Save my BLIND SIDE (Red Zone Rivals 2) - Kandi Steiner - E-Book

Save my BLIND SIDE (Red Zone Rivals 2) E-Book

Kandi Steiner

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Beschreibung

*Der heißeste Footballspieler der Nation hat mich gebeten, seine Fake-Freundin zu werden. Und ich habe ihn gefragt, ob er mich entjungfert.* Clay Johnson besitzt die Bauchmuskeln eines Adonis und das tödliche Grinsen des Teufels. Es vergeht beinahe kein Tag, an dem er während der Footballsaison keine Schlagzeile macht – und kein Tag, an dem er nicht das Ziel einer jeden Frau auf dem Campus ist. Mit der Abmachung zwischen uns, eine Fake-Beziehung einzugehen, springt für beide Seiten etwas heraus. Nur weiß Clay nicht, dass ich – dieser Bücherwurm hier – noch Jungfrau bin. Doch wenn es nach mir geht, dann nicht mehr lange. Aber je mehr ich mich auf Clay Johnson einlasse, desto schwieriger wird es, zwischen Realität und Fake zu unterscheiden. Besonders, wenn mein Herz wie verrückt flattert. Wir haben Regeln. Aber ich habe einmal gehört: Regeln sind dazu da, sie zu brechen. Doch niemand hat mir verraten, dass es bei Herzen ganz genau so ist.

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Epilog
Danksagung

Kandi Steiner

 

 

Save my BLIND SIDE

(RED ZONE RIVALS 2)

Giana & Clay

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Aus dem Englischen übersetzt von Sandy Brandt

Dieser Artikel ist auch als Taschenbuch und Hörbuch erschienen.

Save my BLIND SIDE

 

 

 

 

Copyright

© 2024 VAJONA Verlag VAJONA Verlag

Carl-Wilhelm-Koch-Str. 3

08606 Oelsnitz

Alle Rechte vorbehalten.

[email protected]

Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlags

wiedergegeben werden.

 

Übersetzung: Sandy Brandt

Die Originalausgabe erschien 2022 unter dem Titel »BLIND SIDE«.

 

Korrektorat: Aileen Dawe-Henning und Susann Chemnitzer

Umschlaggestaltung: Julia Gröchel unter Verwendung von selbst

gezeichneten Motiven

Satz: VAJONA Verlag, Oelsnitz

 

VAJONA Verlag

Carl-Wilhelm-Koch-Str. 3

08606 Oelsnitz

 

 

 

 

 

 

Für die Mädchen, die sehen, in welche

Schublade die Gesellschaft sie gesteckt hat

und die dann erbarmungslos arbeiten,

um diese Wichser in Stücke zu reißen

 

Das hier ist für euch.

 

 

 

1

Giana

 

Es war an einem der schönsten Tage, als ich Opfer von Clay Johnsons Nach-der-Trennung-Zusammenbruchs wurde.

Die Sommersonne stand hoch am Himmel und wärmte meine Haut, als ich mit meinem iPad im Schlepptau über das Football-Feld der North Boston University hüpfte, um die Liste der Spieler abzuhaken, die ich nach dem ersten Tag des Herbstcamps für Interviews anvisieren musste. Der Herbst flüsterte in der kühlen Brise und der schwache Duft von Äpfeln und frischem Rasen versprach ein weiteres aufregendes Jahr für die NBU Rebels.

Letztes Jahr um diese Zeit war ich ein ängstliches Durcheinander gewesen – nicht, dass ich nicht immer noch jedes Mal wie Espenlaub zitterte, sobald ich versuchte, einen ein Meter und achzig großen Footballspieler herumzukommandieren. Aber jetzt hatte ich zumindest mittelmäßig viel Zuversicht, da ich ein Praktikum sicher hatte und in Teilzeit als Assistentin des Koordinators für Öffentlichkeitsarbeit des Teams eingestellt worden war.

Dies war mein Team, mein Jahr, um zu glänzen, und meine Zeit, um aus dem Schatten zu treten.

Meine karamellfarbenen Locken wippten, als ich über das Spielfeld fegte, den Spielern, die ich brauchte, auf die Schultern klopfte und ihnen sagte, wohin sie gehen sollten. Ich lief nur dreimal rot an und mir gelang es, gerade so etwas lauter als eine Maus zu sprechen und mit allen Augenkontakt zu halten.

Fortschritt.

Ich hatte mir meinen Platz hier verdient, so wie diese Spieler in dieser Saison um ihren Platz in der Mannschaft kämpfen würden.

Zuversicht – so hoffte ich – würde mit der Zeit kommen.

Ich lächelte, als ich die Anfrage für Clay Johnson auf meiner Liste sah. Er war einer der Spieler, dem man am leichtesten etwas über die Kunst der Medienarbeit beibringen konnte. Er war ein Naturtalent, albern und charismatisch, und doch irgendwie eloquent und raffiniert in seinen Antworten. Er sprach vor der Kamera wie ein zweiunddreißigjähriger Profi und nicht wie ein neunzehnjähriger Sportstudent, und er war nett zu mir – respektvoll und aufmerksam. Tatsächlich war er meist derjenige, der den anderen Spielern einen Klaps auf den Arm gab, damit sie mir ihre Aufmerksamkeit schenkten, wenn meine sanfte Aufforderung, mir zu folgen, nicht fruchtete.

Außerdem war er der Inbegriff vom männlichen Sahneschnittchen und absolut unwiderstehlich, egal welches Geschlecht oder welcher sexuellen Orientierung man sich zugehörig fühlte.

Ich konnte ihn in der Masse der Spieler leicht ausfindig machen, nicht nur wegen seiner Größe, sondern auch, weil er sein Trainingstrikot bereits ausgezogen hatte und seine Muskeln in der Sonne New Englands glänzten. Ich gab mein Bestes, um beim Anblick der glatten Erhebungen seines Bauches nicht zu sabbern; um nicht die Schweißperlen nachzuverfolgen, die über die Wölbung seiner Brustmuskeln glitten und an seinem Körper herunterliefen. Seine breiten Schultern waren gebräunt und straff, die Rückenmuskeln sahen aus wie aus einer anderen Welt, so, als wäre er ein MMA-Kämpfer und kein Safety im College-Football.

Es waren vielleicht zwanzig Sekunden – die Zeit, in der ich mir erlaubte, die scharfe Kante seines Kiefers, seinen spitzen Nasenrücken und seinen feuchten Schopf kaffeebraunen Haares zu bewundern, durch den er abwesend mit einer Hand fuhr. Durch die Bewegung spannte sich unwillkürlich sein Bizeps an, und bei dem Anblick überfiel mich der Gedanke an das Cover meines aktuellen Mafia-Romans wie ein Blitz.

Ich konnte mir vorstellen, wie Clay Johnson einen Mann mit bloßen Händen erwürgte, ihn mit seinem ausgeprägten Bizeps am Boden festhielt und ihm mit einem strengen Blick in den Augen den Tod versprach, sollte er Clay nicht verraten, was dieser wissen wollte.

Ein Wimpernschlag genügte und ich war wieder auf dem Spielfeld, näherte mich ihm, so entschlossen es mir möglich war.

»Clay«, sagte ich, obwohl ich wusste, dass ich zu leise war – vor allem, als die Jungs um ihn herum wegen irgendetwas in einen Lachanfall ausbrachen.

Ich lächelte und strich mir eine wilde Locke hinter ein Ohr, bevor ich das Wort ergriff.

»Clay, ich brauche dich für die Medien.«

Mit seinen wütenden grünen Augen sah er mich an und raubte mir mit dieser Geste den nächsten Atemzug. Normalerweise waren diese Augen warm und von Lachfalten umgeben, golden umrahmt und mit einem breiten, ansteckenden Lächeln unterstrichen, aber heute waren sie … leblos.

Abgestumpft.

Kalt.

Beinahe … gemein.

Bevor er antworten konnte, wurde ich mit einer schwitzigen Umarmung von hinten von den Füßen gerissen.

»Giana! Mein Mädchen. Meinst du nicht, dass ich es bin, den du suchst?«

Leo Hernandez wirbelte mich herum, und ich wusste, dass es besser war, sich nicht zu wehren. Ich wartete einfach, bis meine Füße wieder auf dem Boden waren, bevor ich meine Brille auf dem Nasenrücken nach oben rückte.

»Du wirst deine Zeit im Rampenlicht bekommen, Leo. Mach dir keine Sorgen.«

»Mache ich niemals«, sagte er mit einem Augenzwinkern.

Leo Hernandez war ein zu-sexy-für-sein-eigenes-Wohlbefinden Running Back und eine ausgewiesene Nervensäge. Es lag nicht daran, dass er vor der Kamera schlecht war – ganz im Gegenteil. Es waren seine Aktivitäten abseits des Spielfelds, die mich auf Trab hielten. Der Junge konnte zu einer hübschen Blondine und einer langen Nacht nicht nein sagen, selbst wenn ein NFL-Vertrag und ein Fünf-Millionen-Dollar-Bonus im Spiel gewesen wären.

Als ich mich wieder zu Clay umdrehte, konnte ich gerade noch beobachten, wie er auf dem Weg in die Umkleidekabine an mir vorbeiging.

Ich flitzte zu ihm, um ihn einzuholen. »Äh, eigentlich sind die Reporter alle dort drüben versammelt«, sagte ich und deutete auf den anderen Rand des Stadions.

»Mir egal.«

Ich hielt bei den Worten inne. Bei der Kälte, die sie ausstrahlten, zitterte ich ein wenig und beobachtete, wie sich die Muskeln seines Rückens auf und ab bewegten, bevor ich den Kopf schüttelte und einen Hopser machte, um ihn wieder einzuholen.

»Es wird nicht lange dauern, nur ein kurzes fünfminütiges Interview.«

»Nein.«

Ich gluckste. »Okay, ich verstehe. Der erste Tag im Trainingslager ist hart. Es ist heiß hier draußen, der Trainer schaut zu, ich –«

»Nein, du verstehst es nicht«, sagte er und wirbelte herum, sodass ich direkt gegen seine verschwitzte Brust knallte. Er versuchte nicht, mich aufzufangen, als ich zurückprallte, aber ich richtete mich auf und rückte meine Brille zurecht, um ihm in die Augen zu sehen, als er fortfuhr: »Du bist kein Spieler. Du bist kein Teil des Teams. Du bist ein Teil der Reporter. Und ich will jetzt verdammt noch mal weder mit dir noch mit denen oder mit irgendjemandem reden.«

Schmerz durchzuckte mich, als er sich umdrehte. Aber er hielt nur einen Moment an, bevor ich ausatmete und ihn so gehen ließ.

Es gehörte zu meinem Job, mit Sportlern, die sich wie Babys benahmen, und ihren Stimmungsschwankungen umzugehen.

Ich schaffe das.

Ich räusperte mich, als ich zu ihm aufschloss. »Nun, es tut mir leid, dass du einen schlechten Tag hast, aber das ist leider Teil deiner Rolle als Sportler an der North Boston University. Du kannst also entweder dieses kurze Interview führen oder dem Trainer erklären, warum du keine Lust hattest.«

Das ließ ihn innehalten, und ich beobachtete, wie sich seine Fäuste an den Seiten ballten, bevor er sich umdrehte und die Adern in seinem Nacken hervortraten. Er knackte mit dem Nacken und stürmte dann an mir vorbei in Richtung der ausgereihten Reporter.

Ich lächelte siegessicher.

Zumindest, bis ich ihm zu der netten Reporterin von ESPN folgte und mit Entsetzen zusehen musste, wie er sich und das Team lächerlich machte und vor allem –

Mich.

»Clay, nach dem Bowl-Spiel in der letzten Saison waren wir alle gespannt und haben große Erwartungen an den NBU-Football. Wie denkst du über die Saison?«

Sarah Blackwell zeigte Clay mit einem Grinsen ihre frisch aufgehellten Zähne und drehte das Mikrofon in ihrer Hand in Richtung seines schönen Mundes – der gerade eine flache, gerade Linie bildete.

»Ich glaube, wir könnten uns viel mehr auf Football konzentrieren, wenn wir unsere Zeit nicht mit Reportern wie dir verschwenden müssten.«

Ich riss die Augen auf, und mein Herz schlug mir bis zum Hals, als Sarah die Stirn runzelte, blinzelte, mich anschaute und wieder in die Kamera blickte, bevor sie das Mikrofon senkte.

»Wir wissen, dass ihr euch alle auf die Saison freut, und ich verstehe, dass ihr euch konzentrieren wollt«, sagte sie mit einem gezwungenen Lachen, das trotz Clays ausdrucksloser Miene geübt und gelassen wirkte. »Letzte Saison war Riley Novo, die Kickerin der NBU, die große Neuigkeit. In dieser Saison ist sie wieder da, und dieses Mal ist sie mit einem Teamkollegen zusammen – Zeke Collins. Glaubst du, dass das eine Ablenkung für das Team sein wird?«

Clay sprach bereits, bevor sie ihr Mikrofon anheben konnte. »Ich denke, unser Liebesleben sollte für niemanden von Bedeutung sein, der nicht traurig und einsam ist und sich verzweifelt eine Meinung über die Beziehungen anderer bilden will, um die eigene Scheiß-Show zu ignorieren.”

Sarah versuchte, das Mikrofon wieder herunterzureißen, bevor er fluchen konnte, aber ich wusste, dass es zu spät war. Sie kicherte sich mit einem verlegenen Lächeln durch einen weiteren Versuch, bevor sie uns entließ. Als die Kamera aus war, blickte sie Clay böse an. »Wirklich professionell.«

Aber Clay sah nur zu mir herab. »Sonst noch etwas?«

Ich könnte schwören, dass mein Auge zuckte, aber ich lächelte trotzdem. Mit einem Knoten im Magen versuchte ich, mir Ausreden für später zurechtzulegen, wenn meine feuerspeiende Chefin mir den Arsch aufreißen würde.

»Wir haben einen Studenten vom College-Nachrichten-Team hier«, sagte ich und führte Clay am Zaun entlang, hinter den Reportern, die andere Teamkollegen interviewten. »Er ist nett. Und neu«, sagte ich und hielt Clay kurz vor der Stelle an, wo der junge Mann wartete. Ich senkte meine Stimme. »Hör zu, ich weiß nicht, was los ist, aber wenn du nicht hiermit umgehen kannst –«

Clay schüttelte mich ab, bevor ich zu Ende sprechen konnte. Ein Nicken, gerichtet an den Jungen mit dem Mikrofon und dem etwas größeren dahinter mit der Kamera, war sein einziger Gruß.

Das Interview war nicht so schlimm wie das vorherige, aber dies war bei weitem nicht der Clay Johnson, den ich aus der letzten Saison kannte.

Er beantwortete die Fragen kaum, gab mehr hochnäsige Bemerkungen als irgendetwas Zusammenhängendes von sich, und als der arme Junge versuchte, sich mit seinen Notizen auseinanderzusetzen und herauszufinden, was er ihn noch fragen sollte, sagte Clay knapp: »Sind wir hier fertig?«

Und dann drehte er sich um und ging, bevor der Ärmste antworten konnte.

Nachdem ich mich ausgiebig entschuldigt hatte, fragte ich Riley und Zeke um einen Gefallen und bat sie, mit beiden Reportern über ihren gemeinsamen Sommer zu sprechen und darüber, dass dieses Jahr nicht nur als Teamkollegen, sondern auch als Paar anders ist. Die beiden waren im College-Football in aller Munde, seit sie nach dem Bowl-Sieg im letzten Jahr auf Twitter für Aufregung sorgten, weil sie auf dem Spielfeld rummachten.

Zu meinem Glück waren sie gut gelaunt und sprachen beide sehr gut vor der Kamera.

Ich lächelte und zeigte ihnen die Daumen nach oben, während ich hinter dem Kameramann zuhörte und Clay Löcher in den Rücken brannte, während er wie ein Kind zur Umkleidekabine stapfte.

Als das Interview zu Ende war, bedankte sich Riley bei den Reportern und zog mich zur Seite. Ihr langes, kastanienbraunes Haar war mit goldenen Strähnen durchzogen, die vom Spielen in der Sonne heller geworden waren. Sie hatte es zu einem hohen, festen Pferdeschwanz gebunden, nahm einen Kuss von Zeke auf die Wange entgegen und wartete, bis er außer Hörweite war, bevor sie sprach.

»Ein Ratschlag«, sagte sie und senkte ihre Stimme, während sie sich umsah, um sicherzustellen, dass niemand zuhörte. »Du solltest dich vielleicht eine Weile von Johnson fernhalten. Er und Maliyah haben sich gerade getrennt.«

Ich errötete. »Was?!«

Es war sinnlos, den Schock aus meinem Gesicht zu verbannen. Ich kannte Clay nicht gut genug, um zu wissen, dass ihm seine Highschool-Liebe alles bedeutete, aber das war auch nicht nötig. In der letzten Saison hatte er sie jedes Mal hierher mitgeschleppt, wenn sie unseren Campus besuchte, und ich erinnerte mich noch genau daran, dass es mir schwer fiel, ihn für ein Interview nach unserem zweiten Heimspielsieg von ihr loszureißen. Er hatte ständig auf Instagram über sie gepostet, und die Bildunterschriften machten seine Gefühle immer sehr deutlich.

Er hatte vorgehabt, sie zu heiraten.

Aber jetzt waren sie kein Paar mehr.

Riley nickte nur und zog die Brauen zusammen. »Ich weiß. Der arme Junge hat letztes Semester mit Zeke darüber gesprochen, dass er dachte, sie sei die Richtige.« Riley seufzte und wir sahen beide zu, wie Clay in der Stadionhalle verschwand, die zu den Umkleideräumen führte. »Er ist ein Wrack.«

Meine Schultern sackten zusammen. »Ich wusste, dass etwas passiert sein musste. In der letzten Saison war er immer so glücklich gewesen, so … voller Leben.«

»Nun, ich glaube, dass er für eine Weile nicht mehr so sein wird.« Riley schluckte und schaute immer noch dorthin, wo Clay verschwunden war. »Sie waren schon in der Highschool zusammen gewesen.«

Ich seufzte und wünschte, ich könnte etwas Mitgefühl aufbringen. Ich war noch nie mit jemandem ausgegangen, geschweige denn verliebt gewesen, und so war das Einzige, was in diesem Moment in meiner Brust gegenüber Clay brodelte, eine entfernte Art von Empathie.

Und ein wenig Frustration darüber, dass ich mit den Folgen zurechtkommen musste.

»Ich werde ein Training mit ihm vereinbaren müssen«, sagte ich. »Er wird immer noch mit den Reportern sprechen müssen, und der Trainer wird ihm und mir den Arsch versohlen, wenn er so etwas noch einmal abzieht.«

Riley sah mich an, als würde sie mich bemitleiden, und drückte meine Schulter. Bevor sie weggehen konnte, fragte ich: »Irgendein Rat?«

Sie zuckte mit den Schultern, der traurige Versuch eines Lächelns auf ihrem Gesicht. »Sorg dafür, dass es Bier gibt.«

2

Giana

 

Charlotte Banks war das Ebenbild einer kühlen Leinwandlandschaft, als sie am nächsten Nachmittag hinter ihrem Schreibtisch saß, die Augen auf ihren Computerbildschirm gerichtet, während die Aufzeichnung von Clays Interview abgespielt wurde. Der Bildschirm war so geneigt, dass ich ihn von meinem Platz ihr gegenüber aus sehen konnte – als hätte ich es nicht schon hundertmal gesehen.

Wenn ich einen Ausbruch erwartet hatte, kannte ich meine Chefin nicht. Mrs Banks wirkte fast gelangweilt, während sie den Bildschirm betrachtete. Gelegentlich schaute sie auf ihre manikürten Nägel hinunter und zupfte an der Haut herum, bevor sie erneut die Arme vor der Brust verschränkte. Ihr kurzes, kupferfarbenes Haar war perfekt geglättet und gestylt, die Strähnen umrahmten ihr scharfes Kinn, keine Strähne wirkte fehl am Platz. Ihre Lippen waren in einem dezenten Rot geschminkt, und ihre großen, goldenen Augen waren wie die einer Katze, die träge eine Maus beobachtete, mit der sie spielte, bevor sie starb.

Ich schluckte, als das Video stoppte und das Bild von Clays untypischem Stirnrunzeln einfror. Ich warf einen Blick auf meine Chefin, die nur blinzelte und darauf wartete, dass ich etwas sagte.

»Es tut mir leid«, begann ich, aber sie hob eine Hand.

Ihre Stimme war warm und sanft wie tropfendes heißes Karamell, während sie sprach: »Das ist nicht das, was ich hören will. Versuch es noch einmal.«

Ich schloss meinen Mund und überlegte, bevor ich ihn wieder öffnete. »Clay und seine Freundin haben sich getrennt, wovon ich bis nach dem Interview nichts wusste. Er ist eindeutig nicht in der Verfassung, vor der Kamera zu stehen, und ich übernehme die volle Verantwortung dafür, dass ich es nicht bemerkt habe. Erst, als es zu spät war.«

Charlotte zog eine Augenbraue hoch, verschränkte die Arme und drehte ihren Computerbildschirm um, bevor sie auf einen Notizblock auf ihrem Schreibtisch kritzelte.

»Gut zu wissen«, sagte sie, ohne mich anzusehen. »Aber immer noch nicht das, was ich hören wollte.«

Ich kämpfte gegen den Drang an, die Luft auszupusten, und setzte jeden Muskel meines Rückens ein, um mich aufrecht zu halten, das Kinn erhoben, den Blick auf sie gerichtet.

Mrs Banks blickte zu mir auf und seufzte. »Kannst du damit umgehen oder nicht?«

Ich ärgerte mich über die Anschuldigung und die Tatsache, dass sie überhaupt fragen musste. Aber andererseits konnte ich es ihr nicht verübeln – nicht nach dem, womit sie sich herumschlagen musste, seit ich zum ersten Mal durch ihre Tür gekommen war. Es hatte mich jeden Tag viel Mühe gekostet, diesen Leuten in die Augen zu sehen und laut genug zu sprechen, um ihnen zu sagen, wo sie hinmüssen.

Ich hatte es weit gebracht, ja … aber ich hatte noch einen weiten Weg vor mir.

»Natürlich«, antwortete ich und hoffte, dass meine Zuversicht überzeugend klang.

»Gut, dann brauchen wir das nicht weiter zu diskutieren.« Sie nahm einen Schluck von ihrem zimmertemperierten Wasser – ich wusste, dass es zimmertemperiert war, weil es letztes Jahr zu meinen Aufgaben als Praktikantin gehört hatte, genau dafür zu sorgen. »Ich verlasse mich darauf, dass du diese Art von Arbeit erledigst, damit ich meine Zeit und Energie nicht verschwenden muss. Nimm die Praktikantin mit, wenn es sein muss.«

Die Praktikantin.

Charlotte machte sich nicht einmal die Mühe, sie bei ihrem Namen zu nennen.

So war es auch bei mir gewesen, bevor ich mich letzten Herbst als würdig erwiesen habe. Allerdings steckte ich schon in Schwierigkeiten, bevor die Saison überhaupt begonnen hatte, sodass ich mir einbildete, dass das letzte Jahr keine große Rolle spielte. Trotzdem musste Charlotte etwas in mir sehen – Potenzial, Mut, Hartnäckigkeit – sonst wäre ich nicht hier.

Daran klammerte ich mich, als sie fortfuhr: »Coach Sanders hat mir mitgeteilt, dass er möchte, dass sich das Team mehr für die Gemeinschaft engagiert«, sagte sie, ohne eine Antwort von mir abzuwarten, und ich wusste, dass der schnelle Themenwechsel bedeutete, dass sie von mir erwartete, mich um die Clay-Situation zu kümmern – wie auch immer das aussehen mochte. »Er hat das mit einer rührenden Geschichte begründet, aber er muss mir nicht erzählen, dass am Ende das Team davon profitieren wird – und damit auch er. Also«, sagte sie und klickte ein paarmal mit der Maus, bis mein Handy mit einem Kalenderalarm vibrierte. »Merk dir den Termin für die Teamauktion vor.«

»Was werden wir versteigern?« fragte ich und fügte das Ereignis mit einem Daumendruck hinzu.

»Die Spieler«.

Ich lachte, verbarg es aber als Räuspern, als ich sah, dass Charlotte es ernst meinte.

»Es handelt sich um eine Versteigerung von Verabredungen, wobei die Aktivitäten von verschiedenen Personen aus der Gemeinde, die daran teilnehmen möchten, gesponsert werden. Der gesamte Erlös wird für wohltätige Zwecke gespendet.”

»Welche Wohltätigkeitsorganisation?«

Mrs Banks wedelte mit der Hand. »Ich weiß nicht, such dir eine aus.«

Ich lächelte und setzte die Aufgabe auf meine To-Do-Liste. »Du kannst gehen«, sagte Charlotte als Nächstes, und dann stützte sie ihren zierlichen Ellbogen auf den Schreibtisch, den Finger auf mich gerichtet. »Bring Johnson unter Kontrolle. Ich lade Sarah Blackwell zu einem Exklusivbericht über den Chart Day ein, und ich möchte, dass er sich wie ein Honigkuchenpferd freut, mit ihr zu sprechen.«

Ich nickte und entließ mich selbst, ohne auf eine mündliche Bestätigung zu warten. Ich wusste, dass keine nötig war. Als ich aus Charlottes Büro verschwand und die Tür hinter mir schloss, atmete ich tief die Luft ein, die nicht mit dem Rauch verunreinigt war, den der Drache von Chefin im Raum versprüht hatte.

Mit meinem nächsten Atemzug setzte sich Entschlossenheit durch, und ich machte mich auf den Weg in den Kraftraum.

Mein ganzes Leben lang hatte ich den Wunsch, anders zu denken, anders zu handeln, mich selbst und die Welt um mich herum herauszufordern.

Während ich aufwuchs, stand ich stets im Schatten meiner Geschwister, war das unauffällige mittlere Kind in einem Haufen von fünf unerträglich talentierten Kindern. Ich hatte zwei ältere Schwestern und zwei jüngere Brüder und geriet in unserer Familie ohne große Aufregung in den Hintergrund.

Ich war das dritte Mädchen, an sich unscheinbar, dazu verurteilt, gebrauchte Kleidung zu tragen und nie die Chance zu bekommen, eine eigene Persönlichkeit zu entwickeln. Dazu kam, dass ich zwei Brüder hatte, die kurz nach mir geboren wurden. Zwei Jungen, für die meine Eltern gebetet hatten, und man könnte sagen, ich war so unsichtbar wie der Staub, der sich oben auf einem Deckenventilator sammelt. Ich schien nur dann bemerkt zu werden, wenn ich im Weg stand, meine Anwesenheit lästig wurde oder bei jemandem eine Allergie auslöste.

Trotzdem war ich nicht verbittert aufgewachsen. Die Vergleiche haben mir nie wirklich zu schaffen gemacht. Ich fand es spektakulär, dass meine älteste Schwester Meghan beim Softball brillierte und später auf dem College spielte, wo sie ein Vollstipendium erhielt. Ich bewunderte meine zweitälteste Schwester Laura, die am MIT angenommen wurde. Ich wusste ohne Zweifel, dass sie mit ihrer Leidenschaft für Wissenschaft und Technik die Welt verändern würde. Und ich empfand nichts als Liebe für meine jüngeren Brüder Travis und Patrick, die kleine Erfinder waren, die bei der Höhle der Löwen auftreten würden, sobald sie die richtige Millionen-Dollar-Idee hätten.

Wenn überhaupt, dann liebte ich es irgendwie, in diesem vergessenen Zwischenraum zu existieren. Niemand störte mich, wenn ich mich am Wochenende in meinem Zimmer einschloss, um zu lesen und Dokumentarfilme zu sehen. Da die ganze Aufmerksamkeit meiner Eltern auf meine Geschwister gerichtet war, konnte ich meine Zeit nutzen, um die Welt zu erforschen und herauszufinden, wie sie tickte. Etwas, was ich am liebsten tat – abgesehen davon, mich in einem schmutzigen, tabulosen Liebesroman zu verlieren.

Es machte meine Mutter wahnsinnig, dass ich nicht wusste, was ich wollte, als ich aufs College ging. Es gefiel ihr auch nicht besonders, dass ich mich in der Highschool von der Kirche abwandte, weil ich mich über Religion informierte und neue Fragen stellte, die weder sie noch unser Pfarrer beantworten konnten. Dazu kam, dass sie einen düsteren Motorradclub-Roman unter meinem Kopfkissen fand und eine Szene las, die ihr die Tränen in die Augen trieb, bevor sie erklärte, ich dürfe so etwas nie wieder lesen! Man konnte wohl behaupten, dass wir uns nicht gerade nahestanden.

Aber, um sie zu verteidigen: Sie hatte schnell aufgegeben, mich in eine Karriere-Richtung zu drängen oder zurück in die Kirche zu bringen. Seufzend hatte sie kapituliert und sich wieder einem ihrer gottesfürchtigen Kinder zugewandt, das an die richtigen Sachen dachte.

Was sie nicht verstehen konnte – was niemand verstehen konnte – war, dass ich noch nicht wusste, was ich mit meinem Leben anfangen wollte, weil ich nicht genug über das Leben selbst wusste.

Ich war noch nie außerhalb von New England gereist, hatte noch nie einen Freund gehabt und war noch nie auch nur in die Nähe der zweiten Base gekommen, geschweige denn, dass ich es ganz geschafft hätte.

Es gab noch so viel vom Leben, das ich in mich aufnehmen und lernen wollte, bevor ich mich festlegen würde. Als ich an die Universität kam, war das ein ausschlaggebender Grund dafür, mich aus meiner Komfortzone herauszuwagen und den Studiengang zu wählen, der am wenigsten für mich geeignet war.

Öffentlichkeitsarbeit.

Mir – der introvertierten, streberhaften Jungfrau – die Verantwortung für die öffentliche Wahrnehmung zu übertragen, erschien wie eine Katastrophe, die nur darauf wartete, ins Rollen zu kommen. Aber genau deshalb hatte ich es geliebt. Deshalb war es so wichtig für mich.

Es war unerwartet und anders und eine Herausforderung.

Und ich würde nicht aufhören, bis ich jeden Teil davon gemeistert hätte.

 

3

Clay

 

Ich hatte große Erwartungen an mein zweites Studienjahr an der North Boston University.

Nachdem wir in der letzten Saison unser Bowl-Spiel gewonnen und obendrein noch eine Siegesserie hingelegt hatten, erwartete ich, dass wir das Team sein würden, mit dem man in der Big North Conference konkurrieren müsste. Und nachdem ich eine der besten Saisons meines Lebens gespielt hatte, erhoffte ich mir, dass ich es leicht in diese Mannschaft schaffen würde. Dass ich in jedem Spiel starten und die Rekorde, die ich letztes Jahr aufgestellt hatte, brechen würde. Ich erwartete auch, dass wir gewinnen würden, dass wir nicht nur ein Bowl-Spiel in dieser Saison gewinnen würden, sondern eines der Bowl-Spiele – die, die als Halbfinale dienen und uns zum National Championship Game bringen würden.

Was ich nicht erwartet hatte, war, dass meine Freundin, mit der ich fünf Jahre zusammen gewesen war, mich verlassen würde.

Jedes Mal, wenn ich daran dachte, sackte meine Brust in sich zusammen. Es kam mir unmöglich vor, dass die Frau, die ich liebte, die Frau, die ich zu heiraten gedacht hatte, mich so einfach verlassen konnte. Es war, als wäre ich im einen Moment sicher an Bord eines Kreuzfahrtschiffes und würde mich in der tropischen Sonne sonnen, nur um im nächsten über Bord geworfen zu werden – nichts, woran ich mich festhalten konnte, niemand, der meine Schreie hörte, während das Schiff seinen Kurs fortsetzte und mich in den unerbittlichen Fluten zurückließ.

Noch schlimmer war, dass es nicht nur eine Trennung war – jedenfalls nicht so, wie die meisten meiner Freunde sie kannten.

Maliyah Vail war nicht nur meine Freundin gewesen, sie gehörte auch zur Familie.

Wir sind zusammen aufgewachsen. Unsere Familien standen sich nahe, waren in jeder Hinsicht wie eine dicke Decke miteinander verwoben. Ihr Vater und mein Vater waren beste Freunde auf dem College, und selbst nachdem sich meine Eltern getrennt hatten, achtete ihre Mutter darauf, dass es meiner Mom gut ging.

Was nicht oft der Fall war.

Was ich einst für eine märchenhafte Kindheit gehalten hatte, war durch eine einzige Entscheidung zerstört worden – die meines Vaters. Über Nacht waren wir von einer glücklichen dreiköpfigen Familie zu einer zerrütteten Familie geworden, die nur noch aus mir und meiner Mutter, ab und zu auch aus mir und meinem Vater bestand.

Wenn er nicht gerade mit seiner neuen Familie beschäftigt war – der Familie, mit der er uns einfach ersetzt hatte.

Maliyah war die ganze Zeit über an meiner Seite gewesen. Sie war bei den Anfällen meiner Mutter dabei, die nach dem Verlust ihrer Ehe nicht wusste, wie sie damit fertig werden sollte, und danach Trost bei der schlimmsten Sorte von Männern suchte. Sie verstand das Gefühl des Verlassenwerdens, das ich dank meines Vaters empfand, und ihr eigener Vater sprang ein, um seinen Platz einzunehmen. Als ich aufwuchs, lehrte Grandpa mich all die Dinge, die ein Vater seinem Sohn beibringen sollte. Vor allem aber war Maliyah bei allen Höhen und Tiefen des Footballs für mich dagewesen und erinnerte mich bei jeder Gelegenheit daran, dass ich es eines Tages schaffen würde. Dass ich Profi werden würde.

Es fühlte sich nicht so an, als hätte ich meine Freundin verloren.

Es war, als hätte ich meinen rechten Arm verloren. Ich hatte immer noch nicht begriffen, dass wir es endlich durch ein zermürbendes Jahr der Fernbeziehung geschafft hatten – sie in Kalifornien, wo wir aufgewachsen waren, ich hier in Massachusetts – nur damit sie an die NBU gehen, quer durchs Land ziehen und … mit mir Schluss machen konnte.

Nichts davon ergab Sinn. Ich hatte versucht, jedes Wort ihrer Trennungsrede zu durchleuchten und war jedes Mal, wenn ich versuchte, eine Begründung zu finden, leer ausgegangen.

»Was wir hatten, war eine große erste Liebe, Clay, aber das war auch alles – eine erste Liebe.«

Maliyahs Gesicht verzog sich, aber nicht so, als wäre sie von der Aussage verletzt. Es war ein Ausbruch des Mitleids, als würde sie einem kleinen Kind erklären, warum es nicht mit der Achterbahn für große Jungs fahren durfte.

»Wir haben uns etwas versprochen«, sagte ich und strich über den Ring an meinem Finger. Wir hatten sie mit sechzehn ausgetauscht, ein Versprechen, dass wir für immer zusammen sein würden – ein Ehering in allem außer dem Gesetz.

Aber als ich nach ihrem Finger griff, war dort nichts, der goldene Ring nicht zu sehen, und ich schluckte, als sie sich mit einer Grimasse zurückzog.

»Wir waren jung«, sagte sie, als ob es deshalb vernünftig wäre, mir das Herz zu brechen. Als ob unser Alter die Liebe, die ich für sie empfand, irgendwie nichtig werden ließ.

Die Liebe, von der ich dachte, dass Maliyah sie für mich empfindet.

»Aber du bist endlich hier. Du bist an meinem College.«

Das ließ sie die Stirn runzeln. »Es ist jetzt auch mein College. Ich bin bei den Cheerleadern. Und ich habe … Ziele. Dinge, die ich erreichen will.«

Während sie das sagte, konnte sie mich nicht ansehen. Meine Nasenflügel bebten von einem Gefühl, das ich nur mit Mühe zurückhalten konnte. Ich kannte diesen Blick. Es war derselbe Blick, den sie mir zugeworfen hatte, als ich ihr ein Kleid gekauft hatte, das ihr nicht wirklich gefiel – was sie mir aber nicht hatte sagen wollen, weil es meine Gefühle verletzt hätte. Es war der Blick, den sie von ihrem Vater, Cory Vail, einem mächtigen Tech-Anwalt im Silicon Valley, bekam, der es gewohnt war, zu bekommen, was er wollte.

Und der von seiner Tochter erwartete, dass sie dasselbe tat.

Es war einfach, die Teile zusammenzufügen, und ich war ernüchtert über diese Erkenntnis.

»Ich bin nicht gut genug.«

Maliyah schaute nur auf den Boden, unfähig, es zu leugnen.

Und im Handumdrehen verließ mich die Frau, von der ich dachte, dass ich sie heiraten und mit ihr mein Leben verbringen würde. Genau wie mein Vater – obwohl beide versprochen hatten, dass sie bleiben würden.

Ich war der gemeinsame Nenner.

Was ich getan hatte, war für keinen von ihnen genug gewesen.

»Wir werden beide glücklicher sein«, fuhr Maliyah gönnerhaft fort, während sie meinen Arm tätschelte. »Vertrau mir.«

Die Erinnerung wurde durch das harte Klatschen eines feuchten Handtuchs gegen meinen Oberschenkel aus meinem Gedächtnis verbannt.

»Argh!« Ich schrie auf und zischte wegen des Brennens, das es hinterließ, während Kyle Robbins vor Lachen brüllte. Er beugte sich vor und das Handtuch, das er aufgewickelt und mit dem er mich geschlagen hatte, fiel dabei zu Boden.

»Du warst total weggetreten, Mann«, japste er durch das Lachen hindurch. »Den Scheiß hast du nicht kommen sehen, was?« Dann sprang Kyle auf und schaute quer durch den Kraftraum zu einem anderen Teamkollegen. »Hast du alles drauf?«

Bevor derjenige, den er beauftragt hatte, den Streich zu filmen, antworten konnte, packte ich Kyle am Kragen seines Tanktops und riss ihn auf Augenhöhe herunter. Dort hielt ich ihn fest, als er versuchte, sich wegzuwinden. »Lösch den Scheiß, oder ich schwöre bei Gott, Robbins, ich verpasse dir den größten Hosenzieher deines Lebens und hänge dich an deinen mit Scheiße übersäten, zerfetzten Unterhosen auf.«

Er hätte fast gelacht, aber als ich meine Faust eindrehte und den Griff verstärkte, blitzten seine Augen vor auflodernder Panik auf, bevor er mir den Arm wegschlug und ich ihn losließ. Wir beide wussten, dass ich ihn noch länger hätte festhalten können, wenn ich gewollt hätte.

»Verdammt, da hat jemand einen Knoten im Höschen«, murmelte er.

Einer unserer Teamkollegen gab Kyle sein Handy zurück. Bevor er weggehen konnte, riss ich es ihm aus der Hand und löschte das Video selbst. Dann warf ich es ihm wieder zu.

»Du warst mal entspannter«, kommentierte er.

»Und du hattest dir mal Novos Namen in die Seite deines Kopfes rasiert«, schoss ich zurück, woraufhin die Jungs um uns herum in dumpfes Gelächter ausbrachen, das sie nur mit Mühe verbergen konnten.

Kyles Gesicht lief rot an. Die Erinnerung daran, dass er in der letzten Saison ein Spiel mit fünfhundert Punkten gegen unseren Kicker verloren hatte und deshalb zur Strafe alles tun musste, was das Team beschlossen hatte, verfinsterte seinen Blick.

Aber er biss die Zähne zusammen, winkte ab und ging zum Bankdrücken hinüber. Das fühlte sich an, als hätte eine Fliege beschlossen, das Picknick eines anderen zu ruinieren.

Kyle Robbins war ein Arschloch, und die Tatsache, dass er die ganze Sache mit dem Namen, Image und Ansehen ausnutzte, wann immer er konnte, bedeutete, dass er noch mehr Aufmerksamkeit auf den Medienzirkus lenkte, den wir ohnehin schon jeden Tag um uns hatten. Ich hasste Kyle und tolerierte ihn nur, weil er ein verdammt guter Tight End war und im selben Team wie ich spielte.

Als er weg war, knackte ich mit dem Nacken, und fing den neugierigen Blick unseres Quarterbacks und Mannschaftskapitäns Holden Moore auf, während ich mich wieder auf die Kniebeugenmaschine setzte.

»Alles in Ordnung?«, fragte er und zerrte an den Gewichten, die er benutzt hatte, als wäre er an der Antwort nicht sonderlich interessiert. Ich wusste es aber besser. Holden war der geborene Anführer, einer der wenigen Spieler in diesem Team, zu denen ich tatsächlich aufschaute. Er fragte nicht, weil er neugierig war, sondern weil es ihm nicht egal war.

»Gut«, war meine einzige Antwort, und dann war ich wieder in Position und trat gegen die Plattform, bis meine Beine ausgestreckt waren. Ich löste die Verriegelung des Gewichts, ging beim Einatmen in die Hocke, zog die Knie zur Brust und stöhnte, als ich mich streckte, um das Gewicht wieder nach oben zu drücken.

Nach einem weiteren Satz mit zehn Wiederholungen blockierte ich die Gewichte wieder, setzte mich auf und wischte mir mit einem Handtuch die Stirn ab.

Gerade als ein zierliches Paar sattelbrauner, flacher Schuhe zwischen meinen Nikes zum Stehen kam.

Meine Füße überragten diese kleinen Schuhe, die mindestens doppelt so lang und breit waren, und ich zog eine Braue hoch, während mein Blick die Beine hinaufwanderte, zu denen sie gehörten. Diese Beine waren mit schwarzen Netzstrumpfhosen bedeckt, durchsichtig bis auf die Stellen, an denen der Stoff dicker war und ein gepunktetes Muster ergab. Meine Mundwinkel kräuselten sich vor Belustigung, weil die Strumpfhose am Saum eines schwarzen Rocks endete, auf dessen Vorderseite eine Katzennase und ein Schnurrbart aufgenäht waren.

Da wusste ich, dass es Giana Jones war.

Sie war immer wie eine schrullige Bibliothekarin gekleidet, wie eine Mischung aus einer Nonne und einem frechen Schulmädchen. Aus irgendeinem Grund fand ich es unwiderstehlich bezaubernd, wie sie Bescheidenheit mit einer versteckten Art von Sex-Appeal mischte und kombinierte. Ich war mir nicht sicher, ob ihr überhaupt bewusst war, dass sie mit einem Rollkragenpullover mehr Blicke auf sich ziehen konnte als manche Frauen im Bikini.

Giana verschränkte die Arme vor der Brust, während ich mir Zeit ließ, meinen Blick den Rest des Weges nach oben wandern zu lassen, wobei ich ihren blassrosa Pullover und das weiße Hemd mit Kragen, das sie darunter trug, betrachtete. Als ich ihrem Blick schließlich begegnete, schob sie mit einem Finger ihre übergroße Brille den Nasenrücken hoch. Mein Schmunzeln wurde breiter, wegen einer Locke, die an der Stelle hervorlugte, an der sie ihr dichtes Haar zu einem geflochtenen Dutt auf dem Kopf zusammengesteckt hatte.

»G«, sinnierte ich und lehnte mich auf der Bank ein wenig zurück, um die Aussicht besser genießen zu können. »Wem verdanken wir dieses Vergnügen?«

»Giana«, korrigierte sie mich, obwohl ihre Stimme so leise war, dass ich sie fast gar nicht hörte.

Mein Blick rutschte hinunter zu den Katzenschnurrhaaren, die sich über ihre Hüftknochen ausbreiteten. »Hübscher Rock.«

Sie rollte mit den Augen. »Freut mich, dass du heute bessere Laune hast.«

»Lass dich nicht von ihm täuschen«, mischte sich Holden von seiner Bank aus ein. »Zwei Minuten, bevor du hier warst, hatte er Robbins im Todesgriff.«

Giana warf Holden einen fragenden Blick zu, bevor sie sich kopfschüttelnd wieder auf mich konzentrierte. »Wir müssen reden.«

»Ich bin ganz Ohr, Kätzchen.«

Ihre Wangen färbten sich so rosa wie ihr Pullover, bevor sie mich anschaute. Es war, als ob dieser Spitzname eine neue Persönlichkeit in ihr weckte. Ich beobachtete, wie sich ihre Haltung von schüchtern und geduckt zu aufrecht stehend veränderte, die Schultern straffte und das Kinn hob.

»Nach deiner gestrigen Aktion bin ich am Arsch. Wir müssen das Medienprotokoll und dein Verhalten vor der Kamera besprechen.«

Ich verdrehte die Augen und brachte mich erneut in Position für eine nächste Wiederholung der Kniebeugen.

»Ich habe meine Zeit schon im Sommer abgesessen«, sagte ich und drückte das Gewicht nach oben. Ich machte zehn Wiederholungen, während sie immer noch neben mir stand. Als ich das Gewicht im Sitzen wieder hochzog, lächelte sie mich herablassend an.

»Nun, offensichtlich hast du nichts davon verstanden.«

»Ich habe alles verstanden, vielen Dank.«

»Nach dem gestrigen Tag bin ich anderer Meinung.«

Ich zuckte mit den Schultern. »Also, ich bin schlecht vor der Kamera. Bring mich eben nicht vor die Kamera. So einfach ist das.«

»Nein, nicht einfach. Du bist ein Star-Defensivspieler mit vielen Interviewanfragen. Und du bist nicht schlecht vor der Kamera. In der letzten Saison warst du immer wie ein Fisch im Wasser, wenn ich dich interviewt habe.«

»Die Zeiten ändern sich, Kätzchen.«

Sie biss die Zähne zusammen. »Hör auf, mich so zu nennen.«

Ein Teamkollege irgendwo hinter mir stieß ein leises Miauen aus, das ein weiteres Lachen durch den Kraftraum schallen ließ, und ich kämpfte damit, mein eigenes zurückzuhalten.

Giana sog scharf die Luft ein, bevor sie mit dem Finger auf meine Brust deutete. »Du hast heute Abend nach der Teambesprechung ein obligatorisches PR-Meeting mit mir. In der Kaffeebar bei der Studentenvereinigung. Punkt acht Uhr. Wenn du zu spät kommst, musst du dich vor Coach Sanders verantworten – verstanden?«

Bei der Art, wie sie ihren Standpunkt deutlich machte, ihre Stimme ein wenig anstieg und sie das Kinn anhob, wallte Anerkennung durch meine Brust, während sie auf meine Antwort wartete.

»Ja, Ma’am«, säuselte ich, und ich konnte nicht anders.

Ich warf wieder einen Blick auf ihren Rock.

Dass sie das ignorierte, war ihr hoch anzurechnen. Falls sie es überhaupt bemerkte. Sie drehte sich auf dem Absatz um und stolzierte ein paar Schritte davon, bevor sie fast von Hernandez getroffen wurde, der ein Trizepsgurt-Training machte. Gerade noch rechtzeitig wich sie seinen Fäusten aus und wäre beinahe in eine Beinstreckmaschine gestolpert, bevor sie eine kleine Drehung machte und auch dieser auswich.

Ich beobachtete sie den ganzen Weg aus dem Kraftraum und merkte erst, als sie weg war, wie sehr ich die Ablenkung durch sie genossen hatte.

Und das Einzige, woran mir noch zu denken blieb, war Maliyah.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

4

Clay

 

»Du wirst ihn einfach lieben, Clay«, schwärmte Mom am Telefon, während das Geräusch von klapperndem Geschirr im Hintergrund verriet, dass sie mit dem Abendessen beschäftigt war.

Nach einem anstrengenden Tag im Trainingslager war ich auf dem Weg über den Campus, um mich mit Giana für unsere kleine PR-Auffrischung zu treffen, und ich war nicht in der Stimmung, von Moms neuestem Freund zu hören.

Aber ich hatte keine andere Wahl.

»Er ist ein echter Gentleman. Und er meint es ernst mit seinem Job.« Sie hielt inne. »Und mit mir, was erfrischend ist.«

Ich bemühte mich, ein Lächeln aufzusetzen, obwohl sie mich nicht sehen konnte. Vor allem, um so zu wirken, als würde ich ihr glauben. »Er scheint großartig zu sein, Mom.«

»Das wirst du sehen. Wenn du über Weihnachten nach Hause kommst.« Es gab eine Pause, und dann: »Also, erzähl mir von dir. Wie läuft’s beim Football?«

Ich seufzte, bevor ich ihre Frage beantwortete. Obwohl ich für die Frage wirklich dankbar war. Ich wusste, wenn Mom nachhakte, ging es ihr gut. Denn dann verbrachte sie nicht das ganze Gespräch damit, über sich und ihre Probleme zu reden. Nicht, dass es mir etwas ausgemacht hätte, wenn sie das getan hätte. Ich war für sie da, egal was passierte. Dennoch fiel es mir schwer, zu glauben, dass dieser Mann anders sein würde als seine Vorgänger, nachdem ich mir so oft dieselbe Geschichte hatte anhören müssen.

Meine arme Mutter saß in einem sich stets drehenden Riesenrad des Herzschmerzes fest, aus dem sie nicht mehr herauskam, seit mein Vater sie verlassen hatte, als ich acht gewesen war.

Der Zyklus verlief folgendermaßen:

Mom lernte einen neuen Mann kennen, meist im Le Basier, dem lächerlich überteuerten Restaurant, in dem sie in Los Angeles kellnerte. Mom war ein Hingucker – ich hatte meine stechend grünen Augen und die natürlich gebräunte, olivfarbene Haut von ihr – und sie brachte immer die Art von Männern mit nach Hause, die von ihrer Schönheit angetan waren. Obendrein war sie charmant, was in der Regel bedeutete, dass die Männer bereitwillig in ihr Netz schlüpften und sich von ihrer Energie verzehren ließen.

Das Problem war, dass Moms Partner, sobald die Beziehung ernst wurde, sobald der Glanz verblasste und sie merkten, dass meine Mutter sehr anstrengend sein konnte, sie verließen.

Und sie hinterließen bei ihr immer noch mehr Narben als zuvor.

Dass Dad Mom verlassen hatte, hatte sie kaputtgemacht. Es hat uns beide zerstört – vor allem, weil er schnell zu einer anderen Frau gezogen war, zwei Kinder mit dieser Frau bekommen und sich ein völlig neues Leben aufgebaut hatte, in dem wir nicht vorkamen. Wenn man das zu ihrem bereits traumatischen Liebesleben vor Dad hinzufügte, könnte man sagen, dass Mom ihre Gründe hatte, manchmal etwas … neben der Spur zu sein.

Die meisten Männer ertrugen es nicht. Sie konnten ihr in den schweren Zeiten nicht beistehen, konnten ihr während der Panikattacken nicht die Hand halten oder ihr Worte der Bestätigung zuflüstern, wenn Mom sie so verzweifelt brauchte. Wenn ihre Eifersucht und Paranoia wie ein Orkan über sie hinwegfegte, machten sie nicht die Schotten dicht und überstanden den Sturm an ihrer Seite.

Sie nahmen den schnellsten Fluchtweg aus der Stadt und überließen ihr selbst die Bewältigung des Schadens.

Und in ihren Abschiedsworten gaben sie Mom das Gefühl, die Verrückte zu sein, die Nervensäge, die eifersüchtige Schlampe, die psychotische, misstrauische Frau. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass sie ihr viele Gründe gaben, diese Gefühle zu empfinden.

Aber am Ende war es immer ich, der die Scherben aufsammelte.

Und das war der Moment, in dem ich mich über die andere Seite meiner Mutter freuen konnte.

Wenn sie glücklich war, wenn die Dinge gut liefen, war Mom der hellste Sonnenschein. Sie war rätselhaft und lustig, motiviert und engagiert, leidenschaftlich bei allem, was sie tat. Sie engagierte sich für mein Leben, dafür, dass unser Zuhause sauber und ordentlich war, und vor allem engagierte sie sich für ihre Beziehung zu dem Mann, den sie liebte.

Aber wenn sie gingen?

Dann war Mom eine Katastrophe.

Meine Mutter war schon immer eine Trinkerin, seit ich denken kann. Der Unterschied war, dass sie, als ich jünger war, mit meinem Vater zusammen eine Flasche Wein getrunken hatte, die sie dann lachend und tanzend in der Küche verzehrt hatten.

Aber die Mom, die nach Dads Abgang trank, sah ein bisschen anders aus.

Sie trank ganze Kästen Bier allein. Sie weinte und schrie und klammerte sich an die Toilette, während ich ihr die Haare hielt oder ihr einen kühlen Waschlappen in den Nacken drückte.

Und das war ein weiterer Teil des Kreislaufs, der sich wiederholte – glücklich und betrunken, wenn sie mit jemandem zusammen war, und ein betrunkenes Chaos, wenn dieser Jemand sie verließ.

Manchmal, in den schlimmsten Trennungsphasen, griff sie zu Drogen. Manchmal ließ sie sich von Depressionen überwältigen. Manchmal war sie so kurz davor, gefeuert zu werden, dass ich mich fragte, wie sie es geschafft hatte, so lange an einem Ort angestellt gewesen zu sein. Sie verprasste ihre Ersparnisse, geriet in so große Schwierigkeiten, dass sie ihren einzigen Sohn um Geld bitten musste, und machte mir dann ein schlechtes Gewissen, wenn ich es ihr mal nicht gab.

Doch das tat ich – jedes Mal.

Es war egal, ob ich meine Ersparnisse aufbrauchen, einen Ferienjob annehmen oder meine PlayStation verkaufen musste.

Ich würde meiner Mutter niemals den Rücken zukehren.

Das war eine Selbstverständlichkeit, etwas, das ich sehr stark empfand, seit sie sich nicht auch noch von mir abgewandt hatte, so wie mein Vater es getan hatte. Mom war nicht perfekt, aber sie war immer für mich da, und allein dafür würde ich ihr den letzten Penny von meinem Konto geben und auch mein letztes Hemd.

Aber das hieß nicht, dass es nicht schmerzte. Dass ich nicht merkte, wie sehr dieser Kreislauf auch mich kaputtgemacht hatte – vor allem als ich älter wurde.

»Der Chart Day steht vor der Tür«, endete ich, nachdem ich Mom erzählt hatte, wie das Trainingslager bisher gelaufen war. »Dann werden wir sehen.«

»Du wirst es ins Team schaffen, Baby«, sagte sie, ohne zu zögern. »Und du wirst in der Startmannschaft sein, und bevor du dich versiehst, wirst du einen millionenschweren NFL-Vertrag unterschreiben und deiner Mutter eine große Villa am Strand kaufen.«

Ich lächelte. Die Zukunft, die sie sich für mich ausgemalt hatte, hatte ich schon tausendmal gehört. Diese Vision war entstanden, als ich noch klein gewesen war. Als wir festgestellt hatten, dass ich ein ziemliches Talent für Football hatte. Ich erinnerte mich gut daran, wie sie mich mit zwölf Jahren nach einem Spiel zu sich geholt hatte, während ich noch immer mein schmutziges Trikot und meine Stollenschuhe trug. Sie zwang mich, in den Spiegel zu schauen, während sie hinter mir stand, mir die Hände auf die Schultern legte, mir in die Augen schaute und sagte: »Du wirst es nie so schwer haben, wie ich es hatte, Clay. Du wirst reich sein.«

»Apropos Football, habe ich dir erzählt, dass Brandon früher gespielt hat?«, fragte Mom und riss mich aus meiner Erinnerung. »Er war der erste Quarterback seiner Highschool-Mannschaft.«

Mein Lächeln war oberflächlich. Das Schild des Cafés kam in Sicht, als ich den Innenhof der Universität umrundete, wo sich Studenten auf Decken ausgebreitet hatten, kifften, lachten und den Abend genossen.

Ich fragte mich, wie es sich anfühlte, als Student tatsächlich Zeit zu haben, statt jede wache Minute für den Sport zu opfern.

»Ich bin sicher, dass wir an Weihnachten darüber reden werden«, sagte ich. »Ich muss los, Mom. Hab noch ein Treffen.«

»Um diese Zeit, so spät? Sie halten dich auf Trab, nicht wahr?« Mom lachte. »Nun, ich liebe dich, Baby. Ruf mich Ende der Woche an, um alles zu besprechen.« Sie hielt inne. »Hast du … hast du Maliyah gesehen?«

Eis kristallisierte beim Klang ihres Namens in meinen Adern. »Nein.«

Die Erinnerung daran, dass nicht nur ich unter unserer Trennung litt, sondern auch unsere Familien, war wie Salz in der Wunde. Wir waren schon so lange zusammen gewesen, hatten so viel durchgemacht, und ich wusste, dass meine Mutter Maliyah wie eine Tochter betrachtete.

Sie standen sich teilweise näher als wir und hatten Dinge gemeinsam, von denen ich wusste, dass ich nie ein Teil davon sein würde, weil ich keine Frau war.

»Nun«, begann Mom, aber dann überlegte sie es sich anders und machte eine lange Pause, bevor sie fortfuhr: »Konzentriere dich einfach auf Football. Alles andere wird sich von selbst regeln.«

»Ich habe dich lieb, Mama«, sagte ich.

»Ich liebe dich. Oh und –« Bevor sie etwas anderes fragen konnte, beendete ich das Gespräch und hielt für einen kurzen Moment der Stille und Erleichterung vor der Eingangstür des Cafés inne. Die Abendbrise war warm und angenehm, das letzte bisschen Sommer klammerte sich an die noch grünen Bäume.

Ich holte tief Luft und hasste es, dass alles, was mehr als ein Schluck Sauerstoff war, meine Brust zum Brennen brachte. Das war so, seit Maliyah mich verlassen hatte, nachdem mir klar geworden war, dass dies meine neue Realität sein würde.

Es war ein langer Tag gewesen. Das Allerletzte, was ich jetzt tun wollte, war, mir den Arsch versohlen zu lassen, weil ich vor der Kamera nicht Mr Sunshine war.

Aber wenn Coach Sanders es angeordnet hatte? Ich konnte nicht einfach abhauen – nicht ohne meinen Startplatz zu gefährden.

Mit einem letzten Seufzer schob ich mich also durch die Glastür, über der eine kleine Glocke meinen Eintritt ankündigte.

Rum & Roasters war eine der einzigen Bars auf dem Campus. Wahrscheinlich, weil sie im Vergleich zu den Bars außerhalb des Campus gesittet und unauffällig war. Es war nie voll mit betrunkenen, minderjährigen Studenten, die ihre lächerlichen gefälschten Ausweise mit sich herumschleppten, sondern eher gemütlich voll mit Studenten der oberen Semester. Jene, die alt genug waren, um zu trinken und es vorzogen, einen ruhigen Abend mit Gesprächen oder Live-Musik zu verbringen, statt sich auf der Tanzfläche zu vergnügen.

Sie wussten nicht, was sie verpassten.

Trotzdem hatte es etwas Beruhigendes an sich, als ich in den dunklen Raum trat, in dem der Geruch von alten Büchern, Kerzen und Kaffee den des servierten Alkohols übertünchte. Es war viel angenehmer als der Gestank in den Bars, die ich bevorzugt besuchte, und ich musste zugeben, dass es eine gewisse Atmosphäre hatte.

Auf einer kleinen Bühne in der Ecke spielte ein Mann Akustikgitarre und sang leise dazu, aber er hielt die Lautstärke so niedrig, dass sich alle, die in der Nähe an den dunklen Ständen und kerzenbeleuchteten Tischen saßen, unterhalten konnten.

Ich blieb an der Bar stehen und scannte die Tische auf der Suche nach Giana. Beim Anblick eines knutschenden Pärchens an einem der Ecktische überkam mich ein mulmiges Gefühl, aber ich ging schnell an ihnen vorbei und ließ meinen Blick schweifen, bis ich die Person fand, die ich suchte.

Kerzenlicht und Schatten kämpften um den Platz auf Gianas heiterem Gesicht, ihre Augen weit und sanft, die Lippen zu einem halbmondförmigen Lächeln verzogen. In ihren kleinen Händen hielt sie einen komisch aussehenden großen Becher mit einer Art schaumigem Kaffee, an dem sie von Zeit zu Zeit nippte, während sie der Musik lauschte.

Und sie hörte wirklich zu.

Ihre Beine waren gekreuzt, immer noch in diese bescheidenen sexy Strumpfhosen gehüllt, die sie vorhin schon angehabt hatte, und ihr kleiner Fuß wippte im Takt der Melodie mit. Ich kannte die Melodie nicht, aber Giana murmelte den Text mit, die Augen auf den Musiker gerichtet.

Und als er von seiner Gitarre aufschaute und ihren Blick bemerkte, errötete sie so heftig, dass ich die Röte sogar im schummrigen Licht der Bar ausmachen konnte. Giana riss den Blick schnell von ihm los, starrte stattdessen ihren Kaffee nieder und unterdrückte ein Lächeln. Als sie wieder zu dem Mann auf der Bühne aufblickte, war er schon weitergegangen und zwinkerte ein paar Mädchen zu, die in der Nähe der Bühne saßen.

Die Neugierde brachte mich zum Lächeln. Ich schlenderte zu ihrem Tisch hinüber und blieb erst stehen, als ich direkt zwischen ihr und dem Mann mit der Gitarre stand.

Giana blinzelte, als ich ihr Starren unterbrach, als wäre sie überrascht, mich zu sehen. Als hätte sie vergessen, dass sie mich überhaupt eingeladen – nein, herzitiert – hatte. Sie erschrak, verschüttete fast ihren Kaffee, als sie ihn auf dem Tisch abstellte, ihre Brille zurechtrückte und aufstand.

»Du bist hier.«

Ich zog eine Augenbraue hoch. »Sollte ich das nicht sein?«

»Nun, ja, aber ich …« Giana überspielte ihre Überraschung mit einem Lächeln und wedelte mit der Hand, bevor sie auf den Stuhl gegenüber deutete. »Willst du ein Bier oder so?«

Der Blick, den ich ihr zuwarf, war Antwort genug, und sie deutete mit dem Finger auf die Kellnerin, die durch die Menge schritt.

Die Kellnerin verschwendete keine Zeit damit, mich nach meinem Ausweis zu fragen, und zum Glück hatte ich eine ziemlich gute Fälschung – dank Kyle Robbins. Das war so ziemlich alles, wofür er gut war. Abgesehen davon, dass er ein zu guter Tight End war, als dass ich ihn mehr hassen könnte, als man einen nervigen kleinen Bruder hassen würde.

Sobald ich meine IPA in der Hand hatte, stützte Giana ihre Ellbogen auf den Tisch, legte ihre Fingerspitzen aneinander und sah mich an.

»Danke, dass du gekommen bist.«

Ich nickte.

»Hör zu, ich will nicht nerven, und ich will genauso wenig wie du hier sein und nach Sonnenuntergang arbeiten.« Sie hielt inne, um sich eine Locke aus dem Gesicht zu streichen, und da bemerkte ich, dass sie den Dutt, in dem sie tagsüber gesteckt hatte, gelockert hatte, sodass die wilden goldfarbenen, braunen und blonden Strähnen ihr Gesicht wie ein Heiligenschein umrahmten. Ihre Wangen waren mit Sommersprossen übersät, und ihre Lippen voll, als sie sie schürzte. »Können wir uns darauf einigen, das schnell durchzugehen, eine Lösung für unser Problem zu finden und dann den dringend benötigten Schlaf zu bekommen?«

»Welches Problem haben wir denn genau?«

»Oh, abgesehen davon, dass du einer ESPN-Reporterin fast den Kopf abgebissen hast?« Sie zuckte mit den Schultern, holte ihren Laptop aus der Tasche und stellte ihn auf den Tisch zwischen uns. »Nicht viele.«

»Sie war ein Ärgernis. Das sind sie alle.«

»In der letzten Saison schien es dir egal zu sein, als sie dein ganzes Video überall zeigten und davon sprachen, dass du der nächste Ronnie Lott bist.«

»Ja, seit der letzten Saison hat sich eine Menge verändert.«

»Wie dein Beziehungsstatus?«

Die Worte waren wie ein Schlag ins Gesicht, und ich zuckte tatsächlich mit dem Kopf, überrascht von der schnellen Antwort der Frau, die ich bisher für ein Mauerblümchen gehalten hatte.

»Ich will nicht unhöflich sein«, fügte Giana schnell hinzu, und schon war die Sanftheit wieder da. Ihre Stimme war leiser, zögernd. »Ich weiß … nun, ich kann mir vorstellen, wie schwer eine Trennung ist, vor allem von deiner Highschool-Liebe.«

»Woher weißt du so viel darüber?«

Sie warf mir einen scharfen Blick zu. »Es ist mein Job, das zu wissen. Und es ist auch mein Job, dafür zu sorgen, dass es dir gut geht.«

»Soll ich mich jetzt ganz warm und kuschelig fühlen, Kätzchen?«

Sie stieß die Luft aus und lehnte sich in ihrem Stuhl zurück. »Schnell und schmerzlos, schon vergessen? Wenn du kooperierst, sind wir hier weg, sobald du dein Bier ausgetrunken hast.«

Zur Antwort brummte ich, machte eine wedelnde Handbewegung in Richtung ihres Laptops und nahm einen langen Zug von meinem IPA, während ich darauf wartete, dass sie die Dinge herausholte, die sie brauchte.

»Mrs Banks hat die Reporterin, mit der du nicht sprechen wolltest, zum Chart Day eingeladen. Sie will ihr einen Exklusivbericht geben.« Gianas Blick flackerte zu mir. »Ich kann dich bis dahin in Ruhe lassen, wenn du mir versprichst, die nächsten Wochen zu nutzen, um deine Gedanken zu ordnen und ein ordentliches Interview zu geben, wenn sie zurückkommt.«

»Du lässt mich in Ruhe … bedeutet?« »Das heißt, ich werde nichts anderes Verpflichtendes einplanen. Keine Interviews, keine Podcasts, nicht einmal einen Fototermin bis zum Chart Day.« Giana tippte etwas in ihren Computer. »Und ich weiß, dass du keine Nachhilfe darin brauchst, wie man sich vor der Kamera verhält. Auf dich kann ich mich am ehesten verlassen, wenn es um so etwas geht.« Sie hielt inne, die Finger schwebten über den Tasten, während sie mich ansah und das weiße Licht des Bildschirms sich in ihrem Gesicht spiegelte. »Aber ich weiß auch, dass es dir nicht gut geht. Und ich will dir nicht noch mehr aufbürden. Also … klingt das nach einem fairen Deal?«

Die Art und Weise, wie sie feststellte, dass es mir nicht gut geht, hatte etwas an sich, das meine Rippen um meine Lunge zusammenziehen ließ.

Ich schaffte es gerade so, zu nicken.

»Gut«, sagte Giana, aber bevor sie wieder tippen konnte, warf sie einen Blick über meine Schulter hin zu der Stelle, wo der Musiker wieder zu spielen begonnen hatte.

Und wie aufs Stichwort wurde sie rot.

Ich kniff die Augen zusammen und beobachtete, wie sie ihren Blick abwandte und sich erneut ihrem Computer zuwandte, bevor ich meinen Arm über die Lehne meines Stuhls legte und mich so drehte, dass ich einen guten Blick auf diesen Kerl werfen konnte.

»Dies ist ein besonderes Lied, das ich für ein hübsches Mädchen geschrieben habe«, sagte er leise ins Mikrofon und lächelte in Richtung eines anderen Tisches mit Frauen, die zu seinen Füßen saßen. Bei seiner Aufmerksamkeit strahlten sie, und dann begann er zu klimpern und zu singen, wobei seine dunkelbraunen Chelsea-Stiefel auf die unterste Sprosse des Barhockers klopften, auf dem er saß.

Er hatte dunkles, struppiges Haar, ungepflegte Bartstoppeln am Kinn und dunkle Tränensäcke unter den Augen. Er sah aus, als wäre er verkatert, aber vielleicht trug das zu dem ganzen gequälten Künstler-Ding bei. Außerdem hatte er ein Hemd an, das, wenn ich wetten müsste, kleiner war als das von Giana, und eine dünne schwarze Jeans mit Löchern an den Knien.

Auf dem Schild über dem Trinkgeldglas neben ihm stand Shawn Stetson Music, zusammen mit seinem Instagram und Venmo Namen.

Ich musste dagegen ankämpfen, nicht zu spotten, als ich mich wieder Giana zuwandte, meine Arme vor der Brust verschränkte und mich in meinen Stuhl zurücksinken ließ.

»Was ist mit dir und dem Gitarristen los?«

Giana hatte ihre Kaffeetasse schon halb an den Lippen, als ich das sagte, und die Tasse schwankte danach gefährlich in ihren Händen. Ein wenig schwappte heraus und auf ihren Laptop, als sie ihn fluchend wieder abstellte. Sie wischte sich schnell die Stelle ab, an der die schaumige Flüssigkeit auf ihre Tasten gespritzt war, und schüttelte den Kopf, während ihre Wangen erneut erröteten, dieses Mal vor Wut.

»Was? Wovon redest du? Mit mir und Shawn Stetson ist nichts los.«

Ein nervöses Lachen sprudelte aus ihr heraus, endete in einem seltsamen Schnauben, das meine gesenkte Braue hochschnellen ließ, um sich der gehobenen anzuschließen.

Hat sie ihn gerade mit seinem Vor- und Nachnamen angeredet?

»Überzeugend«, war alles, was ich als Antwort murmelte.

Giana schürzte die Lippen, setzte sich aufrechter hin und drückte die Schultern zurück. »Ich weiß nicht, worauf du hinaus willst, aber lass uns das Gespräch wieder auf –«

»Du magst ihn.«

Staunend schloss sie den Mund, als sie merkte, dass er offen stand. »Das tue ich nicht –«

»Du bist so verknallt in ihn, dass du es nicht einmal aushältst, ihm in einer überfüllten Bar in die Augen zu sehen.«

Ich hatte Giana noch nie so aufgeregt gesehen. Sie klappte eilig ihren Laptop zu und verstaute ihn in ihrer Umhängetasche. »Du hast keine Ahnung, wovon du redest.« Aber ich lächelte nur und lehnte mich über den Tisch, die Ellbogen auf das kühle Holz gestützt, während sich in meiner Brust eine ganz andere Emotion breitmachte als die, die mich seit Wochen im Griff hatte. Es war Aufregung, wenn auch gedämpft, aber der Teil von mir, der es liebte, anderen zu helfen, taute auf wie ein gefrorener Baum, der die letzten Eiszapfen des Winters abschüttelte.

Und unter dem auftauenden Eis flatterte ein Hauch von Hoffnung, frisch wie der Frühling, eine Idee, die in meinem Kopf wie eine Blume spross.

Oder vielleicht wie Unkraut.

»Ich kann dir helfen.«

»Mir helfen?«

Eine Locke fiel über ihr linkes Auge, bevor sie sie wegwischte. Und als ich mich noch näher heran lehnte, starrte sie auf meine Brust und zog ihre Hände in den Schoß. Als hätte sie Angst, dass sie meine streifen würden, wenn sie sie auf dem Tisch liegen ließe.

»Geh mit mir aus.«

Daraufhin weiteten sich ihre Augen und blieben an meinen hängen, bevor wieder dieses schnaubende Lachen aus ihr heraussprudelte.

»Oder: tu zumindest so, als ob du mit mir ausgehen würdest«, ergänzte ich.

Das brachte sie noch mehr zum Lachen. Aber als ich nicht mitlachte, wurde sie blass und hielt sich mit einer Hand an der Tischkante fest, während sie sich mit der anderen an die Stirn fasste. »Ich glaube, ich werde ohnmächtig.«

»Bitte nicht. Das wäre ein noch schlechterer Start für unsere Reise, Shawn Stetson zu deinem Freund zu machen.«

Und dafür zu sorgen, dass ich Maliyah zurückbekomme.

 

5

Giana

 

»Du bist wahnsinnig.«

»Wahnsinnig genial«, behauptete Clay und stützte seine Ellbogen auf den Tisch zwischen uns, während er sich noch mehr zu mir hinüberlehnte. Es war fast schon komisch, wie massiv seine Arme im Vergleich zu dem winzigen Tisch wirkten, der unter Clays Gewicht bedenklich wackelte.

»Ich … es ist einfach … absurd.«

Ich schob meine Brille auf den Nasenrücken und meine kalten Fingerspitzen streiften über meine heißen Wangen, während ich meine Beine gerade hinstellte, um sie in die andere Richtung zu kreuzen. Dann verschränkte ich die Arme vor der Brust, wobei meine ganze Körpersprache darauf hindeutete, wie unwohl ich mich bei diesem Gespräch und dem Vorschlag fühlte.