Schloss Gripsholm - Kurt Tucholsky - E-Book + Hörbuch

Schloss Gripsholm Hörbuch

Kurt Tucholsky

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Beschreibung

Tucholsky veröffentlichte diesen leichten, erotischen Sommerreigen 1931. Offensichtlich autobiografisch gefärbt – wenn die geschilderte Ménage à trois laut Aussage der Geliebten von Tucholsky auch nur dem Wunschdenken des Autors entsprang. Tucholskys heitere Liebesgeschichte um einen Mann und zwei Frauen im Urlaub stellte einen kultivierten, sympathischen Gegenentwurf zum damaligen deutsch-nationalen Spießertum dar – so konnte Deutschland also auch sein. Als Chronist seiner Zeit war Tucholsky auch Leidender an derselben. Einer Zeit zwischen den Weltkriegen, die in Deutschland geprägt war von Militarismus, Obrigkeitsdenken und gnadenloser Ausbeutung der Unterschicht. Schloss Gripsholm wurde 2000 verfilmt; in den Hauptrollen Ulrich Noethen, Heike Makatsch und Jasmin Tabatabai. Null Papier Verlag

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Zeit:4 Std. 48 min

Sprecher:Uwe Friedrichsen
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Kurt Tucholsky

Schloss Gripsholm

Eine Sommergeschichte

Kurt Tucholsky

Schloss Gripsholm

Eine Sommergeschichte

Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2024Klosterstr. 34 · D-40211 Düsseldorf · [email protected] 2. Auflage, ISBN 978-3-954188-11-6

null-papier.de/newsletter

Inhaltsverzeichnis

Werk­samm­lung zu Kurt Tuchols­ky

Schloss Grips­holm

Nach­wort des Ver­le­gers zum Vor­wort des Au­tors

Ers­tes Ka­pi­tel

1

2

3

4

5

6

Zwei­tes Ka­pi­tel

1

2

3

4

5

Drit­tes Ka­pi­tel

1

2

3

4

Vier­tes Ka­pi­tel

1

2

3

Fünf­tes Ka­pi­tel

1

2

Werk­samm­lung zu Kurt Tuchols­ky

Dan­ke

Dan­ke, dass Sie sich für ein E-Book aus mei­nem Ver­lag ent­schie­den ha­ben.

Soll­ten Sie Hil­fe be­nö­ti­gen oder eine Fra­ge ha­ben, schrei­ben Sie mir.

Ihr Jür­gen Schul­ze

Werksammlung zu Kurt Tucholsky

Die er­folg­reichs­te di­gi­ta­le Werk­samm­lung zu Kurt Tuchols­ky

Schloss Grips­holm, Das Lott­chen, Rheins­berg, Was darf Sa­ti­re?, Ei­ner pfeift sich einen, Jo­na­than’s Wör­ter­buch, Die fünf­te Jah­res­zeit, u.v.a

978-3-95418-520-7 (Kind­le) 978-3-95418-521-4 (Epub) 978-3-95418-522-1 (PDF)

0,99 €

null-pa­pier.de/tuchols­ky

Schloss Gripsholm

Ei­ne Som­mer­ge­schich­te

Für IA 47 407

Wir kön­nen auch die Trom­pe­te bla­sen und schmet­tern weit­hin durch das Land; doch schrei­ten wir lie­ber in Mai­en­ta­gen, wenn die Pri­meln blühn und die Dros­seln schla­gen, still sin­nend an des Ba­ches Rand.

Storm

Nachwort des Verlegers zum Vorwort des Autors

Tuchols­ky woll­te sei­ne da­ma­li­ge Liai­son mit Lisa Matt­hi­as nicht pu­blik ma­chen, da­her wid­me­te er die Ge­schich­te nicht ihr, son­dern ih­rem Auto. Der Le­ser be­ach­te das Num­mern­schild.

Erstes Kapitel

1

Ernst Ro­wohlt Ver­lag Ber­lin W 50 Pas­sau­er Stra­ße 8/9

8. Juni

Lie­ber Herr Tuchols­ky,

schö­nen Dank für Ihren Brief vom 2. Juni. Wir ha­ben Ihren Wunsch no­tiert. Für heu­te et­was andres.

Wie Sie wis­sen, habe ich in der letz­ten Zeit al­ler­hand po­li­ti­sche Bü­cher ver­legt, mit de­nen Sie sich ja hin­läng­lich be­schäf­tigt ha­ben. Nun möch­te ich doch aber wie­der ein­mal die »schö­ne Li­te­ra­tur« pfle­gen. Ha­ben Sie gar nichts? Wie wäre es denn mit ei­ner klei­nen Lie­bes­ge­schich­te? Über­le­gen Sie sich das mal! Das Buch soll nicht teu­er wer­den, und ich dru­cke Ih­nen für den An­fang zehn­tau­send Stück. Die be­freun­de­ten Sor­ti­men­ter sa­gen mir je­des Mal auf mei­nen Rei­sen, wie gern die Leu­te so et­was le­sen. Wie ist es da­mit?

Sie ha­ben bei uns noch 46 RM gut – wo­hin sol­len wir Ih­nen die über­wei­sen?

Mit den bes­ten Grü­ßen Ihr (Rie­sen­schnör­kel) Ernst Ro­wohlt

*

10. Juni

Lie­ber Herr Ro­wohlt,

Dank für Ihren Brief vom 8. 6.

Ja, eine Lie­bes­ge­schich­te … lie­ber Meis­ter, wie den­ken Sie sich das? In der heu­ti­gen Zeit Lie­be? Lie­ben Sie? Wer liebt denn heu­te noch? Dann schon lie­ber eine klei­ne Som­mer­ge­schich­te.

Die Sa­che ist nicht leicht. Sie wis­sen, wie sehr es mir wi­der­strebt, die Öf­fent­lich­keit mit mei­nem per­sön­li­chen Kram zu be­hel­li­gen – das fällt also fort. Au­ßer­dem be­trü­ge ich jede Frau mit mei­ner Schreib­ma­schi­ne und er­le­be da­her nichts Ro­man­ti­sches. Und soll ich mir die Ge­schich­te viel­leicht aus­den­ken? Fan­ta­sie ha­ben doch nur die Ge­schäfts­leu­te, wenn sie nicht zah­len kön­nen. Dann fällt ih­nen viel ein. Un­serei­nem …

Schrei­be ich den Leu­ten nicht ih­ren Wunsch­traum (»Die Grä­fin raff­te ihre Sil­ber-Robe, wür­dig­te den Gra­fen kei­nes Blickes und fiel die Schloss­trep­pe hin­un­ter«), dann bleibt nur noch das Propp­lem über die Ehe als Zim­mer-Gym­nas­tik, die »mensch­li­che Ein­stel­lung« und all das Zeug, das wir nicht mö­gen. Wo­her neh­men und nicht bei Vil­lon steh­len?

Da wir gra­de von Ly­rik spre­chen:

Wie kommt es, dass Sie in § 9 un­se­res Ver­lags­ver­tra­ges 15 % ho­no­rar­freie Exem­pla­re be­rech­nen. So­viel Re­zen­si­ons­exem­pla­re schi­cken Sie doch nie­mals in die Welt hin­aus! So ja­gen Sie den sau­ren Schweiß Ih­rer Au­to­ren durch die Gur­gel – kein Wun­der, dass Sie auf Samt sau­fen, wäh­rend un­serei­ner auf har­ten Bän­ken dün­nes Bier schluckt. Aber so ist al­les.

Dass Sie mir gut sind, wuss­te ich. Dass Sie mir für 46 RM gut sind, er­freut mein Herz. Bit­te wie ge­wöhn­lich an die alte Adres­se. Üb­ri­gens fah­re ich nächs­te Wo­che in Ur­laub.

Mit vie­len schö­nen Grü­ßen Ihr Tuchols­ky

*

Ernst Ro­wohlt Ver­lag Ber­lin W 50 Pas­sau­er Stra­ße 8/9

12. Juni

Lie­ber Herr Tuchols­ky,

vie­len Dank für Ihren Brief vom 10. d. M.

Die 15 % ho­no­rar­freie Exem­pla­re sind – also das kön­nen Sie mir wirk­lich glau­ben – mei­ne ein­zi­ge Ver­dienst­mög­lich­keit. Lie­ber Herr Tuchols­ky, wenn Sie un­se­re Bilanz sä­hen, dann wüss­ten Sie, dass es ein ar­mer Ver­le­ger gar nicht leicht hat. Ohne die 15 % könn­te ich über­haupt nicht exis­tie­ren und wür­de glatt ver­hun­gern. Das wer­den Sie doch nicht wol­len.

Die Som­mer­ge­schich­te soll­ten Sie sich durch den Kopf ge­hen las­sen.

Die Leu­te wol­len ne­ben der Po­li­tik und dem Ak­tu­el­len et­was ha­ben, was sie ih­rer Freun­din schen­ken kön­nen. Sie glau­ben gar nicht, wie das fehlt. Ich den­ke an eine klei­ne Ge­schich­te, nicht zu um­fang­reich, etwa 15–16 Bo­gen, zart im Ge­fühl, kar­to­niert, leicht iro­nisch und mit ei­nem bun­ten Um­schlag. Der In­halt kann so frei sein, wie Sie wol­len.

Ich wür­de Ih­nen viel­leicht in­so­fern ent­ge­gen­kom­men, dass ich die ho­no­rar­frei­en Exem­pla­re auf 14 % her­un­ter­set­ze.

Wie ge­fällt Ih­nen un­ser neu­er Ver­lags­ka­ta­log? Ich wün­sche Ih­nen einen ver­gnüg­ten Ur­laub und bin mit vie­len Grü­ßen

Ihr (Rie­sen­schnör­kel) Ernst Ro­wohlt

*

15. Juni

Lie­ber Meis­ter Ro­wohlt,

auf dem neu­en Ver­lags­ka­ta­log hat Sie Gul­brans­son ganz rich­tig ge­zeich­net: still sin­nend an des Ba­ches Rand sit­zen Sie da und an­geln die fet­ten Fi­sche. Der Kö­der mit 14 % ho­no­rar­frei­er Exem­pla­re ist nicht fett ge­nug – 12 sind auch ganz schön. Den­ken Sie mal ein biss­chen dar­über nach und ge­ben Sie Ihrem har­ten Ver­le­ger­her­zen einen Stoß. Bei 14 % fällt mir be­stimmt nichts ein – ich dich­te erst ab 12 %.

Ich schrei­be die­sen Brief schon mit ei­nem Fuß in der Bahn. In ei­ner Stun­de fah­re ich ab – nach Schwe­den. Ich will in die­sem Ur­laub über­haupt nicht ar­bei­ten, son­dern ich möch­te in die Bäu­me gu­cken und mich mal rich­tig aus­ruhn.

Wenn ich zu­rück­kom­me, wol­len wir den Fall noch ein­mal be­brü­ten. Nun aber schwen­ke ich mei­nen Hut, grü­ße Sie recht herz­lich und wün­sche Ih­nen einen gu­ten Som­mer! Und ver­ges­sen Sie nicht: 12 %!

Mit vie­len schö­nen Grü­ßen Ihr ge­treu­er Tuchols­ky

Un­ter­schrie­ben – zu­ge­klebt – fran­kiert – es war ge­nau acht Uhr zehn Mi­nu­ten. Um neun Uhr zwan­zig ging der Zug von Ber­lin nach Ko­pen­ha­gen. Und nun woll­ten wir ja­wohl die Prin­zes­sin ab­ho­len.

2

Sie hat­te eine Alt­stim­me und hieß Ly­dia.

Karl­chen und Ja­kopp aber nann­ten jede Frau, mit der ei­ner von uns drei­en zu tun hat­te, »die Prin­zes­sin«, um den be­tref­fen­den Prinz­ge­mahl zu eh­ren – und dies war nun also die Prin­zes­sin; aber kei­ne an­de­re durf­te je mehr so ge­nannt wer­den.

Sie war kei­ne Prin­zes­sin.

Sie war et­was, was alle Schat­tie­run­gen um­fasst, die nur mög­lich sind: sie war Se­kre­tä­rin. Sie war Se­kre­tä­rin bei ei­nem un­för­mig di­cken Pa­tron; ich hat­te ihn ein­mal ge­sehn und fand ihn scheuß­lich, und zwi­schen ihm und Ly­dia … nein! Das kommt bei­nah nur in Ro­ma­nen vor. Zwi­schen ihm und Ly­dia be­stand je­nes merk­wür­di­ge Ver­hält­nis von Zu­nei­gung, ner­vö­ser Dul­dung und Ver­trau­en auf der einen Sei­te und Zu­nei­gung, Ab­nei­gung und dul­den­der Ner­vo­si­tät auf der an­de­ren: sie war sei­ne Se­kre­tä­rin. Der Mann führ­te den Ti­tel ei­nes Ge­ne­ral­kon­suls und han­del­te an­sons­ten mit Sei­fen. Im­mer la­gen da Pa­ke­te im Büro her­um, und so hat­te der Di­cke we­nigs­tens eine Aus­re­de, wenn sei­ne Hän­de fet­tig wa­ren.

Der Ge­ne­ral­kon­sul hat­te ihr in ei­ner An­wand­lung fürst­li­cher Frei­ge­big­keit fünf Wo­chen Ur­laub ge­währt; er fuhr nach Ab­ba­zia. Ges­tern Abend war er ab­ge­fah­ren – wer­de ihm der Schlaf­wa­gen leicht! Im Büro sa­ßen sein Schwa­ger und für Ly­dia eine Stell­ver­tre­te­rin. Was gin­gen mich denn sei­ne Sei­fen an – Ly­dia ging mich an.

Da stand sie schon mit den Kof­fern vor ih­rem Haus – »Hal­lo!«

»Du bi­scha all do?« sag­te die Prin­zes­sin – zur gren­zen­lo­sen Ver­wun­de­rung des Ta­xichauf­feurs, der die­ses für Ost­chi­ne­sisch hielt. Es war aber Mis­singsch.

Mis­singsch ist das, was her­aus­kommt, wenn ein Platt­deut­scher Hoch­deutsch spre­chen will. Er krab­belt auf der glatt ge­boh­ner­ten Trep­pe der deut­schen Gram­ma­tik em­por und rutscht alle Nase lang wie­der in sein ge­lieb­tes Platt zu­rück. Ly­dia stamm­te aus Ro­stock, und sie be­herrsch­te die­ses Idi­om in der Vollen­dung. Es ist kein bäu­ri­sches Platt – es ist viel fei­ner. Das Hoch­deutsch dar­in nimmt sich aus wie Hohn und Ka­ri­ka­tur; es ist, wie wenn ein Bau­er in Frack und Zy­lin­der aufs Feld gin­ge und so acker­te. Der Zy­lin­der ischa en fi­nen stat­schen Haut, över wen dor nich mit grot worn is, denn rutscht hei üm­mer wer­rer aff, dat deit he … Und dann ist da im Platt der gan­ze Hu­mor die­ser Nord­deut­schen; ihr gut­mü­ti­ger Spott, wenn es ei­ner gar zu toll treibt, ihr fest zu­pa­cken­der Spaß, wenn sie falschen Glanz wit­tern, und sie wit­tern ihn, un­fehl­bar … die­se Spra­che konn­te Ly­dia bei Ge­le­gen­heit spre­chen. Hier war eine Ge­le­gen­heit.

»Kann mir gah­nich gie­nug wun­nern, das­se den Zeit nich ver­schla­fen hass!« sag­te sie und ging mit fes­ten, ru­hi­gen Be­we­gun­gen dar­an, mir und dem Chauf­feur zu hel­fen. Wir pack­ten auf. »Hier, nimm den Da­ckel!« – Der Da­ckel war eine fet­te, bis zur Al­bern­heit lang ge­zo­ge­ne Hand­ta­sche. Und so pünkt­lich war sie! Auf ih­ren Na­sen­flü­geln lag ein Hauch von Pu­der. Wir fuh­ren.

»Frau Krem­ser hat ge­sagt«, be­gann Ly­dia, »ich soll mir mei­nen Pelz mit­neh­men und vie­le war­me Män­tel – denn in Schwe­den gibt es über­haupt kei­nen Som­mer, hat Frau Krem­ser ge­sagt. Da wär im­mer Win­ter. Ische woll nich möch­lich!« Frau Krem­ser war die Haus­häl­te­rin der Prin­zes­sin, Stu­ben­mäd­chen, Rein­ma­che­frau und Groß­sie­gel­be­wah­re­rin. Ge­gen mich hat­te sie noch im­mer, nach so lan­ger Zeit, ein lei­se schnüf­feln­des Miss­trau­en – die Frau hat­te einen gu­ten In­stinkt. »Sag mal … ist es wirk­lich so kalt da oben?«

»Es ist doch merk­wür­dig«, sag­te ich. »Wenn die Leu­te in Deutsch­land an Schwe­den den­ken, dann den­ken sie: Schwe­den­punsch, furcht­bar kalt, Ivar Kreu­ger, Zünd­höl­zer, furcht­bar kalt, blon­de Frau­en und furcht­bar kalt. So kalt ist es gar nicht.« – »Also wie kalt ist es denn?« – »Alle Frau­en sind pe­dan­tisch«, sag­te ich. – »Au­ßer dir!« sag­te Ly­dia. – »Ich bin kei­ne Frau.« – »Aber pe­dan­tisch!« – »Er­lau­be mal«, sag­te ich, »hier liegt ein lo­gi­scher Feh­ler vor. Es ist ge­naues­tens zu un­ter­schei­den, ob pro pri­mo …« – »Gib mal’n Kuss auf Ly­dia!« sag­te die Dame. Ich tat es, und der Chauf­feur nu­ckel­te leicht mit dem Kopf, denn sei­ne Schei­be vorn spie­gel­te. Und dann hielt das Auto da, wo alle bes­sern Ge­schich­ten an­fan­gen: am Bahn­hof.

3

Es er­gab sich, dass der Ge­päck­trä­ger Nr. 47 aus War­ne­mün­de stamm­te, und der Freu­de und des Ge­re­des war kein Ende, bis ich die­se lands­män­ni­sche Idyl­le, der Zeit we­gen, un­ter­brach. »Fährt der Ge­päck­trä­ger mit? Dann könnt ihr euch ja viel­leicht im Zug wei­ter un­ter­hal­ten.« – »Olln Dös­kopp! Heww di man nich so!« sag­te die Prin­zes­sin. Und: »Wi hemm noch ban­nig Tid!« der Ge­päck­trä­ger. Da schwieg ich über­stimmt, und die bei­den be­gan­nen ein em­si­ges Pala­ver dar­über, ob Korl Dü­sig noch am »Strom« wohn­te – wis­sen Sie: Dü­sig – näää … de Olsch! So, Gott sei Dank, er wohn­te noch da! Und hat­te wie­der­um ein Kind her­ge­stellt: der Mann war achtund­sieb­zig Jah­re und wur­de von mir, hier an der Ge­päck­aus­ga­be, au­ßer­or­dent­lich be­nei­det. Es war sein sech­zehn­tes Kind. Aber nun wa­ren es nur noch acht Mi­nu­ten bis zum Ab­gang des Zu­ges, und … »Willst du Zei­tun­gen ha­ben, Ly­dia?« – Nein, sie woll­te kei­ne. Sie hat­te sich et­was zum Le­sen mit­ge­bracht – wir un­ter­la­gen bei­de nicht die­ser merk­wür­di­gen Krank­heit, plötz­lich auf den Bahn­hö­fen zwei Pfund be­druck­tes Pa­pier zu kau­fen, von dem man vor­her ziem­lich ge­nau weiß: Ma­ku­la­tur. Also kauf­ten wir Zei­tun­gen.

Und dann fuh­ren wir – al­lein im Ab­teil – über Ko­pen­ha­gen nach Schwe­den. Vor­läu­fig wa­ren wir noch in der Mark Bran­den­burg.

»Finns­te die Ge­gend hier, Pe­ter?« sag­te die Prin­zes­sin. Wir hat­ten uns un­ter an­derm auf Pe­ter ge­ei­nigt – Gott weiß, warum.

Die Ge­gend? Es war ein hel­ler, win­di­ger Ju­ni­tag – recht frisch, und die­se Land­schaft sah gut auf­ge­räumt und ge­rei­nigt aus – sie war­te­te auf den Som­mer und sag­te: Ich bin karg. »Ja …«, sag­te ich. »Die Ge­gend …« – »Du könn­test für mein Geld wirk­lich et­was Ge­schei­te­res von dir ge­ben«, sag­te sie. »Zum Bei­spiel: die­se Land­schaft ist wie er­starr­te Dicht­kunst, oder sie er­in­nert mich an Fi­u­me, nur ist da die Flo­ra ka­tho­li­scher – oder so.« – »Ich bin nicht aus Wien«, sag­te ich. »Gott sei Dank«, sag­te sie. Und wir fuh­ren.

Die Prin­zes­sin schlief. Ich den­kel­te so vor mich hin.

Die Prin­zes­sin be­haup­te­te, ich sag­te zu je­der von mir ge­lieb­ten Frau, aber auch zu je­der –: »Wie schön, dass du da bist!« Das war eine pfunds­di­cke Lüge – manch­mal sag­te oder dach­te ich doch auch: »Wie schön, dass du da bist … und nicht hier!« – aber wenn ich die Ly­dia so ne­ben mir sit­zen sah, da sag­te ich es nun wirk­lich. Wa­rum –?

Na­tür­lich des­we­gen. In ers­ter Li­nie …? Ich weiß das nicht. Wir wuss­ten nur die­ses: Ei­nes der tiefs­ten Wor­te der deut­schen Spra­che sagt von zwei Leu­ten, dass sie sich nicht rie­chen kön­nen. Wir konn­ten es, und das ist, wenn es an­hält, schon sehr viel. Sie war mir al­les in ei­nem: Ge­lieb­te, ko­mi­sche Oper, Mut­ter und Freund. Was ich ihr war, habe ich nie er­grün­den kön­nen.

Und dann die Alt­stim­me. Ich habe sie ein­mal nachts ge­weckt, und, als sie auf­schrak: »Sag et­was!« bat ich. »Du Dum­mer!« sag­te sie. Und schlief lä­chelnd wie­der ein. Aber ich hat­te die Stim­me ge­hört, ich hat­te ihre tie­fe Stim­me ge­hört.

Und das drit­te war das Mis­singsch. Man­chen Leu­ten er­scheint die platt­deut­sche Spra­che grob, und sie mö­gen sie nicht. Ich habe die­se Spra­che im­mer ge­liebt; mein Va­ter sprach sie wie hoch­deutsch, sie, die »voll­komm­ne­re der bei­den Schwes­tern«, wie Klaus Groth sie ge­nannt hat. Es ist die Spra­che des Mee­res. Das Platt­deut­sche kann al­les sein: zart und grob, hu­mor­voll und herz­lich, klar und nüch­tern und vor al­lem, wenn man will, herr­lich be­sof­fen. Die Prin­zes­sin bog sich die­se Spra­che ins Hoch­deut­sche um, wie es ihr pass­te – denn vom Mis­sing­schen gibt es hun­dert und aber­hun­dert Abar­ten, von Fries­land über Ham­burg bis nach Pom­mern; da hat je­der klei­ne Ort sei­ne Ei­gen­hei­ten. Phi­lo­lo­gisch ist dem sehr schwer bei­zu­kom­men; aber mit dem Her­zen ist ihm bei­zu­kom­men. Das also sprach die Prin­zes­sin – ah, nicht alle Tage! Das wäre ja un­er­träg­lich ge­we­sen. Manch­mal, zur Er­ho­lung, wenn ihr gra­de so zu Mut war, sprach sie miss­ingsch; sie sag­te dar­in die Din­ge, die ihr be­son­ders am Her­zen la­gen, und da­ne­ben hat­te sie im Lauf der Zeit schon viel von Ber­lin an­ge­nom­men. Wenn sie ganz schnell »All­mäch­ti­ger Bra­ten!« sag­te, dann wuss­te man gut Be­scheid. Aber mit­un­ter sprach sie doch ihr Platt oder eben je­nes hal­be Platt: miss­ingsch.

Das weiß ich noch wie heu­te … Das war, als wir uns ken­nen­lern­ten. Ich war da­mals zum Tee bei ihr und bot den dis­kret lä­cher­li­chen An­blick ei­nes Man­nes, der balzt. Da­bei sind wir ja recht­schaf­fen ko­misch … Ich mach­te Plüschau­gen und sprach über Li­te­ra­tur – sie lä­chel­te. Ich er­zähl­te Scher­ze und be­leuch­te­te alle Schau­fens­ter mei­nes Her­zens. Und dann spra­chen wir von der Lie­be. Das ist wie bei ei­ner bay­ri­schen Rau­fe­rei – die rau­fen auch erst mit Wor­ten.

Und als ich ihr al­les aus­ein­an­der­ge­setzt hat­te, al­les, was ich im Au­gen­blick wuss­te, und das war nicht we­nig, und ich war so stolz, was für ge­wag­te Sa­chen ich da ge­sagt hat­te, und wie ich das al­les so ge­nau und bren­nen­d­rot dar­ge­stellt und vor­ge­führt hat­te, in Wor­ten, so­dass nun ei­gent­lich der Au­gen­blick ge­kom­men war, zu sa­gen: »Ja, also dann …« – da sah mich die Prin­zes­sin lan­ge an. Und sprach: »Ei­nen welt­be­fohr­nen dschun­gen Mann –!«

Und da war es aus. Und ich fand mich erst viel spä­ter bei ihr wie­der, im­mer noch la­chend, und mit der ero­ti­schen Wei­he war es nichts ge­wor­den. Aber mit der Lie­be war es et­was ge­wor­den.

Der Zug hielt.

Die Prin­zes­sin fuhr auf, öff­ne­te die Au­gen. »Wo sind wir?« – »Es sieht aus wie Stolp oder Star­gard – je­den­falls ist es et­was mit St«, sag­te ich. – »Wie sieht es noch aus?« frag­te sie. – »Es sieht aus«, sag­te ich und blick­te auf die Back­stein­häus­chen und den trüb­sin­ni­gen Bahn­hof, »wie wenn hier die Un­ter­of­fi­zie­re ge­bo­ren wer­den, die ihre Mann­schaf­ten schin­den. Möch­test du hier Mit­tag es­sen?« Die Prin­zes­sin schloss so­fort die Au­gen. »Ly­dia«, sag­te ich, »wir kön­nen auch im Spei­se­wa­gen es­sen, der Zug hat einen.« – »Nein«, sag­te sie. »Im Spei­se­wa­gen wer­den die Kell­ner im­mer von der Ge­schwin­dig­keit des Zu­ges an­ge­steckt, und es geht al­les so furcht­bar ei­lig – ich habe aber einen lang­sa­men Ma­gen …« – »Gut. Was liest du da üb­ri­gens, Alte?« – »Ich schla­fe seit zwei Stun­den auf ei­nem mon­dä­nen Ro­man. Der ein­zi­ge Kör­per­teil, mit dem man ihn le­sen kann …«, und dann mach­te sie die Au­gen wie­der zu. Und wie­der auf. »Guck eins … die Frau da! Die is aber mi­so­gyn!« – »Was ist sie?« – »Mi­so­gyn … heißt das nicht mick­rig? Nein, das habe ich mit den Pyg­mä­en ver­wech­selt; das sind doch die­se Leu­te, die auf Bäu­men woh­nen … wie?« Und nach die­ser Leis­tung ent­schlum­mer­te sie aufs neue, und wir fuh­ren, lan­ge, lan­ge. Bis War­ne­mün­de.

Da war der »Strom«. So heißt hier die War­ne – war es die War­ne? Pee­ne, Swi­ne, Die­ve­now … oder hieß der Fluss an­ders? Es stand nicht dran. Mit Karl­chen und Ja­kopp hat­te ich der Ein­fach­heit hal­ber er­fun­den, je­der Stadt den ihr zu­ge­hö­ri­gen Fluss zu ge­ben: Glei­witz an der Glei­we, Bit­ter­feld an der Bit­ter und so fort.

Hier am Strom la­gen lau­ter klei­ne Häu­ser, eins bei­nah wie das an­de­re, windum­weht und so ge­müt­lich. Se­gel­boo­te steck­ten ihre Mas­ten in die graue Luft, und be­la­de­ne Käh­ne ruh­ten faul im stil­len Was­ser. »Guck mal, War­ne­mün­de!«

»Diß kenn ich scha denn nu doch wohl biss­chen bes­ser als du. Har­re Gott, nein … Da ische den Strom, da bin ich so­zu­sa­gen an groß gie­worn! Da wohnt scha Korl Dü­sig un min oll Wie­sen­dörpsch, un in das nüd­li­che lüt­te Haus, da wohnt Tapp­sier Krö­ger, den sind sol­che net­ten Men­schen, as es auf die­se aus­ge­klür­te Welt sons gah nich mehr gibt … Und das is Ze­na­ter Eg­gers sin Hus, Dree Lin­den. Un sieh mal: das alte Haus da mit den schö­nen Barock­gie­bel – da spückt es in!« – »Auf platt­deutsch?« frag­te ich. – »Du büschan gan­zen mong­kan­ten Mann; meins, den War­ne­mün­der Gie­s­pens­ter spü­ken auf hoch­deutsch rum – nee, al­lens, was Recht is, Ord­nung muss sein, auch inne vier­te Di­men­zi­on …! Und …« Rrrums – der Zug ran­gier­te. Wir fie­len an­ein­an­der. Und dann er­zähl­te sie wei­ter und er­klär­te mir je­des Haus am Strom, so­weit man se­hen konn­te.

»Da – da is das Haus, wo die alte Frau Brüs­ha­ber in gie­wohnt hat, die war eins so fühnsch, dass ich’n beß­res Zeug­nis ge­habt hab als ihre Groß­kin­der; die wa­ren ümme so ver­schli­chen … und da hat sie von ’n ol­len Wie­dow, dem Schul­de­rek­ter, ge­sagt: Wann ick den Kierl inn Mars hat, ick scheet em inne Ost­see! Un das Haus hat dem al­ten Lauf­mül­ler gie­hört. Den kennst du nich auße Welt­ge­schich­te? Der Lauf­mül­ler, der lag sich ümme inne Haa­ren mit die hohe Ob­rig­keit, was zu die­se Zeit den Lan­drat von der De­cken war, Lan­drat Lud­wig von der De­cken. Und um ihn zu ägen, kauf­te sich der Lauf­mül­ler einen al­ten räu­di­gen Hund, und den nann­te er Lur­wich, und wenn nu Lan­drat von der De­cken in Sicht kam, denn rief Lauf­mül­ler sei­nen Hund: Lur­wich, hin­teh mich! Und denn grien­te Lauf­mül­ler so finsch, und den Lan­drat är­ger­te sich … un da­von ha­ben wi auch im Schohr 1918 kei­ne Re­vo­lut­schon gie­habt. Ja.« – »Lebt der Herr Mül­ler noch?« frag­te ich. – »Ach Gott, nei­en – he is all lang dod. Er hat sich gie­wünscht, er wollt an Weg be­gra­ben sein, mit dem Kopf gra­de an Weg.« – »Wa­rum?« – »Dscha … dass er den Mä­chens so lan­ge als möch­lich un­te­re Röck … Der Zoll!« Der Zoll.

Eu­ro­pa zoll­te. Es be­trat ein Mann den Raum, der frag­te höf­lichst, ob wir … und wir sag­ten: nein, wir hät­ten nicht. Und dann ging der Mann wie­der weg. »Ver­stehst du das?« frag­te Ly­dia. – »Ich ver­ste­he es nicht«, sag­te ich. »Es ist ein Ge­sell­schaftss­piel und eine Re­li­gi­on, die Re­li­gi­on der Va­ter­län­der. Auf dem Auge bin ich blind. Sieh mal – sie kön­nen das mit den Va­ter­län­dern doch nur ma­chen, wenn sie Fein­de ha­ben und Gren­zen. Sonst wüss­te man nie, wo das eine an­fängt und wo das an­de­re auf­hört. Na, und das gin­ge doch nicht, wie …?« Die Prin­zes­sin fand, dass es nicht gin­ge, und dann wur­den wir auf die Fäh­re ge­scho­ben.

Da stan­den wir in ei­nem klei­nen ei­ser­nen Tun­nel, zwi­schen den Damp­fer­wän­den. Rucks – nun wur­de der Wa­gen an­ge­bun­den. »Wis­sen möcht ich …«, sag­te die Prin­zes­sin, »warum ein Schiff ei­gent­lich schwimmt. Es wiegt so viel: es müss­te doch un­ter­gehn. Wie ist das! Du bist doch einen stu­dier­ten Mann!« – »Es ist … der Luft­ge­halt in den Schot­ten … also pass mal auf … das spe­zi­fi­sche Ge­wicht des Was­sers … es ist näm­lich die Ver­drän­gung …« – »Mein Lie­ber«, sag­te die Prin­zes­sin, »wenn ei­ner über­mä­ßig viel Fach­aus­drücke ge­braucht, dann stimmt da et­was nicht. Also du weißt es auch nicht. Pe­ter, dass du so ent­setz­lich dumm bist – das ist scha­de. Aber man kann ja­wohl nicht al­les bei­ein­an­der ha­ben.« Wir wan­del­ten an Bord.

Schiffs­längs – back­bord – steu­er­bord … ganz lei­se ar­bei­te­ten die Ma­schi­nen. War­ne­mün­de blieb zu­rück, un­merk­lich lös­ten wir uns vom Lan­de. Vor­bei an der Mole da lag die Küs­te.

Da lag Deutsch­land. Man sah nur einen fla­chen, be­wal­de­ten Ufer­strei­fen und Häu­ser, Ho­tels, die im­mer klei­ner wur­den, im­mer mehr zu­rück­rück­ten, und den Strand … War dies eine ganz lei­se, win­zi­ge, eine kaum merk­ba­re Schau­kel­be­we­gung? Das wol­len wir nicht hof­fen.

Ich sah die Prin­zes­sin an. Sie spür­te so­gleich, wo­hin­aus ich woll­te. »Wenn du käu­zest, min Jung«, sag­te sie, »das wäre ein Zück­zeh fuh!« – »Was ist das?« – »Das ist Fran­zö­sisch« – sie war ganz auf­ge­bracht – »nu kann der Dschung nich mal Fran­zösch, un hat sich do Jah­re­ner fünf in Pa­ris fei­ne Bil­dung bi­e­lernt … Segg mohl, was has­se da ei­gent­lich inne gan­ze Zeit gie­macht? Kann ich mi schon leb­haft vor­stelln! Ümme mit die klei­nen Dirns um­her, nöch? Du bi­scha einen Wüst­ling! Wie sind denn nun die Fran­zö­sin­nen? Komm, er­zähl es mal auf Ly­dia – wir gehn hier rauf und run­ter, im­mer das Schiff ent­lang, und wenn dir schlecht wird, dann beugst du dich über die Ree­ling, das ist in den Bü­chern im­mer so. Er­zähl.«

Und ich er­zähl­te ihr, dass die Fran­zö­sin­nen sehr ver­nünf­ti­ge We­sen sei­en, mit ei­ner leich­ten Nei­gung zu Ka­pri­cen,1 die sei­en aber vor­her ein­kal­ku­liert, und sie hät­ten pro Stück meist nur einen Mann, den Mann, ih­ren Mann, der auch ein Freund sein kann, na­tür­lich – und dazu viel­leicht auch an­stands­hal­ber einen Ge­lieb­ten, und wenn sie un­treu sei­en, dann sei­en sie es mit leicht­sin­ni­gem Be­dacht. Bei­nah jede zwei­te Frau aber hät­te einen Be­ruf. Und sie re­gier­ten das Land ohne Stimm­recht – aber eben nicht mit den Bei­nen, son­dern durch ihre Ver­nunft. Und sie sei­en lie­bens­wür­di­ge Ma­the­ma­tik und hät­ten ein ver­nünf­ti­ges Herz, das manch­mal mit ih­nen durch­gin­ge, doch pfif­fen sie es im­mer wie­der zu­rück. Ich ver­stän­de sie nicht ganz.

»Es schei­nen Frau­en zu sein«, sag­te Ly­dia.

Die Fäh­re schau­kel­te nicht gra­de – sie deu­te­te das nur an. Auch ich deu­te­te et­was an, und die Prin­zes­sin be­fahl mich in den Spei­se­raum. Da sa­ßen sie und aßen, und mir wur­de gar nicht gut, als ich das sah – denn sie es­sen viel Fet­tes in Dä­ne­mark, und die­ses war eine dä­ni­sche Fäh­re. Die Herr­schaf­ten aßen zur Zeit: Spickaal und He­ring, He­rings­fi­let, ein­ge­mach­ten He­ring, dann et­was, was sie »sild« nann­ten, fer­ner vom Baum ge­fal­le­nen He­ring und He­ring schlecht­hin. Auf fes­tem Land eins im­mer bes­ser als das an­de­re. Und dazu tran­ken sie je­nen herr­li­chen Schnaps, für den die nor­di­schen Völ­ker, wie sie da sind, ins Him­mel­reich kom­men wer­den. Die Prin­zes­sin ge­ruh­te zu spei­sen. Ich sah ehr­fürch­tig zu; sie war ess­fest. »Du nimmst gar nichts?« frag­te sie zwi­schen zwei He­rin­gen. Ich sah die bei­den He­rin­ge an, die bei­den He­rin­ge sa­hen mich an, wir schwie­gen alle drei. Erst als die Fäh­re lan­de­te, leb­te ich wie­der auf. Und die Prin­zes­sin strich mir lei­se übers Knie und sag­te ehr­fürch­tig: »Du bi­scha mei­nen klei­nen Klaus Stör­te­be­cker!« Und ich schäm­te mich sehr.

Und dann ru­ckel­ten wir durch Laa­land, das dalag, flach wie ein Eier­ku­chen, und wir kram­ten in un­sern Zei­tun­gen, und dann spiel­ten wir das Bü­cher­spiel: je­der las dem an­de­ren ab­wech­selnd einen Satz aus sei­nem Buch vor, und die Sät­ze füg­ten sich gar schön in­ein­an­der. Die Prin­zes­sin blät­ter­te die Sei­ten um, ich sah auf ihre Hän­de … sie hat­te so zu­ver­läs­si­ge Hän­de. Ein­mal stand sie im Gang und sah zum Fens­ter hin­aus, und dann ging sie fort, und ich sah sie nicht mehr. Ich tas­te­te nach ih­rem Täsch­chen, es war noch warm von ih­rer Hand. Ich strei­chel­te die Wär­me. Und dann setz­ten sie uns wie­der über ein Meer­was­ser, und dann roll­ten wir wei­ter, und dann – end­lich! end­lich! – wa­ren wir in Ko­pen­ha­gen.