerk über die Mitarbeiter verschiedener Brauereien (die in des Autors Zeit als Einzelhändler jede Anfrage stets mit »joa, des kriege' mer hin« beantworteten) bis zur freundlichen Gastgeberfamilie Winkler (Pension Hubertus) am Thumsee in Bad Reichenhall. Mia san mia – Bayern ist in der Tat traditionell anders.

Schön, dass Sie da sind. Bleiben Sie gesund.

Trier, im September 2022

Ihr Mario Junkes

TEIL1

LEGENDEN VON KARL DEM GROSSEN UND ANDERE ALTBAYRISCHE SAGEN

Karl der Große, sein Leben und sein Wirken ließen über die Jahrhunderte zahlreiche Sagen entstehen. Sehr bekannt und oft genug abgedruckt ist zum Beispiel der Karlszyklus mit dem Rolandslied. Wie bei vielen dominanten Herrschern wurde zudem viele Sagen zu einem Palimpsest: Die Namen der von der Zeit überholten, nicht mehr ganz so mächtigen Figuren verschwanden – und ein neuer Wein füllte alte Schläuche.

Kaiser Karls Name fand außerdem – so wie auch die Eigennamen Caesar und Augustus zu Herrschertiteln geworden waren – Eingang in viele slawische Sprachen als Bezeichnung für König: korol im Russischen, król im Polnischen, král im Tschechischen, sowie kralj im Serbischen, Kroatischen und Slowenischen.

Karl der Große galt als Idealherrscher. Seine Verklärung ist die Suche der Menschen nach einem starken Mann. In späteren Jahrhunderten würden weitere starke Männer folgen. Je erfolgreicher sie waren – lies: je grausamer sie das eigene Volk und/oder die Nachbarn unterdrückten – desto mehr würden sie in die Sagen- und Legendenwelt eingehen:

Dschingis Khan, Vlad III., Heinrich VIII., Ludwig XIV. wurden von ihren Erfolgen nicht nur in die Geschichtsbücher, sondern auch in die Sagenkränze ihrer Länder gespült. Seien wir froh, dass den weniger erfolgreichen Tyrannen diese Ehrung verwehrt bleiben wird. Wir müssen jeden Tag miterleben, was es bedeutet, wenn die vermeintlich starken Männer ihre Muskeln spielen lassen: Sorge, Hunger, Leid und Not, Krieg, tote Menschen und trauernde Familien.

Wir können die Sagen und Legenden von gestern als Mahner sehen, als Zeugen einer Zeit, in der viele Winter oft das Todesurteil für Kranke und Schwache bedeutete – während in den Palästen Überfluss herrschte.

Wir müssen nicht länger Not leiden und wir müssen auch unsere Nachbarn nicht länger Not leiden lassen, damit wir leben können. Wir brauchen keine starken Männer. Jede und jeder von uns besitzt die Stärke, unsere Welt im Licht des Friedens erstrahlen zu lassen.

›SIEHE, ICH BIN DIE MAGD, MIR GESCHEHE NACH DEINEM WORT‹

WIE KARL DER GROSSE AUF DER REISMÜHLE AM WÜRMSEE GEBOREN WARD

Pippin (vor allem früher auch: Pipin) der Jüngere, Sohn Karl Martells und dessen erster Ehefrau Chrodtrud, hatte in den Jahren nach 740 eine Zeit lang auf Burg Weihenstephan bei Freising residiert. Nun war die Zeit gekommen, da er sich zu vermählen gedachte. Also sandte er seinen Hofmeister aus, die Braut abzuholen. Pippins Hofmeister aber war in seinem Herzen ein böser Ritter und schmiedete mit seiner ebenso hartherzigen Frau einen ruchlosen Plan:

Man wollte die fremde Prinzessin töten und statt dieser dem zukünftigen König heimlich die eigene Tochter unterschieben, denn diese sah der Prinzessin sehr ähnlich.

Der Hofmeister führte die fremde Königstochter, begleitet von einem prächtigen Zug, von ihres Vaters Hof fort. Der Abschied war sehr traurig, als hätte die Ärmste geahnt, welch großes Unglück auf sie wartete.

Nach dem letzten Nachtlager vor Burg Weihenstephan schlug der Hofmeister plötzlich einen großen Umweg ein, mitten in die tiefe Wildnis zwischen Ammersee und Würmsee, den man heute natürlich als Starnberger See kennt. In diesem dunklen Wald warteten im Verborgenen, schon ganz ungeduldig, Frau und Tochter des Hofmeisters.

Der nahm in der Nacht unbemerkt die königlichen Gewänder der Prinzessin, auch einen Fingerring, und legte ihr dafür den Anzug seiner Tochter vor ihr Lager. Dann befahl er zweien seiner treuesten Knechte, dass diese, nachdem er in aller Stille abgezogen sei, die Königstochter ungestüm aufwecken sollten. Alsdann solle ihr befohlen werden, sie müsse ihnen ohne Widerrede folgen. Die Knechte taten wie geheißen und die Königstochter zog mit den beiden, wenn auch mit großem Schrecken. Ihr geliebtes Hündchen folgte ihr.

Als sie nun mitten im finstersten Dickicht waren, gestanden die Knechte der Prinzessin, sie hätten ihrem Herrn schwören müssen, sie zu töten. Wegen ihrer Schönheit und Jugend könnten sie diesen Plan jedoch nicht ausführen. Also brachten als Beweis, dass sie getan hatten, wie ihnen befohlen, dem Hofmeister das blutige Oberkleid der Prinzessin – und die Zunge ihres treuen Hündchens.

Der böse Hofmeister lachte, denn sein Plan war voll aufgegangen. Sobald man den jungen Karolinger Pippin zum König kröne, würde seine Familie zu großen Ehren aufsteigen und alle Geldnot wäre für immer vergessen. Kurze Zeit später wurde die Hochzeit der Hofmeister-Tochter mit Pippin vollzogen.

Die von allem Glück verlassene Königstochter war zwar nun völlig auf sich alleine gestellt – aber immerhin noch am Leben. Nach ein paar Tagen in der Wildnis wurde sie von ihrem Hunger dazu getrieben, die Nähe von Menschen zu suchen. Mit einem Mal traf sie einen Köhler, ob dessen Hässlichkeit sie anfangs sehr erschrak, denn sie hielt ihn für den leibhaftigen bösen Feind, der ihrer Seele nachstelle. Doch dieser Köhler tat ihr nichts zuleide, sondern führte sie zum Müller in der Reismühle bei Gauting, das damals noch als alter Heidenort galt.

Von jenem Tag an diente nun des edlen Königs Tochter dem Müller als einfache Dienstmagd. Sie sagte niemandem, wer sie sei und was mit ihr geschehen war. Mit ihren geschickten Händen ließ sie wunderschönes Kunstwerk aus Gold und Seide entstehen. Dieses nahm der Müller auf ihr Bitten mit zum Markt nach Augsburg und verkaufte es dort fränkischen Handelsleuten. So schwanden Tage und Jahre dahin.

Eines Tages verirrte Pippin – der mittlerweile zum König gekrönt worden war – sich in dem weiten Wald um den Würmsee. Mit ihm waren sein Knecht, sein Arzt und sein Sterndeuter. Der Abend war bereits hereingebrochen und von den Hörnern der Gefährten hatten sie schon seit vielen Stunden keines mehr erschallen gehört.

Der Knecht stieg auf eine Tanne, um vielleicht von dort aus eine Orientierung zu erhalten oder einen Hinweis auf Menschen zu erhaschen. Tatsächlich, ganz in der Nähe sah er eine Rauchfahne. Sie ritten rasch darauf los und gelangten zum Haus des Köhlers. Dort baten sie um etwas zu essen. Der bettelarme Köhler konnte ihnen jedoch nichts geben, denn er hatte selbst nichts. Immerhin führte er auch sie zu der Reismühle nach Gauting.

Der Müller brachte ihnen Speise und Trank. Sie erquickten sich und nach dem späten Abendmahl trat der Sterndeuter vor die Hütte und blickte zum Himmel. Mit einem Mal lief er hocherstaunt wieder hinein und sprach zu Pippin:

»Herr, o Herr! Ihr sollt noch in dieser Nacht von Eurer Frau einen Sohn gewinnen, vor dem sich sowohl Christenkönige als auch Heidenkönige verneigen werden.«

Doch Pippin entgegnete:

»Wie kann das sein? Es ist halb Mitternacht und ganz sicher noch Stunden bis nach Weihenstephan.«

Der Sterndeuter ging noch einmal hinaus, besah sich den Himmel ganz genau, trat dann wieder in die Hütte und sprach:

»Dennoch wird es so sein. Ihr werdet bei der sein, die Eure Frau sein soll und es schon lange war.«

Pippin bestürmte den Müller, er solle sagen, ob er nicht jene Frau bei sich verborgen halte. Der König hätte den Müller am liebsten auf der Stelle getötet, als dieser gestand, es arbeite wohl schon sieben Jahre eine wunderschöne Jungfrau bei ihm, die noch keines Menschen Auge gesehen hatte.

Der König befahl dem Müller, sie auf der Stelle herbeizubringen. Der Müller tat wie geheißen und die Königstochter trat in die Hütte. Pippin schmeichelte ihr, es stehe in den Sternen, sie sei sein eheliches Weib. Die junge Frau wollte ihr Schicksal lange nicht offenbaren, wegen des Eides, den sie geleistet hatte. Doch dann erklärte ihr der König, der Eid sei durch Todesfurcht erzwungen worden und deshalb ungültig.

Nun zeigte die Königstochter – die niemand anders war als die edle Bertrada die Jüngere (auch: Berta, oder Bertha) – Pippin den Brautring, den er ihr durch den verräterischen Hofmeister gesendet hatte und den die junge Frau geschickt verborgen gehalten hatte.

König Pippin war außer sich vor Freude.

Sogleich schmiedete er einen Plan, wie nun gegen den Hofmeister vorzugehen sei. Dann gebot er den Seinigen Schweigen und ließ sie zum Schutz bei der lieblichen Bertrada bleiben. Dann nahm er zärtlich Abschied von seiner Versprochenen, brach mit dem ersten Dämmern auf und erreichte noch am selben Abend seine Burg Weihenstephan.

Dort stellte er die Knechte zur Rede, welche Bertrada einst verschont hatten. Dann ließ er seine weisesten Berater rufen, den Hofmeister dazu, und berichtete allen Anwesenden von dessen Falschheit und Missetat – so, als sei sie von einem anderen verübt worden. Danach fragte der König mit stechendem Blick und grimmigem Ton seinen Hofmeister:

»Was gebührte einem für solche Missetat?«

Blass und zitternd sprach dieser:

»Ich will kein Urteil fällen über mich selbst.«

Danach verurteilten ihn die Berater zum schmählichen Tod. Die Hofmeisterin, die den schändlichen Rat gegeben hatte, wurde eingemauert. Ihre Tochter, die untergeschobene Königin, wurde in einem besonderen Gemach verwahrt, in welchem sie bald aus Gram über ihre Tat dahinschied.

Für den König selbst blieb keine Zeit zum Rasten, denn die Geschäfte des Krieges und der Politik forderten ihn sofort und auf das Äußerste. Ungefähr neun Monate später kehrte König Pippin nach einem langen Feldzug gegen die Sachsen zurück. Sogleich eilte er zur Reismühle am Würmsee.

Der Müller trat ihm entgegen und reichte ihm einen Pfeil zum Wahrzeichen: In der Mühle sei ihm von der schönen Bertrada ein Sohn geboren worden. Pippin führte seine Fürsten und alle Ritter zu seiner Frau, zeigte ihnen das karge Kämmerlein und ihr bescheidenes Lager aus weichem Moos.

Dann zog König Pippin mit seiner Frau und seinem Kind ab, begleitet vom lauten Schall der Hörner, von Jubelruf und Waffenklang. Zunächst ging der Zug nach Weihenstephan und dann nach Frankreich, wo die liebliche Bertrada nach so vielen Jahren und so viel geduldig ertragenem Leid endlich als Königin des Landes gegrüßt wurde. Auch wurde der beiden schöner, kühner Knabe getauft:

Es war Carolus Magnus – dessen Ruf durch alle Welt gehen sollte.

WENN DREI SICH STREITEN, FREUT SICH DER STÄRKSTE

DER HAHNENKAMPF

Um das Jahr 780 herum reiste Karl der Große auf sein Schloss bei Kempten, wo auch seine dritte Gemahlin Hildegard gerade weilte. Als sie nun eines Tages bei Tisch saßen, kam das Gespräch auf die Regierung der Vorfahren. Ihre Söhne Pippin, Karl und Ludwig saßen daneben und mit einem Mal sagte der junge Pippin:

»Mutter, wenn einmal der Vater im Himmel ist, werde ich dann König?«

Karl aber wandte sich zum Vater und sagte:

»Nicht Pippin, sondern ich folge dir nach im Reich.«

Ludwig aber, der jüngste, bat beide Eltern, dass sie ihn doch König werden ließen. Als die Kinder immer weiter so stritten, sprach die Königin mit einem Mal bestimmt:

»Euren Zwist wollen wir bald lösen. Geht hinab ins Dorf und lasst euch von den Bauern jeder sich einen Hahn geben.«

Die Knaben stiegen die Burg hinab, mit ihrem Lehrmeister und den übrigen Schülern. Sie holten wie befohlen die Hähne und hierauf sagte Hildegard:

»Nun lasst die Hähne aufeinander los! Wessen Hahn im Kampfe siegt, der soll König werden!«

Die Vögel stritten wild und Ludwigs Hahn überwand die beiden anderen. Ludwig I., auch Ludwig der Fromme genannt, erlangte tatsächlich nach seines Vaters Tode die Herrschaft über das Fränkische Reich.

Der um das Jahr 770 herum geborene Pippin war allerdings der erste Sohn Karls des Großen aus dessen erster Ehe mit einer Frau namens Himiltrud. Pippin sah sich vermutlich zu Recht in seiner Rangfolge um das Reich zurückgesetzt und erhob sich im Jahre 792 gegen den mächtigen Vater.

Doch zu diesem Zeitpunkt war Karls Verbindung mit Himiltrud als nicht vollwertig betrachtet worden und seine erste Frau erhielt den Status einer »concubina«, was so viel bedeutete wie »Nebenfrau in einer Friedelehe« oder »Mätresse«. Die arme Himiltrud wurde also im Handumdrehen von Prinzessin Diana zur Camilla Parker Bowles ihrer Zeit.

Zur Strafe wurde Pippin, der zudem den wenig schmeichelhaften Beinamen »der Bucklige« hatte, für den Rest seines Lebens in die Abtei Prüm verbannt, wo er im Jahre 811 verstarb.

DAS SCHICKSAL ZEIGT DEN RÖMERN ROT

DIE HEILIGE FAHNE UND DIE STÄHLERNE KRONE

Friso, der legendäre Stammvater der Friesen, hatte aus seinem fernen Heimatland zwei teure Güter mitgebracht. Diese waren nicht nur wertvoll, sondern besaßen zugleich wunderbare Kräfte. Er hatte diese von seinem Vater empfangen und dieser sie wiederum von seinem Vater, sodass sie als wertvoller und die Macht sichernder Schatz lange Zeiten von Geschlecht zu Geschlecht vererbt worden waren:

Es waren eine stählerne Krone und eine kostbare rote Fahne. Beide wurden in Friesland über eine lange Zeit noch im Tempel der Göttin Tamfana aufbewahrt, bis ein König von Dänemark die stählerne Krone den Friesen raubte und diese in sein Land mit sich nahm.

Die Fahne allerdings konnte der dänische Herrscher nicht ergattern, denn diese hatten die Friesen klugerweise tief in die Erde vergraben. Nachdem der gierige Dänenkönig wieder abgezogen war, blieb die Flagge dort viele hundert Jahre lang liegen.

Als der heilige Willibrord um das 690 herum ins Friesenland kam, um den christlichen Glauben dort zu predigen, sandte ihm Gott im Traum einen Engel. Dieser zeigte ihm die Stelle an, an der die heilige Fahne vergraben lag. Der fromme Willibrord begab sich mit den Ersten des Volkes dorthin. Man grub tief, man grub tiefer – bis man tatsächlich die Fahne fand. Sankt Willibrord schenkte sie dem legendären Magnus Forteman, welcher zu dieser Zeit Friesland regiert haben soll.

Im Jahre 809 hatte Kaiser Karl der Große ein großes Heer versammelt, mit dem er von Bayern aus gegen die aufrührerischen Römer zu Felde ziehen wollte. Magnus Forteman scharte sich mit seinen Friesen und der heiligen Fahne freiwillig zu ihm.

Als der Kaiser sich mit seinen Truppen bis auf eine Tagesreise Rom genähert hatte, ließ er sein Heer ruhen. Es sollte nach dem langen Marsch frische Kräfte sammeln können, um gegen den Feind zu bestehen. Die Römer vernahmen mit Schrecken, wie nahe das Heer Karls bereits war. Schnell schmiedeten sie einen Plan: Man wollte aus der Stadt ziehen, um den Kaiser im freien Felde zu überfallen.

Vermutlich durch einen Späher hörten die Friesen davon. Gleich versammelte auch Magnus Forteman, der die heilige Fahne selbst führte, seine Truppen. Alsbald schlichen die friesischen Kämpfer heimlich aus dem Lager und eilten den Römern entgegen, welche sie nach einem blutigen Kampf deutlich und überlegen besiegten.

Die Friesen setzten den römischen Flüchtlingen schnell nach, sodass sie mit diesen praktisch zeitgleich in die Stadt eindringen konnten, die letzten Reihen der Gegner überwältigten und das geweihte Banner siegreich auf der Engelsburg aufpflanzten.

Zur Belohnung erwarben die tapferen Friesen nicht nur großen Dank, sondern außerdem zahlreiche Freiheiten und Privilegien von Kaiser Karl, der sogar ihre Schilde mit Silber und rotem Golde beschlagen ließ. Was aber nach dieser Zeit aus der heiligen Fahne geworden ist, darüber weiß niemand zu berichten.

* * *

Nach einer anderen Quelle – die von einem weisen Gelehrten stammen soll, dessen Name nicht mehr bekannt ist – sei Magnus Forteman alleine gegen Rom gezogen.

Die Stadt wurde im späten achten Jahrhundert in der Tat von einer Gruppe Adliger beherrscht, welche die Hoheit von Papst Leo III. entschieden ablehnten. Am 25. April 799 soll es deshalb zu einem Attentat auf den Papst gekommen sein, bei dem man seine Zunge abschneiden und seine Augen herausreißen wollte.

Eine weitere Quelle (Horace Kinder Mann) schildert, dass Papst Leo III. von zwei Königsboten Karls des Großen gerettet und in Sicherheit gebracht worden sein soll.

Die erste Quelle wiederum beschreibt, dass lediglich 700 zu allem entschlossene Friesen Rom von dieser Gruppe Adliger zurückerobert habe. Sie seien bei Nacht durch eine schmale Türöffnung, die nur wegen des damaligen Niedrigwassers des Tibers zugänglich war, in die Stadt geschlichen. Dann seien sie durch die Gärten des Domus Flavia, eines von Kaiser Domitian im Jahre 80 errichteten Palastbaus, weiter in die Stadt vorgedrungen. In der Nähe des heutigen Petersplatzes seien die Friesen schließlich entdeckt worden und der Kampf sei voll entbrannt.

Schon kurze Zeit später soll Magnus seine rote Flagge auf der Sankt-Peter-Kirche gehisst haben, was entscheidend zur Verwirrung der Einheimischen beitrug. Die Friesen machten keine Gefangenen – und sollen am Ende des Kampfes bis zu den Knöcheln im Blut der Unterlegenen gestanden haben.

Magnus Forteman soll von Karl dem Großen als Lohn keine Ehren und Ämter begehrt, sondern um die Freiheit, die unbegrenzte Redefreiheit sowie die Unabhängigkeit für seine friesischen Landsleute gebeten haben. Die Sage berichtet davon, dass Kaiser Karl sich mit dem Karlsprivileg und dem Friesenprivileg erkenntlich gezeigt haben soll.