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Die Krimi-Entdeckung aus Schweden!
In einer verschneiten Winternacht verschwindet an der schwedischen Schärenküste ein vierjähriges Mädchen spurlos aus dem Ferienhaus ihrer Familie. Die Eltern der kleinen Ellie Svensson sind außer sich vor Sorge, Polizei und Einwohner des Ortes organisieren sofort die Suche. Auch für Kommissarin Sofia Hjortén wird der Fall zur emotionalen Zerreißprobe, ist sie doch selbst hochschwanger. Kurz darauf verschwindet ein weiteres Mitglied der Familie Svensson. Während der nordische Winter unbarmherzig tobt, ermittelt Sofia fieberhaft und stößt auf eine düstere Wahrheit ...
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Seitenzahl: 506
Veröffentlichungsjahr: 2023
In einer verschneiten Winternacht verschwindet an der schwedischen Schärenküste ein vierjähriges Mädchen spurlos aus dem Ferienhaus ihrer Familie. Die Eltern der kleinen Ellie Svensson sind außer sich vor Sorge, Polizei und Einwohner des Ortes organisieren sofort die Suche. Auch für Kommissarin Sofia Hjortén wird der Fall zur emotionalen Zerreißprobe, ist sie doch selbst hochschwanger. Kurz darauf verschwindet ein weiteres Mitglied der Familie Svensson. Während der nordische Winter unbarmherzig tobt, ermittelt Sofia fieberhaft und stößt auf eine düstere Wahrheit …
Weitere Informationen zu Lina Areklew
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Lina Areklew
Kriminalroman
Aus dem Schwedischen von Susanne Dahmann
Die schwedische Originalausgabe erschien 2021 unter dem Titel »I mörkret« bei Bazar Förlag, Schweden.
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Deutsche Erstveröffentlichung April 2023
Copyright © Lina Areklew, 2021
Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2023
by Wilhelm Goldmann Verlag, München,
in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,
Neumarkter Straße 28, 81673 München
Published by arrangement with Nordin Agency AB, Sweden
Covergestaltung: UNO Werbeagentur, München
Covermotive: Mauritius Images / Johnér; FinePic®, München
Redaktion: Julie Hübner
KS · Herstellung: ik
Satz und E-Book-Konvertierung: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN: 978-3-641-27482-5V001
www.goldmann-verlag.de
Es ist Sommer, und die Sonne streichelt ihren nackten Körper wie mit einem warmen Pinsel. Sie liegt auf dem schmalen Sandstrand unten am See. Kein Handtuch, nur heißer Sand, der unter dem Rücken brennt. Die Füße im Wasser. Langsam krabbelt kaltes Seewasser die Schienbeine hoch, über die Oberschenkel und den Bauch. Die Wärme ist weg. Jetzt ist nur noch Kälte da.
Uringeruch schlägt ihr entgegen. Die Augen brennen, und als sie versucht, sie zu öffnen, kann sie nichts sehen. Irgendetwas stimmt nicht. Im Kopf geht sie das Kapitel aus der Ausbildung durch. Plötzliche Blindheit. Was könnte die Ursache sein? Ein Blutgerinnsel? Mit der Atmung stimmt auch etwas nicht. Sie kommt in Stößen, und bei jedem Atemzug zieht es genau unter dem Herzen. Der ganze Oberkörper scheint wehzutun. Am schlimmsten ist der Schmerz im Hinterkopf. Der pocht genau auf der Höhe des einen Ohres.
Dann kommt mit einem Mal die Erinnerung.
Das Haus, der Schnee, plötzlich steht jemand im Wohnzimmer. Scheuernde Kabelbinder um die Handgelenke. Sie presst die Arme seitlich an ihren Körper und stellt fest, dass die Hände immer noch hinter dem Rücken gefesselt sind.
Die Erinnerungsbilder kommen in schnelleren Sequenzen. Der Kofferraum eines Autos, der wirbelnde Schnee und die schreckliche Kälte. Der Film läuft abgehackt weiter, und dann begreift sie. Sie ist nicht blind, sondern dort, wo sie ist, gibt es einfach kein Licht.
Die Schmerzen in der Seite müssen von gebrochenen Rippen kommen. Da ist sie fast sicher. Wie damals in der Mittelstufe, als sie von einer Sprossenwand gefallen war. Die abgehackte Atmung ist auch problematisch. Könnte es sein, dass eine Lunge punktiert ist?
Sie verspürt trotz allem eine gewisse Zufriedenheit darüber, alles in das richtige Fach einsortiert zu haben. Keine losen Fäden, die man nicht zu einer rationalen und medizinischen Erklärung verknüpfen könnte. Sie hat ihre eigene hoffnungslose Situation diagnostiziert.
Sie versucht, die gefesselten Hände zu bewegen, um sich selbst den Puls zu fühlen. Das Herz schlägt schnell. Zu schnell. Sie nimmt alle Kraft zusammen und hievt sich auf die Knie. Hinter den Augenlidern blitzt es, aber sie schafft es, sich hinzustellen.
Es ist unmöglich zu sagen, welcher Tag oder welche Uhrzeit es ist. Sie sieht und fühlt nur pechschwarze Dunkelheit. Obwohl die Angst wächst und der Körper schmerzt, kann sie ganz klar denken. Das ist ihre beste Waffe, um hier herauszukommen. Das ist ihr bewusst. Wie lange schafft man es eigentlich, ohne irgendetwas zu sich zu nehmen? Die Dreier-Regel.
Drei Minuten ohne Luft.
Drei Wochen ohne Essen.
Und nur drei Tage ohne Wasser.
Fredrik sah auf seinen Teller und stellte dankbar fest, dass Inga, die im Laufe der Jahre wie eine Ersatzmutter für ihn geworden war, sich wieder sehr bemüht hatte, um alle seine Bedürfnisse zu erfüllen. Kartoffel- und Topinamburpüree mit Elchsteak. Fredriks Stück war bereits kaufreundlich in dünne Streifen geschnitten, obwohl die Kieferverletzung, die er erlitten hatte, seit Langem geheilt war. Von außen konnte man fast nichts mehr erkennen, nur noch eine undeutliche Narbe unterhalb des einen Ohres. Er hatte eigentlich vor langer Zeit aufgehört, etwas zu essen, das auf vier Beinen lief, doch Inga ignorierte das und behauptete mit Entschlossenheit, ein erwachsener Mann bräuchte anderes Protein als nur Bohnen und ab und an irgendwelche armen Fische.
Sie saßen in Ingas und Hans’ Küche in der Ålstensgata, nur einen Katzensprung von dem Haus entfernt, in dem Fredrik zusammen mit Mama, Papa und Niklas gelebt hatte. Jetzt wohnte eine andere Familie dort. Der kleine Vorgarten stand voller Schlitten und Porutscher. Irgendwie fühlte sich das gut an. Als hätte sich das Glück, das er empfunden hatte, als er dort lebte, auf die nächste Familie vererbt.
Er war zu der neuen Wohnung seines besten Freundes Philip in Bromma gefahren, um sein Auto abzuholen, doch weder Philip noch das Auto waren dort gewesen. Als er dann bei Philips Eltern Hans und Inga reinschaute, um zu sehen, ob sein Freund vielleicht dort war, hatten sie ihn sofort eingefangen. Inga verpasste niemals eine Gelegenheit, ihn zu einer Mahlzeit einzuladen. Das Abendessen sei schon fertig, und er müsse ja sowieso etwas essen, hatte sie argumentiert. Und so saß er jetzt hier.
Hans nickte vielsagend in die Richtung von Fredriks Teller und wandte sich dann seinem eigenen Steak zu.
»Du solltest mal mit auf die Jagd gehen, Fredrik«, verkündete er und strahlte über das ganze Gesicht. »Nichts fühlt sich so gut an, wie die Spannung im Körper, wenn man an einem frühen Morgen da draußen sitzt und wartet. Der Nebel liegt wie eine milchige Wolke über den Wiesen, alle Laute des Waldes sind zwischen den Bäumen glasklar zu hören, und dann jeden Moment …«
Hans schwang die Gabel über den Esstisch, blickte in die Ferne und verlor sich in seiner eigenen poetischen Beschreibung der Wunder der Jagd.
»Jeden Moment kann ein Dreihundert-Kilo-Tier auf seinen majestätisch langen Beinen zwischen den Bäumen auftauchen.«
Inga streckte sich genervt über den Tisch und wischte ein paar Tropfen Pfifferlingssoße weg, die von der Gabel ihres Mannes getropft waren.
»Ich glaube nicht, dass sich Fredrik für die Jagd interessiert«, sagte sie mit milder Schärfe in der Stimme, um Hans von seiner mentalen Waldwanderung zurückzuholen.
»Nein, das ist nicht für jeden was, das steht fest. Man darf nicht nervenschwach sein, wenn man dasitzt und wartet, auf keinen Fall.«
Inga sah ihn streng an.
»Also, so meinte ich das nicht. Ich weiß, dass du nicht nervenschwach bist, wenn man bedenkt, was du alles durchgemacht hast. Und Waffen verlocken dich wahrscheinlich auch nicht so sehr, oder?«
Fredrik lachte freudlos und kratzte sich die Bartstoppeln. Sein dunkelbraunes Haar war frisch geschnitten, aber er hatte heute Morgen vergessen, sich zu rasieren.
»Nein, Waffen verlocken mich nicht.«
Nach der Katastrophe im letzten Sommer war das so ziemlich das Letzte, was ihn verlockte. Die Schusswunde im Bauch war zwar ebenso gut geheilt wie der Kiefer, doch die seelischen Narben würden für immer bleiben. Er hatte Schlafstörungen, und die meisten Nächte schlief er gar nicht. Zu den Albträumen, unter denen er bereits vorher gelitten hatte, hatten sich nun Rückblenden gesellt, die ihm immer wieder in Erinnerung riefen, wie ihn ein Schuss genau über dem Blinddarm getroffen hatte. Hätte ihn der Helikopter nicht zur Not-Operation ins Krankenhaus von Örnsköldsvik geflogen, dann wäre er gestorben. Fredriks Gedanken wanderten zu Sofia Hjortén. Sie war eine von denen, die dort gewesen waren und sich um ihn gekümmert hatten. Ohne sie hätte er nicht überlebt.
»Wie läuft es mit Ida?«
»Gut.«
Inga zog die Augenbrauen hoch, und ihm wurde klar, dass sie auf mehr Informationen wartete.
Die Logopädin Ida Niemi, die ihm nach dem Hammerschlag gegen den Kiefer geholfen hatte, wieder sprechen zu lernen, hatte Wunder vollbracht. Er konnte kauen und lächeln, und die steife Gesichtsmuskulatur und das lallende Sprechen hatten sich nach unzähligen Artikulations- und Kieferübungen verbessert. Er selbst war es bereits nach ein paar Malen leid gewesen, aber Ida hatte ihn stetig ermahnt. Ein motivierter Patient hat die größten Chancen auf Erfolg, das war ihr Motto, und sie hatte alles getan, was in ihrer Macht stand, um ihn zu motivieren. Jetzt war er im Prinzip völlig wiederhergestellt. Einziges Überbleibsel war ein knackendes Geräusch im Kiefer, wenn er gähnte.
Ida war als emotionale Unterstützung auf der ganzen langen Reise zurück in ein normales Leben für ihn da gewesen. Sie waren Freunde geworden, und als er nicht mehr ihr Patient war, hatte sich die Freundschaft zu Ingas und Hans’ unverhohlener Freude zu etwas mehr entwickelt.
Hans hob die Gabel vielsagend in seine Richtung, was noch mehr Flecken auf dem Tischtuch verursachte.
»Sie ist eine Tolle, die Ida. Eine richtige Perle. Auf die musst du aufpassen.« Er stopfte das Kartoffelstück, das auf der Gabel saß, in den Mund und sprach ungeniert kauend weiter.
»Wir wollen Enkelkinder, Fredrik. Und unser eigener Sohn wird wahrscheinlich keine produzieren.«
Inga runzelte skeptisch die Augenbrauen, wandte sich dann aber Fredrik zu und lächelte. Enkelkinder waren kein neues Gesprächsthema, und Fredrik wusste, dass es etwas war, dass auf Ingas Wunschliste ganz weit oben stand. Dennoch war ihm das Thema unangenehm. Er und Ida hatten noch nicht einmal Sex gehabt. Sie umarmten sich, saßen umschlungen auf dem Sofa, hatten den letzten Schritt zu vollkommener körperlicher Nähe aber noch nicht getan, von dem er wusste, dass sie sich danach sehnte. Er war noch nicht bereit. Weder körperlich noch gefühlsmäßig.
Er war Ida dankbar, weil sie ihn nicht drängte. Sie war eine warmherzige und offene Person. Unkompliziert. Sie hatte es zu ihrer Lebensaufgabe gemacht zu kontrollieren, dass er seine Übungen machte und dass es ihm gut ging. Sowie sie bei der Arbeit eine Minute Zeit hatte, rief sie an oder schickte eine SMS, um zu hören, wie es ihm ging. Fredrik schätzte diese Zerstreuung. Die Stille in seiner Wohnung ging ihm schon seit Langem auf die Nerven, und jede sich bietende Gelegenheit, die Gedanken abzuschalten, war ihm willkommen.
»Hast du was von der Arbeit gehört?«, fuhr Inga fort und schenkte sich noch etwas Wein nach. Hans, der offensichtlich schon vor Fredriks Ankunft ein Glas getrunken hatte, musste sein hingestrecktes Glas wieder zurückziehen. Fredrik bot sie erst gar keinen Wein an.
»Ja, wir haben eine Menge kommuniziert«, antwortete er ausweichend, doch so leicht ließ sich Inga nicht abschütteln.
»Und?«
Die Ärzte waren mit Krankschreibungen nicht knauserig gewesen. Er musste sich keinen Stress machen, wieder zur Arbeit zurückzukehren. Und worauf sollte er sich dabei auch freuen? Es war nicht gerade sein Traum, Tag um Tag hinter einer Glasscheibe zu sitzen. Einmal da hinstellen bitte, die Füße auf die gelben Markierungen. Jetzt in die Kamera schauen, unterschreiben. Sie können den Pass in einer Woche abholen. Natürlich konnte er so seine Rechnungen bezahlen, aber nachdem er dem Tod zum zweiten Mal nur knapp von der Schippe gesprungen war, hatte Fredrik angefangen, darüber nachzudenken, dass er es sich selbst vielleicht schuldig war, wirklich zu leben und nicht nur zu existieren.
Er wechselte das Thema. »Geht ihr dieses Jahr nicht Skifahren?«
Aber Inga biss nicht an. »Wirst du deinen alten Job zurückbekommen?«
Hans, der eben den letzten Bissen verzehrt hatte, mischte sich in die Diskussion ein.
»Lass ihn in Ruhe, Inga! Um Gottes willen, er ist doch ein erwachsener Mann. Er kann sich selbst versorgen.«
Inga lächelte versöhnend, warf Fredrik aber einen Blick zu, der deutlich machte, dass das nicht das letzte Gespräch zu diesem Thema war.
»Wo wir gerade davon reden«, begann Hans und rülpste diskret in die Serviette. »Hast du was von unserem Sohn gehört?«
Philip klappte die Motorhaube auf und starrte auf die Plastikplatte, die den Motor verschloss. Volvo. Fünf bekannte Buchstaben, aber soweit er sehen konnte, nicht einmal der kleinste Haken zum Öffnen. Wie sollte er den Fehler finden, ohne den Motor sehen zu können? Unter dem Plastik röhrte es beunruhigend. Er wünschte, er wäre einer von denen, die sich auf den Bauch legen und unter das Auto gucken und sofort feststellen, welches von all den Teilen nicht funktioniert. Doch das war nicht der Fall. Er brauchte einen Mechaniker oder im schlimmsten Fall einen Leihwagen.
Zum Glück hatte er es fast bis zur Tankstelle geschafft, die mitten im Ort lag. Jetzt ließ er den Wagen in einer Schneewehe am Straßenrand stehen und kämpfte sich über den nicht geräumten Zebrastreifen. Der Schnee fiel so dicht, dass er kaum etwas sehen konnte, und er musste an Astrid Lindgrens Geschichte von Michels und Alfreds Schneefahrt nach Mariannelund denken. Es war frustrierend, nicht weiterfahren zu können, da es nur noch anderthalb Stunden bis zu seinem Ziel waren.
Er hoffte, dass sie sich freuen und sie beide sich wieder vertragen würden. Dass sie die Geste romantisch finden würde, auch wenn er nur zwei Nächte zu bleiben gedachte. Unter allen Umständen wollte er weg sein, ehe ihr Vater am Samstag auftauchte. Doch so würden sie wenigstens zwei schöne Tage zusammen haben. Sie könnten Schneemobil fahren und durch den Tiefschnee spazieren. Allerdings war er weder was seine Kleidung noch was seinen psychischen Zustand betraf, für Winteraktivitäten ausgerüstet. Philip schaute auf seine Wildlederschuhe hinunter. Sie sahen aus wie Winterschuhe, waren aber ohne Zweifel nur für den Stockholmer Winter gemacht. Schon nach wenigen Schritten im tiefen Schnee hatten sie Feuchtigkeit durchgelassen, und noch ehe er die Tür zur Tankstelle erreicht hatte, waren seine Füße zu Eisklumpen geworden. Er freute sich, dass er zumindest eine anständige Daunenjacke mitgenommen hatte.
»Uiuiui, da draußen kommt ja ganz schön was runter!« Die Tankstellenverkäuferin lachte, als er durch die Tür kam. Der Fußboden war mit geschmolzenem Schnee bedeckt, und Philip rutschte vorsichtig durch die mit Streukieseln vermischten Pfützen Richtung Kasse.
»Die kommen mit dem Räumen gar nicht hinterher«, fuhr die Frau fort und zog sich die blaue Jacke mit dem Tankstellenlogo enger um den Körper.
»Mein Auto ist kaputt gegangen«, erklärte Philip schüchtern und zeigte auf den gestrandeten Wagen auf der anderen Straßenseite.
Die Frau sah ihn an, als wartete sie auf eine Fortsetzung.
»Ich … ich bräuchte einen Mechaniker. Oder einen Leihwagen.«
Ein neuer Kunde kam durch die Tür und watete durch den Laden zu den Toiletten. Die Frau hinter dem Tresen hob grüßend die Hand, und der Mann winkte zurück, ehe er um eine Ecke bog, an der Scheibenwischer und Eiskratzer hingen.
»Heute ist kein Mechaniker hier. Mikael, der sonst in der Werkstatt nebenan arbeitet«, sie zeigte mit dem Daumen in die entsprechende Richtung, »der ist draußen und räumt. Und eine Autovermietung haben wir hier im Ort nicht. Die nächste ist wahrscheinlich in Sundsvall.«
Philip zog die Mütze ab und rieb sich das feuchte rötliche Haar. Er versuchte, nicht in Panik zu verfallen. Schließlich hatte er bereits so viele Schritte geschafft. Voriges Jahr um diese Zeit hatte er noch völlig abgeschirmt von der Außenwelt im Keller seiner Eltern gewohnt. In der Geborgenheit von Ålsten konnte er problemlos programmieren und die Codes zu den IT-Systemen verschiedener Unternehmen von seinem Schreibtisch zu Hause aus verwalten. Ein scheinbar endloser Job, der immer gefragt war. Mithilfe von Mail- und Chat-Programmen hielt er Kontakt zu seinen Kunden. Viele fanden ihn seltsam, das wusste er, aber sein Einmann-Beraterunternehmen wurde dennoch fleißig gebucht. Beziehungen strengten ihn an und machten ihn nervös. Niemand schien ihn je zu verstehen, und er wiederum verstand andere Menschen definitiv nicht. So war es schon seit seinen frühen Teenagerjahren gewesen. Jeder ihm von seinen Eltern aufgezwungene Versuch, ihn über die Schwelle in die Welt hinauszuschieben, hatte heftige Panikattacken und ein noch größeres Bedürfnis nach Abgeschiedenheit zur Folge gehabt. Doch nach allem, was seinem besten Freund Fredrik im vorigen Sommer passiert war, hatte sich etwas verändert. Philip musste aus seinem sicheren Kokon heraus, denn sein Freund hatte ihn gebraucht, und ganz schnell hatte er festgestellt, dass er tatsächlich imstande war, mit anderen Menschen zusammen zu sein, wenn es nur nach seinen eigenen Bedingungen geschah. Im letzten halben Jahr hatte er also nicht nur das Haus verlassen, er hatte sich sogar eine Wohnung zugelegt und einen Intensivkurs in Dalarna absolviert, um seinen Führerschein zu machen. Und jetzt hatte er eine Freundin. Eine, die ihn sah und ihn schätzte, so wie er war. Ihr fiel es genauso schwer, andere zu begreifen, doch schien sie ihn zu verstehen wie niemand sonst. Er sehnte sich so sehr danach, sie zu sehen. Sie würde so überrascht sein, und den Streit würden sie einfach vergessen. Philip war fest entschlossen, sich nur wegen des Pechs mit dem Auto nicht in irgendein Angstloch saugen zu lassen. Er würde seine Reise fortsetzen.
Die Verkäuferin räusperte sich.
»Haben Sie denn keine Unfallversicherung?«, schlug sie vor.
Er sah sie fragend an. Beim besten Willen konnte er sich nicht vorstellen, was sie damit meinen könnte.
»Sind Sie Mitglied bei der Pannenhilfe oder so?«, fuhr sie fort.
Philip schüttelte nur ratlos den Kopf.
»Das Auto gehört mir nicht«, murmelte er.
»Wenn Sie eine Unfallversicherung haben, dann können die sowohl das Abschleppen als auch einen Leihwagen organisieren, und im schlimmsten Fall können Sie ein Taxi zur nächsten Autovermietung nehmen. Wenn es richtig schlimm wäre, meine ich.«
Philip bedankte sich für den Rat und kaufte pflichtschuldig einen Kaffee und ein Päckchen Zigaretten, ehe er zu dem eingeschneiten Auto zurückkehrte.
*
Fredrik schob die Haustür ein paar Zentimeter auf und sah zum Himmel hoch. Es war kalt, und der Frost hatte sich auf alles gelegt, doch es war keine Schneeflocke mehr zu sehen. Der Himmel war klar, und wenn nicht all die Straßenlaternen gewesen wären, hätte man sicher die Sterne sehen können. Hans und Inga standen in der Diele und leisteten ihm Gesellschaft, während er seine Jacke anzog.
»Hier, nimm ein paar Handschuhe. Es ist kalt.« Inga reichte ihm ein paar Lederhandschuhe aus dem Korb bei der Tür. »Fährst du jetzt nach Hause oder zu Ida?«
Selbst wenn sie seine richtigen Eltern gewesen wären, hätten Hans und Inga kaum überbehütender sein können. Seit jener Nacht, in der seine eigene Familie bei dem Schiffsunglück der Estonia auf der Ostsee auseinandergerissen worden war, waren sie für ihn da gewesen. In Ermangelung einer richtigen Mutter und eines richtigen Vaters hatten sie zusammen mit seiner Großmutter als Eltern einspringen müssen.
Inga unternahm einen Versuch, die Essensbox, die sie in eine Plastiktüte eingewickelt und Fredrik mitgegeben hatte, wieder an sich zu nehmen. Sie zog vorsichtig an der Schlaufe, die unter seinem Arm herausschaute.
»Warte kurz, ich mach noch mehr rein, damit es auch für Ida reicht.« Fredrik hielt die Essensbox fest und schüttelte den Kopf.
»Ist nicht nötig. Sie isst auch kein Fleisch.« Er blinzelte Hans mit einem Auge zu, doch der schien den Witz nicht zu bemerken. »Und ich bin zu müde, um jetzt noch zu ihr zu fahren.« Er warf einen Blick auf den alten Wecker, der auf dem Tisch in der Diele stand. Es war bereits nach zehn. »Jetzt fahre ich geradewegs nach Hause und gehe ins Bett.«
Inga nickte und ließ die Tüte widerwillig los.
»Bist du mit dem Auto da?«
»Nein, ich fahre mit der Bahn. Philip hat sich das Auto ausgeliehen. Er wollte sich einen neuen Schreibtisch kaufen.«
Sie umarmten sich zum Abschied, und Fredrik versprach, bald wiederzukommen.
Die Haltestelle lag zwei Straßen weiter. Dort angekommen, stellte Fredrik die Tüte mit der Essensbox ab, holte das Handy hervor und las die beiden SMS, die Ida geschickt hatte und in denen sie ihm mitteilte, dass sie heute um sechs Uhr Schluss gemacht hatte, und er, wenn er wolle, doch zu ihr kommen und gemeinsam mit ihr einen Film sehen könnte oder so. Ihr Ton war in der letzten Zeit drängender geworden. Trotzdem zögerte er vor dem nächsten Schritt. Das würde definitiv beenden, was er im letzten Sommer mit Sofia gehabt hatte. In seinem tiefsten Innern wusste er, dass es längst vorbei war, trotzdem widerstrebte es ihm. Doch Idas Ungeduld wuchs mit jedem Tag, und bald würde er sich entscheiden müssen.
Als er gerade zurückschreiben wollte, dass er zu müde sei, um noch zu ihr zu kommen, klingelte das Handy. Es war Philip.
»Wie lief es? Bist du von Kinderwagenmamas und frisch verliebten Paaren in Sofakauflaune totgetrampelt worden?«
»Nicht direkt«, murmelte Philip. »Dein Auto ist liegen geblieben.«
»Was sagst du da?«, fragte Fredrik griff nach der Tüte mit der Essensbox, als die Bahn an der Haltestelle anhielt. Er stieg ein und setzte sich auf einen Fensterplatz.
»Was ist denn kaputt?«
»Woher soll ich das wissen?«, fauchte Philip.
Er klang gestresst. Das waren genau die Situationen, in denen er die Nerven verlor.
Im Spätsommer und Herbst hatte Philip das Haus seiner Eltern immer öfter verlassen. Er hatte sogar Fredrik im Krankenhaus von Sundsvall besucht, wo der am Kiefer operiert worden war, und das, obwohl die Reise dorthin über fünf Stunden dauerte. Kurz vor Weihnachten hatten Hans und Inga ihm nur wenige Straßen entfernt eine Mietwohnung besorgt. Es war eine Einzimmerwohnung mit Küchenecke – durchaus eine Umstellung nach dem geräumigen Keller in seinem Elternhaus.
»Mach dir keine Gedanken«, sagte Fredrik. »Lass das Auto auf dem Parkplatz stehen und fahr mit dem Taxi nach Hause. Ich kann morgen hinfahren und es mir ansehen. Bist du bei Ikea in Kungens Kurva oder in Barkaby?«
Philip räusperte sich angestrengt am anderen Ende der Leitung.
»Das geht nicht. Ich bin nicht bei Ikea. Ich bin nicht einmal in Stockholm.«
Fredrik lachte.
»Was meinst du damit?«
»Was zum Teufel glaubst du schon, was ich meine? Hast du eine Unfallversicherung?«
Es war deutlich zu hören, dass Philip mit seinen Nerven am Ende war. Mit ihm darüber zu diskutieren, wo er sich befand, würde ihn nur noch mehr stressen.
»Ja, auf der Innenseite der Fahrertür klebt ein Zettel. Ruf die an, dann helfen sie dir. Philip … ich mache mir ein bisschen Sorgen …«
Doch der Freund hatte bereits aufgelegt.
Das Baby wollte nicht aufhören zu strampeln. Auch wenn es schön war zu wissen, dass es da war und sich bewegte, merkte Sofia doch, dass es sie zunehmend anstrengte, nie wirklich zur Ruhe zu kommen. Sie hatte sich schon vor einer Stunde hingelegt, und obwohl sie furchtbar müde war, konnte sie nicht einschlafen. Wie auch immer sie sich positionierte, gab es immer etwas, das drückte oder spannte. Das Einzige, was funktionierte, war, in dem Schaukelstuhl zu sitzen, den sie von der Veranda hereinbugsiert hatte, und die Füße auf einen Hocker davor zu legen. In den letzten zwei Monaten war das ihr bevorzugter Schlafplatz gewesen.
Doch im Moment war das Wohnzimmer belegt, also hatte sie sich in das Doppelbett im oberen Stock legen müssen. Es war das alte, recht harte Holzbett ihrer Eltern, und sie war nie auf die Idee gekommen, es auszutauschen. Das Haus hatte nach dem Tod ihres Vaters so viele Jahre leer gestanden, dass sie es, nachdem sie schließlich eingezogen war, nicht übers Herz gebracht hatte, irgendetwas zu verändern. Alles atmete Ruhe und Geduld, und auch wenn sie ebenfalls an ihre Mutter Claire erinnert wurde, mit der sie ein sehr kompliziertes Verhältnis verbunden hatte, so spürte sie hier doch vor allem das Wesen ihres Vaters Sten. Es gab keinen Ort auf der Erde, an dem sich Sofia so wohl fühlte wie hier. Ihre Wohnung in Örnsköldsvik war nett und lag nahe zur Arbeit, aber meistens entschied sie sich doch, auf Ulvön zu übernachten, auch wenn das morgens lange Fahrten mit der italienischen Riva Ariston, dem Motorboot ihres Vaters, bedeutete, um zur Arbeit zu kommen. Jetzt war alles zugefroren, und die ganze Insel war schneebedeckt. Eine weiche weiße Decke, die alle Laute dämpfte und die Häuser in schöne Winterstimmung bettete. Diese wunderbare Stille entschädigte sie vollkommen für die intensiven Sommermonate, in denen die Touristen die Insel überschwemmten. Touren mit dem Tretschlitten runter ins Dorf, Würstchengrillen über offenem Feuer am Strand – hier herrschte jetzt eine Ruhe, die Auswärtige niemals wertschätzen konnten. Trotzdem vermisste Sofia das Gefühl der Freiheit auf dem Meer. Denn auch wenn das Wasser offen wäre, käme sie mittlerweile mit ihrem Babybauch vermutlich nicht mehr ins Boot oder wieder heraus. Wollte sie aufs Festland fahren, dann musste sie die Fähre entweder von Ulvöhamn oder Fjärenkajen nehmen, die am nächsten lagen. Doch solange das Eis so dick war und der Eisbrecher den Weg noch nicht freigemacht hatte, blieb nur das Luftkissenboot ab Fjärenkajen.
Manchmal nagte die Sorge an ihr, wie es mit der bevorstehenden Entbindung laufen sollte. Doch sie war nicht die erste Inselbewohnerin, die in ihrem eigenen Zuhause ein Kind zur Welt brachte. Natürlich gab es Risiken, aber sie war gesund, und in allen Untersuchungen hatte bisher nichts darauf hingedeutet, dass die Entbindung für sie gefährlicher werden würde als für jede andere Frau. Dass sie bereits neununddreißig Jahre alt war, schien die Hebamme in der Mütterzentrale nicht zu beunruhigen.
Das Kind hatte sich bereits gedreht, und der Kopf saß fest im Becken. Ihre Nachbarin Margit war ihr ganzes Arbeitsleben lang Hebamme gewesen. Jetzt war sie in Rente, doch im Laufe der Jahre hatte sie auf der Insel viele Kinder ohne Komplikationen zur Welt gebracht. Sie sagte immer, Frauen hätten das von jeher so gemacht. Wenn das Kind gesund sei, bräuchte man kein Krankenhaus, sondern könne alles zu Hause mit ein paar sauberen medizinischen Werkzeugen, Nadel, Faden und weiblicher Urkraft erledigen. Auch wenn Sofia das Gottvertrauen der alten Hebamme schätzte, war sie doch nicht bereit, den ganzen Weg auf traditionelle Weise zu gehen. Nach der Geburt würde sie aufs Festland fahren, um sowohl sich selbst als auch das Baby im Krankenhaus untersuchen zu lassen.
Sie wechselte noch einmal die Position. Obwohl sie kein urmütterliches Vorbild in ihrer eigenen Familie hatte, fühlte sie sich doch stark und furchtlos. Sie würde dieses Kind zur Welt bringen und großziehen, und sie war überzeugt, dass sie das ohne Probleme schaffen würde. Und Tord, ihr Patenonkel, würde die ganze Zeit an ihrer Seite sein. Und Kaj. Ob sie das nun wollte oder nicht. Im Herbst und im Winter hatte er ein paar Vortragsaufträge an der Polizeihochschule in Umeå angenommen. Kaj schien der Meinung sein, die Tatsache, dass sie gemeinsam ein Kind erwarteten, gebe ihm das Recht, jederzeit ohne Vorankündigung vorbeikommen und ein paar Tage bleiben zu können.
In dieser Woche war die Ermittlergruppe, zu der Sofia gehörte, auf einer Fortbildung. Es ging um Schusswaffengebrauch in Zivilkleidung, etwas, wovon man annahm, dass Sofia als Hochschwangere daran nicht teilnehmen könne. Auch wenn ihr das eigentlich widerstrebte, wäre es doch gelogen, wenn sie sagte, dass es nicht schön war, stattdessen draußen auf Ulvön mit einer Tasse Tee und dem Computer auf dem Schoß im Schaukelstuhl zu sitzen und in aller Ruhe zu arbeiten.
In den ersten Monaten der Schwangerschaft hatte sie unter extremer Übelkeit gelitten, was es ihr zeitweise unmöglich gemacht hatte, der Arbeit nachzugehen, die sie liebte. Ein Krankenhausaufenthalt am Tropf war auf den nächsten gefolgt, und am Ende hatte die Chefin der Ermittlergruppe, Kriminalhauptkommissarin Vera Nordlund, vorgeschlagen, sie solle ihre Stundenzahl reduzieren. Natürlich hatte Sofia das abgelehnt. Während der Krankschreibung hatte sie ihre Arbeit jede Minute vermisst. Als Polizistin zu arbeiten war erst nur eine Idee gewesen, aber mittlerweile zu einer Berufung geworden und ein ebenso selbstverständlicher Teil von ihr wie die Luft zum Atmen. Also arbeitete sie normal weiter. Kaj fand natürlich, dass sie schon vor langer Zeit in Mutterschutz hätte gehen sollen, doch so weit reichten seine Befugnisse als Vater nicht. Sie bestimmte selbst über ihren Körper und ihr Leben.
Die Liebesbeziehung, oder was immer es nun gewesen war, zwischen ihr und Kaj war schon länger beendet. Was blieb, waren gegenseitiger Respekt und eine starke Freundschaft. Kaj würde ein guter und verlässlicher Vater sein. Eine Wahl, mit der sie, zumindest zu großen Teilen, zufrieden war.
Manchmal konnte sie sich fast einbilden, glücklich zu sein. Ihr Baby würde ein liebevolles Zuhause mit einer Mutter bekommen, die nie gedacht hätte, dass sie das Glück, ein Kind zu haben, noch erleben würde. Tord würde es vergöttern und ihm alles beibringen, was man über Wald, Landschaft und Angeln wissen musste. Er hatte bereits angefangen, davon zu sprechen, dass das Kind sein Erbe werden würde, aber da hatte Sofia ihn zum Schweigen gebracht. Sie wollte überhaupt nicht an den Tag denken, an dem Tord weiterwandern würde. Doch natürlich war es ein gutes Gefühl zu wissen, dass das Kleine auch finanziell abgesichert war. Tord war ein vermögender Mann. Viele Menschen hatten ihm für ihre Grundstücke und Häuser zu danken. Über Generationen hatte die Grändbergsche Familie das, was sie besaß, unter Preis verkauft, um den Familien, die sich entschieden, auf der Insel zu bleiben, ein Dach über dem Kopf zu verschaffen. Und trotzdem gab es noch viel, aus dem er schöpfen konnte. Selbst wohnte Tord in einer einfachen, kleinen roten Hütte mit grün angestrichener Tür mitten in Ulvöhamn. Es war ein ehemaliges Fabrikgebäude von ungefähr fünfzig Quadratmetern, während der dazugehörige Herrensitz mit verglaster Veranda und Kachelofen vor langer Zeit schon verkauft worden war. Grundbesitz und Vermögen bedeuteten ihm nichts. Ein lebendiges Dorf und das Gefühl von Vertrautheit unter den Inselbewohnern waren ihm viel wichtiger.
In der schrägen kleinen Familie gab es so viel Liebe, mit der das Baby überschüttet werden würde. Dennoch konnte Sofia dieses Glück nicht so empfinden, wie alle es von ihr erwarteten. Ihre strahlende Erscheinung konnte einige ihrer Zweifel verbergen: Das lange blonde Haar war glänzender denn je, und ihre blasse sommersprossige Haut strahlte. Doch irgendetwas fehlte ihr, das spürte sie. Ein Kind sollte zwei Eltern um sich haben. So sollte es sein. Kaj würde ein gutes Vorbild sein, ein starker und verantwortungsbewusster Mann, zu dem man aufschauen konnte und der durchs Feuer gehen würde, um sein Kind zu beschützen, doch war er kein Vater in der Hinsicht, wie Sofia es sich wünschte. Sosehr sie sich auch auf das Baby freute, verspürte sie doch die Sehnsucht nach einer richtigen Familie. Nach der Familie, die sie selbst nie gehabt hatte. Gleichzeitig schämte sie sich, weil sie hier mit einem gesunden Baby im Bauch in ihrem geerbten Haus lag, das inzwischen sicherlich mehrere Millionen wert war, und immer noch nicht zufrieden war und sich noch mehr wünschte.
Sie wurde aus ihren Gedanken gerissen, weil sich im unteren Stockwerk jemand bewegte. Die Dielen direkt vor der Treppe knarrten. Die Geräusche im Haus waren ihr so vertraut, dass sie vor ihrem inneren Auge eine Karte bildeten. Jeder Schritt meldete eine neue Position, und jetzt war jemand auf dem Weg die Treppe hinauf. Sofia zog sich die Decke über die Schultern und schloss die Augen. Für einen Moment war es still, dann machten die Schritte kehrt und verschwanden zurück nach unten und zur Toilette.
Sie atmete aus.
Zwar hatte sie Kaj als Vater des Kindes ausgewählt, doch sie war nicht bereit, so weit zu gehen, mit ihm das Bett zu teilen, um heile Familie zu spielen.
Anders Svensson blickte auf seine Jeans hinunter. Sie waren viel zu eng und hatten modische Löcher über den Knien. Die Sportschuhe waren auch nicht ganz sein Stil. Riesige schwarze Philipp Plein mit einer goldfarbenen Spange an der Seite. Seine dunkelblaue Bomberjacke, die am Haken vor der Tür der Baubaracke hing, war fast lächerlich für einen Mann in seinem Alter. Das war ihm bewusst, trotzdem lief die American-Express-Karte in den Boutiquen um den Stureplan heiß. Jeder Einkauf brachte für einen Moment das Gefühl, dass ihm alles aus den Händen rann, zum Schweigen. Nächstes Jahr würde er fünfzig werden. Amanda hatte eine Reise nach Dubai mit der ganzen Verwandtschaft geplant. Die Rechnung würde natürlich er begleichen. Sie würden mit Vierradwagen durch die Wüste cruisen und einen Tauchschein machen. Er selbst wäre am liebsten zu Hause geblieben und hätte ein ruhiges Abendessen mit ein paar der engsten Freunde vorgezogen, aber Amanda hatte die Idee gehabt, und er wollte sie zufriedenstellen.
Der Altersunterschied zwischen ihnen weckte bei vielen Männern in seiner Umgebung Neid, doch war das auch nicht ganz unproblematisch. Er liebte es, seine junge schöne Ehefrau zu zeigen, hatte aber doch einsehen müssen, dass er bei ihrem Tempo nicht mehr lange würde mithalten können. Zu Anfang hatte die Euphorie über den fantastischen Sex und das enorme Selbstwertgefühl, das ihm durch ihre offenherzige Wertschätzung zukam, die Erschöpfung überdeckt, aber jetzt, sechs Jahre später, ging ihm langsam die Luft aus.
Anders sah durch das vergitterte Fenster der Baracke auf den Bau, der sich zum Himmel erstreckte. Der Wetterdienst hatte Schnee angekündigt, doch noch fielen keine Flocken über den groß angelegten Wohnkomplex mitten im Rosenlundspark. Bezugsfertig Herbst 2022. Ob das wohl klappen würde? Dies war das teuerste Gebäude, das er jemals zu bauen übernommen hatte, und sie waren in Verzug. Weit in Verzug. In der nächsten Woche sollte er einen revidierten Zeitplan für die Auftraggeber präsentieren, und er freute sich nicht darauf, ihnen die schlechten Neuigkeiten zu überbringen. Als wäre das nicht genug, riefen andauernd Steuerbehörde und Arbeitsaufsicht an, die Gerüchte über fehlende Arbeitsverträge gehört hatten und ihm einen Besuch abstatten wollten. Außerdem lag er mit den Zahlungen für die Villa zurück. Er hatte noch nicht gewagt, Amanda zu erzählen, dass er einen Brief vom Finanzamt bekommen hatte. Keinen Moment lang bildete er sich ein, dass sie bei ihm bleiben würde, wenn sie von den dreihundert Quadratmetern in Djursholm in eine Einzimmerwohnung in Rågsved würden ziehen müssen. Nein, ihm war sehr wohl bewusst, dass Amandas Interesse an ihm eng mit dem Lebensstil verknüpft war, den er ihr bieten konnte. Um daran teilhaben zu können, hatte sie ihn in den ersten Jahren wie einen König behandelt. Dann war Ellie gekommen, und der Sex war von tierisch geil zu nicht existent übergegangen. Amandas Fürsorge richtete sich jetzt ausschließlich auf die Tochter, und er diente nur mehr als Bankomat.
Es war zu viel. Im Moment war alles zu viel. Anders schielte auf die unterste Schublade des Schreibtischs. Was für ein verdammtes Klischee war er doch. Flachmann im Schreibtisch. Aber der Durst übertrumpfte die Scham, und er griff nach dem Schlüssel, schloss auf und fischte eine Flasche Ichiro’s Malt heraus, seit der letzten Asienreise sein neuer Lieblingswhisky. Er goss sich drei Finger hoch ein und leerte das Glas in einem Zug. Dann schenkte er sich sofort noch einmal die gleiche Menge ein, doch gerade als er das Glas zum Mund führte, klopfte es an der Tür zur Baracke. Der Bauleiter Jerzy Nowak trat ein, ohne eine Antwort abzuwarten. Anders schaffte es nicht mehr, das Glas zu verstecken, und der untersetzte Mann mit den dunklen Bartstoppeln versuchte nicht einmal, seinen resignierten Blick zu verbergen.
»Wir sind mit den Löhnen hinterher. Ich habe versucht, sie so gut es ging zu beruhigen, aber …«
Anders winkte ab. Darüber konnte er jetzt nicht nachdenken. Die würden mit ihren Löhnen warten müssen. Wichtig war jetzt, die verlorene Zeit aufzuholen.
»Die Hälfte der Arbeiter hier hat keinen offiziellen Baustellenausweis. Und du weißt, dass es heikel werden kann, wenn die Behörden das herausfinden.«
»Na und?« Anders spürte, wie das erste Glas Whisky im Magen brannte. Es feuerte die Wut an, die in seinem Innern kochte. Es war ja wohl nicht sein Fehler, dass es so gekommen war, oder? Jerzy war ein reicher Mann geworden, indem er seine Landsmänner als Schwarzarbeiter hierhergeholt hatte. Dass die keine Baustellenausweise hatten, mit der Arbeitnehmer auf dem Bau identifiziert und mit einem Arbeitgeber verknüpft wurden, war ja wohl klar. Vom ersten Bauprojekt draußen in den Vororten, wo niemand je Arbeitsverträge oder Lohnauszahlungen kontrolliert hatte, war die Anzahl der Schwarzarbeiter von zwei auf über die Hälfte aller bei SveAnd AB im Großraum Stockholm Beschäftigten angewachsen. Einige hatten ihre Frauen oder Schwestern mitgebracht, die für Jerzy in einem der verschiedenen Reinigungsunternehmen arbeiteten, die er nebenbei aufgebaut hatte. Anders hatte weggeschaut, solange der Bauleiter dafür sorgte, dass diejenigen, die nicht die vorgeschriebenen Papiere besaßen, sich bei Inspektionen nicht am Arbeitsplatz befanden, doch inzwischen hatte die Gewerbeaufsicht offensichtlich einen Tipp bekommen.
»Was soll das heißen, ›Na und‹?« Jerzy machte eine ergebene Geste mit den Händen. »Ist das alles, was du zu sagen hast? Verstehst du nicht, dass alles den Bach runtergehen wird, wenn du nicht sofort für alle Papiere besorgst?«
Anders hob das Glas und leerte es, während er seinen Bauleiter anschaute.
»Warum stehst du dann noch hier rum? Dann hast du ja wohl etwas zu tun.«
Jerzy schüttelte den Kopf.
»Diesmal nicht, Anders. Das ist dein Problem.«
Anders lachte.
»Mein Problem? Begreifst du nicht? Wenn ich falle, fällst du mit!«
Der Ton war selbstsicher, obwohl ihm schmerzhaft bewusst war, dass derjenige, der zuerst und auch am tiefsten fiele, er selbst sein würde.
»Ich bin nur Angestellter. Niemand kann beweisen, dass ich es war, der sich um die Beschaffung der Arbeitskräfte gekümmert hat, und du glaubst ja wohl nicht, dass ich dir den Rücken freihalten werde, wenn die Frage du oder ich lauten wird. Natürlich, ich verliere eine Einkunftsquelle, aber ich kann mir immer eine neue besorgen. Was wirst du tun, wenn du dein Unternehmen verlierst?«
Als er nicht antwortete, zog Jerzy den Reißverschluss seiner Jacke hoch und drehte sich um. Seine Stimme klang resigniert.
»Lös das Problem endlich!«
Anders öffnete den Mund, um etwas zu sagen, aber Jerzy war bereits durch die Tür der Baracke verschwunden.
Der Gierige ist immer arm, pflegte Großmutter zu sagen. Ich war erst elf Jahre alt, als ich anfing zu verstehen, was das bedeutete.
Ich sollte den Laden unten an der Ecke aufschließen. Eigenes Geld verdienen. Endlich würde ich etwas kaufen können, was ich selbst haben wollte, etwas, wofür man in meiner Familie niemals Geld verschwendete. Limonade, Süßigkeiten, Comics. Vielleicht würde ich auf ein Fahrrad sparen.
Papa kannte den Besitzer, und ich hatte die Schlüssel bekommen, damit ich früh am Morgen runtergehen, den Boden fegen und die Waren aufstapeln könnte. Ein schwerer Schlüsselbund, mit den Schlüsseln sowohl zum Laden als auch zum Hinterzimmer, in dem sich der Tresor befand. Wenn ich gewusst hätte, wie viel Prügel ich wegen dieses Schlüsselbunds beziehen würde, dann hätte ich ihn bereits am ersten Tag in den Fluss geworfen. Doch in dem Moment hatte ich das Gefühl, dass sie mir wirklich vertrauten. Dass ich zu den Erwachsenen zählte.
Als der Tag kam, an dem ich meinen ersten Lohn bekommen sollte, entschied der Ladenbesitzer, ich hätte meine Aufgaben nicht so erledigt, wie ich sollte. Ich würde nächsten Monat eine neue Chance bekommen. Wenn dann alles zur Zufriedenheit war, würde ich den Lohn für beide Monate bekommen. Und so ging es weiter.
Ich dachte, es würde anders werden, wenn ich erwachsen wäre. Dass derjenige, der hart arbeitet und ein guter Mensch ist, am Ende seine Belohnung bekommt. Dass alle Träume erfüllt werden, wenn man es verdient.
Wie ich mich täuschte.
Ida schwieg am anderen Ende der Leitung und wartete geduldig, dass Fredrik etwas sagte. Er konnte sie vor sich sehen, die Beine im Schneidersitz und das lange dunkle Haar offen über die Schultern ausgebreitet. Es war bereits halb elf, aber sie schien allzeit bereit zu sein und ging immer ran, wenn er anrief.
Er versuchte es mit dem entwaffnendsten Ton, den er zu bieten hatte.
»Es ist spät, und ich bin ein bisschen müde.«
»Ich habe morgen frei. Du kannst hier schlafen, wenn du willst.«
»Können wir uns den Film nicht an einem anderen Abend ansehen?«
»Na klar, aber … ich möchte einfach nur mit dir zusammen sein.«
Fredrik sah sich in dem leeren Straßenbahnwaggon um. »Ich mag dich total, Ida, aber du weißt, was ich durchgemacht habe. Ich bin nicht bereit für eine Beziehung. Du warst in diesen Monaten fantastisch, und ich hoffe, dass du dich weiter mit mir treffen willst, aber …«
Er hörte, wie Ida am anderen Ende bebend Luft holte.
Mit einem Mal wünschte Fredrik, er hätte dieses Gesprächsthema nie angeschnitten. Die Freundschaft mit Ida war die einzige wirkliche Beziehung, die er zu jemandem hatte, der nicht zur Familie Lindén gehörte. Ida war in jeder Hinsicht unkompliziert. Sie hatte Verständnis für alles und jeden. Ganz anders als Sofia, die bei anderen meist nach deren Fehlern zu suchen schien. Er hatte gedacht, sie würden eine neue Chance bekommen, als sie sich vorigen Sommer wiederbegegnet waren. Doch er war einfach nie gut genug für Sofia. Sie hatte ihn nach der Schussverletzung im Krankenhaus besucht, an seinem Bett gesessen und seine Hand gehalten. Sie hatten nicht viel gesprochen. Er nicht, weil die Kieferverletzung ihn daran hinderte. Sie nicht, weil … ja, was gab es eigentlich zu sagen? Es war unbegreiflich und absurd, was ihm zugestoßen war. Doch Sofia hatte sich schnell von dem Schock erholt und war von einer fürsorglichen Haltung ihm gegenüber dazu übergegangen, den Blick zu heben und nach vorne zu schauen. Es war ein Teil ihres Jobs, mit schwierigen Situationen umzugehen, sie strukturiert und rational zu betrachten, während er den Gedanken daran, was passiert wäre, wenn sie und ihre Chefin Vera Nordlund nicht rechtzeitig aufgetaucht wären, nicht loslassen konnte.
Außerdem hatte Fredrik nicht aufhören können, über seinen kleinen Bruder nachzudenken, obwohl er sich selbst mehrere Male geschworen hatte, das Thema endlich loszulassen. Hatte Niklas die Fährkatastrophe auf der Ostsee vielleicht doch überlebt, die ihre Eltern das Leben gekostet hatte? Irgendwie hatte Fredrik die Chance verpasst, Klarheit in all das zu bringen, was mit Sofia geschehen war, und dann hatte alles eine dramatische Wendung genommen. Er hatte versucht, seine Gedanken darüber mit Sofia zu teilen, aber da hatte sich ihr Ton verändert. Sie hatte angefangen, ihn infrage zu stellen, hatte gefunden, dass es höchste Zeit für ihn sei, die fruchtlosen Versuche aufzugeben, seinen Bruder zu finden, der mit allergrößter Wahrscheinlichkeit tot war, und zwar jetzt schon seit sechsundzwanzig Jahren. Ihre Worte provozierten Fredrik, auch wenn er wusste, dass in dem, was sie sagte, eine gewisse Logik lag. Am Ende hatte jeder ihrer Besuche dasselbe Muster gehabt. Hallo, wie geht es dir? Was sagen die Ärzte über deine Fortschritte? Wie willst du jetzt weitermachen? Was ist der Plan für dein Leben, Fredrik? Ihr ständiger Druck hatte ihn fertiggemacht. Hatte er denn nicht das Recht, mal innezuhalten und für den Bruchteil einer Sekunde nachzudenken, nachdem er zum zweiten Mal fast ums Leben gekommen war?
Nach einer Weile waren ihre Besuche seltener geworden. Sie hatten einfach nicht dieselbe Sichtweise auf das Leben. Sofia hatte ihr Krönchen zurechtgerückt und war weitergegangen, er steckte weiterhin in der Vergangenheit fest. Das letzte Mal hatte er sie gesehen, als Hans gekommen war, um ihn aus dem Krankenhaus abzuholen. Sie waren sich im Eingangsbereich begegnet, doch keiner von ihnen hatte Kontakt aufgenommen. Sofia war im Gebäude verschwunden, und er hatte sich ins Auto gesetzt und Örnsköldsvik verlassen.
Aber musste er deshalb für den Rest seines Lebens allein bleiben? Er war bald vierzig Jahre alt. Vielleicht würde er keine weiteren Chancen mehr bekommen. Auch wenn er für Sofia nicht taugte, konnte er doch für jemand anders gut genug sein. Offensichtlich war Ida der Ansicht, dass er durchaus liebenswert war. Auf einen Menschen zu warten, der dieselben himmelstürmenden Gefühle bei ihm auslöste, wie Sofia es getan hatte, war wahrscheinlich sinnlos. Vielleicht begnügten sich viele Menschen mit einem eher lauwarmen Gefühl und einer gewissen Anziehungskraft? Mit Gemeinschaft und Zusammengehörigkeit?
Fredrik kratzte sich den Handrücken und spürte die wohlbekannte Nervosität aufkommen. Er wollte nicht über sein Leben und alles, was er verloren hatte, nachdenken. Sowie sie auftauchten, versuchte er die Gedanken aktiv zu blockieren, doch im Herbst war das schwer gewesen. Im September vorigen Jahres war es fünfundzwanzig Jahre her gewesen, seit die Estonia-Katastrophe seine Familie zerstört und ihn fast das Leben gekostet hatte. Abgesehen vom Jahrestag und all dem, was der mit sich brachte, wurden neue Tauchgänge unternommen, und es ging das Gerücht, dass ein neuer Dokumentarfilm über die Estonia gedreht würde. Die ganze Zeit wurden ihm neue Wunden in die Seele geschlagen, die zu heilen er sich bemühen musste. Als wäre das nicht genug, gab es in den Medien andauernd Artikel über die Ereignisse auf Ulvön. Bei Facebook erhielt er immer noch Freundschaftsanfragen von unbekannten Menschen, und er bekam Anrufe von Journalisten, die ihn in verschiedenen Sendungen und Podcasts dabeihaben wollten. Dabei spielte keine Rolle, wie hartnäckig er behauptete, er habe alles hinter sich gelassen und wolle nicht darüber reden. Er kam sich vor wie ein wandernder Schicksalsschlag und hatte das Gefühl, dass die Leute Schlange standen, um in die offenen Wunden zu piken. Und jedes Mal tauchte in dem Zusammenhang auch Sofias Name auf und zerriss ihm erneut das Herz.
»Bist du noch da?« Ida klang ungeduldig.
»Ja, ich bin noch da.«
Fredrik dachte an seine leere Wohnung und all die Gedanken, die darin hausten.
»Okay, ich komme vorbei.«
Als Fredrik durch die Tür kam, saß Ida auf dem Sofa. Die Wohnung in Stora Mossen lag nicht weit von Hans’ und Ingas Reihenhaus entfernt. Ida hatte auf dem Tisch Kerzen angezündet, der Fernseher war ausgeschaltet. Die Zweizimmerwohnung wirkte genauso wie sie, warm und verspielt. Über der Sofalehne hing eine hellrosa Decke, passend zu den Zierkissen. Lampenschirme, Gardinen und Teppiche waren alle in hellgrauen oder hellrosa Tönen gehalten. Flohmarktfunde mischten sich mit teuren Designermöbeln. Fredrik lächelte. Ida war nicht nur fürsorglich und hübsch, sie hatte auch eine witzige und spontane Seite. Etwas, das weder er noch Sofia besaßen. War das vielleicht genau das, was er brauchte? Jemanden, der ihn aus seiner Schale zog und ihm beibrachte, das Leben wieder wertzuschätzen?
»Hallo.« Ida klopfte neben sich. »Komm und setz dich.«
Fredrik zog die Turnschuhe aus und stellte sie auf den Teppich in der Diele. Sie betrachtete ihn vom Sofa aus.
»Wie war es bei Inga und Hans?«
Er hob die Tüte mit der Essensbox hoch.
»Elchsteak. Bist du scharf drauf?«
Ida schüttelte den Kopf und lachte.
»Wie geht’s dir heute?«, fragte sie, als er sich neben sie setzte. Der Tonfall tendierte ein bisschen zu dem, den sie im Arbeitskontext anschlug, wurde aber bald wieder freundschaftlich, als er Daumen hoch zeigte und sich über den Kiefer rieb, während er den Mund ein paarmal öffnete und wieder schloss.
»Und hier?« Ida strich mit dem Daumen über seine Stirn. »Wie geht’s hier drinnen?«
Fredrik bemühte sich, nicht vor ihrer Berührung zurückzuzucken. Er wollte, dass sie ihn berührte, aber dann auch wieder nicht. Er hatte ihr alles erzählt. Nicht nur von Sofia und den Ereignissen auf Ulvön, sondern auch von Niklas, der Estonia und den Ängsten, die er in jener Nacht durchlebt hatte. Er hatte Ida mehr erzählt als irgendjemandem sonst. Mehr als Sofia und seinem Psychiater Torsten Bredh. Sogar, dass er sich immer noch weigerte zu glauben, dass sein Bruder tot war. Ida hatte zugehört, ohne ihn zu verurteilen, hatte Fragen gestellt und gemeinsam mit ihm argumentiert. Wenn Niklas tatsächlich überlebt hätte, wohin wäre er dann gegangen? Hätte er Fredrik dann nicht aufgesucht? Warum wurde er nicht in irgendwelchen offiziellen Informationen oder Krankenakten genannt? Fredrik hatte keine Antworten auf diese Fragen. Ida auch nicht, aber sie ließ ihn weitermachen. Abend um Abend, Nacht um Nacht am Telefon. Ohne dass sie jemals infrage gestellt hätte, was er sagte. Auch wenn es befreiend war, offen über seine Gedanken sprechen zu können, so fragte er sich doch manchmal, ob das wirklich gesund war, oder ob diese Gespräche nur seinen kranken Fantasien Nahrung gaben.
Ida streichelte weiter seine Stirn mit dem Daumen und ließ die Finger hinunter über seinen Nacken wandern. Die Berührung war nicht unangenehm. Er drehte sich um und schaute in ihre großen braunen Augen. Sie seien sich so ähnlich, das man sie sich beide sehr gut als Ehepaar vorstellen könne, hatte Inga bei dem einzigen Mal, als sie Ida gesehen hatte, gesagt. Er fand das auch. Sie hatten beide olivfarbene Haut und fast schwarze Augen. Er wusste nicht, wie Idas Eltern aussahen, aber sein eigener Vater war blond und blauäugig gewesen. Seine Mutter hatte behauptet, bei ihm seien die Gene seiner belgischen Ahnen durchgeschlagen. Wallonenblut, pflegte sie zu sagen.
Idas Augen sahen glänzend und flehend aus, als sie ihn jetzt ansah. Sie war wirklich hübsch. Er streichelte ihr glänzendes Haar. Was spielte es schon für eine Rolle, wenn er sich verführen ließe? Als ob sie seine Gedanken gehört hätte, beugte sie sich vor und berührte mit ihren Lippen die seinen. Ihr Mund war warm, und sie schmeckte nach Pfefferminztee.
Er erwiderte den Kuss und zog sie näher an sich.
*
Philip faltete umständlich die Quittung vom Bereitschaftsdienst der Leihwagenfirma und schob sie in die Innentasche seiner Jacke. Er sah auf die Uhr. Bald halb eins in der Nacht.
»Dann kann ich also einfach losfahren?«
Der Mann, der mit ihm in der Garage stand, nickte.
»Und Sie sind sicher, dass Sie kein Problem damit haben, mit Schaltung zu fahren?« Er sah besorgt zu dem frisch gewaschenen Auto, das hinter ihnen stand. Bestimmt rechnete er sich im Kopf aus, was es kosten würde, ein Getriebe auszutauschen, das von einem Idioten in Sommerkleidern zerstört worden war, der nur Automatik fahren konnte. Und auch das offensichtlich nicht so gut, denn der Motor des vorigen Wagens hatte ja gekocht, obwohl draußen Minusgrade herrschten.
Philip nahm trotzig die Schlüssel entgegen, dankte ihm noch einmal und begab sich zum Mietwagen. Sein Führerschein besagte klar und deutlich, dass er nur für Automatikschaltungen galt, und er hatte keine Ahnung, ob er das letzte Stück der Reise mit einer Gangschaltung schaffen würde. Noch dazu mitten in diesem Schneesturm. Nun würde er außerdem deutlich später ankommen, weil er mit dem Abschleppwagen zurück nach Sundsvall hatte fahren müssen, um sich dort einen Ersatzwagen abzuholen. Der Mann von der Autovermietung blieb stehen und kontrollierte, ob Philip es schaffte, den Wagen zu starten und aus der Garage zu rollen, ohne das ganze Gebäude mitzunehmen. Er betete kurz, dass es ihm gelingen würde anzufahren, ohne das Auto abzuwürgen, und lächelte dem Mann triumphierend zu, als er durch das Garagentor hinausfuhr.
Er wusste nicht, warum ihn die offenkundige Sorge des Mannes so provoziert hatte, aber es war ganz deutlich, dass der ihm misstraute. Wahrscheinlich strahlte er die totale Verlorenheit, die er empfand, aus wie ein knallrotes Stoppschild. Er selbst würde auch kein Auto an einen wie ihn ausleihen. Dass Fredrik ihm erlaubt hatte, seinen nagelneuen Volvo zu fahren, erstaunte ihn immer noch. Aber das hatte er natürlich nur getan, weil er angenommen hatte, Philip würde den Wagen nur im Großraum Stockholm bewegen.
Im Herbst hatte Fredrik den alten Škoda seiner Großmutter verkauft, und eines Tages war er einfach mit dem Volvo zu Hause bei Philips Eltern aufgekreuzt. Wahrscheinlich hatte er in irgendeiner Form Schmerzensgeld bekommen, weil er ja von einer Polizistin angeschossen worden war, doch Philip hatte nicht zu fragen gewagt.
Nachdem es ihm gelungen war, sich aus Sundsvall herauszuarbeiten und er wieder auf der E4 unterwegs war, holte er das Handy aus der Tasche, erkannte aber schnell, dass es keine gute Idee war, beim Fahren im Schneesturm eine SMS zu schreiben. Anrufen wollte er nicht. Sie hatten zunächst über Chat kommuniziert, dann Telefonnummern ausgetauscht und begonnen, einander Nachrichten zu schicken. Ein paarmal hatte sie ihn angerufen, aber die Gespräche waren abgehackt und irgendwie peinlich gewesen, weshalb sie wieder zu der Kommunikationsform übergegangen waren, die ihnen beiden am angenehmsten war. Nach zwei Monaten hatte sie vorgeschlagen, dass sie sich treffen sollten. Sie studierte in Umeå, war aber ein Wochenende zu Hause in Stockholm. Über seine Problematik war sie voll und ganz informiert und schien sie besser zu verstehen als irgendein anderer Mensch, den er je getroffen hatte. Sie hatte angeboten, zu ihm nach Hause zu kommen, obwohl es ja etwas unkonventionell war, als erwachsener Mann ein erstes Date unter dem Dach seiner Eltern zu haben. Philip hatte Vor- und Nachteile des Angebots abgewogen und sich schließlich entschieden, dass es besser wäre, wenn sie sich woanders träfen. Hans und Inga würden niemals aufhören, ihn auszufragen, wenn plötzlich eine unbekannte Frau bei ihm auftauchte. Und nicht nur die Tatsache, dass er sich mit jemandem traf, war heikel, sondern auch der Altersunterschied von zwölf Jahren. Sie war erst siebenundzwanzig und steckte mitten in ihrem Studium. Sie beschlossen, sich in einem Café am Alviks Torg zu treffen. Auf diese Weise hätte Philip es nicht weit nach Hause, falls er Panikgefühle bekäme.
Das erste Date damals war gut gegangen. Sie kannten einander bereits so gut, dass sie sich nicht mit sinnlosen Fragen über dies oder das aufhalten mussten, sondern sie hatten sich hingesetzt, einander über einem Kaffee bei den Händen genommen und sofort angefangen, die jüngste Folge der Fernsehserie, die sie beide gerne sahen, zu diskutieren. Es war episch gewesen. Er war nach Hause geschwebt, ohne dass seine Füße den Boden berührt hätten. Hans und Inga hatten natürlich gemerkt, dass sich etwas verändert hatte, doch er hatte sich konsequent geweigert, sie in seine neue Welt einzuladen. Und es war wirklich eine neue Welt. Mit ihr an seiner Seite schaffte er es nicht nur, aus dem Haus zu gehen, sondern auch unter Leute. Im vernünftigen Rahmen.
Sie hatten es ruhig angehen lassen. Die Gefühle und die Neugier waren da, aber für Philip war es ein riesiger Schritt gewesen, das Ausleben seiner Sexualität vom Bildschirm und der Abgeschiedenheit in seinem eigenen Schlafzimmer auf eine Frau aus Fleisch und Blut zu richten. Er hatte die ganze Zeit Angst, sie zu enttäuschen. Bei dem einzigen Mal, das er vorher Sex gehabt hatte, war er vierzehn Jahre alt gewesen, und die armseligen Versuche, die Sexszenen, die er in alten Pornofilmen gesehen hatte, nachzuahmen, endeten damit, dass er nach einer Minute kam, während das Mädchen still neben ihm lag und sich nicht traute, etwas zu sagen.
Schon da hatte er angefangen, sich von der Welt zurückzuziehen, hatte er das Gefühl gehabt, anders zu sein. Was andere interessierte, war ihm gleichgültig. Seine Freunde waren einer nach dem anderen weggeblieben, und schließlich gab es nur noch Fredrik. Erst da war die Bezeichnung »emotionale Beeinträchtigung« ausgesprochen worden. Die Schule hatte er auf Distanz absolvieren dürfen, aber damit verschwand auch die Möglichkeit, jemanden in seinem Alter zu treffen. Erstaunlicherweise hatte er sich all die Jahre mit seinen Bildschirmfreundinnen zufriedengegeben, ohne die Berührung eines anderen Menschen zu vermissen.
Bis heute.
Der Schnee fiel immer dichter, je weiter er nach Norden kam, und es fing an zu stürmen. Als Philip über die Höga-Kusten-Brücke fuhr, wehte es so stark, dass er meinte, das Auto würde von der Straße geblasen. Der Gedanke an das kalte Wasser da unten verwirrte ihn, und er konzentrierte sich nur noch auf die Straße und versuchte, nicht zur Seite zu schauen. An dem langen Hügel am Nationalpark Skuleskogen vorbei konnte er sehen, dass auf der Gegenspur mehrere Autos von der Fahrbahn gerutscht waren. Er sandte dankbar einen mentalen Gruß an das gelb-orangefarbene Streufahrzeug, das einige Autos vor ihm fuhr. Eine frisch geräumte und gestreute Straße erhöhte die Chancen, dass es ihm erspart bleiben würde, irgendwo in einer Schneewehe zu versinken. Mit seinen Wildlederschuhen würde er keinen langen Spaziergang im Schneesturm überleben.
Laut GPS sollte nur wenige Kilometer entfernt ein kleiner Ort kommen, Bjästa. Das Symbol auf dem Bildschirm am Armaturenbrett zeigte, dass es da Lebensmittel und eine Tankstelle gab. Von dort waren es nur noch zehn Kilometer nach Sunnansjö. Philip betätigte den Hebel auf der linken Seite des Lenkrads, um zu sehen, wie weit das Benzin reichen würde. Noch hundertfünfzig Kilometer. Er sah schon vor sich, wie Madde strahlen würde, wenn er an die Tür klopfte, auch wenn es mitten in der Nacht war. Sie würde sich in seine Arme werfen. Alles würde verziehen sein, und sie würden dicht beieinander schlafen. Er spürte, wie seine Wangen bei diesen Gedanken vor Vorfreude rot wurden.
Er bog von der E4 ab und fuhr weiter nach Sunnansjö. Sowie er die große geräumte Straße verließ, wurde es schwieriger mit dem Vorwärtskommen. Die tiefen Reifenspuren ließen das Auto krängen wie auf einem alten Bahngleis. Der Schnee fiel immer noch in Massen, und die Sicht war schlecht. Straßenbeleuchtung gab es schon seit der Abfahrt nicht mehr, und das Einzige, was er draußen noch erkennen konnte, war Wald.
Philip fuhr den letzten Kilometer im Schneckentempo und suchte nach dem alten Schulhaus, das Madde ihm beschrieben hatte, doch keines der wenigen Gebäude, die an der Straße entlang verteilt waren, passte dazu. Er blieb stehen und rief ihre letzte Chat-Konversation im Handy auf. Kleine Abzweigung nach rechts hinter den Briefkästen. Dann folgte eine lange Reihe wütender Mitteilungen, weil er geschrieben hatte, er hätte es sich anders überlegt und wolle nun doch nicht zu ihr hoch fahren.
Zuerst hatten sie entschieden, dass sie zwei Nächte bleiben würden. Das hatte sich machbar angefühlt. Dann hatte sie gewollt, dass er länger bliebe und ihren Vater kennenlernte, der am Samstag kommen würde. Sie wollte ihn ihm vorführen, sagte sie. Aber Philip fühlte sich nicht bereit, um irgendwelchen Eltern vorgeführt zu werden. Noch weniger an einem unbekannten Ort weit oben im Norden, wo es keinen sicheren Platz gab, an den er fliehen konnte. Aber dann hatte er es sich anders überlegt. Den Vater wollte er nach wie vor nicht treffen, sondern einfach nur zu ihr fahren. Er hatte sich entschieden, die Zähne für sie zusammenzubeißen. Und jetzt war er hier. Nicht ohne einen gewissen Stolz darüber zu empfinden.
Philip blickte über die Straße, und da stand sehr wohl eine Reihe eingeschneiter Briefkästen. Obwohl außer ihm niemand unterwegs war, setzte er den Blinker und bog ab. Ein paar Hundert Meter weiter im Wald, oben auf einem steilen Hügel, sah er das Haus. Er fuhr in die Auffahrt und schaltete den Motor aus, saß dann aber ein paar Augenblicke unbeweglich da, um sich zu sammeln. Er hätte Blumen kaufen sollen, fiel ihm ein, doch jetzt war es dafür zu spät.
Philip stieg aus und strich seine Jacke glatt. Er spürte, wie sein Herz laut und aufgeregt in seinem Brustkorb pochte und wie seine Hände schweißnass wurden, doch das war nicht unangenehm, so wie sonst, er fühlte kribbelnde Vorfreude.
Er dachte darüber nach, ob er sie doch erst anrufen sollte, um sie nicht zu erschrecken. Es war spät, schon nach drei Uhr nachts. Doch als er sah, dass Licht leuchtete, klopfte er vorsichtig an die Eingangstür. Als niemand öffnete und auch kein Laut von innen zu hören war, legte er die Hand auf die Klinke. Die Tür war nicht verschlossen.
»Hallo?«
Das Haus war ausgekühlt. Er drehte ein paar Runden im unteren Stockwerk, ohne die Schuhe auszuziehen. Die riesige Küche war menschenleer, ebenso die Gästezimmer. Im offenen Kamin im Wohnzimmer lagen ein paar aufgestapelte Holzscheite, bereit, angezündet zu werden. Er klopfte vorsichtig an die Toilettentür, doch die war auch nicht verschlossen, und es war niemand darin.
»Madde?« Philip rief wieder. Keine Antwort. Am Ende holte er das Handy hervor und wählte ihre Nummer. Er hörte das Klingeln in der Nähe. Er blieb stehen und versuchte, das Geräusch zu lokalisieren. Es kam aus einem der Schränke.
Ich höre ihn da draußen. Unsichere Schritte im Wohnzimmer und dann weiter in die Küche und wieder zurück. Er bleibt vor dem Schrank stehen.
Ich drücke mich fester an die Wand, spüre den Duft von Lavendel und Zedernholz. Kleine wohlriechende Tüten, die Motten davon abhalten sollen, die teuren Kleider zu zerfressen. Der Pelzkragen einer der Daunenjacken berührt meinen Nacken, und ich zucke zusammen. Es juckt, aber ich wage nicht, mich aus meinem Versteck zwischen Jacketts und Mänteln herauszubewegen, aus Angst, dass die Bügel Geräusche machen könnten.
Dann klingelt wieder das Handy. Eine gedämpfte Melodie, die an Klaviermusik erinnert. Langsam öffnet sich die Schranktür. Er bleibt auf der Schwelle stehen, ohne die Lampe einzuschalten.
So stehen wir eine Weile da. Er in der Türöffnung, und ich nur fünf Schritte entfernt an der Wand. Jeden Moment wird er mich sehen. Ich spanne den Körper an, bereit, mich nach vorn zu stürzen. Seine Silhouette ist schmal gegen das Flurlicht. Ich denke, dass ich wohl stärker bin.
Das Herz dröhnt in meinem Körper.
Es ist alles schiefgegangen. Alles.
Im Schrank war es dunkel. Der Lichtschalter am Türrahmen funktionierte nicht. Trotzdem versuchte er mehrmals, ihn ein- und auszuschalten.
»Madde?«
Das Handy klingelte immer weiter. Im Licht, das von der Diele herüberschien, sah Philip reihenweise Winterkleider, Koffer, Skier und Skischuhe. Er dachte gerade darüber nach, dass dieser Schrank genauso groß war wie seine Einzimmerwohnung, als er Madeleines Jacke an einem Haken erkannte und sie herunterhob. In der Tasche steckte ihr Handy.