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Siegfried Lenz

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Beschreibung

"Wir haben Siegfried Lenz für ein poetisches Buch zu danken. Vielleicht ist es sein schönstes." Marcel Reich-Ranicki Ein warmer Sommer an der Ostsee vor vielen Jahren. Benny Goodmann und Ray Charles sind noch en vogue, in den Gassen spielt der Drehorgelmann, man bezahlt in "Mark", und wenn die Englischlehrerin vor die Oberprima tritt, stehen alle auf: "Good morning, Mrs. Petersen." Wie es zu der Liebe zwischen Stella und Christian kam, wie die Leidenschaft sich an der Realität messen muss und wie dann mit einem Mal alles zu Ende ist - und doch auch nicht. Wie die Liebe gerade durch den Tod unsterblich wird: das erzählt Siegfried Lenz mit meisterhafter Einfühlungskraft, mit Distanz und Humor. Im Thema des Vergänglichen, der Zeitverfallenheit irdischer Liebe, der Unmöglichkeit vollendeten Glücks, schwingt die Melancholie eines Theodor Storm. In der Lakonie des Erzählens spürt man die existenzielle Härte eines Ernest Hemingway. Und doch spricht hier die Sympathie und Integrität des Erzählers Siegfried Lenz, der im knappen Raum der Novelle eine Menschheitsfrage entfaltet, die immerzu gültig ist. "Späte Sommerbilder, in einer Sprache wie aus Bernstein gegossen." Andrea Seibel, Die Welt

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| Hoffmann und Campe |

1. Auflage 2008

Copyright © 2008 by Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg

www.hoca.de

ISBN 978-3-455-04290-0

Datenkonvertierung eBook:

Kreutzfeldt Electronic Publishing GmbH, Hamburg

www.kreutzfeldt.de

Für Ulla

»Wir setzen uns mit Tränen nieder«, sang unser Schülerchor zu Beginn der Gedenkstunde, dann ging Herr Block, unser Direktor, zum bekränzten Podium. Er ging langsam, warf kaum einen Blick in die vollbesetzte Aula; vor Stellas Photo, das auf einem hölzernen Gestell vor dem Podium stand, verhielt er, straffte sich, oder schien sich zu straffen, und verbeugte sich tief.

Wie lange er in dieser Stellung verharrte, vor deinem Photo, Stella, über das ein geripptes schwarzes Band schräg hinlief, ein Trauerband, ein Gedenkband; während er sich verbeugte, suchte ich dein Gesicht, auf dem das gleiche nachsichtige Lächeln lag, das wir, die ältesten Schüler, aus deiner Englischstunde kannten. Dein kurzes schwarzes Haar, das ich gestreichelt, deine hellen Augen, die ich geküßt habe auf dem Strand der Vogelinsel: Ich mußte daran denken, und ich dachte daran, wie du mich ermuntert hast, dein Alter zu erraten. Herr Block sprach zu deinem Photo hinab, er nannte dich liebe, verehrte Stella Petersen, er erwähnte, daß du fünf Jahre zum Lehrerkollegium des Lessing-Gymnasiums gehörtest, von den Kollegen geschätzt, bei den Schülern beliebt. Herr Block vergaß auch nicht, deine verdienstvolle Tätigkeit in der Schulbuchkommission zu erwähnen, und schließlich fiel ihm ein, daß du ein allzeit fröhlicher Mensch gewesen warst: »Wer ihre Schulausflüge mitmachte, schwärmte noch lange von ihren Einfällen, von der Stimmung, die alle Schüler beherrschte, dies Gemeinschaftsgefühl, Lessingianer zu sein; das hat sie gestiftet, dies Gemeinschaftsgefühl.«

Ein Zischlaut, ein Warnlaut von der Fensterfront, von dort her, wo unsere Kleinen standen, die Quartaner, die nicht aufhörten, sich darüber auszutauschen, was sie interessierte. Sie bedrängten, sie schubsten sich, sie hatten einander etwas zu zeigen; der Klassenlehrer war bemüht, Ruhe zu stiften. Wie gut du aussahst auf dem Photo, den grünen Pullover kannte ich, kannte auch das seidene Halstuch mit den Ankern, das trugst du auch damals, am Strand der Vogelinsel, an die es uns antrieb im Gewitter.

Nach unserem Direktor sollte auch ein Schüler sprechen, sie forderten zuerst mich auf, wohl deswegen, weil ich Klassensprecher war, ich verzichtete, ich wußte, daß ich es nicht würde tun können nach allem, was geschehen war. Da ich ablehnte, sollte Georg Bisanz sprechen, er bat sogar darum, ein paar Worte sagen zu dürfen für Frau Petersen, Georg war schon immer der Lieblingsschüler, seine Referate bekamen höchstes Lob. Was hättest du gedacht, Stella, wenn du seinen Bericht von der Klassenreise gehört hättest, von diesem Ausflug auf eine nordfriesische Insel, wo uns ein alter Leuchtturmwärter mit seiner Arbeit bekannt machte und wo wir im Watt Butt peddeten, jauchzend, mit schlammbedeckten Beinen, auch deine schlammbedeckten Beine erwähnte er und deinen hochgezogenen Rock und daß du die meisten Flachfische mit den Füßen ertastet hast. Den Abend im Fährhaus überging er ebenfalls nicht. Als er die gebratenen Flundern rühmte, sprach er für uns alle, und ich stimmte ihm auch bei, als er den Abend mit Shanty-Musik begeistert in Erinnerung rief.

Wir sangen mit damals, wir kannten ja My Bonnie und Wir lagen vor Madagaskar und all die anderen Shanties. Ich trank zwei Gläser Bier, und zu meinem Erstaunen trank auch Stella Bier. Manchmal glaubte ich, du seist eine von uns, eine Mitschülerin, du freutest dich, worüber wir uns freuten, du hattest deinen Spaß daran, als einer von uns den ausgestopften Seevögeln, die überall herumstanden, Mützen aufsetzte, Papiermützen, die er geschickt faltete. »Uns alle, liebe Kollegen, hat es gefreut, daß zwei Schüler ein Stipendium für Oxford gewannen«, sagte der Direktor, und um die Bedeutung hervorzuheben, nickte er Stellas Bild zu und wiederholte leise »ein Stipendium für Oxford«. Als könnte diese Aussage aber auch anders verstanden werden, war plötzlich ein Schluchzen zu hören, der Mann, der hinter vorgehaltener Hand schluchzte, war Herr Kugler, unser Kunsterzieher, wir hatten sie oft auf ihrem gemeinsamen Heimweg gesehen, Stella und ihn. Gelegentlich hatte sie sich bei ihm eingehakt, und da er sehr viel größer war als sie, hatte es mitunter den Anschein, als schleppte er sie ab. Einige der Schüler stießen sich an und machten einander auf den schluchzenden Lehrer aufmerksam, zwei Quartaner konnten nur mit Mühe das Kichern unterdrücken.

Er war nicht unter den Zuschauern, als wir am Wellenbrecher arbeiteten, Herr Kugler war auf einem Segelboot unterwegs in der dänischen Inselwelt. Unter den Zuschauern, die wir an jedem Tag hatten, wäre mir der hochgewachsene Mann mit seiner besorgniserregenden Magerkeit sogleich aufgefallen. Die meisten Zuschauer waren Sommergäste.

Sie kamen, manche in Badeanzügen, den Strand herauf vom Hotel Seeblick, stiegen auf die Mole und pilgerten den ganzen Bogen hinaus bis zum Molen- kopf, wo sie sich einen Platz suchten beim Blinkfeuer oder auf den mächtigen Steinbuckeln. Unser schwarzer, zerschrammter, für den Steintransport gerüsteter Lastkahn lag schon neben der Einfahrt von Hirtshafen, gehalten von zwei Ankern, bis in Deckshöhe beladen mit schlamm- und algenbedeckten Steinen, die wir geborgen hatten, um den Wellenbrecher zu verbreitern und aufzustocken und die Mole, aus der die Winterstürme manch ein Stück herausgeschlagen hatten, auszubessern. Mäßiger Nordost versprach verläßliches Sommerwetter.

Auf ein Handzeichen meines Vaters schwenkte Frederik, sein Arbeitsmann, den Ladebaum aus, senkte den Greifer, brachte die Metallzähne so über einen Stein, daß er fest umschlossen war, und als die Winsch ansprang und der Koloß sich ruckend aus dem Frachtraum erhob und leicht pendelnd über die Bordkante schwenkte, blickten die Zuschauer gebannt zu uns herüber; einer hob seinen Photoapparat. Wieder gab mein Vater ein Zeichen, die Metallzähne des Greifers öffneten sich, entließen den Koloß, und dort, wo er aufschlug, schwappte das Wasser hoch, mit einem brodelnden Geräusch warfen sich Wellen auf, Kippwellen, die sich nur langsam verliefen.

Ich nahm die Klarsichtscheibe, ließ mich neben der Bordwand ins Wasser, um die Lage der Steine zu begutachten, doch ich mußte warten, bis die Wolke aus Schlamm und Sand sich in der leichten Strömung fortgewälzt und abgesetzt hatte, da erst erkannte ich, daß der große Stein gut lag. Er lastete quer auf anderen Steinen, zwischen ihnen jedoch gab es Lücken und Spalten, wie berechnet für ablaufendes Wasser, für den Spülstrom. Auf den anfragenden Blick meines Vaters hin konnte ich ihn beruhigen: Alles lag, wie es sollte, wie der Wellenbrecher es erforderte. Ich kletterte an Bord, und Frederik hielt mir sein Zigarettenpäckchen hin und gab mir Feuer.

Bevor er den Greifer abermals über die Steinlast senkte, lenkte er meine Aufmerksamkeit auf die Zuschauer: »Da, Christian, das Mädchen in dem grünen Badeanzug, mit der Strandtasche, ich glaube, sie winkt dir zu.« Ich erkannte sie sofort, an ihrer Frisur, an ihrem breitwangigen Gesicht erkannte ich sie sofort, Stella Petersen, meine Englischlehrerin am Lessing-Gymnasium. »Kennst du sie?« fragte Frederik. »Meine Englischlehrerin«, sagte ich, und Frederik darauf, ungläubig: »Die? Die sieht doch aus wie eine Schülerin.« »Täusch dich nicht«, sagte ich, »sie ist bestimmt etliche Jahre älter.«

Damals, Stella, erkannte ich dich sofort, und ich dachte auch an unser letztes Gespräch vor den Sommerferien, an deine Mahnung, deine Ermunterung: »Wenn Sie die Zensur halten wollen, Christian, müssen Sie mehr tun; lesen Sie The Adventures of Huck Finn, und lesen Sie Animal Farm. Nach den Sommerferien werden wir uns damit beschäftigen.« Frederik wollte wissen, ob wir gut miteinander auskämen, meine Lehrerin und ich, und ich sagte: »Es könnte besser sein.«

Wie sie Frederik interessiert beobachtete, der seinen Greifer über einen großen schwarzen Koloß brachte, ihn lüftete, ihn einen Augenblick über dem fast leeren Frachtraum schweben ließ, es aber nicht verhindern konnte, daß der Stein aus den Metallzähnen glitt und auf den mit Stahlblech ausgelegten Boden des Prahms schemmerte, so hart, daß der Lastkahn erzitterte. Sie rief uns an, sie winkte, mit Gesten gab sie uns zu verstehen, daß sie zu uns kommen wollte auf den Prahm, und ich schob den schmalen Laufsteg heran, stieß ihn über die Bordkante und fand am Fuß der Mole einen abgeflachten Stein, auf dem der Laufsteg fest auflag. Nicht zaghaft, entschlossen turnte sie zu uns herüber, wippte ein paarmal, oder versuchte es zu tun, ich streckte ihr die Hand hin und half ihr an Bord. Mein Vater schien nicht erfreut zu sein über den fremden Gast, langsam ging er auf sie zu, blickte dabei mich an, fordernd, erwartungsvoll, und als ich sie mit ihnen bekannt machte – »Meine Lehrerin, meine Englischlehrerin, Frau Petersen« –, sagte er: »Viel gibt’s hier nicht zu sehen«, und dann gab er ihr die Hand und fragte lächelnd: »Christian macht Ihnen hoffentlich nicht große Sorgen?« Bevor sie antwortete, schaute sie mich prüfend an, gerade so, als fehlte es ihr noch an Sicherheit für ihr Urteil, aber dann sagte sie in fast gleichmütigem Ton: »Christian hält sich gut.« Mein Vater nickte nur, er hatte nichts anderes erwartet; mit seiner üblichen Wißbegier fragte er gleich weiter, wollte wissen, ob sie zum Strandfest hierhergekommen sei, das Hirtshafener Strandfest locke viele Leute an, darauf schüttelte Stella den Kopf: Freunde seien mit ihrer Jacht unterwegs, in Hirtshafen solle sie in diesen Tagen an Bord genommen werden.

»Ein schönes Revier«, sagte mein Vater, »viele Segler schätzen es.«

Der erste, der an diesem Tag unseren aufgestockten Wellenbrecher passierte, war ein kleiner heimkehrender Fischkutter, sicher glitt er auf die Hafeneinfahrt zu, der Fischer drosselte den Motor und legte bei uns an, und als mein Vater ihn nach dem Fang fragte, deutete er auf die flachen Kisten mit Dorsch und Makrele. Es war ein armseliger Fang, der gerade ausreichte, um den Diesel zu bezahlen, zuwenig Schollen, zuwenig Aal, bei der Vogelinsel geriet ihm auch noch ein Torpedo ins Netz, ein Übungstorpedo, den das Fischereischutzboot übernommen hatte. Er blickte auf unsere Steinladung, dann auf seinen Fang, und mit freundlicher Stimme sagte er: »Bei dir lohnt es sich, Wilhelm, was du brauchst, das holst du raus, Steine bleiben an ihrem Platz, auf Steine ist Verlaß.« Mein Vater ließ sich einige Fische geben, bezahlen wollte er später, an Stella gewandt sagte er: »Auf dem Wasser, im offenen Boot, darf man keine Geschäfte machen, das ist so.« Nachdem der Fischer abgelegt hatte, forderte mein Vater Frederik auf, die Becher zu verteilen und uns Tee einzuschenken. Auch Stella erhielt einen Becher, den Rum, den Frederik zuschenken wollte, lehnte sie ab; er selbst bediente sich so großzügig, daß mein Vater glaubte, ihn warnen zu müssen.

Die letzten Steine aus unserer Ladung hievte Frederik sehr langsam auf, er schwenkte den Ladebaum so aus, daß sich der Stein knapp über der Wasseroberfläche bewegte, und dort, wo der Wellenbrecher wuchs, oder wachsen sollte, senkte er ihn ab, er ließ den Stein nicht fallen, sondern senkte ihn jetzt ab und nickte zufrieden, wenn das Wasser über dem Findling sich hob und zusammenschlug.

Du, Stella, kamst nicht los von den mächtigen Steinen, du fragtest, wie lange die wohl gelegen haben auf dem Grund der See, wie wir sie entdeckten, wie wir sie bargen, einigen glaubtest du Wesen anzusehen, die sich verewigt hatten durch Versteinerung. »Müßt ihr lange suchen?«

»Ein Steinfischer weiß, wo er sich bedienen kann«, sagte ich, »mein Vater kennt ganze Steinfelder und künstliche Riffs, die vor hundert Jahren entstanden sind, die fragt er ab. Die Karte, in der der ergiebigste Grund eingezeichnet ist, die hat er im Kopf.«

»Diese Steinfelder«, sagte Stella, »die möchte ich einmal sehen.«

Sie wurde angerufen, einer der Hirtshafener Jungen hatte sich an den Zuschauern vorbeigedrängt und rief sie an, und da sie ihn anscheinend nicht verstand, hechtete er von der Mole ins Wasser und war mit wenigen Kraulschlägen am Prahm. Leicht zog er sich an der Strickleiter hinauf. Er übersah uns, er wandte sich gleich an Stella und richtete ihr aus, was man ihm aufgetragen hatte: Telefon, im Hotel wird sie am Telefon verlangt, sie soll dasein, wenn wieder angerufen wird. Und als wollte er die Bedeutung seines Auftrags hervorheben, fügte er hinzu: »Ich soll Sie mitbringen.«

Es war Sven, der immer vergnügte Sven, ein Bursche mit Sommersprossen, der beste Schwimmer, den ich kannte. Es wunderte mich nicht, daß er zum Hotel deutete, zu der langen Holzbrücke, und Stella vorschlug, mit ihm hinüberzuschwimmen, und nicht nur dies: Er schlug ihr ein Wettschwimmen vor. Stella war so erfreut, daß sie ihn an sich zog, auf Svens Vorschlag aber wollte sie nicht eingehen. »Ein andermal«, sagte sie, »bestimmt ein andermal.« Ohne sie zu fragen, zog ich unser Schlauchboot heran, das an langer Leine hinter dem Prahm lag, sie war sogleich bereit, sich hinüberbringen zu lassen zur Holzbrücke.

Nach ihr stieg auch Sven ein und setzte sich neben sie und legte wie selbstverständlich einen Arm um ihre Schulter. Der Außenbordmotor lief regelmäßig; während der Fahrt tauchte Stella eine Hand ins Wasser. Sie duldete es, daß Sven eine Handvoll Wasser schöpfte und auf ihren Rücken tropfen ließ.

An der Brücke anzulegen war nicht möglich, denn überall hatten die kleinen Optimist-Jollen festgemacht; ihre Regatta sollte ein Höhepunkt des Strandfestes werden. Wir fuhren einfach auf den Strand zu, und Sven sprang hinaus und ging uns voraus zum Hotel, mit dem Eifer des erfolgreichen Boten.

Kellner trugen Stühle und Tische heraus, ein Getränkewagen wurde zu einem Platz unter einer windgezausten Kiefer manövriert. Quer über den sandigen Platz, von Stangen gehalten, waren Leitungen gespannt, an denen farbige Birnen baumelten. Ein kleiner aufgeworfener Hügel war für die Kapelle bestimmt. Auf eingeholten Seezeichen, die einen Schutzanstrich bekommen sollten, saßen alte Männer, sie sprachen wenig miteinander, sie begutachteten die Vorbereitungen für das Strandfest und entsannen sich wohl vorangegangener Feste. Keiner von ihnen erwiderte meinen Gruß.

Da Stella nicht zurückkehrte, ging ich ins Hotel.

Ein uniformierter Mann am Eingang konnte oder wollte mir nicht mehr sagen, als daß Frau Petersen telefoniert habe und dann auf ihr Zimmer gegangen sei. Sie wünschte, nicht gestört zu werden.

Ich fuhr allein zum Prahm zurück, wo sie mich bereits erwarteten und gleich nach unten schickten, um die Lage der Steine zu überprüfen. Es war nicht viel zu korrigieren. Nur ab und zu brachte ich den Greifer über einen Stein, signalisierte Frederik, in welche Richtung er bewegt und wo er abgesetzt werden sollte, nur einmal, als ich einen Findling verschwommen über mir sah, in den Zähnen des Greifers, gab ich kein Signal und brachte mich schnell in Sicherheit. Dieser Findling fand keinen vorgesehenen Platz, statt als Deckel, wie mein Vater es wollte, auf dem Wellenbrecher zu liegen, kippte er seitlich ab, überschlug sich, gelangte nicht zum Grund, sondern wurde von zwei gleich großen schwärzlichen Steinen festgeklemmt. Jetzt begutachteten Frederik und mein Vater das Ergebnis ihrer Arbeit, und als einer von ihnen zum Strand zeigte und fragte: »Was meinst du?«, sagte der andere: »So wie damals kommt es nicht.« Er spielte auf ein Strandfest vor fünf Jahren an, als sich eine unverhoffte Dunkelheit über den Strand legte und Böen von See her die Dekorationen plünderten und die Boote im Hafenbecken gegen die Pier geworfen wurden.

Mit Frederiks Glas suchte ich das Hotel und das Strandcafe´ ab, es überraschte mich nicht, daß an einigen Tischen bereits Gäste saßen. In einem Fenster des hellgrünen Hotelgebäudes erkannte ich Stella, die immer noch ihren Badeanzug trug. Sie telefonierte; sie saß auf der Fensterbank und telefonierte und blickte dabei auf unsere Bucht hinaus, die in abendlicher Stille lag, bevölkert von Seevögeln, die in sanfter Strömung trieben.

Einmal sprang sie auf, machte ein paar Schritte ins Zimmer hinein, Schritte des Protestes, der Enttäuschung, dann kehrte sie auf ihren Platz zurück, und ich sah, daß sie den Hörer von sich weghielt, gerade so, als wollte sie nicht länger zuhören, als wollte sie sich ersparen, was man ihr da offenbar zumutete. Plötzlich legte sie den Hörer aus der Hand, saß eine Weile nachdenklich da, nahm ein Buch und versuchte zu lesen. Wie du da lesend saßest, Stella, mußte ich an eines dieser Fensterbilder denken, die den Betrachter einladen, über das Gezeigte hinwegzusehen und sich Vermutungen zu überlassen.

Ich behielt dich im Fernglas, bis Frederik mich anstieß und wiederholte, was mein Vater vor sich hin gesprochen hatte: Feierabend für heute.