Schläfst du noch? - Kathleen Barber - E-Book
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Schläfst du noch? E-Book

Kathleen Barber

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Beschreibung

Nichts ist gefährlicher als die Lüge...außer der Wahrheit

Seit 10 Jahren flieht Josie schon vor ihrer Vergangenheit. Und das aus gutem Grund. In New York ist es ihr endlich gelungen, gemeinsam mit ihrem Freund Caleb Fuß zu fassen und eine Existenz zu gründen. Doch dann taucht eine neugierige Journalistin auf. Sie will um jeden Preis die Geschichte um Josies ermordeten Vater wiederaufrollen. Mit ihrem Podcast bringt sie nicht nur Josies Erinnerungen ans Tageslicht, sondern bedroht auch gleichzeitig ihre heile Welt …

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Seitenzahl: 485

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Das Buch

Seit 10 Jahren flieht Josie schon vor ihrer Vergangenheit. Und das aus gutem Grund. In New York ist es ihr endlich gelungen, gemeinsam mit ihrem Freund Caleb Fuß zu fassen und eine Existenz zu gründen. Doch dann taucht eine neugierige Journalistin auf. Sie will um jeden Preis die Geschichte um Josies ermordeten Vater wiederaufrollen. Mit ihrem Podcast bringt sie nicht nur Josies Erinnerungen ans Tageslicht, sondern bedroht auch gleichzeitig ihre heile Welt …

Die Autorin

Kathleen Barber wuchs in Galesburg, Illinois, auf. Sie machte ihren Abschluss an der University of Illinois und der North­western University School of Law und arbeitete zuvor bei großen Firmen in Chicago und New York im Bereich Konkursrecht. Wenn sie nicht schreibt, reist Kathleen gerne mit ihrem Mann um die Welt.

Kathleen Barber

Schläfst du noch?

Roman

Aus dem Amerikanischen von Maria Zettner

Wilhelm Heyne VerlagMünchen

Die Originalausgabe Are you sleeping erschien 2017 bei Gallery Books

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Der Verlag weist ausdrücklich darauf hin, dass im Text enthaltene externe Links vom Verlag nur bis zum Zeitpunkt der Buchveröffentlichung eingesehen werden konnten. Auf spätere Veränderungen hat der Verlag keinerlei Einfluss. Eine Haftung des Verlags ist daher ausgeschlossen.Copyright © 2017 by Kathleen Barber

Copyright © 2017 der deutschsprachigen Ausgabe

by Wilhelm Heyne Verlag, München,

in der Verlagsgruppe Random House GmbH,

Neumarkter Straße 28, 81673 München

Redaktion: Evelyn Ziegler

Umschlaggestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von © shutterstock/Hanka Steidle

Satz: Vornehm Mediengestaltung GmbH, München

ISBN 978-3-641-20809-7V001www.heyne.de

Für meine Mutter

Auszug aus einer Abschrift von Wiederaufnahme: Der Chuck-Buhrman-Mord, Folge 1: »Einführung in den Mord an Chuck Buhrman«, 7. September 2015

Charles »Chuck« Buhrman hatte keine Feinde. Er war ein freund­licher, zuvorkommender Professor für amerikanische Geschichte an einem kleinen College im Mittleren Westen, von den Kollegen geschätzt und bei den Studenten beliebt. Jedes Jahr bestimmten die Studenten des Fachbereichs Geschichte am Elm Park College in einer informellen Abstimmung ihren Lieblingsdozenten, und jedes Jahr belegte Chuck Buhrman den ersten Platz. Und nach allem, was man hört, war er bei seinen Nachbarn in Elm Park, Illinois, genauso beliebt. Seine Mitwirkung an zahlreichen undankbaren, ehrenamt­lichen Aufgaben war den Leuten noch lange in guter Erinnerung. Er organisierte die alljähr­liche Halloween-Parade, verkaufte Lose zur Finanzierung des städtischen Kulturzentrums und saß beim Trödelmarkt der Bücherei an der Kasse. Selbst sein Familienleben schien wie eines aus dem Bilderbuch: eine junge, schöne Frau und zwei reizende, wohlerzogene Töchter.

Chuck Buhrman lebte den amerikanischen Traum. Doch dann wurde dieser beliebte und sympathische Mann am 19. Oktober 2002 vorzeitig aus dem Leben gerissen – in seiner eigenen Küche aus nächster Nähe durch einen Schuss in den Hinterkopf.

Warren Cave, der siebzehnjährige Junge von nebenan, wurde verhaftet und des Mordes angeklagt. Er wurde verurteilt und verbüßt nun eine lebenslange Freiheitsstrafe.

Der Mord an Chuck Buhrman war ein abscheu­liches, sinnloses Verbrechen, doch zumindest wurde dem Recht Ge­­nüge getan, oder nicht?

Oder nicht?

Was, wenn Warren Cave es nicht war? Was, wenn er sein Leben im Gefängnis verbringt für einen Mord, den er nicht begangen hat?

Mein Name ist Poppy Parnell, und das hier ist Wiederaufnahme: Der Chuck-Buhrman-Mord. In den kommenden Wochen werde ich diese und andere Fragen, die sich mög­licherweise noch stellen werden, untersuchen. Meine Absicht? Die dürftige Beweislage, die womöglich zur Verurteilung eines Unschuldigen geführt hat, einer gründ­lichen, unvoreingenommenen Prüfung zu unterziehen, und vielleicht auch die Wahrheit darüber ans Licht zu bringen – beziehungsweise noch verbliebene Zweifel zu beseitigen –, was wirklich in jener verhängnisvollen Nacht im Oktober 2002 geschehen ist. Ich hoffe, Sie werden mich auf meiner Reise begleiten.

1

Nach Mitternacht passiert nichts Gutes. Zumindest wollte Tante A uns das immer weismachen, wenn wir sie anflehten, abends länger ausbleiben zu dürfen. Dann machten wir uns für gewöhnlich über sie lustig, verdrehten die Augen und erklärten theatralisch, sie würde unser gesellschaft­liches Leben ruinieren, doch mit der Zeit erkannte ich, wie recht sie doch hatte. Ärger ist das Einzige, was sich zwischen Mitternacht und Morgen einstellt.

Daher war, als an jenem Morgen um drei Uhr das Telefon ging, mein erster Gedanke: Es ist etwas Schlimmes passiert.

Instinktiv streckte ich die Hand nach Caleb aus, bekam aber nur kalte Laken zu fassen. Kurzzeitig stieg Panik in mir auf, doch dann fiel mir wieder ein, dass Caleb ja schon seit drei Wochen in der Demokratischen Republik Kongo ein Entwicklungshilfeprojekt betreute. Immer noch im Halbschlaf, reimte ich mir zusammen, dass es dort jetzt acht Uhr morgens war. Caleb musste den Zeitunterschied vergessen oder falsch berechnet haben. Eigentlich sah ihm weder das eine noch das andere ähnlich, doch ich wusste, wie viel ihm diese Reisen abverlangten.

Das Telefon läutete noch einmal. Mit einem kurzen Gruß ging ich ran. Im Geiste hörte ich schon Calebs vertrauten Neuseelandakzent und das sanfte Brummen seiner Stimme, mit dem er sagte: »Jo, mein Liebes«.

Doch es war nichts zu hören. Ich seufzte frustriert. Calebs Anrufe von unterwegs waren immer von ärger­lichen Verzögerungen, Echos und eigenartigen Knackstörungen gekennzeichnet, aber bei dieser Reise waren sie ganz besonders störend.

»Hallo?«, versuchte ich es noch einmal. »Caleb? … Ich glaube, wir haben eine schlechte Verbindung.«

Ich hatte die Worte noch nicht ganz ausgesprochen, da fiel mir schon das fehlende Rauschen auf. Die Verbindung war klar. So klar, dass ich sogar ein Atmen wahrnahm. Und … noch etwas anderes. Was war es? Ich lauschte angestrengt und glaubte, jemanden summen zu hören. Die Melodie kam mir bekannt vor, ich konnte sie aber nicht einordnen. Ich verspürte ein alarmierendes Kribbeln im Rücken.

»Caleb«, sagte ich noch einmal, obwohl ich schon gar nicht mehr glaubte, dass mein Freund am anderen Ende der Leitung war. »Ich lege jetzt auf. Wenn du mich hören kannst, ruf mich zurück. Ich vermisse dich.«

Ich nahm das Telefon vom Ohr, und in der Sekunde, in der ich auflegen wollte, hörte ich eine schmerzlich vertraute weib­liche Stimme leise sagen: »Ich vermisse dich auch.«

Das Telefon fiel mir aus der zitternden Hand, und mein Herz hämmerte gegen meinen Brustkorb. Es war einfach nur eine schlechte Verbindung, redete ich mir ein. Der Nachhall meiner eigenen Worte. Da war kein »auch« gewesen. Schließlich war es drei Uhr morgens. Es war nicht sie gewesen. Sie konnte es nicht gewesen sein. Es waren fast zehn Jahre. Sie würde mich jetzt nicht einfach anrufen. Nicht so.

Es ist etwas Schlimmes passiert.

Ich schnappte mir das Telefon und kontrollierte meine Anrufliste, jedoch ohne Erfolg, sie zeigte nur einen UNBEKANNTEN ANRUFER.

Es ist etwas Schlimmes passiert, ging es mir erneut durch den Kopf, bevor ich mich scharf zur Ordnung rief. Es war nur Caleb, nur eine schlechte transkontinentale Verbindung, nichts, was nicht schon öfter passiert war.

Doch ich brauchte eine doppelte Dosis Baldrian, bevor ich wieder einschlafen konnte.

Als ich aufwachte, war es schon fast elf. Im hellen Tageslicht erschien mir der mysteriöse frühmorgend­liche Anruf nur ein böser Traum. Ich schickte eine kurze, zuversicht­liche E-Mail an Caleb (Tut mir leid, dass die Verbindung letzte Nacht so schlecht war. Ruf bald wieder an. xoxo) und schnürte mir meine Laufschuhe. In der Tür zu unserem Apartmenthaus blieb ich kurz stehen, um mit der älteren Dame aus dem ersten Stock über das Wetter zu plaudern, dann nahm ich Kurs auf die Promenade von Brooklyn Heights.

Als Caleb und ich vor zwei Jahren von Auckland nach New York gezogen waren, hatte ich mir eingebildet, die Glitzerwelt hier würde jeden Winkel unseres Alltagslebens durchdringen. Ich hatte damit gerechnet, auf meinem Weg zur Bahn mit den neuesten Kunsttrends konfrontiert zu werden, auf dem Bauernmarkt neben Maggie Gyllenhaal die trendigsten Tomatensorten zu durchstöbern und beim Joggen über die Brooklyn Bridge den Ausblick auf die Freiheitsstatue zu bewundern. In Wirklichkeit waren das Äußerste an Straßenkunst, was ich zu sehen bekam, mit Kreide aufgemalte Himmel-und-Hölle-Felder und gelegentlich ein Tag auf einem Mülleimer. Ich kaufte niemals trendige Tomatensorten auf dem Bauernmarkt wegen der lächerlich astronomischen Preise, und die einzige Prominente, mit der ich jemals in Berührung kam, war eine Real Housewife (die, nebenbei bemerkt, lautstark gegen die Preise eben jener Tomaten protestierte). Was das Joggen auf der Brooklyn Bridge betraf, so war es theoretisch immer noch eine gute Idee, in der Praxis aber eine ganz ganz schlechte. Die Brücke war pausenlos von kameraschwingenden Touristen, Fahrrädern und Spaziergängern verstopft. Ich fand viel mehr Gefallen an der Ruhe auf der Promenade mit ihrem breitem Weg, der wohltuenden Abwesenheit von Touristen und einer nicht minder eindrucksvollen Aussicht.

Verschwitzt und neu motiviert, kam ich wieder zu Hause an und hatte gerade noch Zeit zu duschen und mir ein Sandwich zu machen, bevor ich mich zu meiner Nachmittagsschicht im Buchladen aufmachen musste. Als ich heranwuchs, hatte ich mir immer vorgestellt, ich würde jeden Tag im Hosenanzug und mit hohen Absätzen zur Arbeit gehen (das genaue Outfit schwankte je nach meiner Stimmungslage, aber meistens orientierte es sich an der Figur von Christina Applegate in Fast Food Family). Ich wäre schockiert gewesen, hätte ich gewusst, dass ich mit fast dreißig bei der Arbeit Jeans und Chuck Taylors tragen würde. Im Teenageralter hätte ich das als ein Versagen angesehen. Doch auch wenn ich nicht die Karriere gemacht hatte, die ich mir einmal erträumt hatte, fühlte ich mich im Großen und Ganzen mit der Arbeit im Buchladen ausgefüllt. Als wir neu in New York waren, hatte ich mir über eine Zeitarbeitsfirma eine Bürotätigkeit gesucht, aber das war zum Haareraufen gewesen. Dann hatte ich entdeckt, dass der Buchladen die Straße runter Verkäufer suchte. Ich hatte mit ein paar Stunden die Woche angefangen und mein Einkommen mit einem Teilzeitjob als Barista aufgebessert. In der letzten Zeit hatte ich dann aber meine Stundenzahl erhört, bis es eine volle Stelle geworden war. Ich genoss jede einzelne Minute im Buchladen, fand es toll, von Geschichten umgeben zu sein und Kunden beim Aussuchen zu helfen. Wenn nicht so viel los war, las ich die Biografien amerikanischer Präsidenten und redete mir ein, dass ich eines Tages doch noch von meinem Fernstudium und Diplom in Geschichte Gebrauch machen würde.

An diesem Nachmittag arbeitete ich mit Clara zusammen, die ich um ihre umwerfenden äthiopischen Gesichtszüge und ihre beeindruckende Sammlung an T-Shirts mit literarischen Motiven beneidete. Mit der temperamentvollen, warmherzigen Clara verband mich fast so etwas wie eine Freundschaft, die einzige, die ich in New York hatte. Hin und wieder besuchten wir zusammen einen Yoga-Kurs oder joggten gemeinsam. Manchmal lud sie mich auch zu einer alternativen Theateraufführung oder zu einer Dichterlesung von einem ihrer Freunde ein. Zu Anfang des Sommers hatten Caleb und ich mit Clara und ihrer inzwischen Exfreundin immer dienstags in einer Bar in der Court Street an einem Quizwettbewerb teilgenommen. Diese Abende waren mein Highlight der Woche gewesen.

Die Exfreundin hatte sich wieder bei Clara gemeldet, und als wir dabei waren, eine neue Bücherlieferung in die Regale zu stellen, bat mich Clara, ihr bei der Entschlüsselung ihres jüngsten Gesprächs behilflich zu sein. Während wir darüber diskutierten, ob mit »Bis demnächst!« gemeint war: »Lass uns was festmachen«, oder eher: »Vielleicht laufen wir uns ja mal über den Weg«, kündigte die Türglocke neue Kundschaft an, und wir blickten beide auf.

Ich glaube nicht an Vorzeichen. Ich gebe nicht viel auf die Vorsehung, mache mir keine Gedanken, wenn eine schwarze Katze meinen Weg kreuzt, und die Karten lasse ich mir höchstens mal zum Spaß legen. Doch wenn es jemals der passende Zeitpunkt gewesen wäre, an Omen zu glauben, dann war es dieser Nachmittag. Die eigenartige Stimme am Telefon kam mir wieder in den Sinn, als eine Frau mit zwei Zwillingsmädchen den Laden betrat. Mir wurde schwarz vor Augen, und meine Knie gaben nach. Ich musste mich an einem Tisch festhalten, um nicht umzukippen.

»Hi«, sagte die Frau. »Ich bin auf der Suche nach Nancy-Drew-Büchern. Führen Sie die?«

Ich nickte stumm, außerstande, meinen Blick von den Zwillingen zu wenden. Es war nicht so, als hätten sie ausgesehen wie wir, überhaupt nicht. Sie waren blond und hatten Sommersprossen auf den Wangen und große dunkle Augen – so ziemlich das genaue Gegenteil von unseren pechschwarzen Haaren und blauen Augen. Zudem waren sie sich eindeutig nicht grün, hatten schlechte Laune und versetzten einander ab und an hinter dem Rücken ihrer Mutter einen Stoß. Lanie und ich hatten uns nie so gestritten. Jedenfalls nicht, bis wir älter waren. Doch sie hatten etwas an sich, eine explosive Emotionalität, die mir die Sinne raubte.

»Sicher«, sagte Clara und schob sich an mir vorbei, um behilflich zu sein. »Ich zeige sie Ihnen.«

Ich entschuldigte mich und ging ins Bad, damit ich nicht weiter die Mädchen anstarrte. Ich zog mein Handy aus meiner Hosentasche und sah noch einmal auf meiner Anrufliste nach. UNBEKANNTER ANRUFER. Und wenn es nun doch nicht Caleb gewesen war? Konnte es Lanie gewesen sein? Es war fast zehn Jahre her, seit ich das letzte Mal mit meiner Schwester gesprochen hatte. Es musste etwas passiert sein, wenn sie mich anrief.

Als ich schließlich wieder aus dem Bad auftauchte, waren die Zwillinge und ihre Mutter gegangen.

»Ich weiß«, sagte Clara mitfühlend. »Mir jagen Zwillinge auch immer einen Schauer über den Rücken. Kommt vermutlich daher, dass ich im zarten Alter von acht Jahren schon Shining gesehen habe.«

»Shining?«, wiederholte ich, immer noch aufgewühlt. Ich hatte das Buch gelesen, konnte mich aber an keine Zwillinge erinnern.

»Willst du mich auf den Arm nehmen? Du hast noch nie Shining gesehen? Meine älteren Brüder haben es sich pausenlos angeschaut. Sie haben mich immer durchs Haus gejagt und gerufen: ›Redrum! Redrum!‹« Clara lächelte und schüttelte liebevoll den Kopf. »Diese Arschlöcher.«

»Ich bin Einzelkind«, erklärte ich. »Keine Geschwister, die mich zum Gucken von Gruselfilmen gezwungen haben.«

»Na, da hast du was verpasst. Was machst du heute Abend? Wenn es nichts total Umwerfendes ist, müssen wir unbedingt einen Filmabend bei mir veranstalten.«

Ich sagte bereitwillig zu, denn auch wenn ich es niemals zugegeben hätte, wollte ich aus irgendeinem Grund an diesem Abend nicht allein sein. Da kam mir der Film als Ablenkung gerade recht. Zumindest bis ich meine E-Mails checkte und sah, dass Caleb geantwortet hatte. Tut mir leid, Liebes, habe letzte Nacht nicht angerufen. Hier ist die Internetverbindung schon seit Tagen zu schwach für Anrufe. Arbeitsmäßig läuft hier alles gut. Wir sind im Zeitplan. Ich müsste eigentlich so in einer Woche zu Hause sein. Genaueres später. Würde einen Mord begehen für einen Salat. Vermisse dich schrecklich. Liebe dich.

Calebs Mail alarmierte mich mehr als die unheim­lichen Vorgänge im Overlook Hotel. Wenn er nicht angerufen hatte, dann war ich mir sicher, dass es Lanie gewesen war. Ein Schwall von Erinnerungen brach über mich herein. Lanie, die sich wie ein Kreisel unter dem Nachthimmel drehte, in jeder ausgestreckten Hand eine Wunderkerze. Lanie, die mir mit blutunterlaufenen Augen und einem grimmig zusammengezogenen Mund die Schlafzimmertür vor der Nase zuschlug. Lanie, die die Decke auf meinem Bett zur Seite schob, sich neben mich legte und deren warmen Atem ich auf meiner Wange spürte, wenn sie mir zuflüsterte: »Josie, schläfst du?« Sie wartete nie die Antwort ab, bevor sie anfing, mir leise im Dunkeln ihre Geheimnisse anzuvertrauen.

»Josie-Posie, ich muss dir was erzählen«, hatte sie bei einer dieser Gelegenheiten gesagt, und ihre Stimme hatte vor verschwörerischer Erregung gezittert. »Aber du musst mir versprechen, dass es unter uns bleibt. Alles, was hier in diesem Zimmer gesprochen wird, bleibt unter uns, immer.«

»Immer«, hatte ich bekräftigt und dabei als Geheimzeichen meinen Ringfinger mit ihrem verhakt. »Versprochen.«

Lanies Geheimnis war gewesen, dass sie an dem Nachmittag hinter dem Rathaus den achtzehnjährigen Leiter unseres Tennis-Freizeitlagers geküsst hatte. Eine schockierende Enthüllung, wenn man bedachte, dass wir in diesem Sommer erst dreizehn waren, und dass sie es irgendwie fertiggebracht hatte, den gutaussehenden Jungen von seinen Pflichten wegzulocken. Ich war empört gewesen und hatte gezischt, dass unsere Eltern darüber nicht sehr erfreut sein würden.

»Sie müssen es ja nicht wissen«, hatte sie scharf erwidert. »Vergiss nicht. Es bleibt unter uns. Immer.«

Immer. Ihre Stimme klang so deutlich in meinem Kopf. Es musste Lanie gewesen sein. Würde sie noch mal anrufen?

Und wenn ja, wäre ich bereit ranzugehen?

Am darauffolgenden Nachmittag hatte ich frei und nahm die Bahn zum Bauernmarkt am Union Square. Als ich erst einmal dort war, war ich so abgestoßen von den Menschenmassen und den durchwühlten Kohl- und Birnenauslagen, dass ich meinen Einkauf am Ende im (nur unwesentlich weniger überfüllten) Biomarkt erledigte. Als ich wieder in der Regionalbahn saß und auf meinen Knien meine Tüten mit tiefgekühlten Veggie-Burgern und überteuertem, aber bildschönem Obst und Gemüse balancierte, hörte ich zufällig, wie jemand sagte:

»He, hast du schon von dieser Chuck-Buhrman-Mord-Sache gehört?«

Das Blut pochte in meinen Ohren, und vor meinen Augen verschwamm alles. Es war mehr als zehn Jahre her, seit jemand in meinem Beisein den Namen meines Vaters genannt hatte, und ihn jetzt so lässig aus dem Mund eines mageren Teenagers mit Lippenpiercing zu hören verursachte mir Übelkeit.

»Ist das der Podcast, über den gerade alle reden?«, fragte die Freundin des Mädchens. »Podcasts sind nicht mein Ding.«

»Das hier ist anders«, bekräftigte das Mädchen. »Kannst du mir glauben. Es ist ein irrer Trip. Also, dieser Typ wurde wegen Mord verurteilt, okay? Aber die Beweise waren nur, wie nennt man das noch mal, Indizien. Das Stärkste, was sie hatten, war die Tochter von dem Toten. Die hat behauptet, sie hätte alles mit angesehen. Aber jetzt kommt’s: Zuerst hat sie gesagt, sie hätte überhaupt nichts mitgekriegt. Also wissen wir, dass sie lügt. Aber worüber lügt sie? Du musst dir das anhören, Mann, es macht dich sofort süchtig.«

Als der Zug an der Court Street zum Halten kam, pries das Mädchen immer noch begeistert den Podcast an. Ich war so erschüttert, dass ich mir kaum zutraute aufzustehen, vom Treppensteigen im Bahnhof und dem Weg nach Hause mit einem Arm voller Lebensmittel gar nicht zu reden. Meine Knie gaben nach, als ich mich erhob, doch ich schaffte es, mich durch die überfüllten U-Bahn-Gänge und hinauf an die Oberfläche zu retten. In meinem benommenen Zustand nahm ich den falschen Ausgang und kam auf der anderen Seite der Borough Hall heraus. Ich war schon zwei Blocks in die entgegengesetzte Richtung gelaufen, bevor ich wieder zu mir kam. Nachdem ich mich zurechtgefunden hatte, gelang es mir, automatisch einen Fuß vor den anderen setzend, endlich zu Hause anzukommen.

Ich steckte meinen Schlüssel ins Türschloss und zögerte. In den Wochen seit Calebs Abreise hatte ich die Stille in unserem Apartment gehasst. Ich vermisste sein leichtes Chaos. Unwillkürlich störte es mich jetzt, dass alles genau da blieb, wo ich es hingestellt hatte. Seit Wochen war ich nicht mehr über Calebs Laufschuhe mit ihren wie dünne Ärmchen ausgestreckten Schnürsenkeln gestolpert. Ich fand keine halb ausgetrunkenen Kaffeebecher mehr im Bad, zwischen den Sofakissen steckten keine eselsohrigen Bücher, und auch der Radiowecker spielte keine leisen Rock Classics in ein leeres Schlafzimmer hinein. Am Fehlen dieser geringfügigen häus­lichen Irritationen spürte ich seine Abwesenheit ganz besonders. Jedes Mal, wenn ich zur Tür hereinkam, versetzte es mir einen Stich.

Doch jetzt, wo meine Hand um den Schlüssel zitterte und der Name meines Vaters durch meinen Kopf spukte, war mir die Einsamkeit in unserem Apartment durchaus willkommen. Ich musste allein sein.

Ich ließ meine Einkäufe einfach in der Diele auf den Boden fallen, wo die Veggie-Burger dann langsam vor sich hin tauten, und stürzte mich auf meinen Laptop. Mit zitternden Fingern tippte ich den Namen meines Vaters in die Suchmaschine. Beim Anblick der hohen Trefferquote wurde mir übel. Seite um Seite war angefüllt mit einem erschreckenden Aufgebot an Nachrichtenbeiträgen, Meinungsbildern und Blogeinträgen, allesamt aus den letzten beiden Wochen. Ich klickte den ersten Link an, und da war er: der Podcast.

Wiederaufnahme: Der Chuck-Buhrman-Mord war dick und fett in roten Buchstaben über ein unscharfes Schwarz-Weiß-Bild meines Vaters geschrieben. Es war das Porträtfoto, das er beruflich verwendet hatte, das, auf dem er weniger wie ein echter College-Professor aussah als die Karikatur von einem, mit seinem Tweedjackett, der schiefen Brille und dem dichten schwarzen Bart. Das Leuchten in seinen Augen ließ mich fast zusammenbrechen.

Daddy.

Ich klappte den Computer zu und vergrub ihn unter einem Stapel Illustrierter. Erst als ich nichts weiter sah als Kim Kardashian auf dem Titelblatt eines Hochglanzmagazins, das ich einmal verschämt gekauft hatte, als ich auf die Bahn warten musste (ein weiteres Zeichen dafür, dass ohne Caleb alles den Bach runterging), war ich wieder imstande, normal zu atmen.

Meine Kusine Ellen ging nicht ans Telefon, als ich sie anrief. Also sprach ich ihr auf die Mailbox, sie möge mir gefälligst mitteilen, was sie über den Podcast wusste. Nachdem ich zwanzig Minuten lang auf dem Sofa gesessen und krampfhaft darauf gewartet hatte, dass mein Telefon klingelte, gab ich es auf und suchte mir Aufgaben, mit denen ich mich ablenken konnte. Ich räumte die Lebensmittel ein und wischte die Pfütze auf, die die Veggie-Burger in der Diele hinterlassen hatten. Ich ließ mir ein Bad ein, das ich gleich wieder ablaufen ließ, ohne hineinzusteigen, und ich machte mich ans Lackieren meiner Zehennägel, brach das Vorhaben jedoch wieder ab, nachdem nur drei Nägel in einem düsteren Violett bemalt waren.

Rotwein war das Einzige, was half. Erst als ich ein ganzes Saftglas von dem Zeug intus hatte, war ich entspannt genug, um noch einmal auf die Webseite des Podcasts zu gehen. Ich füllte mein Glas nach und schob die Illustrierten zur Seite. Mit spitzen Fingern öffnete ich den Laptop.

Die Webseite war noch immer da, und sie warb auch noch immer für einen Podcast, der versprach, die Untersuchungen zu dem Mord an meinem Vater »wiederaufzunehmen«. Verwirrt zog ich die Stirn in Falten. Da gab es nichts wiederaufzunehmen. Warren Cave hatte meinen Vater ermordet. Er war für schuldig befunden worden und hatte seine Strafe erhalten. Wie konnte diese Poppy Parnell, diese Frau, deren Name eher nach einer Anziehpuppe für Kinder klang als nach einer Enthüllungsjournalistin, eine ganze Fortsetzungsreihe daraus spinnen? Ich ließ meinen Cursor herausfordernd über dem Jetzt downloaden-Feld für die erste der beiden verfügbaren Folgen schweben. Traute ich mich oder nicht? Ich kaute an meiner Unterlippe, während ich noch schwankte, nahm noch einen Schluck Wein, um mich zu wappnen, und klickte.

Als Ellen anrief, näherte sich der Download von Folge 1 gerade dem Ende. Von einer morbiden Faszination gepackt, hätte ich sie fast weggedrückt, um mir den Podcast anhören zu können, doch ich entzog mich dem Sog und ging ans Telefon.

»Ellen?«

»Hör dir diesen Podcast auf keinen Fall an.«

Ich stieß die Luft aus, die ich ganz unbewusst angehalten hatte. »Ist es schlimm?«

»Es ist Müll. Müll im Sensationsformat. Diese Möchtegern-Journalistin macht aus eurer Familientragödie Massenware. Das ist ekelhaft. Ich lasse Peter prüfen, ob wir sie wegen Rufmord oder übler Nachrede oder wie man das sonst nennt verklagen können. Er ist der Anwalt, er wird das schon klären.«

»Meinst du wirklich, er kann das machen? Der Sache einen Riegel vorschieben?«

»Peter kann alles, was er sich vornimmt.«

»Zum Beispiel eine Frau heiraten, die nur halb so alt ist wie er?«

»Jetzt ist nicht ganz die Zeit zum Scherzen, Josie«, bemerkte Ellen, doch ich hörte aus ihrer Stimme einen Anflug von Lachen heraus.

»Ich weiß. Ich bin einfach nervös. Richte deinem geschätzten Gatten bitte meinen Dank für seine Hilfe aus.«

»Ich geb dir Bescheid, sobald ich mehr weiß. Wie kommst du damit klar?«

»Na ja, erst mal wünschte ich, ich hätte es nicht herausgefunden, indem ich zufällig im Zug ein Gespräch zwischen zwei Teenagern mitangehört habe. Warum hast du mir nichts gesagt?«

»Weil ich gehofft habe, das würde nicht nötig sein. Ich hatte gehofft, es würde sich schnell erledigen, aber anscheinend hat Amerika ein Faible für diese Sorte von opportunistischer, sensationslüsterner Verdrehung der Wahrheit.«

»Ich kann nicht glauben, dass das passiert. Was soll ich denn jetzt machen?«

»Gar nichts«, sagte Ellen bestimmt. »Peter hat alles im Griff. Und ich bin immer noch nicht überzeugt, dass es sich nicht von selbst wieder verzieht. Wie viel kann sie denn an einem so klaren Fall schon ›wiederaufnehmen‹?«

Obwohl Ellen mich nachdrücklich gewarnt hatte, mir den Podcast anzuhören, blieb ich in Versuchung, so, wie man versucht ist, an Schorf herumzuspielen oder an einer verletzten Nagelhaut zu zerren, bis es blutet. Ich wusste, dass nichts Gutes dabei herauskommen würde, wenn ich es mir anhörte, aber ich wollte – nein, ich musste – wissen, was diese Poppy Parnell da behauptete. Wie konnte sie überhaupt begründen, dass sie die Untersuchungen zu dem Mord an meinem Vater »wiederaufzunehmen« gedachte? Und inwieweit konnte das der Ausgangspunkt für eine ganze Serie sein? Ich konnte den Fall in einem einzigen Satz treffend zusammenfassen: Warren Cave hat Chuck Buhrman getötet. Schluss, aus.

Ich füllte mein Weinglas auf und wünschte mir, Caleb wäre zu Hause. Ich sehnte mich nach dem wohltuenden Gefühl seiner großen, warmen Hände auf meinen Schultern und nach seiner beruhigenden Stimme, die mir versicherte, dass alles gut werden würde. Er sollte mir einen Tee machen und diese schräge Reality-Show über zahnlose Männer einschalten, die illegal Whiskey brennen. Wenn Caleb zu Hause wäre, würde ich mich getröstet und behütet fühlen. Ich würde nicht vor Angst erstarrt alleine im Dunkeln Wein in mich hineinschütten.

Andererseits war ich auch froh über Calebs Abwesenheit. Der bloße Gedanke daran, ihm von dem Podcast zu berichten und all die Lügen zu gestehen, die ich ihm erzählt hatte, erfüllte mich mit Panik. Ich hoffte wirklich nur, dass Ellen recht hatte und dass der Podcast von selbst im Sande verlief, bevor Caleb aus Afrika zurück war.

Ich hörte mir den Podcast nicht an, konnte mich aber nicht davon abhalten, die ganze Nacht über wie besessen Poppy Parnell zu googeln. Sie war Anfang dreißig, nicht mehr als zwei, drei Jahre älter als ich. Wie ich stammte sie aus dem Mittleren Westen und hatte am Northwestern College ihren BA in Journalistik gemacht. Ich erfuhr auch, dass sie einmal eine beliebte Verbrechens-Webseite betrieben und eine lange Liste von Veröffentlichungen in Magazinen wie Atlantic und New Yorker vorzuweisen hatte. Als ich das alles recherchiert hatte, wechselte ich zu einer Bildersuche über. Poppy Parnell war eine dünne Rotblonde mit kantigem Gesicht und großen, beinahe erschrocken dreinschauenden Augen. Nach herkömm­lichen Maßstäben nicht attraktiv genug fürs Fernsehen, aber zu hübsch fürs Radio. Auf den meisten Fotos trug sie zu große Jacketts und stand nach vorne gebeugt, mit offenem Mund und gestikulierender Hand da. Poppy sah aus wie jemand, mit dem ich mich früher einmal ganz sicher angefreundet hätte.

Mit einem finsteren Blick auf Poppy Parnells lächelndes Gesicht schüttete ich mir den rest­lichen Wein ins Glas. Ich wollte schon den Deckel des Laptops herunterklappen, als mich etwas innehalten ließ. Auf einem anderen Tab war immer noch der Podcast geöffnet.

Daddy.

Mit einem Fluch auf Poppy Parnell und mich selbst drück­­te ich auf Play.

Auszug aus einer Abschrift von Wiederaufnahme: Der Chuck-Buhrman-Mord, Folge 1: »Einführung in den Mord an Chuck Buhrman«, 7. September 2015

Ich wusste nicht, was mich erwartete, als ich Warren Cave das erste Mal begegnete. Bis wir einander offiziell vorgestellt wurden, hatte ich mehrere lange Nachmittage mit seiner Mutter Melanie verbracht, einer Frau von klassischer Schönheit, beneidenswertem Stilempfinden und tadellosem Auftreten. Ihr Sohn ist eins ihrer Lieblingsthemen, und sie spricht nur in den höchsten Tönen von ihm, preist seine Herzlichkeit und seinen Großmut, seine Computerkenntnisse und vor allem seinen Glauben.

Als Ergänzung – und Kontrast – zu Melanies über­schwäng­licher Beschreibung ihres Sohnes hatte ich meine eigenen Recherchen angestellt. Ich habe die Polizeiberichte, Gerichtsprotokolle und die Zeitungsporträts über ihn studiert.

Wie bei den meisten Menschen, denen der Fall auch nur im Geringsten vertraut ist, war das Bild, das ich mir von Warren Cave gemacht hatte, das eines mageren Jugend­lichen mit herunterhängenden Schultern und Akne sowie strähnigen, schwarz gefärbten Haaren. Auf Fotos ist er permanent ganz in Schwarz gekleidet und nimmt niemals Blickkontakt mit der Kamera auf. Warren Cave gehörte zu der Sorte Teenager, bei der die meisten von uns die Straßenseite wechseln ­würden.

Es fiel mir schwer, dieses Bild mit dem jungen Mann in Einklang zu bringen, den seine Mutter in einem so rosigen Licht gezeichnet hatte. Hatte ihre Mutterliebe sie blind gemacht für die wahre Natur ihres Sohnes? Oder war das abgebrühte Image seiner Jugendtage nichts weiter als ein verzerrtes Bild? Lag die Wahrheit, wie so oft im Leben, vielleicht irgendwo dazwischen?

Als ich Warren Cave in der Justizvollzugsanstalt Stateville, dem Hochsicherheitsgefängnis in der Nähe von Joliet, Illinois, wo er die letzten dreizehn Jahre verbracht hat, das erste Mal sah, erkannte ich ihn nicht. Er hat mit Krafttraining angefangen und seinen mageren Körper mit Muskeln ausgestattet. Wie er mir erklärte, ist sein strenger Trainingsplan eher der Notwendigkeit geschuldet als dem Vergnügen. Im Gefängnis, so sagt er, kann man sich keine Schwäche leisten. Diese Lektion hat Warren auf die harte Tour gelernt. Sein Gesicht ist durch eine Narbe quer über seine linke Wange entstellt, ein herbes Andenken an die Attacke eines Mitinsassen im ersten Jahr seiner Haft.

Warren, der sein Haar inzwischen kurz und ungefärbt blond trägt, vermeidet immer noch den Blickkontakt. Sein Gesichtsausdruck ist für gewöhnlich reserviert, doch er lächelt herzlich, als ich seine Mutter erwähne. Melanie fährt jeden Sonntag zwei Stunden, um ihren Sohn zu besuchen, und er sagt, dass sie sein bester – und einziger – Freund sei. Abgesehen von seiner Mutter und Reverend Terry Glover, dem Pfarrer der Presbyterianerkirche in Elm Park, bekommt Warren keinen Besuch. Andrew Cave, Warrens Vater, hat die Familie kurz nach Warrens Verhaftung verlassen und ist vor acht Jahren an Prostatakrebs gestorben. Keiner von Warrens Jugendfreunden hat Kontakt gehalten.

Ich verschwende keine Zeit, bevor ich zu den wesent­lichen Fragen komme.

POPPY: Wenn Sie Chuck Buhrman nicht getötet haben, warum hat dann seine Tochter gesagt, sie hätte Sie dabei beobachtet?

WARREN: Diese Frage habe ich mir in den vergangenen dreizehn Jahren auch jeden Tag gestellt. Und wissen Sie, zu welchem Schluss ich gekommen bin? Zu gar keinem. Die Wege des Herrn sind unergründlich.

POPPY: Wollen Sie damit sagen, sie hat sich das alles nur ausgedacht?

WARREN: Na ja, ich habe Chuck Buhrman nicht umgebracht, also: ja, irgendwie schon. Aber irgendwie kann ich nachvollziehen, wie sie sich da verrannt haben könnte. Damals war ich weit vom rechten Weg abgekommen. Ich hab viele Drogen genommen und Musik mit satanischen Inhalten gehört. Der Antichrist hatte mich in seinen Klauen, und es könnte ja sein, dass sie das irgendwie mitgekriegt hat. Ich muss sie durcheinandergebracht haben. Sie war ja noch ein Kind.

POPPY: Sie waren zu der Zeit selbst noch ein Kind.

WARREN: Ich war alt genug, um es besser zu wissen.

POPPY: Hatten Sie viel Umgang mit ihr oder der Familie gehabt, bevor Chuck zu Tode kam?

WARREN: Nein. Wir sind 2000 nach Elm Park gezogen, das heißt, wir wohnten erst zwei Jahre dort, als Mr. Buhrman starb. Ich war nicht so der Typ für Nachbarschaftsfeste, wenn Sie verstehen, was ich meine. Ich blieb die meiste Zeit für mich alleine. Ich glaube nicht, dass ich jemals ein Wort mit Mrs. Buhrman gewechselt habe. Manchmal hab ich sie im Garten gesehen, aber davon abgesehen hat sie im Grunde nie das Haus verlassen. Sie war irgendwie schräg, wissen Sie. Ist sie nicht einer Sekte beigetreten? Mit Mr. Buhrman hab ich allerdings mal geredet. Einmal nachmittags hatte meine Mom Probleme mit dem Rasenmäher. Mein Vater war beruflich unterwegs, und ich war zu der Zeit ein Idiot, der nicht helfen wollte, da ist Mr. Buhrman rübergekommen. Am Ende haben er und ich uns ein bisschen über die Doors unterhalten. Er kam mir ziemlich cool vor.

POPPY: Wussten Sie, dass Ihre Mutter eine Affäre mit Chuck Buhrman hatte?

Vielleicht lag es daran, dass die Frage so abrupt kam, oder es waren seine Glaubensgrundsätze, die Ehebruch verdammen, auf jeden Fall wurde Warren sichtbar angespannt, als ich das fragte.

WARREN: Meine Mutter ist keine Ehebrecherin.

POPPY: Ihnen ist also nie etwas aufgefallen, das Sie auf den Gedanken gebracht hätte, Ihre Mutter könnte mit Mr. Buhrman schlafen?

WARREN: Sagen Sie hier nichts gegen meine Mutter.

POPPY: Ich wollte Ihnen nicht zu nahe treten. Ich versuche nur, der Wahrheit auf die Spur zu kommen. Soweit ich weiß, war zu dieser Zeit Ihr Vater häufig geschäftlich verreist und Ihre Eltern hatten Eheprobleme.

WARREN: Können wir das Thema wechseln?

Für den Rest unseres Treffens war Warren verspannt und un­­kommunikativ. Seine heftige Reaktion gab mir zu denken. Hatte Warren gewusst, dass da was zwischen seiner Mutter und Chuck Buhrman lief? Dass Chuck eine Affäre mit Melanie hatte, steht außer Frage – sie selbst hat das im Zeugenstand zugegeben, ihr Mann hat sie deswegen verlassen –, aber es ist unklar, ob die Affäre zu jener Zeit allgemein bekannt war.

Das ist ein wichtiger Punkt. Schließlich ist die Affäre das Motiv, das die Staatsanwaltschaft Warren unterstellt hat. Sie machte geltend, dass Warren, ein ohnehin schon gestörter Teenager, so entsetzt darüber gewesen sein könnte, dass seine Mutter sich mit dem Nachbarn eingelassen und damit der bereits angeschlagenen Ehe seiner Eltern den Rest gegeben hatte, dass er das Objekt ihrer Zuneigung umbrachte. Doch wenn man die gericht­liche Beweisaufnahme einmal unvoreingenommen betrachtet, erkennt man, dass die Staatsanwaltschaft nicht nachweisen konnte, dass Warren von der Affäre wusste, und sie fand keine Zeugen, die bestätigt hätten, dass die Affäre ein offenes Geheimnis gewesen war.

Am Ende war es unerheblich, dass die Staatsanwaltschaft das Motiv nicht nachweisen konnte, da es eine mutmaß­liche Augenzeugin gab. Doch eine Frage lässt mich nicht los – und zwar nicht nur aus dem Grund, den Sie vielleicht vermuten. Wusste Warren von der Affäre? Und wenn Melanies Familie davon wusste, was ist dann mit Chucks? Was genau war seiner Frau und seinen Kindern bekannt?

Auszug aus einer Abschrift von Wiederaufnahme: DerChuck-Buhrman-Mord, Folge 2: »Das Beweismaterial der Staatsanwaltschaft – beziehungsweise der Mangel daran«, 14. September 2015

Das Beunruhigendste an Warren Caves Haftstrafe ist, dass die Beweise, die zu seiner Verurteilung führten, so unzureichend sind. Aufgrund ein paar läppischer Fingerabdrücke und einer charakter­lichen Vorverurteilung wird er den Rest seines Lebens hinter Gittern verbringen.

Der Dreh- und Angelpunkt in der Beweisführung der Staatsanwaltschaft war Lanie Buhrmans Augenzeugenbe­richt. Ohne den hätte man die übrigen »Beweise« – und dieses Wort setze ich in Anführungszeichen – mit Recht als bloße Indizien abtun können, und sie hätten vermutlich nicht ausgereicht, um eine Jury zweifelsfrei zu überzeugen.

Ich kann es durchaus nachvollziehen: Lanie war nach konventionellen Maßstäben ein attraktives, redegewandtes junges Mädchen, und der Tod ihres Vaters hatte sie ganz eindeutig tief getroffen. Aus Berichten von damals geht hervor, dass sie im Zeugenstand zusammenbrach und auch sonst untröstlich wirkte. Das drückte bei den Geschworenen auf die Tränendrüse, sie wollten ihr gerne glauben.

Bekanntermaßen rufen Augenzeugenberichte bei Ge­­schworenen zwar oft emotionale Reaktionen hervor, sie sind aber auch ziemlich unzuverlässig. Viele Faktoren können die Genauigkeit solcher Aussagen beeinflussen. Bedenken Sie beispielsweise, dass die Geschichte, die Lanie Buhrman im Zeugenstand erzählte – wie sie nach unten ging, um sich ein Glas Wasser zu holen, und dabei zufällig in die Ermordung ihres Vaters platzte –, nicht die gleiche war, die sie zuerst erzählt hatte. Anfangs behaupteten beide Buhrman-Töchter, sie hätten geschlafen, bevor ein Schuss sie aufweckte.

Der ehemalige Detective Derek McGunnigal gehörte zu den Ersten, die am Tatort eintrafen. Er schilderte mir seine Begegnung mit Lanie Buhrman.

McGUNNIGAL: Meine erste Aufgabe war es, mit den Mädchen zu sprechen. Ich kann Ihnen sagen, das war nicht ganz einfach. Sie waren wirklich aufgewühlt. Wir hatten schon alle Mühe, sie dazu zu bewegen, ihre Zimmertür für uns aufzuschließen. Wir mussten ihnen eine Viertelstunde lang gut zureden, bevor sie uns hereinließen, und dann hielten sie sich fest an den Händen und wollten sich partout nicht trennen. Nach dem offiziellen Verfahren sind Zeugen unabhängig voneinander zu befragen, aber ich sah gleich, dass die eine auf keinen Fall ohne die andere reden würde. Sie machten auch so schon kaum den Mund auf, sagten nur, sie hätten geschlafen und nichts gesehen oder gehört, bis die Waffe losging.

Kurz nachdem ich mit den Mädchen fertig war, kamen die Kollegen mit Erin Buhrman an. Sie hatte die Nacht bei einer Freundin verbracht, die sich von einer Zahn-OP erholte. Ich wollte nicht, dass die arme Frau mitansehen musste, wie wir den Tatort sicherten, deshalb brachte ich sie nach oben ins Elternschlafzimmer. Ihre Töchter hörten sie kommen und veranstalteten ein solches Theater, dass ich sie wider besseres Wissen zu ihrer Mutter ließ. Das war zwar nicht ganz vorschriftsmäßig, aber ich brachte es nicht übers Herz, sie wieder rauszuschicken.

Ich hätte sie nicht im Zimmer lassen dürfen, aber Erin hatte uns nicht viel mehr zu bieten als Tränen, da schien es nichts zu schaden. Ich versuchte sie dazu zu bewegen, sich an so viel wie möglich zu erinnern – hatte sie in den letzten Tagen jemand Verdächtigen in der Nachbarschaft bemerkt, fehlte irgendwas, solche Sachen –, und sie regte sich immer mehr auf. Gerade als ich dachte, die Frau würde mir vollkommen zusammenbrechen, sagte Lanie: »Ich hab’s gesehen.«

Alle im Zimmer waren wie vom Donner gerührt. Da sie vorher nichts davon erwähnt hatte, wurde ich sofort misstrauisch. Sie würden nicht glauben, wie viele Leute sich in eine polizei­liche Ermittlung einmischen, nur weil es so aufregend ist. Das gilt besonders für Mädchen im Teenageralter – das soll jetzt nicht sexistisch klingen oder so, es ist meine ganz objektive Wahrnehmung. Ich wollte sie nicht einschüchtern, aber ich wollte sicherstellen, dass sie mich nicht verarscht, deshalb bat ich sie, genau zu schildern, was sie gesehen hatte. Und da hat sie Warren Cave als den Mörder ihres Vaters genannt.

POPPY: Ich habe gelesen, dass die erste Äußerung eines Zeugen für gewöhnlich die wahrheitsgetreueste ist. Warum haben Sie Lanies zweiter Aussage Glauben geschenkt?

McGUNNIGAL: Um eins klarzustellen, ich habe das damals nicht entschieden. Ich kann Ihnen nur sagen, dass mein Boss glaubte, die Mädchen wären zu verängstigt gewesen, um mit der Sprache rauszurücken, bevor ihre Mutter da war. Sie waren zu Hause unterrichtet worden, wissen Sie, und hatten nicht viel Erfahrung mit Autoritätspersonen. Er glaubte, in Gegenwart ihrer Mutter würden sie sich sicher genug fühlen, um zu reden.

POPPY: Aber Sie sind anderer Meinung?

McGUNNIGAL: Das will ich nicht sagen. Ich sage nur, dass Lanie Buhrman nicht unbedingt ruhiger wirkte, nachdem ihre Mutter da war. Allenfalls wirkte sie noch aufgewühlter. Aber, na ja, es kommt ja nicht von ungefähr, dass mein Boss heute immer noch die Truppe leitet und ich bei der Schadensverhütung arbeite.

POPPY: Wurden Sie gefeuert, weil Sie wegen Lanie Buhrman anderer Meinung waren als Ihr Chef?

McGUNNIGAL: Ich bin nicht hier, um über mich zu sprechen. Ich sage nur, dass sie sich meiner Meinung nach in Gegenwart ihrer Mutter nicht wesentlich wohler zu fühlen schien. Aber wer weiß, was das zu bedeuten hatte – ihre Mutter war irgendwie ein bisschen sonderbar, wissen Sie. Schon bevor sie dieser Sekte beitrat. Tatsache ist jedenfalls, dass Lanie Buhrman den Tathergang ganz genau beschrieben hat, bis hin zu der Stelle, an der der Schütze gestanden haben musste. Sie hätte das unmöglich alles richtig beschreiben können, wenn sie die ganze Zeit oben gewesen wäre. Ihre erste Aussage musste also gelogen gewesen sein.

Jedenfalls habe ich zwei Beamte nach nebenan zu den Caves geschickt. Melanie Cave war auf der Veranda – sie hatte von da aus die gesamte Ermittlung beobachtet. Sie wollte die Beamten nicht ins Haus lassen, mit der Begründung, Warren würde schlafen und könnte ihnen nichts sagen. Als sie ihr mitteilten, sie seien gekommen, um ihren Sohn festzunehmen, benahm sie sich auffallend bestürzt.

POPPY: Glauben Sie, dass Melanie Cave absichtlich über Warrens Verbleib gelogen hat?

McGUNNIGAL: Nein, ich glaube, dass sie ehrlich der Meinung war, ihr Sohn wäre oben in seinem Zimmer. Andererseits blieb sie bewusst vage, was den Verbleib ihres Mannes anging. Sie sagte immer wieder, er wäre »weggegangen«, und wollte nicht genauer werden. Damals dachten wir, das wäre vielleicht etwas verdächtig, aber später erfuhren wir, dass es sich nur um eine ehe­liche Streiterei gehandelt hatte.

Im Übrigen, wenn Melanie gewusst hätte, dass Warren nicht im Haus war, hätte sie die Beamten wohl kaum ohne einen Haftbefehl hereingelassen. Am Ende hat sie das nämlich gemacht und ihnen den Weg zu seinem Zimmer gezeigt. Wie Sie wissen, war er nicht da. Die Beamten schalteten gleich auf höchste Alarmbereitschaft, da sie annahmen, dass Warren bewaffnet und gefährlich war, und durchsuchten hastig das gesamte Haus. Wir wollten gerade die Nachbarschaft absuchen, als Warren pitschnass mit seinem Fahrrad die Auffahrt heraufgefahren kam. Er ging gleich auf Konfrontationskurs und weigerte sich, den Beamten zu sagen, wo er gewesen war, und beschimpfte sie als Schweine und Schlimmeres. Er wurde als des Mordes an Chuck Buhrman verdächtig festgenommen und zusätzlich angeklagt, sich der Verhaftung widersetzt zu haben.

Warren gibt bereitwillig zu, dass er sich in jener Nacht schlecht benommen hat, und er weiß, dass er sich keinen Gefallen damit getan hat, sich mit den Polizisten anzulegen. Ich habe Warren gefragt, was er sich dabei gedacht hat.

POPPY: Viele Leute fanden Ihr Verhalten in der Nacht, in der Chuck Buhrman starb, verdächtig. Können Sie mir sagen, was Ihnen dabei durch den Kopf ging?

WARREN: Ich verstehe, warum die Leute denken, ich hätte mich verdächtig verhalten. Ich bin ganz sicher nicht stolz auf mein Benehmen. Aber Sie müssen bedenken, dass ich ein siebzehnjähriger Anarchist war, der die Polizei schon aus Prinzip hasste. Zudem hatte ich fast die ganze Nacht mit Robotripping auf dem Friedhof verbracht.

POPPY: Robotripping?

WARREN: Ja. Man trinkt jede Menge Hustensaft, um high zu werden.

POPPY: Das gibt es?

WARREN: Ja. Aber es ist blöd. Machen Sie das nicht.

POPPY: Keine Sorge, so etwas mache ich nicht. Also haben Sie für die Nacht, in der Chuck Buhrman ermordet wurde, kein Alibi, weil sie alleine auf einem Friedhof Hustensaft getrunken haben?

WARREN: Genau.

POPPY: Warum ein Friedhof?

WARREN: Weiß ich auch nicht. Inzwischen kommt es mir echt respektlos vor, aber damals machte ich das gern. Eine Überdosis Hustensaft lässt einen halluzinieren. Und es gibt nichts Geileres, als auf einem Friedhof zu halluzinieren. Jedenfalls fand ich das damals.

Sie wissen ja nicht, wie oft ich mir gewünscht habe, ich hätte in der Nacht etwas anderes gemacht. Ich wäre besser einfach zu Hause geblieben. Aber selbst wenn ich draußen was Blödes gemacht hätte, dann hätte es irgendwo sein müssen, wo mich jemand hätte sehen können. Aber an solche Sachen denkt man ja nicht – dass man ein Alibi braucht, meine ich –, bevor man verhaftet wird.

POPPY: Aber Sie haben an dem Abend jemanden gesehen, richtig?

WARREN: Ja. Nicht auf dem Friedhof. Da war ich alleine. Aber auf dem Heimweg habe ich eine Abkürzung durch den Lincoln Park genommen, und als ich durch den Teil mit den Picknick-Tischen kam, hat jemand eine Bierdose nach mir geworfen. Ich war mir nicht sicher, ob ich Wahnvorstellungen hatte oder nicht, also bin ich stehen geblieben. Und dann merkte ich, dass auf einem von den Picknick-Tischen ein paar Kids saßen, und sie bewarfen mich eindeutig mit Bierdosen. Als einer es mit einer Glasflasche versuchte, bin ich ausgerastet und auf sie losgegangen. Ich weiß nicht mehr so genau, was dann passiert ist, aber ein paar von den Typen haben mich zum See runter geschleppt – der ist nur ein paar Meter von den Picknick-Tischen entfernt, wissen Sie – und mich unter Wasser gedrückt. Sie haben nicht losgelassen, und ich hab echt gedacht, ich würde sterben. Ich muss für einen Moment ohnmächtig geworden sein, denn eh ich mich’s versah, lag ich neben dem Wasser, und sie waren weg.

POPPY: Und Sie haben keine Ahnung, wer das war?

WARREN: Nein. Und ich habe alles unternommen, um sie zu finden. Ich hatte das Gefühl, sie wären ungefähr in meinem Alter gewesen, also hat meine Anwältin mir Jahrbücher aus Elm Park und Städten in der Umgebung gebracht. Aber es war dunkel, und ich war high in der Nacht, da war ich mir einfach nicht sicher. Ich dachte, ich hätte vielleicht ein, zwei von den Jungs erkannt, aber es ist nichts draus geworden.

Ich hatte noch nie etwas davon gehört, dass Warren mög­licherweise einige Alibi-Zeugen identifiziert hatte, und sprach mit Claire Armstrong, Warrens Anwältin, darüber.

ARMSTRONG: Es wäre eine große Hilfe gewesen, wenn Warren die Personen, die ihn in den See geworfen haben, hätte identifizieren können. Wenn wir sie zu einer Aussage hätten bewegen können, hätten wir Warren mindestens eine Meile entfernt vom Tatort lokalisieren können. Leider konnte er nie genau sagen, wen er gesehen hatte. Er deutete an, dass ihm einige der Gesichter bekannt vorgekommen waren, aber die entsprechenden Personen stritten jede Beteiligung ab. Die ganze Sache wurde noch dadurch verkompliziert, dass es sogenannte »gute Kinder« waren – Sie wissen schon, Schülermitverwaltung, Sport-AGs, Einserkandidaten. Eine Jury hätte Warren niemals mehr geglaubt als ihnen, und ohne ihr Mittun waren sie wertlos für uns. Zudem war sich Warren ja noch nicht einmal sicher, dass sie es gewesen waren. Ich setzte ein paar Inserate in die Lokalzeitung, in denen ich alle, die etwas wussten, dringend bat, sich zu melden, aber es kam nichts dabei heraus.

Ich hätte gedacht, die Tatsache, dass Warren klatschnass war, hätte seiner Geschichte Glaubwürdigkeit verliehen und für seine Unschuld gesprochen, aber das Gegenteil war der Fall. Die Polizei stellte die Theorie auf, dass Warren absichtlich in den See gegangen war, um Beweismittel zu vernichten, zum Beispiel Schmauchspuren oder andere verräterische Dinge, die ihn mit dem Haus der Buhrmans in Verbindung gebracht hätten. Selbst wenn es so gewesen sein sollte, wäre dann nicht Blut das größere Problem gewesen? Kann Seewasser Blut wirklich so wirksam abwaschen? Ich habe dazu den ehemaligen Detective McGunnigal befragt.

POPPY: Was ist mit dem Blut? Wie konnte Warren Cave Chuck Buhrman aus nächster Nähe in den Hinterkopf schießen, ohne zumindest nicht ein paar Spritzer Blut abbekommen zu haben? Seewasser würde das nicht von seinem Shirt abwaschen. Wie erklärten Sie sich dann, dass Sie überhaupt keine Blutflecken auf seiner Kleidung fanden?

McGUNNIGAL: Wir haben immer angenommen, dass Warren Cave etwas über seinen Kleidern trug. Irgendeinen Überzieher, vielleicht auch Plastikfolie. Nach unserer Vermutung landete dieser Überzug auf dem Grund des Sees – zusammen mit der Waffe.

Richtig, im Buhrman-Fall gibt es kein Tatwerkzeug. Am Tatort wurde keine Mordwaffe sichergestellt, und auch in den dreizehn Jahren seither konnte die Polizei sie nicht lokalisieren. Noch in der Mordnacht wurde Warren Caves Zimmer durchsucht und das rest­liche Haus am folgenden Tag. Auch der Friedhof und der Park wurden durchkämmt und der See abgesucht, alles ohne Erfolg.

POPPY: Wenn Sie den See abgesucht und die Waffe nicht gefunden haben, warum glauben Sie dann, dass sie da unten ist?

McGUNNIGAL: Einen See abzusuchen ist immer eine un­­sichere Angelegenheit, vor allem bei einem kleineren Gegenstand wie einer Pistole. Es hat mich nicht gewundert, dass wir sie nicht gefunden haben.

POPPY: Hat es Ihnen nicht zu denken gegeben, dass Sie die Mordwaffe nie gefunden haben?

McGUNNIGAL: Wir brauchten keine weiteren Beweise zu liefern. Wir hatten ja seine Fingerabdrücke am Tatort, und das Buhrman-Mädchen hatte ihn bei der Tat beobachtet.

Ach ja, die Fingerabdrücke. Während Lanies Aussage dafür verantwortlich war, dass Warren in einer Gefängniszelle ­landete, war es die Entdeckung seiner Fingerabdrücke im Haus der Buhrmans – und seine diesbezüg­lichen Ausflüchte –, die die Zellentür für immer verschloss. Anfangs hatte Warren beharrlich behauptet, nie im Haus der Buhrmans gewesen zu sein. Als man ihm dann später einen Anwalt engagiert hatte und er mit der unbestreitbaren Tatsache konfrontiert worden war, dass seine Fingerabdrücke ihn mit dem Haus in Verbindung brachten, änderte Warren seine Geschichte.

WARREN: Ich bin eingebrochen. Es war an einem Mittwochnachmittag, nur ein paar Tage bevor Mr. Buhrman starb. Ich schwänzte die Schule und hing in meinem Zimmer rum. Da sah ich, wie Mrs. Buhrman mit den Zwillingen das Haus verließ. Sie ging sonst nie aus, weil sie nämlich irgendwie nicht ganz richtig im Kopf war, wissen Sie. Ich hatte gehört, wie meine Mom am Telefon darüber sprach, wie verrückt sie wäre, und da dachte ich mir, dass sie da drüben ja vielleicht ein paar richtig gute Drogen hätte. Also bin ich, als ich sie weggehen sah, einfach mal rüber. Hab mir den Schlüssel aus dem Versteck genommen – sie benutzten einen von diesen nachgemachten Steinen, wie alle anderen auch – und bin reingegangen. Sie hatte Xanax, also hab ich das mitgenommen und etwas Bargeld.

Zuzugeben, dass man in das Haus des Opfers eingebrochen ist, ist zwar keine sonderlich lobenswerte Verteidigungsstrategie, aber meiner Meinung nach wenigstens eine ehr­liche. Die Staatsanwaltschaft hat nie so richtig erklären können, warum Warrens Fingerabdrücke nicht nur in der Küche entdeckt worden waren, sondern auf beiden Etagen des Hauses, einschließlich Bad und Elternschlafzimmer. Wenn er die Fingerabdrücke bei der Ausführung des Mordes hinterlassen hat, was hat Warren dann im oberen Stockwerk gemacht? Wie ist er überhaupt da raufgekommen? Ich bin im ehemaligen Haus der Buhrmans gewesen, und glauben Sie mir, die hatten da nicht jede Menge Flure und dunkle Ecken. Vor allem aber gibt es nur eine Treppe. Es ist zwar theoretisch möglich, dass Warren sich unentdeckt nach oben und wieder runtergesch­lichen hat, ohne Chuck Buhrman auf sich aufmerksam zu machen, aber doch nicht sehr wahrscheinlich. Letzten Endes könnte es Warren zum Verhängnis geworden sein, dass er ein zu guter Dieb war. Niemandem ist aufgefallen, dass ins Haus eingebrochen worden war, und im Nach­hinein schenkte ihm keiner mehr Glauben.

Bei all dem Gerede darüber, wo Warrens Fingerabdrücke überall waren, halte ich es für angebracht zu erwähnen, wo sie nicht waren: nämlich auf der Kugel, die in die Wand eingedrungen war.

Die Staatsanwaltschaft schien sich darüber nicht groß Gedanken zu machen. Warren trug Handschuhe, so erklärten sie es sich – meiner Meinung nach ziemlich unwahrscheinlich, wenn man bedenkt, dass seine Fingerabdrücke an vielen anderen Stellen zu finden waren –, oder jemand anders hatte die Waffe geladen. Moment mal, Poppy, werden Sie sagen. Jemand anders? Hatte Warren Cave denn einen Komplizen? Es ist zwar durchaus eine ernstzunehmende Theorie, dass Warren einen Komplizen gehabt haben könnte, doch die Schlussfolgerung der Staatsanwaltschaft war von vornherein viel schockierender: Sie glaubte, dass Chuck Buhrman seine Waffe selbst geladen hatte.

Das sind die Fakten: Chuck besaß eine Handfeuerwaffe Kaliber 38, und die ist bis zum heutigen Tag verschwunden. Erin erzählte der Polizei, ihr Mann habe die Waffe für ihre Eltern gekauft, nachdem auf ihrer Farm eingebrochen worden war, und sie wäre nur aufgrund eines Formfehlers auf seinen Namen registriert worden. Sie gab an, dass sie sich nicht sicher sei, was nach dem Tod ihrer Eltern im Jahr 2000 aus der Waffe geworden ist, behauptete aber, sie niemals in ihrem Haus gesehen zu haben.

Ich weiß nicht genau, was dieser Exkurs über eine Waffe, die eventuell Chuck Buhrman gehört haben könnte, für den größeren Sachverhalt bedeutet, falls es überhaupt etwas bedeutet. Für diejenigen, die von Warren Caves Schuld überzeugt sind, ist es eine praktische Erklärung dafür, wie er als Minderjähriger an eine Waffe gelangen konnte – er hat sie natürlich seinem anvisierten Opfer gestohlen. Sie gehen davon aus, dass die Waffe nach dem Tod von Erins Eltern wieder in Chucks Hände gelangt ist – oder dass sie gar nicht erst den Besitzer gewechselt hat – und dass Warren das ausnutzte. Aber wie wahrscheinlich ist dieses Szenario denn wirklich? Allem Anschein nach jedoch wahrscheinlich genug für die Geschworenen.

Letztendlich mangelte es an konkreten Beweisen, und es blieb bei Indizien. Die Anklageerhebung der Staatsanwaltschaft gegen Warren Cave beruhte in erster Linie auf der Zeugenaussage der fünfzehnjährigen Tochter des Opfers, die während der ersten dreißig Minuten ihrer Befragung durch die Polizei zweimal ihre Darstellung geändert hatte. War sie einfach nur traumatisiert, wie die Staatsanwaltschaft beim Prozess behauptete? Oder sagte sie in voller Absicht die Unwahrheit?

Für Melanie und Warren Cave spielt das keine Rolle.

MELANIE: Alles, was wir wollen, ist die Wahrheit. Lanie, wenn du jetzt zuhörst, du sollst wissen, dass wir dir verzeihen. Ich gebe dir mein Wort, dass weder mein Sohn noch ich irgendwelche recht­lichen Schritte gegen dich einleiten werden. Wir wollen nur, dass du die Wahrheit sagst. Wir wollen nur, dass Warren freikommt.

2

Als ich die zweite Folge zu Ende gehört hatte, war es fast fünf Uhr morgens, und ich glaubte nicht, dass ich imstande sein würde zu schlafen, selbst wenn ich gewollt hätte. Mein Kopf war voller Rauschen, und darunter regte sich wie Trommelwirbel ein großer Unmut. Wenn er die Fingerabdrücke bei der Ausführung des Mordes hinterlassen hat, was hat Warren dann im oberen Stockwerk gemacht?

War Warren in jener Nacht im oberen Stockwerk gewesen? Könnte er im Flur gestanden haben, nur wenige Meter von meinem Bett entfernt, mit einer Waffe in der Hand? Es überlief mich kalt. Wenn das stimmen sollte, dann muss er außergewöhnlich leise gewesen sein, um nicht nur der Aufmerksamkeit meines Vaters zu entgehen, sondern auch der meiner Schwester, die ja wach gewesen war.

Wenn er aber die Fingerabdrücke nicht in jener Nacht hinterlassen hatte, musste er es zu einer anderen Zeit getan haben. Warren hatte recht damit, wie selten meine Mutter zu der Zeit das Haus verließ. Ich konnte mich noch gut an den Nachmittag erinnern, von dem er sprach. Wir waren zum Einkaufszentrum gefahren, um ein Geschenk für Tante As Geburtstag zu kaufen. Undeutlich kam mir in den Sinn, wie Mom an dem Abend ihre Schubladen durchwühlte und dabei vor sich hin murmelte. Ich fragte sie, was sie da mache, und sie nuschelte etwas davon, dass sie den Verstand verlöre und Sachen verlege, oder war es andersherum? Unsere Mutter war häufig zerstreut, wenn es um ihre Siebensachen ging. Damals maß ich dem keine Bedeutung bei. Doch was, wenn sie nach dem Medikament oder dem Bargeld suchte, das Warren gestohlen hatte. Und wenn er die Fingerabdrücke im ersten Stock Tage vor dem Mord hinterlassen hatte, war es dann nicht nur logisch, dass auch die im Erdgeschoss daher stammten?

Hör auf, rief ich mich selbst zur Ordnung. Es spielte keine Rolle, wann die Fingerabdrücke entstanden waren. Vielleicht hinterließ er ja noch weitere in der Nacht, als er meinen Vater tötete, oder er hatte sich an dem Abend entschlossen, Handschuhe anzuziehen. Es war nur ein Manöver, um das Augenmerk von dem ausschlaggebenden Beweis abzulenken: dass Lanie gesehen hatte, wie er abdrückte.

Als ich erst einmal von Wiederaufnahme wusste, witterte ich das Thema überall. Jeder, der ein Headset trug, wurde poten­ziell verdächtigt (oder, je nach meinem momentanen Zu­­stand, gleich überführt), es sich anzuhören. Jeder, der etwas äußerte, das auch nur entfernt nach Buhrman klang, ließ mich innehalten. In der Schlange an der Supermarktkasse hörte ich jemanden wieder aufnehmen sagen und erstarrte sofort. Aber bei einem ängst­lichen Blick über meine Schulter entdeckte ich, dass die Begleiterin des Sprechers vehement den Kopf schüttelte und entgegnete: »Ich werde das Thema ganz be­­stimmt nicht wieder aufnehmen. Dein Zimmernachbar ist ein Barbar, und ich werde ihn nicht mit Denise verkuppeln.«

Tief in meinem Innern wusste ich, dass das Ausmaß meiner Paranoia völlig überzogen war, aber ich konnte das beharr­liche Gefühl, dass die Leute mich anstarrten, einfach nicht abschütteln. Ich verließ mein Apartment nur noch, um zur Arbeit zu gehen. Ich ließ mir alle Mahlzeiten nach Hause liefern, und als mir das Toilettenpapier ausging, ließ ich mir auch das kommen, denn in unserem modernen Zeitalter gibt es für alles einen Lieferservice. Ich schlief nicht mehr. Ich blieb die ganze Nacht auf und las alles, was ich über Poppy Parnell und ihren Podcast finden konnte.

Manchmal fragte ich mich, was passieren würde, wenn Caleb aus Afrika zurückkam und von Wiederaufnahme erfuhr. Manchmal bekam ich panische Angst, er könnte bereits davon wissen, zwei und zwei zusammengezählt und begriffen haben, dass ich ihn über meine Vergangenheit angelogen hatte, und er würde nie mehr zu mir zurückkehren. Wir hatten erst einmal miteinander telefoniert, seit ich von dem Podcast wusste, und bei dem unbefriedigenden fünf Minuten langen Gespräch hatten unsere Worte nachgehallt, und die Verzögerungen waren so krass, dass es schon fast zum Lachen war. Kaum der geeignete Moment, einen brandheißen Podcast zu erwähnen, in dem der Mord an meinem Vater aufs Neue untersucht wurde.

Doch der Gedanke an Caleb schmerzte mich noch mehr als der Gedanke an meinen Vater, deshalb verdrängte ich die­se Sorge. Alles zu seiner Zeit. Fürs Erste verlangte der Podcast meine ganze Aufmerksamkeit.

Bis zum Freitagnachmittag hatte ich innerhalb von zwei Tagen nur hier und da ein paar Stunden Schlaf gefunden, und die Trennungslinie zwischen Wachen und Schlafen begann sich aufzulösen, bis ich mich in einem einzigen lethargischen Dämmerzustand befand. Bei der Arbeit bemühte ich mich, eine neue Bücherlieferung ins Regal zu stellen, doch mein Gehirn war so träge, dass ich ganze fünf Minuten auf eine Ausgabe von Hundert Jahre Einsamkeit starrte und nicht recht wusste, wie ich Gabriel García Márquez alphabetisch einordnen sollte.

Clara sah meine kümmer­lichen Fortschritte eine Weile mit an, bevor sie mir sanft das Buch aus der Hand nahm und fragte: »Bist du okay, Jo? Versteh mich bitte nicht falsch, aber du siehst etwas mitgenommen aus.«

»Ich schlafe zurzeit nicht gut«, gab ich zu und blinzelte.

»Möchtest du vielleicht mal eben rüber zu Starbucks laufen oder so was? Ich halte für dich die Stellung, kein Problem. Ein Kaffee würde dir sicher guttun.«

»Danke«, brachte ich hervor, bevor sich meine Kehle zuzog. »Aber es wird schon wieder.«

Ob es wieder werden würde, musste sich erst noch herausstellen. Der Podcast war allgegenwärtig, selbst in die ehrwürdigen Gänge des Buchladens schlich er sich ein, einen Raum, der normalerweise der Diskussion darüber vorbehalten war, ob kommerzieller Erfolg mit literarischer Leistung gleichzusetzen war, oder der Überlegung, ob Hemingway nun ein Frauenverächter oder ein Menschenverächter gewesen war. Wenn diese Literatur-Snobs sich schon über etwas in den Haaren lagen, was sie im Internet gehört hatten, statt sich gegenseitig mit obskuren literarischen Anspielungen zu überbieten, dann war mein Schicksal besiegelt.

Auf meinem Heimweg zitterte ich vor lauter Schlafmangel und kribbelnder Panik am ganzen Körper. Ich hielt den Kopf gesenkt, da ich sicher war, dass jeder, an dem ich vorüberging, sich Poppys Geschwätz angehört hatte und jetzt alles über meine schmerz­liche Vergangenheit wusste. Vor Jahren schon hatte ich eine offizielle Namensänderung beantragt und Josephine Buhrman hinter mir gelassen, aber das war nur eine Formalität und würde mir wenig nützen, wenn die Fans des Podcasts erst mit der Bildersuche begonnen hatten. Jetzt, wo das Gesicht meines Vaters auf der Wiederaufnahme-Webseite ihr Interesse geweckt hatte, wie lange würde es da wohl dauern, bis sie nach Fotos von uns allen googelten? Was, wenn sie damit schon angefangen hatten? War es naiv von mir gewesen, mir einzureden, ein Podcast wäre nichts weiter als modernes Radio, einfach nur Worte, die durch den Raum schwirrten? Er existierte im Internet, gleich neben Google Images, ein gefundenes Fressen für begeisterte Web-Detektive.