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Erleben Sie die Märchen und Sagen aus aller Welt in dieser Serie "Märchen der Welt". Von den Ländern Europas über die Kontinente bis zu vergangenen Kulturen und noch heute existierenden Völkern: "Märchen der Welt" bietet Ihnen stundenlange Abwechslung. Ein Auszug aus dem Inhaltsverzeichnis dieses Buches: Vorwort Sakuntala Sawitri König Haristschandra Pururavas und Urwasi Tilottama Froschkönigs Tochter Rischjaschringa Vipaschit, der Gute Held Rama - Das Buch der Jugend Das Opfer zu Ajodhia Wischwamitra wappnet Rama Sita Die Verbannung Dascharathas Tod Die Brüder - Rama und Ravana Im Walde Der Raub der Sita Die Affen Hanumat Der Kampf Ravanas Tod - Die Apotheose Rama-Wischnu Das Lied vom Helden Rama und sein Ausgang
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Seitenzahl: 248
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Sagen und Märchen Altindiens, Band2
Alois Essigmann
Inhalt:
Geschichte des Märchens
Sagen und Märchen Altindiens, Band 2
Vorwort
Sakuntala
Sawitri
König Haristschandra
Pururavas und Urwasi
Tilottama
Froschkönigs Tochter
Rischjaschringa
Vipaschit, der Gute
Held Rama
Das Buch der Jugend
Das Opfer zu Ajodhia
Wischwamitra wappnet Rama
Sita
Die Verbannung
Dascharathas Tod
Die Brüder
Rama und Ravana
Im Walde
Der Raub der Sita
Die Affen
Hanumat
Der Kampf
Ravanas Tod
Die Apotheose
Rama-Wischnu
Das Lied vom Helden Rama und sein Ausgang
Sagen und Märchen Altindiens, Band 2
Jazzybee Verlag Jürgen Beck
Loschberg 9
86450 Altenmünster
ISBN: 9783849603519
www.jazzybee-verlag.de
Frontcover: © Sweet Angel - Fotolia.com
Ein Märchenist diejenige Art der erzählenden Dichtung, in der sich die Überlebnisse des mythologischen Denkens in einer der Bewußtseinsstufe des Kindes angepaßten Form erhalten haben. Wenn die primitiven Vorstellungen des Dämonenglaubens und des Naturmythus einer gereiftern Anschauung haben weichen müssen, kann sich doch das menschliche Gemüt noch nicht ganz von ihnen trennen; der alte Glaube ist erloschen, aber er übt doch noch eine starke ästhetische Gefühlswirkung aus. Sie wird ausgekostet von dem erwachsenen Erzähler, der sich mit Bewußtsein in das Dunkel phantastischer Vorstellungen zurückversetzt und sich, vielfach anknüpfend an altüberlieferte Mythen, an launenhafter Übertreibung des Wunderbaren ergötzt. So ist das Volksmärchen (und dieses ist das echte und eigentliche M.) das Produkt einer bestimmten Bewußtseinsstufe, das sich anlehnt an den Mythus und von Erwachsenen für das Kindergemüt mit übertreibender Betonung des Wunderbaren gepflegt und fortgebildet wird. Es ist dabei, wie in seinem Ursprung, so in seiner Weiterbildung durchaus ein Erzeugnis des Gesamtbewußtseins und ist nicht auf einzelne Schöpfer zurückzuführen: das M. gehört dem großen Kreis einer Volksgemeinschaft an, pflanzt sich von Mund zu Munde fort, wandert auch von Volk zu Volk und erfährt dabei mannigfache Veränderungen; aber es entspringt niemals der individuellen Erfindungskraft eines Einzelnen. Dies ist dagegen der Fall bei dem Kunstmärchen, das sich aber auch zumeist eben wegen dieses Ursprungs sowohl in den konkreten Zügen der Darstellung als auch durch allerlei abstrakte Nebengedanken nicht vorteilhaft von dem Volksmärchen unterscheidet. Das Wort M. stammt von dem altdeutschen maere, das zuerst die gewöhnlichste Benennung für erzählende Poesien überhaupt war, während der Begriff unsers Märchens im Mittelalter gewöhnlich mit dem Ausdruck spel bezeichnet wurde. Als die Heimat der M. kann man den Orient ansehen; Volkscharakter und Lebensweise der Völker im Osten bringen es mit sich, daß das M. bei ihnen noch heute besonders gepflegt wird. Irrtümlich hat man lange gemeint, ins Abendland sei das M. erst durch die Kreuzzüge gelangt; vielmehr treffen wir Spuren von ihm im Okzident in weit früherer Zeit. Das klassische Altertum besaß, was sich bei dem mythologischen Ursprung des Märchens von selbst versteht, Anklänge an das M. in Hülle und Fülle, aber noch nicht das M. selbst als Kunstgattung. Dagegen taucht in der Zeit des Neuplatonismus, der als ein Übergang des antiken Bewußtseins zur Romantik bezeichnet werden kann, eine Dichtung des Altertums auf, die technisch ein M. genannt werden kann, die reizvolle Episode von »Amor und Psyche« in Apulejus' »Goldenem Esel«. Gleicherweise hat sich auch an die deutsche Heldensage frühzeitig das M. angeschlossen. Gesammelt begegnen uns M. am frühesten in den »Tredeci piacevoli notti« des Straparola (Vened. 1550), im »Pentamerone« des Giambattista Basile (gest. um 1637 in Neapel), in den »Gesta Romanorum« (Mitte des 14. Jahrh.) etc. In Frankreich beginnen die eigentlichen Märchensammlungen erst zu Ende des 17. Jahrh.; Perrault eröffnete sie mit den als echte Volksmärchen zu betrachtenden »Contes de ma mère l'Oye«; 1704 folgte Gallands gute Übersetzung von »Tausendundeiner Nacht« (s. d.), jener berühmten, in der Mitte des 16. Jahrh. im Orient zusammengestellten Sammlung arabischer M. Besondern Märchenreichtum haben England, Schottland und Irland aufzuweisen, vorzüglich die dortigen Nachkommen der keltischen Urbewohner. Die M. der skandinavischen Reiche zeigen nahe Verwandtschaft mit den deutschen. Reiche Fülle von M. findet sich bei den Slawen. In Deutschland treten Sammlungen von M. seit der Mitte des 18. Jahrh. auf. Die »Volksmärchen« von Musäus (1782) und Benedikte Naubert sind allerdings nur novellistisch und romantisch verarbeitete Volkssagen. Die erste wahrhaft bedeutende, in Darstellung und Fassung vollkommen echte Sammlung deutscher M. sind die »Kinder- und Hausmärchen« der Brüder Grimm (zuerst 1812–13, 2 Bde.; ein 3. Band, 1822, enthält literarische Nachweise bezüglich der M.). Unter den sonstigen deutschen Sammlungen steht der Grimmschen am nächsten die von L. Bechstein (zuerst 1845); außerdem sind als die bessern zu nennen: die von E. M. Arndt (1818), Löhr (1818), J. W. Wolf (1845 u. 1851), Zingerle (1852–54), E. Meier (1852), H. Pröhle (1853) u. a. Mit M. des Auslandes machten uns durch Übertragungen bekannt: die Brüder Grimm (Irland, 1826), Graf Mailath (Ungarn, 1825), Vogl (Slawonien, 1837), Schott (Walachei, 1845), Asbjörnson (Norwegen), Bade (Bretagne, 1847), Iken (Persien, 1847), Gaal (Ungarn, 1858), Schleicher (Litauen, 1857), Waldau (Böhmen, 1860), Hahn (Griechenland u. Albanien, 1863), Schneller (Welschtirol, 1867), Kreutzwald (Esthland, 1869), Wenzig (Westslawen, 1869), Knortz (Indianermärchen, 1870, 1879, 1887), Gonzenbach (Sizilien, 1870), Österley (Orient, 1873), Carmen Sylva (Rumänien, 1882), Leskien und Brugman (Litauen, 1882), Goldschmidt (Rußland, 1882), Veckenstedt (Litauen, 1883), Krauß (Südslawen, 1883–84), Brauns (Japan, 1884), Poestion (Island, 1884; Lappland, 1885), Schreck (Finnland, 1887), Chalatanz (Armenien, 1887), Jannsen (Esthen, 1888), Mitsotakis (Griechenland, 1889), Kallas (Esthen, 1900) u. a. Unter den Kunstpoeten haben sich im M. mit dem meisten Glück versucht: Goethe, L. Tieck, Chamisso, E. T. A. Hoffmann, Fouqué, Kl. Brentano, der Däne Andersen, R. Leander (Volkmann) u. a. Vgl. Maaß, Das deutsche M. (Hamb. 1887); Pauls »Grundriß der germanischen Philologie«, 2. Bd., 1. Abt. (2. Aufl., Straßb. 1901); Benfey, Kleinere Schriften zu Märchen-forschung (Berl. 1890); Reinh. Köhler, Aufsätze über M. und Volkslieder (das. 1894) und Kleine Schriften, Bd. 1: Zur Märchenforschung (hrsg. von Bolte, das. 1898); R. Petsch, Formelhafte Schlüsse im Volksmärchen (das. 1900).
Wie im ersten Teil bemerke ich auch hier:
Diese Sagen und Märchen sind nicht nur Tausende von Jahren alt, sie sind auch im Laufe vieler Jahrhunderte, vielleicht Jahrtausende, entstanden, lange Zeit nur mündlich überliefert und auch nach der Niederschrift noch durch Jahrhunderte hindurch geändert, erweitert, den Sitten und Gebräuchen der Zeit, sowie dem Geschmack der jeweiligen Dichter angepaßt worden.
So erklärt sich mancher Widerspruch in der Auffassung und Verehrung von Göttern und Helden, in Landesbräuchen usw.
Zu merken wäre, daß die ältesten Inder ein sehr kriegerisches Volk waren und leibhaftige Naturkräfte als Gottheiten verehrten (Indra, Varuna, Agni usw.). Später aber riß der Priesterstand die Herrschaft an sich, die Naturgötter mußten sich den erdachten Repräsentanten der sittlichen Ordnung (Brahma, Wischnu, Dharma usw.) und Könige, Krieger und Volk ihren Priestern, den Brahmanen, beugen.
Mit dem der Allgemeinheit geläufigen Buchstabenmaterial ist es nicht möglich, ein vollkommen klangtreues Lautbild der altindischen Namen und Worte zu geben. Ich habe mich deshalb mit einer Annäherung begnügt und möchte nur noch bemerken, daß bei der von mir gewählten Schreibweise das Sch, sch im Anlaut weich gesprochen wird. Die letzte Silbe der Frauennamen ist lang.
Im Anhang habe ich ein alphabetisches Namensverzeichnis angefügt, welches manchen durch die vielen Namen vielleicht verwirrten Leser rasch über die Beziehung einzelner Personen zur Erzählung orientieren mag.
Mit Heißa und Horidoh fegte die Jagd des Königs am Ufer der Malini dahin.
Duschjanta hieß der starke Sohn des Purugeschlechtes, der in dem weiten Reiche die Herrschaft führte.
Die Sänger priesen ihn als den unbesieglichen Feindebezwinger, als Hort des Rechtes und der Vätersitte. Glücklich lebten die vier Kasten unter seiner Herrschaft und der Götter Segen lag über seinem Land. Reichlich spendete Indra dem gerechten Herrscher Regen und die Opferfeuer loderten in reinem Glanze zum Himmel.
Duschjanta war eine prächtige Kriegergestalt; hoch und breitbrüstig, mit Armen wie Keulen und blitzenden Augen in dem beweglichen Antlitz.
Fröhlich hetzte er an der Spitze seines Gefolges durch den Wald und sandte seine scharfen Pfeile nach dem aufgeschreckten Wild. Mancher starke Hirsch, manche flüchtige Gazelle sank vor den Geschossen des flüchtigen Jägers dahin, und das zornige Gebrüll der großen Raubtiere schreckte ihn nicht.
Kühn drang er ins Dickicht, erlegte einen wilden Elefanten mit der Lanze und einen mächtigen Tiger mit dem Schwert.
Im Eifer der Jagd ließ er sein Gefolge weit hinter sich und streifte bald allein durch den schweigenden Urwald. Hinter einer flüchtigen Hindin hetzte er her und konnte die Schnelle nicht erreichen.
Weiter flußaufwärts lag die Siedelei Vater Kanvas. Durch unwegsamen Urwald von aller Welt abgeschlossen, standen hier die Hütten der Frommen. Im Schatten uralter Bäume, die einander wie in Liebe mit ihrem Astwerk berührten, ward hier ein Leben der Andacht, der stillen Freude am Guten, der Ehrfurcht vor dem Ewigen und seinem Werke, gelebt. Vogelgesang erfüllte die frische Waldesluft, und Heimchen zirpten munter in der Sonne. Die Bienen taumelten von Blüte zu Blüte und sammelten ihre Schätze den Frommen zu leckerem Mahle. Schwer hingen Baum und Strauch voller Früchte und Dornen wie Nesseln schienen diese Stätte des Friedens in ehrlicher Scham zu meiden. Das scheue Getier des Waldes schritt vertrauensvoll über die sonnenglänzende Dorfstraße, spielte hier mit den frommen Schülern und leckte dort Salz aus der Hand eines freundlichen Greises. Seufzend, klagend, schmetternd und jubelnd klang der Sang des Kokila aus den Wipfeln, und manch fröhlicher Windstoß ließ einen Regen von duftenden Blüten niederfallen. Wie weitab lag diese Stätte frommer Freude von dem Getriebe der Welt. Wie gedieh hier der Liebe, was draußen im Kampfe der Natur und dem Nächsten abgerungen werden mußte. Wie klang hier das Lachen der Brahmanenmädchen so fröhlich, die Stimme des Lehrers so sanft, das Raunen der Gebete so feierlich. Wie glänzten die Feuer auf den Opferstätten und dufteten von den köstlichen Hölzern des Waldes, als würden sie mit Weihrauch und Myrrhen geschürt.
Oh, wie reichlich schenkte Natur hier den Bescheidenen, sie, die sich so kargen Zins abtrotzen läßt.
Wie gedieh in dieser vollen Schönheit wahre Fröhlichkeit des Herzens, mitten unter der Lehre von Wahrheit und Tugend, von Pflicht, von Lebens- und Sterbensweisheit.
Vater Kanva, das Haupt der frommen Dorfschaft, war ein Sprößling Kaschjapas, des Schöpfers. Überall in der Welt hätte man ihn hochgestellt, doch er liebte den Wald um seiner Stille willen, die ihn die Weisheit seines Herzens hören ließ.
So lebte er an dem Ufer der Malini allein und doch mit vielen Frommen, denen er allen ein Freund, ein Lehrer, ein Vater war. Sein liebstes Kind aber war Sakuntala, der Findling, den einst die Vögel – Sakuntas heißen sie in der Sprache Altindiens – beschützt und genährt hatten.
Nach dieser Insel des Friedens floh die schnelle Hindin vor dem nachkeuchenden König, und als sie den Schatten der ersten heiligen Bäume erreicht hatte, schritt sie sorglos äsend weiter, denn sie fühlte die Nähe ihrer frommen Beschützer.
Duschjanta, einen guten Bogenschuß hinter ihr, riß die Waffe empor und spannte die Sehne schier zum Zerreißen.
»Halt, König! Hüte dich vor Mord!« rief es da zu seiner Linken, und drei Büßer, mit Brennholz beladen, traten aus dem Wald. »Die Hindin gehört zu Vater Kanvas Einsiedelei. Sie vertraut seinem und deinem Schutz, o König! Töte sie nicht!«
Duschjanta senkte den Bogen.
»Edelster aus Purus Geschlecht, du trägst die Waffen, um Schwache zu schützen, nicht um sie zu töten!« fuhr der Sprecher fort.
Da nahm der König den Pfeil vom Bogen und tat ihn in den Köcher.
»Heil!« riefen die Drei. »Möge der Himmel dir einen Sohn schenken, der die Welt beherrscht, denn du weißt dich selbst zu beherrschen, tapferster Purusproß!«
Und sie neigten sich vor dem König und gaben ihm freundlich Antwort auf seine Fragen: daß dies die Einsiedelei Vater Kanvas sei, daß der edle Kaschjapasproß auf einer Wallfahrt wäre, um drohendes Unheil vom Haupt seines Töchterleins zu wenden und daß die liebliche Sakuntala an des Vaters Stelle würdige Gäste empfange und den König willkommen heißen würde!
Duschjanta dankte den Frommen mit huldvollen Worten und entließ sie mit freundlicher Gebärde.
Dann saß der König auf einem Stein in der Sonne nieder. Er dachte mit Freude an den glückverheißenden Wunsch der frommen Klausner und mit nie gekanntem Sehnen an das schöne Kind, welches ihn als Gast empfangen würde.
Der freudige Zuruf seines Wagenlenkers, der den ängstlich gesuchten Herrn hier fand, weckte Duschjanta aus seinem Sinnen. Er gab dem erprobten Gefährten manches Jagd- und Kriegszuges seinen königlichen Schmuck und sandte ihn zurück, um das Gefolge von der frommen Stätte fernzuhalten.
Nicht Schmuck und königlichem Gepränge wollte Duschjanta einen freundlichen Willkomm verdanken.
Als der Wagenlenker gegangen war, schritt der König nach dem Büßerhain und ahnte in seinem frohen Herzen, daß er den Weg zu seinem Glücke wandle.
Bald schlugen fröhliche Stimmen an sein Ohr, und als er durch die Büsche spähte, sah er drei liebliche Mädchen, denen das einfache Büßerkleid aus Bast nichts von ihrer Schönheit rauben konnte.
»Bei der schönen Göttin des Glückes!« dachte der König, »an meinem Hofe sah ich nicht so viel Anmut wie hier. Waldröslein ist lieblicher als die prächtigste Zentifolie. Ich will noch verborgen bleiben und mich an der Ungezwungenheit der Holden erfreuen!«
Lachend und scherzend schöpften die Mädchen mit ihren Krügen Wasser aus einem kleinen Weiher und gossen es über die Wurzeln der Bäume, die ihrer Pflege anvertraut waren.
»Oh, ihr guten Bäume!« rief Sakuntala, die Lieblichste der drei, »wie ihr die Luft mit Düften schwängert, daß man der Brust keine Ruhe gönnen möchte, um all die Herrlichkeit einzutrinken.«
»Deine Jugend schwellt dir die Brust, nicht die alten Bäume, du Schöne!« lachte eine der Gespielinnen, der Freundin sanft über das Haar streichend.
»Schmeichelkätzchen!« sprach Sakuntala errötend. »Du trägst mit Recht deinen Namen; Priyamvada, die Schmeichlerin! – Sieh dort den alten Herrn, der mit seinen Zweigen mir und meinem Kruge winkt, obwohl eine Liane ihn umschlingt, wie ein Weib seinen Gatten.«
»Du möchtest wohl auch bald einen Gatten umschlingen?« rief lächelnd die Dritte, Anasuya mit Namen.
»So denkst du!« schoß Sakuntala, zürnend und aufs neue errötend, den Pfeil der Freundin zurück. Dann wehrte sie sachte einer der vielen Bienen und wandte sich vor der Zudringlichen zur Flucht.
Und der König stand hinter den Büschen und hätte all seine Schätze und Würden hingegeben, wenn er als Bienlein um diesen Kirschenmund, um diese Pfirsichwangen hätte flattern können.
Sakuntala aber hatte Angst vor der kleinen Stachelträgerin, und zwischen Lachen und Weinen rief sie einige Male: »So helft mir doch!«
Die beiden losen Mädchen jedoch lachten: »Wir? – Oh, König Duschjanta hat die Pflicht, alle Schwachen in seinem Lande zu schützen; rufe doch ihn!«
»Oh, helft mir, helft mir!« rief Sakuntala wieder.
Da sprang der König aus seinem Versteck und rief: »Wo gilt es zu helfen und zu schützen?«
Priyamvada aber lachte und fragte, ob der Tapfere mit einem Bienlein Speere brechen wolle.
Duschjanta begrüßte Sakuntala nun freundlich und fragte der Sitte gemäß, ob ihr Bußwerk gedeihe. Die Verwirrte fand aber keine Worte der Erwiderung.
»Willst du dem edlen Helfer nicht die gastliche Spende holen, Sakuntala?« neckte Priyamvada, schnell gefaßt. »Fußwasser haben wir hier in den Krügen, doch Trunk und Früchte sind im Haus.«
»Dank euch! Ich nehme das Wort für die Tat und will im Grünen bei euch sitzen!« sprach Duschjana, nach einer Rasenbank schreitend.
»Und du, Sakuntala, sollst neben dem Gaste sitzen. Das erfordert die Ehrerbietung und gestattet die Sitte!« neckte Anasuya wieder.
Schüchtern folgte Sakuntala den Worten der Freundin. Duschjantas Blut jagte heiß durch die Adern, als er die Holde so nahe sah, und schwer fiel es ihm auf die Seele, daß das Kind des Brahmanen dem Sehnen des Kriegers von unerbittlichen Gesetzen entrückt war.
Da störte Anasuya sein Sinnen:
»Wer bist du, Herr? Wie heißt der edle Stamm der Frommen, dem du durch dein Fernsein Kummer bereitest?« fragte sie.
Schnell gefaßt, antwortete Duschjanta, der sich noch nicht als König zu erkennen geben wollte: »Der edle Purusproß hat mich mit der Pflege des Rechtes im Lande betraut, und ich kam, um zu sehen, ob niemand euren frommen Frieden stört!«
»Keiner hat ihn gestört – bis jetzt! Nicht wahr, Sakuntala?« neckte Anasuya wieder.
Die Verwirrte schlug errötend die Augen zu Boden und schwieg.
»Ist Sakuntala wirklich des frommen Kanva Tochter?« fragte der König. »Mich dünkt, der gute Heilige hat neben anderen Gelübden auch das der Ehelosigkeit getan.«
»Und Vater Kanva hielt es auch!« sprach Priyamvada. »Die Vögel haben meine schöne Freundin als Kindlein betreut, und wie sie geboren ward, mag dir, o Herr, die märchenfrohe Anasuya erzählen.«
Auf einen Wink des Königs begann Anasuya:
»Du hast von den Weisen aus dem Königsgeschlecht des Kuschika, dem frommen Kauschika oder Wischwamitra gehört, o Herr! Seine Bußfertigkeit überwand das Hindernis der Kaste: er ward aus einem Krieger ein Heiliger.
Oh, wie wußte der Fromme die Leidenschaft zu zähmen, sein ungestümes Blut zu zügeln! Wie fest stand jedes Wort der Heiligen Schrift in seinem Sinn, in seinem Herzen! Wie ferne lebte er von Stolz und Eigennutz, wie fern von jedem Wunsch der Sinne und des Leibes. Sein Bußwerk gedieh wie kein anderes und alle Götter standen tief in seiner Schuld. Fastend und schweigend, den Winter im Wasser, den Sommer zwischen lodernden Feuern, so brachte er seine Jahre hin, und diese schier endlose Buße gab ihm Macht über Himmel und Erde.
Indra zitterte vor ihm, denn du weißt, o Herr, daß geschrieben steht: Ein Bußfertiger kann den König der Götter vom Throne stoßen und ihm das Tor des Todes öffnen!
Indra zitterte!
Da rief er Menaka, die Schönste der Apsaras, der Göttermädchen aus seinem Gefolge, und befahl ihr, den frommen Kauschika von seinem Bußwerk abzuziehen.
»O König der Götter!« rief Menaka, »des Heiligen Fluch wird mich zum Unglücklichsten der Geschöpfe machen.«
»Fürchte dich nicht!« erwiderte der Donnerer, »Anmut schlägt den Stärksten in Ketten! Auch will ich dir den lachenden Lenz mitgeben, den wehenden Wind und den Gott mit den blütenspitzigen Pfeilen.«
Da gehorchte Menaka leichterem Sinnes und ging mit ihren Bundesgenossen nach Kauschikas Hain.
Eben war der Asket seinem nassen Nachtlager entstiegen und hob nun die hageren Arme gegen die aufgehende Sonne, um den Tag zum Lobe des Ewigen in Säulenstarrheit zu verbringen.
Er sah nicht, daß der Lenz seinen Wald mit den buntesten Blüten über und über geschmückt hatte; er fühlte nicht, daß ein sanfter Wind seine gemarterten Glieder liebkoste; stumpf blieb er gegen das Duftmeer um sich, taub gegen den Jubel der Lerche und des Kuckucks, denn sein Geist war beim Ewigen.
Da schritt Menaka, Blumen pflückend, an ihm vorüber, und lockend spielte der Wind in ihrem leichten Kleide.
Nur eines Atems Länge ließ Kauschikas Geist vom Himmlischen und wandte sich dem Irdischen zu. Und schon brannte Kamas Blütengeschoß in dem alternden Herzen, es zu neuer Jugend entflammend.
Fröhlich lachend ließ der Büßer die Arme sinken und ergriff die Hände des herrlichen Göttermädchens.
»Was tust du in meiner Einsiedelei?« fragte er freundlich.
»Ich will Blumen pflücken und sie in dein einsames Leben flechten!« sprach Menaka errötend.
»So komm!« rief der Mächtige.
Aus dem Schatz seiner Buße wählte sich Kauschika Jugend und männliche Kraft und führte das liebliche Göttermädchen als sein Weib in die Klause.
Kama, der Gott der Liebe, Waju, der wehende Wind, und der lachende Lenz eilten zu Indra und sagten ihm, daß die List gelungen und die Gefahr von seinem Haupte gewendet sei.
Der Heilige aber, in der neuen Kraft seiner Jugend, freute sich an seinem herrlichen Weibe, und wenn das lose Himmelskind entschlüpfen wollte, so bat er es, zu verweilen und sein traumhaftes Glück zu segnen.
Als Kauschika endlich unter die Tür seiner Hütte trat, sah er die Sonne langsam hinter dem Berge des Unterganges verschwinden.
»Heil dem Sonnengott!« rief er froh. »Er ließ mich mein Bußwerk nicht versäumen, denn eben naht die Stunde der gebotenen Abendandacht!« »O du weißer Narr, du närrischer Weiser!« lachte Menaka silberhell. »Wohl war es Morgen, als ich kam, und ist nun Abend, da ich gehen will, doch neunhundert Jahre und ein Tag liegen dazwischen. Dreihundert Jahre blieb ich bei dir, du Starker! Und als du mich wieder und wieder batest zu verweilen, da blieb ich von neuem dreihundert und dreihundert Jahre!«
»Weh' mir! wie konnte ich mich so vergessen!« rief Kauschika bestürzt. »Verloren, aufgebraucht ist mein so reicher Schatz der Buße, wie eines Tagelöhners Sparpfennig von einer Stunde im Trinkhaus. Wahrlich! von eines Weibes Lippen trinkt man den stärksten Rauschtrank! – Geh', geh', daß ich die nicht verfluche, die mir des Himmels Freuden gezeigt und für immer geraubt hat!«
Der Erschöpfte warf sich auf das Lager, um am andern Tage sein Bußwerk von vorne zu beginnen.
Menaka aber wandte sich traurig von dem Erzürnten und schritt in den Wald. Dort gebar sie ein liebliches Mädchen, vertraute es der Fürsorge der Waldvöglein an und wandelte durch das Wasser nach Indras Himmel zurück.
Der gute Vater Kanva fand das Mägdlein, eingebettet in die weichen Brustfedern von tausend und abertausend kleinen Vöglein und umzwitschert von den fröhlichen Sängern des Waldes. Er nahm das hilflose Wesen mit nach Hause und nannte es nach seinen kleinen Beschützern, den Sakuntas: Sakuntala.
An deiner Seite, o Herr, sitzt die Herangewachsene und harrt deiner Befehle als Gast und Gebieter!«
»So stammt die Fromme aus der Kriegerkaste!« sprach Duschjanta sinnend, als Anasuya geendet hatte. Und sein Inneres war voller Freude.
»Noch eine Frage, ihr lieben Mädchen, wenn es erlaubt ist.«
»Frage nur zu, Herr!« lachte Priyamvada. »Wir Büßermädchen plappern so gerne wie alle anderen!«
Der König fragte, ob Vater Kanva sein Töchterlein der Ehelosigkeit geweiht habe.
Da errötete Sakuntala, und ihre Freundinnen lachten: »Nein, nein! dem rechten Manne wird sie der Vater gerne überlassen!«
Sakuntala sprang auf: »Oh, laßt – ich muß – ei ja – ich muß noch Bäume gießen!« stammelte sie verlegen.
Nun faßte Duschjanta der Lieblichen Hand und schob ihr einen Ring an den Finger. »Mit dem Geschmeide lös' ich dich von deiner Arbeit, Kind,« sprach er lächelnd.
Und die Mädchen steckten die Köpfe zusammen und bewunderten die Kunst des Goldschmiedes. »Ei seht! des Königs Namenszug!« jubelte Priyamvada.
»Es ist ein Geschenk des Königs!" sprach Duschjanta, der Zweifelnden die Deutung seiner Worte überlassend.
Da klangen von fernher die Muscheln von des Königs Jagdzug in das Gespräch.
»Die Jagd!« rief Duschjanta. »Sie soll den Frieden des Haines nicht stören! – Lebt wohl! auf Wiedersehen!« Und nachdem sein Blick für eines Atems Länge in Sakuntalas Lotosaugen geruht hatte, eilte der König den schmetternden Klängen entgegen.
Sakuntala aber setzte sich auf die Rasenbank, schlug die Hände vor das Antlitz, und heiße Tränen, die von der ersten Liebe Leid und Lust erzählten, perlten über ihre Finger.
Priyamvada und Anasuya knieten vor ihr nieder und umfingen die Schluchzende: »O du Schöne, du Gute, du Zarte – was ficht dich an? – Hat der Gast dich gekränkt oder der Gott mit der Blumenwaffe dich versehrt? – Oh, sprich doch, weine nicht so herzzerbrechend. –«
»Auf Wiedersehen! – Kehrt er wieder? – Und wann? – Wer weiß es wann? – O meine Schwestern –« so schluchzte Sakuntala.
»Du liebst!« jubelte Anasuya.
»Wie könnt' er dich meiden, Schönste!« tröstete Priyamvada.
»Oh, da mögt ihr nur gleich mein Totenopfer richten –«
»Verläßt der Frühling die geliebte Erde für immer, wenn er dem schenkenden Sommer entgegen geht? – Oh, er kehrt wieder!« tröstete nun auch Anasuya.
Und die drei Mädchen hielten sich umschlungen und schwärmten von Sehnsucht und Liebe, von Freud und Leid der Trennung und von Treue über die Unendlichkeit der Zeit und Ferne.
Und dann begann die Beratung:
»Wenn er wiederkehrt, mußt du es ihm sagen!« rief Priyamvada.
»Nie, nie!« rief Sakuntala. »Ich stürbe vor Scham.«
»So schreib' es ihm!« riet Priyamvada wieder. »Nie wagt der Edle sonst, sich der Königin der Schönheit werbend zu nahen.«
»Ja, ein Verslein!« jubelte Anasuya. »Du birgst das Blättchen in einer Blume – –«
»Oder ritzest es mit deinem rosigen Fingernagel auf ein Lotusblatt!« setzte Priyamvada fort.
Da erhob sich Sakuntala von der Rasenbank und sprach mit zitternder Stimme:
»Scheint so warm ins Herz die Lieb' mir, Kosend wie der Flamme Hauch, Doch wie tausend Feuer brennen, Brennt die Frag': Liebst du mich auch?«
Da rief es aus dem Busch vor ihr:
»Leuchtet Lieb' dir, wärmt das Herz dir, Konnte Bangnis kaum dich sehren, Lodert es in mir wie Hölle, Will mir Herz und Sinn verzehren!«
Und Duschjanta sprang heraus, sank vor der Erschrockenen nieder und barg, ihre Knie umschlingend, sein Antlitz im Schoße der Erschauernden. Die Sehnsucht hatte ihn umkehren lassen, ehe er sein Gefolge erreicht hatte.
Priyamvada und Anasuya drückten sich eng aneinander, und Sakuntala strich liebevoll über die Locken des Gebeugten.
Da erhob sich der König:
»Weib!« sprach er, »Wahl ohne Zwang hat uns zueinander geführt. Wir schließen nach Vätersitte den Bund am Ort unseres Findens. Er ist so heilig, als hätte der Priester und das Haus mit seinem ewigen Feuer ihn geweiht. Gandharvaehe heißt er in des Landes heiligen Büchern, die mir, dem König, das einzige Gesetz sind. Vertraue mir, Innigstgeliebte!«
»Der König!« murmelte Priyamvada.
»Ich ahnte es!« erwiderte Anasuya leise, und laut rief sie aus: »Sieh dort das verirrte Gazellenkälbchen, wir wollen es seiner Mutter bringen.«
Hand in Hand liefen die beiden Mädchen davon und hörten nicht auf den leisen, ängstlichen Ruf Sakuntalas.
Der König aber schloß die Scheue und dennoch Willige in seine starken Arme und machte sie zu seinem Weib nach Väterbrauch.
Bis zum sinkenden Abend kosten sie in allesvergessender Liebe. Da klangen wieder die Drommeten des Jagdzuges, klagend und den Herrn suchend, in ihre stille Freude,
»Auf!« rief Duschjanta. »Ich führe die Jagd heim und hole dich in festlichem Zug an meinen Hof als Königin.«
»Du Lieber! – ach, bleib' bei mir!« flüsterte Sakuntala an seiner Brust.
»Mein Weib – mein holdes Weib, ich hole dich! Vertraue!« sprach Duschjanta bewegt, und mit einem innigen Kuß und einem leisen: Vergiß mein nicht! nahm er Abschied.
Sakuntala aber stand an den Baum gelehnt und sah dem Geliebten noch nach, als er schon lange ihrem Blick entschwunden war. Sie sah nicht, daß ein wandernder Brahmane aus dem Walde trat, hörte nicht seine müde Bitte um Gastfreundschaft und beachtete nicht, daß er sich zürnend wieder in den Wald wandte.
Anasuya und Priyamvada näherten sich vorsichtig dem Orte, wo sie das Brautpaar verlassen hatten, und wollten die Glücklichen nun als Gatten begrüßen. Da begegneten sie dem zürnenden Frommen.
»Wieder Mädchen, die den Kopf voll verliebter Torheiten haben!« schalt der. »Eben ließ mich solch eine Dirne vergeblich bitten. Aber die Götter sollen ihr Bild aus dem Gedächtnis des Ersehnten löschen, wie er aus dem ihren die Pflichten der Gastfreundschaft!«
»Schrecklich!« flüsterte Anasuya ihrer Freundin zu. »Es ist der Heilige Durwasa, der wegen seines Jähzornes bekannt ist. O komm, wir wollen ihn bitten, den Fluch vom Haupte der liebenden Gatten zu nehmen!«
Und sie traten vor den Heiligen und baten und flehten, die Freundin nicht unglücklich werden zu lassen, weil sie im Glück ihres Hochzeitstages etwas versehen hatte.
Der Alte wurde unter den Schmeichelhänden der Mädchen weich und bereute seinen schnellen Zorn. Aber eines Frommen Worte können nicht zurückgenommen werden wie eine kranke Kuh. So milderte er denn seinen Fluch und bat die Götter, sie mögen Duschjantas Gedächtnis wieder wecken, wenn sein Blick auf Geschmeide fiele, das er einst seiner Braut geschenkt hatte.
Da beruhigten sich die Freundinnen, denn sie gedachten des Ringleins an Sakuntalas Hand.
Und sie beschlossen, den Vorfall zu verschweigen, um nicht das Glück der ersten Liebe in Kummer und Sorge zu ersticken.
Als der Heilige Kanva von seiner Wallfahrt heimkam, verbarg sich Sakuntala in holder Scham vor dem geliebten Vater, dessen Haus nun bald durch ihre Ehe einsam werden mußte.
Kanva aber befragte Agni im Opfer, und die Flamme flüsterte dem Frommen zu, daß seine Tochter die Gattin des Königs geworden sei und bald einen Prinzen, den künftigen Herrn der Erde, zur Welt bringen werde. Der Heilige dankte den Göttern für diesen Segen; denn Pflicht des Weibes ist es, Gattin und Mutter zu werden, und manch trüber Gedanke, wie das Kind seiner Sorge in der Wildnis einen würdigen Gatten fände, hatte das Herz des Guten schon beschwert.
Nun war er glücklich und suchte die Tochter, um sie zur Fahrt an den Hof festlich zu schmücken.
Weinend und lachend empfing Sakuntala den treuen Beschützer ihrer Kindheit und folgte willig, wenn auch mit leisem Abschiedsweh, den Weisungen des Vaters, sich zur Reise zu rüsten.
Anasuya und Priyamvada wurden in den Wald gesandt, um Ranken und Blüten als köstlichsten Schmuck für die Tochter des Waldes zu holen.
Doch Wunder: die dankbaren Bäume streckten den Mädchen ihre Äste entgegen und reichten ihnen schimmerndes Geschmeide, weiße, seidenweiche Gewänder und köstlich duftende Salben für den Liebling des Waldes.
So ward die Holde herrlicher angetan als irgendein Weib aus dem Frauenhause des Königs.
Zwei würdige Jünger Vater Kanvas sollten Sakuntala nach der Residenz Hastinapura geleiten und dem König die Gattin mit den Segenswünschen ihres Vaters überbringen.
Gar schwer fiel allen der Abschied von dem lieblichen Kind. Sakuntala sank aus den Armen des Vaters in die ihrer mütterlichen Freundin Gautami. Sie umhalste ihre fröhlichen, heut' ach so traurigen Gespielinnen Anasuya und Priyamvada, sie gab hier einem Papageien noch ein paar Reiskörner, nahm dort ein Gazellenkälbchen auf den Arm und strich liebkosend über jeden der uralten Bäume, die ihre glückliche Kindheit beschattet hatten.
Endlich riß sie sich los, denn ihre Führer hatten, voll Ungeduld, schon den Weg nach Hastinapura eingeschlagen.