Schattenjagd - Anne von Vaszary - E-Book

Schattenjagd E-Book

Anne von Vaszary

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Beschreibung

Immer der Nase nach: »Die Schnüfflerin« Nina Buck ist zurück, und auch bei ihrem 2. Fall im Berlin-Krimi »Schattenjagd« ist ihr untrüglicher Geruchssinn gefragt Hat Koller Wahnvorstellungen? Seit seiner Suspendierung wirkt Nina Bucks Mentor regelrecht besessen vom ungelösten Fall des sogenannten »Schattenmanns«, des Serientäters, dem er auch seine Beinprothese verdankt. Nina macht sich ernsthafte Sorgen um ihren väterlichen Freund. Zudem scheint der aktuelle Fall, an dem Nina als Praktikantin bei der Polizei mitarbeitet, unlösbar zu sein. Ein Mann wird vor die einfahrende S-Bahn geschubst, und die einzige Spur ist ein Taschendieb, der mit der Brieftasche des Mörders im Gedränge verschwunden ist. Eine Sackgasse also – wäre da nicht ein auffälliger Duft nach Mandarinen, dem Nina selbst erst kürzlich in der S-Bahn begegnet ist ... Mit Nina Buck und ihrem besonderen Geruchssinn hat Anne von Vaszary eine ebenso ungewöhnliche wie liebenswerte Ermittlerin geschaffen, die mit dem eigenbrötlerischen Koller das perfekte Team abgibt. Ihren ersten Fall lösen die beiden im Berlin-Krimi »Die Schnüfflerin« »Eine originelle Krimi-Reihe mit leichtem Witz, großartigen Figuren und einer Ermittlerin mit besonderem Talent - ein großes Lesevergnügen!« Vincent Kliesch

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Seitenzahl: 359

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Schattenjagd

Ein neuer Fall für Nina Buck

Kriminalroman

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Über dieses Buch

Nina Buck steht vor gleich zwei unlösbaren Problemen: Ihr Mentor Koller ist seit seiner Suspendierung regelrecht besessen vom »Schattenmann«, einem Serienmörder, der nie gefasst wurde. Und auch der Fall, an dem Nina als Praktikantin bei der Berliner Polizei mitarbeitet, scheint unlösbar zu sein: Ein Mann wird vor die einfahrende S-Bahn geschubst, und die einzige Spur ist ein Taschendieb, der mit der Brieftasche des Täters im Gedränge verschwunden ist. Eine Sackgasse also – wäre da nicht ein auffälliger Duft nach Mandarinen ...

Inhaltsübersicht

Widmung

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

20. Kapitel

21. Kapitel

22. Kapitel

23. Kapitel

24. Kapitel

25. Kapitel

26. Kapitel

27. Kapitel

28. Kapitel

29. Kapitel

30. Kapitel

31. Kapitel

32. Kapitel

33. Kapitel

34. Kapitel

35. Kapitel

36. Kapitel

37. Kapitel

38. Kapitel

39. Kapitel

40. Kapitel

41. Kapitel

42. Kapitel

43. Kapitel

Danksagung

Für alle Verschwundenen und diejenigen,

die noch immer auf sie warten.

1

Eindeutig Ziegenkäse. Können wir dann langsam Schluss machen? Ich hab Hunger, ist schließlich meine Mittagspause.«

»Gleich. Wonach riecht’s hier?«

»Getrocknete Tomaten und Essig …«

»Richtig. Und hier?«

»Total eklig. Nach was Fettigem, Ranzigem. Vielleicht in Salbei eingelegter Speck?«

»Sehe ich hier nicht, aber könnte vom Verkäufer kommen, der schwitzt ganz schön.«

»Koller, mir reicht’s wirklich!«

Seit einer halben Stunde führte mich dieser große blonde schnauzbärtige Mann nun schon humpelnd über den Wochenmarkt. Mit verbundenen Augen sollte ich alles aufzählen, was mir an diesem lauen Augusttag in die Nase stach. Sicher schüttelten die Leute den Kopf über uns. Aber das war ich gewöhnt. Koller zog diesen straffen Trainingsplan durch, um meinen Geruchssinn, der sich während der Schwangerschaft vor einem Jahr so empfindlich ausgeprägt hatte, zu erhalten und zu verfeinern. Ich hatte schon meine Ernährung umgestellt, vermied künstliche Aromen, Kaffee und Zucker, sollte meinen Körper von derlei Einflüssen fernhalten, um seine Reaktion auf Düfte ungefiltert wahrnehmen zu können – was Koller nicht davon abhielt, in meiner Gegenwart ungeniert Kuchen mit Zuckerguss und Kaffee in sich reinzuschaufeln.

Zu den täglichen Ernährungsgängeleien, Atemübungen und Schnuppertests an nummerierten Duftsticks gehörten dienstags, donnerstags und sonntags Riech-Challenges in freiem Gelände. Der Blindgang über den Wochenmarkt war noch die angenehmste Aufgabe, trotzdem fand ich, dass es für heute genug war.

»Na schön, dann schnüffeln Sie sich jetzt nur noch zum Schinkenstand durch, und dann essen wir was.«

»Nein«, sagte ich, wand meinen Arm aus Kollers Griff und nahm die Augenbinde ab. »Ich hole mir jetzt was. Und zwar was Vegetarisches.«

In einer halben Stunde ging mein Praktikum weiter – bei der Polizeidirektion Mitte, Abschnitt 57. Heute war Donnerstag der zweiten Woche, und die beiden Polizisten, die mich unter ihre Fittiche genommen hatten, würde ich ganz sicher nicht warten lassen. Mit ihnen Streife zu fahren war besser, als ich erwartet hatte, denn eigentlich wäre ich viel lieber bei der Mordkommission gelandet.

Aber da würde ich schon noch hinkommen, und zwar nicht nur für ein kurzes Praktikum. Im letzten Jahr hatte ich mein Abi nachgeholt, und wenn alles gut ging, würde ich im Oktober einen Studienplatz bekommen, der mich meinem Traum, Kriminalkommissarin zu werden, näher brachte.

Ich bestellte mir einen Wrap, und während der Verkäufer ihn mir einpackte, sagte ich Koller, dass ich nächsten Donnerstag keine Zeit fürs Training haben würde. »Da darf ich bei den K1-Leuten mitlaufen!«

K1, die Kriminalinspektion, auch Kriminaldauerdienst genannt, war einen Schritt näher an der Mordkommission dran. Dort arbeiteten Leute, die sich sieben Tage die Woche vierundzwanzig Stunden lang mit Tatortarbeit beschäftigten. Sie waren das Bindeglied zwischen Funkstreife und Mordkommission. Der Donnerstag nächster Woche war in meinem Kalender rot eingekreist.

»Vielleicht können wir unsere Treffen generell ausfallen lassen, solange das Praktikum läuft?«, fragte ich ganz beiläufig und so, als wäre es mir eben erst eingefallen. Dabei hatte ich mich bisher nur nicht getraut. Auch wenn man nicht viel von Kollers Gesicht sah, weil der Schnurrbart die Hälfte verdeckte – manchmal nahmen seine stahlgrauen Augen so ein düsteres Regengrau an, das mich fertigmachte.

»Ich meine werktags. Sind ja nur noch zwei Wochen«, schob ich direkt nach.

»Hm«, knurrte Koller, wackelte mit dem Bart und zog die Stirn kraus. War sein Blick dunkler geworden, oder lag das am Schatten, den die Wrap-Wagen-Markise auf sein Gesicht warf?

»Aber diesen Sonntag bleibt’s dabei?«, fragte er. »Ich habe schon einen festen Plan.«

»Klar, Sonntag passt«, sagte ich, erleichtert darüber, endlich mehr Zeit fürs Praktikum zu haben.

»Dann acht Uhr an der S-Bahn-Station Gesundbrunnen.«

»Morgens?«

»Na, wenn Sie werktags streichen.«

An dieser Stelle holte ich tief Luft, verkniff mir jede Widerrede und biss in meinen Wrap.

Wann würde Koller sich endlich ein anderes Hobby suchen? Nach seiner Suspendierung bestätigte ihm nun ein ärztliches Attest, dass er bis auf Weiteres dienstuntauglich war. Er nutzte die Zeit, sich in die Feinheiten der Sommelierkunst und der Parfümeure einzuarbeiten. Nur zwei von zahlreichen Berufszweigen, die auf gute Nasen angewiesen waren und viele Tricks und Kniffe kannten, diese zu trainieren. Das Schlüsselwort beim Geruchstraining war Regelmäßigkeit, sonst verlor sich die Differenzierungsfähigkeit schnell wieder. Es war ja sehr nett von Koller, dass er sich für mich so viel Zeit nahm und sogar Schnupperkurse finanzierte, aber mir war auch klar, dass seine Konzentration auf mich nur eine willkommene Ablenkung von seinen eigenen Problemen war. Ganz oben auf der Liste stand dort ein alter Fall, der ihn nicht losließ – und natürlich das Problem mit seinem Bein. Noch immer hatte er kein Prothesensystem gefunden, mit dem er vernünftig laufen konnte, und wenn er mich mit verbundenen Augen herumführte, um irgendwelche Spezialgerüche zu erschnüffeln, dann sah ich zwar nicht, wie er die Zähne zusammenbiss, aber ich hörte es. Und ich wusste von dem Schmerztablettenmix, den er heimlich – aber nicht heimlich genug – in seinen Wassergläsern und Kaffeebechern auflöste.

Dabei war ich überzeugt davon, dass ich auch ohne den Geruchssinn eine gute Polizistin werden würde, und wollte das auch beweisen. Aber solange Kollers Humpelei nicht besser wurde, konnte er nicht in den Dienst zurückkehren. Ein Teufelskreis.

»Okay, acht Uhr dann, am Sonntag«, sagte ich.

Koller nickte mir zu, und der Schatten über seinen Augen verschwand.

* * *

2

Der Wochenmarkt am Kollwitzplatz lag einen gemütlichen Spaziergang entfernt vom Treffpunkt an der Nebenwache auf dem Alexanderplatz. Die Strecke führte an einem der selten gewordenen Softeisläden vorbei, doch leider war ich dank Kollers Trainingseinheiten wieder einmal spät dran. Ich beeilte mich, die Treppen zur U-Bahn-Station am Senefelderplatz hinunterzukommen, wurde angerempelt, rempelte zurück und erwischte gerade noch die bereitstehende Bahn Richtung Alex.

In der U2 roch es normalerweise so, dass ich mir am liebsten die Nase zuhalten wollte. Der Geruch kam von niemand Bestimmtem, es war der muffige und abgestandene Gestank des Unterirdischen. Aber heute schien diesem trüben Dunst eine freundliche, zitrusfruchtige Note beigemischt zu sein.

Ich schaute mich um und sah den Kerl, der mich eben noch weggerempelt hatte, in unmittelbarer Nähe sitzen und eine Mandarine schälen. Er trug ein schlichtes graues Leinenhemd zu einer olivfarbenen Armeehose, was sehr lässig wirkte, und sah auch sonst nicht schlecht aus. Er schien viel unter freiem Himmel unterwegs zu sein, wirkte wettererprobt, so als würde ihm auch eine Wanderung im Regen wenig ausmachen. Seine Locken waren ähnlich dicht und schwarz wie Rickys, nur trug er sie länger und legte weniger Wert darauf, sie zu stylen.

Er bemerkte meinen Blick und erwiderte ihn mit blitzenden Augen. Dann lächelte er, wobei sich seine Mundwinkel kräuselten und eine Lücke zwischen den beiden Vorderzähnen zum Vorschein kam. Es war mir unmöglich, diesem Lächeln zu widerstehen.

Als er mir ein Stück seiner Mandarine reichte, nahm ich es an.

Dieser Duft! Wann hatte ich den das letzte Mal gerochen?

Meine Oma hatte Mandarinen um die Weihnachtszeit immer stiegenweise gekauft. Sie achtete darauf, dass sie nicht gespritzt waren, verwendete ihre Schalen fürs Keksebacken oder dafür, den Raum zu beduften, indem sie die Schale vor einer brennenden Kerze zusammendrückte und durch die heraussprühende Flüssigkeit eine Art Stichflamme erzeugte. Bewusst wahrgenommen hatte ich die Aromawirkung damals nicht, aber ich erinnerte mich, wie ich als Kind massenhaft Mandarinenschalen für Stichflammen und Kekse hortete. Sie backte sie mit Kokosraspeln.

Wo hatte der Typ diese Weihnachtsmandarinen her?

Ich schaute wieder zu ihm hinüber. Seine Haare glänzten wie frisch gewaschen, vielleicht benutzte er ein Shampoo mit Kokosduft, das diese Keksassoziation verstärkte. Jetzt holte er noch eine Mandarine aus der gut gefüllten Seitentasche seiner Hose hervor und begann, sie zu schälen.

Wie schön unser Weihnachtsbaum immer geschmückt war; meine Oma versah jeden noch so kleinen Zweig mit Schleifen aus Geschenkbändern. Sechs Jahre lag das letzte gemeinsame Fest zurück, sechs Jahre lang war meine Oma nun schon nicht mehr in der Welt.

Die U-Bahn hielt am Rosa-Luxemburg-Platz, Leute stiegen aus, neben dem Mandarinentyp wurde ein Platz frei. Sollte ich mich für eine Station noch hinsetzen?

Ich dachte an Ricky, kaute das Mandarinenstück und blieb stehen. Wir waren jetzt seit einem Jahr zusammen, und ich wollte, dass das noch länger so blieb. Allerdings hatte ich wenig Erfahrung mit derart verbindlichen Beziehungen und wusste manchmal nicht so recht, wie ich ein Zusammensein realistisch durchziehen sollte. Meine Oma hatte immer gesagt: Distanz schafft Nähe. Also ließ ich Ricky möglichst viele Freiheiten und sah zu, dass ich mir diese ebenfalls nahm, um das Gleichgewicht zu halten. Auch, damit ich nicht in die Verlegenheit kam, mich so auf Ricky zu konzentrieren wie Koller auf meine Nase. Bis jetzt schien diese Methode jedenfalls zu funktionieren.

»Fahrscheinkontrolle!«, tönte es plötzlich durch die Bahn, und ich bekam wie immer einen Schreck, obwohl ich schon seit einer Weile ganz legal mit einem Jahresabo fuhr. Das steckte ganz ordnungsgemäß in meinem Geldbeutel.

Doch leider ließ sich der nirgends finden. Auf dem Wochenmarkt hatte ich damit noch den Veggie-Wrap bezahlt und ihn dann zurück in meine Tasche gesteckt. Aber dort war er nicht! Konnte er vielleicht bei der Hetzerei zur Bahn herausgefallen sein?

Die Kontrolleure kamen näher. Wenn die Bahn nicht bald in die Alex-Haltestelle einfuhr, würde ich ihnen nicht entwischen können und noch später beim Praktikum erscheinen. Die Lichter im U-Bahn-Tunnel wurden heller. Die Bremsen begannen zu quietschen. Ich krempelte meine Tasche abermals von innen nach außen, aber der Geldbeutel blieb verschwunden. Da waren nicht nur meine Ausweise und Geldkarten drin, sondern – was noch wichtiger war – das einzige Bild von meiner Elli.

Bei dem Gedanken daran, dass ich es verloren haben könnte, wurde mir direkt schwarz vor Augen.

Wieso hatte ich es überhaupt in den Geldbeutel gesteckt? Hätte ich es nicht besser zu Hause, an einem sicheren Ort aufbewahren sollen?

Der Mandarinentyp war gerade kontrolliert worden, stand auf und stellte sich neben mich an die Tür. Er lächelte wieder sein süßes Lächeln. Vor lauter Verlegenheit wühlte ich in meiner Tasche, als könnte ich mir durch sie hindurch einen Fluchtweg graben.

»Gehört dir das?«, fragte er und hob hinter mir etwas vom Boden auf – meinen Geldbeutel!

Ich durchsuchte ihn erleichtert. Papiere, Geld, Ellis Bild – es war alles noch drin.

Die Kontrolleure waren heran, und ich zeigte ihnen mein Jahresabo. Rettung in letzter Sekunde.

Bevor ich mich allerdings bei Mandarino bedanken konnte, hielt die Bahn an, und in dem Gedränge der ein- und ausströmenden Leute am Bahnsteig der U2 wurden wir für einen kurzen Moment so fest aneinandergepresst, dass mir die Luft wegblieb. Kann auch sein, dass es an Mandarino selbst lag. Dieses Lächeln, diese Locken, diese Mischung aus Weihnachtskeksen und Männerduft … einfach nur Hammer!

Schon zwei Sekunden später wogte der Menschenstrom auseinander, und obwohl ich sehr gut im Observieren bin, verlor ich Mandarino aus den Augen. Meine Nase blieb auch nicht länger dran, denn heute wimmelte es in den U-Bahn-Katakomben unter dem Alexanderplatz nur so von Vierbeinern, die mit ihren Besitzern auf dem Weg zur Hundemesse Capital of Dogs im Postbahnhof am Ostbahnhof waren und jedes Mauerstück nutzten, um die Markierungen des Vorpinklers olfaktorisch zu übertreffen.

 

Der Wind, der über den Alexanderplatz zog, wehte mir alle Untergrundgerüche aus der Nase und die Autoabgase der mehrspurigen Karl-Marx-Straße zu, aber auch den Duft des Bratwurstmannes, der seine Ware, wie immer, neben Galeria Kaufhof feilbot.

Ich mochte diesen Geruch. Ich mochte den ganzen Alexanderplatz – den Fernsehturm mit seiner diskokugelartigen Kuppel, die Weltzeituhr, die drei Brunnen: den der Völkerfreundschaft vor Galeria Kaufhof, den Stufenbrunnen mit wechselnden Fontänen neben dem Beachvolleyballfeld hinterm Fernsehturm und den Neptunbrunnen mit seinen herrlichen Bronzefiguren. Den Mix aus geschäftigem Treiben von Leuten auf Shoppingtour, Schulschwänzern, Straßenkünstlern, Dealern und schlendernden Touristen.

Die Polizeidirektion Mitte, Abschnitt 57, hatte auf dem Alexanderplatz eine kleine Nebenwache. Die eigentliche Wache befand sich auf der anderen Seite der sechsspurigen Karl-Marx-Allee in einem unscheinbaren Bürogebäude, versteckt in einer Seitenstraße.

Aber dort drinnen war ich nur selten, meistens war ich mit Billy und Khan unterwegs. Verena Billwitz und Ali Khan waren mein Funkwagenteam und die beiden, die sich während des Praktikums um mich kümmerten. Ein sogenanntes Schnupperpraktikum zur Berufsorientierung, das genau diesen Zweck erfüllte: Es gab ziemlich viel zum Schnuppern. Der Funkwagen selber roch nach dem Melonenaroma von Billys Elektrozigarette, die sie bei jeder Gelegenheit rauchte, meist an den Wagen gelehnt und in große weiße Qualmwolken gehüllt. Sie war meine direkte Praxisanleiterin, auch Bärenführerin genannt. Eine stille, in sich ruhende Frau von Mitte vierzig mit sprechenden Augen. Sie zwinkerte gern, mal freundlich, mal ironisch, und man sah ihr an, dass sie sich stets ihren Teil dachte.

Ali Khan war fünfzehn Jahre jünger und zwei Köpfe größer als Billy, er redete viel und gern, vor allem über Rezepte. Tagsüber überlegte er sich, was er abends kochen wollte, und wenn wir Interesse zeigten, brachte er am nächsten Tag eine Kostprobe mit. Dann roch es im Auto nach würziger Quiche Lorraine oder süßsaurem Amaranthsalat.

Noch bevor ich die Nebenwache erreicht hatte, rief Khan mich an.

»Planänderung. Komm zum S-Bahnsteig hoch, Alexanderplatz, Richtung Ostbahnhof. Und mach dich auf was gefasst.«

»Was ist los?«

Khan holte Luft, bevor er weitersprach, und in diesem Luftholen schwang eine Schwere mit, die ich körperlich fühlen konnte. Da ahnte ich: Hier geht’s um mehr als um die üblichen Streitereien.

* * *

3

Ein Mann war auf die Gleise geschubst worden, und zwar direkt vor eine einfahrende S-Bahn. Innerhalb einer Sekunde war er zermalmt worden. Es gab mehrere Zeugen, die gesehen hatten, wie er kurz vorher mit Schwung aus der wartenden Menschenmenge heraus über den Bahnsteigrand gestoßen wurde. Jetzt waren nur seine Beine, unnatürlich weit voneinander entfernt, unter der Lok zu sehen und viel zu viel Blut auf den Gleisen.

Der Blutgeruch war überwältigend und ließ die ganze Szenerie schmerzhaft real wirken, die Gewalt erahnen, die den Körper des Mannes dort auf den Gleisen zerrissen hatte.

Sein Blut roch scharf, metallisch, ich schmeckte es regelrecht in meiner Atemluft – und musste einen Würgereiz unterdrücken. Die Schärfe konnte aber auch von etwas anderem kommen, möglicherweise dem Abrieb durch den Bremsvorgang der S-Bahn.

Billy und Khan sperrten zusammen mit weiteren Kollegen vom Abschnitt 57 den gesamten Bahnsteig ab. Sie sicherten erste Spuren, nahmen die Personalien der umstehenden Leute auf und baten mich, an der Seite zu warten, in der Menge der Schaulustigen. Da stand ich dann »undercover« und sperrte Ohren und Nase auf. Zu riechen bekam ich Schweiß, Hundepipi und Kaffee-Atem. Zu hören: Bellen, Kläffen, Entsetzen und die Sorge darüber, dass die Bahnen auf dieser Strecke nun erst mal nicht fahren würden, sowie Handygeknipse.

Bis der K1 kam und die Abschnittskräfte ablöste, hatte ich mitbekommen, dass der Mann unter dem Zug offenbar ein gut aussehender Vierziger in Jeans und Karohemd gewesen war. Bis zu dem Moment, als er aus der Menge geflogen war, hatte er an einem Pizzastück gekaut, auf den Zehen gewippt und nach der Bahn Ausschau gehalten. Mit Einfahrt der S-Bahn, die Richtung Ostbahnhof unterwegs gewesen war, hatten die Leute ihre Aufmerksamkeit auf den Zug gerichtet, sodass sie seinen Sturz nur aus dem Augenwinkel mitbekamen. Viele hatten Hunde dabei und wedelten ungeduldig mit ihren Eintrittskarten für die Messe, zu der sie dringend weiterwollten. Ich war froh, dass nach zehn Minuten die K1-Leute übernahmen. Sie rauschten an wie die Sheriffs der Stadt, in ihren Westen und mit ihren Koffern. Übernahmen sofort die Befragung der Zeugen und die Sicherung des Tatorts. Mit kritischer Miene prüften sie, ob die Abschnittskräfte Dinge übersehen, Spuren nicht gesichert oder gar verwischt hatten, ob man Absperrbänder zu nah oder zu weit gezogen, Zeugen vom Gleis gegenüber festgesetzt und alle Zugänge und Fluchtwege registriert hatte.

»Wir wissen schon, was wir tun«, ärgerte Khan sich laut, »wir machen den Job auch nicht erst seit gestern.«

Aus der Zuschauermenge drängte jemand zur Treppe und versuchte, unter dem Absperrband durchzuschlüpfen. Der Mann schien es sehr eilig zu haben. Khan setzte sich blitzschnell in Bewegung und verstellte ihm den Weg. Zum Glück war er auch geistesgegenwärtig genug, sich wegzudrehen, als der Mann sich in hohem Bogen erbrach. So bekam er nur ein paar Spritzer ab. Ich entfernte mich eilig von der Szenerie – der reinste Amoklauf für meine Rezeptoren – und stellte mich zu Billy, die Khans Aktion mit amüsiertem Blick verfolgt hatte.

Sanitäter kümmerten sich um den Mann, und Khan kam mit einem stinkenden Fleck auf seiner blauen Uniformhose auf uns zu.

»Currywurst«, kommentierte er mit finsterer Miene. »Ist auch schon vor der Verdauung eine Straftat.«

»Nehmt’s mir nicht übel«, sagte ich, »aber ich fahr nachher mit jemand anderem im Funkwagen mit, okay?«

»Wir bleiben hier alle noch eine ganze Weile.« Wenn Billy sprach, dann schnurrte ihre Stimme wie die einer Katze. »Und halten die Leute bei Laune, bis die Mordkommission kommt.«

Das war Musik in meinen Ohren. Ich würde live dabei sein, wenn die Mordkommission ihre Arbeit aufnahm, und dieses Mal nicht als Verdächtige!

* * *

4

Es kam noch besser. Einige Stunden später wurde ich als Zeugin mit aufs Morddezernat genommen. Es lag wohl daran, dass ich genau zur Tatzeit, kurz vor zwei, in den U-Bahn-Katakomben und in der Erdgeschosshalle des Bahnhofsgebäudes unterwegs gewesen war – womöglich war ich dem Opfer oder seinem Schubser begegnet!

Auf dem Gang vor den Vernehmungsräumen sollte ich warten, bis der zuständige Ermittlungsleiter, Hauptkommissar Dragic, die Zeit fand, mit mir zu sprechen.

Solange rief ich Ricky an und gab Bescheid, dass es heute wahrscheinlich später werden würde.

»Mein zweiter Mordfall«, sagte ich nicht ohne Stolz. »Und wieder bin ich mittendrin.«

»Ist es denn ein Mord? Vielleicht wurde er versehentlich geschubst«, wandte Ricky ein.

»Eher nicht.«

»Oder der Schubser war betrunken, auf Droge oder so.«

»Möglich.«

»Sieht man das nicht auf den Bändern? Da sind doch überall Kameras.«

»Ja, die werten das gerade aus. Deswegen bin ich hier, die haben mich auf den Bändern auch gesehen. Überleg mal, wie nah ich da dran gewesen sein könnte! Ich könnte dem Mörder begegnet sein, ohne es zu ahnen. Fast wie vor einem Jahr. Und wenn ich so etwas magisch anziehe? Das wäre doch unheimlich, nicht?«

»Ja, klar, wenn es das ist, was dich glücklich macht«, erkannte Ricky ganz richtig. »Ich hab nur gedacht, wir essen heute mal was zusammen.«

»Machen wir doch dauernd.«

»Ich meine, was Selbstgekochtes. Ich hab grad ’nen Heilbutt gekauft.«

»Ernsthaft? Wieso das denn?«

»Na ja, also … ich dachte, wir feiern endlich unseren Tag nach.«

»Welchen Tag?«

»Na, den 12. August.«

Der 12. August – das war der Tag, an dem wir vor einem Jahr in einem Cabrio einen betrunkenen One-Night-Stand gehabt hatten, aus dem dann doch viel mehr geworden war.

»Ja, stimmt, ach, das ist ja blöd jetzt.«

»Macht nichts, ich brate den Heilbutt gut durch und stelle ihn in den Kühlschrank. Morgen kann man ihn dann auch noch essen.«

»Mist, tut mir leid. Wieso überhaupt Heilbutt?«

»Der hat dir so gut geschmeckt, als wir das letzte Mal am Strand waren.«

Ricky lieh sich manchmal das Wohnmobil von seiner Arbeitskollegin Bascha aus, und dann fuhren wir ein paar Tage an die Ostsee.

»Sorry. Lass uns das am Wochenende nachholen, ich sag Koller für Sonntag ab, dann haben wir Zeit für uns, okay?«

Ich legte bedröppelt auf und kam mir richtig mies vor. War es wirklich so, dass ich unseren Jahrestag einfach so vergessen hatte? Oder hatte ich nicht vielmehr wochenlang im Vorfeld darüber nachgedacht, wie ich mit dem unaufhaltsam heranrückenden 12. August klarkommen sollte? Denn für mich war es vor allem der Tag, an dem Elli gezeugt worden war, der Tag, an dem ihr Leben begonnen hatte. Wenn es nicht im September vorzeitig beendet worden wäre, dann wäre sie dieses Jahr im Mai zur Welt gekommen und jetzt bereits drei Monate alt. Ricky und ich wären Eltern einer kleinen Tochter, und unser Leben sähe ganz anders aus.

Mein Unterbewusstsein hatte sich allem Anschein nach dazu entschieden, das zu verdrängen.

Nach vierzig Minuten Warterei holte Kommissar Dragic mich in einen großen Raum am Ende des Ganges, an dessen Tisch zehn Personen Platz gehabt hätten.

»Verzeihung, es ist gerade nichts anderes frei. Setzen Sie sich doch hierhin, bitte.« Er zeigte auf einen Stuhl, der in guter Sichtweite zu einem Bildschirm stand, auf dem das Standbild von dem Mann im Karohemd zu sehen war, wie er gerade im Sturz vor die S-Bahn eingefroren war. Weniger als eine Sekunde bevor die Bahn ihn tötete.

»Stört es Sie, wenn ich die Tür offen lasse? Ich muss jemanden erwischen, der gleich hier vorbeiläuft.«

»Klar, kein Problem.«

Dragic setzte sich auf einen Drehstuhl, und zwar so, dass er sowohl den Bildschirm als auch den Gang im Blick hatte. Seine Füße reichten gerade auf den Boden. Er war ein kleiner, kompakter Mann, kaum größer als ich, braun gebrannt, mit dichtem, silbernem Haarschopf. Seine Gesichtszüge wirkten streng, Nase und Kinn kantig, der Blick aus Augen mit hellblauer Iris um eine stecknadelkopfgroße schwarze Pupille stechend wie bei einem Husky. Das Aftershave, das ihn intensiv umwölkte, schien aus einer anderen Zeit zu stammen, aus einer Szene wie aus einem alten Film – Lino Ventura düst mit offenem Verdeck die Riviera entlang, die Sonne brennt, der Geruch nach schmelzendem Teer liegt in der Luft, nach Zedernholz und Ozean.

»Ninella-Pritilata Buck?« Dragic sprach meinen Namen aus wie einen Irrtum. »Interessanter Klang. Kann ich Ihnen was zu trinken anbieten?«

»Ach, muss nicht sein.«

Dragic schob mir trotzdem ein Glas und eine Wasserflasche rüber.

»Ninella ist italienisch und Pritilata indisch, oder?«

»Ich weiß auch nicht, was sich meine Mutter dabei gedacht hat. Sie kommt viel in der Welt rum. Nennen Sie mich einfach Nina.«

»Auch schön.«

Ich schaute Dragic aufmerksam an. Bereit, voll und ganz mitzuarbeiten.

»Sie sind also die Frau, der Koller seine Suspendierung zu verdanken hat. Sie hatten etwas mit diesem Giftmordfall zu tun, richtig?«

»Äh … nein. Ich war nur zufällig in dem Restaurant, auf das der Anschlag verübt wurde. Und wie Koller seine Arbeit macht, entscheidet er ganz allein. Genau wie Sie, vermute ich mal.«

Dragic schaute mich mit seinen kalten Husky-Augen abschätzend an. Nichts an seiner Körperhaltung ließ die Angriffslust erkennen, die ich spürte.

»Verzeihung, ich wollte Ihnen damit nichts unterstellen«, gab er vor. »Koller ist hier in der Abteilung natürlich eine Legende. Wir kennen ihn alle nur zu gut. Na ja, so gut man einen Einzelgänger eben kennen kann. Umso mehr haben wir uns gewundert, dass er mit Ihnen zusammen … na, wie wollen wir es nennen … unterwegs ist. Haben Sie immer noch Kontakt zu ihm?«

»Ab und an. Wieso?«

»Ach, ich wollte nur wissen … Mich hätte interessiert, wie es ihm geht und wann er wiederzukommen gedenkt. Irgendwie fehlt was, wenn er nicht durch die Gänge pfeift und einen herumkommandiert.«

»Werde ich ihm ausrichten.«

»Wann treffen Sie ihn denn das nächste Mal?«

»Am Sonntag.«

»Tatsächlich?«

Ich konnte Dragic seine Neugierde direkt ansehen. Er hätte zu gern gewusst, wie meine Beziehung zu dem dreißig Jahre älteren Koller zu definieren war, wenn wir uns sogar am Wochenende sahen.

»Wir trainieren meinen Geruchssinn«, erklärte ich so sachlich wie möglich.

»Ja, von dieser Schnüffelsache habe ich gehört.«

»Jetzt hab ich natürlich das Praktikum, aber ich muss im Training bleiben, um das Level zu halten. Da geht’s um Fährtenlesen und so. Odorologie«, versuchte ich, das Ganze auf eine wissenschaftlich-seriöse Ebene zu heben. »Identifizierung von Personen über den Geruch.«

Dragic nickte, obwohl ihm anzusehen war, dass er nur verstand, was er verstehen wollte.

»Ja, klar«, sagte er und griff nach einer Plastikbox, die er aufschnappen ließ. Der süßliche Geruch von Fertigpizza mit Mais, Salami, Geschmacksverstärkern und jeder Menge Käse eroberte die Luft. Während er mir die Dose hinschob, fragte er: »Was fällt Ihnen ein, wenn Sie das riechen?«

Meinte er das ernst? Ich schaute Dragic mit skeptischem Blick an. Doch er nickte mir aufmunternd zu und schubste die Box noch näher zu mir.

»Kein Geistesblitz aus der Nase?«

Das Pizzastück war rechteckig, so wie man es an einem To-go-Stand zu kaufen bekam, angebissen und völlig zugekleistert mit Käse. Außerdem klebten kleine Steinchen dran, so als hätte Dragic es vom Boden aufgeklaubt.

»Dass Sie sich was anderes zum Essen holen sollten, vielleicht?«

»Ist das alles? Ich dachte, Sie könnten mir jetzt vielleicht sagen, welche Zahnpastasorte der Abbeißer benutzt.«

Dragics Botschaft war bei mir angekommen. Er hielt nicht viel von der Schnüffelei und legte großen Wert darauf, mir das auch zu zeigen.

»Gut, lassen wir das. Sie sind als Augenzeugin hier, mit Betonung auf Augen.« Dragic verschloss die Box wieder, stellte sie unter den Tisch und holte einige Unterlagen hervor, darunter meine Bewerbungsmappe für das Praktikum bei der Polizei.

»Sie wollen also zur Mordkommission, ja?«

»Das ist der Plan.«

»Schön. Dann wissen Sie, wie wichtig jeder noch so kleine Hinweis für uns sein kann.«

»Ja.«

Dragic lehnte sich zur Tastatur für den Bildschirm rüber, tippte beim Video auf »Play«, und zu meinem Erstaunen wurde der Karomann nicht im nächsten Moment von der einfahrenden S-Bahn zermalmt, sondern sprang zurück auf den Bahnsteig und wackelte dort herum, Essen aus einer Tüte knabbernd, während die Bahn sich dahin entfernte, woher sie gekommen war – das Band lief im Zeitraffer rückwärts. Genau genommen war es ein Zusammenschnitt aus mehreren Bändern, und so ließ sich verfolgen, mit welcher Rolltreppe der Karomann auf den Bahnsteig gekommen war und wo er seine Futtertüte gekauft hatte.

»Hier. Nein, besser hier. Sehen Sie das?«

Dragic hielt das Band an, spulte wieder ein Stück vor, dann zurück, wieder vor, sodass der Karomann sich linkisch vor und zurück bewegte, als würde er Charleston tanzen. Eine Sequenz vorher hatte er seine Tüte an einem Pizzastand in Empfang genommen und sich vom Imbiss weggewandt, hin zur S-Bahn-Rolltreppe.

»Ja, er kauft sich das Pizzastück, das Sie mir eben gezeigt haben. Er hatte es in der Hand, als ihn die Bahn erwischte, und Sie haben es von den Schienen gekratzt.«

»Ja, aber das meine ich nicht. Sehen Sie den Mann hier?«

»Den im Karohemd – oder wen meinen Sie? Den Pizzaverkäufer?«

»Nein, den hier.« Dragic zeigte auf eine dunkle Gestalt bei den Rolltreppen, von der nur ein Schatten zu sehen war. »Der ist an dem Pizzastand vorbeigelaufen, während der Mann im Karohemd dort seine Bestellung entgegengenommen hat. Okay, nennen wir ihn beim Namen, es wird sowieso schon in den Nachrichten stehen. Hannes Ortleb, das ist der Mann, der auf die Schienen gestoßen wurde, der Mann im Karohemd, ja? Und der hier, der an ihm vorbeigelaufen ist, also der wird ein paar Minuten später sein Mörder sein.«

»Sie meinen, sein Mörder ist vor ihm auf dem Bahnsteig gewesen? Dann sind sie sich dort begegnet? Gab es da einen Streit oder so etwas?«

»Schauen Sie selbst.« Dragic ließ das Band weiterlaufen. Die Kameraperspektive wechselte auf den Bahnsteig der S-Bahn.

Die schmale, dunkle Gestalt, die sich mit schwarzer Jeans und Kapuzenpulli nun deutlicher zeigte, schlenderte von der Rolltreppe zu einem Schaukasten, blieb dort stehen und betrachtete ausgiebig den Fahrplan, derweil Ortleb zwanzig Meter entfernt ebenfalls mit der Rolltreppe ankam, ein paar Schritte Richtung Bahnsteigkante lief, stehen blieb und sich auf das Vertilgen seines Pizzastücks konzentrierte. Zwischen ihnen standen grüppchenweise Leute mit Hunden.

Während der folgenden Wartezeit füllte sich der Bahnsteig mehr und mehr mit Leuten, und als die Ankunft der S-Bahn, auf die Ortleb wartete, angezeigt wurde, bewegte sich die dunkle Gestalt vom Schaukasten weg, hin zur Bahnsteigkante. Das wirkte ganz beiläufig mäandernd. Zweimal schaute die Gestalt sich um, so, als würde sie jemanden hinter sich vermuten. Leider war ihr Gesicht dabei nicht zu sehen, sie hielt es stets so, dass die Kapuze einen Schatten darauf warf, sehr geschickt, als wären ihr die Winkel der Überwachungskameras bewusst.

Beim letzten Umschauen war die Person zum Stehen gekommen. Völlig unvermittelt versetzte sie dem vor ihr stehenden Ortleb einen heftigen Stoß, der ihn aus der Menschenmenge heraus direkt vor die Bahn katapultierte.

Der Mann stand nah genug an der Kante, sodass er niemand anderen mit sich riss.

Dragic hielt das Band an.

»Zufall oder Absicht?«, fragte er. »Was meinen Sie?«

»Schwer zu sagen. Wie der Schubser sich bewegt, wirkt unvermittelt, spontan. So, als hätte er sich aus dem Augenblick heraus dazu entschlossen. Andererseits ist die Attacke selbst ganz schön gut getimt.«

»Ein Zeitspiel. Absicht also?«

»Er hat den Mann auf jeden Fall im richtigen Moment vor die Bahn befördert. Aber ob er es unbedingt auf Ortleb abgesehen hat oder nur irgendjemanden töten wollte, der in Reichweite stand, also das könnte ich jetzt nicht beschwören. Auf jeden Fall wollte er ihn nicht nur erschrecken, für mich ist er ganz klar ein Mörder.«

»Sie denken, dass es ein Mann ist?«

»Ja, doch. Natürlich jetzt kein muskulöser Riese. Er ist sehr dünn oder noch sehr jung, die Klamotten würden ja auch dafür sprechen. Vom Alter her so … wie der da.«

Ich zeigte auf den Gang hinaus, auf dem ein schüchterner junger Typ mit Baseballkappe suchend umherschaute. Als Dragic ihn sah, sprang er auf und ging zu ihm.

Sie unterhielten sich, dann tätschelte Dragic ihm die Schulter und begleitete ihn zu einem Büro, dessen Tür er für ihn öffnete.

Während Dragic den Gang zu mir zurücklief, fuhr er sich mit der rechten Hand durch seine Silbertolle, was fast wirkte, als würde er sich die Haare raufen, und dann noch über Stirn und Augen. Als er den Raum betrat, schloss er die Tür hinter sich, atmete durch und schien sich erst einmal sammeln zu müssen.

»Das war Ortlebs Sohn. Er ist gerade mal achtzehn Jahre alt und muss jetzt ganz allein zurechtkommen.«

Dass Dragic dafür Mitgefühl aufbrachte, ließ ihn in meiner Gunst wieder steigen.

Auch ich wusste, wie hart es war, so früh ganz auf sich allein gestellt zu sein. Meine Oma, die Vater und Mutter für mich gewesen war, starb, während ich die Abiturprüfungen versemmelte.

Dragic trank einen Schluck Wasser, schnäuzte sich die Nase und ließ dann die Aufnahmen weiterlaufen. So sahen wir Ortlebs Mörder dabei zu, wie er nach seiner Attacke verschwand. Dabei zeigte sich, wieso es niemandem gelungen war, ihn aufzuhalten. Tatsächlich hatten einige Leute nach ihm gegriffen, nach seinem Ärmel, seiner Kapuze, sich nach ihm umgedreht, ihm den Weg verstellt oder ihn sogar ein Stück verfolgt, aber der Typ glitt von einer Menschentraube in die nächste und passte sich deren Bewegung an, sodass man keinen Anhaltspunkt dafür hatte, wohin er sich eigentlich bewegte. Ich brauchte ewig, um seine dunkle, schattenhafte Gestalt in den Verbindungsgängen zu den U-Bahnen zwischen all den Touristen, Schulklassen und Messebesuchern ausfindig zu machen. Der Zeitangabe nach war das um 13:55 Uhr herum geschehen.

Genau in dieser Zeit war ich mit der U2 am Alex angekommen und durch die Gänge im Untergeschoss hinauf zur Wache geeilt. Sollte ich dem Mörder wirklich begegnet sein?

Ich lehnte mich zum Bildschirm vor und riss die Augen noch weiter auf, um ja nichts zu übersehen. Und tatsächlich – ich sah mich den Verbindungsgang von den U-Bahn-Katakomben zum Erdgeschoss entlanglaufen, dem Mörder entgegen. Die hochgesteckten Haare, die blaue Jeans, das weiße T-Shirt, die gelbe Tasche schräg über die Schulter gespannt – das war eindeutig ich. Ich und Ortlebs Mörder, wir liefen leibhaftig aneinander vorbei! Allerdings waren da fünf Meter zwischen uns, gefüllt mit zwanzig Leuten und vier Hunden. Nicht unbedingt das, was man eine echte Begegnung nennen könnte. Ich warf Dragic einen kritischen Blick zu. Er erwartete doch nicht von mir, dass ich dazu irgendwas Sinnvolles zu sagen hatte?

Nein, anscheinend nicht, Dragic starrte weiter auf den Bildschirm, als würde die Pointe noch kommen. Und dann kam sie: Der Mörder bog zu den Treppen zum U2-Bahnsteig ein und hatte dort nach all dem eleganten Gleiten durchs Bahnhofsgewimmel das erste Mal unsanft Körperkontakt mit einer Person, die mir sehr bekannt vorkam. Die strubbligen schwarzen Locken, die ausgebeulte Armeehose – Mandarino brachte Ortlebs Mörder mit einem kleinen Rempler auf den Treppen genauso aus dem Gleichgewicht, wie er es bei mir am Senefelderplatz getan hatte!

Ebenso schnell war es auch hier wieder vergessen, denn die Bahnlichter blinkten, die Türen gingen zu. Ortlebs Mörder sprang gerade noch dazwischen, fuhr Richtung Olympiastadion davon, und Mandarino lief die Treppe weiter hinauf, querte den Verbindungsgang und ging auf der anderen Seite die Treppen zur U2 wieder hinab, wobei er auch da einem Passanten zu spät auswich, ihn körperlich touchierte und diesem dann beschwichtigend zunickte.

»Das … das ist ein Taschendieb, stimmt’s?«

Dragic nickte.

»Und er hat Ortlebs Mörder die Brieftasche geklaut.«

Wieder nickte Dragic. »So sieht’s aus.«

»Das heißt ja dann«, versuchte ich, die Absurdität der Zusammenhänge in Worte zu fassen, »Sie brauchen nur den Dieb zu schnappen, um an den Ausweis des Mörders zu kommen.«

»Vorausgesetzt, er steckt in seinem Geldbeutel und der Dieb hat ihn noch bei sich.«

»Klar«, nickte ich. »Wissen Sie denn, wer dieser Dieb ist?«

»Leider nicht. Darum hoffen wir, dass Sie uns weiterhelfen können.«

»Ich? Aber wieso? Ich kenne den nicht, bin ihm vorher selber das erste Mal in der U-Bahn begegnet.«

»Das weiß ich«, sagte Dragic und schaltete auf eine andere Aufnahme um, wenige Minuten vor der letzten, aufgenommen auf dem Bahnsteig der U2, als ich zusammen mit den beiden Fahrkartenkontrolleuren und Mandarino beim Aussteigen in eine Art Menschenstrudel hineingeraten war. Mir war die Luft weggeblieben, und doch konnte ich mich an den Duft, der von Mandarino ausgegangen war, noch sehr gut erinnern. Es war ein merkwürdiges Gefühl, eine Situation, die mir doch sehr nahegegangen war, noch einmal von einer distanzierten Warte aus zu betrachten. Ich sah, dass es zu dieser Massenverschiebung gekommen war, weil die Tür meines Waggons auf Höhe des Treppenzugangs lag, auf den gerade mehrere schulklassengroße Gruppen in Richtung U-Bahn drängten. Tatsächlich war ich für einige Sekunden komplett im Menschengewimmel verschwunden, nichts von mir war noch zu sehen gewesen. So aus der Welt hatte ich mich in diesem Moment ja auch wirklich gefühlt.

Mandarinos dunkler Lockenschopf aber war zu sehen, und dank dieser Videoaufnahme erfuhr ich nun doch noch, wohin es ihn nach unserer Begegnung verschlagen hatte. Und zwar zurück in den Waggon. Er hatte sich von der Schulklasse ins Wageninnere mitreißen lassen und den Zug dann erst weiter hinten durch eine andere Tür verlassen. Da war ich schon die Treppe rauf und auf der Ebene unterwegs, auf der mir Ortlebs Mörder entgegenkam.

»Es gibt auch Aufnahmen vom Senefelderplatz und aus dem Inneren der U-Bahn. Wir können Sie uns anschauen, einen Augenblick …«

Wenn ich nur daran dachte, wie ich mich von Mandarino hatte an der Nase herumführen lassen! Der tolle Weihnachtsduft, die Blicke, das Lächeln, das Geflirte. Und all das für die Nachwelt aufgezeichnet, live und in Farbe.

»Das ist nicht nötig, ich weiß, was da passiert ist. Mandarino hat mich beklaut.«

»Mandarino? Ach so, natürlich. Er hat Ihnen was von seiner Mandarine angeboten.« Dragic nickte, dann sagte er: »Darf ich mal einen Blick in Ihre Tasche werfen?« Diese Frage war nur rhetorisch gemeint, denn Dragic hatte sich bereits Handschuhe übergestreift.

Es sah so aus, als wäre ich hier nicht die Einzige, die sich dämlich verhalten hatte. Denn wenn Mandarino mir bei dem Rempler am Senefelderplatz meinen Geldbeutel geklaut hatte, war völlig klar, warum ich ihn vergeblich in meiner Tasche gesucht hatte. Und dann diese scheinheilige Rettungsaktion vor den Kontrolleuren. Nette Geste, aber grober Fehler, denn dadurch hatte er seine Fingerabdrücke auf meinem Geldbeutel hinterlassen!

Mit spitzen Fingern holte Dragic jeden Gegenstand einzeln aus meiner Tasche heraus, um nichts durcheinanderzuwerfen und eventuelle Spuren zu verwischen. Zuerst ein Aufladekabel fürs Handy. Als Nächstes war Kollers Augenbinde dran. Dragic hielt sie hoch und betrachtete sie argwöhnisch. Ich hatte nicht vor, ihren Zweck zu erläutern. Schlimm genug, dass er mir vorgeführt hatte, wie ich auf peinlichste Weise einem Taschendieb auf den Leim gegangen war. Nun wühlte er auch noch in meiner Privatsphäre herum.

Er legte die Augenbinde weit von sich, so als wäre sie eine schmutzige Socke, kramte alte Duftsticks hervor, an denen er prüfend schnupperte. Dann mein Handy, Kaugummis, noch ältere Duftsticks, Haargummis, meinen Hausschlüssel, ein weiteres Aufladekabel (keine Ahnung, wofür). Tausend Sachen, nur meinen Geldbeutel fand er nicht.

Stattdessen holte Dragic etwas aus meiner Tasche, das ich dort definitiv niemals hineingetan hatte und das mich umso höhnischer anzugrinsen schien – eine Mandarine.

* * *

5

Ich war tatsächlich zweimal von Mandarino beklaut worden! Für diese Nullchecker-Meisterleistung hatte ich mir seinen Verarschungsgruß in Form einer Mandarine redlich verdient.

»Gehört dir das?«, hatte er scheinheilig gefragt, während er meinen Geldbeutel hinter mich kickte, nachdem er ihn mir vorher geklaut hatte. Blauäugig hatte ich den Geldbeutel aufgesammelt und mich darüber gefreut, sogar dafür bedankt! Keine Minute später hatte er ihn mir dann beim Aussteigen ein zweites Mal abgeknöpft. Was für eine hinterlistige Aktion!

Ellis Bild war abermals weg und ich kam aus dem Kopfschütteln über meine eigene Dummheit nicht heraus.

Am Freitag würde ich Überstunden machen, statt mit Ricky zu verreisen. Nicht nur die Mordkommission war hinter Mandarino her. Ich wollte unbedingt mithelfen, den dreistesten aller Taschendiebe zu schnappen!

Alle Abschnittskräfte vom Alexanderplatz waren darauf eingenordet worden, nach Mandarino Ausschau zu halten.

Und mir hatte unsere Dienstgruppenleiterin Alice eine ganz besondere Aufgabe zugeteilt – als Hospitantin des Polizisten im Sicherheitsraum der U-Bahn-Überwachung der Berliner Verkehrsbetriebe am Alexanderplatz. Ich durfte den ganzen Tag mitschauen und live dabei sein, wenn Mandarino seine nächste Show abzog. Allerdings wettete ich darauf, dass er kein Frühaufsteher war und mit seiner »Arbeit« heute erst wieder mittags beginnen würde. Genug Zeit also, sich darüber zu ärgern, wie aufwendig und teuer es werden würde, alle Zugangs-, Abo- und Kundenkarten aus meinem Geldbeutel zu ersetzen, die Bankkarten hatte ich bereits gestern sperren lassen. Bestimmt hatte Mandarino längst alles weggeworfen, nur das Bargeld behalten. Vielleicht auch den Personalausweis. Der Gedanke, dass Ellis Bild jetzt irgendwo im Rinnstein lag, machte mich unglaublich wütend.

So ein Dieb konnte doch nicht so schwer zu fassen sein!

Als Praktikantin bekam ich natürlich nicht alle Details und Interna mit, aber aus dem, was ich mitbekam, zog ich meine Schlüsse. Im Moment gab es von Mandarino nur eine Personenbeschreibung, die von mir und den Überwachungskameras stammte, er selbst blieb namenlos.

Das und die Tatsache, dass die Abschnittskräfte vom Alexanderplatz weiterhin nach ihm Ausschau halten sollten, ließ darauf schließen, dass man auf der Mandarine entweder keine brauchbaren Spuren gefunden hatte oder dass es dazu kein Match in der Datenbank gab. Allem Anschein nach war Mandarino ein frei laufender Dieb ohne Vorstrafen.

Über seine Mandarine war mir jedenfalls mehr bekannt als über ihn. Sie war kernreich und losschalig, was bedeutete, dass es zwischen der Schale und dem Fruchtfleisch einen Hohlraum gab. Damit war sie keine Clementine oder eine andere kernlose Mischform aus Mandarine und Orange, wie sie heute im Handel üblich waren, sondern tatsächlich eine echte Mandarine, so wie die ersten Sorten, die aus China stammten, benannt nach den Mandarinen, den hohen Beamten des Kaisers, die orange Roben trugen.

Jetzt lag sie in einem Kühlschrank im Labor und verlor ihren Duft.

 

Mandarino selbst ließ sich auch am Nachmittag nicht blicken, obwohl die Touristenmengen am und um den Alexanderplatz herum sich zum Wochenende hin auf eine für Taschendiebe Erfolg versprechende Weise verdichteten.

Ich würde Alice darum bitten, auch am Samstag die BVG-Monitore im Sicherheitsraum, der täglich vierundzwanzig Stunden lang besetzt war, wieder mit überwachen zu dürfen. Ich wollte sichergehen, dass niemand den Kerl übersah. Ich wollte diejenige sein, die ihm ein Bein stellte. Wollte dabei sein, wenn er gefasst wurde. Wenn ich Glück hatte, von Billy und Khan. Und bevor sie ihn an Dragic überstellten, würde ich ihn persönlich fragen, was er verdammt noch mal mit dem für ihn nutzlosen Inhalt meines Geldbeutels gemacht hatte.

Ich stierte rund um die Uhr auf die Monitore, um seinen Auftritt ja nicht zu verpassen. Musste nicht mal zum Mittag raus, denn ich hatte Rickys Heilbutt in einer Tupperdose dabei.

Wenn ich etwas aus meiner Tasche kramte, tat ich das mit verdrehtem Hals, ohne den Blick vom Bildschirm abzuwenden. Wenn Khan das gesehen hätte, dann hätte er bestimmt gefragt: Hat Mandarino dir den Kopf verdreht? Das Gegenteil war der Fall. Was auch immer für eine nette Stimmung zwischen mir und diesem Dieb in der U-Bahn geherrscht haben mochte, nun war sie vergiftet. Er hatte mich zweimal verarscht, mir das Bild von Elli weggenommen, womöglich schon in irgendeinen verdreckten Mülleimer geworfen, und das würde ich nicht hinnehmen. Ich würde mir das Bild zurückholen, egal, wie.

Vielleicht hätte ich meinen Augen zwischendurch doch eine Pause gönnen sollen, denn auf einmal meinte ich, Ricky in den U-Bahn-Gängen am Alexanderplatz herumlaufen zu sehen. Dabei hatte er eine ausgeprägte Phobie davor, in Wagen zu steigen, die er nicht selber steuerte. Das rührte von einem Kindheitstrauma her, einem Autounfall, den sein Vater absichtlich verursacht und den nur Ricky überlebt hatte. Damals war er neun Jahre alt gewesen, Mutter und Vater kamen beide ums Leben und Ricky ins Kinderheim. Es war also nicht nur eine kleine Macke. Wenn er gerade kein Auto hatte, fuhr er Fahrrad. Öffentliche Verkehrsmittel nur in Ausnahmefällen. Und das hier sah ehrlich gesagt nicht wie einer aus. Außerdem trug dieser Doppelgänger ein schwarz-weiß gestreiftes T-Shirt, das ich noch nie an Ricky gesehen hatte, das auch einfach nicht sein Style war, und obendrein noch einen mopsartigen Hund auf dem Arm. Neben ihm lief eine blonde, langhaarige Frau, die ihrerseits einen kleinen Hund wie ein Baby auf dem Arm trug. Sie kamen von der U5 und bogen in den Gang zur U2 ein. Obwohl es unsinnig war, schaltete ich auf die Überwachungsbänder des U2-Bahnsteigs um und beobachtete sie dort weiter. Die Ähnlichkeit des Mannes mit Ricky war verblüffend, aber Ricky wäre in diesen Katakomben mit Aussicht auf eine Tour als Fahrgast nie so entspannt geblieben. Er wäre hin und her getigert, hätte sich immer wieder durch die Haare gestrichen und überlegt, wie er doch noch um die Fahrt herumkäme.