SchwarzWeiss - Florence Brokowski-Shekete - E-Book

SchwarzWeiss E-Book

Florence Brokowski-Shekete

0,0

Beschreibung

Verstehen und neue Perspektiven eröffnen Wenn es um Alltagsrassismus geht, wird die Diskussion schnell hitzig. Mangelndes Wissen und Unverständnis führen dazu, dass beide Seiten sich oft in ihren von Vorurteilen geprägten Vorstellungen bestätigt fühlen. Florence Brokowski-Shekete und Marion Kuchenny haben es sich zum Ziel gesetzt, das Thema aus der Konfrontationsecke in den gelebten Alltag zu bringen. Sie nähern sich den einzelnen Fragen und Problemstellungen offen und gehen ihnen auf den Grund, ohne sie zu relativieren oder kleinzureden. Auf klare und verständliche Art und Weise erklären sie, worauf es in der Wahrnehmung und Kommunikation zum Thema Alltagsrassismus ankommt. Dabei geht es ihnen stets darum, die Perspektive des anderen zu verstehen und von Alltagsrassismus Betroffene in ihrer kulturellen Identität und individuellen Resilienz zu stärken. Für eine vertiefte Auseinandersetzung mit den angesprochenen Themen enthält das Buch wichtige Tipps und Hinweise. Alle Gespräche stammen aus ihrem gemeinsamen Podcast »SCHWARZWEISS« – dem bislang einzigen Podcast in Deutschland, der sich schwerpunktmäßig mit dem Thema Alltagsrassismus beschäftigt. Er war 2023 für den Deutschen Podcast Preis und 2024 für den emotion Award in der Kategorie »Diversity in Media« nominiert. Sich für gesellschaftlichen Dialog, gleichberechtigtes Miteinander und Vielfalt einzusetzen ist den beiden Autorinnen ein Anliegen. »Es ist mir ein Anliegen, Menschen in ihrer persönlichen Motivation, kulturellen Identität und individuellen Resilienz zu stärken und einen Beitrag zum gegenseitigen Verständnis zu leisten – eben Brücken zu bauen.« Florence Brokowski-Shekete »Dieses Buch ist ein Plädoyer für Toleranz, Verständnis und Kommunikation, und kann als Handbuch für den Umgang mit Alltagsrassismus gelesen werden. Das ist uns ein großes Anliegen.« Florence Brokowski-Shekete und Marion Kuchenny »Viele Anregungen für ein Überdenken eigener Haltungen und Verhaltensweisen, immer konstruktiv und ohne Zeigerfinger aber am Puls des Problems. Pflichtlektüre für alle, die an einer gleichberechtigten Gesellschaft interessiert sind.« Bülent Ceylan »Wir können gar nicht oft genug über das Thema Alltagsrassismus reden. Und genau das tun Florence Brokowski-Shekete und Marion Kuchenny auf wärmste und offenste Weise. Wie schön wäre unsere Welt, würden wir uns alle so respektvoll und neugierig begegnen?« Gesine Cukrowski

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 171

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Anmerkungen der Autorinnen

Prolog

Der Weg ist das Ziel – von der Idee zur ersten Staffel

Schwarzfahren, Schwarzsehen, Schwarzmalen –wie gerechtfertigt ist der Streit um diese Begriffe?

»Geh doch als ›Afrikanerin‹!« – Wo sind die Grenzen bei Karnevalskostümen?

»Die zweite Klasse ist auf der anderen Seite!« – Wie umgehen mit Diskriminierungserfahrungen?

Selektive Solidarität –gibt es Geflüchtete zweiter Klasse?

Der erste Eindruck entscheidet?! – Wenn Menschen in Schubladen gesteckt werden

»Du nix richtig – ich dir zeigen wo!« – Wenn Sprache herabwürdigt

Dreadlocks nur für Schwarze? – Wo beginnt kulturelle Aneignung?

Wie schwarz darf Humor sein? – Über die Problematik von kulturellen Witzen

Wer dazugehören will, muss sich anpassen – die richtige Balance zwischen Integration und Identität

Gutes Schwarz, schlechtes Weiß? – Neue Stereotype in der Rassismusdebatte

Alte Klischees, neue Vorurteile – Vorsicht mit ›gut gemeinten‹ Zuschreibungen

Farbe ins System bringen – wenn Kommunikation komplett danebengeht

»Nur gucken, nicht anfassen!« – Über Respekt und Grenzüberschreitungen

Epilog

Dank

Anmerkungen der Autorinnen

In diesem Buch ist es für uns von großer Wichtigkeit, auf diskriminierungssensible Sprache zu achten. So wird das Wort »Schwarz« großgeschrieben. Damit verdeutlichen wir, dass es sich hierbei nicht um ein Adjektiv handelt, sondern um eine Selbstbezeichnung von Menschen, die aufgrund ihrer Hautfarbe im Alltag und in ihrem beruflichen Kontext von Ausgrenzung betroffen sein können.

Wie sich Menschen, die aufgrund ihrer Hautfarbe Ausgrenzung erfahren, letztlich selbst bezeichnen, bestimmen alleine sie. Dies kann durchaus von dem oben genannten Begriff abweichen.

Unsere Sprache spiegelt unseren persönlichen Lebenshintergrund wider und ist somit authentisch. So kann es sein, dass der ein oder andere Begriff nicht diskriminierungssensibel erscheint, jedoch die Grundlage unserer Diskussion darstellt.

Prolog

Wie sehr hat es mich gefreut, dass meine Autobiografie Mist, die versteht mich ja! – Aus dem Leben einer Schwarzen Deutschen 2020 bei den Lesenden auf so große Resonanz stieß und zum SPIEGEL-Bestseller wurde.

Ich bekam sehr viel Post von Menschen, die einfach nicht verstehen konnten, dass Menschen, die nicht weiß sind, noch immer wegen ihrer Hautfarbe Ausgrenzung erfahren. Die Schreibenden bedauerten dieses sehr. Sie fragten, was sie selbst tun könnten, wenn sie Ausgrenzung von Schwarzen Menschen beobachteten.

Schwarze Menschen schrieben mir und baten um Unterstützung und Rat für Situationen, in denen sie von weißen Menschen wegen ihrer Hautfarbe Ausgrenzung verspürten.

Wiederum andere verstanden erst gar nicht, warum diese oder jene Situation überhaupt ausgrenzend oder gar rassistisch sein sollte. »Das haben wir doch schon immer so gemacht, früher hat es doch auch niemanden gestört.«

Dieses woke Gehabe sei echt nervig, schrieb ein Leser, ob wir denn wirklich keine anderen Probleme hätten. »Unsere Kinder dürfen sich an Karneval nicht mehr als ›Indianer‹ verkleiden? Die Menschen, die so etwas verbieten wollen, gehören ja in die Psychiatrie«, war als Kommentar unter einem anderen Post zu lesen. Wiederum andere waren sich darin einig, dass das Tragen von Dirndl und Lederhose von nicht weißen Menschen schließlich das Gleiche sei. Und warum Faschingskrapfen, in manchen Gegenden auch Berliner oder Pfannkuchen genannt, nicht mit Figuren anderer Ethnien, dekoriert werden sollten, die mit rassistischen Klischees spielen, entbehrte für andere wiederum jeder Logik. Auf Lesungen wurde ich gefragt, ob Weiße denn wirklich keine Dreadlocks tragen dürften.

”Es sind Themen, bei denen viele nicht nur alles besser wissen, sondern auch noch als Weiße genau wissen, wie es sich anfühlt, Schwarz zu sein.

Zu dieser Zeit schrieb ich gerade an meinem zweiten Buch Raus aus den Schubladen! – Meine Gespräche mit Schwarzen Deutschen. Dass auch dieses Buch ein SPIEGEL-Bestseller werden und auf ebenso große Resonanz stoßen sollte, konnte ich zu jenem Zeitpunkt, Ende 2021, noch nicht ahnen.

Ich stellte jedoch fest, dass die Menschen sehr viele Fragen hatten, auf die sie dringend Antworten brauchten. Dass manche auch lediglich die eigene Meinung kundtun wollten, um diese bestätigt zu bekommen, ist menschlich und irritierte mich weniger.

Vielmehr beobachtete ich, dass zahlreiche Zuhörende bereit waren, zu diskutieren und sich meine Perspektive anzuhören, auch wenn sie ihre eigene nicht gleich aufgeben wollten.

So wurde mir bei einer Lesung erläutert, dass das, was ich beschreibe, doch nur Diskriminierung sei und kein Rassismus. Ich erklärte, dass Diskriminierung wie ein Dach sei, das auf einem Haus sitze. In dem Haus gäbe es viele Zimmer, in denen unterschiedliche Diskriminierungsarten zu finden seien. So erleben Menschen Diskriminierung aufgrund der Religionszugehörigkeit, des Geschlechtes, der sexuellen Identität, des sozialen Status, der körperlichen Versehrtheit oder der Hautfarbe. Letzteres wird Rassismus genannt.

Bei all diesen Begegnungen war mir daran gelegen, dass wir die oftmals auch kontroversen Gespräche auf eine Weise führten, bei der niemand sein Gesicht verlor.

Nein, Diskriminierung im Allgemeinen und Rassismus im Besonderen sind keine Feel-good-Themen, über die sich entspannt bei Kaffee und Torte plaudern lässt. Es sind Themen, die die Gemüter erhitzen, weshalb Familienfeiern im Streit enden und Freundschaften zerbrechen. Es sind Themen, die in den Sozialen Medien zu Hetze, Hass und den wüstesten Beschimpfungen führen, wenn die Diskutierenden merken, dass sie nicht einer Meinung sind. Es sind Themen, bei denen viele nicht nur alles besser wissen, sondern auch noch als Weiße genau wissen, wie es sich anfühlt, Schwarz zu sein.

Mein Publikum bei den Lesungen, wollte jedoch Fragen stellen dürfen, Antworten erhalten und Verhaltensstrategien an die Hand bekommen. Es ging ihnen nicht darum, recht zu behalten, um falsch oder richtig oder um die Feststellung, dass heutzutage einfach gar nichts mehr gesagt werden dürfe. Es wollte verstehen und begreifen, für den Alltag sensibilisiert und achtsam sein.

”Mein Schwarzes Lesepublikum wollte vor allem eines: empowert werden. Es wollte Kraft und Energie tanken für die kleinen und größeren Verletzungen des Alltages, ohne jedoch eine Opferrolle anzunehmen.

Mein Schwarzes Lesepublikum wollte vor allem eines: empowert werden. Es wollte Kraft und Energie tanken im Zusammenhang mit ›kleineren und größeren‹ Verletzungen des Alltages, ohne jedoch eine Opferrolle anzunehmen. Auch wollte es verstehen und begreifen, warum jemand mit weißem Hintergrund auf eine bestimmte Weise handelt und reagiert. Eines wollte es keinesfalls: stets und ständig verantwortlich dafür sein, Erklärungen, Erläuterungen und Gefühlsbeschreibungen abgeben zu müssen.

Wie gern beteiligte ich mich an diesen unterschiedlichen Gesprächen. Die verschiedenen Perspektiven, wenngleich sie sich von der meinigen oftmals sehr unterschieden, bereicherten mich dennoch.

Darüber hinaus war es mir von Beginn an wichtig, dass sich weiße Menschen, die von rassistischer Ausgrenzung nicht betroffen sind, den Perspektiven der Schwarzen öffnen. Sie müssen verstehen, dass nicht sie die Deutungshoheit darüber haben, wovon sich ein Schwarzer Mensch ausgegrenzt und diskriminiert fühlt.

»Das haben wir früher auch schon gesagt« ist keine intellektuelle Hochleistung, sondern eine sehr bequeme Weigerung, der eigenen Weiterentwicklung eine Chance zu geben.

Das Verhalten jeder weißen Person, ungeachtet der Bemühungen des Verstehenwollens, als rassistisch zu bezeichnen, trägt ebenfalls zu keiner aufeinander zugehenden Verständigung bei, sondern verfestigt die Abwehrhaltung.

Und dass »gut gemeint« nicht immer auch »gut gemacht« bedeutet und damit den Betroffenen oftmals ein Bärendienst erwiesen wird, wurde bereits mehrfach bewiesen.

Ein großes Dilemma! Was also tun?

Leider konnte ich nicht auf jede Zuschrift antworten, die ich im Laufe der Zeit erhielt, und so blieben einige Fragen und Bitten um Unterstützung unbeantwortet. Ich überlegte, wie ich diese Menschen dennoch erreichen könnte.

”Darüber hinaus war es mir von Beginn an wichtig, dass sich weiße Menschen, die von rassistischer Ausgrenzung nicht betroffen sind, den Perspektiven der Schwarzen öffnen.

So entstand die Idee, einen eigenen Podcast aufzusetzen. Ich sah darin auch die Möglichkeit, viele Themen des Alltags, mit denen man als Schwarzer Mensch konfrontiert ist, ansprechen zu können, sie zu erläutern und Perspektiven aufzuzeigen. Durch meine weiße Mama fällt es mir leicht, mich auch in die weiße Perspektive hineinzuversetzen. Natürlich hätte ich den Podcast auch allein bestreiten können, die Rolle der Alleinunterhalterin liegt mir ja bewiesenermaßen. Aber ich fragte mich, ob es sich bei diesen Themen nicht anböte, mit einer weißen Person in den Diskurs zu gehen.

Im Juni 2021 hatte ich die große Freude, vom Hessischen Rundfunk eingeladen zu werden. Ich sollte Gast im hr1-Talk sein – die Moderatorin war eine gewisse Marion Kuchenny. Ich kannte sie vorher nicht, was jedoch weniger an ihrem Bekanntheitsgrad lag, sondern mehr mit meinem geringen Radiokonsum zusammenhing. Wir verstanden uns aber auf Anhieb und beschlossen, in Kontakt zu bleiben. In der Folge tauschten wir uns immer wieder aus, konstruktiv und offen.

Bei einer Veranstaltung Ende 2021 begegneten wir uns erneut. Am Ende dieses sehr interessanten Abends verabschiedeten wir uns mit folgenden Worten:

Florence: Lust, einen Podcast zum Thema Alltagsrassismus zu machen?

Marion: Ja, sehr gerne!

Florence: Aber nicht nur eine Folge.

Marion: Nein, schon klar.

Das war die Geburtsstunde unseres Podcasts SCHWARZWEISS – und ich fragte mich auf der Heimfahrt, was Marion motivierte, dass sie so spontan Ja gesagt hatte.

Florence Brokowski-Shekete. Diesen Namen habe ich zum ersten Mal im Radio gehört. Auf der Heimfahrt nach einer meiner Mittagssendungen. Für mich ist die Strecke zwischen Funkhaus und Daheim immer eine gute Gelegenheit, um durch verschiedene Programme zu surfen und zu erfahren, was die Kolleg*innen so machen.

Und an ebenjenem Tag hörte ich ein Interview mit einer Frau, die von ihrer Kindheit in Buxtehude erzählte, von ihrer Adoptivmama und ihrem Weg in den pädagogischen Dienst.

Deutschlands erste Schwarze Schulamtsdirektorin – so lautete die Abmoderation des Interviews. Und erst in diesem Moment wurde mir klar, dass die Frau, der ich da die ganze Zeit zugehört hatte, Schwarz war.

”Mich als Journalistin beschäftigt diese Thematik schon lange und es macht mir zunehmend Sorge, mit welcher Aggressivität wir darüber inzwischen diskutieren.

Passenderweise hatte sie auch gerade ihre Autobiografie veröffentlicht – mit dem Titel Mist, die versteht mich ja! Aus dem Leben einer Schwarzen Deutschen. Und ich dachte: Die hätte ich gerne in meiner Talksendung. Was für eine spannende Lebensgeschichte und was für eine interessante Frau!

So kam es, dass wir beide uns tatsächlich im hr1-Talk zum ersten Mal begegnet sind. Und weil ich wusste beziehungsweise recherchiert hatte, dass Florence ein großer Boney M.-Fan ist, habe ich einiges in Bewegung gesetzt, um eine kleine Grußbotschaft von Liz Mitchell für diesen Talk zu organisieren.

Florence staunte nicht schlecht, als wir den Gruß von Liz einspielten. Und ich war sehr froh, dass wir ihr diese kleine Freude machen konnten.

Unser erstes Zusammentreffen lief so gut, dass wir im Anschluss verabredeten, in Kontakt zu bleiben. Und in der Folgezeit haben wir uns dann auch immer wieder über tagesaktuelle Entwicklungen im Zusammenhang mit Diskriminierung und Rassismus ausgetauscht.

”Zeigen, dass man über schwierige Themen wie Rassismus und Diskriminierung reden kann, ohne in Streit zu geraten. Offen und klar, aber immer konstruktiv und mit dem nötigen Respekt voreinander.

Mich als Journalistin beschäftigt diese Thematik schon lange und es macht mir zunehmend Sorge, mit welcher Aggressivität wir inzwischen darüber diskutieren. Und mit »wir« meine ich beide Seiten. Anstatt einander wirklich zuzuhören und gemeinsam über Lösungen nachzudenken, drischt jeder nur noch verbal auf den anderen ein oder zieht sich beleidigt in seine ›Bubble‹ zurück, um sich dort von Gleichgesinnten bestätigen zu lassen, wie schrecklich und unbelehrbar die andere Seite ist. Befeuert durch die Anonymität in der digitalen Medienwelt scheint es immer weniger moralische Barrieren zu geben, die all den ungefilterten Ausbrüchen von Wut und Hass Einhalt gebieten.

»Das muss doch auch anders gehen«, habe ich mir oft gedacht, und als Florence und ich uns am Ende eines langen Abends voneinander verabschiedeten, wurde aus diesem Gedanken plötzlich eine konkrete Idee. Mit ihrer Frage: »Lust auf einen gemeinsamen Podcast über Alltagsrassismus?« schien der Weg plötzlich klar. Zeigen, dass man über schwierige Themen wie Rassismus und Diskriminierung reden kann, ohne in Streit zu geraten. Offen und klar, aber immer konstruktiv und mit dem nötigen Respekt voreinander. Und wie könnte das besser gehen als mit einer weißen und einer Schwarzen Frau? Beide Perspektiven – zusammengebracht in einem gemeinsamen Podcast. Ein Wagnis? Vielleicht. Aber vor allem ein großes Abenteuer, das bald in seine sechste Staffel geht.

Ein Abenteuer, das mit unserem Buch zur Reihe nun hoffentlich auch all diejenigen erreicht, die lieber lesen als hören. Wir freuen uns auf den Austausch mit allen, die zu den von uns angesprochenen Themen und Erlebnissen ihre Sicht der Dinge beisteuern möchten, wir freuen uns auf viele Begegnungen und auf einen von Respekt getragenen, engagierten und lebhaften Dialog. Ganz im Sinne unseres Mottos: »Reden und zusammen!«

Nun wünschen wir Ihnen und euch ein gewinnbringendes Leseerlebnis.

Der Weg ist das Ziel – von der Idee zur ersten Staffel

Die Idee war geboren, aber wie sollte sie umgesetzt werden?

Beide bemerkten wir schnell, dass unsere unterschiedlichen Tätigkeitsbereiche einen hervorragenden Synergieeffekt ergeben würden. Ein gemeinsames Konzept war bald erstellt. Wir beschlossen, mit einer Staffel von zunächst 13 Folgen zu beginnen. Dass wir schwierige Themen ansprechen würden, war uns von Anfang an bewusst. Deshalb sollte eine Folge auch nicht länger als gut verdauliche 20 Minuten dauern.

Aber wer würde unseren Podcast produzieren? Klar war, dass es eine Medienfirma sein müsste, die unser Anliegen inhaltlich verstehen, unterstützen und zunächst keinen kommerziellen Gedanken damit verknüpfen würde. Nach intensiver Suche wurde Marion in ihrem Netzwerk fündig.

Wir beide wären nicht wir, wenn wir nicht von Beginn an einen hohen Anspruch an die Qualität unseres Podcasts gestellt hätten. Um zeitlich flexibel arbeiten zu können, entschieden wir uns, unsere Folgen in einem virtuellen Studio aufzunehmen. Professionelle Aufnahmen erfordern ein professionelles Equipment. Das war bei Medienprofi Marion kein Problem. Florence überlegte nicht lange, nach ein paar Klicks und einer kurz glühenden Kreditkarte war auch sie eine topausgestattete Podcasterin to be.

»Ach, ein Podcast braucht ja auch ein Cover!« »Handyfotos? Nein, Handyfotos reichen da nicht aus!« Aber auch diese Herausforderung war schnell gemeistert.

Was uns allerdings geradezu erschütterte, war die Erkenntnis, dass wir bei der Themenfindung überhaupt nicht lange überlegen mussten. In kürzester Zeit hatten wir eine Themenliste zusammengestellt, die für mehr als drei Staffeln reichen würde.

In unserem persönlichen Umfeld zeigte man sich schon sehr gespannt auf das, was wir ansprechen wollten. Und natürlich auch auf das Wie!

Trotzdem beschlich uns beide ein Gefühl der Unsicherheit.

»Wie wird das, was wir machen, wohl bei den Leuten ankommen?«

»Was, wenn wir den einen oder anderen Shitstorm heraufbeschwören?«

»Und was, wenn gar niemand unseren Podcast hören will?«

Mit diesen zweifelnden Fragen, aber auch einer aufgeregten Vorfreude und großen Begeisterung trafen wir uns dann im Februar 2022, um die erste Aufnahme zu produzieren, die am 17. Februar 2022 zum ersten Mal veröffentlicht wurde.

Schwarzfahren, Schwarzsehen, Schwarzmalen –wie gerechtfertigt ist der Streit um diese Begriffe?

Unsere Sprache ist voll von Begriffen, die in der aktuellen Rassismusdebatte zunehmend problematisch gesehen werden. Besonders diskutiert wird aktuell folgender Begriff: das Schwarzfahren. Sogar Verkehrsunternehmen sagen, sie wollen diesen Begriff nicht mehr verwenden. Auch Schwarzmalen und Schwarzsehen werden inzwischen von einigen vermieden. Was aber eigentlich gar nicht sein müsste, meint Florence und hat dafür eine verblüffend einfache Erklärung.

Marion: Schwarz-Weiß-Schubladen, davon gibt es leider noch viel zu viele. Aber wie bekommen wir es hin, da endlich herauszukommen? Betrachten wir zum Beispiel die Sprache.

Florence: Richtig! Denken wir an Sprichwörter oder Redewendungen. Es gibt in der deutschen Sprache eine ganze Menge, die Farben benutzen.

Marion: Schwarzsehen. Oder Schwarzfahren. Letzteres wird aktuell heftig diskutiert. Weil die Verkehrsbetriebe es nicht mehr verwenden sollen. Weil das Schwarz in Schwarzfahren Menschen mit dieser Hautfarbe diskriminiert – sagen die Kritiker. Empfindest du das auch so?

Florence: Na ja, sagen wir es mal so. Im ersten Moment denke ich, okay, Schwarzfahren ist ja nichts Positives. Und wir sprechen von Schwarzen Menschen. Warum ist die schwarze Farbe oder das Wort schwarz immer negativ konnotiert? Da zucke ich im ersten Moment schon ein bisschen zusammen.

Marion: Ich habe mal recherchiert, wo genau dieser Begriff Schwarzfahren eigentlich herkommt. Und ich bin bei meinen Recherchen auf das Rotwelsche gestoßen. Das Rotwelsche ist ein Gaunerjargon aus dem 18. Jahrhundert – mit Entlehnungen aus dem Jiddischen. Die Gauner haben sich auf diese Weise untereinander verständigt, damit, wenn sie irgendwelche Absprachen treffen wollten, Außenstehende nicht mitbekamen, worüber sie gerade redeten. Und da gibt es einen Begriff, der heißt »schwarzen« und bedeutet, Dinge nachts, also bei Nacht und Nebel, wenn es draußen schwarz ist, über die Grenze zu schmuggeln. Das ist illegal. Genau wie das Schwarzfahren – ohne Ticket – mit dem Bus oder der Bahn. Das ist scheinbar die Genese dieses Begriffes.

Florence: Also das gruselt mich trotzdem. Und ich denke, okay, wenn Leute zu mir sagen: »Ach, Sie sind ja schwarz« – und dann aber gleichzeitig das Wort schwarz so negativ verwenden, dann möchte ich mich natürlich schon davon abgrenzen. Ich möchte keinen Begriff zugesprochen bekommen, der eigentlich negativ ist.

Marion: Aber auch dann, wenn er primär gar nichts mit deiner Hautfarbe zu tun hat?

Fühlst du dich trotzdem angesprochen, wenn man dieses Wort benutzt, also schwarz, die Nacht ist schwarz? Und früher war sie das ja noch mehr als heute. Ohne Lichtverschmutzung waren die Nächte sogar komplett schwarz. Was ein ganz anderer Zusammenhang ist. Trifft es Dich dann trotzdem?

Florence: Na ja, jetzt muss man diese Wörter wirklich mal ein bisschen untersuchen.

Wenn ich von Schwarzen Menschen spreche, dann schreibe ich Schwarz groß. Und zwar groß, weil es dann nicht das Adjektiv schwarz ist, sondern weil es einfach die Menschen meint, die von sich sagen, dass sie aufgrund ihrer ethnischen Herkunft Ausgrenzung erleben. Also da benutzen wir Schwarz schon mal in einem anderen Kontext. Oder wenn du den Titel meines Buches siehst, da habe ich Schwarz großgeschrieben. Dann überlege ich, ob es mich treffen oder kränken muss, wenn das Adjektiv schwarz in so vielen Redewendungen negativ benutzt wird. Zumal ich ja gar nicht schwarz bin. Ich bin ja, wenn ich das Adjektiv benutze, braun. Ich habe eine braune Haut und keine schwarze Haut. Also kann ich mich, um mich nicht gekränkt zu fühlen und damit es für mich okay ist, von dem Adjektiv schwarz, so, wie es in den Redewendungen negativ benutzt wird, distanzieren. Weil ich nicht schwarz, sondern braun bin. Meine Hautfarbe ist braun. Trotzdem sprechen wir von Schwarzen Menschen, aber großgeschrieben.

Marion: Ja. Und fändest du es, jetzt noch mal weitergedacht, besser, wenn wir dahin kommen, dass wir vielleicht das Wort »schwarz« im Zusammenhang mit Hautfarbe streichen? Sodass wir sagen, es gibt diese Hautfarbe »schwarz« im Grunde nicht. Es ist ein dunkleres Braun, manchmal ein helleres Braun? Genauso wie wir Weißen auch nicht weiß sind. Ich bin nicht weiß. Ich habe eher einen gelblichen Hautunterton. Und es gibt Menschen, die haben einen olivfarbenen oder einen bläulich-roten Hautunterton. Dieses Kategorisieren von Schwarzen und Weißen – vielleicht sind das einfach die falschen Begrifflichkeiten?

Florence: Entweder so oder wir müssen überlegen, dass wir bestimmte Begriffe für unterschiedliche Inhalte verwenden. Zum Beispiel, wenn ich sage: Ich bin nüchtern.

Wenn mich der Arzt morgens fragt: »Sind Sie nüchtern?«, dann will er wissen, ob ich nichts gegessen habe und er mir Blut abnehmen kann.

Wenn aber in einem anderen Zusammenhang, zum Beispiel bei einer Verkehrskontrolle gefragt wird: »Sind Sie nüchtern?«, dann will man nicht wissen, ob ich ein Baguette gegessen, sondern ob ich Alkohol getrunken habe. Dieser Begriff nüchtern hat je nach Kontext, in dem wir ihn benutzen, eine unterschiedliche Bedeutung. Ich kann mich auch gekränkt fühlen, wenn jemand sagt: »Na, Sie sind ja nicht nüchtern!« Dann denke ich: Moment mal, unterstellst du mir, dass ich Alkohol getrunken habe? Und das andere Mal, wenn der Arzt fragt, »Sind Sie nüchtern?«, dann geht es darum, ob ich etwas gegessen habe oder nicht.

Vielleicht sollte man diese Sprichwörter oder Redewendungen, die ja nun wirklich schon sehr alt sind, einfach nicht persönlich nehmen und auf sich beziehen.

Marion: Das ist aber schon eine beachtliche Transferleistung, die man da erbringen muss. Man muss sich in ein anderes Mindset bringen, was nicht einfach ist. Man müsste sich dann, um bei unserem Beispiel zu bleiben, erst mal sagen: »Moment, ich bin ja gar nicht schwarz, meine Haut ist braun.« Diesen Schritt muss man erst mal machen. Man muss sich innerlich distanzieren – im Sinne von: »Wenn ich sage, meine Haut ist braun«, dann muss ich mich auch von dem Begriff Schwarzfahren nicht angesprochen fühlen, weil ich damit nicht gemeint bin. Das verlangt einem aber ganz schön viel ab.

Denkst du denn, dass Menschen mit Schwarzer Hautfarbe das so einfach können? Oder glaubst du nicht eher, dass sie sagen: »Warum soll ich meine Einstellung dazu ändern? Ich fühle mich verletzt und abgewertet, fertig.«

Florence: Das ist, wie du richtig sagst, eine Einstellungssache. Es ist auch die Frage, wovon ich mich verletzt fühlen will. Wenn wir über Schwarzmalen, Schwarzfahren und Ähnliches reden, dann fällt mir aus dem Englischen das Wort Blackmailing – Erpressung, Drohung – ein. Also Black, das Wort benutzen wir auch. Da weiß ich gar nicht, ob das Wort jetzt auch verpönt ist, denn wir sagen im Englischen auch »I’m black«.