Be my FAIR CATCH (Red Zone Rivals 1) - Kandi Steiner - E-Book

Be my FAIR CATCH (Red Zone Rivals 1) E-Book

Kandi Steiner

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Beschreibung

Zeke Collins ist ein eingebildeter Kick Returner und der beste Freund meines Bruders - ein Titel, den ich ihm seit Jahren nicht mehr zugestehe. Er ist genauso unausstehlich wie heiß. Dabei hasse ich ihn und das aus gutem Grund. Ein Grund, den ich ihn niemals vergessen lasse. Nur weil wir gemeinsam aufgewachsen sind, denkt er, er müsse auf mich aufpassen. Dabei steht er mir nur im Weg, lässt mich schwach aussehen und kotzt mich nur noch mehr an. Ich kann auf mich selbst aufpassen. Und das werde ich ihm und dem Rest der Nation beweisen, wenn sie mich als einzige Frau im College Football spielen sehen. Ich werde dem Druck standhalten. Bin bereit für die Prüfung. Aber meine vier dünnen Wände mit Zeke Collins teilen? Darauf war ich verdammt nochmal nicht vorbereitet. Und je mehr man uns zwingt, Zeit miteinander zu verbringen, desto schwieriger wird es, die bleistiftdünne Linie nicht zu verwischen. Denn es ist nur ein schmaler Grat zwischen ihn hassen und ihn wollen.

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PROLOG
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Epilog

Kandi Steiner

 

 

Be my FAIR CATCH

(RED ZONE RIVALS 1)

Riley & Zeke

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Aus dem Englischen übersetzt von Sandy Brandt

Dieser Artikel ist auch als Taschenbuch und Hörbuch erschienen.

 

 

Be my FAIR CATCH

 

 

 

Copyright

© 2023 VAJONA Verlag VAJONA Verlag

Carl-Wilhelm-Koch-Str. 3

08606 Oelsnitz

Alle Rechte vorbehalten.

[email protected]

Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlags

wiedergegeben werden.

 

Übersetzung: Sandy Brandt

Die Originalausgabe erschien 2022 unter dem Titel »FAIR CATCH«.

 

Korrektorat: Madeleine Seifert

Umschlaggestaltung: Julia Gröchel unter Verwendung von selbst

gezeichneten Motiven

Satz: VAJONA Verlag, Oelsnitz

 

 

 

ISBN: 978-3-98718-169-6

 

 

 

 

Für all die Mädchen und Frauen, die Football genau so lieben, wie ich …

 

Das hier ist für euch.

PROLOG

Riley

 

Ein Kleiner-Finger-Schwur ist ein heiliges Versprechen.

Daran glaubte ich bereits seit meiner Kindheit. Das erste Mal, als meine beste Freundin und Nachbarin mich schwören ließ, niemandem zu verraten, dass sie einen Jungen aus unserer Klasse mochte, und das zweite Mal – stärker – als mein Zwillingsbruder mich schwören ließ, unseren Eltern nicht zu verraten, dass er ihre Lieblingsvase aus den Flitterwochen zerbrochen hatte.

Als Kind schien es einfach, meinen kleinen Finger um den eines anderen zu winden und von diesem Moment an zu wissen, dass wir etwas teilen, was nie jemand anderes wissen würde.

Es war das ultimative Vertrauenssymbol, ein Symbol für Verantwortung, und ich nahm es ernst.

Besonders mit Gavin.

Älter um gerade einmal sechs Minuten war Gavin niemals nur mein Bruder. Er war mein Zwilling. Wie nur bei Zwillingen möglich, war da eine Verbindung, die uns vereinte und die stärker war als Blut, stärker als Freundschaft, sogar noch stärker als Liebe.

Über die Jahre hat er mich um viele Kleine-Finger-Schwüre gebeten.

Versprich, nicht zu verraten, dass ich auf die Party gegangen bin

Versprich, nicht zu verraten, dass ich eine Fünf in diesem Aufsatz bekommen habe.

Versprich, nicht zu verraten, dass Larissa sich letzte Nacht in mein Zimmer geschlichen hat.

Je älter wir wurden, desto häufiger machte ich solche Versprechen und ich habe jedes einzelne von ihnen gehalten. Ich schwor, ohne zweimal drüber nachzudenken, ohne zu zögern, ohne eine Spur des Zweifels, dass ich ein Versprechen nicht würde halten können.

Bis jetzt.

»Riley, bitte.«

Gavins Nasenflügel bebten, als sein Blick meinen suchte, unsere Hände an der Seite des Krankenhausbettes ineinander verschränkt. Seine struppigen blonden Haare waren fettig und klebten an seiner Stirn, seine Augen leer und rot, die Haut aschfahl. Würde ich seine Diagnose nicht kennen, würde ich annehmen, er starb gerade.

Ich schüttelte den Kopf, strengte mich an, den Knoten in meiner Kehle runterzuschlucken.

»Du musst«, flehte er und drückte meine Hand. »Ich schwöre, ich werde dich nie wieder um etwas bitten.«

Meine Augen füllten sich mit Tränen, als er bei dem Versuch, im Bett eine andere Position zu finden, zusammenzuckte. Ich half ihm, es sich bequem zu machen, und dann ergriff er wieder meine Hand und ich sah sie an, um nicht seine Beine anzustarren.

Seine unbeweglichen, gelähmten Beine.

Allein das Wort – gelähmt – ließ Galle in meiner Kehle aufsteigen. Es fühlte sich noch immer wie ein Albtraum an, wie ein Paralleluniversum, das unmöglich real sein konnte. Mein Bruder war gerade einmal sechzehn. Er war gesund, ein Leistungssportler, ein junger Mann mit einer leuchtenden Zukunft vor sich.

Bis die Person, die eigentlich immer seine Deckung sein sollte, sich dazu entschlossen hatte, betrunken Auto zu fahren und all das aus der kaputten Windschutzscheibe schmiss.

Ich schüttelte meinen Kopf, als könnte ich so die Wut loswerden und versuchte mich auf das zu konzentrieren, worum Gavin mich bat.

»Ich kann nicht –«

»Doch du kannst. Du bist schon jetzt ein besserer Spieler als ich und das weißt du.«

»Im Fußball, Gavin. Das ist was anderes.«

»Nicht besonders.«

So etwas wie ein Lachen entkam mir, als ich meinen Kopf schüttelte, und das größere Problem hinunterschluckte.

»Ich bin ein Mädchen.«

»Und?«

Ich richtete meinen Blick auf ihn. »Mädchen spielen kein Football.«

»Natürlich tun sie das. Es gibt unzählige Mädchen, die Football spielen.«

»Nicht auf College-Niveau.«

»Das gab es schon einmal. Und das kann es wieder geben. Und wenn es irgendwer kann – dann du.« Er bemerkte mein Zögern und drückte erneut meine Hand. »Tu nicht so, als würdest du Football nicht lieben, vielleicht sogar mehr als ich, schon dein ganzes Leben. Du hast genauso viel gekickt wie ich.«

»Zum Spaß.«

»Nur, weil du nie in Betracht gezogen hast, dass es mehr sein könnte.«

Ich nahm einen tiefen, langsamen Atemzug durch die Nase und blies die Luft ebenso zögernd wieder aus.

»Ich kann dir helfen«, fuhr Gavin fort. »Ich werde dich trainieren. Den schwersten Teil kannst du bereits – kicken wie Matt Prater.«

Ich runzelte die Stirn und starrte auf meinen abblätternden Nagellack, dorthin, wo die Hand meines Zwillings meine hielt, stark und beruhigend. »Warum bittest du mich darum?« Ich fand seinen Blick. »Warum ist es für dich so wichtig?«

Gavin schürzte seine Lippen, schaute an mir vorbei, seine Augen unfokussiert. »Football war mein Traum, seit ich fünf Jahre alt war«, gestand er, was ich bereits wusste, ohne dass er es sagen musste. Ich bin auf demselben Hinterhof aufgewachsen, auf dem wir Football gespielt hatten, wann immer wir ihn nicht im Fernsehen angesehen hatten. »Und jetzt werde ich nie wieder spielen.«

»Das weißt du nicht.«

»Riley«, unterbrach er mich. »Ich werde nie wieder laufen können, geschweige denn Football spielen.«

»Aber sie haben gesagt –«

»Riley, halt den Mund!« Er schnaufte, sein manischer Blick traf meinen. »Ich bin von der Taille abwärts gelähmt, okay? Bitte leugne das nicht oder tu so, als könnten wir das ändern.«

Sofort fluteten Tränen meine Augen, ein Spiegelbild meines Zwillings, auf dessen Wange still eine einzelne hinunterrutschte, als er sich zu mir beugte. In diesem Moment sehnte ich mich nach so vielen Dingen – vor allem danach, mit ihm die Plätze zu tauschen, seinen Schmerz zu übernehmen, dieses Schicksal zu erleiden und zu wissen, dass er das tun könnte, was er immer wollte.

»Ich habe meine Beine verloren, Sis. Ich kann den Football nicht auch noch verlieren.«

Ich presste meine Augen zusammen und ließ zwei heiße Tränen frei, die wie Lava brannten.

»Ich weiß, dass das viel verlangt ist. Aber ich weiß auch, dass du dich noch machtloser fühlen würdest, wenn ich dich nicht bitten würde, wenn es nichts gäbe, was du tun könntest.«

Mein Herz zuckte zusammen bei dem Gedanken, wie gut er mich kannte, wie wahr seine Aussage war.

»Versuch es einfach. Wenn du es nicht ins Team schaffst, lasse ich es gut sein.«

»Und was ist, wenn ich es ins High-School-Team schaffe, aber nicht ins College-Team?«

Er zuckte mit den Schultern. »Zumindest hast du es versucht.«

Ich schluckte, während ein Lächeln an meinen Lippen zupfte, bevor ich meinen Zwilling wieder ansah. »Nicht jeder wird damit einverstanden sein, das weißt du?«

»Ich werde jeden umbringen, der nicht damit einverstanden ist. Und wenn ich es mit jemandem nicht aufnehmen kann, wird Zeke sich darum kümmern.«

Mein Blut erstarrte bei der Erwähnung seines besten Freundes – ein Titel, der ihm aberkannt werden sollte, nach dem, was er getan hat.

Und als ob mein Bruder den Teufel selbst beschworen hätte, kam ein leises Klopfen von der Tür und Zeke erschien mit einem verlegenen Lächeln, statt des normalerweise selbstsicheren Grinsens. Er trug eine flache Kappe verkehrt herum über seinem schwarzen Kurzhaarschnitt, und selbst in den weiten Jogginghosen und dem langärmligen Hemd, das er trug, konnte ich seine definierten Muskeln sehen, stark und sehnig vom jahrelangen Footballspielen.

Und seine Beine funktionierten einwandfrei, trugen ihn so mühelos in den Raum, dass ich mit den Zähnen knirschte.

»Hey, Mann«, sagte Gavin und sein Gesicht hellte sich auf, als er ihn sah. »Hast du die Sachen mitgebracht?«

»Du weißt, dass ich dich nie im Stich lassen würde«, antwortete Zeke und hielt die braune Tüte mit fettigen Burgern vom Lieblingsrestaurant meines Bruders hoch.

Ich schnaubte, stand auf und ging bereits zur Tür. »Ich bin mir nicht sicher, ob das noch wahr ist.«

Zekes Schultern sackten bei meinem Kommentar zusammen, und Gavin gab mir einen Blick, den ich direkt erwiderte. Was?

Ich wandte mich zum Gehen, aber Gavin rief nach mir. Er musste nicht noch einmal fragen, als ich mich ihm zuwandte und die Verzweiflung in seinen Augen sah.

»Okay«, sagte ich nur.

Er streckte die Faust in die Luft und Zeke hob eine Augenbraue, sah zwischen uns hin und her. »Was habe ich verpasst?«

»Riley wird meinen Platz einnehmen.«

Zekes andere Augenbraue hob sich, um sich der ersten anzuschließen.

»Sie wird für das Team vorspielen.« Er machte eine Pause. »Und es schaffen. Ganz klar.«

Daraufhin lächelte Zeke, seine warmen braunen Augen trafen meine. »Wir werden den besten Kicker im Bundesstaat haben.«

Dieses Lächeln schlüpfte wie ein Parasit unter meine Haut und brachte mich dazu, ihm die Augen auskratzen zu wollen. Und doch, selbst wenn Wut tief in meinem Bauch brodelte, sah ich, wenn er so lächelte, noch immer den Jungen, mit dem ich aufgewachsen war. Ich sah einen unserer ersten Freunde, unseren besten Freund, jemanden, dem ich ohne den geringsten Zweifel vertrauen konnte.

Hatte ich zumindest gedacht.

Ich ignorierte ihn und sprach nur mit meinem Bruder. »Ich sagte, ich versuche es.«

»Mehr verlange ich nicht«, sagte Gavin.

Dann streckte er seinen kleinen Finger aus.

Mein Herz schlug laut in meinen Ohren, als ich diesen ausgestreckten Finger ansah und Zweifel in den Tiefen meiner Seele flüsterten. Aber ich streckte meine Hand trotzdem aus, hakte meinen kleinen Finger um seinen und zog ihn fest.

Ich verspreche es.

Mein Bruder hatte ein für seine Situation viel zu breites Lächeln aufgesetzt, weshalb ich mich zur Tür drehte. Aber Zeke legte seine Hand auf meine Armbeuge, um mich aufzuhalten.

Allein diese Bewegung hätte mein Herz vor ein paar Wochen zum Flattern gebracht. Es hätte meinen Nacken erhitzt und meinen Puls beschleunigt, hätte meine sechzehnjährigen Knie so schwach gemacht, dass ich wahrscheinlich zu einem Haufen Knochen an seinen Füßen zusammengesackt wäre.

Jetzt jedoch ließ es mich zusammenzucken.

»Hey, wenn du üben willst, kann ich dir helfen, dich auf das Probespiel vorzubereiten.«

Ich riss meinen Arm aus seinem Griff und richtete meinen mörderischen Blick auf ihn. »Es ist deine Schuld, dass mein Bruder überhaupt in dieser Situation ist, du unverantwortlicher, egoistischer Mistkerl«, zischte ich. »Das Einzige, was ich von dir brauche, ist, dass du zurück in der Zeit zurückreist und niemals geboren wirst.«

»Riley«, versuchte Gavin mich zu beruhigen, aber ich hob eine Hand, um ihn zum Schweigen zu bringen. »Ich kann dich nicht von meinem Bruder fernhalten. Das ist seine Entscheidung. Aber was mich betrifft?« Ich schnaubte und zeigte mit dem Finger direkt auf seine Brust. »Bleib mir fern, Zeke Collins.«

Mit dieser Drohung ließ ich meinen Bruder und seinen bedauernswerten besten Freund hinter mir.

Und machte mich an die Arbeit.

1

Riley

 

Zwei Jahre später

 

Mit meiner Sporttasche über der Schulter band ich mein dickes Haar zu einem hohen Pferdeschwanz und zog ihn straff. Diese kleine Veränderung war ein Signal für meinen Körper und für mein Gehirn.

Sie bedeutete, dass es Zeit fürs Geschäft war.

Der Sommer hing noch immer in der Luft, obwohl der sanfte Wind über dem North Boston University Campus leise Gerüchte über den Herbst verbreitete. Ich genoss seine Berührung, als ich den kurzen Weg von meinem vorübergehenden Wohnheim zum Stadion ging und meinen Nacken knirschen ließ, in freudiger Erwartung auf den ersten Tag des Herbsttrainingslagers.

Es war eine andere Art von Nervosität als an meinem ersten Tag auf dem Campus im Mai. Dieser Tag war gefüllt gewesen mit Nervosität, wie sie, wie ich annahm, jeder College-Frischling erleben würde – das Gefühl, auf sich allein gestellt zu sein, die Angst herauszufinden, was das bedeutete, der Druck, herauszufinden, was man für den Rest seines Lebens tun wollte.

Der Mai kennzeichnete den Beginn des Sommersemesters und den Abschluss zweier schwieriger Kurse, bevor der Herbst – und somit Football – startete. Der Sommer bedeutete hartes Konditionstraining in der Sonne mit meinen neuen Trainern, Gewichtheben und freiwillige Schießübungen. Es war harte Arbeit, aber es war nur Übung, nur etwas, um die Zeit zu vertreiben, während wir auf diesen Tag warteten.

Für das Herbsttrainingslager.

Heute begann die eigentliche Saison. Heute würde ich mit meinen Trainern an meinem Spiel arbeiten, meine Sachen erhalten und um meinen Platz auf dem Spielfeld kämpfen.

Wolken breiteten sich in trägen, watteähnlichen Wellen über dem Himmel aus, während die Sonnenstrahlen durch sie hindurchschienen. Eine Million Schattierungen von Blau und Gold tanzten auf eine Weise, die mich an einen meiner Lieblingskünstler – Charles Harold Davis – denken ließ.

Wie seltsam, dass ich vor etwa zwei Jahren nur daran denken konnte, davon besessen war. Abgesehen vom Football bestand mein Leben darin, meinen nächsten Museumsbesuch zu planen, meine eigene kleine Sammlung von Kunstwerken zusammenzustellen und von einem Praktikum zu träumen, das zu einer Karriere führen würde, bei der ich für die gesamte Sammlung eines Museums verantwortlich sein würde.

Ein Kleiner-Finger-Schwur hatte meine Prioritäten verschoben und mich in eine neue Richtung gelenkt.

Und obwohl es nicht dasselbe war, war ich überrascht herauszufinden, wie sehr mich der Football begeisterte, wie viel Leidenschaft ich für den Sport hatte, der mir immer unzugänglich erschienen war.

Jetzt, da ich hier war, würde ich alles tun, um zu bleiben.

Die Vorfreude durchzog mich wie ein ständiger elektrischer Schock, als ich meine Karte am Stadion scannte und im Flur verschwand, und meine Turnschuhe mich bereits wie selbstverständlich zum Umkleideraum trugen. Meine Muskeln waren größer als beim ersten Mal, als ich diese Einrichtung betreten hatte, mein Kopf war klarer und mein Herz ruhiger. Die letzten paar Monate – nein, die letzten paar Jahre – hatten mich darauf vorbereitet.

Ich war bereit.

Als ich durch die Tür der Umkleidekabine ging, freute ich mich, dass ich eine der Ersten war, die auftauchten. Ich nickte Holden Moore zu, einem Freshman mit rotem Hemd, das bedeutete, dass er nicht am aktiven Spielbetrieb teilnahm, und von dem ich wettete, dass er einer unser Top-Quarterbacks sein würde. Er umwickelte gerade seinen Knöchel und gab mir ein Nicken, das mir sagte, dass er halb beeindruckt, halb misstrauisch war. Er traute mir noch nicht, was in Ordnung war.

Ich vertraute auch niemandem.

Ein paar andere Jungs waren auch in der Umkleidekabine – ein defensiver Endspieler, den ich vom Fitnessstudio kannte, ein Receiver, der bekannt war für seine beeindruckende Arbeit im letzten Jahr und natürlich die Trainer und das Sport-Trainingsteam.

Ihre Augen folgten mir, als ich mich zu meinem derzeitigen Spind begab, für den ich in den nächsten Wochen hart arbeiten musste, um ihn für die Saison zu behalten. Ich hatte zwar ein Stipendium angeboten bekommen, aber das bedeutete nicht, dass mir ein Platz im Team garantiert war.

Als ich mich einrichtete, beobachteten mich einige von ihnen vorsichtig, ihre Augen wanderten zu mir hoch, bevor sie schnell zu dem zurückkehrten, was sie zuvor getan hatten. Andere starrten unverhohlen, eine Mischung aus Verwirrung und Spott prägte ihre Gesichtszüge. Ich schien immer mehr von diesen Blicken zu bekommen, als die Jungs hereinkamen, aber ich ignorierte sie und konzentrierte mich darauf, mich auf meinen ersten Versuch vor Coach Sanders vorzubereiten. Wenn man die einzige Frau im Football-Team ist, gewöhnt man sich an die Blicke.

Man muss es.

Glücklicherweise hatte ich in der High School genug Übung. Es dauerte nicht lange, bis mir nicht nur die Blicke meiner Teamkollegen sicher waren, sondern auch die aller Schüler, Lehrer, Administratoren und Eltern an der Hollis High. Zusammen mit dem, was meinem Bruder passiert war, ergab es einen Medienrummel bei dem ersten Spiel, bei dem ich mitgespielt hatte – einer, der nie abebbte.

Es war nicht alles schlecht. Tatsächlich lobten viele der Nachrichtenagenturen den Coach dafür, dass er eine weibliche Kickerin hatte, als ob er es sich verdient hatte, dort draußen auf dem Feld zu sein. Die besseren betonten mein Talent – unabhängig von meinem Geschlecht – und stellten respektvolle Fragen in den Interviews, die der Coach Woche für Woche für mich ausmachte. Und natürlich gab es Frauen in der Schule, die es großartig fanden, die mich dafür lobten, dass ich gegen das Patriarchat kämpfte, und die T-Shirts mit meiner Nummer machten und sie jeden Freitagabend trugen.

Dennoch kannte ich den Unterschied zwischen denen, die aufrichtig waren und denen, die mich mit diesem Blick betrachteten – dem, der mir sagte, dass sie insgeheim darauf hofften, ich würde scheitern.

Genau dieser Blick brannte sich in meine Haut, als ich meine Shorts und das Trainings-Trikot anzog. Das Verwaltungsteam hatte hartnäckig nach meinem Wohlbefinden in Bezug auf den Umkleideraum gefragt und mir ein privates, unbenutztes Büro angeboten, falls ich es bevorzugen würde. Aber ich wollte mich nicht noch mehr absondern, als meine Brüste es bereits für mich taten, also entschied ich mich für den Umkleideraum mit den Jungs.

Die Team-Beraterin, Mrs Pierson, war besonders besorgt wegen dieser Entscheidung gewesen und stimmte erst nach mehreren Sitzungen, bei denen sie mich gründlich analysiert hatte, zu. Nachdem ich ihr versprochen hatte, sie beim ersten Anzeichen von etwas Alarmierendem zu informieren, stimmte sie widerwillig zu und schien zu verstehen, woher diese Entscheidung kam, als ich sie darauf hinwies, wie schwer es ohnehin schon wäre, auch ohne Sonderbehandlung wie einen separaten Umkleideraum oder eine separate Dusche. Natürlich würde ich mich dort nicht nackt ausziehen. Und ehrlich gesagt bedeckten meine Unterwäsche und mein Sport-BH mehr als jeder Badeanzug, den ich in den letzten zehn Jahren gesehen hatte, also machte ich mir keine Sorgen.

Und wenn irgendjemand von den Jungs im Team ein Problem damit hatte?

Dann lag das an ihm.

Während ich mich anzog, kamen immer mehr Jungs in den Umkleideraum, ohne auch nur ein Wort zu mir zu sagen. Das störte mich nicht. Ich hatte auch keine Lust, zu reden.

Ich trug meinen Helm unter dem Arm und lief auf das Feld, um mich denjenigen anzuschließen, die sich bereits aufwärmten und darauf warteten, dass der Coach uns begrüßte. Wir hatten etwa zehn Minuten bis zur Meldung und meine Philosophie war schon immer: Wenn du nicht früh kommst, bist du spät dran.

»Herbsttrainingslager Tag eins, Baby! Wir sind hier draußen!«

Von meiner Liegestützposition sah ich auf zu Kyle Robbins, der sein Telefon hochhielt und sich drehte, um das Feld hinter ihm zu zeigen, während er seinen Helm küsste. »Nummer eins, Baby. Wir werden die Nummer eins sein. Du hast es hier zuerst gehört. Hol dir deine Autogramme, solange du kannst, Familie, denn diese Saison wird mich an die Spitze katapultieren.«

Ich verdrehte die Augen, kehrte zu meinen Übungen zurück und tat mein Bestes, um seine traurige Erklärung dessen, was das Herbstcamp für ihn und sein Live-Stream-Publikum war, zu ignorieren.

Kyle war ein talentierter Tight End mit einem so großen Kopf, dass ich überrascht war, dass er ihn nicht auf einer Trage hinter sich herziehen musste, wenn er zum Fangen des Balls über das Feld rannte. Er war einer dieser Typen, die die neue Richtlinie für Name, Image and Likeness ausnutzten – mit der er zusätzlich Geld verdienen konnte –, sobald sie angewendet wurde, und ich war mir ziemlich sicher, dass er allein mit all den Deals zusammen, die er letztes Jahr abgeschlossen hatte, mehr verdiente als meine beiden Elternteile.

Ich warf ihm nicht vor, dass er Geld verdiente. Sollte er doch.

Ich wollte diese Ablenkung einfach nicht um mich herum haben.

»Und schau, wir haben sogar einen weiblichen Kicker«, hörte ich ihn sagen. Ich stöhnte innerlich und beendete meine Wiederholungen, bevor ich auf die Füße sprang.

Gerade rechtzeitig, sodass er seinen bereits verschwitzten Arm um meine Schultern legen konnte, um mein angepisstes Stirnrunzeln auf seinem Handybildschirm gespiegelt zu sehen.

»Lass mich los«, grunzte ich und schüttelte ihn ab.

»Ach, komm schon. Sag Hallo zu unseren Fans! Sie sind diejenigen, die uns die ganze Saison über anfeuern werden.« Er stoppte. »Nun, vorausgesetzt, du schaffst es ins Team.«

Ich knirschte bei seiner Anspielung mit den Zähnen, weil er – wie viele andere im Team – dachte, ich hätte mein Stipendium nur bekommen, weil ich eine Vagina statt eines Penis hätte. Sie hielten es für einen Werbegag.

Jeder, der dumm genug war, zu glauben, dass ein College-Footballtrainer sich eher darum kümmern würde, als um Talent, war meine Mühe nicht wert, ihm etwas anderes beizubringen.

Ich ignorierte ihn und begann, Hampelmänner zu machen, aber Kyle wollte nicht aufhören.

»Ich muss sagen, ich war ziemlich beeindruckt von den Bemühungen dieser kleinen Dame im Sommer. Sie taucht früh auf, bleibt lange, macht ihre Übungen.« Er hielt inne und senkte seine Stimme ein wenig. »Aber kann sie kicken? Kann sie mit den großen Jungs mithalten?« Er schnalzte mit der Zunge. »Das bleibt abzuwarten.«

Ich wechselte von meinen Hampelmännern direkt zu High Knees – weniger, weil ich noch warm werden musste, sondern eher, weil ich etwas anderes tun musste, als meine Faust direkt auf Kyles Nase zu rammen. Das würde am ersten Tag nicht gut aussehen. »Komm schon, Süße«, flehte er. »Gib mir einfach ein Statement. Glaubst du, du schaffst es ins Team?« Ohne ein Wort begann ich mit Armschwingen, lockerte meine Schultern und versuchte, mich abzuschotten. Es war klar, dass Kyle mich nicht in Ruhe lassen würde, also beschloss ich, dass es die beste Zeit war, um zu üben, den Lärm zu ignorieren und mich auf die anstehende Aufgabe zu konzentrieren. Das würde ich ohnehin früh genug tun müssen, während mir eine Menge entgegen brüllte und darauf hofft, ich bekäme einen Tritt ab.

Er murmelte noch ein paar Dinge, bevor er schließlich die Luft durch seine Zähne einsaugte und mir mit einer Hand zuwinkte. Ich atmete erleichtert auf, dass er endlich aufgegeben hatte.

Bis er sich mit einem Grinsen wieder seinem Telefon zuwandte und sagte: »Das muss diese Zeit des Monats sein.«

Erstarrt fielen die Arme an meine Seite, als er hochsah, einen anderen, mir unbekannten Spieler mit dem Ellenbogen anstieß, der mit ihm lachte. Ich knackte mit den Halswirbeln, bereit, mich mit diesem kleinen Mistkerl anzulegen, aber ich bekam keine Chance – vorher stieß ihn jemand von hinten an.

Kyle stolperte vorwärts, nur einen Moment lang geschockt, bevor er sich angepisst und bereit zum Kampf umdrehte.

Und Zeke Collins hinter sich fand.

Zeke war mindestens fünf Zentimeter kleiner als Kyle, aber das hinderte ihn nicht daran, seine Brust aufzublähen, sodass Kyle vor seinem mörderischen Blick zurückschreckte. Ich hatte diesen Blick – direkt auf seine Opfer gerichtet – häufiger gesehen, als ich zählen konnte. Und selbst wenn er nicht mich ansah, jagte er mir einen Schauer über den Rücken.

Zeke war ein Neuling, genau wie ich, aber er hatte einen Ruf, der ihm weit vorauseilte – und zwar anders als meiner. Ich war bekannt, weil ich eine Frau in einem von Männern dominierten Sport war. Er war bekannt, weil er der Nummer eins Rekrut der Nation war.

Die Art von Respekt, die er bekam, verglichen mit dem, was mir zuteilwurde, machte mich wütend.

In den Monaten nachdem wir die High School beendet hatten, hatte Zeke sich von einem Jungen in einen jungen Mann verwandelt – gefühlt über Nacht. Er war hochgewachsen, mit breiten Schultern, gebräunten, muskulösen Armen und Beinen wie Baumstümpfe, die ihn stark aufrecht hielten. Sein schwarzes Haar, das er früher kurz getragen hatte, war jetzt länger, straff gestylt mit scharfen, in die Seite geschnittenen Mustern, und einem dazu passenden Cut direkt über seiner rechten Augenbraue.

Und ich erinnerte mich daran, warum ich ihm um jeden Preis aus dem Weg ging – nicht nur, weil ich ihn hasste, sondern weil kein Hass mich jemals davon abhalten könnte, seinen Anblick in mich aufzusaugen oder meinen verräterischen Körper davon, in seiner Nähe warm zu werden.

»Was zum Teufel, Bro?«, sagte Kyle, der immer noch mit seinem Telefon filmte und nun Brust an Brust mit Zeke stand. »Hast du ein Problem?«

»Nein, aber das werde ich, wenn du noch ein wenig Respekt zeigst und zuhörst, wenn dir jemand sagt, dass er kein Teilnehmer deiner erbärmlichen Show sein will.«

»Es ist keine Show«, spottete Kyle. »Es ist ein Livestream auf Instagram. Und ich kann jeden aufnehmen, wenn es mir verdammt noch mal gefällt.«

»Ist das so?«

Was als Nächstes geschah, passierte so schnell, dass ich nicht alles davon wahrnahm, aber irgendwie landete Kyles Telefon in Zekes Hand und wurde dann übers halbe Spielfeld geworfen.

Kyle schrie, als wäre es sein Erstgeborenes und kein Telefon in einer hochwertigen Schutzhülle. Dann drehte er sich sofort um und schubste Zeke, der sich jedoch gewappnet haben musste, denn er bewegte sich von der sicherlich brutalen Kraft nur wenige Zentimeter. Zeke schubste Kyle nicht zurück. Er machte nur einen Schritt auf ihn zu, sah zu ihm auf, als wäre er nicht im Geringsten eingeschüchtert von dem etablierten Spieler, der größer und breiter war als er.

»Sie ist eine Frau. Wir haben es verstanden. Du denkst, du bist so verdammt lustig, weil du Witze darüber reißt? Du denkst, so wirkst du groß und böse?« Er schüttelte seinen Kopf. »Werd erwachsen, Mann. Das ist College-Football. Und sie«, sagte er und deutete auf mich, »ist deine Mitspielerin.«

Kyle schluckte, seine Augen bewegten sich zu mir und zurück zu Zeke.

Er entschuldigte sich nicht, aber er stritt auch nicht weiter. Stattdessen beäugte er Zeke von oben bis unten mit einem Blick, der versprach, Zeke würde für das bezahlen, was geschehen war, und dann joggte Kyle in Richtung seines Telefons.

Ich bemerkte erst, von wie vielen wir beobachtet wurden, als die anderen sich wieder bewegten und die Stille gefüllt wurde von Menschen, die redeten oder mit ihrem Stretching fortfuhren. Ich bemerkte auch, dass Zeke ein respektvolles Kopfnicken von Holden erntete – ein Nicken, das besagte, dass Holden seine Deckung hatte.

Ich senkte den Blick.

»Ich kann mich selbst darum kümmern.«

Zeke zog eine Augenbraue in die Höhe, platzierte seinen Helm zwischen seiner Hüfte und seinem Unterarm und sah mich an. »Du sagst das, als wüsste ich das nicht schon längst.«

»Dann hör auf, meine Kämpfe für mich auszutragen.«

»Ich habe gar nichts ausgetragen. Er hat sich wie ein Arsch benommen und ich hab nur sichergestellt, dass er das weiß. Es ist Trainingszeit und das Einzige, auf das sich jeder konzentrieren sollte, ist Football.«

»Ganz genau. Es ist Trainingszeit. Und das ist meine einzige Chance, zu beweisen, dass ich mir einen Platz in diesem Team verdient habe, genau wie jeder andere auch.« Ich machte einen Schritt in seinen persönlichen Bereich, pikste ihm mit dem Finger in die Brust. »Das Letzte, was ich brauche, ist ein anderes Team, das sich darüber lustig macht, dass du dich wie mein beschützerischer großer Bruder verhältst.« »Das ist es nicht, was sie sagen.«

Ich zog mit geschürzten Lippen eine Augenbraue hoch.

»Sie sagen, ich bin dein beschützerischer Freund.«

Sein freches Grinsen kotzte mich fast so sehr an wie das, was er gerade gesagt hatte. Knurrend sah ich mich um, ging sicher, dass der Coach nicht auf dem Spielfeld war, bevor ich Zeke schubste.

»Das ist sogar noch schlimmer!«, zischte ich.

»Mach dir keine Sorgen«, sagte er mit einem Lachen. »Ich würge es direkt ab. Das Letzte, was ich gebrauchen kann, ist dass irgendeine dieser College-Hotties denkt, dass ich an dich gebunden wäre.«

Sein Blick krabbelte über meinen Körper und das Zucken seiner Lippen feuerte meine Wut an. Ich boxte ihm gegen den Arm, aber er umfasste leichthin meine Faust, senkte seine Stimme und kam dichter.

»Das ist nicht mehr die Hollis High, Novo«, sagte er und nannte mich bei meinem Nachnamen, so wie er und der Rest unseres vorherigen Teams es immer getan hatten. »Das ist College-Football. Du wirst einen Freund brauchen.«

Seine Stimme war so leise, sein Blick so ernsthaft, dass ich für einen Moment den Jungen sah, mit dem ich aufgewachsen bin. Ich sah Sommertage in unserem Hinterhof vor mir, genau wie Winternächte um ein Lagerfeuer herum. Ich sah den Jungen, der mich gegen jede Widrigkeit beschützt hatte, genau wie Gavin, den Jungen, der vom Freund meines Bruders zu meinem Freund geworden war und dann … zu etwas anderem.

Aber ein Blinzeln reichte und ich sah meinen Bruder im Krankenhausbett, Zekes herunterhängenden Kopf, als er mir alles erzählt hatte, was in der Nacht, als er mit dem Leben meines Zwillings gespielt hatte, passiert war. »Aber du bist nicht mein Freund«, spuckte ich aus. »Du bist der Freund meines Bruders – und warum du das noch immer bist, begreife ich nicht.« Er schluckte und mir entging nicht, dass er bei meinen Worten zusammenzuckte, aber es war mir egal, falls ich ihn verletzte.

Ich meinte es so.

Ich riss meinen Arm aus seinem Griff und sammelte meinen Helm vom Boden auf. »Geh mir aus dem Weg, außer du fängst den Ball, den ich kicke«, warnte ich ihn.

Dann joggte ich übers Feld, dorthin, wo der Coach gerade in die Pfeife blies.

2

Zeke

 

Jeder Atemzug füllte mich mit einem Adrenalinrausch. Das Kribbeln war berauschend, als wir alle auf dem Spielfeld niederknieten, der Coach in unserer Mitte, seine Sonnenbrille fest an Ort und Stelle und der Kiefer angespannt. Einer nach dem anderen joggten die Spieler von der anderen Seite des Feldes oder vom Umkleideraum zu uns und schlossen sich der Gruppe an – einhundertfünf von ihnen, um genau zu sein.

Und nur fünfundachtzig würden am Ende bleiben.

In meinem Kopf gab es kein Szenario, in dem ich keiner von ihnen sein würde. Ich hatte mich mein ganzes Leben auf diesen Moment vorbereitet – und ehrlich gesagt, war es keine große Sache für mich. Natürlich würde es anders werden. Es gab in diesem Team mehr Talent als in meinen bisherigen Teams oder auch bei meinen Gegnern während meiner gesamten Karriere als Spieler. Aber seit dem Moment, als meine Eltern mir mit drei Jahren einen Football in die Hand gedrückt und mich ins Kleinkinder-Team gesteckt hatten, wusste ich, dass ich hier landen würde.

Und ich wusste auch, dass es nur ein weiterer Schritt in Richtung National Football League war.

Trotzdem war ich berauscht von dem Versprechen, das der vertraute Herbstgeruch zu mir trug, das Versprechen, dass ich schon bald mit Schulterpolstern auf das Feld joggen und das Spiel spielen würde, das meine Seele antrieb.

Football war nicht nur ein Teil meines Lebens.

Es war mein Leben.

Und das Herbsttrainingslager der North Boston University war der Anfang des nächsten Kapitels dieses Spiels.

»Willkommen im Trainingslager«, sagte Coach Sanders nur, zog die Nase hoch und steckte das Klemmbrett unter seinen Arm, als er sich ans Team wandte. »Ich zerstöre eure Erwartungen jetzt und sag euch, dass ich keine große Rede vorbereitet habe, um euch heute zu inspirieren. Ich geb einen Scheiß darauf, ob ihr inspiriert seid. Heute und in den nächsten Monaten seid ihr hier, um mir zu beweisen, dass ihr euren Job versteht und ihr es gebacken kriegt.«

Ein Lächeln zupfte an meinen Mundwinkeln und Aufregung donnerte in meiner Brust.

»Ich will eine Sache deutlich machen: Ich werde in den nächsten Wochen keine Gnade zeigen. Neue Richtlinien halten mich davon ab, euch zweimal am Tag hier zu haben, so wie ich es bevorzugen würde, aber das heißt nicht, dass wir nicht jede Sekunde jedes Tages nutzen werden. Übung, Gewichte, Schnelligkeit, Aufnahmen ansehen, Treffen«, sagte er und zählte die Dinge an seinen Fingern ab. »Ihr könnt euch glücklich schätzen, wenn ihr genug Zeit zum Essen und Scheißen habt, bevor ihr irgendwo anders sein müsst.«

Ein paar meiner potenziellen Teamkameraden lachten, aber ich wusste, der Coach war todernst. Ich war noch mit ein paar Typen befreundet, die vor mir den Abschluss gemacht hatten – Typen, die jetzt College-Football spielten. Sie waren nicht zurückhaltend, was ihre Erzählungen des Trainingslagers betraf, und sie waren nicht einmal an Colleges, die den größten Wettbewerbsstandard hielten, so wie die NBU.

Ihre Geschichten darüber, wie grausam das Trainingslager sein konnte, sollte mich abschrecken, aber es war das, auf was ich mich am meisten freute. In den nächsten Monaten würde es keine Rolle spielen, dass ich eine Lernstörung hatte, und dass Lesen und Verstehen an manchen Tagen schwierig für mich waren und an anderen unmöglich. Es wurde nicht erwartet, an den Kursen teilzunehmen oder Hausarbeiten zu schreiben oder irgendetwas zu tun, das nicht essen, schlafen, atmen oder Football war.

Es war meine Zeit zu glänzen.

Auf der anderen Seite des Coaches sah ich Riley, die ihren Pferdeschwanz festzog. Ihr Blick war fokussiert, ihre Lippen zu einer weißen Linie zusammengepresst. Sie straffte ihre Schultern, drückte die Brust raus – Entschlossenheit war in jeden ihrer Züge geritzt.

Ich gab zu, wenn ich an meine zukünftige Collegekarriere gedacht hatte, hatte ich irgendwie gehofft und gebetet, dass ihr Bruder Gavin und ich es auf dasselbe College schaffen würden. Zur Hölle, ich hatte sogar Witze darüber gemacht, dass wir im selben NFL-Team landen würden.

Niemals in einer Million Jahren hätte ich damit gerechnet, dass Riley seinen Platz einnehmen würde.

Und nicht, weil sie es nicht könnte, oder weil wir sie nicht schon als Kind davon überzeugen wollten, dass sie Football spielen sollte. Aber deshalb, weil sie immer darauf bestanden hatte, dass sie nicht spielen konnte, weil sie ein Mädchen war. Dass Fußball stattdessen eher zu ihr passen würde – obwohl Gav und ich beide wussten, dass das Bullshit war.

Sie liebte Football, ganz einfach. Hatte sie immer.

Aber trotzdem wusste ich, dass sie nicht für sich selbst hier war.

Sie war wegen ihres Bruders hier.

Meine Brust schmerzte, als eine Erinnerung an den Unfall auf mich zustürmte.

Der Rauch, der Geruch von Metall und Blut, das Klingeln in meinen Ohren, Gavins schmerzverzerrtes Gesicht …

All das war so frisch in meinen Erinnerungen wie mein Frühstück. Die Schuld, die mich seitdem plagte, hatte etwas nachgelassen, aber sie pulsierte noch immer unter meiner Haut, eine konstante Erinnerung daran, dass es meine Schuld war, dass er seine Träume begraben musste.

Er sah das natürlich niemals so, weil Gavin Novo der wahrscheinlich beste Mensch war, der jemals existiert hatte. Als er seine Diagnose bekommen hatte – dass er von der Hüfte abwärts gelähmt war – hatte er sich von der Verzweiflung abgewandt und stattdessen darauf konzentriert, wie er das Beste aus seiner Situation machen und andere dazu inspirieren konnte, dasselbe zu tun.

Es war nicht so, dass er niemals von der Trauer eingeholt wurde, besonders als er wieder nach Hause zog und sich an sein neues Leben gewöhnen musste. Er wurde wütend. Er schleuderte Sachen durch die Gegend, weinte, schrie mich an, sich selbst, Gott und auch das Universum.

Aber er beruhigte sich immer wieder, kam immer wieder zu dem zurück, an dem er sich mehr als an allem anderen festhielt: Dankbarkeit.

Das war einfach er selbst, so wie er immer war, und ich bewunderte seine Einstellung. Weil ich wusste, wäre ich in diesem Rollstuhl gelandet, hätte ich aufgegeben.

Ich wäre nicht hier.

Und das war nur ein Beispiel dafür, dass er ein besserer Mann war, als ich jemals sein würde.

Als Gavin mir erzählt hatte, dass er Riley gebeten hatte, für ihn Football zu spielen, dachte ich, es wäre ein Bewältigungsmechanismus. Ein Weg für ihn, um mit der neuen Realität klarzukommen, in der wir uns alle wiedergefunden hatten.

Aber Riley hatte dieses Versprechen nicht nur gemacht, um ihren Bruder zu beruhigen.

Sie hatte ein Versprechen gegeben, für das sie eher sterben würde, als es zu brechen.

Ich hatte ihr die letzten zwei Jahre dabei zugesehen, wie sie alle Quoten geschlagen hatte, von einer zentralen Mittelfeldspielerin im Mädchen-Fußball-Team in einem Sommer zum Kicker in unserem Football-Team zu werden. Und mir war es egal, was die anderen sagten – sie hatte diese Position nicht wegen dem bekommen, was Gavin zugestoßen war, oder weil sie eine Frau in einer Welt war, in der sie versuchte, etwas aus dem abgefuckten Patriarchat zu machen.

Sie hatte es sich verdient.

Sie war der beste Kicker, mit dem ich je gespielt hatte.

Es war schwer genug gewesen, cool zu bleiben, wenn die Typen, mit denen wir zur High School gegangen waren, ihr das Leben schwer gemacht hatten. Aber bereits jetzt wusste ich, dass das College eine ganz andere Sache werden würde. Die meisten Kerle hier waren reifer und zeigten ihr Respekt. Aber es gab noch genug, die an ihr zweifelten. Genug, die sie nicht hier haben wollten.

Und schlimmer – mindestens genauso viele, die sie vögeln wollten.

Das waren die Bastarde, die mein Blut zum Kochen brachten. Diejenigen, die dachten, ich würde es im Sommertrainingslager nicht bemerken, wie sie sich zurückhalten mussten, etwas zu sagen, wenn sie an ihnen auf dem Weg von der Dusche zurück vorbeiging. Oder wenn sie anzügliche Zeichen hinter ihrem Rücken machten und sich abklatschten, wenn sie tatsächlich eine Chance bei ihr hatten.

Darüber zumindest musste ich mir, das wusste ich, keine Gedanken machen. Denn genau wie ich war Riley nur auf eine einzige Sache konzentriert.

Football.

Dennoch war es ihr gelungen, Teil eines männerdominierten Sports zu sein. Es würde nicht einfach werden – und die Tatsache, dass sie in den letzten paar Jahren nur heißer geworden war, half ihr nicht.

Ihr dickes, langes kastanienfarbenes Haar, war die Art, in der jeder Mann seine Hände vergraben wollte und sie besaß eine natürliche, beinahe männliche Schönheit. Eine Schönheit, die sie – zum Glück – nie mit Make-up hervorhob. Das musste sie auch nicht. Sie leuchtete wie die Sommersonne, hell, anziehend und unmöglich zu ignorieren.

Es interessierte mich nicht, dass sie mich hasste. Tatsächlich war ich froh darüber.

Es machte es einfacher, mich darauf zu konzentrieren, sie zu beschützen und der Versuchung zu widerstehen, sie zu der meinen zu machen.

Der Coach spuckte durch seine Zähne hindurch auf den Boden und schaute nickend zu jedem einzelnen Spieler. »Ich weiß, ich muss das niemandem von euch sagen, aber wir sind ein Team am Abgrund.«

Ein paar der anderen Trainer nickten zustimmend, die Arme vor der Brust verschränkt, während sie ihre alten Spieler beäugten und die neuen in Augenschein nahmen.

»Wir nehmen seit Jahren Fahrt auf und letztes Jahr hat das Land mitbekommen, wie weit wir gekommen sind. Wir sind nicht das Team, das sie glaubten, zu kennen – nicht mehr.« Er machte eine Pause. »Das bedeutet, wir haben ziemliche viele Talente der letzten Saison aus der Abschlussklasse verloren.«

»Auf geht’s, Jags!«, rief jemand und ein paar der anderen Spieler taten ihre Unterstützung für ihren alten Runningback Lou Stevensen kund, der bereits in der ersten Auswahlrunde ausgewählt worden war.

Der Coach ließ ein winziges Lächeln aufblitzen, das aber schnell wieder verschwand. »Talent«, fuhr er fort, »das nun wieder ausgefüllt werden muss.«

Die Gruppe wurde wieder still.

»Ich weiß, manche von euch sind hungrig, bereit für ihre Chance, endlich zu spielen, nachdem sie jahrelang oder in der letzten Saison auf der Bank saßen. Aber ich werde euch auch sagen, dass dies die stärkste Klasse an Rekruten ist, die wir bisher hatten. Also, lasst mich eine Sache klarstellen.« Er hob einen Finger. »Niemand hier hat einen Job außer mir. Dies ist ein Wettbewerb und nichts ist versprochen.«

Ich sah zu, wie Lächeln um Lächeln auf den Gesichtern der anderen Spieler erstarben und ihre Körperhaltungen ihre Nerven offenbarten. Selbst Holden Moore, der ohne Zweifel eine Chance hatte, erster Quarterback zu werden, sah bei dieser Aussage demütig aus.

Aber ein Blick auf Riley – auf ihre hochgezogenen Augenbrauen, ihre geneigten Mundwinkel – reichte aus. Ich wusste, sie und ich dachten dasselbe.

Wir würden diesen September nicht auf der Bank sitzen.

»Also gut«, sagte der Coach und klatschte in die Hände. »An die Arbeit.«

3

Zeke

 

Schweiß tropfte in meine Augen und die kühle Brise von heute Morgen war nirgends zu spüren, als sich der erste Übungsteil des Trainingslagers dem Ende zuneigte. Wir hatten etwa eine Stunde Zeit fürs Mittagsessen und unsere Anmeldung zum Besprechen der Positionen. Ich stand in der End Zone, die Hände in meine Hüften gestemmt, und schaute zu Coach Sanders, dem es nicht egaler sein konnte, dass ich den gesamten Tag in meiner Bestform war.

Jeder Kick war reibungslos gesichert und ich rannte das Feld mit Schnelligkeit und Ausdauer ab, die sogar einem NFL-Spieler Konkurrenz machten. Meine brennenden Muskeln hielten mich nicht davon ab, jede Übung, die sie uns aufhalsten, zu meistern, und ich war stets der Erste, der zurückjoggte und sich für die nächste anstellte. Ich war explosiv, schlau und mir aller Dinge bewusst, die mir eine Strafe einbringen konnten.

Ich hätte nicht besser sein können.

Und es hätte Coach Sanders nicht weniger interessieren können.

Riley sah genauso erschlagen aus wie ich, als sie ihren Helm abnahm und ihre Haare in einem Wasserfall ihren Rücken hinabfloss. Sie fluchte, bevor sie ihr Haargummi vom Boden aufhob, ahnungslos, dass die Art, wie sie ihre Haare ausschüttelte, ein Dutzend Typen dazu brachte, heimlich in ihre Richtung zu sehen. Sie band ihre dicken Haare wieder zusammen und in dem Moment musste sie meinen Blick bemerkt haben, denn ihre Augen richteten sich auf mich.

Grün und Gold vermischten sich in ihren haselnussbraunen Augen, die sich bei meinem Anblick verengten. Ich grinste noch zusätzlich, sodass sich ihre Augen zu Schlitzen verzogen, als sie sich mir näherte.

»Du siehst erschöpft aus, Collins«, sagte sie mit gespielter Sorge. »Mach lieber einen Mittagsschlaf vor dem Treffen.«

»Sagt diejenige mit dem roten Gesicht«, gab ich zurück.

Ihre Prahlerei wackelte nur einen Moment, bevor sie ihren Helm an die Seite nahm und zum Spielfeld nickte. »Der Coach schien nicht beeindruckt von dem, was er heute gesehen hat.«

Ich war überrascht – weil sie mit mir redete, anstatt mich wütend anzustarren und mir zu sagen, dass ich mich verpissen sollte – bis ich es sah.

Sie wollte vor mir verschwinden, genauso sehr, wie sie es brauchte, von mir getröstet zu werden.

Ich wusste nicht einmal, ob es ihr bewusst war, aber all die Anzeichen waren da – der Kloß in ihrem Hals, die nervöse Art, wie sie ihre Finger bewegte, wie sie ihr Gewicht von der einen Hüfte zur anderen verlagerte. Niemand anderes würde es bemerken.

Aber ich schon.

Ich war einmal diese Person für sie, Gavin und ich, wir beide, und obwohl sie mich nun hasste – und das aus gutem Grunde – war ich die einzige Person in diesem Team, die sie kannte.

»Er wäre verrückt, wenn er es nicht wäre«, sagte ich. »Er wollte es nur nicht zeigen, wollte nicht, dass sich jemand heute Nacht darauf ausruht.«

Sie schluckte nickend.

»Hey«, fügte ich hinzu, als ich die Sorge bemerkte, die sie zu versteckten versuchte. Ihre Augenbrauen zogen sich zusammen und ich streckte meine Hand aus, drückte ihre Schulter. »Es ist alles gut.«

Wieder nickte sie, unfähig mich anzusehen.

Und ich konnte nicht widerstehen.

»Ich werde dich noch immer lieben, auch wenn du ein Redshirt bist und somit nicht spielst.«

Damit zuckten ihre Augen zu meinen und die Riley, die ich mittlerweile kannte, kam mit voller Wucht zurück, als sie schnaubte und mich abschüttelte. »Wenn irgendjemand diese Saison auf der Bank sitzt, dann wirst das du mit deinem gewöhnlichen 2.0 Durchschnitt sein.«

Ich ignorierte das Stechen ihres Kommentars, das Gesicht ausdruckslos, als hätte es mich nicht getroffen. »Reg dich nicht auf, nur weil ich dafür gesorgt habe, dass deine Kicks heute besser aussahen, als du es könntest.«

Sie zeigte mir den Finger, aber bevor sie antworten konnte, kam eine zierliche Frau mit großen Rehaugen und verrückt gelockten Haaren auf uns zu und räusperte sich.

»Ähm, sorry, dass ich unterbreche«, quiekte sie und richtete die Brille auf ihrer Nase. »Mein Name ist Giana Jones. Ich bin Praktikantin für die Öffentlichkeitsarbeit im Team.« Sie schien ein paar Zentimeter bei diesen Worten zu wachsen, zog die Schultern nach hinten, und ich konnte nicht anders als eine Augenbraue hochzuziehen.

Giana Jones.

Sie hatte bereits den Namen einer Sportreporterin.

»Ein paar der Medien wollen Interviews mit euch«, sagte sie.

Ihre mausbraunen Augen lagen auf mir und Riley verzog den Mund und schlug mir auf die Schulter. »Hab viel Spaß, Champ.«

»Oh, sie, ähm …«, sagte Giana mit einem sanften Lächeln. »Sie wollen eigentlich euch beide interviewen.«

Ich erwiderte Rileys falsches Lächeln, obwohl ihres nun verschwunden war, als wäre es wie ein Football von einer schwitzigen Handfläche gerutscht. Ich lehnte mich zu ihr, meine Stimme leise in ihrem Ohr. »Genieße es, eine Stunde darüber zu reden, wie schwierig es ist, eine Frau zu sein.«

Ihre Nasenlöcher blähten sich auf, aber sie ignorierte mich und verschwand zum Rand des Feldes, wo die Medien sich versammelten und bereits andere Teammitglieder interviewten.

Gianas Augen weiteten sich und sie blinzelte mich an, bevor sie hinter Riley her joggte und ich ihnen folgte.

»Erinnert euch an euer Medien-Training«, sagte Giana zu uns beiden. »Wir werden mehr Zeit zum Üben haben, sobald das Trainingslager vorbei ist, aber für heute konzentriert euch darauf, freundlich und prägnant zu sein.«

Sie zielte mit diesem Ratschlag mehr auf Riley ab, die Mühe mit ihrem besten Fake-Lächeln hatte, bevor Giana sie zu einer großen, weißen Frau führte, deren Frisur so groß war wie Texas, und die ihr Mikrofon schon bereithielt.

Ich wollte ihr zusehen, wollte die Art bewundern, wie sie mühelos erinnerungswürdige Antworten für jede Frage hervorholte, während sie kunstvoll alles umschiffte, das die Grenze zum Sexismus berührte. Ich hatte das schon oft während der High School beobachtet, aber ich wusste, dass es jetzt umso beeindruckender war, wo die Augen der ganzen Nation auf sie gerichtet waren.

Aber sobald es losging, winkte Giana mich zu sich und ich folgte ihr, während sie mich zu meinem eigenen Reporter brachte.

Ich wünschte, ich wäre so ruhig und gefasst wie Riley oder so ein Angeber wie Kyle – der jede Minute des Rampenlichts neben mir genoss. Aber es war für mich ein Albtraum – Fragen, die zu schnell auf mich zugeschossen kamen, alle Worte so ineinander gewoben, dass sie zu einem komplexen Problem anwuchsen, das ich nicht lösen konnte.

Ich berief mich so oft es ging auf unser Training, sodass ich mich selbst dabei erwischte, wie ich die gleichen Statements immer und immer wieder bei jedem Reporter wiederholte.

Wir sind alle heiß wegen unseres ersten Tags im Trainingslager. Die Energie kribbelt in uns allen.

Ich bin einfach nur aufgeregt, mein Talent zeigen zu dürfen und eine Chance auf einen Platz im Team auf dem Feld zu haben.

Wir haben viele talentierte Leute, es wird ein hartes Trainingslager, aber eine gute Saison, ganz egal, was passiert.

Wir sind bereit zu beweisen, dass wir den nationalen Titel verdienen.

Nein, ich habe nichts zu Riley Novo zu sagen.

Die letzte Antwort war die, die uns am häufigsten im Medien-Training eingebläut worden war, als die Angestellten uns anrieten, jede Frage bezüglich der Frau aus dem Team zu vermeiden, außer wir sprachen über sie als Kicker – und nicht als Frau.

Die meisten Reporter sahen eher enttäuscht als zufrieden aus, als sie nach meinen Interviews gingen, aber das war mir egal – ich war nicht hier, um ihnen eine gute Story zu erzählen.

Ich war hier, um zu spielen.

Und nachdem ich ein paar Kick Returns auf dem Feld für einen Touchdown gelaufen wäre, hätten sie ihre Story.

Sobald Giana mich aus meiner Medien-Hölle befreit hatte, wischte ich mir das Gesicht mit einem Handtuch ab und joggte in Richtung der Cafeteria, um die wenige Zeit, die ich hatte, zu nutzen, etwas in mich hineinzustopfen, bevor wir uns mit dem Special Teams Coach trafen. Aber bevor ich überhaupt bei den Umkleiden ankam, rief Coach Sanders meinen Namen aus seinem Büro.

»Collins«, sagte er, ohne von seinem iPad aufzusehen, auf dem er augenscheinlich die Laufwege prüfte.

Ich blieb ruckartig stehen, drehte mich um wie ein Soldat, der sich zum Dienst meldet. »Coach.«

»Auf ein Wort.«

Das war alles, was er sagte, bevor er in seinem Büro verschwand und die Tür für mich offenließ, sodass ich folgen konnte.

Scheiße.

 

 

 

Riley

 

Es gab nur sehr selten Anlass dafür, wegen etwas Gutem ins Büro des Coachs gerufen zu werden – besonders wenn man bedachte, dass es der erste Tag des Trainingslagers war und es mit Sicherheit nicht genug Zeit gegeben hatte, irgendeine Art von guten Neuigkeiten anzusammeln.

Mein Magen machte einen Salto vor Aufregung bei dem Gedanken daran, was es sein könnte, was er wollte, und der Stress krönte in einer vollausgewachsenen Panikattacke, als Zeke das Büro in dem Moment verließ, als ich an die Tür klopfen wollte.

Sein dunkler Blick verschränkte sich mit meinem, und bis auf seinen leicht zu einer Seite gezogenen Mundwinkel und einer leichten Furche zwischen seinen Brauen, gab er nichts darüber preis, was mich drinnen erwartete. Ich konnte nicht erkennen, ob er mir ein subtiles Zeichen gab, dass ich mir keine Sorgen machen musste, oder ein sehr offensichtliches Zeichen, dass ich besorgt sein sollte.

Egal was es war, ich hatte keine Zeit, es herauszufinden, bevor er an mir vorbeiglitt und Coach Sanders mich hineinwinkte.

»Setzen Sie sich, Novo«, sagte er, ohne von seinem Handy aufzusehen. Er beendete die Nachricht an irgendjemanden, der seine Aufmerksamkeit hatte, bevor er das Gerät auf den Tisch fallen ließ. Dann lehnte er sich zurück, faltete die Hände über dem Bauch, während seine Ellbogen auf den Armlehnen seines Stuhls ruhten.

Coach Sanders war jung für einen leitenden Football Coach an einer D-1-Universität, die eines der höchsten Wettbewerbslevel im College-Sport boten. Mit erst dreiunddreißig Jahren hatte er die Selbstsicherheit und den Stolz eines Mannes, der schon sein ganzes Leben lang professionelle Spieler trainierte. Er war ernst, die Linie zwischen seinen Augenbrauen immer präsent, und er verteilte keine Komplimente als wären es Süßigkeiten, so wie es mein High-School-Coach getan hatte. Ich wusste, dass ich mir das Vertrauen und den Respekt dieses Mannes erst verdienen müsste, aber ich mochte ihn bereits jetzt – einfach nur der Tatsache halber, dass er mir eine Chance gab, obwohl er wusste, was für eine Ablenkung ich für sein Team und die Medien sein könnte.

»Hören Sie zu, keiner von uns beiden hat Zeit, um den heißen Brei herumzureden. Wir müssen essen und zu den Treffen gehen, aber ich muss etwas mit Ihnen besprechen, das nicht warten kann.«

Ich schluckte, als der Coach sich mit einem Seufzen nach vorn lehnte.

»Als wir das erste Mal über Ihre Wohnsituation in den Freshman-Wohnheimen des Teams gesprochen haben, haben wir uns darauf geeinigt, dass Sie Ihr eigenes Zimmer bekommen, anders als die anderen, die es sich mit einem Mitbewohner teilen müssen. Der Wohnheimberater und ich hielten das für die … angemessenste Option.«

Ich nickte.

»Unglücklicherweise«, fuhr er fort und lehnte sich wieder zurück, während er mit einer Hand über sein kurzes, bernsteinfarbenes Haar strich, »wird das nicht mehr möglich sein.«

Mein Herz hämmerte gegen meinen Brustkorb und meine Kehle schnürte sich zu.

Das war’s.

Tag eins und ich bin raus aus dem Team.

»Wir haben ein paar Transferspieler nach der Sommersaison aufgenommen, wie Ihnen wahrscheinlich heute aufgefallen ist. Und obwohl Sie nicht wirklich ein Freshman sind, wollen wir von Ihnen, dass Sie in Ihrem ersten Jahr in den Wohnheimen des Teams wohnen, genau wie alle anderen. Und wegen dieser Entscheidung haben wir kein Platz für Ihr eigenes Zimmer.«

Ich behielt meine Lippen fest aufeinandergepresst, obwohl mein Herzrasen etwas nachließ.

»Mein erster Gedanke war, Sie in einem anderen Wohnheim auf dem Campus unterzubringen, sodass Sie mit einer anderen weiblichen Sportlerin zusammenwohnen können.«

»Nein.«

Das Wort schockierte mich ebenso sehr wie den Coach, als es aus meinem Mund stolperte und ich wurde rot, räusperte mich.

»Sir, wenn ich etwas dazu sagen dürfte, dann würde ich sehr gerne in unserem Wohnheim bleiben.«

»Das verstehe ich, aber –«

»Wir trainieren alle, um professionelle Sportler zu werden und wir meinen es alle ernst. Ich denke nicht, dass es ein Problem wird.«

Der Coach öffnete seinen Mund, aber die Panik brachte mich dazu, ihn mit meinem nächsten Argument zu unterbrechen, bevor er etwas einzuwenden hatte.

»Mrs Pierson hat mich gründlich analysiert und ich schwöre, ich gehe zu ihr, sollte es irgendwelche Probleme geben. Davon abgesehen, werden wir einen Wohnheimberater zugeschrieben bekommen, richtig? Er wird da sein, um ein Auge auf alles zu haben. Wie Sie sich vorstellen können, bin ich bereits isoliert genug und –«

»Ich stimme zu«, sagte er und unterbrach mich damit endlich mit einer Mischung aus einer verärgert gehobenen Augenbraue und einem amüsierten Zucken seines Mundwinkels. »Weshalb Sie, nach einer langen Diskussion mit Mrs Pierson, im Wohnheim des Teams bleiben werden.«

Ich atmete erleichtert auf.

»Aber Sie werden einen Mitbewohner haben.«

»Das ist kein Problem, Coach.«

»Das habe ich ebenfalls angenommen. Unglücklicherweise«, fügte er mit einem Anflug von Enttäuschung hinzu, »hat es sich als ein größeres Problem herausgestellt, als ich angenommen hatte.«

Er musste die Worte nicht aussprechen. Ich wusste, was er meinte.

»Niemand will mit mir zusammenwohnen.«

Ich sprach das Offensichtliche weder mit einem Hauch von Selbstmitleid oder Trauer in meiner Stimme aus noch zeigte ich die Wut, die bei der Erkenntnis, dass Jungs solche … Jungs sein konnten … in meinen Venen sprudelte. Nein, ich sagte die Worte ruhig und besonnen, einfach nur als Fakt.

Der Coach furchte die Brauen und er schüttelte den Kopf, lehnte sich erneut nach vorn mit seinen Ellbogen auf den Tisch. »Sehen Sie, wir beide haben das besprochen, als Sie ihre Bereitschaftserklärung unterzeichnet haben. Das wird nicht einfach werden – nicht für Sie, nicht für mich, für niemanden. Aber Sie haben Talent und darauf werden wir uns konzentrieren. Nicht auf den Lärm, den wir damit verursachen.«

Ich nickte. »Ja, Coach.«

Er lehnte sich wieder zurück, zog sein iPad hervor und strich mit seinem Finger über das Display, um es zu entsperren. »Mir ist es gelungen, einen Spieler zu finden, den es nicht stört, sie als Mitbewohnerin zu haben.« Er machte eine Pause. »Zeke Collins.«

Meine Augen wuchsen auf das Dreifache an, mein Herz galoppierte erneut, als ich den Mund zum Protest öffnete, aber der Coach hielt eine Hand hoch.

---ENDE DER LESEPROBE---