Sagen und Legenden aus dem Münsterland - Mario Junkes - E-Book

Sagen und Legenden aus dem Münsterland E-Book

Mario Junkes

0,0
7,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Die Wiege der Beckumer Sonne

Die Beckumer Anschläge sind Anschläge, über die man lachen darf. Angeführt von ihrem hochweisen Bürgermeister sind sich die Männer und Frauen für nichts zu schade – nicht einmal zum Salzernten.

Sei es der Bau eines dreieckigen Rathauses, bei dem man sich finanziell klug die Fenster einsparte, sei es das Abgrasen des Kirchturms, der Mann ohne Kopf oder sei es das Versenken einer Glocke zum Schutz gegen die bösen Kriegsfeinde. Jeder lesende Mensch darf bezeugen, was sich alles in der geliebten Stadt abspielt – bis der böse Mausehund allem ein Ende macht.

Das Münsterland bietet eine reichhaltige Tradition ungezählter Geschichten, die sich manchmal fast wie ein Märchen lesen. Mario Junkes hat erneut alle verfügbaren Bücher und Schriften durchsucht, um die besten Sagen und Legenden für Sie zu sammeln.

Sie begegnen dem ersten Westfälinger, werden Zeuge der Erbauung Münsters, treffen den heiligen Ludger und seine Gänse, sowie Bischof Wulfhelm mit dem unfehlbaren Navigationsgerät - seinem Esel.

Sie erleben das Heybrockmännchen und Jungfer Eli, wandeln auf dem Tecklenburger Hexenpfad, Sie hören den Grinkenschmied hämmern, sehen das hockende Weib, riechen am Honigtopf von Billerbeck – und Sie werden Zeuge der Partie Burggraf von Stromberg gegen den Bischof von Münster.

Dies und vieles mehr wartet nur darauf, in diesem Band entdeckt zu werden.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 245

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



SAGEN UND LEGENDEN AUS DEM MÜNSTERLAND

MARIO JUNKES

Impressum

Mario Junkes

Sagen und Legenden aus dem Münsterland

1. Auflage 2023

© 2023 Regionalia Verlag,

ein Imprint der Kraterleuchten GmbH,

Gartenstraße 3, 54550 Daun

Alle Rechte vorbehalten

Lektorat: Bruno Hof

Korrektorat: Dr. Tim Becker

Titelbild: iStock.com/Lukassek

Titelillustration: iStock.com/VeraPetruk

Gestaltung, Satz, Umschlag: Björn Pollmeyer

ISBN E-Book 978-3-95540-773-5

ISBN Print 978-3-95540-392-8

www.regionalia-verlag.de

INHALT

Nach der Sage ist vor der Sage

I. Vom Beginn des ersten Westfalen und der Stadt Münster

Kontra auf den dicksten Grand

Der erste Westfale (auch: Der erste Westfälinger)

Münster oder Mailand – Hauptsache Italien!

Die Erbauung der Stadt Münster

II. Die Beckumer Anschläge

Achtbares Unikum Anagramm Rathaus in Beckum

Wie die Bürger sich zum Bau eines Rathauses vorbereiten.

Hell wie ein Tunnel

Wie das Rathaus aufgebaut, aber die Fenster dabei vergessen wurden.

Dem Licht eine Falle stellen

Beratung der Bürger, das Licht in ihr Rathaus zu tragen.

Frisches Ambossfett

Wie ein durchreisender Landstreicher den Bürgern riet, das Tageslicht in ihr Rathaus zu bringen und sie betrog.

Wer den Dachschaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen

Die Bürger werden der Ursache der Finsternis in ihrem Rathaus endlich gewahr und schaffen selbige ab.

Perpetuum salzile

Die Bürger besäen einen Acker mit Salz, dass es wachsen sollte – und was sich damit zutragen.

Das schlaue Vieh ausgetrickst

Wie einiges Vieh auf den Salzacker gekommen und wie selbiges fort getrieben worden ist.

Salz, süßes Salz!

Wie das Salz gewachsen und reif geworden ist und die Bürger es nicht abschneiden konnten.

Bergab geht’s schneller als zu Fuß

Wie die Bürger einen Mühlstein gruben und einer mit diesem weglief.

Kopflose sind meistens Nieten

Der Bürger Mitleid mit einem armen Nussbaum und was sie mit ihm taten.

Angriff der Killermonster

Was sich damals mit einem Krebs in der Stadt zugetragen hat.

Das Universum in der Nussflasche

Der behütete Nussbehälter.

Da liegt der Bürgermeister im Pfeffer

Die sonderbaren Pferde- und Kuh-Eier.

Gras im Kopf

Wie die Bürger das Gras auf dem Kirchturm durch den Gemeinde-Ochsen abweiden lassen wollten.

Tischlein deck’ dich und Knüppel auf den … Schenkel

Wie die Bürger ihre Füße verwechselten und dieselben nicht mehr zu unterscheiden vermochten, doch zuletzt jeder die seinen wiederfand.

Heiliger Bimbam!

Das Verbergen einer Glocke.

Von den Gänsen lernen

Das Schicksal einer langen Wurst.

Mit Minz und Maunz die Katze erhob sie ihre Tatze

Der Ankauf eines Mausehundes und das durch diesen verursachte

Und ihre Tränen fließen wie’s Bächlein auf den Wiesen

Wie die Bürger beratschlagen, andere Wohnungen zu suchen und alle hinwegzogen.

III. Sagen und Legenden von Heiligen, Kirchen und Klöstern

Liudger – Agonie und Ekstase in zehn Akten

Leben des heiligen Ludgerus, erster Bischof von Münster

Teil I – König Radbod und der Edelmann Wursing

Teil II – Thiatgramm und Liesburch

Teil III – Der junge Autor

Teil IV – Lehrjahre in Yorck

Teil V – In heiliger Mission

Teil VI – Die Weihe zum Priester Teil VI – Die Weihe zum Priester

Teil VII – Die Weihe zum Bischof

Teil VIII – Das Vermächtnis des Liudger

Teil IX – Ein Mann wie nicht von dieser Welt

Teil X – Liudger fährt auf in den Himmel

Die gefiederten Maulwürfe graben nach Gänsewein

Der Ludgerus-Brunnen zu Billerbeck

Gans normal

Ludgerus und die Gänse

Stirb langsam

Die beiden heiligen Ewalde

Stirb langsamer

Die Legende von den Heiligen Ewalden

Ein göttlicher Bauauftrag

Die heilige Ida

Ein Licht im Dunkeln

Die Stiftung des Klosters Freckenhorst

Lengwycks langer Weg

Das heilige Kreuz zu Freckenhorst

»Dieser Mann ist unschuldig. Gurr, gurr!«

Der heilige Sueder

Es kann die Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es der bösen Mutter nicht gefällt

Die heilige Reinhildis

Ein Happen Kloster für die Erde

Das heilige Meer

Der unbestechliche Baumeister

Das Hufeisen auf dem Überwasser-Kirchhof zu Münster

Ein wortloses Baumeister-Schibboleth

Affe, Schaf und Schwein am Dom zu Münster

Preise gehen in den Himmel

Christi Himmelfahrt im Dom zu Münster

Unheiliger Bimbam

Die unterirdische Glocke

Lüdingelingeling!

Die Glocken zu Lüdinghausen

Zahlefrau und Töchter

Das Leben im Kloster

Das Grautier kannte eine Abkürzung

Der Esel des Bischofs Wulfhelm

IV. Sagen und Legenden von Jägern und Wäldern

Hirsch lebt, Jäger tot

Der Hochjäger

Jäger Brinkmann – Schneider Schnix 1:1 n.V.

Der Wilde Jäger und der Schneider zu Münster

Freischütz mit Freischütz bekämpfen

Jägerstücklein

V. Sagen und Legenden von Hexen, Zauberern und Zwergen

Hohoho – verhaspelt!

Das Heybrockmännchen

Blau, blau, blau blüht das Windhündchen …

Die drei Auflagen

Heilung mit der Belladonna

Der falsche Wunderheiler

Sautierte Kröten in Salamandergelee

Der Tecklenburger Hexenpfad

VI. Sagen und Legenden vom Teufel und von Jungfrauen

Unbedingt das elfte Gebot beachten

Der Teufel in der Dawert

Vom Herrn der Finsternis gesteinigt

Die Steine in der Dawert und bei Borken

Bodyshaming im Mittelalter

Der Pestbalg zu Bottrup

»Torte, Torte!«

Jungfer Eli

Auch der Teufel tauft nur mit Wasser

Die ungetaufte Glocke

›Bist du nicht billig, so zahl’ ich dich halt.‹

Das eiserne Halsband zu Münster

VII. Sagen und Legenden von Geistern, Gespenstern und anderen Gesellen

Eine laute Neinstimme

Der Kopf des heiligen Liborius

Heribert von und zu Pumpenhut, Amtmann a.D.

Amtmann Timphot

»Eins und eins und eins macht eins. Feierabend!«

Die Landmesser in der Galgheide

»Dein Wunsch ist mir Befehl, Eiermann!«

Plührs-Brücke

Das Heide-Uber ist gratis und kostet nur das Leben

Der Heidemann

Der Mensch stirbt auch vom Brot allein

Die beiden Schwestern

Ins Gras trinken

Der Gräsing zu Lengerich

Heubund-dresch-dich und Knüppel-an-dem-Hund

Der Knüppelhund

Außer Braten nichts geraten

Der Grinkenschmied

Angriff der Killerschmetterlinge!

Der Pestvogel bei Hagen am Teutoburger Wald

Abt schlägt Bauer, Schicksal schlägt Abt

Von dem Abt, der in einen Raben verwandelt wurde

Süß wie Gallensaft

Der Honigtopf zu Billerbeck

Kopflose sind meistens Nieten II

Mit dem Kopf unter dem Arm

Mutterliebe

Das Hockende Weib

Gleich zwei Pyrrhus-Siege an einem Tag

Steinbecker Esch

Der ewige westfälische Frieden

Haus Marck

Wo eine Wohnung ist, ist auch ein Dorf

Das Dorf Einen

VIII. Sagen und Legenden von Bergen, Burgen und Schlössern

Laufe nie einem Bus oder einer Frau hinterher

Wenn zwei sich streiten

Gut geneppt ist halb gegeistert

Der Rentmeister Schenkewald

Gold macht nicht glücklich – es beruhigt nicht einmal nach dem Tod

Das Königsgrab und die Urnen in der Hohen Warte

Die Schwester der dicken Berta

Die große Grete zu Tecklenburg

Unheil auf Schloss Bentheim

Der Brunnen, das Kreuz, das Götzenbild und die weiße Frau auf Schloss Bentheim

In dunkler, grüblerischer Stille rüsten die Wolken zum Gefecht

Der letzte Burggraf von Stromberg

I

II

III

IV

V

VI

VII

VIII

IX

Du sollst Vater und Edelsteine ehren

Die Jungfrau von Ottenstein

Wo die Sagen und Legenden beheimatet sind

Literatur- und Quellenverzeichnis

NACH DER SAGE IST VOR DER SAGE

Liebe lesende Menschen,

willkommen zu einer weiteren Reise durch die Welt deutscher Sagen und Legenden. So, wie sich unser Planet gegen den Uhrzeigersinn dreht, so haben wir bisher beginnend mit des Autors Heimatstadt Trier das Land bereist: Hunsrück, Saarland, Schwaben, Bayern, Thüringen, Berlin, Harz mit Kyffhäuser – und nun das Münsterland. Nicht alle Bände sind in dieser Reihenfolge erschienen, manche warten noch in der Druckerei auf das grüne Licht – und einige haben bereits geschriebene zweite Teile, so mächtig quoll ihr Sagenschatz aus der Truhe unserer Vergangenheit heraus.

Dr. Karl Martin Schiller, der kurz darauf Ludwig Bechsteins »Deutsches Sagenbuch« neu herausgeben würde, sagte im März 1930 die folgenden Worte dazu:

»[…] Liebevolle Achtung vor dem lebendigen Wirken und Weben im Volke ist der Grundzug der Bechsteinschen Sammlung. Dieser Grundzug mußte auch in unserer Neuausgabe gewahrt bleiben und deswegen dem Text möglichst seine ursprüngliche Gestalt gelassen werden. Zugleich aber galt es, die Sagen dem Verständnis und dem Empfinden des heutigen Lesers nahezubringen. […]

Dabei war noch besonders daran zu denken, daß jede Geschichte ihr eigenes Wesen und ihren eigenen Klang hat. Es wäre also nichts falscher gewesen als Vereinheitlichung. Man wird also finden, daß der Ton der Geschichten je nach Stoff, Zeit und Landschaft wechselt.«

Ihr Autor möchte sich dem Gesagten gerne anschließen. Nichts wäre ihm persönlich lieber, als alle Sagen aller Zeiten, aller Orte in eine gemeinsame Form zu bringen und eine beispiellose wissenschaftlich fundierte Dokumentation der Sagenwelt schmieden zu können. Man könnte bewerten, vergleichen, analysieren – alles mit dem besten Vorsatz, die Welt und uns selbst zu verstehen.

Doch ganz so einfach macht das Universum es uns nicht. Eine derartige Entität hat es nicht nötig, Dinge einfach zu machen. Deshalb müssen wir Menschen nach geeigneten Mitteln suchen, um diese Vergleiche anzustellen und über uns lernen zu können. Würde man nach der obigen Methode vorgehen, entwickelte sich vermutlich ein Resultat gemäß dem Motto »Operation geglückt, Patient tot«:

Alle Sagen würden in eine Scheune gescheucht und eingesperrt. Dann würde eine nach der anderen erlegt und gerupft, gehäutet und zerhackt werden. Immer weiter dringen die Messer in das Sagenfleisch hinein: entknorpeln und entbeinen, zerschneiden und zerteilen. Alles mit dem besten Willen und Vorsatz, in sauberen Schlachthäusern, von gesunden, gut bezahlten und in Berufsverbänden organisierten Metzgern verarbeitet. Dann wird alles in einheitliche Form gebracht, gewürzt, in Paniermehl gewälzt und gebraten. Täterätätäää! Einmalige Gelegenheit! Greifen Sie zu! Nur hier und heute: Sagen McNuggets.

* * *

Die Sagen und Legenden aus dem Münsterland wurden schon vergleichsweise früh in schriftliche Form gebracht, zum Beispiel durch Friedrich Steinmann im Jahre 1825 oder Jodocus Temme 1831. Beide Autoren haben nicht nur zwei deutlich unterschiedliche Stile, sondern auch verschiedene Ansätze – und die Aufgabe für Ihren geschätzten Autor ist nun:

Dem lesenden Menschen ein Menü gemäß den Rezepten Steinmanns, Temmes und anderen servieren und sich dem Vorwurf des unkreativen Abschreibens aussetzen – oder die Hackmesser niedersausen lassen, eine Klinikpackung Maggi, lies: Adjektive in den Kutter werfen; dann das Resultat als «neu», «exklusiv» und vor allem breit grinsend in die Kamera zu präsentieren, das Ego ungetrübt von Empathie, Maß und Ziel. Der ehemalige Preußen-Münsteraner Ansgar Brinkmann würde kalauern, das brauche kein Mensch.

Der Autor ist dem Regionalia Verlag sehr dankbar für die Gelegenheit, ein schreibender Mensch zu sein; vor allem aber dankbar für die kreative Freiheit, seine Recherche mit Geschichtsbewusstsein und Fingerspitzengefühl zu kombinieren, damit der lesende Mensch des 21. Jahrhunderts sich selbst einen Eindruck verschaffen kann: Was bietet uns die Vergangenheit, was tun Menschen in der Gegenwart – und was wollen wir für die Zukunft?

Ein Spiel hat 90 Jahre – wenn man Glück hat. Schön, dass Sie da waren. Bleiben Sie gesund.

Trier, im August 2022

Ihr Mario Junkes

TEIL1

VOM BEGINN DES ERSTEN WESTFALEN UND DER STADT MÜNSTER

Jahwe sprach »Es werde Licht!«

und es wurde Licht.

Nur in Münster blieb es finster.

KONTRA AUF DEN DICKSTEN GRAND

DER ERSTE WESTFALE (AUCH: DER ERSTE WESTFÄLINGER)

Jesus Christus von Nazareth wandelte mit seinem Jünger Petrus auf Erden. Wie uns die Sage berichtet, kamen sie dabei eines Tages ins Münsterland. Das Land sei damals noch ganz wüst gewesen, bedeckt mit Eichenwäldern und bewohnt mit Schweinen. Mit einem Mal habe Petrus den Herrn gebeten, das Land mit Menschen zu bevölkern. Christus aber habe das Haupt geschüttelt und gesprochen:

»So wie das Land werden auch die Menschen sein, die es nähre.«

Doch Petrus ließ nicht ab von seinem Bitten und so sprach Jesus, er wolle des Jüngers Wunsch gewähren, doch der werde sehen, was der Herr prophezeit habe. Beide standen gerade vor einem großen Haufen Schweinedung und Jesus sprach seine Schöpfungsworte:

»Werde ein Mensch!«

Und es geschah, was Jesus Christus prophezeit hatte. Ein trutziger, starker Mann erhob sich von der Erde und mit seinen ersten Worten fuhr er den Herrn unwirsch an:

»Wat stött he mi!«

So entstand der erste Münsterländer. Sofort nach seiner Erschaffung habe er sich mit seinem Schöpfer gezankt. Nach diesem ersten Münsterländer seien alle anderen geartet.

MÜNSTER ODER MAILAND – HAUPTSACHE ITALIEN!

DIE ERBAUUNG DER STADT MÜNSTER

Andy Möller soll im Jahre 1992 gesagt haben: »Madrid oder Mailand – Hauptsache Italien«.

Im Jahr 568 war der Langobardenkönig Alboin mit einer gewaltigen Heeresmacht in Italien eingefallen, um hier ein eigenes Königreich zu gründen. Er konnte dabei auf die Unterstützung zahlreicher Verbündeten und Helfer zählen. So hatten sich ihm auch etwa 20.000 Sachsen angeschlossen, welche ihr Glück in der Fremde versuchen wollten.

Allerdings gefiel es ihnen nicht lange in dem fremden Land Italien. Außerdem wollte Alboin ihnen neue Gesetze aufdrängen und so sehnten sie sich nach ihren heimischen Gefilden zurück. Sie gaben diesem Wunsch nach und zogen durch Gallien in ihr Vaterland zurück. Allerdings hatten sich während ihrer Abwesenheit die Schwaben ihre Wohnsitze unter den Nagel gerissen – und wollten dieselben natürlich nicht wieder hergeben.

Nun boten die Schwaben, um ein unnötiges Blutvergießen zu vermeiden, den Sachsen an, das Land mit ihnen teilen zu wollen. Aber die Sachsen wollten davon nichts wissen, sondern verlangten, dass die Schwaben ihre Spätzlepfannen einpackten und sich vom Acker machten. Darauf wiederum wollten die Schwaben natürlich nicht eingehen und so kam es zu einem erbitterten Kampf der alten Hausherren gegen die neuen.

Aber die Schlacht ging für die Sachsen sehr unglücklich aus. Sie verloren 14.000 Mann und die übrig gebliebenen 6.000 schworen, ihr Haupt- und Barthaar nicht eher wieder zu ordnen, als bis sie Rache für die Gefallenen genommen hätten. Doch richtete ein Drittel der ursprünglichen Mannstärke auch in einer zweiten Schlacht nichts mehr aus, wurde abermals geschlagen und die verbliebenen Lebendigen flohen gen Westen.

Nach einer Weile überquerten sie die Weser und gelangten in eine große Ebene an den Fluss Aa. Dort nisteten sie sich ein und beschlossen, an diesem Ort zu bleiben. Mit Weh erinnerten sie sich hier an das schöne Land, dessen Wohnsitze sie einst verschmäht hatten.

Zum Andenken an das herrliche Mailand, in dessen Nähe sie früher gewohnt hatten, baute man eine Stadt, die sie gleichfalls Mailand nannten – und welche nach vielfacher Umgestaltung des Namens heute Münster heißt.

TEIL2

DIE BECKUMER ANSCHLÄGE

Beckum wurde im Jahre 1134 zum ersten Mal urkundlich erwähnt und bereits 1224 erstmals als Stadt bezeichnet. Die frühesten Zeugnisse menschlicher Besiedlung, wie zum Beispiel das Galeriegrab von Beckum-Dalmer, stammen aus der Jungsteinzeit. Im frühen Mittelalter war die Gegend um Beckum von Germanenstämmen besiedelt.

Seien es die Nachfahren dieser frühen Bewohner, seien es von Völkerwanderungen herbei getragene Talente – die folgenden Seiten bieten eine Reihe von Anschlägen, mit denen es sich leben lässt.

ACHTBARES UNIKUM ANAGRAMM RATHAUS IN BECKUM

WIE DIE BÜRGER SICH ZUM BAU EINES RATHAUSES VORBEREITEN.

Die Bewohner haben uns leider nicht überliefert, wann die Stadt erbaut wurde, wo genau sie stand und wie sie aussah – oder welchen Namen man ihr gegeben hatte. Sicher ist jedoch, dass den Bürgern nach der Fertigstellung auffiel: Man hatte vergessen, ein Rathaus zu bauen. Das konnte nicht angehen, das musste gelöst werden, wenn doch jedes andere armselige Städtchen sich mit einem Rathaus schmückte.

Flugs ließ man eine allgemeine Volksversammlung für den nächsten Montag festsetzen. Nach den von der höchsten Weisheit der Stadt zeugenden Reden (die leider später von einer benachbarten Stadt, welche dieselben sehr beneidete und sich zum Muster nehmen wollte, heimlich entwendet wurden – doch bei einem Brand noch im selben Jahre wieder verloren gingen) während dieser Versammlung wurde der Rathausbau beschlossen und dem Höchstfordernden zur Leitung übertragen:

Es war nämlich so, dass jeder Bürger die Ausführungsarbeiten selbst angehen wollte, da der Bau eine allgemeine und allen in gleichem Maße am Herzen liegende Angelegenheit war. Gleich am nächsten Morgen begab man sich an die Arbeit.

Zunächst ging es an die Herbeischaffung des Bauholzes, der Sparren und der Latten. Schon wurde der erste Baum aus dem tausendjährigen Wald, der, wir erinnern uns an die Sage des ersten Westfälingers, noch die Schöpfung der Welt gesehen hatte, von den Bürgern herbeigetragen. Der hochgeehrte Herr Bürgermeister führte von der Spitze weg, die gesamte Bürgerschaft half, und so zog man jubelnd in Festtagskleidung in die Stadt.

Doch was war das?

Als man an das Tor kam, war dieses zu eng und der Baum war zu lang! Man trug den Baum deshalb zu den anderen Toren der Stadt, doch auch dort gelang das Hereintragen nicht. Die Tore waren allesamt zu eng. Da war guter Rat teuer. Eine neue Volksversammlung wurde anberaumt, aber niemand wusste Rat, wie man den schönen Baum in die Stadt schaffen sollte. Nach dem Läuten der Feuerglocke kamen auch die alten Frauen aus der ganzen Stadt herbei, um das Vorgefallene zu erfahren.

Schließlich kam jemand auf den Gedanken, am nächsten Tag ein Stück von der Stadtmauer und auch das Tor niederzureißen. So konnte der Baum endlich unversehrt in die Stadt getragen werden.

Vielleicht meinen aufmerksame Leser nun, durchaus ganz richtig, dass man den Baum anstatt quer doch einfach der Länge nach hätte hineintragen sollen. Aber daran dachte man zum Unglück nicht. Nun, hören wir, wie es weitergeht.

HELL WIE EIN TUNNEL

WIE DAS RATHAUS AUFGEBAUT, ABER DIE FENSTER DABEI VERGESSEN WURDEN.

Nachdem endlich das gezimmerte Bauholz, die Steine, Sand, Kalk, Bier, und was sonst noch zum Bauen erforderlich ist, zusammengetragen war, begannen die Bürger mit großem Eifer den Bau. In wenigen Tagen waren die drei Hauptmauern fertig, denn man wollte etwas Besonderes haben und das Rathaus dreieckig bauen.

Nun begab man sich an das Dach, welches gemäß dem Bau ebenfalls drei Ecken hatte, setzte den Dachstuhl auf die Mauern und wähnte sich stolz, das Werk bis auf das Decken vollendet zu haben. So, wie man gemeinsam gearbeitet hatte, ging man nun gemeinsam ins Wirtshaus, um sich dort auf Gemeindekosten einen verdienten Trunk zu genehmigen, denn das war bei allem Tun schließlich die Hauptsache.

Als am nächsten Tag mit der Glocke das Zeichen gegeben wurde, kamen sie alle wieder zusammen, stiegen auf den Dachstuhl und begannen, das Gebäude einzudecken. Nach vollendetem Werk gingen die Bürger dann zum ersten Mal in ihr neues Rathaus, um zu sehen, wie es sich darin raten lassen würde. Doch als sie aber in aller Ehrbarkeit eingetreten waren – sieh, schau, guck – es war dort drinnen ganz finster, so finster, dass einer den anderen kaum hören konnte.

Da erschraken die Bürger über alle Maßen. Man begann, lange und angestrengt zu überlegen, was man denn beim Bau vergessen haben könnte. Man ging aus der großen Türe hinaus, um von außen zu besehen, woran es denn fehle. Doch man sah nur die drei festen Mauern, das sauber gezimmerte Dach – es war beim Tageslicht wirklich nicht zu erkennen, woran es denn drinnen fehlen sollte.

Also gingen die Bürger wieder hinein, um sich das Ganze von drinnen anzusehen und den Fehler zu finden. Doch hier konnte man noch viel weniger einen solchen entdecken, denn es herrschte ein wahrer Mangel an Licht.

Was bleibt zu sagen?

Die Ursache für das Dunkel blieb den Bürgern unbekannt, sosehr man sich auch anstrengte, diese herauszufinden. Man konnte es nicht einmal erraten, sosehr man sich auch die Köpfe darüber zerbrach. Die Bürger waren in großer Sorge. Was konnte nur geschehen sein? Es musste eine Lösung gefunden werden – schnell, schnell – und deshalb beraumte man einen gemeinsamen Ratstag an.

DEM LICHT EINE FALLE STELLEN

BERATUNG DER BÜRGER, DAS LICHT IN IHR RATHAUS ZU TRAGEN.

Schließlich war der festgesetzte Ratstag gekommen und alle Bürger waren gekommen. Jeder von ihnen hatte eine kleine, brennende Fackel mitgebracht. Als man sich nun hinsetzte, steckte man sich die Fackel an den Hut, damit man sich im finsteren Rathaus einander gegenseitig erkennen und der Bürgermeister jedem bei der nun folgenden Befragung Namen und Titel geben könne. Die Befragung ging vonstatten und es wurden wieder vielerlei Meinungen vorgetragen. Doch wegen der heimlich entwendeten Weisheit mangelte es dieses Mal an guten Ideen. Es kam viel zweifelndes Gerede, wie es oft in diesen Fällen geschieht. Wieder war guter Rat teuer und man war kurz davor zu beschließen, das Rathaus von Neuem zu erbauen und diesmal aber sorgfältiger dabei vorzugehen.

Plötzlich aber stand ein Bürger auf und sprach:

»Wer weiß, ob sich das Licht und der Tag nicht in einem Sack tragen lassen, so, wie man Wasser in einem Eimer trägt? Unserkeiner hat es jemals versucht, nicht? Warum also sollen wir nicht endlich diesen Versuch machen? Wenn es uns gelingt, haben wir eine wichtige Kunst entdeckt und werden als Erfinder zu Recht großen Ruhm ernten. Gelingt es jedoch nicht, so haben wir nicht viel dabei verloren.«

Dieser Rat gefiel allen Bürgern so sehr, dass man beschloss, diesen mit aller Eile in die Tat umzusetzen. Also kamen sie am Mittag, als die Sonne am besten schien, alle vor dem neuen Rathaus zusammen. Jeder hatte ein Geschirr oder etwas Ähnliches dabei, mit dem er meinte, das Tageslicht fassen und ins Rathaus tragen zu können. Viele der Bürger brachten Hacken, Schaufeln, Mistforken und Anderes mit, um das Einfangen des Lichtes auf jede mögliche Art und Weise zu versuchen.

Sobald es ein Uhr geschlagen hatte, begannen alle, wie wild zu arbeiten.

Manche Bürger hatten große Säcke mitgebracht. Sie ließen die Sonne darin bis auf den Boden scheinen, knüpften die Säcke dann schnell zu und liefen ins Rathaus, um die Sonne darin auszuschütten. Sie sagten zueinander, dass die Säcke tatsächlich deutlich schwerer waren als vorher.

Andere taten dasselbe mit verdeckten Gefäßen wie Töpfen, Kesseln, Schüsseln, Fässern und was sich sonst noch alles im Haus fand. Einer fing das Licht mit seiner Heugabel und tat es in einen Korb, ein anderer tat dasselbe mit einer Schaufel und einem Eimer. Etliche Leute gruben das Licht aus der Erde hervor. Ein besonders gewitzter Bürger meinte, das Tageslicht könne man nur mit einer Mausefalle fangen, denn es müsse erst mit einer List bezwungen werden, bevor man es ins Haus tragen könne. Den ganzen Tag arbeiteten die Bürger mit großem Eifer, bis sie schließlich alle nacheinander ermüdeten und von Hitze wie Erschöpfung niedergestreckt wurden.

Als sie aber am Ende des Tages genauso viel ausgerichtet hatten wie die Riesen, welche einst die Berge übereinander gesetzt hatten, damit sie den Himmel erstürmen konnten, trösteten sich die Bürger mit den Worten:

»Nun, es wäre doch wahrlich eine feine Kunst gewesen, wenn es uns geraten wäre.«

Man zog von dannen und hatte demnach so viel gewonnen, dass man auf Unkosten der Gemeinde ins Wirtshaus ging, um sich beim Trank zu erquicken.

FRISCHES AMBOSSFETT

WIE EIN DURCHREISENDER LANDSTREICHER DEN BÜRGERN RIET, DAS TAGESLICHT IN IHR RATHAUS ZU BRINGEN UND SIE BETROG.

Wie nun die Bürger so bei ihrer Arbeit waren, kam ein fremder Wandersmann vorüber. Der stand still, sah dem Treiben zu, seine Kinnlade fiel herunter – und er wäre fast von dem ganzen Tun angesteckt und ebenfalls ein Bürger geworden. Abends in der Herberge fragte er, warum die Bürger denn derart in der Sonne gearbeitet hätten.

Die Umstehenden erklärten ihm bereitwillig, man habe versucht, das Tageslicht ins Rathaus zu tragen, weil es dort drinnen so dunkel sei, dass man nichts sehen könne. Der Fremde war ein gewitzter Schlingel und dachte sich gleich, dass hier wohl ein guter Reibach zu machen wäre. Er fragte die Bürger deshalb, ob sie mit ihrer Arbeit etwas ausgerichtet hätten. Die Leute verneinten.

Der Wandersmann meinte daraufhin, er könne ihnen erklären, wie sie die Sache erfolgreicher angehen könnten. Als die Bürger das hörten, waren sie über alle Maßen froh und versprachen dem fremden Mann ein stattliches Ehrengeschenk, wenn er ihnen seinen Rat erteilen würde. Der Geselle versprach ihnen solches gleich für den nächsten Tag. Die Bürger waren sehr zufrieden und hießen den Wirt, dem Gast einzuschenken und aufzutragen und alles auf die Rechnung der Gemeinde zu setzen.

Als die liebe Sonne den Bürgern den helllichten Tag wiedergebracht hatte, führte man den fremden Wandersmann zum Rathaus und man untersuchte es sorgfältig: von vorne und von hinten, von unten und von oben, von innen und von außen. Der Geselle tat, als überlegte er angestrengt eine ganze Weile lang, bis er schließlich die Bürger zu sich rief, um ihnen seinen Ratschlag zu geben: Man müsse die Ziegel vom Dach des Rathauses nehmen.

Im Nu war es geschehen und der fremde Weise sagte, dass die guten Bürger von nun an so viel Tageslicht in ihrem Rathaus hätten, wie es nur möglich sei – und wenn man dem Lichte überdrüssig würde, könne man es jederzeit verjagen.

Die Bürger hatten zwar mit Freude gesehen, dass nun endlich Licht in ihrem Rathaus war, doch den letzten Spruch des Wanderers hatten sie nicht verstanden. Wenn sie wieder das Dach darauf deckten, so würde es doch finster werden … doch es war ihnen einerlei. In ihrer großen Freude dachten sie nicht an die Zukunft, sondern nur daran, wie sie in ihrem Rathaus würden beraten können, nun, da endlich das Licht darin war.

Wie versprochen, ließen die Bürger dem fremden Wundertäter ein in der Tat ansehnliches Ehrengeschenk aus dem Stadtsäckel zukommen und dankten ihm mit vielen Worten für seine selbstlose Hilfe.

Der fremde Wandersmann schaute dem geschenkten Gaul nicht lange ins Maul, sondern machte, dass er davonkam. Immer wieder schaute er hinter sich, ob nicht doch einer der Bürger hinter ihm herliefe, um ihm das ergaunerte Geschenk wieder abzunehmen. Bis auf den heutigen Tag weiß niemand, woher der Fremde gekommen war, oder wohin ihn sein Weg geführt hatte. Das Einzige, was man über ihn wusste, war, dass man seinen Rücken zuletzt gesehen habe.

WER DEN DACHSCHADEN HAT, BRAUCHT FÜR DEN SPOTT NICHT ZU SORGEN

DIE BÜRGER WERDEN DER URSACHE DER FINSTERNIS IN IHREM RATHAUS ENDLICH GEWAHR UND SCHAFFEN SELBIGE AB.

Die Bürger freuten sich sehr über ihr neues Rathaus und den ganzen Sommer lang hielten sie darinnen fleißig Rat, behandelten die wichtigen Sachen, den gemeinsamen Nutzen, das Vaterland und wie man es verbessern könne. Sie hatten ein solches Glück, dass es den ganzen Sommer nicht ein einziges Mal regnete, während sie beratschlagten. Doch auch dieser Sommer ging zu Ende, der Winter kam herbei und brachte Wind, Regen und Schnee.

Als die Bürger nun eines Tages zu Rat saßen, bemerkten sie plötzlich, wie ihnen die Schneeflocken auf die Nasen fielen. Man kam überein, dem Rathaus erneut einen Hut aufzusetzen, der ihnen allen gut gefallen würde. Also deckte man das Dach wieder zu und meinte, man könne mit einem guten Ofen genauso warm und gemütlich im Rathaus sitzen, wie man es vom Sommer und der Sonne gewöhnt war.

Als aber das Dach wieder gedeckt war und die Bürger in ihr Rathaus gingen, war es plötzlich wieder so dunkel wie vorher. Die von dem fremden Wundertäter verschriebene teure Tageslicht-Einsparungs-Kunst-Erfindung war offenbar nutzlos – und nun erst bemerkten die ehrbaren Bürger, dass sie nicht ins Licht, sondern hinters Licht geführt worden waren.

Doch die Menschen wussten auch, dass man zu geschehenen Dingen gute Miene machen musste: Wenn das Geld erst einmal weg war, ist es zu spät, das Portemonnaie zu schließen. Also ergaben sie sich in ihr Schicksal, steckten sich wieder die kleinen Fackeln an ihre Hüte und hielten geschwind einen Rat, der sich weit in den Tag hineinzog.

Als schließlich die Umfrage von einem zum anderen ging, kam sie zuletzt an einen, der sich nicht als einen der Ungeschliffensten wähnte. Dieser sprach:

»Wir quälen uns immerfort mit unserem Rathaus. Wir haben Kosten, müssen uns verspotten und verachten lassen, weil wir den Fehler nicht finden und beheben können. Keiner von uns war so schlau, um zu sehen, dass wir keine Fenster in unser Rathaus gemacht haben, durch die das Licht hereinfallen könnte. Das kann doch wirklich nicht angehen!«

Diese Rede erschreckte die Bürger dermaßen, dass die ganze Gesellschaft mit einem Mal verstummte. Die braven Leute sahen einander an und schämten sich wegen ihres Unverstandes. Sogleich gingen alle zu Werke und begannen, ohne erst die Abstimmung abzuwarten, überall die Mauer des Rathauses zu durchbrechen, damit man dort die Fenster anbringen könne.

Das war die Chronik vom großen Rathausbau. Wenn einem so viel Gutes widerfährt, ist das einen Rosenmontagszug am Pfingstsonntag wert.

PERPETUUM SALZILE

DIE BÜRGER BESÄEN EINEN ACKER MIT SALZ, DASS ES WACHSEN SOLLTE – UND WAS SICH DAMIT ZUTRAGEN.

Nun hatten die Bürger das Rathaus vollendet. Es wurde mit großen Männern besetzt, die von nun an alle Tage zusammenkamen. Man wollte sich um das Beste für die Gemeinde kümmern und dazu zermarterten sich die großen Männer ihre Köpfe.

Es war damals so, dass wegen der viele Kriege das Salz, das man aus anderen Gegenden beziehen musste, immer knapper und knapper wurde. Also überlegte man, wie man dieser Sache abhelfen könnte. Es wurden viele Mittel und Wege vorgeschlagen, es wurde hin und her gedacht und abgewogen. Schließlich wurde sich der Rat einig und beschloss einhellig:

Schon seit aller Zeit sei bekannt, dass Zucker auf dem Feld wachse. Deshalb müsse ganz offensichtlich zu folgern sein, dass gleichermaßen auch das Salz auf dem Acker gepflanzt und aufgezogen werden könne.

Also solle ein großes Stück des der Gemeinde gehörenden Feldes ordentlich geeggt und gepflügt und bereitet werden, damit man dort alsdann das Salz in Gottes Namen säen und für alle Zeiten zum eigenen Verbrauch ernten könne. Von diesem Tag an wäre man nicht mehr von anderen Leuten abhängig und müsse diese mit netten Worten und noch netter gefüllten Geldsäcken um ihr kostbares Salz bitten.

Sogleich gingen die Bürger daran, diesen klugen Ratsbeschluss in die Tat umzusetzen. Voller Hoffnung, nicht nur bald für immer der großen Salznot entkommen zu sein, sondern es außerdem mit großem Gewinn in den Handel zu bringen, wurde das beste Stück Boden für den Plan reserviert.

Der Acker wurde hergerichtet und aus Sorge um die kostbare Ernte wurde an jeder der vier Ecken – denn wer hatte je von einem dreieckigen Acker gehört? – ein Hüter postiert. Jeder dieser Wachleute war mit einem Blasrohr bewaffnet, damit man die gierigen Vögel, die ja auch sonst jede Saat aus der Erde pickten, das Fürchten lehren könne.