Saving Sebastian - Ein Catharsis Roman - Luna David - E-Book

Saving Sebastian - Ein Catharsis Roman E-Book

Luna David

0,0
7,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Gideon McCade – belastet von den Erinnerungen an sein früheres Leben als Navy SEAL und CIA-Agent – hat Blut an seinen Händen. Um sein normales Leben zu meistern, braucht er einen Ausgleich und den findet er in seinem BDSM-Club Catharsis. Da er weiß, dass seine Vergangenheit zu viel ist, um sie einem Lebenspartner aufzuerlegen, hält er seine Beziehungen kurz und oberflächlich. Als sein früheres Leben ihn wieder einholt, zieht ihn sein Wunsch nach Rache zurück in die Schatten und verdunkelt seine Hoffnungen auf eine Zukunft im Licht. Sebastian Phillips hat seine Karriere als Tätowierer vorübergehend an den Nagel gehängt und arbeitet nun als Phantombildzeichner für die örtliche Polizeibehörde. Um die unausweichliche Last einer angeborenen Krankheit zu lindern, vertieft er sich in seine Kunst und sucht nach der Katharsis der Unterwerfung. Aber da das Leben schwer auf seinen Schultern lastet und die Dunkelheit immer näher rückt, sehnt er sich nach einem Vertrag mit einem Dom, der hinter die schützenden Barrieren blickt, die er errichtet hat. Als der Zufall Gideon und Sebastian zusammenführt, ist ihre Verbindung unbestreitbar. Das Wissen, dass sie beide zu kaputt sind, um dauerhafte Liebesbande zu knüpfen, veranlasst sie, sich auf einen unpersönlichen Vertrag zu verlassen, um ihre körperlichen Bedürfnisse zu erfüllen. Aber es ist unmöglich, sich emotional abzugrenzen, und es scheint die einzige Möglichkeit zu sein, ihren Vertrag zu brechen. Werden Gideons Bedürfnis nach Rache und Sebastians schwindende Gesundheit zerstören, was zwischen ihnen gewachsen ist, oder werden sie einander helfen, ihren Weg zurück ins Licht zu finden?

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Luna David

Saving Sebastian

Ein Catharsis Roman

Custos Securities 3

Impressum:

© dead soft verlag, Mettingen 2023

http://www.deadsoft.de

© the author

Titel der Originalausgabe: Saving Sebastian – A Catharsis Novel (Custos Securities 3)

Übersetzung: Cleo Göttert

Cover: Irene Repp

http://www.daylinart.webnode.com

Bildrechte:

© Pavel – stock.adobe.com

1. Auflage

ISBN 978-3-96089-593-0

ISBN 978-3-96089-594-7

Inhalt:

Gideon McCade – belastet von den Erinnerungen an sein früheres Leben als Navy SEAL und CIA-Agent – hat Blut an seinen Händen.

Um sein normales Leben zu meistern, braucht er einen Ausgleich und den findet er in seinem BDSM-Club Catharsis. Da er weiß, dass seine Vergangenheit zu viel ist, um sie einem Lebenspartner aufzuerlegen, hält er seine Beziehungen kurz und oberflächlich. Als sein früheres Leben ihn wieder einholt, zieht ihn sein Wunsch nach Rache zurück in die Schatten und verdunkelt seine Hoffnungen auf eine Zukunft im Licht.

Sebastian Phillips hat seine Karriere als Tätowierer vorübergehend an den Nagel gehängt und arbeitet nun als Phantombildzeichner für die örtliche Polizeibehörde. Um die unausweichliche Last einer angeborenen Krankheit zu lindern, vertieft er sich in seine Kunst und sucht nach der Katharsis der Unterwerfung. Aber da das Leben schwer auf seinen Schultern lastet und die Dunkelheit immer näher rückt, sehnt er sich nach einem Vertrag mit einem Dom, der hinter die schützenden Barrieren blickt, die er errichtet hat.

Als der Zufall Gideon und Sebastian zusammenführt, ist ihre Verbindung unbestreitbar. Das Wissen, dass sie beide zu kaputt sind, um dauerhafte Liebesbande zu knüpfen, veranlasst sie, sich auf einen unpersönlichen Vertrag zu verlassen, um ihre körperlichen Bedürfnisse zu erfüllen. Aber es ist unmöglich, sich emotional abzugrenzen, und es scheint die einzige Möglichkeit zu sein, ihren Vertrag zu brechen.

Werden Gideons Bedürfnis nach Rache und Sebastians schwindende Gesundheit zerstören, was zwischen ihnen gewachsen ist, oder werden sie einander helfen, ihren Weg zurück ins Licht zu finden?

Kapitel 1

Gideon

Gideons Spezialität war das Knüpfen von Knoten. Er liebte das Gefühl eines Seils in seinen Händen, die endlosen Möglichkeiten, die sich ihm boten, das Vergnügen, das es bereiten konnte, oder die Schmerzen, die er damit zufügen konnte. Die Feinheiten des Bondage hatte er in einem früheren Leben gelernt, das nichts mit seinem jetzigen Leben zu tun hatte. In dieses Leben zurückzukehren, und sei es auch nur für kurze Zeit, fühlte sich seltsam an, als käme er nach Hause, und das war genau der Grund, warum er es ursprünglich verlassen hatte.

Wetwork war nicht das, worauf er sein Leben aufbauen wollte – es hatte Stück für Stück Teile von ihm weggesprengt, bis er überzeugt war, nicht mehr zu wissen, wer er war. Am Anfang war das Blutvergießen das gewesen, was er getan hatte, nicht das, was er war. Irgendwann hatte sich das geändert. Bevor er sich also völlig verlieren konnte, bevor das Adrenalin seiner Arbeit sich in einen tödlichen Endorphinrausch verwandeln konnte, der zur Besessenheit würde, hatte er die Entscheidung getroffen, dieses Leben hinter sich zu lassen. Zumindest hatte er das gedacht.

Er bückte sich und trank etwas Wasser aus dem einfachen Schlauch, den er an das Waschbecken angeschlossen hatte, dann zog er sich seine Fleecejacke über, die er achtlos weggeworfen hatte. Seine Scull Cap und die hauchdünnen Lederhandschuhe, die er Stunden zuvor angezogen hatte, würde er bis zum Ende seiner Arbeit tragen. Nach der anstrengenden Tätigkeit kühlte sein Körper trotz des laufenden Heizkessels wieder aus. Er nahm Platz und bewunderte sein Werk. Als er mit den Fingern über das weiche Leder strich, die Schultern rollen ließ und die Arme ausschüttelte, vergaß er die Schmerzen, die ihm das schwere Heben bereitet hatte.

Vor ihm baumelte ein Mann, den er schon lange für tot gehalten hatte. Er betrachtete seine gefesselte, bewusstlose Beute; sein eigener Körper entspannte sich, während sich ein Strudel von Gedanken in seinem Gehirn festsetzte. Er war auf eine Mission geschickt worden, die möglicherweise nur ein dummer Zufall war. Obwohl er wusste, dass das ein Irrglaube sein könnte, würde er sicher bekommen, was er wollte. Er war halb davon überzeugt, dass es sich um reine Manipulation handelte, einen Köder, um ihn wieder anzulocken. Eines war sicher, die Sache erinnerte ihn fast zu sehr an Twilight Zone, um sie zu glauben.

Um seinem früheren Arbeitgeber einen Gefallen zu tun, hatte er einem letzten Einsatz zugestimmt und es wäre ihm schwergefallen, abzulehnen. Denn der Mann, den er soeben an den Deckenbalken des Kellers aufgehängt hatte, war kein anderer als der Kerl, der vor Jahren für die Ermordung der vertrauenswürdigsten Männer seines SEAL-Teams verantwortlich gewesen war. Derselbe, der angeblich in dem Hinterhalt getötet worden war, in dem auch Gideons Männer gefallen waren. Die Tatsache, dass er – noch – am Leben war und wegen einer ganzen Reihe von Verbrechen gesucht wurde, war für Gideon das Tüpfelchen auf dem i.

Doch damit war der Hohn noch nicht zu Ende. Denn er war nicht nur für den Tod seiner Kameraden verantwortlich, sondern auch für die Folterung und Ermordung von Mason Alexander, einem Spezialisten des Marine-Nachrichtendienstes, in den sich Gideon einst verliebt zu haben geglaubt hatte. Mason war für die Informationen gefoltert worden, die dem Mann, der vor ihm hing, schließlich ermöglicht hatten, seine Männer einfach zu töten wie Fische in einem Fass. Er hatte den Verlust seiner Männer und Untergebenen tief in seinen Knochen gespürt, und obwohl er schließlich erkannt hatte, dass es nicht Liebe war, was er für Mason empfunden hatte, waren Schuld und Scham zwei Gefühle, die er sich nach diesem Tag bereitwillig eingestand, wenn auch nur vor sich selbst.

Wenn man dem Dossier, das man ihm gegeben hatte, Glauben schenken konnte, wovon er nicht überzeugt war, war seine Zielperson auch der Mann, der für eine Reihe abscheulicher Verbrechen an Hunderten von Männern, Frauen und Kindern verantwortlich war. Das war definitiv ein wesentlicher Grund dafür gewesen, den Auftrag anzunehmen.

Die Bilder des Mannes, den er aufspüren sollte, zu sehen, hatte ihm die Tragweite der Information sofort klar gemacht und er wusste genau, warum Boone an seine Tür geklopft hatte. Die Möglichkeit, dass der Mann, dem er einst sein Leben und das seines Teams anvertraut hatte, sich Jahre später als derselbe Mann entpuppen würde, nach dem er gesucht hatte, hatte niemand kommen sehen – auch er selbst nicht.

In der Tat war er wütend gewesen, als er auf Geheiß seines jüngeren Bruders Zavier bei Custos Securities auf seinen ehemaligen CIA-Betreuer Boone Davies gestoßen war. Er hatte der CIA und allem, was mit diesem Leben zu tun hatte, vor über fünf Jahren eine klare Absage erteilt. Boone war nicht willkommen. Seine Manipulation von Custos, insbesondere seines Bruders, war ein Schritt zu weit, den er nicht unwidersprochen hinnehmen wollte.

Der Anruf, den er von seinem Bruder erhalten hatte, war kryptisch gewesen, aber er erkannte an dem übertrieben ruhigen Tonfall seines Bruders, dass Zavier weder über den Anruf noch darüber, ihn zu bitten, einen Job für Custos zu übernehmen, erfreut war. Der Gebrauch des Gälischen, einer Sprache, die sie von beiden Großelternpaaren in ihrer Kindheit gelernt hatten und die nur selten außerhalb ihres Hauses gesprochen wurde, hatte ihn zumindest auf einen ungebetenen Besucher vorbereitet. Die alte Redewendung von Zavier über einen ungebetenen Gast, der unaufgefordert kommt, hatte er leise ausgesprochen, bevor Zavier das Gespräch beendete.

Er hatte sich auf jemanden vorbereitet, den er nicht sehen wollte, aber er hätte nie gedacht, dass Boone der Mann sein könnte, der ihm präsentiert werden würde. Ihn zu sehen, hatte Gideon aus dem Gleichgewicht gebracht, aber er hatte seine Gesichtszüge gestrafft und seinen Unmut durchscheinen lassen, als er den Mann anstarrte, den er seit mehr als einem halben Jahrzehnt nicht gesehen hatte. Als Reaktion auf Gideons strengen Gesichtsausdruck hatte sich Boones Brust gehoben, als er einatmete. Er schlug die Augen nieder und richtete sie sofort auf den Boden, aber Gideon ließ sich von dem symbolischen Akt der Unterwerfung nicht besänftigen. Gideon wollte gerade seinen Unmut äußern, als er seinen Blick auf den riesigen Flachbildfernseher richtete, der in Zaviers Büro an der Wand befestigt war.

Seine Augen hatten sich verengt, als er den Mann erblickte, den er als Alan Lewis kannte, und er hatte minutenlang auf mehrere Bilder gestarrt. Derselbe Mann, der seine Teamkollegen umgebracht hatte, bevor er in ein Gebäude gelaufen war, das kurz darauf in Schutt und Asche explodierte und Alan mit sich riss, zumindest hatte er das gedacht. Zavier war aufgestanden und um seinen Schreibtisch herumgegangen, um neben ihm Platz zu nehmen und der CIA eine einheitliche Front zu zeigen, aber das war nicht nötig gewesen. In dem Moment, in dem er die Bilder gesehen hatte, hatte er sich mental darauf eingelassen, was auch immer sie von ihm verlangen würden.

Er holte sich selbst in die Gegenwart zurück und wusste, dass er seinen Verstand brauchte, um das zu tun, was zu tun war. Er atmete ein und aus, zwang sein Herz, seinen hektischen Rhythmus zu verlangsamen, und seinen Geist, ihn von jahrelangen Gewissensbissen und Bedauern zu befreien. In diesem Moment der Verwundbarkeit entglitt ihm die strenge Kontrolle, die er stets über seine Gesichtszüge ausübte, und etwas von der knochentiefen geistigen und körperlichen Erschöpfung trat zutage. Als die Minuten langsam verstrichen, kehrte Gideons Gelassenheit zurück, die Lücke in seiner Rüstung wurde geschlossen und seine Emotionen versteckten sich dort, wo nichts und niemand sie erreichen konnte. Er lehnte sich fast träge in dem unnachgiebigen Holzstuhl zurück, beobachtete und wartete darauf, dass Alan erwachte.

Zuerst sah er es an der Dehnung der Nackenmuskeln, dem langsamen Zusammen- und Auseinanderziehen der Finger und schließlich an der Anstrengung, seine Wirbelsäule aufzurichten. Er hörte es an der zunehmenden Frequenz seines Atems und dem Ziehen der Seile unter seinem Gewicht. Gideon wusste, dass die Verwirrung die Benommenheit durch das Beruhigungsmittel verdrängte. Schon bald würden die schwachen Bewegungen des Mannes zu einem ausgewachsenen Kampf werden, um sich von den Fesseln zu befreien.

Alans Fesseln hatte er für eine hohe Belastbarkeit vorbereitet, da er nicht wusste, wie lange es dauern würde, die benötigten Informationen zu erhalten, aber ihm war klar, dass er sich auf eine lange Sitzung einstellen musste. Gideon hatte ihn vollständig bekleidet an seinen Unterschenkeln und Knöcheln an den Balken darüber aufgehängt. Seine Arme hatte er mit einer Reihe von Knoten und Schlingen am selben Balken befestigt, er ähnelte einem Faultier, das an einem Ast hing.

Während Alans Körper sein Bestes tat, um sich von der Wirkung des Sedativums zu befreien, schwieg Gideon; das einzige Geräusch in dem riesigen, feuchten Keller kam von dem alten Heizkessel in der hinteren Ecke des Raumes. Er sah den Moment, in dem Alans Bewusstsein zurückkehrte. Der Mann erstarrte in seinen Fesseln und neigte den Kopf ein wenig, um mit seinen Sinnen zu versuchen, herauszufinden, was passiert war und wo er sich befand.

Gideon ließ ihn weiter in dem Glauben, er wäre allein, und beobachtete, wie der Mann seinen Kopf an einem seiner erhobenen Arme rieb und sein Bestes tat, um die Augenbinde zu lösen, die Gideon ihm angelegt hatte. Er beobachtete weiter, wie Alan mit ihr kämpfte, sie schien ihn zu frustrieren, und er begann, seinen Kiefer und seine Lippen zu bewegen, um zu versuchen, den Knebel auszuspucken. Als auch das nicht klappte, begann er heftig in seinen Fesseln zu zappeln, um deren Stärke zu testen. Schließlich gab er auf, seufzte und schien in sich zusammenzusinken, erschöpft von seinen Bemühungen, sein ganzer Körper hob sich, als er nach Luft schnappte.

Gideon scharrte mit seinem Stiefel auf dem Boden, denn er wusste, dass der psychologische Aspekt dessen, was kommen würde, genauso qualvoll sein würde wie der physische, und er schwelgte darin. Alan verstummte und stöhnte dann, während er herumstrampelte. Als Gideon zehn Minuten später endlich aufstand, tat er dies geräuschvoll und holte eine schwere Schere vom Tisch. Langsam brachte er den Stuhl neben Alan, schob ihn laut über den Boden und stellte sich dann darauf – allerdings nicht so nah, dass er Gefahr lief, von dem sich wehrenden Mann umgestoßen zu werden.

Er packte Alans Hosenbein und schnitt es mit der Schere an der Seite auf, sodass die komplizierten Knoten sichtbar wurden, die er für die Aufhängung verwendet hatte. Das Seil war eng um seine Beine geschlungen, seine Haut war rot und zornig unter den unnachgiebigen Jutefasern. Die Verschnürung begann an seinen Fersen über seinen eng anliegenden ledernen Kampfstiefeln, setzte sich spinnennetzartig über seine Unterschenkel fort und endete kurz vor seinen Knien.

Gideon behielt seinen Griff bei, als die Bewegungen des Mannes immer verzweifelter wurden. Mit Leichtigkeit schlitzte er Slip und Ledergürtel auf, dann tat er dasselbe mit dem anderen Bein und entblößte Alans Unterkörper in der feuchten Kälte des Kellers. Er schnitt das Hemd von den Rippen abwärts auf und ließ den Stoff über der Brust, den Armen und dem Rücken zurück, wo sich die Seile eingruben, die das Hemd an seinem Platz hielten. Alan blieb in den zerfetzten Überresten seiner Kleidung, seinen Kampfstiefeln und den Seilen, die ihn weit über dem Boden hielten, hängen.

Gideon trat zurück, legte den Kopf schief und beobachtete sein Opfer genau. Seine Stimme war zwar leise, klang aber laut in dem großen Raum. „Kalt hier drinnen, was?“

Alan stieß ein wütendes Knurren aus und verdoppelte seine Anstrengungen zu entkommen.

Gideon näherte sich erneut, fasste ihn direkt unter dem Kinn und neigte seinen Kopf nach unten. Alan verkrampfte sich und zappelte in seinen Fesseln wie ein Fisch auf dem Trockenen. „Uh. Halt still, damit ich nichts Lebenswichtiges abschneide.“

Geduldig wartete Gideon, während Alan langsam und außer Atem zur Ruhe kam. „Viel besser. Jetzt werde ich dir den Knebel abnehmen, damit wir uns in Ruhe unterhalten können. Mach dir keine Hoffnungen, dass dich jemand sieht oder hört. Wir sind weit weg von neugierigen Augen und Ohren.“

Mit einer Hand hielt Gideon immer noch Alans Kopf am Kinn, mit der anderen griff er nach oben, öffnete die Schere und schob die untere Klinge ganz langsam gegen Alans Wange unter den provisorischen Knebel aus Klebeband und Stoff und schnitt ihn durch. Behutsam zog er das Klebeband zwischen Alans Zähnen hervor, hielt es fest und verharrte mehrere lange Sekunden.

Er wurde belohnt, als Alan wütend knurrte: „Wer zum Teufel …“, was Gideon dazu veranlasste, kräftig an dem Wulst aus Klebeband und Stoff zu reißen, was Alan einen schmerzhaften Aufschrei entlockte. In Gideons Hand befanden sich die zerrissenen Überreste des Knebels, an denen nun auch einige Haare und wenn er sich nicht irrte, ein Stückchen Haut klebte.

In aller Ruhe schritt er durch den Raum zum Tisch, legte den Knebel ab und machte sich auf den Weg zurück. Schweigend stand er da und wartete auf das Unvermeidliche. Alan neigte seinen Kopf in Gideons Richtung. „Sie wissen nicht, mit wem Sie es zu tun haben! Ich bin ein sehr mächtiger Mann. Man wird mich vermissen. Meine Männer werden nach mir suchen.“

Gideon grinste. „Ich beobachte dich seit zwei Monaten. Zuerst fand ich es seltsam, dass du keine Verstärkung hattest, bis mir klar wurde, was du da tatest. Du hast hier keinen Schutz, da du hier nicht geschäftlich tätig bist. Bei deinen Erkundungstouren brauchst du keine Sicherheitskräfte, schon gar nicht in deiner eigenen Stadt; ganz zu schweigen davon, dass dies die Einheimischen verschrecken würde. Es gibt also niemanden, der dich verteidigen könnte. Du hast nicht einmal ein Mobiltelefon bei dir. Ich habe meine Hausaufgaben gemacht.“

Alans Atem stockte, und er schüttelte nachdrücklich den Kopf. „Ich melde mich regelmäßig. I-“

Gideon unterbrach ihn: „Du führst einen Anruf pro Woche von einem öffentlichen Telefon aus, das letzte Mal heute Abend vom Parkplatz des Marktes. Wenn du vermisst wirst, dann frühestens nächste Woche. Wir haben noch viel Zeit.“

Alan knurrte und zerrte erneut an seinen Fesseln. „Was zum Teufelwillst du von mir? Lass mich runter!“

Gideon grätschte auf den Stuhl, verschränkte die Arme auf der Lehne und sah zu dem sich wehrenden Mann auf. „Alan … Stört es dich, wenn ich dich Alan nenne? Ich weiß, dass du diesen Namen nicht mehr trägst, aber es ist der Name, mit dem ich dich in Erinnerung habe, also dachte ich mir, dass ich dich auch so nennen könnte.“

Alan war bei dieser Neuigkeit verstummt und stieß dann einen rauen Atemzug und einen gemurmelten Fluch aus. „Mein Gott, wer bist du?“

„Komm schon. Ich denke, das ist die Frage, die ich dir stellen sollte, meinst du nicht?“

„Hör zu, was immer du auch vor hast, für wen du mich auch hältst, wir können uns einigen! Es gibt keinen Grund, auf Einschüchterung zu setzen.“

„Ist es das, was du denkst, was es ist?“ Gideon schüttelte den Kopf und lachte, aber es war kein Humor darin. „Nein, das … das ist viel ernster als das, fürchte ich.“

„Hör zu, wir können …“

„Alan, es ist jetzt nicht an der Zeit zu reden, sondern zuzuhören“.

„Verdammter Feigling!“

Gideons einzige Reaktion war eine hochgezogene Augenbraue, von der er wusste, dass Alan sie nicht sehen konnte. Als er sprach, war sein Tonfall gelangweilt. „Wie bitte?“

„Du hältst dich für so stark, mich zu fesseln? Mich an der Decke aufzuhängen? Hol mich runter! Zeig dich! Du kennst mich offensichtlich, also zeig mir dein verdammtes Gesicht!“

Gideon stand auf, nahm die Schere wieder in die Hand und ging auf ihn zu. Als er dieses Mal Alans Kinn packte und seinen Kopf nach unten zog, bewegte sich der Mann nicht. Er schob die untere Klinge der Schere unter das Klebeband und den Stoff, der seine Augen bedeckte, und durchtrennte beides mühelos. Ohne Zeit zu verschwende, riss er die Augenbinde auf die gleiche Weise ab, wie er es mit dem Knebel getan hatte. Die wütenden, schmerzhaften Schreie ignorierte er, drehte sich um und legte die Reste der Augenbinde neben die Fetzen des Knebels.

Er drehte sich um und vergewisserte sich, dass Alan ihn genau ansah. Als er registrierte, wie die Farbe aus dem Gesicht des Mannes wich, glaubte Gideon, dass die Erkenntnis gekommen war und damit auch die Realität dessen, was kommen würde. Gideon nahm das Dossier in die Hand, das man ihm gegeben hatte, drehte den Stuhl um und setzte sich, um sich Zeit zu lassen.

„Also schauen wir mal.“ Gideon öffnete die Akte und blätterte sie fast beiläufig durch. Als er fand, was er suchte, zog er einige grausige Fotos von mehreren Opfern heraus. „Warum sparen wir es uns nicht einfach, um den heißen Brei herumzureden, und ich zeige dir genau, warum ich hier bin. Abgesehen von der Tatsache, dass du meine Männer getötet hast.“

Er hielt ein Hochglanzfoto vom gebrochenen Körper eines kleinen Mädchens hoch. „Das ist Elira, ein kleines neunjähriges kosovarisches Mädchen, das vor etwa einem Jahr ihrer Familie entrissen und in ein Menschenhandelssyndikat eingeschleust wurde, das dir bestens bekannt ist. Sie wurde gekauft, in die sexuelle Sklaverei gezwungen, ihr Körper gebrandmarkt und benutzt, bis er nicht mehr standhalten konnte. Sie wurde tot und kaum wiederzuerkennen nach brutalen Schlägen in einer Gasse in der Innenstadt von Dubrovnik, Kroatien gefunden.“

Gideon fuhr fort und las die Informationen auf der Rückseite jedes Bildes, die die grausige Hintergrundgeschichte jedes Opfers in der Akte wiedergaben, wobei jedes dasselbe einzigartige Brandzeichen trug, das sie alle miteinander verband. Als er fertig war, stand er auf, legte die Mappe beiseite und nahm die Schere wieder in die Hand. Zu diesem Zeitpunkt wusste er, dass Alans Körper schmerzte; über einen längeren Zeitraum gefesselt zu sein, war nicht leicht für Muskeln und Gelenke.

Obwohl der Mann schwieg, färbte sich seine Haut grün, nachdem er die Fotos der verstümmelten Leichen gesehen hatte. Gideon sah die Anspannung, die nun spürbare Angst, die ihn am ganzen Körper erschütterte. Er fragte sich unwillkürlich, ob es den Mann auch nur einen Deut interessierte, dass die Menschen, bei deren Entführung er geholfen hatte, viel Schlimmeres durchgemacht hatten.

Er näherte sich Alan, schob die Schere unter den Hals des verbliebenen Hemdes und begann zu schneiden. Als er das Seil zwischen seinen Schulterblättern erreichte, schnitt er die Fesseln leicht durch und ignorierte die ruckartigen Bewegungen des Mannes.

Er trat schnell beiseite und sah zu, wie das eng geflochtene Knotengeflecht, das er über die gesamte Länge von Alans Armen gelegt hatte, seinen Halt verlor, als sein Gewicht seinen Körper davon wegzog. Der nun völlig nackte Mann baumelte von der Decke, schwankte wie ein Pendel an seinen gefesselten Beinen. Alan schrie schließlich auf. Gideon näherte sich erneut, packte einen Arm und zwang ihn hinter Alans Rücken, dann packte er den anderen. Er legte ihm ein Paar Handschellen um die Handgelenke und ging weg.

„Was willst du? WAS ZUM TEUFEL WILLST DU? Du brauchst das nicht zu tun. Wir können uns doch irgendwie einigen. Ich habe eine Menge Geld. Ich kenne mächtige Leute. Was immer du willst, ich kann es möglich machen. Es gibt keinen Grund, warum du das durchziehen musst.“

Gideon ignorierte ihn und ging zum Waschbecken, wo er den kalten Wasserhahn aufdrehte und den Schlauch, den er angeschlossen hatte, auffüllte. Er nahm die Sprühdüse und näherte sich dem Mann, der immer noch mit ihm sprach, immer noch bettelte, aber die Worte durchbrachen seine Konzentration nicht. Er schaltete auf den Sprühstrahl um und ließ einen harten Strahl eisigen Wassers auf den Körper des Mannes prasseln, der von den Dachsparren baumelte. Das Betteln ging weiter, als er näher kam und den Sprühhebel mit festem Griff gedrückt hielt.

Alan zitterte vor Kälte und stöhnte. Seine gebrochenen Worte wurden laut, als das Wasser aufgehört hatte. „Was willst du? Was wollt ihr? Was willst du?“

Er stellte immer wieder dieselbe Frage, bis Gideon sich bückte und dem Mann in die Augen sah. „Warum unterhalten wir uns nicht über den Inhalt der Aktentasche, die du seit zwei Monaten mit dir herumträgst, und machen von da aus weiter?“

Alans Augen weiteten sich, und er schüttelte fast frenetisch den Kopf. „Nein. Nein. Nein. Nein. Das ist nicht … Das kann ich nicht geben. Es ist nicht meins.“

Alan schüttelte weiterhin den Kopf und murmelte, der Fall sei nicht seiner. Gideon hob die Düse erneut an und durchnässte den Mann mit einem weiteren eisigen Sprühstoß. Während Alan zitterte, mit den Zähnen klapperte und immer noch versuchte, über den Aktenkoffer zu streiten, ging Gideon in die hinterste Ecke des Kellers zu dem alten Heizungsraum und stieß die Tür auf, drückte den Griff der riesigen alte Maschine herunter und zog vorsichtig die kleine, schwere Metalltür auf. Die Flammen brachten ihn sofort ins Schwitzen.

Er hob das Brecheisen auf und hielt ein Ende direkt in die Flammen, ging zurück zu dem baumelnden Mann, um ihn herum und hielt ihm das brennende Brecheisen nahe ans Gesicht, um ihm zu zeigen, was er vorhatte. Alan entleerte seine Blase und begann, in seinen Fesseln zu zucken, zu schreien und zu betteln. Gideon schnitt eine Grimasse angesichts des Gestanks der Pisse des Mannes und war dankbar, dass er nicht davon getroffen worden war.

Da Alans unverständlichen Lauten keine brauchbaren Informationen zu entnehmen waren, hob Gideon das Brecheisen an, schob es zwischen die Oberschenkel des Mannes und hielt es dort fest, während Alan sein Bestes tat, um ruhig zu bleiben, während er weiter stöhnte und bettelte. Der wahrhaft verdrehte Teil von Gideon beschwor ein Bild von dem Kinderspiel Operation herauf. Er berührte mit dem glühenden Metall die Innenseite der Oberschenkel seines gefesselten Opfers, und das Schreien begann.

Nachdem er sicher war, dass ein ziemlich großes Brandzeichen zurückbleiben würde, ging er in die Hocke und flüsterte: „Ich denke, ich werde dir an jeder Stelle, an der eines der Opfer eines hatte, ein Brandzeichen geben. Was denkst du? Die kleine Elira hatte eines an ihrem Becken, nicht wahr? Eine Frage: Bist du derjenige, der sie brandmarkt, bevor er sie an das Syndikat schickt, damit sie wie Vieh verkauft werden?“

Zu diesem Zeitpunkt war Alan ein heulendes Wrack, und das Brecheisen musste wieder aufgeheizt werden. Gideon ging zurück zum Kessel, ließ sich viel Zeit und pfiff, während er arbeitete. Als er zu Alans Vorderseite kam, ignorierte er dessen Flehen und hielt ihm die glühende Stange an das Becken. „Wo ist der Inhalt des Koffers, Alan. Wenn du mir das gibst, hört alles auf.“

Gideon beschloss, nicht zu warten, hob die Stange an und führte sie an seinen Hals unterhalb seines Ohrs, und die gewünschte Antwort kam endlich, als Alan vor dem brennenden Metall zurückwich. „Okay, okay! Nicht mehr, bitte! BITTE! „

„Wo ist er? Ich weiß, dass du den Koffer geleert hast, wo hast du den Inhalt versteckt?“

„Es ist unter meiner Matratze!“

Gideon schüttelte mahnend den Kopf und tadelte ihn, während er wieder zum Kessel ging. Mit der heißen Stange ging er zurück zu Alan, wobei er die Stange über den Boden schleifte, drückte das frisch erhitzte Metall gegen Alans linke Brustwarze und schrie so laut, dass er Alans Schmerzensschreie übertönte. „Versuchen wir das noch einmal, ja? Vergiss nicht, dass du hier hängen bleibst, bis ich mit dem Inhalt zurückkomme. Wenn du Glück hast, dauert die Reise zurück in deine Wohnung nicht so lange, dass deine Hüfte oder dein Knie aus den Gelenken springen. Der Schmerz durch das Blut in deinem Kopf wird zwar beträchtlich sein, aber ich weiß aus zuverlässiger Quelle, dass er erst in vielen, vielen Stunden zum Tod führen wird.“

Alan murmelte etwas zwischen den Schreien. Gideon senkte die Stange und rückte näher. „Und noch mal.“

„Staubsauger“.

„Was ist damit?“

Das Geschrei ging weiter, und Gideon hob erneut die Stange, was Alan zum Stottern brachte. „Im … Im … Im Staubsaugerbeutel.“

Gideon stieß ein humorloses Lachen aus und kniff die Augen zusammen. „Ein ziemlich effektives Versteck, du solltest hoffen, dass du mich nicht anlügst.“

Alan stöhnte: „Bitte lass mich runter … Bitte.“

Gideon ging in die Hocke auf Alans Augenhöhe und rieb mit seinem Daumen kräftig über das frische Brandzeichen auf Alans Brust. Der Mann stöhnte gequält auf. „Nutze diese Zeit, um dir vorzustellen, was ich dir noch alles antun könnte. Oder noch besser: Denk an die Qualen, die alle deine Opfer im Laufe der Jahre erlitten haben, und welche Ideen ich vielleicht schon beim Anblick der Fotos ihrer toten und verstümmelten Körper bekommen habe.“

Alan jammerte weiter, als Gideon aufstand. Er ging auf die Tür zur Treppe zu und lehnte das Brecheisen an die Wand. Als er die Treppe hinaufging, rief er Alan zu. „Ich bin gleich wieder da. Irgendwann.“

Kapitel 2

Sebastian

Mit Sonnenbrille und hochgezogenem Kapuzenpulli schlüpfte Sebastian Phillips in das Lyft-Auto und bedankte sich leise bei dem Fahrer, der ihn mitgenommen hatte. Er schnallte sich an und griff in seine Hemdtasche, um die Dosis Valium und Vicodin herauszuholen, und spülte sie mit einem Schluck aus seiner Wasserflasche hinunter. Er schob seine Stöpsel in die Ohren und wählte mit dem Daumen den Spotify-Mix, den er vor langer Zeit für Tage wie diesen zusammengestellt hatte.

Sein Fuß wippte im Rhythmus des ersten Liedes mehr aus Nervosität als aus dem Wunsch, an der Musik teilzuhaben. Egal, wie oft er seine Arzttermine wahrnahm, er konnte die Anspannung nicht abschütteln, die sie mit sich brachten. Seine Hände zitterten ein wenig, als er seine verschwitzten Handflächen auf seinen Knien hin und her rieb.

Ohne großes Aufsehen setzte der Fahrer ihn vor dem Gebäude ab, in dem sich die Praxis seines Arztes befand. Damit er genügend Zeit hatte, zu warten und die Medikamente vor seiner Behandlung wirken zu lassen, kam er immer zu früh. Er reagierte sehr empfindlich auf die Medikamente, und die Kombination von ihnen sorgte dafür, dass er so entspannt war, wie es ihm möglich war, ohne völlig ausgeknockt zu sein.

Als er sich der Rezeption näherte, lächelte er und beobachtete Suda, die Empfangsdame. Sie war eine winzig kleine Giftspritze, die immer angeregt mit ihren Händen sprach. Als sie ihn sah, beendete sie das Gespräch und nahm ihr Headset ab.

„Hallo, Suda.“

Sie grinste. „Sebastian, du hübscher Junge. Komm, lass mich dich einchecken.“

Er übergab seine EC-Karte, um seine Zuzahlung zu begleichen, und nahm im Wartezimmer Platz. Suda kam einige Minuten später heraus, um ihm einen Eisroller zu bringen und ihm Glück zu wünschen. Er fummelte am Griff des gefrorenen Apparats herum, der einem Mini-Farbroller ähnelte, rollte damit über die Haut, um sie mit Eis vor der Behandlung zu betäuben und danach die Schwellung zu behandeln.

Auch sein Gesicht und seinen Hals kühlte er, während er geistesabwesend durch die Kommentare der Leute auf seinem Instagram-Account blätterte. Knapp zwanzig Minuten später riefen sie ihn in einen der Behandlungsräume, wo die Maschine bereits summte und seine Hände wieder vor Nervosität zu schwitzen begannen.

Die Stöpsel in den Ohren und die Musik auf voller Lautstärke, um den Lärm zu übertönen, vereiste er weiter seine Haut und wartete. Zehn Minuten später kam Dr. Perez mit ein paar Praktikanten zur Tür herein. Sie begrüßte ihn und stellte sie ihm vor, aber er konnte sich die Namen nicht merken und war so aufgeregt, dass er sie fast sofort vergaß.

Die Tatsache, dass er überhaupt in einem Krankenhaus war, machte ihn extrem nervös. Auch wenn er sich technisch gesehen nicht auf dem Krankenhausgelände, sondern in einer Außenstelle befand, hasste er dennoch jede Sekunde davon. Die leichte Übelkeit, die er derzeit verspürte, hatte in dem Moment eingesetzt, als er aus dem Auto gestiegen war, und würde anhalten, bis er wieder draußen war. Seit er klein war und immer wieder zu verschiedenen Behandlungen in ein Krankenhaus gebracht worden war, hatte er gelernt, Krankenhäuser zu hassen und zu fürchten.

Dr. Perez war knapp zwei Meter groß und damit einige Zentimeter größer als er und wunderschön. Ihre dunklen Locken schlängelten sich ihren Rücken hinunter bis zur Taille, aber das Beste von allem war, dass sie einen wunderbaren Umgang mit Patienten hatte. Während es immer so aussah, als würden die Assistenzärzte ihn anglotzen, war sie immer freundlich und zuvorkommend, was bei ihm gut ankam. Sie war hochschwanger und legte ihre Hand auf ihren unteren Rücken und streckte sich.

Sie lächelte über seine hochgezogenen Augenbrauen. „Ich war vor drei Tagen fällig.“ Als er zusammenzuckte, warf sie die Hände hoch. „Stimmt’s? Also habe ich mir gedacht, ich könnte genauso gut weiterarbeiten, denn vielleicht ist das der Auslöser für seinen großen Auftritt.“

Er gluckste. „Viel Glück und herzlichen Glückwunsch.“

Sie lächelte und tätschelte die Hand, die er auf der Armlehne hatte. „Danke.“ Auf ihrem iPad öffnete sie seine Akte und sah ihn kritisch an. „Also, ich sehe eine gewisse Verbesserung. Würden Sie dem zustimmen?“

Er zuckte unverbindlich mit den Schultern. „Ich sehe mich jeden Tag. Ich habe keine Ahnung.“

Sie nahm den Spiegel vom Rollcontainer in der Nähe, neigte das iPad zu ihm und drehte den Bildschirm um, damit er die Bilder sehen konnte, die sie vor der letzten Behandlung gemacht hatte, und hielt dann den Spiegel hoch. Er vermutete, dass man einen Unterschied erkennen konnte, wenn man genau hinsah, aber auch hier zuckte er mit den Schultern. Sie schenkte ihm ein geduldiges Lächeln und warnte ihn, dass sie die Intensität der Behandlung erhöhen würden.

Er ballte seine zitternden Hände zu Fäusten, nickte aber, als sie aufstand und sich mit den Praktikanten unterhielt und fuhr fort, den Roller zu benutzen, bis sie ihn bat, sein Hemd auszuziehen. Als er seinen Kapuzenpulli und sein Shirt ausgezogen und beides auf dem Schoß zusammengerollt hatte, nahm sie die Walze und legte sie auf das Tablett.

Als sie sich ihm wieder näherte, konnte er sehen, dass sie eine Hand an ihrer Seite versteckt hielt. Er sah zu ihr auf, und als sie Blickkontakt aufnahmen, lächelte sie verständnisvoll. „Bist du bereit?“

Nein. Er nickte. „Ja.“

Er schloss die Augen, und sie injizierte Lidocain in sein Gesichtsgewebe, um es zu betäuben. Sie gab ihm drei Spritzen in sein Gesicht und zwei in den Mund, um den Bereich oberhalb seiner Lippe zu betäuben. Dr. Perez rieb die Bereiche ein, um das Medikament zu verteilen, und er entspannte sich ein wenig, da er wusste, dass dieser Teil vorbei war. Die Assistenzärztin bereitete den Augenschutz vor, und er setzte seine Ohrstöpsel wieder ein und drehte die Musik auf.

Sie klappte den Sitz hoch und die Rückenlehne zurück. Er schloss die Augen und tat sein Bestes, um es zu ignorieren, als die andere Assistenzärztin sein Augenlid anhob und einen der Schilde direkt auf sein Auge schob, wobei sie sowohl das untere als auch das obere Augenlid darüber zog, um sie zu fixieren. Sein anderes Auge bedeckte sie mit Mull.

Sebastian machte seine tiefen Atemübungen und tat sein Bestes, um sein rasendes Herz zu beruhigen. Trotz der Medikamente in seinem Körper war seine Anspannung unvermeidlich. Er zuckte zusammen, als die Ärztin mit dem Laser einen kalten Luftstoß ausstieß. Die Stimme wurde von seiner Musik gedämpft, und er stellte sich vor, dass sie sich dafür entschuldigte, ihn erschreckt zu haben, aber er nahm seine Kopfhörer nicht heraus, um es herauszufinden.

Als sie ihm ein zweites Mal auf die Schulter klopfte, wusste er genau, dass er sich auf den Ansturm vorbereiten musste. Er umklammerte sein Hemd mit der Hand wie einen Stressball. Egal, wie oft er die Behandlungen gemacht hatte, bei den ersten zehn Impulsen des Lasers reagierte sein ganzer Körper, jeder war wie ein Gummiband, das auf seine Haut schnalzte. Danach war er in der Lage, sich auf die Behandlung einzustellen und nicht mehr in seinem Sitz zu zucken.

Da sie fast jede Sekunde einen Impuls erhielt, konnte sie relativ schnell eine ganze Menge von jedem Bereich bearbeiten. Unweigerlich brauchte er nach etwa hundert Impulsen eine Pause. Zu diesem Zeitpunkt mussten die Tiefe und die Stärke des Geräts ohnehin geändert werden, und die Ärztin ging zu seinem Hals und später zu seiner Schulter und Brust über.

Zwischen den Behandlungsbereichen gingen Dr. Perez und ihre Lakaien normalerweise hinaus, um einen anderen Patienten zu behandeln, und kamen dann zurück. Üblicherweise war er ein paar Stunden dort, um sich nicht noch öfter mit separaten Terminen für jeden Behandlungsbereich abfinden zu müssen. Er wollte gar nicht daran denken, dass er noch länger dort sein musste, also hielt er es aus und machte die ganze Behandlung in einem Durchgang.

Als er endlich fertig war, setzte die Erschöpfung ein, wie immer nach einer Behandlung. Er bekam ein paar Eispackungen und war auf dem Weg nach Hause, damit er sich richtig ausschlafen konnte. Als er vor seinem Haus aus dem Lyft stieg, waren seine Bewegungen lethargisch. Die Sonnenbrille aufgesetzt und den Kapuzenpulli wieder hochgezogen, machte er sich langsam auf den Weg zu seiner Haustür. Als er eintrat, zog er sich von der Taille aufwärts aus und ging in die Küche, um frische Eisbeutel und Paracetamol zu holen. Seine Energie war fast aufgebraucht, und er wollte sich hinlegen.

Kapitel 3

Gideon

Gideon verließ das alte Produktions- und Vertriebszentrum für Autoreifen am Rande von Timisoara, der Stadt in Rumänien, in der Alan derzeit wohnte. An Alans Haus stieg er aus, um das Tor zu öffnen, fuhr hindurch, schloss es hinter sich und parkte vor dem einstöckigen Gebäude.

Alans Auto war fast zehn Jahre alt, sein Haus wirkte äußerlich genauso heruntergekommen wie die Häuser in der Nähe, und als er eintrat, sah Gideon, dass er nur sehr wenig an technischem Fortschritt besaß. Die Tatsache, dass der Mann kein Handy besaß, war nur ein weiterer Punkt auf der Liste der erstaunlichen Dinge, die der Mann an den Tag legte. Er begann, das kleine Haus zu durchsuchen, und fand den Staubsauger in einem winzigen Schrank direkt neben der Küche.

Es war ein älteres Modell, also kniete er sich hin und klappte den oberen Teil des Gehäuses hoch, wo sich der Beutel befand, der mit einem runden Gummistutzen am Filtergehäuse befestigt war, und hob ihn an.

Als er den Stecker abzog und den Vakuumbeutel heraushob, drehte er ihn um und entdeckte einen Schnitt auf der Rückseite am oberen Ende. Er schob seine Hand hinein und war überrascht, dass er eine Art Griff ertastete. Was auch immer er ergriffen hatte, zog er heraus, war aber nicht auf den Gegenstand vorbereitet, den er in seiner Hand hielt.

Er ließ sich auf seinen Hintern fallen und starrte auf das kleine Brandeisen in seiner Hand. Es passte zu den Brandzeichen, die er auf den Körpern der Opfer gesehen hatte. Er ließ es fallen, als hätte er sich verbrannt, und sein Magen drehte sich um, als er einen kleinen Schneidbrenner herauszog. Wütend ließ er ihn neben das Eisen fallen, schob seine Hand zurück in den Beutel und holte drei volle Manila-Umschläge heraus, auf deren Vorderseite mit dickem, schwarzem Filzstift die Zahl 13 geschrieben stand, und schließlich vier schwarze Plastikfilmdosen.

Bevor er den Deckel schloss, setzte er den Beutel wieder ein, befestigte den Gummistutzen ordnungsgemäß und stellte den Staubsauger wieder an seinen Platz. Er stand auf, ging in den dunklen Raum und schaltete das Licht ein, das den Raum in ein rotes Licht tauchte und begann, den Raum und das gesamte Fotomaterial gründlicher zu durchsuchen als am Anfang und sammelte etwa zehn weitere Filmdosen ein.

Bevor er das Haus verließ, packte er alles in eine kleine Einkaufstasche. Mit der Rückfahrt zum Vertriebszentrum ließ er sich Zeit, denn er wusste, dass die Wartezeit die Angst, ganz zu schweigen von den Schmerzen, denen Alan ausgesetzt sein würde, noch verstärkte. Als er ankam, nahm er die Stufen zum Keller, hob das Brecheisen auf und näherte sich lautlos. Alan, der die Augen fest geschlossen hatte, stöhnte leise und zitterte vor Kälte, obwohl die kleine Kesseltür weit offen stand.

Er schlug das Brecheisen auf den Holztisch, sodass der Mann vor Schreck aufschrie. Er stapelte die Umschläge auf dem Tisch neben den Filmdosen, warf das Brandeisen und den Brenner mit einem Klirren auf den Tisch, zog den Stuhl heran und setzte sich. „Schauen wir mal, was wir hier haben. Willst du es mir zeigen, oder soll ich mich überraschen lassen?“

Alan knurrte und fing wieder an, sich in seinen Fesseln zu winden, und sprühte Spucke, als er seine Frustration herausschrie. „Fick dich! FICK DICH, MCCADE! Ich sage gar nichts!“

Gideon zog den ersten Umschlag vor. „Nun, ich glaube nicht, dass du das musst. Ich glaube, ich habe hier alles, was ich brauche, nicht wahr?“

Gideon machte sich daran, herauszufinden, was er aus dem Staubsaugerbeutel ausgegraben hatte, ignorierte die jämmerlichen Geräusche im Zimmer, schlug das erste Notizbuch auf und versank in einen Albtraum. Eine Stunde später stand Gideon langsam auf, die Augen brannten, er hatte Kopfschmerzen und war völlig entsetzt über das, was er erfahren hatte, schluckte die Galle hinunter und war dankbar, dass er seit dem Mittagessen nichts mehr gegessen hatte. Sonst wäre er mit Sicherheit durchgedreht.

Dass es schlimm sein würde, hatte er gewusst und er hatte schon einiges vom Schlimmsten gesehen, was die Welt zu bieten hatte, aber diese verstörenden Akte unglaublicher Gewalt mit einer so eklatanten Missachtung menschlichen Leids waren fast mehr, als er verkraften konnte – und er konnte eine Menge verkraften. Besser als die meisten anderen wusste er, wie man sich abgrenzt, und ließ nie zu, dass Emotionen sein Urteilsvermögen trübten, aber das war Wahnsinn.

Nach einigen tiefen Atemzügen ließ die Übelkeit nach, und Gideon griff auf die andere Seite des Tisches. Er wickelte seine Finger um den ledernen Griff der Sjambok und näherte sich Alan. Er beobachtete, wie sich die Augen des Mannes vor Entsetzen weiteten, als er die Biegsamkeit der Peitsche testete, beide Enden ergriff und sie fast in der Mitte bog.

Sie war einen Meter lang, der Ledergriff etwa einen Zentimeter dick, und der Körper aus dickem, schwarzem, biegsamem Kunststoff verjüngte sich auf etwa 63 Millimeter. „Und, wie fühlt sich der Kopf an? Es ist schmerzhaft, wenn man längere Zeit kopfüber hängt, nicht wahr?“

Alans Stöhnen hörte lange genug auf, damit er ausspucken konnte: „Fahr zur Hölle!“

Gideon ließ die Peitsche an seiner Seite herab und schlug sie wiederholt so fest gegen seinen Unterschenkel, dass ein lautes, klopfendes Geräusch entstand. „Ich hatte eine ganze Reihe von Beweisen für unser heutiges Treffen, aber deine Fundgrube an Material ist genau das, was wir brauchen, um das Syndikat endgültig zu zerschlagen. Es gibt allerdings immer noch eine Menge Dinge, die keinen Sinn ergeben. Da wirst du dich nützlich machen. Ich will Informationen, Alan. Aber ich muss wissen, ob du es dir leicht machen wirst oder ob es Spaß machen wird.“

Alan verkrampfte die Bauchmuskeln und warf sich nach hinten, was nur dazu führte, dass er hin und her schwankte. Er knurrte frustriert und stieß hervor: „Ich habe dir doch schon gesagt, dass ich nichts sage.“

Gideon gluckste humorlos. „Nun, wir wissen beide, dass das nicht stimmt. Oder etwa nicht? Dein Staubsauger war eine wahre Quelle der Information. Vielen Dank dafür, nebenbei bemerkt.“ Er knallte die Peitsche an sein Bein – klopf, klopf, klopf. „Was ich nicht ganz verstehe, sind die Fundorte der anderen gebrandmarkten Leichen. Die in deinem – in Ermangelung eines besseren Wortes – Bezirk stammen alle aus südosteuropäischen Ländern und lassen sich mit deinen akribisch geführten Aufzeichnungen in Verbindung bringen.“

„Ich sage gar nichts!“

Gideon fuhr fort, als ob er nicht unterbrochen worden wäre. „Aber es gibt so viele andere in meinem Dossier, deren Aufenthaltsorte von Südamerika über Afrika bis Asien reichen. Was mich zu der Annahme führt, dass du nicht der bist, für den die CIA dich unbedingt halten will … Nein.“ Klopf, klopf, klopf. Gideon umkreiste ihn. „Ich glaube nicht eine Sekunde, dass du Diabo Feio bist. Ich glaube, du bist nur ein winzig kleines Rädchen in einer sehr großen Maschine.“ Klopf, klopf, klopf. „Also, Alan, warum klärst du mich nicht auf? Wer ist Diabo Feio?“

Ein entsetzter Blick hatte sich auf Alans Gesicht eingebrannt. „FICK DICH! „

„So läuft das also, ja?“ Klopf, klopf, klopf. Erneut umkreiste er den Mann. „Du hättest es ruhig angehen lassen sollen, Alan. Aber ich schätze, du bevorzugst Spaß.“

Der erste Schlag der Peitsche gegen Alans Seite entlockte ihm ein Heulen, wie Gideon es noch nie gehört hatte. Und ein Anflug von zufriedener Wärme durchströmte ihn, als ihm bewusst wurde, dass er ein kleines Stückchen Rache für Alans viele Opfer forderte. Er hatte seit Jahren niemanden mehr mit einer Sjambok gefoltert. Und es war ein Folterinstrument und nicht die Art von Folter, die er in seinem Club gerne willigen Unterwürfigen zufügte. Nein, die Sjambok war für ihn eine Foltermethode aus seinem früheren Leben, die er als Mittel zum Zweck eingesetzt hatte, und das würde auch so bleiben.

Er gab zu, dass der Inhalt des Staubsaugerbeutels die Intensität und Stärke seines Schlags verfälscht haben könnte, und setzte sein ganzes Gewicht in den Schlag. Er hatte noch nie zugelassen, dass seine persönlichen Gefühle seiner Pflicht in die Quere kamen, aber dieser Mann bewies Gideon – wie keiner der anderen vor ihm –, dass er nicht die roboterhafte Tötungsmaschine war, als die er einst bezeichnet worden war.

Er war jetzt nicht mehr roboterhaft oder emotionslos. Als er seinen fünften Schlag ausführte, von dem jeder einen langen, blutigen Striemen auf Alans einst sauberer Haut hinterließ, rief er bei seinem Abwärtsschwung einen weiteren Namen der Opfer des Mannes. Bevor er zum nächsten Schlag überging, schilderte er alles, was die Gerichtsmediziner über die vielen Verletzungen dieses Opfers hatten herausfinden können. Er hatte die CIA-Akte so oft gelesen, dass er die Fakten auswendig kannte, und es war zweifelhaft, ob er sie je wieder aus dem Kopf bekommen würde.

Gideon ignorierte Alans schmerzerfüllte Schreie und machte weiter. Name … Peitsche … Liste der Verletzungen des Opfers … Peitsche … Name … Peitsche … Liste der Verletzungen des Opfers … Peitsche. Als er die Sjambok zum neunten Mal anhob, um einen Schlag auf die rechte Brust des Mannes vorzubereiten, verebbte das Rauschen des Blutes in seinen Ohren endlich so weit, dass er hören konnte, dass das Stöhnen und Ächzen zu einem verzweifelten Flehen geworden war. „Bitte, nicht mehr. Ich bitte dich. Ich werde dir alles sagen, was du wissen willst. Nur bitte, nicht mehr.“

Gideon ließ die Peitsche wieder an seiner Seite herunter, wischte sie an seinem Hosenbein ab, wobei eine Blutspur zurückblieb, und atmete mehrmals tief ein. Seine Muskeln waren verkrampft und er schwitzte, zuckte mit den Schultern und bewegte den Kopf hin und her, um die Verspannungen zu lockern. Ein weiterer tiefer Atemzug und er war wieder ruhig.

Er umkreiste seine Beute, bewunderte die Spuren, die er hinterlassen hatte, und ließ sich vor ihr nieder. Während er sich auf die rotgeränderten, blutunterlaufenen und tränenüberströmten Augen seines Ziels konzentrierte, klopfte er erneut mit der Peitsche gegen sein Bein, wobei sich seine Augen verengten, als Alans Körper bei jedem Schlag unwillkürlich zuckte. Er wartete schweigend und wurde schließlich belohnt.

„Ich weiß nicht, wer er ist, und bevor du mir sagst, dass das Blödsinn ist, es ist die verdammte Wahrheit. Keiner von uns weiß, wer er ist.“ Alan wehrte sich, die Handschellen klirrten, als er seine Arme auf den Rücken legte. „Du musst mich runterlassen, Mann. Ich werde dir sagen, was du wissen willst, aber du musst mich runterlassen. Bitte, es tut weh. Alles tut weh.“

„Es soll wehtun, Alan. Ich wurde von den Allerbesten darauf trainiert, das zu gewährleisten. Und ich fürchte, diese Antwort wird nicht ausreichen.“ Ohne Vorwarnung hob er erneut seinen Arm und schlug ihn auf Alans Brust, während er den Namen eines anderen Kindes und dessen zahlreiche Verletzungen rief.

„Oh Gott, hör auf. Bitte. Hör auf. Ich werde dir alles sagen. Ich werde dir alles erzählen!“

Gideon nickte. „Ich dachte, wir könnten uns vielleicht einigen. Fangen wir mit deinem jetzigen Arbeitgeber an, dann kannst du mir ein paar Dinge aus unserer gemeinsamen Vergangenheit erklären.“

Gideon trat zurück und verschränkte die Arme vor der Brust, die Sjambok immer noch in der Hand, jetzt unter der Achselhöhle eingekeilt und nach oben gerichtet. Er neigte den Kopf und beobachtete, wie Alans Augen den Bewegungen der Peitsche folgten, und hob eine Augenbraue, als die Augen des Mannes endlich wieder die seinen trafen. Alan murmelte etwas Unverständliches. Gideon trat vor, breitete seine Arme aus und sah, wie Alan heftig zusammenzuckte, als sein Folterwerkzeug erneut auf Gideons Seite niederging.

„Was hast du gesagt?“

Alan kniff die Augen zusammen, sein Gesicht war schmerzverzerrt, Tränen flossen. Gideon sah gleichgültig zu, wie der Mann sich soweit zu sammeln schien, dass er sprechen konnte. „Er weiß, wer wir sind, aber er nennt nie unsere Namen. Er nennt uns seine ‚Cem‘ – seine hundert Männer. Ich bin die Glückszahl dreizehn.“

Gideon erinnerte sich daran, dass die Zahl Dreizehn auf fast allem in diesen Umschlägen stand. Er beobachtete, wie Alan die Augen schloss, einige Male tief durchatmete und fortfuhr. „Jeder von uns hat eine Region. Wir schleusen die Kinder ein mit der strikten Anweisung, niemanden über zwanzig hineinzuziehen. Wir markieren sie mit seinem Brandzeichen, damit es auf den Fotos sichtbar ist, die wir machen und selbst bearbeiten. Auf die Vorderseite schreiben wir, woher sie kommen und wohin sie gehen.“

Alan fuhr fort, Gideon zu erzählen, was er wusste. Es war klar, dass er die Seite der anderen in diesem Geschäft nicht kannte. Er wurde über alles im Dunkeln gelassen, was er nicht zu wissen brauchte, aber er konnte Gideon so viel mitteilen, dass sie schließlich in der Lage sein würden, Diabo Feio zu finden, nachdem sie mehr von dem „Cem“ gesammelt hatten, um genügend Informationen zu liefern, um das Syndikat zu zerschlagen und zu zerstören. Mit letzter Kraft erklärte Alan, was er den Männern in Gideons Team und Mason vor all den Jahren angetan hatte.

Alan sprach immer langsamer, der Schmerz zeichnete sich in seinem Gesicht ab, und die Erschöpfung ließ ihn nicht mehr weiterreden. Gideon legte die Sjambok auf dem Tisch ab, nahm den Schweißbrenner und ging auf Alan zu. Er schaltete ihn ein und brachte die Flamme in die Nähe von Alans Wange, was genug Hitze erzeugte, um die Aufmerksamkeit des fast bewusstlosen Mannes zu erregen. Alans Augenlider öffneten sich langsam, er war zu erschöpft, um schnell zu reagieren, auch wenn die Flamme sein Gesicht erhitzte. „Gibt es sonst noch etwas, das ich wissen sollte?“

Alan wimmerte und versuchte, den Kopf zu schütteln. Seine Antwort war kaum ein Flüstern. „Nein.“

Gideon verstaute den Brenner in seiner Gesäßtasche und zog seine Klinge heraus. Er hatte die Informationen bekommen, die er brauchte. Jetzt musste er nur noch den Job zu Ende bringen. Da Alan kurz davor war, das Bewusstsein vollständig zu verlieren, und nicht mehr zurechnungsfähig war, schlitzte er dem Mann schnell die Kehle auf, trat einige Schritte zurück und wartete geduldig bis zum Ende.

Danach zog er sich bis auf Socken und Unterwäsche aus und frische Kleidung, Schuhe und ein neues Paar Handschuhe an. Seine blutige Kleidung brachte er zusammen mit den zerfetzten Überresten von Alan zum Kessel und warf sie zusammen mit dem Messer, das er gerade benutzt hatte, in die Flammen. Er schloss die Tür der riesigen Maschine und wünschte sich nicht zum ersten Mal, dass die Öffnung groß genug für Alans Leiche wäre, aber er wusste, dass er sie zurücklassen und darauf vertrauen musste, dass man sich gut um sie kümmern würde.

Er schloss die Tür zum Heizungsraum, packte alles, was er mitgebracht hatte, in seinen Militärsack und schulterte die Tasche. Was von Alan übrig war, ließ er zurück. Er holte sein Satellitentelefon aus der Tasche, wählte und wartete.

Boone antwortete nach dem dritten Klingeln. Gideon begann sofort zu reden. „Die Männer, die du auf mich angesetzt hast, müssen eine Sauerei aufräumen.“

„Ich habe nicht …“

„Du hast.“

„Moment, eine Sauerei? Du solltest ihn doch herbringen! Wir brauchen alles, was er über dieses verdammte Syndikat hat, Gideon! Du hast den Kerl abgeknallt? Das war nicht abgemacht.“

Gideon knurrte. „Wir haben einen Scheißdreck abgesprochen! Du hast diesen Kerl vor mir baumeln lassen, weil du wusstest, dass ich ihn wie einen Fisch einholen würde. Nun, ich habe ihn eingeholt und ausgeweidet. Wenn deine Jungs schnell und fleißig sind, werden sie ihn schnell in seine Einzelteile zerlegen und den Heizungsraum gut nutzen können.“

„Heizungsraum?! Was soll der Scheiß? Gideon, hör zu …“

Gideons Stimme klang eher wie ein Knurren, als er antwortete. „Nein, du hörst zu. Du hast mich in ein Leben zurückgeschleppt, das ich nicht mehr will, und in einen Schlamassel, von dem du nur wenig weißt. Deine beiden besten Männer wurden gerade zu meinen Fixern. Das sollte sie lange genug beschäftigen, damit ich verschwinden kann. Wenn einer von ihnen bei mir bleibt, bekommst du ein weiteres Chaos, das aufgeräumt werden muss, und du wirst keine der Informationen bekommen, die ich habe.“

„Gideon, du brauchst eine Nachbesprechung …“

„Ich komme zu dir, wenn ich verdammt sicher und bereit bin.“

Bevor Boone mehr als ein Grunzen von sich geben konnte, beendete er den Anruf und verließ die Rückseite des Gebäudes. Er lief einige Blocks nach Westen und schloss ein Auto kurz, das ihn ins Stadtzentrum brachte, wo er ein Taxi zum Flughafen nahm. Innerhalb von drei Stunden war er in der Luft und verließ das Land. Er war erschöpft und brauchte eine Dusche, die auf einen der vielen Zwischenstopps vor seinem letzten Flug nach Hause warten musste. Seine Geduld mit dem Tag – ganz zu schweigen von den letzten zwei Monaten – war erschöpft.

Die Heimreise war lang. Es gab eine Menge, wie er es nannte, „Reise-Hoppings“, was Teil seiner Routine war. Viele Flüge ohne erkennbares Muster mit mehreren Ausweisen, bis er an seinem endgültigen Ziel ankam. Wahrscheinlich war das eine Vorsichtsmaßnahme, die er nicht mehr zu treffen brauchte, aber es gab viele Gründe, warum er noch lebte, nachdem er den größten Teil seiner Karriere damit verbracht hatte, Menschen für seinen Lebensunterhalt zu töten, und das war eine Gewohnheit zum Selbstschutz, die er nicht ändern wollte, egal wie lästig sie war.

Kapitel 4

Sebastian

Es dauerte zwei Tage, bis die Schwellung um Sebastians rechtes Auge soweit zurückgegangen war, dass er wieder sehen konnte. Er hatte sich von der Arbeit freistellen lassen und es geschafft, die schlimmsten Schmerzen seit der Behandlung am Mittwoch zu überwinden. Am Montag ging er wieder zur Arbeit. Sein Stresspegel war hoch, denn er hatte ein paar Termine im Krankenhaus, um Phantombilder von zwei verschiedenen Verdächtigen mit zwei verschiedenen Opfern anzufertigen. Als er sich Raum 107 in der Notaufnahme näherte, rieb er sich die verschwitzten Hände an seiner Hose. Er wollte gerade eintreten, da hörte er eskalierende Stimmen.

„… mit uns, und das ist alles, was es zu tun gibt!“

„Auf keinen Fall, junger Mann! Ihr seid frisch verheiratet! Das Letzte, was ihr braucht, ist, dass eure Großmutter bei euch wohnt und euch einen Strich durch die Rechnung macht.“

„Oma, du kannst nicht einfach nach Hause gehen. Du hast einen Gips und kannst kaum laufen, wie willst du da etwas für dich tun?“

„Es ist nur ein Arm. Ich komme schon klar.“

„Es ist dein rechter Arm und dein Knie ist kaputt! Du wirst nicht in der Lage sein …“

Er hörte, wie eine tiefere Stimme in einem viel gedämpfteren Tonfall eingriff.

„Aber, sie …“

Das Gespräch wurde leiser, der tiefere Ton war ruhig, aber bestimmt. Sebastian ertappte sich dabei, dass er außerhalb des Raumes stehen blieb, um nicht zu stören, und genoss es, der gedämpften Stimme zuzuhören, auch wenn er nicht viel von dem, was gesagt wurde, verstehen konnte.

Als ihm jemand auf die Schulter klopfte, wirbelte er erschrocken herum und blickte hoch in die fragenden Augen eines Arztes, der einem seiner früheren Kunden verblüffend ähnlich sah.

Der Mann, der die Arme vor der Brust verschränkt hatte, lächelte ihn höflich an. „Kann ich Ihnen helfen?“

Sebastian gestikulierte hinter ihm in den Raum. „Ich bin der Polizeizeichner von der Polizei in San Francisco. Ich habe einen Termin, aber ich wollte nicht stören.“

Die Augenbrauen des Arztes hoben sich. „Stören?“

In diesem Moment meldete sich die Frau zu Wort. „Willst du mir etwa den Arsch abwischen?“

Sebastians Augen weiteten sich, und er stotterte fast, als der lachende Arzt seinen Ellbogen umklammerte und ihn zurück zur Tür drehte. „Das ist unser Stichwort.“

Sebastian stieß ein leises Keuchen aus und versuchte, seinen Arm loszureißen, während er verzweifelt flüsterte: „Was? Nein! Das ist nicht unser Stichwort! Das sollte niemals das Stichwort von irgendjemandem sein!“

Seine Proteste stießen auf taube Ohren, als er kurzerhand, aber sanft in das Krankenzimmer geschleppt wurde. Er hatte kaum Zeit, die Tatsache zu registrieren, dass nicht nur ein McCade ihn in das Zimmer zerrte, sondern auch ein anderer McCade bereits dort war, bevor der Vorhang hinter der Tür, den der Arzt zur Seite gezogen hatte, wieder an seinem Platz war und ihn teilweise verdeckte.

Zavier und sein Partner Braden saßen neben dem Krankenhausbett. Beide hatten den Arzt im Blick und sahen ihn nicht, bevor er hinter den Vorhang trat. Ein kleines Lächeln huschte über Sebastians Gesicht. Er hatte Braden wirklich gemocht, als er eine Phantomzeichnung von dem Stalker des Mannes angefertigt hatte. Seitdem war mindestens ein Jahr vergangen, aber er erinnerte sich immer noch an die Begegnung mit beiden Männern an jenem Nachmittag und an die schnelle Vertrautheit, die er für Braden empfunden hatte.

„Braden, du weißt, dass sie nur nach Hause will, damit sie von ihrem männlichen Harem von vorne bis hinten bedient werden kann. Stimmt’s nicht, Nana?“

Die Frau, von der Sebastian nun wusste, dass es sich um Clara Cross handelte, mit der er um 13.30 Uhr verabredet war, lachte. „Finnegan, Darling! Komm, gib mir etwas Süßes.“

Während Dr. McCade die zierliche Frau umarmte, tat Sebastian sein Bestes, um der kleinen Familienzusammenführung zu entkommen. Er dachte, er würde einfach draußen warten und ihnen etwas Zeit geben. Seine Umhängetasche hatte jedoch andere Vorstellungen und krachte laut gegen die Tür. Sein Gesicht wurde heiß vor Verlegenheit, und er zog die Tür auf, als er hörte, wie der Vorhang zurückgeschoben wurde. Dr. McCade grinste ihn an, hob herausfordernd eine Augenbraue, zwinkerte ihm zu und ging zurück zu Mrs. Cross.

Sebastian drehte sich um und lächelte unbehaglich alle anderen im Raum an, er hasste die Aufmerksamkeit, die er gerade auf sich gezogen hatte, und winkte verlegen, bevor er hinter sich nach dem Türgriff tastete und die Tür wieder aufzog. „Äh, hallo. Ich habe einen Termin mit Mrs. Cross, aber ich kann auch wiederkommen.“

Er beobachtete, wie Braden und Zavier aufstanden und beide einen überraschten Gesichtsausdruck aufsetzten. Sebastian versuchte weiterhin, ihnen die Privatsphäre zu geben, von der er sicher war, dass sie sie bevorzugen würden, und begann, aus der Tür zu gehen. Braden streckte ihm flehend die Hand entgegen. Zavier, der Braden beruhigte, fuhr mit seiner Hand die Wirbelsäule seines Partners hinauf und umklammerte seinen Nacken. Sebastian hatte diese Geste bei ihrer ersten Begegnung gesehen, und sein Herz zog sich zusammen, als er sie wieder sah. Er wollte das.

Als Zavier sprach, blieb Sebastian stehen. „Sebastian Phillips, richtig?“ Als er nickte, legte Zavier eine Hand auf seine eigene Brust. „Zavier McCade. Ich weiß nicht, ob Sie sich erinnern, aber Sie haben uns bei der Phantomzeichnung für Bradens Fall geholfen. Bitte, bleiben Sie.“

„Ich …“ Sebastian räusperte sich und versuchte es noch einmal, seine Stimme war kaum höher als ein Flüstern. „Ich erinnere mich.“

Natürlich erinnerte er sich. Der Mann war unmöglich zu vergessen. Das, zusammen mit dem falschen Flirten und den Scherzen, zu denen er sich gezwungen hatte, um Braden zu entspannen, damit er sich wohlfühlte, als er den Mann zeichnen musste, der ihn terrorisierte, hatte Sebastian vor Verlegenheit rot werden lassen.

Zu diesem Zeitpunkt war es für ihn fast unmöglich, zu fliehen, da er von einer unsichtbaren Kraft festgehalten wurde. Mit dem Blick nach unten fummelte er an dem Querriemen seiner Tasche herum und vermied den Blickkontakt mit dem riesigen Mann. Er hatte einfach etwas sehr Beeindruckendes an sich. Ein leises Brummen durchfuhr Sebastian – genau so, wie er sich an die erste Begegnung mit ihm erinnerte – ein Gefühl, das er immer nur im Club hatte. Es brachte ihn dazu, sich über die Beziehungsdynamik zwischen Braden und Zavier Gedanken zu machen. Da er aber wusste, dass ihn das nichts anging, steckte er seine Neugierde weg.

Mrs. Cross neigte prüfend den Kopf und winkte ihn näher zu sich. Sie war ein winzig kleines Ding und sah auf dem Bett ziemlich gebrechlich aus. Sie berührte ihr Gesicht und deutete auf das seine. „Geht es Ihnen gut?“

Er wandte den Blick ab und nickte. „Ja, Ma’am. Mir geht es sehr gut.“

Sie nickte nur und fragte dann: „Werden Sie etwas zaubern und mir helfen, mich an mehr zu erinnern, als ich denke?“

Sebastian lächelte. „Ich werde mein Bestes tun, Ma’am.“

Sie spottete darüber. „Nennen Sie mich Clara oder Nana, junger Mann. Ich habe noch nie einen Zeichner getroffen. Kommen Sie, setzen Sie sich zu mir und plaudern mit mir.“

Er näherte sich dem Bett und wusste nicht so recht, wo er sitzen sollte. Zavier reichte ihm die Hand und er ergriff sie, was ihn ein wenig beruhigte. „Es ist schön, Sie wiederzusehen, Sebastian. Warum nehmen Sie nicht meinen Platz ein, und ich gehe mit Finn ins Café und schaue, ob wir nicht einen mittelmäßigen Kaffee auftreiben können.“

Sebastian räusperte sich erneut und nickte. „Danke.“

Er stellte seine schwere Umhängetasche neben dem Stuhl ab, den Zavier freigemacht hatte, und wollte gerade mit Mrs. Cross sprechen, als sie sich an Zaviers Bruder wandte. „Finnegan, ich will hier raus.“

Dr. McCade setzte sich auf den Rand der Matratze, nahm ihre eingegipste Hand in seine und küsste ihre Finger. „Ich bin gleich wieder da, dann sehe ich mir deine Akte an und prüfe, was los ist. Vielleicht können wir diesen Eisstand sprengen und in den Sonnenuntergang reiten. Was sagst du dazu, meine Schöne?“

Sebastian konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen, als er sah, wie die Wangen der Frau beim Kichern rot anliefen. „Oh, dann mach weiter.“

Dr. McCade grinste und beugte sich vor, um ihre Wange zu streicheln. Er stand auf, zwinkerte Braden zu und ging zu seinem Bruder. Beide verließen den Raum, und er war wie gebannt von den beiden großen, selbstsicheren Männern. Als er sich wieder zu Braden und Mrs. Cross umdrehte, grinsten sie ihn beide wissend an.

Wieder errötete er und streckte die Hand aus, um sie zu begrüßen, und sie griff mit ihrer linken Hand nach seiner, wodurch der Moment etwas weniger peinlich erschien. Er griff nach Bradens Hand und erwiderte das breite Grinsen des Mannes, spürte eine Wärme in seiner Brust, als der andere Mann seine Hand in seine beiden Hände nahm und drückte.

Als Braden seine Hand losließ, schob er sich hinter Sebastian und hob mit einem Grunzen seine Umhängetasche auf. „Großer Gott, Sebastian, was hast du da drin? Steine?“