Schuld verjährt nicht - Ines Allerheiligen - E-Book

Schuld verjährt nicht E-Book

Ines Allerheiligen

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Beschreibung

Eine Mordserie erschüttert das beschauliche Bremen-Nord. Das Team um das Ermittler-Duo Hanna Wolf und Kai Siemer übernimmt den Fall. Schnell wird klar, dass die Morde im Zusammenhang mit dem Verkauf von jüdischem Schmuck stehen. Aber wie stehen die Opfer zueinander? Warum war es ihnen so wichtig, dass man sie für Menschen jüdischen Glaubens hielt? Lange steht die Kripo Bremen vor einem Rätsel. Aber dann tun sich Abgründe auf, die bis ins Jahr 1943 zurückreichen.

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Inhaltsverzeichnis

Dezember 1943

Dezember 1943

Nachwort

Dezember 1943

Ein schriller Pfiff hallte durch die Nacht. Der Zug setzte sich langsam in Bewegung. Es ruckelte leicht und dann immer stärker. Er hielt sich an einem Scharnier der Tür fest, obwohl es eigentlich nicht nötig war. Sie standen dicht an dicht im Eisenbahnwaggon, ein Umfallen war unmöglich, dafür gab es keinen Platz. Es war bitterkalt in dieser Nacht und der Schnee fiel dicht wie ein Vorhang an den Gitterstäben der Tür vorbei. Ab und zu wehten ein paar Flocken in den Waggon und blieben auf den kalten Körpern der Männer für einige Zeit liegen, bis sie dann schmolzen und die ohnehin schon dürftige Kleidung durchnässten.

Es war ein Viehwaggon mit vernagelten Fenstern in dem sie transportiert wurden. Wohin die Reise ging war ungewiss, aber er wollte es auch gar nicht wissen. Es war eine Reise ohne Wiederkehr, das wusste er. Am Bahnhof war er von seiner Frau, seinem Sohn und seiner Tochter getrennt worden. Die Schreie und das Weinen seiner Familie, nachdem man ihn fortgezerrt hatte, klangen noch in seinen Ohren.

Ihm war kalt und seine Kleidung lag schwer an seinem Körper. Es fiel ihm nicht leicht sich unter dem Gewicht aufrecht zu halten.

Gestern noch hatten sie den ganzen Familienschmuck und ihr Geld in die Kleidung eingenäht, damit „Sie“ es nicht finden können.

Der Gedanke, dass die Ohrringe seiner lieben Mutter an den Ohren der Gemahlin eines Nazioffiziers hängen könnten, hatte ihn krank gemacht. So verbrachten sie die ganze Nacht damit, alles was sie an Kostbarkeiten besaßen einzunähen. Jeder trug einen Teil in seiner Kleidung und sie hofften, dass es keiner finden würde.

Draußen dämmerte es bereits und er betete bald am Ziel zu sein. Die Männer waren müde, durchgefroren und hatten Hunger. Er konnte seine Finger kaum von dem Scharnier, an dem er sich die ganze Nachte festgehalten hatte lösen, so steif gefroren waren diese. Jeder Atemzug schmerzte ihm in seiner Lunge, so kalt war die Luft.

Die Sonne ging auf und brachte die Eiszapfen an den Luftschlitzen des Waggons zum Schmelzen. Er versuchte die Tropfen mit der Zunge aufzufangen, um seinen Durst ein wenig zu stillen. Es gelang ihm nicht.

*

Erneut ruckelte der Zug und bremste leicht ab. Er sah einige Häuser, die langsam an ihm vorbeizogen. „Endlich“, dachte er und auch die restlichen Männer stöhnten auf. Keiner sprach ein Wort, als sie in den Bahnhof einfuhren, dafür waren sie zu erschöpft.

„Achtung“, rief jemand von draußen. Mit quietschenden Rädern kam der Zug langsam zum Stehen. Es wurde an der Waggontür hantiert, die darauf mit einem lauten Ruck aufgezogen wurden.

„Alles raus schnell, schnell“, schrie ein Offizier und trieb sie mit gezogenem Gewehr aus dem Zugwaggon. „Alle in einer Reihe aufstellen, Gesicht nach vorne.“ Sie beeilten sich, obwohl sie mit ihren steifen Gliedern kaum laufen konnten. „Rechts rum und los, schnell, schnell.“ Der Weg führte sie in eine große Halle, in der überall Kleidung, Schmuck und andere Gegenstände in großen Haufen auf dem Steinfußboden lagen. Ihm schwante Schlimmes. Der Befehl sich nackt auszuziehen, ließen seine Befürchtungen in Gewissheit umschlagen, alles war verloren.

Sie liefen nackt über den Hof in ein weiteres Gebäude. Die Ohrringe seine Mutter und all die anderen Dinge blieben zurück auf einem Haufen aus Kleidung und waren für immer verloren…

1.

Ein Hund bellte in der Ferne, ein Schwarm Wildenten krächzte am Himmel auf dem Weg gen Süden und läutete unausweichlich den Winter ein.

Peter von Hellbach war auf dem Weg zum Schloss Burgwacht. Es war ein kurzer Weg, von seiner Villa, durch den Park zu dem großen, weißen Prachtbau aus dem 19. Jahrhundert. Früher wohnte hier eine alte Bremer Kaufmannsfamilie, aber seitdem Peter von Hellbach das Anwesen übernommen hatte, nutzte er es für Feierlichkeiten, Ausstellungen oder Musikveranstaltungen. Den größten Teil des Jahres stand das Schlösschen leer und diente lediglich der Verschönerung seines weitläufigen Grundstückes.

Vor dem Haus befand sich ein großes schmiedeeisernes Tor, durch das man auf einen kleinen Vorplatz fuhr, der mit Kies und kleineren Bäumen sehr ansehnlich gestaltet war. Das hohe Eingangstor, die prachtvollen Säulen, sowie die zwei Türme ließen vermuten, dass es dem englischen Baustil nachempfunden war. Hinter dem Haus befand sich eine Terrasse, von der aus man in den wundervollen Park mit seinen hohen, alten Bäumen und einem großen Teich schauen konnte.

Am Wochenende hatte eine große Hochzeitsfeier stattgefunden und wie immer nach so einem Ereignis, wollte er nach dem Rechten schauen.

Die Feier war friedlich verlaufen, keine laute Musik, keine grölenden Gäste im Park und pünktlich um zehn Uhr am nächsten Morgen hatte das Brautpaar den Schlüssel an ihn übergeben.

Der Gärtner harkte vor dem Haus Laub, welches in den letzten Tagen gefallen war und winkte von weitem. „Guten Morgen Herr von Hellbach“. „Guten Morgen Markus, ein schönes Wochenende gehabt?“, fragte Peter gut gelaunt. „Ja, wir haben mit der ganzen Familie den Garten winterfertig gemacht und am Abend dann noch alle gemütlich beieinandergesessen.“ „Das freut mich Markus, frohes Schaffen noch!“

Peter von Hellbach war ein großer, stattlicher Mann, etwas füllig aber nicht dick. Er hatte die wenigen grauen Haare, die ihm noch geblieben waren geschickt zur rechten Seite gekämmt. Früher einmal hatte er volle dunkle Haare gehabt, die mit den Jahren immer weniger wurden.

Er schloss die große Eingangstür auf und betrat das Schloss, um seinen Rundgang zu starten. Die Eingangshalle lag vor ihm und führte ihn in den großen Festsaal, in dem alle Stühle und Tische fein säuberlich aufgereiht standen. Alles sah ordentlich und sauber aus. Die Bar, die sich auf der rechten Seite des Saales befand, war aufgeräumt und sah blitzeblank geputzt aus. Er freute sich, denn so hatte noch keine Gesellschaft seine Räumlichkeiten hinterlassen. In den meisten Fällen war noch einiges aufzuräumen und sauber zu machen, manchmal gingen auch ein paar Gläser zu Bruch.

Über die Treppe gelangte er in die erste Etage mit den Gästezimmern. Einige der Gäste hatten im Schloss übernachtet, da sie von auswärts kamen. Auch hier war alles zu seiner Zufriedenheit hinterlassen worden. Über dieser Etage gab es noch ein weiteres Stockwerk, welches aber nicht genutzt wurde. Hier befanden sich zwar noch eine Menge zusätzlicher Zimmer, aber sie standen alle leer und waren nicht hergerichtet.

Das Highlight des Schlosses war eine vierzig Quadratmeter große Terrasse, von der aus man das gesamte Anwesen überblicken konnte, die aber unbedingt Sanierungsbedarf hatte und deshalb zurzeit nicht genutzt wurde.

Zum Abschluss ging Peter noch in den Keller, um für sich und seine Frau eine Flasche Wein für das bevorstehende Mittagessen zu holen. Der Weinkeller bestand aus fünf einzelnen Kellerräumen. In einem der Räume befanden sich gut eintausendfünfhundert Flaschen Wein aus vielen verschiedenen Ländern der Erde. Alle diese Länder hatte er bereits bereist und aus jedem als Andenken verschiedene Flaschen Wein mitgebracht. Er entschied sich für einen trockenen französischen Weißwein.

Auf dem Weg zurück in die Eingangshalle kam er an einem kleinen Abstellraum vorbei, dessen Tür nicht vollständig geschlossen war. Peter schloss die Tür und ging weiter. Plötzlich stutze er und blieb stehen. Diese Tür war eigentlich immer verschlossen und der Schlüssel hing in seinem Büro im Haus. Er ging zurück und öffnete die Tür wieder. Die elektrische Versorgung, sowie die Wasseranschlüsse des Hauses waren hier untergebracht. Peter schaltete das Licht an und schaute durch den Raum.

Der Mann lag gekrümmt am Boden, umgeben von einer Blutlache, sowie Schutt und Steinen, die aus der Kellermauer gebrochen waren. Den Meißel hielt er noch in seiner rechten Hand, der linke Arm lag verdreht hinter seinem Rücken.

An seinem Hinterkopf klaffte eine große Wunde, die sich bis zum linken Ohr zog. Sein schwarzes, lockiges Haar war blutverkrustet und bedeckte sein Gesicht.

*

Das Telefon klingelte pünktlich zur Mittagszeit. „Wolf“, meldete sich Hanna und schob sich den ersten Bissen ihrer Lasagne in den Mund, für die ihr Freund Till den ganzen Morgen in der Küche gewirbelt hatte. „Hallo Hanna, hier ist Kai. Ich hoffe ich störe nicht. Das Kommissariat hat gerade angerufen. Sie haben eine Leiche, wir sollen sofort hinkommen. Die Rechtsmedizin und die KTU sind schon auf dem Weg. Ich hol dich in zehn Minuten ab, bis dann.“ Hanna schluckte und schaute Till an. „Wir haben eine Leiche, ich muss leider los. Das Essen holen wir später nach.“ „Ok, dann warte ich auf dich und wir können heute Abend zusammen essen. Hoffentlich wird es nicht zu spät!“ „Ich weiß leider noch nichts Genaueres. Kai wird mir sicher gleich die Einzelheiten berichten. Also dann bis später. Tschüss!“ „Tschüss, Hanna!“

Hanna zog sich ihre Jacke an, die im Flur an der Garderobe hing. Mit einem Haarband, welches auf der Ablage des Spiegels lag, band sie sich ihre roten Locken zu einem Zopf zusammen. Die einzige Möglichkeit ihre schulterlange, störrische Haarpracht zu bändigen. Sie war Mitte dreißig, schlank, groß und sehr sportlich. Gekonnt wich sie den Schuhen aus, die verstreut auf dem Fußboden vor der Haustür herumlagen, schnappte sich ihre Tasche und stand keine fünf Minuten, nachdem sie das Telefonat mit Kai beendet hatte, vor der Haustür.

Hanna wohnte mit ihrem Freund seit ein paar Jahren in der Weserstraße in Vegesack. Eine wunderschöne Straße, direkt an der Weser. Von ihrer Wohnung waren es nur fünf Gehminuten zur Weserpromenade und in den Ortskern von Vegesack.

Kai bog gerade um die Ecke und kam mit seinem Auto direkt vor ihr zum Stehen. Er holte sie jeden Morgen vor ihrer Haustür ab und sie fuhren zusammen ins Kommissariat. Er selber wohnte fünf Minuten entfernt im schönen Ortsteil Schönebeck, in der Nähe des Schönebecker Schlosses. Er hatte dort ein Haus in dem er alleine lebte, seitdem seine Frau vor einem Jahr ausgezogen war. Sie waren nicht im Streit auseinander gegangen und trafen sich noch ab und zu, hatten aber beschlossen ihrer Beziehung eine kleine Pause zu gönnen. Kai war ein sportlich, schlanker Mann Ende dreißig. Er hatte blonde strubbelige Haare, die kreuz und quer nach allen Richtungen abstanden.

„Hallo Kai, weißt du schon Näheres?“ „Nicht viel bis jetzt. Eine männliche Leiche, wahrscheinlich erschlagen, im Schloss Burgwacht. Der Besitzer hat sie heute Vormittag dort gefunden, als er nach einer Feier, die gestern Abend dort stattgefunden hatte, nach dem Rechten schauen wollte. Da es bei uns in der Nähe ist, wurden wir gerufen. Das Stadtteam hat einen Einbruch im Bremer Viertel.“

Kurze Zeit später fuhren sie schon vor dem Schlösschen vor und hielten direkt auf dem Platz davor, auf dem schon einige Autos des Bremer Kommissariats standen. Geschäftig liefen die Kollegen hin und her, die Stimmung war gedrückt, ganz dem Wetter entsprechend. Es waren mittlerweile dunkle Wolken aufgezogen und es roch nach Schnee. Der Wind war aufgefrischt und es wehte eine kühle Brise durch die kahlen Bäume. Hanna fröstelte, wobei sie nicht wusste, ob es wegen des Wetters oder der bevorstehenden Tatortbesichtigung war

*

„Ah, da seid ihr ja schon, so schnell habe ich jetzt gar nicht mit euch gerechnet.“

Uwe Maschen, der diensthabende Rechtsmediziner winkte Hanna und Kai aus dem Eingangstor des Schlosses zu sich her. Uwe Maschen war klein und drahtig. Seine langen, grauen Haare hatte er zu einem Zopf gebunden, ein Relikt seiner Studentenzeit, wie er immer behauptete.

„Hallo Uwe, hast du schon was?“ fragte Hanna. „Der Todeszeitpunkt liegt zwischen dreiundzwanzig Uhr und zwei Uhr heute früh. Wahrscheinliche Todesursache ein Schlag mit einem stumpfen Gegenstand auf den Hinterkopf. Der Tote ist circa fünfzig bis sechzig Jahre alte und europäischer Herkunft. Papiere hatte er nicht dabei.“ „Gibt es schon eine Tatwaffe oder Zeugen?“ Kai umarmte den Rechtsmediziner zur Begrüßung. Sie waren schon seit vielen Jahren gute Freunde und sahen sich häufig auch privat. „Nein, eine Tatwaffe ist noch nicht gefunden. Die Hochzeitsfeier ging bis zwei Uhr heute in der Früh. Es waren laut Herrn von Hellbach, dem Besitzer des Schlosses, sechzig Personen anwesend. Er holt gerade die Unterlagen aus seinem Büro. Mit Hilfe des Brautpaares sollten wir dann die Namen der Gäste bald haben. Da kommt eine Menge Arbeit auf euch zu. Aber jetzt lasst uns erst Mal in den Keller gehen.“

Im Keller war es taghell. In allen Ecken standen große Scheinwerfer, damit für die Spurensicherung alles gut ausgeleuchtet war.

Britta Helms und Thomas Balke von der KTU waren damit beschäftigt die Spuren zu sichern, als Hanna Wolf, Kai Siemer und Uwe Maschen den Keller betraten. Es war sehr kühl hier und Hanna zog sich den Reißverschluss ihres Wintermantels bis unter das Kinn hoch. Auch Kai fröstelte und schaute sich in dem alten Keller um.

Die fünf Kellerräume waren nicht durch Türen abgetrennt, sondern durch gemauerte Bögen miteinander verbunden. Bis auf einen großen Raum, der sich am Ende des Kellers befand, waren alle ziemlich genau gleich groß. Ein paar Regale standen an den Wänden, gefüllt mit allerlei Utensilien, die für die oben im Haus stattfindenden Feiern und Partys gedacht waren. Da gab es diverse Kerzenständer, Geschirr, Sonnenschirme und viele Kerzen. Zusätzlich standen an den Wänden noch einige Stühle und Tische für größere Feiern. Außerdem gab es Regale die über und über mit Weinflaschen gefüllt waren. „Das müssen an die tausend Flaschen sein.“, dachte Kai, wurde aber durch einen lauten Knall aus seinen Gedanken gerissen.

Einer der Scheinwerfer war umgekippt und hatte Britta Helms nur knapp verfehlt, die genau darunter gerade eine Bodenprobe nahm. Britta war noch sehr jung und ganz frisch im Team. Sie hatte eine zierliche Figur, kurzgeschnittene, braune Haare und war sehr attraktiv.

„Nichts passiert, alles in Ordnung“, rief sie nicht besonders überzeugend.

„Oh, hallo ihr beiden, da seid ihr ja schon.“ „Hallo Britta “, Hanna ging auf Britta zu. “Wie sieht es aus, habt ihr schon brauchbare Spuren gefunden?” „Hallo Kai, hallo Hanna”, Thomas kam aus der anderen Seite des Raumes auf sie zu, wo er gerade vor der Leiche gekniet hatte und etwas in einen Beutel fallen ließ. Er war ein alter Hase im Team der KTU und mit seinen siebenundfünfzig Jahren der Älteste. Aber das merkte man ihm nicht an. Er war sportlich, schlank und unheimlich agil. Durch sein volles braunes Haar wirkte er wesentlich jünger und er strahlte eine große Empathie, gepaart mit viel Selbstvertrauen aus.

„Wir haben diverse Spuren gefunden. Hier vorn sind mehrere Fußabdrücke. Ich schätze von zwei Personen, in den Größen dreiundvierzig und vierundvierzig. So wie es aussieht, gehört der eine Fußabdruck zum Opfer. Aber das müssen wir noch genauer untersuchen. Alles andere können wir erst in ein paar Tagen sagen. Die Leiche kann jetzt übrigens in die Pathologie gebracht werden, wir wären soweit fertig.“ „Einen kleinen Moment noch.“ Kai bückte sich zu dem Mann hinunter und betrachtete ihn. „Sieht so aus, als hätte er an der Mauer gearbeitet und wurde dabei überrascht.“ „Kampfspuren sind aber keine vorhanden soweit ich sehen kann“, sagte Hanna, während sie vorsichtig den Raum durchquerte, um keine Spuren zu verwischen. Im Gemäuer war nur eine kleine aufgemeißelte Stelle zu erkennen. Er war also noch nicht weit gekommen mit seiner Arbeit. „Was hat er hier gesucht?“, murmelte Hanna laut vor sich hin. „Was auch immer es war, jemand anderes wollte ihn daran hindern es zu vollenden. Schau hier in der Ecke liegt etwas!“ Kai hielt eine Taschenlampe auf einen Gegenstand in der hintersten Ecke des Raumes, die von den großen Scheinwerfern nicht komplett ausgeleuchtet wurde. Thomas näherte sich der Ecke vorsichtig, machte ein Foto von dem Gegenstand und hob ihn auf. Es war ein Feuerzeug mit einem Schriftzug. „Gasthaus zum goldenen Schwan“, las er vor. „Kennt den jemand von euch?“, fragte er in die Runde. „Ich glaube, das ist ein Landgasthof zwischen Ritterhude und Osterholz-Scharmbeck.“, antwortete Hanna. „Wir kümmern uns darum.“ Thomas ließ das Feuerzeug in einen Beutel fallen und fing an seine Utensilien zusammenzupacken.

„So, hier ist die Gästeliste.“ Peter von Hellbach kam schweratmend durch die Kellerräume auf sie zu. „Ich habe ihnen eine Kopie gemacht, die können sie dann behalten.“ „Guten Tag“, Hanna streckte ihm die Hand entgegen. „Sie müssen Herr von Hellbach sein. Mein Name ist Hanna Wolf und dies ist meine Kollege Kai Siemer, Kripo Bremen.“ Sie überflog die Liste, die ihr Peter von Hellbach in die Hand drückte. Es befanden sich eine Menge Namen auf der Liste. Um alle zu überprüfen, würde es der gesamten Abteilung einiges an Zeit und Geduld kosten.

„Ich danke ihnen Herr von Hellbach. Ist ihnen sonst noch etwas Ungewöhnliches an diesem Abend aufgefallen? Ein Auto, welches noch sehr spät gekommen ist zum Beispiel oder Personen, die nicht zu den Gästen gehörten?“ Herr von Hellbach überlegte kurz und schüttelte dann den Kopf. „Nein“, sagte er zu Hanna gewandt. „Alles war ruhig. Die Mehrzahl der Gäste ist mit dem Taxi gekommen oder wurde gebracht. Ich war selber einmal im Schloss, um nach dem Rechten zu schauen. Es war eine harmonische, sehr entspannte Feier.“ „Gut, falls ihnen noch etwas einfällt, rufen sie mich bitte an.“ Hanna übergab ihm ihre Karte. „Das werde ich machen. Ich wünsche ihnen noch einen schönen Tag. Auf Wiedersehen.“ Peter von Hellbach verließ die Kellerräume.

„Ich denke wir sind hier jetzt auch erstmal fertig, oder hast du noch etwas Thomas?“, fragte Hanna. „Nein, ich habe alles fotografiert, alle Spuren sind gesichert. Die Leiche kann in die Pathologie gebracht werden. Ich hoffe gegen Abend auf die ersten Ergebnisse.“ Thomas Balke und Britta Helms verabschiedeten sich und machten sich auf den Weg ins Polizeipräsidium Bremen Lesum. Auch Hanna und Kai verließen die Kellerräume und gingen hinaus zum Parkplatz in Richtung ihres Autos. Sie verabschiedeten sich noch von allen Kollegen und machten sich dann auf den Weg nachhause. Da Beide heute einen freien Tag hatten verabredeten sie sich für den nächsten morgen schon früh um sieben Uhr.

2.

Hanna wachte am nächsten Morgen mit Kopfschmerzen auf. Sie hatte mit Till gestern Abend noch die Lasagne gegessen und dazu etwas Rotwein getrunken, der ihr scheinbar nicht gut bekommen war. Sie trank nur einen Kaffee zum Frühstück und verabschiedete sich von Till. „Es kann heute länger werden Till. Wir erwarten die ersten Ergebnisse des neuen Falles und müssen alles aufarbeiten. Bis später.“ „Tschüss und melde dich, wenn du absehen kannst wann du kommst, bitte.“, antwortete Till. „Ja das mache ich, tschüss.“

Till arbeitete als Sozialpädagoge in einer Beratungsstelle und hatte keine vorbestimmten Bürozeiten. Dadurch, dass er

sich seine Termine selbständig einteilen konnte, war er flexibel in seinen Arbeitszeiten. Er und Hanna waren ein schönes Paar. Auch Till liebte Sport und passte durch seine kurzen roten Locken auch äußerlich perfekt zu Hanna.

Hanna schnappte sich ihre Jacke und zog sie im Rausgehen an. Sie sah, dass Kai schon draußen vor dem Haus im Auto saß und wollte ihn nicht länger warten lassen.

„Guten Morgen Kai, gut geschlafen?“ „Guten Morgen Hanna. Ja danke, trotz der Ereignisse gestern, habe ich wirklich gut geschlafen und du?“ „Es geht so, ich habe noch viel nachgedacht über den Fall gestern. Ich bin gespannt auf die ersten Ergebnisse heute.“ „Na dann steig ein und los.“ lachte Kai und gab Gas.

Der Weg zum Polizeipräsidium in Bremen Lesum war nicht weit. Er führte die beiden auf die A270 Richtung Bremen Stadt, die sie nach fünf minütiger Fahrt wieder verließen. Danach fuhren sie durch Lesum, eine der kleinen Ortschaften in Bremen, die besonders reizvoll waren. Der Ort hatte eine schon fast dörfliche Atmosphäre, mit seinen engen und verwinkelten Straßen und dem zum Teil altertümlichen Gebäuden. Im Ortskern gab es viele kleine Läden, die zum Bummeln einluden und hier lag auch das Polizeipräsidium, auf einer kleinen Anhöhe, direkt in einer Kurve.

Kai lenkte das Auto die kleine Straße hinauf und hielt direkt vor dem Eingang.