Schwangerschaft, Geburt und Hypnose - Liz Lorenz-Wallacher - E-Book

Schwangerschaft, Geburt und Hypnose E-Book

Liz Lorenz-Wallacher

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Beschreibung

Ein Kind gebären unter Hypnose? Was zunächst wie ein Abenteuer klingen mag, ist in Wirklichkeit nicht nur das älteste, sondern auch das effektivste Verfahren der psychologischen Geburtsvorbereitung und Geburtshilfe. Für die Schwangere selbst wie auch für die begleitenden Hebammen und Ärzte birgt es großen Gewinn: Schon während der Schwangerschaft hilft Selbsthypnose den Frauen, Wohlbefinden herzustellen, Schwangerschaftsbeschwerden zu lindern und der Geburt entspannt und gelassen entgegenzusehen. Der Geburtsvorgang selbst verkürzt sich oft deutlich, die ganze Geburt wird bewusster und positiver erlebt, die Gabe von Schmerzmitteln kann reduziert werden, und depressive Verstimmungen treten seltener auf. Liz Lorenz-Wallacher vermittelt in diesem Buch neben den Grundlagen der Hypnose bei Schwangerschaft und Geburt auch ein leicht zu erlernendes Selbsthypnosetraining. Anhand zahlreicher Übungen vermittelt es Frauen, wie sie ihre Schwangerschaft positiv beeinflussen und den Geburtsprozess aktiv mitsteuern können.

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Liz Lorenz-Wallacher

Schwangerschaft, Geburt und Hypnose

Hypnoaktive Geburtsvorbereitung

Dritte Auflage, 2023

Carl-Auer

Mitglieder des wissenschaftlichen Beirats des Carl-Auer Verlags:

Prof. Dr. Rolf Arnold (Kaiserslautern)

Prof. Dr. Dirk Baecker (Witten/Herdecke)

Prof. Dr. Ulrich Clement (Heidelberg)

Prof. Dr. Jörg Fengler (Köln)

Dr. Barbara Heitger (Wien)

Prof. Dr. Johannes Herwig-Lempp (Merseburg)

Prof. Dr. Bruno Hildenbrand (Jena)

Prof. Dr. Karl L. Holtz (Heidelberg)

Prof. Dr. Heiko Kleve (Witten/Herdecke)

Dr. Roswita Königswieser (Wien)

Prof. Dr. Jürgen Kriz (Osnabrück)

Prof. Dr. Friedebert Kröger (Heidelberg)

Tom Levold (Köln)

Dr. Kurt Ludewig (Münster)

Dr. Burkhard Peter (München)

Prof. Dr. Bernhard Pörksen (Tübingen)

Prof. Dr. Kersten Reich (Köln)

Dr. Rüdiger Retzlaff (Heidelberg)

Prof. Dr. Wolf Ritscher (Esslingen)

Dr. Wilhelm Rotthaus (Bergheim bei Köln)

Prof. Dr. Arist von Schlippe (Witten/Herdecke)

Dr. Gunther Schmidt (Heidelberg)

Prof. Dr. Siegfried J. Schmidt (Münster)

Jakob R. Schneider (München)

Prof. Dr. Jochen Schweitzer ✝ (Heidelberg)

Prof. Dr. Fritz B. Simon (Berlin)

Dr. Therese Steiner (Embrach)

Prof. Dr. Dr. Helm Stierlin ✝ (Heidelberg)

Karsten Trebesch (Berlin)

Bernhard Trenkle (Rottweil)

Prof. Dr. Sigrid Tschöpe-Scheffler (Köln)

Prof. Dr. Reinhard Voß (Koblenz)

Dr. Gunthard Weber (Wiesloch)

Prof. Dr. Rudolf Wimmer (Wien)

Prof. Dr. Michael Wirsching (Freiburg)

Prof. Dr. Jan V. Wirth (Meerbusch)

Umschlaggestaltung: Uwe Göbel

Umschlagfoto: ©Uwe Göbel

Satz: Drißner-Design u. DTP, Meßstetten

Printed in Germany

Druck und Bindung: CPI Druckdienstleistungen GmbH, Erfurt

Dritte Auflage, 2023

ISBN 978-3-89670-668-3 (Printausgabe)

ISBN 978-3-8497-8014-2 (ePUB)

© 2003, 2023 Carl-Auer-Systeme Verlag

und Verlagsbuchhandlung GmbH, Heidelberg

Alle Rechte vorbehalten

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

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Carl-Auer Verlag GmbH

Vangerowstraße 14 • 69115 Heidelberg

Tel. +49 6221 6438-0 • Fax +49 6221 6438-22

[email protected]

Inhalt

Einleitung

1 Schwangerschaft und Geburt im Spannungsfeld gesellschaftlicher Veränderungen

Die neuen Herausforderungen der Elternrolle

2 Historisches über Hypnose und hypnotische Geburtsvorbereitung

Franz Anton Mesmer und der »animalische Magnetismus«

Entstehung des Begriffes »Hypnose«

Die Schule von Nancy und die Geburtsvorbereitung durch Suggestion

Hypnotische Analgesie

Selbsthypnose zur Analgesie-Erzeugung

Die Begründung der Psychoanalyse und die Abwendung von der Hypnose

Hypnoseentbindungen in Europa im 20. Jahrhundert

Verbreitung der Hypnose über Europa hinaus

3 Hypnose und Trance

Wichtige Begriffe und Definitionen

Hypnose aus der Sicht anderer wissenschaftlicher Disziplinen

4 Trance, Rituale und suggestive Sprache – ein uraltes Wissen in der Geburtshilfe

Rituelle Begleitung von Schwangerschaft und Geburt in der traditionellen Geburtshilfe

Trance als fester Bestandteil von Ritualen

Traditionelle Geburtshilfe

Die Hebamme, Hebemutter, »sage femme« oder »bonne mère«

Die Verwendung suggestiver Sprache in der traditionellen Geburtshilfe

Geburtsrituale in der traditionellen Geburtshilfe – Darstellung am Beispiel Frankreich

Suggestive Sprache, Trance und Rituale in der modernen Geburtsvorbereitung

Erhöhte Suggestibilität in der Schwangerschaft und bei der Geburt

Moderne Geburtsrituale

5 Psychologische Geburtshilfe – psychosomatische Geburtshilfe

Schmerzkontrolle als zentrales Anliegen in der Geburtshilfe

Frédéric Leboyer und die »sanfte Geburt«

Hypnose in der Geburtsvorbereitung heute

Hypnose im Vergleich mit anderen Methoden der psychologischen Geburtsvorbereitung

6 Der hypnotherapeutische Ansatz Milton H. Ericksons

Wer war Milton H. Erickson?

Ericksons hypnotherapeutische Prinzipien und Instrumentarien

Der Stellenwert von Hypnose in der ericksonschen Therapie

Indirekte Methoden der Hypnose

Ericksons Einfluss auf andere psychotherapeutische Verfahren

Hypnotherapie nach Milton H. Erickson für die Arbeit mit Schwangeren und die Geburtsvorbereitung

7 Überblick über das Selbsthypnosetraining in der Schwangerschaft

Hypnotherapie und Selbsthypnosetraining

Selbsthypnose: Einzel- oder Gruppentraining

Hypnoaktive Geburtsvorbereitung in 6 Schritten

Kurze Zusammenfassung des Selbsthypnosetrainings in Stichpunkten

Fallbeispiel: »Planet der weisen Frauen«

8 Hypnotherapie und Selbsthypnose in der Schwangerschaft

Positive Bedingungen für eine Schwangerschaft

Problematische Ausgangssituationen für eine Schwangerschaft

Einsatzmöglichkeiten für Hypnotherapie/Selbsthypnose in der Schwangerschaft

9 Fallbeispiele zu Hypnotherapie und Selbsthypnose in der Schwangerschaft

Paarkonflikte in der Schwangerschaft

Schutz der neuen Systemgrenzen

Ambivalenzgefühle gegenüber dem Kind

Stressreduktion und Entspannung

Einschlafstörungen

Vorzeitige Wehen

10 Selbsthypnose und Hypnotherapie zur Geburtsvorbereitung

Allgemeine Ziele der hypnotischen Geburtsvorbereitung

Die Psychologie des Schmerzempfindens und hypnotische Analgesie

Psychologische Veränderungen der Schwangeren während der Geburt

11 Das Selbsthypnosetraining für die Geburt

Erste Sitzung: Informationen, Fragen und erste Trance

Zweite Sitzung: Selbstinduktion, Suggestions- und Metaphernentwicklung zu den Geburtsphasen

Dritte Sitzung: Ziele spezifizieren und Ressourcen finden

Vierte Sitzung: Nachbesprechen, Üben, Modifizieren

12 Fallbeispiele zu Geburtsverläufen

Entspannung am Flussufer

Ein mächtiger Baum im Rücken

Eigenes Geburtserlebnis

13 Hypnotherapie und Selbsthypnose in der postpartalen Phase

Das Wochenbett als postrituelle Phase

Verlauf des Wochenbettes

Stillen: Nahrung, Bindung, Sicherheit und Geborgenheit

Besuche: Verwandte und Freunde

Veränderungen für den Vater

Sexualität nach der Geburt

14 Trancegeschichten, Imaginationen und Suggestionen

Entspannung und Stressbewältigung

Kontakt mit dem Kind

Behandlung von Schwangerschaftsbeschwerden

Trance zur Vorbereitung auf die Geburt

Tranceinduktion als Geburtsvorbereitung für M

»Das Meer als Geburtshelfer«

»Der überfließende Brunnen«

»Der Baum der Kraft für die Geburt«

»Die innere Heilerin und Hebamme bei der Geburt«

15 Geburtsberichte von Schwangeren

Erfahrung mit Selbsthypnose: Bericht von S

Entspannung: Bericht einer Schwangeren

Notizen einer Schwangeren über ihre »Ferrari-Geburt«

Notizen über die Erfahrung mit Selbsthypnose für die Geburt (Frau N.)

Geburtsbericht von Frau R

Geburtsbericht Frau E., selbst Hebamme

Geburtsbericht von Frau E

Anhang

Fragebogen zur Geburtsvorbereitung

Literatur

Über die Autorin

Einleitung

Seit einiger Zeit wird das Thema Geburtsvorbereitung mit Hypnose langsam aber stetig immer bekannter. Dabei gehörte die Geburt schon lange Zeit zu den erfolgreichen Einsatzfeldern der Hypnose, besonders was die Geburtserleichterung und die Möglichkeiten der Schmerzreduktion (Analgesie) betrifft.

Ungefähr zwischen 1920 und 1960 wurden überall in Europa noch Entbindungen mit Hypnose in Krankenhäusern durchgeführt, so etwa in Deutschland, Österreich, Frankreich, England, Schweden und vor allem in Russland. Seit Jahrhunderten haben auch Hebammen oder »weise Frauen« in der traditionellen Geburtshilfe suggestive Sprachmuster eingesetzt. Zwar hat das Thema Hypnose in Schwangerschaft und Geburt in der deutschsprachigen Fachliteratur über Hypnotherapie inzwischen vermehrt Eingang gefunden, aber leider hat die Methode in der praktischen Geburtsvorbereitung noch nicht den Stellenwert eingenommen, der ihr gebührt.

Dabei zeigt sich, dass besonders der Ansatz des amerikanischen Arztes und Psychologen Milton H. Erickson innerhalb der psychosomatischen Geburtshilfe eine besondere und einzigartige Position einnimmt, denn er kann drei wichtigen Anliegen der psychosomatischen Geburtshilfe gleichermaßen gerecht werden:

der wirksamen Behandlung psychischer und psychosomatischer Probleme während Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett,

der effektiven psychologischen Geburtserleichterung durch Verfahren der hypnotischen Schmerzkontrolle und

der Begleitung werdender Eltern während dieser zentralen, manchmal schwierigen biografischen Übergangsphase.

Obwohl die außerordentlichen Vorteile der hypnotischen Entbindung durch eine Vielzahl wissenschaftlicher Studien eindeutig nachgewiesen sind, ist diese älteste und wirksamste Form der psychologischen Geburtserleichterung bisher nicht fest in der modernen Geburtshilfe etabliert. Das ist umso erstaunlicher, als mit Hypnose keinerlei schädliche Nebenwirkungen verbunden sind.

Außerdem hat sich das wissenschaftliche Verständnis von Hypnose und Trancezuständen sehr stark weiterentwickelt. Dies verdanken wir vor allem den wegweisenden neuen Konzepten von Milton H. Erickson. Er gilt heute weltweit als eine herausragende Persönlichkeit auf dem Gebiet der Psychotherapie, insbesondere im Bereich der Hypnotherapie. Er wird manchmal auch als »Freud« der modernen Hypnotherapie bezeichnet. Seine therapeutischen Grundprinzipien fordern, dass eine effektive Hypnotherapie/Psychotherapie für die Patientinnen und Patienten ressourcen- und lösungsorientiert sowie maßgeschneidert sein sollte. Seine Ideen und innovativen Vorgehensweisen flossen in die Entwicklung anderer neuer psychotherapeutischer Verfahren mit ein – zum Beispiel in die systemische Therapie, das NLP (Neurolinguistisches Programmieren) und die modernen Kurzzeittherapien. Viele seiner hypnotherapeutischen Konzepte finden sich inzwischen aber auch in neueren behavioralen Behandlungskonzepten wie Schematherapie und DBT (Dialektisch-Behaviorale Therapie).

Die Hypnotherapie nach den Prinzipien von Erickson konzentriert sich bei der Geburtshilfe nicht ausschließlich auf das Ereignis der Geburt selbst, sondern berücksichtigt auch den komplexen Veränderungsprozess, den Mutter, Vater und Kind schon während der Schwangerschaft und nach der Geburt durchlaufen.

Das Geburtserleben selbst kann – mithilfe wirksamer hypnotischer Verfahren zur Schmerzreduktion – als das erlebt werden, was es ist: ein überwältigendes körperliches, emotionales und soziales Ereignis für Mutter, Vater und das neugeborene Kind. Für alle drei ist die Geburt der Höhepunkt eines Übergangs in eine neue Phase: Die Frau wird zur Mutter, das Kind verlässt den Uterus und tritt in das Leben draußen in der Welt ein, und für das Liebespaar beginnt die Phase der Elternschaft. Für das ganze Familiensystem stellt die Ankunft eines Kindes einen Übergang mit weitreichenden Veränderungen dar. Hypnotherapie kann dabei helfen, diese Entwicklung gut zu durchlaufen.

Hypnose bzw. Trancezustände sind, wie wir heute wissen, ein ganz normales und natürliches Phänomen, das wir alle auch im Alltag erleben. Durch verschiedene Methoden der Selbsthypnose kann jeder Mensch lernen, dieses natürliche Potenzial gezielt zur Verbesserung der Gesundheit, des Wohlbefindens und zur Entwicklung der eigenen Persönlichkeit einzusetzen. Wenn eine Schwangere Selbsthypnose für die Geburt erlernt hat, dann kann sie Hypnose selbst auslösen und steuern. Die werdende Mutter übernimmt eine aktive Rolle, ist während der Geburt jederzeit ansprechbar und kann sehr gut mit dem medizinischen Personal zusammenarbeiten. Sie kann die Geburt ihres Kindes intensiv und bei vollem Bewusstsein erleben.

Die Inhalte dieses Buches sind das Ergebnis meiner jahrelangen intensiven Beschäftigung mit dem Thema Schwangerschaft, Geburt und Hypnose. 1979 hatte ich zum ersten Mal ein Buch über Ericksons Therapieansatz gelesen und war fasziniert. Es war das Buch Hypnose von Milton H. Erickson sowie Ernest L. und Sheila Rossi (1978). Während meiner Schwangerschaft begann ich mit der Ausbildung in Hypnotherapie bei bekannten Schülern des gerade verstorbenen Milton H. Erickson, die damals von Bernhard Trenkle und Gunther Schmidt regelmäßig nach Deutschland eingeladen wurden. Natürlich versuchte, ich die Grundzüge der Selbsthypnose, die ich während dieser Zeit in Seminaren mit Jeff Zeig, Paul Carter und Steven Gilligan kennengelernt hatte, schon in meine eigene Geburtsvorbereitung einzubauen. Meine Erfahrungen bei der Geburt meines Kindes im Februar 1981 schildere ich hier als Fallbeispiel in Kapitel 13.

Im Verlauf meiner weiteren hypnotherapeutischen Ausbildung waren es vor allem die Begegnungen mit dem in Fachkreisen renommierten amerikanischen Gynäkologen David Cheek, der inzwischen leider verstorben ist, die mich sowohl fachlich als auch menschlich sehr beeindruckten. Er blickte damals bereits auf über 40 Jahre Erfahrung mit Hypnose im Bereich der Gynäkologie und Geburtshilfe zurück und entfachte mein Interesse an der Anwendung von hypnotherapeutischen Verfahren in der Geburtsvorbereitung und Geburtshilfe noch weiter.

Während des 2nd International Congress on Ericksonian Approaches to Hypnosis and Psychotherapy 1983 in Phoenix lernte ich bei einem Vortrag Brian Alman und sein Konzept der Selbsthypnose kennen. Seinem Buch (Alman u. Lambrou 2015) verdanke ich viele wichtige Anregungen und Informationen – auch darüber, wie ein Selbsthypnosetraining mit Schwangeren gestaltet werden kann.

Auf dem großen internationalen Kongress der International Society of Hypnosis (ISH), der im Jahr 2000 in München von der Milton H. Erickson Gesellschaft für klinische Hypnose (M.E.G.) ausgerichtet wurde, hatte ich die Gelegenheit, Margarethe Langen, die Witwe von Dietrich Langen, kennenzulernen. Dietrich Langen war Medizinprofessor und einer der wichtigsten Vertreter der Hypnose im Deutschland der Nachkriegszeit. Frau Langen bot an, mir Material zum Thema Hypnose und Geburtshilfe aus der Privatbibliothek ihres Mannes zur Verfügung zu stellen. Ich konnte von ihr das Buch Psychosomatische Geburtshilfe erwerben, ein 1968 erschienenes Gemeinschaftswerk von Léon Chertok und Dietrich Langen, das einen ausgezeichneten Überblick über die Anwendung der Hypnose in der psychologischen Geburtsvorbereitung und Geburtshilfe seit Beginn des 19. Jahrhunderts enthält.

Seit 1995 halte ich als Ausbilderin und Supervisorin der M.E.G. Seminare und Vorträge zu diesem Thema auf Kongressen, Tagungen und im Rahmen der Fortbildung »Klinische Hypnose«. Um dem Thema in Deutschland weitere Geltung zu verschaffen, organisierte ich 1997 als Leiterin des M.E.G. Regionalinstituts in Saarbrücken die bundesweit 1. Internationale Fachtagung zum Thema »Gynäkologie, Geburt und Hypnose«, wozu ich unter anderem auch Referentinnen aus den USA und Kanada gewinnen konnte – in diesen Ländern ist Geburtsvorbereitung mit Hypnose weiter verbreitet. Im selben Jahr bot ich am Saarbrücker Milton Erickson Institut erstmals für interessierte Hebammen eine Fortbildungsveranstaltung zum Thema »Hypnotherapeutische Konzepte in der Gesprächsführung und Kommunikation nach Milton H. Erickson« an. Inzwischen haben viele Hebammen die Grundausbildung abgeschlossen.

Dieses Buch ist so geschrieben, dass verschiedene Gruppen von Leserinnen und Lesern davon profitieren können. Dazu gehören Psychotherapeuten und insbesondere Hypnotherapeuten, die in ihren Therapien vermehrt auch die psychosomatischen Aspekte von Schwangerschaft und Geburt mit berücksichtigen oder Schwangeren die Möglichkeit zur hypnotherapeutischen Geburtsvorbereitung anbieten möchten. Auch Gynäkologen und Hebammen können sich einen Überblick über die Anwendungsmöglichkeiten von Hypnose und hypnotherapeutischen Konzepten im Bereich der Geburtsvorbereitung und Geburtshilfe verschaffen.

Für interessierte werdende Mütter und Väter ist dieses Buch eine gute Möglichkeit zu erfahren, welche positiven Effekte sie von Hypnose und Selbsthypnose in der Geburtsvorbereitung erwarten können.

Aus eigener Erfahrung und anhand von Beispielen aus meiner Praxis möchte ich in diesem Buch aufzeigen, dass der hypnotherapeutische Ansatz Milton H. Ericksons besonders geeignet ist, auf vielfältige Weise den emotionalen Bedürfnissen von werdenden Müttern und Vätern Rechnung zu tragen.

In den Schlusskapiteln des Buches stelle ich speziell für Therapeuten Imaginationen und Trancegeschichten vor. Sie sind so ausgearbeitet, dass sie von hypnotherapeutisch ausgebildeten Personen eingesetzt und gegebenenfalls für ihre eigenen Klienten und Klientinnen modifiziert werden können.

Die Fallbeispiele wurden anonymisiert, das heißt, ich habe aus Datenschutzgründen alle Namen geändert. Weibliche und männliche Personenbezeichnungen wechseln unsystematisch, damit sich beide Personengruppen angesprochen fühlen können.

Ich möchte mit diesem Buch deutlich machen, in welchem Ausmaß werdende Mütter und Väter von hypnotherapeutischen Methoden in der Geburtsvorbereitung profitieren können. Es würde mich freuen, wenn werdende Eltern und vor allem schwangere Frauen, die sich für diese Methode entscheiden, dabei herausfinden, dass es sich lohnt, ihr großes Potenzial der unbewussten Fähigkeiten zu entdecken und diesen Schatz zu heben.

Sie haben es verdient!

1 Schwangerschaft und Geburt im Spannungsfeld gesellschaftlicher Veränderungen

Schwangerschaft und Geburt sind natürliche Prozesse, bei denen die Natur vorgesehen hat, dass normalerweise alles gut geht. Eigentlich wäre zu erwarten, dass sich im Laufe der Evolution weltweit eine optimale Geburtsform herausgebildet und durchgesetzt hätte, die den körperlichen und psychischen Erfordernissen des Geburtsvorgangs gerecht werden würde. Dem ist aber nicht so.

Die Eltern eines ungeborenen Kindes in einer Villa in Frankfurt zum Beispiel haben andere Vorstellungen von einer gelungenen Geburt als die Eltern in einer Bambushütte in Malaysia oder das Paar in einem Wolkenkratzer in Schanghai. Die Regeln für eine gute Niederkunft sind in hohem Maße von den individuellen familiären Überlieferungen der jeweiligen Gesellschaft, ihrer Kultur und dem vorherrschenden Weltbild geprägt (vgl. Jordan 1995).

Dies gilt nicht nur im Vergleich von traditionellen und modernen Geburtskulturen, sondern sogar auch innerhalb der von der modernen Medizin geprägten westlichen Gesellschaften. So unterscheidet sich beispielsweise der Prozentsatz an Hausgeburten und die Kaiserschnittrate in verschiedenen westlichen Ländern beträchtlich. Die Medizinanthropologin Brigitte Jordan berichtet, dass holländische Hebammen es kaum fassen konnten, als sie ihnen erzählte, dass in den USA bei der Geburt fast immer ein Dammschnitt gemacht wird, weil man es dort für wissenschaftlich erwiesen hält, dass dieser einen tiefen Dammriss verhindere. In Holland dagegen versucht man eher, ohne Dammschnitt bei der Geburt auszukommen.

Die Betreuung von Schwangeren in Deutschland sowie in anderen westlichen Staaten ist heute immer noch fast ausschließlich auf die medizinische Überwachung von Mutter und Kind ausgerichtet, um eine gesundheitliche Gefährdung auszuschließen oder dieser rechtzeitig zu begegnen. Dadurch kann leicht der Eindruck entstehen, die Schwangerschaft sei eine Art Krankheit und kein normaler physiologischer Prozess.

Wer sich nur an der medizinischen Überwachung der Schwangerschaft orientiert, wird den psychischen Bedürfnissen der werdenden Eltern nicht gerecht. Welche Auswirkungen die jeweiligen Lebensumstände gegebenenfalls auf die Schwangeren haben, gerät bei einer ausschließlich medizinisch orientierten Betrachtungsweise leicht aus dem Blick. Dabei ist der Gemütszustand der Eltern hochrelevant für den Verlauf von Schwangerschaft und Geburt.

Die neuen Herausforderungen der Elternrolle

Die Verantwortung für neues Leben zu übernehmen, ist heute nicht immer einfach. Die Gesellschaft verändert sich rasant, insgesamt kann man einen Trend zur Destabilisierung und Verunsicherung in allen Lebensbereichen feststellen. Aus wirtschaftlichen Gründen zum Beispiel sind viele Familien gezwungen, umzuziehen oder während der Woche getrennt zu leben. Dann fehlen die Großeltern und ein gewachsener Freundeskreis, der die Eltern bei der Betreuung ihrer Babys unterstützt. Kinder sind in Deutschland eher eine Privatangelegenheit, es gibt nicht genügend Betreuungs- und Unterstützungsangebote für junge Eltern. Wir sind weit von der afrikanischen Weisheit entfernt, die besagt: »Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind zu erziehen.«

Zudem werden die Belastungen im Beruf immer komplexer und die Erwartungen an Beziehungen anspruchsvoller. Diese Lebensumstände verursachen bei vielen Menschen eine Form von Dauerstress, der nicht nur zu körperlichen, sondern auch zu psychischen Problemen führen kann. Viele werdende Mütter und Väter haben Ängste vor der neuen Elternrolle.

Eine zeitgemäße Geburtsvorbereitung berücksichtigt, dass Frauen und Männer auch psychologische Unterstützung brauchen, wenn ein Kind unterwegs ist. Schon zu allen Zeiten war es ein großer Einschnitt im Leben eines Menschen, Vater bzw. Mutter zu werden. Heute jedoch kommen so viele neue Unsicherheiten und Stressfaktoren in der modernen Lebensführung hinzu, dass nicht nur der Körper, sondern oft auch die Seele Beistand braucht, wenn sich ein Kind ankündigt.

Zwar konnte man in den letzten Jahrzehnten beobachten, wie Kliniken begonnen haben, Natürlichkeit und Normalität in die Entbindungszimmer zu bringen – auch weil die steigende Nachfrage seitens der Schwangeren einen starken ökonomischen Druck schuf. So ist die Anwesenheit des Vaters während des Geburtsverlaufs inzwischen erwünscht, die Entbindungszimmer sind wohnlicher gestaltet, die Entbindungsbetten breiter und bequemer, und der Partner hat in der Regel auch eine Übernachtungsmöglichkeit im Entbindungsraum.

Aber dennoch fehlt häufig das psychologische Geschick im Umgang mit den Frauen, die sich während ihrer Schwangerschaft und unter der Geburt in einer besonders sensiblen Phase befinden. Dabei gehört es zum uralten Hebammenwissen, dass Zuversicht, Ruhe und Humor eine Geburt beschleunigen können, während etwa sorgenvolle Bemerkungen, Hektik und gestresstes Verhalten des anwesenden medizinischen Personals bei der Schwangeren während der Geburt zu körperlichen Verkrampfungen, psychischem Stress und einer erschwerten Entbindung führen können.

In der Schwangerschaft sind die meisten Frauen deutlich ängstlicher als sonst (Münch 1993). So warnte schon Louise Bourgeois, die Hofhebamme der französischen Königin Katharina von Medici im 16. Jahrhundert:

»Wenn Frauen in einer schwierigen Phase der Niederkunft nicht aus eigenem Antrieb den Arzt kommen lassen wollen, kann die Erwähnung des Arztes bei ihnen einen solchen Schrecken auslösen, dass sie glauben, ihr Leben stünde auf dem Spiel« (Gélis 1992, S. 160).

Sprache wirkt auf subtile Art und Weise, sie kann heilsam sein, aber auch Schaden anrichten. Der amerikanische Gynäkologe und Hypnotherapeut David Cheek übte heftige Kritik an uneinfühlsamem medizinischem Personal, wenn dieses sich keine Gedanken über die Wirkung seiner Worte macht. Diese Gedankenlosigkeit führe in manchen Fällen sogar zu Komplikationen oder gesundheitlichen Problemen, da Patienten gerade in Notfällen automatisch in einen Trancezustand wechselten und die Worte des medizinischen Personals dann anders verarbeitet werden, zum Beispiel als unbeabsichtigte posthypnotische Suggestion wirksam werden könnten.

Cheek und viele andere Hypnotherapeuten haben in zahlreichen wissenschaftlichen Studien gezeigt, wie wirkungsvoll sprachliche Suggestionen und andere Methoden der Hypnose in der Schwangerschaft und während der Geburt eingesetzt werden können: nicht nur, um körperliche Beschwerden zu lindern, sondern auch, um die Frauen psychisch zu stärken. Beides geht Hand in Hand.

Wie eingangs beschrieben hängt die Geburt stark von der jeweiligen Kultur ab, in der die Schwangeren leben. Es wäre sehr wünschenswert, die Hypnose in unserer Kultur in der modernen Geburtsvorbereitung stärker zu verankern. Das käme letztendlich vor allem auch den Kindern zugute. So kann Hypnose zum Beispiel die Bindung zwischen Eltern und Kind schon während der Schwangerschaft stärken – eine wichtige Voraussetzung für ein gesundes Aufwachsen der Kinder. In der Regel wollen alle Eltern, dass ihre Kinder gesund und glücklich werden. Das zumindest ist kulturübergreifend bei allen Menschen gleich – in der Frankfurter Villa ebenso wie im Urwald von Malaysia.

2 Historisches über Hypnose und hypnotische Geburtsvorbereitung

In den Kulturen der Frühzeit war Trance meist in kultischen Handlungen und religiös geprägten Ritualen eingebettet. Die Menschen erlebten sich als Teil eines geistig spirituellen Weltgefüges, in dem alles beseelt war und in dem noch höhere und mächtigere geistige Wesen außer den Menschen existierten. Der Trancezustand war so etwas wie ein Tor, durch welches es ausgebildeten oder berufenen Frauen und Männern (Schamaninnen, Medizinfrauen und -männern) möglich war, mit diesen Wesen einer anderen Ebene – seien es Geister, Ahnen, Götter, Dämonen oder Elementarwesen – in Kontakt zu treten, um von ihnen Schutz, Jagdglück, aber auch Heilung oder Segen für eine neue Lebensphase zu erhalten.

Viele der heute noch existierenden schamanistischen Kulturen im hohen Norden, in Sibirien, Zentralasien, Afrika und Südamerika sind von dieser Weltsicht geprägt.

Auch in den frühen Hochkulturen, lange vor Christi Geburt, tauchen Hinweise oder Anleitungen zur Herbeiführung und Anwendung von Trance auf. Bei den Assyrern und Babyloniern z. B. gab es Anleitungen zur Austreibung von krankmachenden Dämonen. Die Ägypter, Griechen und Römer hinterließen Hinweise auf Trance und die Verwendung von suggestiver Sprache. Aus dem antiken Griechenland ist uns sowohl das berühmte Orakel zu Delphi als auch der Tempel des Asklepios bekannt. Auch dort spielte Trance eine wichtige Rolle. Nach einer langen rituellen Prozedur konnten die Hilfesuchenden in ihren Träumen schließlich Hinweise auf Heilung erwarten, die von den Priestern des Gottes in der richtigen Weise gedeutet werden mussten. Aus der Zeit um 1500 vor Christus stammt ein ägyptischer Papyrus, auf dem die Einleitung einer Trance beschrieben wird, wobei das Licht einer Öllampe fixiert werden soll (vgl. Gerl 1998).

Gegenüber den Jahrtausenden, in denen Trance als Möglichkeit angesehen wurde, sich zu Heilzwecken mit einer höheren Kraft außerhalb des alltäglichen Rahmens zu verbinden, erscheinen die ca. 240 Jahre der neuzeitlichen Erforschung und die Entwicklung neuer Erklärungsmodelle für dieses Phänomen extrem kurz. Mit dem Zeitalter der Aufklärung und der Entstehung der modernen Wissenschaften tauchte plötzlich auch eine veränderte, der neuen Zeit eher entsprechende Erklärung von Trance auf.

Franz Anton Mesmer und der »animalische Magnetismus«

Der erste Vertreter dieser Sichtweise war Franz Anton Mesmer (1734–1815), ein Doktor der Philosophie und Medizin. Er vertrat die Auffassung, dass Trancephänomene und Erfolge bei der Heilung nicht durch den Kontakt mit einer höheren Macht (Jesus), sondern durch ein ganz natürliches, physikalisches Phänomen zustande kommen, das er als »animalischen Magnetismus« bezeichnete. In seiner Theorie gab es ein »universelles Fluidum«, an dem jedes Lebewesen teilhabe. Im Falle einer Krankheit habe der betreffende Mensch nicht genug von diesem Fluidum aufgenommen oder es nicht richtig im Köper verteilt. Ein gesunder Mensch habe dagegen genügend von diesem »animalischen Magnetismus«, wie Mesmer dieses Phänomen schließlich nannte, und könne sich damit jederzeit auch wieder aufladen. Mesmer glaubte, dass nach dem Prinzip der kommunizierenden Röhren jemand, der mit viel Magnetismus ausgestattet sei, diesen auf einen Kranken mit wenig Magnetismus übertragen könne.

Mesmer demonstrierte, wie Patienten zitterten und sich unkontrolliert bewegten, wenn er in Kombination mit intensivem Blickkontakt in bestimmten Bahnen (»Passes«) über deren Körper strich. Diese von ihm als »Krise« bezeichnete Reaktion und der darauf folgende sogenannte »magnetische Schlaf«, ein Trancezustand, dienten ihm als Beweis dafür, dass die magnetische Kur wirksam war. Mesmer war damals äußerst erfolgreich mit seiner Methode und konnte viele Heilerfolge vorweisen.

Zahlreiche Ärzte begannen ebenfalls zu »mesmerisieren«, wie die Prozedur zu Ehren ihres Entdeckers genannt wurde. Einige englische Ärzte, wie z. B. James Esdaile (1808–1859) und John Elliotsen (1791–1868) wendeten in den damaligen englischen Kolonien das »Mesmerisieren« an. Sie entdeckten dabei, dass die Patienten in diesem Zustand schmerzfrei operiert werden konnten. Darüber hinaus gelang es ihnen damit, den gefürchteten physiologischen Schock bei ihren Patienten zu vermeiden (vgl. Gerl 1998). Dies war ein unglaublicher Fortschritt, weil es damals noch keine wirksamen Betäubungs- oder Schmerzmittel gab – was lag also näher, als das »Mesmerisieren« auch zur Schmerzbefreiung in der Geburtshilfe einzusetzen?

Später fiel Mesmer mit seiner Theorie des »animalischen Magnetismus« in der akademischen Welt in Ungnade, nachdem es 1784 zwei zur wissenschaftlichen Untersuchung eingesetzten Kommissionen nicht gelungen war, den »animalischen Magnetismus« messbar nachzuweisen. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass die Erfolge Mesmers auf der Einbildung seiner Patienten beruhten, auf deren Imagination und/oder deren Imitation von anderen Patienten.

Interessanterweise gehört das Wissen darüber, dass Imaginationen in der Trance zu intensiven physiologischen und psychologischen Veränderungen führen können, heute zum hypnotherapeutischen Standardwissen. Man arbeitet in der Therapiesituation sogar darauf hin, dass Patienten plastische innere Bilder entwickeln, um die gewünschten Ziele besser zu erreichen.

Obwohl Mesmers Theorie wissenschaftlich diskreditiert war, stellte niemand seine Erfolge infrage. Trotzdem wurde es eine Zeit lang ruhig um das »Mesmerisieren«. In Frankreich erwähnte 1833 erstmals Pierre Foissac in seinen »Notes explicatives« die Anwendung von Hypnose in der Geburtshilfe. Damals wurde immer noch nicht von Hypnose, sondern von »magnetisme animale« gesprochen. Foissac zitierte in seinem Buch die magnetischen Erfahrungen von Husson, darunter auch die folgende:

»Eine kleine Zahl von Beobachtungen erlaubt es zu hoffen, dass man durch dieses Verfahren die oft unerträglichen Schmerzen bei der Entbindung herabsetzen könne« (Chertok u. Langen 1968, S. 15).

In der Folgezeit beschrieben etliche Magnetiseure wie Charles Lafontaine, Baron M. du Potet und später der berühmte Liébeault aus Nancy ihre Erfahrungen mit dem Einsatz der hypnotischen Analgesie zur Verringerung des Geburtsschmerzes. Du Potet schilderte 1854 im Journal du Magnetisme auch den Fall einer Patientin, bei der Cutter durch magnetischen Schlaf einen Wiedereinsatz der Wehen nach Wehenstillstand erreichte (Chertok u. Langen 1968, S. 15).

Entstehung des Begriffes »Hypnose«

Nachdem die Theorie des »animalischen Magnetismus« wissenschaftlich nicht bewiesen werden konnte, entwickelte sich allmählich ein neues Modell der Trancezustände. Neue Ansichten, wie diese im menschlichen Bewusstsein entstehen, setzten sich allmählich durch. Der englische Augenarzt James Braid kam 1843 aufgrund seiner Beobachtung an Patienten zu dem Schluss, dass der Trancezustand weder aufgrund äußerer physikalischer oder übernatürlicher Einwirkung zustande komme, sondern sich durch Prozesse im Inneren des Patienten selbst entwickele, sobald dieser dazu gebracht werden könne, seine Aufmerksamkeit auf eine Sache oder Idee zu konzentrieren. Braid zeigte, dass dies beispielsweise gelinge, wenn sich die Augen eines Patienten längere Zeit auf einen Punkt fixieren (Augenfixation). Er glaubte, dass das Bewusstsein des Patienten und dessen Wille weiterhin intakt seien, sodass niemand in Trance zu einer kriminellen Handlung gebracht werden könne (vgl. Gerl 1998). Er bezeichnete diesen Zustand als »Monoideismus«, später prägte er erstmals das Wort »Hypnose« (griech.: Schlaf) dafür – aufgrund seiner äußeren Ähnlichkeit mit dem Schlaf. Seit dieser Zeit hat sich der Begriff Hypnose allgemein als Bezeichnung für den künstlich herbeigeführten Trancezustand durchgesetzt.

Die Schule von Nancy und die Geburtsvorbereitung durch Suggestion

Eine neue Blütezeit erlebte die Hypnose in Europa durch die Aktivitäten der beiden französischen Ärzte Auguste Liébeault (1823–1904) und Hippolyte Bernheim (1840–1919) in Nancy. Ihrer Initiative und Forschung verdankt die »Schule von Nancy« ihre spätere europaweite Berühmtheit. Ähnlich wie Braid gingen sie davon aus, dass Hypnose ein normaler menschlicher Bewusstseinszustand ist, der von keinerlei äußeren Faktoren abhängt, sondern ausschließlich ein Produkt innerer psychischer Prozesse ist. Dabei wuchs der Suggestion eine wichtige Bedeutung zu. Ebenso wurde angenommen, dass eine suggerierte Idee physiologische Folgen und/oder Verhaltensreaktionen hervorrufen kann. Bernheim und Liébeault benutzten erstmals den Begriff der Suggestibilität für die individuell unterschiedlich ausgeprägte Bereitschaft, auf Suggestionen zu reagieren. Liébeault berichtete über mehrere Fälle, in denen er Frauen hypnotisch auf die Geburt vorbereitet hatte. Einmal gelang es ihm durch suggestive Beeinflussung, eine deutliche Geburtsverkürzung bei einer Patientin zu erreichen, deren frühere Geburten durch Wehenschwäche und Blutungen riskant gewesen waren.

Liébeault und Bernheim waren in Tausenden von Fällen erfolgreich. Ärzte aus ganz Europa kamen, um von ihnen die Technik der Hypnose zu erlernen. Unter ihnen war auch Sigmund Freud (1856–1939), der spätere Begründer der Psychoanalyse.

Hypnotische Analgesie

Auffällig war, dass man eine suggestiv herbeigeführte Analgesie (Schmerzunempfindlichkeit) auf verschiedene Weise erreichen konnte.

»Ein schmerzlindernder Zustand konnte erreicht werden, bei dem einmal die Wehen bewusst, aber ohne die geringste Schmerzempfindung erlebt werden (Analgesie); der Schmerz konnte aber auch zurückgehalten werden und trotz desselben die Haltung ruhig bleiben. Oder aber, jegliches Schmerzempfinden wurde komplett vergessen (Amnesie)« (Chertok u. Langen 1968, S.18).

In vielen Diskussionen versuchte man, den hauptsächlichen Entstehungsfaktor für die hypnotische Analgesie zu erkennen. Dabei ging es hauptsächlich um die Frage, ob diese lediglich das Ergebnis einer Amnesie sei, oder ob die Analgesie auch ohne Amnesie allein durch Suggestion wirksam werden könne. Liébeault bezeichnete den Vorgang der Analgesie als Ablenkung der Aufmerksamkeit vom Schmerz.

»Die Einleitung der Hypnose geschah meist über Augenfixation und Verbalsuggestion. Die Analgesie tritt dabei spontan oder als Folge gezielter Suggestionen auf. Auch indirekte Suggestionen wurden angewandt, wie zum Beispiel Massage oder Riechen einer duftenden Substanz« (Chertok u. Langen 1968, S. 18).

Der amerikanische Zahnarzt Bonwill erzielte 1875 Analgesie auch durch Hyperventilation. Hewson wandte diese Methode vereinzelt auch in der Geburtshilfe an.

Selbsthypnose zur Analgesie-Erzeugung

Die Entdeckung, dass Analgesie auch durch Autohypnose im Wachzustand erzeugt werden kann, war ein wichtiger Schritt zur klinischen Anwendung auch bei der Geburtsvorbereitung. Victor Dumontpallier setzte 1892 als Erster Autohypnose ein und konnte im Wachzustand eine Analgesie bei der Gebärenden erzeugen. Dadurch erlebte die werdende Mutter die Geburt bewusst mit. In der Folgezeit ging man immer mehr dazu über, Suggestionen unauffällig im Wachzustand zu geben. Paul Joire beschreibt eine solche Vorgehensweise wie folgt:

»Das Vorgehen ist sehr einfach. Man braucht nur eine Hand auf die Augen der zu Entbindenden zu legen, die dann die Augen schließt, die andere Hand legt man auf den Leib und spricht leise, langsam und eindringlich, ohne den Anschein zu erwecken, als wolle man der Patientin einen Gedanken oder den Willen aufdrängen. Die Worte schleichen sich unvermerkt ein, werden angenommen und realisiert, ohne dass die Gebärende wahrnimmt, dass es sich um Suggestionen handelt« (Chertok u. Langen 1968, S. 19).

Die Begründung der Psychoanalyse und die Abwendung von der Hypnose

Sigmund Freud, der Begründer der Psychoanalyse, erkannte sehr wohl die Hypnose als Weg zum Unbewussten und setzte sie in den ersten Jahren seiner Tätigkeit als Psychiater auch häufig ein. Allerdings war er mit der damaligen Methode, Symptome wegzusuggerieren, nicht so erfolgreich. Bald konzentrierte er sich auf die Traumdeutung und das freie Assoziieren als Weg zum Unbewussten und lehnte die Hypnose aus mehreren Gründen ab – insbesondere, weil das in der Hypnose erinnerte Material nicht immer mit der objektiven Realität übereinstimmte. Leider wurde diese Haltung auch von seinen Schülern weitgehend übernommen. Die Technik der Hypnose geriet in der psychotherapeutischen Fachöffentlichkeit fast in Vergessenheit. Sie behielt allerdings eine gewisse Bedeutung im medizinischen Bereich, wo sie als Möglichkeit zur Erzeugung der Anästhesie nach wie vor gelegentlich eingesetzt wurde. Somit fand die Hypnose europaweit auch weiterhin Anwendung in der Geburtsvorbereitung.

Hypnoseentbindungen in Europa im 20. Jahrhundert

Während und nach dem Ersten Weltkrieg wendeten viele Ärzte in Notfällen hypnotische Techniken an, um Verletzte und Kriegstraumatisierte zu behandeln. Sie griffen auf diese Techniken zurück, weil ihnen aus logistischen Gründen die gängigen Anästhesiemittel nicht zur Verfügung standen. Um 1920 herum hatte der chemisch eingeleitete Dämmerschlaf mit Morphium-Scopolamin eine gewisse Verbreitung bei der Geburtshilfe gefunden. Viele Ärzte wiesen allerdings auf die damit verbundenen Gefahren für Mutter und Kind hin. Daher kam die hypnotisch induzierte Analgesie erneut zum Einsatz. In den Fachdiskussionen ging es damals um die praktischen und theoretischen Gesichtspunkte der psychologischen Analgesie.

Hypnoseentbindungen in Österreich und Deutschland

In Deutschland berichtete 1919 von Oettingen über 16 Fälle, in denen er durch hypnotische Amnesie eine Analgesie erzielt hatte. Die Analgesie wurde dabei durch Medikamente unterstützt. Die Ärzte Schultze-Rhonhof und Kogerer setzten sich 1922 in Österreich sehr für die Anwendung der hypnotischen Analgesie in der Geburtshilfe ein. Fritz Schultze-Rhonhof baute von Oettingens Verfahren aus und ließ die Medikamente weg, um eine Amnesie der Gebärenden zu verhindern. Er bereitete schwangere Frauen erstmals in Gruppen auf die Geburt vor. Dabei setzte er Gruppenhypnose ein, der er wesentliche Vorteile gegenüber der Einzelhypnose zusprach. Besondere Vorteile in der Gruppenarbeit fand er in der erhöhten Suggestibilität der Schwangeren und im erheblichen Zeitgewinn. Für die Ersthypnose ließ er eine Schwangere erst einmal eine andere schwangere Frau beobachten, dann führte er ein leichtes Hypnoid herbei. In den Folgesitzungen konnten die Hypnose dann vertieft und Hypnosephänomene wie Analgesie und Amnesie erzeugt werden. Auch wurden posthypnotische Suggestionen gegeben, die zum Beispiel auf den Beginn der Wehen ausgerichtet waren. Er suggerierte, dass die Schwangere bei Wehen im Abstand von 10 bis 15 Minuten in den Kreißsaal kommen solle.

Der Wiener Psychiater Kogerer wandte die Hypnose lediglich zur Vorbereitung auf die Geburt an. Er hielt Schwangere zudem für leichter hypnotisierbar als andere Frauen und bemühte sich, die Hypnose von allen magischen und wunderbaren Aspekten zu befreien, sie als ganz normales Geschehen darzustellen, bei dem man mit der Umwelt in Verbindung bleiben könne (vgl. Chertok u. Langen 1968). Als Induktionsmethode benutzte Kogerer die Augenfixation und die Verbalsuggestion, dazu machte er die Frauen mit den körperlichen Begleiterscheinungen der Hypnose bekannt. Er suggerierte erst die Analgesie eines Handrückens und dann die der Abdominalregion. Zudem brachte er den Schwangeren bei, wie sie sich selbst dehypnotisieren konnten. Analgesie erreichte er durch posthypnotische Suggestion, wodurch die Frauen im Wachen entbinden und die Geburt bewusst erleben konnten.

Während des Zweiten Weltkrieges trat die Bedeutung der Hypnoseentbindung in Deutschland und Österreich in den Hintergrund. Erst in den Fünfzigerjahren wuchs das Interesse an dieser Methode wieder. Dietrich Langen war einer der wichtigsten wissenschaftlichen Vertreter der Hypnose im Deutschland der Nachkriegszeit. Er pflegte unter anderem die Verbindung zu französischen Kollegen, die ebenfalls mit Hypnose in der Geburtsvorbereitung arbeiteten.

Im Bereich der Psychotherapie überlebte die Hypnose im Deutschland der Nachkriegszeit als suggestive Behandlungstechnik, z. B. im autogenen Training, das von J. H. Schultz entwickelt wurde, im Katathymen Bilderleben Hanscarl Leuners und in Kretschmers gestufter Aktivhypnose, doch hatten diese Verfahren einen eher autoritären und fremdbestimmten Charakter (vgl. Revenstorf u. Peter 2001).

Hypnoseentbindungen in Russland

In Russland wurde die Geburtsvorbereitung mit Hypnose im 19. Jahrhundert populär. Die russischen Vertreter der Hypnoseentbindungen bezogen sich im ausgehenden 19. Jahrhundert sehr stark auf die diesbezüglichen Erkenntnisse und Vorgehensweisen von Kollegen aus Deutschland und Frankreich. 1923 erwähnte der Psychiater und Psychotherapeut Konstantin Ivanovich Platonov bereits die vielen Vorteile der Hypnoseentbindung für Mutter und Kind. Dazu zählte er die

»Herabsetzung des Schmerzempfindens, Unterdrückung der unnötigen Anstrengungen der Mutter bei der Entbindung und der Wegfall der toxischen Auswirkungen auf das Kind im Gegensatz zur Narkoseentbindung« (Chertok u. Langen 1968, S. 25).

Neben Platonov sowie seinen Schülern Ilya Z. Velvovsky und Frau Schlifer gab es noch viele andere wichtige russische Vertreter und Vertreterinnen der Hypnoseentbindung, die z. T. Hunderte von hypnotischen Entbindungen durchführten. Meist erreichten sie Analgesie entweder durch direkte Suggestion oder durch posthypnotische Suggestionen. Frau Schlifer betonte, dass posthypnotische Suggestionen ihrer Meinung nach am besten wirkten, weil die Frauen dann bei der Entbindung wach seien und diesen wichtigen Moment nicht verpassten. Platonov erreichte bei den Schwangeren eine Analgesie mit posthypnotischen Suggestionen. 1927 konnte er bereits von 94 Fällen berichten, in denen er die Schwangeren mit Hypnose auf die Geburt vorbereitet hatte. Er war es auch, der eine psychotherapeutische Schulung für Geburtshelfer forderte, weil die Geburtsschmerzen nicht nur physiologisch, sondern auch psychologisch erklärt werden müssten. Nach 1925 wurden auch in Russland die Veröffentlichungen über Hypnoseentbindungen seltener (vgl. Chertok u. Langen 1968).

Die »Hypnotarien« in Russland

Das Interesse an der Hypnoseentbindung erstarkte in Russland erst wieder nach dem Zweiten Weltkrieg. Wegen der offenkundigen Vorteile für die Schwangeren und ihre Neugeborenen wurden in Leningrad und Kiew sogar spezielle Zentren, sogenannte »Hypnotarien«, eingerichtet, in denen Tausende von Schwangeren von geschultem medizinischen Personal hypnotisch auf die Geburt vorbereitet wurden.

In Leningrad bereitete der Mediziner Vigdorovitch in einem »Hypnotarium« die Schwangeren mit Hypnose auf die Geburt vor, indem er ihnen beibrachte, schon bei einem Glockenton in Trance zu gehen. Vigdorovitch berichtete, dass in Trance nicht nur die hypnotische Analgesie ein großer Vorteil sei, sondern auch weniger Geburtskomplikationen auftraten. Mittels Hypnose konnte sogar die Milchsekretion bei den Müttern nach der Geburt gefördert werden. Noch 1950 führte sein Kollege Syrkine im »Hypnotarium« in Kiew 600 Hypnoseentbindungen durch.

Verbreitung der Hypnose über Europa hinaus

Später entwickelte Ilya Z. Velvovsky die Psychoprophylaxe als weitere psychologische Methode der Geburtsvorbereitung (vgl. Kap. 5). Dabei berücksichtigte er die Reflexologie Pawlows (Chertok u. Langen 1968, S. 31). Russische Mediziner waren davon überzeugt, dass sich Psychoprophylaxe und hypnosuggestive Methoden nicht gegenseitig ausschließen, sondern sich vielmehr ergänzten.

Fernand Lamaze lernte die Methode der Psychoprophylaxe bei einem Besuch 1952 in Russland kennen. Er brachte sie nach Westeuropa, modifizierte sie und verbreitete sie nicht nur in Europa, sondern auch in den USA. Sie wurde daher nach ihm benannt.

Obwohl sich die Methode der Hypnose immer wieder für alle am Geburtsvorgang Beteiligten als hilfreich und erfolgreich erwiesen hat, konnte sie sich weder in Europa noch in den USA auf breiter Ebene