Schweigsam - Nancy Salchow - E-Book

Schweigsam E-Book

Nancy Salchow

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Beschreibung

Welche Chance hat die Liebe gegen die Moral? Als Tiana von ihrem Verlag das Angebot bekommt, gemeinsam mit dem berühmten Stiftungsgründer Gabriel Cronenberg dessen Autobiografie zu schreiben und gleichzeitig die Traumata seiner Kindheit aufzuarbeiten, hält sie dies für die Chance ihres Lebens. Doch als sich die beiden zum ersten Mal gegenüberstehen, ist ihr schnell klar, dass dies mehr als nur ein Job ist. Vom ersten Moment an fühlen sie sich auf eine Weise zueinander hingezogen, die allen Regeln und Moralgedanken widerspricht. Doch das Ausleben ihrer Gefühle scheint aussichtslos, denn als Oberhaupt einer riesigen Stiftung, die sich für Kinder aus zerrütteten Verhältnissen einsetzt und für diese ein neues Zuhause in stabilen Familien findet, ist es umso wichtiger, dass Gabriels Ehe mit der engagierten Jennifer nach außen hin perfekt erscheint. Gerade für die Spendenbereitschaft großer Geldgeber ist das Außenbild von enormer Bedeutung. Als Tiana merkt, dass Gabriels Ehe nur noch lieblose Fassade ist und allein wegen der Stiftung aufrechterhalten wird, fällt es ihr umso schwerer, seinem tiefgründigen Charme zu widerstehen. Doch so sehr sie sich auch dagegen wehrt, die Gefühle für ihn sind stärker und reißen sie schon bald in einen Strudel aus Geheimnissen, Intrigen und Widerständen in einer Welt, in der man sich nie sicher sein kann, was Fassade und was Wirklichkeit ist. Und während sie alles versucht, um sich der geheimen Sehnsucht zu entziehen, ahnt sie nicht, dass sie sich längst auf einen zerstörerischen Weg begeben hat, den sie nicht so leicht wieder verlassen kann. Dieses Buch enthält sehr eindeutige und leidenschaftliche Szenen. Es handelt sich um einen eigenständigen und in sich abgeschlossenen Roman und nicht um einen Teil einer Serie.

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Inhaltsverzeichnis

Über das Buch

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

Kapitel 44

Epilog

Impressum

Nancy Salchow

___________________________

Schweigsam

Unerhörte Liebe

Roman

Über das Buch

Welche Chance hat die Liebe gegen die Moral?

Als Tiana von ihrem Verlag das Angebot bekommt, gemeinsam mit dem berühmten Stiftungsgründer Gabriel Cronenberg dessen Autobiografie zu schreiben und gleichzeitig die Traumata seiner Kindheit aufzuarbeiten, hält sie dies für die Chance ihres Lebens. Doch als sich die beiden zum ersten Mal gegenüberstehen, ist ihr schnell klar, dass dies mehr als nur ein Job ist. Vom ersten Moment an fühlen sie sich auf eine Weise zueinander hingezogen, die allen Regeln und Moralgedanken widerspricht.

Doch das Ausleben ihrer Gefühle scheint aussichtslos, denn als Oberhaupt einer riesigen Stiftung, die sich für Kinder aus zerrütteten Verhältnissen einsetzt und für diese ein neues Zuhause in stabilen Familien findet, ist es umso wichtiger, dass Gabriels Ehe mit der engagierten Jennifer nach außen hin perfekt erscheint. Gerade für die Spendenbereitschaft großer Geldgeber ist das Außenbild von enormer Bedeutung.

Als Tiana merkt, dass Gabriels Ehe nur noch lieblose Fassade ist und allein wegen der Stiftung aufrechterhalten wird, fällt es ihr umso schwerer, seinem tiefgründigen Charme zu widerstehen. Doch so sehr sie sich auch dagegen wehrt, die Gefühle für ihn sind stärker und reißen sie schon bald in einen Strudel aus Geheimnissen, Intrigen und Widerständen in einer Welt, in der man sich nie sicher sein kann, was Fassade und was Wirklichkeit ist. Und während sie alles versucht, um sich der geheimen Sehnsucht zu entziehen, ahnt sie nicht, dass sie sich längst auf einen zerstörerischen Weg begeben hat, den sie nicht so leicht wieder verlassen kann.

Dieses Buch enthält sehr eindeutige und leidenschaftliche Szenen. Es handelt sich um einen eigenständigen und in sich abgeschlossenen Roman und nicht um einen Teil einer Serie.

Anmerkung der Autorin:

Alle Personen in diesem Buch sind fiktiv. Übereinstimmungen mit lebenden oder bereits verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt. Auch der Name und die Arbeit der im Buch erwähnten Stiftung mit all ihren Zusammenhängen ist als rein fiktiv zu betrachten und nicht auf die Realität übertragbar.

Prolog

Als ich die Augen schließe, flammen die Bilder so real vor mir auf, dass ich nicht weiß, was Traum und was Wirklichkeit ist. Fast scheint es, als wäre dies der Moment, in dem sich der Kreis schließt. Der Moment, in dem sich alle losen Fäden verbinden und ein großes Ganzes ergeben.

Bin ich wach? Träume ich? Was ist real?

Ich höre meinen eigenen Atem, als wäre es der einer anderen Person.

Was, wenn es vorherbestimmt war, dass wir uns begegnen? Was, wenn falsch und richtig keine Rolle spielen?

Ich schaue meiner Hand dabei zu, wie sie sich seiner langsam nähert, als wäre ich eine Außenstehende, die dem Szenario zuschaut. Wie von selbst legen sich meine Finger auf seine.

Für einen Augenblick scheint die Zeit allein unter dieser Berührung stillzustehen.

Als ich aufschaue, lächelt er. Ganz sanft und doch aufrichtig.

Ich möchte etwas sagen, doch meine Stimme hört nicht auf mich. Ihm scheint es ähnlich zu gehen, denn jedes Wort, das ihm auf der Zunge liegt, schluckt er schweigend herunter.

Er hebt seine Hand und streicht eine Strähne hinter mein Ohr, als würde ihm das dabei helfen, mich besser betrachten zu können. Wortlos schaut er mich an, während er seinen Handrücken an meiner Wange hinabgleiten lässt.

Und plötzlich lösen sich alle meine Zweifel und verwirrenden Gedanken in Luft auf. Alles, was übrigbleibt, ist ein Moment, den ich nicht habe kommen sehen und den ich doch um nichts in der Welt wieder loslassen möchte.

Seine Lippen nähern sich meinen, während seine Finger mein Gesicht umschließen. So zögerlich unser Kuss auch beginnt, so heftig wird er schon nach wenigen Sekunden. Ich umarme ihn etwas ungeschickt und doch voller Leidenschaft.

So fühlt es sich also an, wenn man sich ganz und gar dem Bauchgefühl hingibt und die Vernunft kompromisslos ausschließt. Alles in mir sehnt sich danach, mich komplett in der Gedankenlosigkeit zu verlieren. Keine Regeln, keine Barrieren. Nur wir.

Umso überraschter bin ich, als er sich aus meiner Berührung löst und aufspringt.

»Es tut mir leid, Tiana. Wenn du denkst, dass ich deswegen hergekommen bin ...«

»Ich denke nichts dergleichen.« Nun stehe auch ich auf. »Um ehrlich zu sein denke ich gerade gar nichts. Ich weiß, das sollte mir Angst machen. Aber so ist es nun mal. Hätte ich nämlich nachgedacht, dann wäre es nie so weit gekommen.«

»Das ist meine Schuld. Ich hätte nicht herkommen dürfen. Du warst so voller Zweifel, und anstatt das zu respektieren, verschlimmere ich das Ganze nur noch. Ich wollte reden, wollte verstehen, was passiert ist. Nur um am Ende für noch mehr Chaos zu sorgen. Es tut mir leid, Tiana. Ich wollte wirklich nicht, dass du ...«

Ich packe sein Gesicht mit beiden Händen und bringe ihn augenblicklich zum Verstummen.

Dieser Kuss ist noch stürmischer. Eine Tatsache, die auch seine Zweifel auszulöschen scheinen. Die Bewegungen, mit denen er seine Arme um mich legt, sind voller Ungeduld.

Sein Atem wird mit jedem Kuss schneller, seine Finger mit jeder Berührung ruheloser.

Die Gedankenlosigkeit hält an, als ich sein Hemd aufknöpfe. Seine Hände, die sich unter mein Shirt schieben, lassen meine Unruhe ins Maßlose wachsen. Nacheinander fallen unsere Klamotten zu Boden und versammeln sich zu einem heillosen Durcheinander, das nur zu gut zu meinem Innersten passt.

Ein Traum. Ja. Ich träume eindeutig.

Kapitel 1

Ich werde niemals den Tag vergessen, als ich Tiana kennenlernte. Es war nicht so sehr ihre Schönheit, die mich faszinierte, sondern das Leben, das ich in ihren Augen sah. Ein Leben, das so wenig mit meinem gemeinsam hatte und das mir doch so vertraut erschien. In ihrem Blick lag eine ganze Welt voller Emotionen. Fast schien es, als würde allein ihr Gesicht eine ganze Geschichte erzählen. Ihre Geschichte.

Da war dieses wortlose Verstehen, diese unerklärliche Bindung, die ich nie zuvor in Gegenwart eines anderen Menschen empfunden habe.

Wenn ich heute zurückblicke, glaube ich fest daran, dass es vorherbestimmt war, dass wir uns begegnen. Dass alle Wege, die wir zuvor ohne einander gegangen waren, nur als Vorbereitung dienten. Die Tatsache, dass ihr Verlag sie freistellte, damit sie mit mir an meiner Autobiografie arbeiten konnte. Der Umstand, dass ich mich damals an einem Punkt in meinem Leben befand, an dem ich absolut alles in Frage stellte.

Soll das alles wirklich bloßer Zufall gewesen sein?

Nein, ich glaube nicht an Zufälle. Nicht mehr.

Heute bin ich mir sicher, dass alles ganz genau so kam, wie es kommen sollte, auch wenn es mir damals nicht immer leichtfiel, das zu erkennen.

*

Tiana

Als die Reifen meines Wagens auf dem gepflasterten Parkplatz zum Stehen kommen, halte ich einen kurzen Moment inne.

Meine Hände liegen noch immer regungslos am Lenkrad, während ich das Anwesen ehrfürchtig bewundere.

Am Rande von Schwerin gelegen hat man von hier aus einen unverstellten Blick auf den See, der sich hinter alten Kastanien glänzend in der Junisonne zeigt. Der schmiedeeiserne Zaun, der das gewaltige Grundstück umschließt, strahlt im selben Blütenweiß wie das von Rosen umrankte Tor, das ich mit dem Wagen durchquert habe, um auf das Anwesen zu gelangen.

Zu beiden Seiten gehen weitläufige Rasenflächen mit akkurat geschnittenen Rosenbüschen und Hecken in labyrinthähnliche Gartenstücke über, die mehr mit einem Park gemeinsam haben als mit einem Privatgrundstück.

Mein Blick wandert zum Schmuckstück des Anwesens, das blassgelbe Haus, das sich in der Mitte des Parks wie aus einem Gemälde entsprungen erhebt.

Drei Stockwerke mit zweiflügeligen Fenstern im selben Cremeton wie das Dach, die mächtige Eingangstür und die Brüstung der weitläufigen Dachterrasse.

Das Telefonat mit meiner Agentin Elsa klingt noch immer in mir nach.

Und du bist dir sicher, dass dieser Gabriel ausgerechnet mich für den Job will?

Wenn ich es dir doch sage! Er hat deine Biografie von Beatrice Lennard gelesen und war von deinem Stil begeistert.

Aber Gabriel Cronenberg ist nun mal eine ganz andere Hausnummer als Beatrice Lennard.

Umso wichtiger, dass du dein Bestes gibst. Das ist deine große Chance, Tiana.

Ich schlucke meine Zweifel herunter. Für einen Rückzieher ist es jetzt sowieso zu spät.

Entschlossen ziehe ich den Autoschlüssel ab und steige aus, doch mit jedem Meter, den ich mich dem einschüchternden Haus nähere, frage ich mich, ob ich wirklich die Richtige für den Job bin.

Gabriel Cronenberg. Gründer der bundesweit größten Stiftung. Und ausgerechnet ich soll ihm bei seiner Autobiografie helfen?

An der Haustür angekommen, atme ich ein letztes Mal tief durch.

Nur wenige Augenblicke nach meinem Klingeln öffnet mir eine untersetzte Frau in den Sechzigern, das Lächeln freundlich, aber distanziert, das rostbraune Haar zu einem Dutt zusammengesteckt.

»Guten Tag«, begrüße ich sie höflich, während meine Hand instinktiv zu meiner Laptoptasche wandert, als müsste ich mich selbst daran erinnern, dass ich eine Berechtigung habe, hier zu sein.

»Guten Tag«, antwortet sie höflich. »Sie müssen Tiana Genter sein. Die Autorin, richtig?«

Ich nicke. »Ich habe einen Termin mit Herrn Cronenberg.«

»Ich bin Karen. Kommen Sie rein, er wird Sie jeden Moment in seinem Arbeitszimmer empfangen.«

Als ich über die Türschwelle trete, fühlt es sich an wie der Schritt in eine andere Welt.

Das glänzende Parkett zu meinen Füßen, die cremefarbenen Tapeten mit den pastellblauen Blüten und der Bordüre im selben Farbton.

Mein Blick fällt auf die hübsche Sitzecke mit den sonnengelben Kissen neben der breiten Treppe, die ins erste Stockwerk führt.

Gerade als ich mit offenem Mund eines der Gemälde betrachte, das ein Schiff inmitten beängstigend hoher Wellen zeigt, richtet Karen erneut das Wort an mich.

»Frau Genter …«

»Nennen Sie mich Tiana.« Ich lächele. »Ich werde von jetzt an vermutlich öfter hier sein, da wäre es mir unangenehm, wenn ich Ihren Vornamen kenne und sie meinen nicht.«

»Wenn Sie mir jetzt bitte folgen würden, Frau Genter?« Sie geht voraus, während ich mich ihr irritiert anschließe. Bin ich etwa in mein erstes Fettnäpfchen getreten, nur weil ich nett sein wollte?

Seufzend zupfe ich an meinem Blazer, von dem ich noch immer nicht sicher bin, ob er für den Anlass nicht doch ein wenig overdressed ist.

Vor einer breiten Tür aus glänzendem Kirschbaumholz bleiben wir schließlich stehen.

»Herr Cronenberg wird jeden Moment zu Ihnen kommen.« Sie öffnet die Tür und deutet mit einem Kopfnicken zu der Ledersitzgruppe neben dem wandhohen Bücherregal. »Wenn Sie möchten, können Sie hier auf ihn warten. Es wird nicht lange dauern.«

»Dankeschön.« Ich setze mich auf einen der Sessel und lege meine Laptoptasche auf den kleinen ovalen Tisch.

»Möchten Sie Kaffee?« Sie greift nach der Kanne, die auf einem Beistellwagen neben Tassen, Gläsern und ein paar Wasserflaschen steht.

»Nur ein Wasser, bitte.«

Während sie ein Glas vor mir platziert und eine Flasche für mich öffnet, wächst meine Nervosität. Was, wenn ich die Anforderungen, die man hier an mich hat, nicht erfüllen kann? Was, wenn ich eigentlich gar nicht hergehöre?

Ich bemühe mich um ruhigen Atem.

Ganz ruhig bleiben! Du bist verdammt noch mal eine Spitzenautorin. Es ist nur logisch, dass du jetzt die Früchte dafür erntest.

»Ich lasse Sie jetzt allein, Frau Genter.« Sie schenkt mir ein letztes Lächeln, dann wendet sie sich ab und verlässt den Raum.

Die Tatsache, dass sie die Tür hinter sich schließt, macht mich noch nervöser.

Ich nehme einen großen Schluck aus meinem Glas, während ich meinen Blick durch das eindrucksvolle Arbeitszimmer schweifen lasse.

Der gewaltige Mahagonischreibtisch vor der Fensterfront ist übersät mit Papierstapeln und Terminplanern. An den Wänden ragen überfüllte Bücherregale bis zur holzgetäfelten Decke.

Als ich dumpf eine männliche Stimme von der anderen Seite des Raumes wahrnehme, stelle ich mein Glas zurück auf den Tisch und mache mich gerade. Schon im nächsten Moment öffnet sich eine Seitentür und ein Mann, vertieft in ein Telefonat, betritt das Zimmer.

Gabriel Cronenberg höchstpersönlich.

Mein Herz rast.

Ich nehme nur vereinzelte Satzfetzen seines Gesprächs auf.

Nein, das sollten wir lieber persönlich klären.

Er lehnt sich gegen die Schreibtischkante.

Am besten Sie schicken mir die Daten per Mail, ich schaue drüber und dann machen wir einen Termin aus, okay?

Er scheint meine Anwesenheit noch gar nicht bemerkt zu haben, was mir die Gelegenheit gibt, sein Äußeres gedanklich mit den Bildern zu vergleichen, die ich von ihm im Internet gefunden habe.

In natura kommt er noch größer rüber. Seine Figur ist sportlich, sein dunkelblondes Haar trägt er kurz und doch lang genug, dass der Ansatz leichter Wellen zu sehen ist, die ihm zusammen mit dem Dreitagebart trotz all der Seriosität etwas Verwegenes geben.

Er trägt ein aschgraues Hemd und Jeans. Ein legerer und doch irgendwie businessmäßiger Look.

Mein Blick wandert zu den kräftigen Sehnen seines Unterarms, mit dem er sich auf den Schreibtisch stützt.

Verrückt, wie sehr er den Fotos aus der Presse entspricht und gleichzeitig  doch völlig anders aussieht.

Das Telefonat scheint ihn aufzuwühlen.

Wie gesagt, Herr Kessler, das ist wirklich nichts, das wir am Telefon besprechen sollten.

Ich greife nach meinem Glas und nippe daran. Als ich es zurück auf den Tisch stelle, scheint er zum ersten Mal meine Anwesenheit zu bemerken. Irritiert erhebt er sich von der Schreibtischkante und wirft mir einen überraschten Blick zu.

Hören Sie, Herr Kessler, ich muss Sie jetzt leider abwürgen. Ich habe einen Termin. Bitte schicken Sie mir eine Mail und wir klären den Rest, okay?

Er legt das Handy auf seinen Schreibtisch.

»Sie müssen entschuldigen, dass ich Sie nicht gesehen habe.« Seine wasserblauen Augen funkeln, während er lächelnd auf mich zukommt. »Wenn ich telefoniere, blende ich den Rest der Welt aus. Meine Frau beschwert sich ständig darüber.«

»Lassen Sie sich durch mich nicht stören.« Ich stehe auf. »Ich habe Zeit mitgebracht.«

»Sie sind also die talentierte Tiana Genter.« Er reicht mir die Hand. »Ich freue mich sehr, dass ich Sie für mein Projekt gewinnen konnte.«

»Es ist mir eine Ehre, Herr Cronenberg.«

Als sich unsere Hände berühren, habe ich für den Bruchteil einer Sekunde das Gefühl zusammenzuzucken. Die Art, wie er mich betrachtet, bringt mich aus dem Konzept. Oder bin vielmehr ich diejenige, die ihn auf unangemessene Weise anschaut?

Instinktiv wende ich meinen Blick ab. »Ein sehr eindrucksvolles Arbeitszimmer.« Ich räuspere mich. »Das ganze Anwesen ist sehr … ähm … beeindruckend.«

»Nett von Ihnen.« Er schiebt die Hände in seine Hosentaschen. »In letzter Zeit ertappe ich mich allerdings immer wieder bei Anflügen von Sehnsucht nach meiner ersten Junggesellenbude. Anderthalb Zimmer Dachgeschosswohnung. Im Sommer hatte die Bude gefühlte 100 Grad, die Wände waren dünn wie Papier und mein Kühlschrank war eigentlich immer leer. Es gab weder Gärtner noch Personal und absolut niemanden, den es interessiert hat, was ich tue oder sage. Wer hätte gedacht, dass ich diese Zeit irgendwann einmal vermissen würde.«

Ich lache. »Ich bin mir sicher, dass sie sich nach einer Woche dort schnell wieder die Gegenwart zurückwünschen würden.«

»Meinen Sie?« Er legt den Kopf schräg, während das Lächeln auf seinen Lippen ein kleines Grübchen in seine Wange schiebt. »Vielleicht haben Sie recht.«

Da ist er wieder, dieser eindringliche Blick. Ob er jede andere Person auf dieselbe Weise anschaut? Oder verschleiert die Nervosität meine Wahrnehmung?

»Also.« Er deutet mit der Hand auf die Ledercouch. »Wollen Sie sich nicht wieder setzen?«

Für einen Moment fällt es mir schwer, auf seinen simplen Kommentar zu reagieren.

»Ja«, antworte ich schließlich, während ich mir eine Strähne hinter das Ohr streiche. »Ja, natürlich.«

*

Gabriel

Etwas an ihr macht es mir schwer, meinen Blick von ihr abzuwenden. Ihre goldgrünen Augen und das lange kaffeebraune Haar geben ihrem warmen Gesicht eine gewisse Dramatik.

Und doch ist es nicht ihr Aussehen, das mich fasziniert. Vielmehr scheint irgendetwas Unerklärliches in ihrem Blick zu liegen, das mich fesselt.

»Darf ich Ihnen sagen, wie sehr mich Ihre Zusammenarbeit mit Beatrice Lennard beeindruckt hat?« Ich suche ihren Blick. »Selten hat mich eine Autobiografie derart gefesselt.«

Ihr Lächeln ist beinahe schüchtern. »Was sicher vor allem an ihrem aufregenden Leben liegt.«

»Nun stellen Sie mal nicht Ihr Licht unter den Scheffel. Nur mit dem richtigen Schreibstil lässt sich eine Geschichte interessant verpacken. Mit den falschen Worten verliert selbst die spannendste Biografie an Bedeutung.«

»Das ist wirklich sehr nett von Ihnen, Herr Cronenberg. Aber verschenken Sie Ihre Lorbeeren nicht schon im Vorfeld. Wer weiß, ob Ihnen mein Stil auch dann noch gefällt, wenn ich sie mit neugierigen Fragen löchere.«

»Es ist von nun an Ihr Job, mich zu löchern.« Ich setze mich ihr gegenüber auf einen der Sessel. »Ich werde im wahrsten Sinne des Wortes ein offenes Buch für Sie sein. Nur so kann die Biografie wirklich aufrichtig sein. Und dass sie aufrichtig ist, ist mir«, ich schlucke, »wirklich außerordentlich wichtig. Zumindest in den Punkten, die entscheidend sind.«

Für einen kurzen Augenblick bereue ich meine Worte. Habe ich gerade angedeutet, gewisse Details anders darzustellen, als sie tatsächlich sind?

»Aufrichtigkeit ist mir auch sehr wichtig«, sagt sie mit Überzeugung und in ihren Augen kann ich sehen, dass sie meint, was sie sagt.

Für einen Moment hält uns eine undeutbare Schweigsamkeit fest, fast so, als koste es ausreichend Zeit, die richtigen Worte zu finden.

»Ich will ehrlich sein.« Sie greift nach ihrem Glas und nippt flüchtig daran. »Diese Zusammenarbeit bedeutet mir wirklich viel. Schon bevor ich überhaupt wusste, dass ich für Sie arbeiten würde, habe ich großen Respekt für das, was Sie tun, empfunden.«

»Das ist sehr schmeichelhaft«, antworte ich. »Und ich weiß, auf den ersten Blick wirkt meine Arbeit vielleicht selbstlos, aber in Wahrheit tue ich das alles aus reinem Egoismus.«

Sie schaut mich fragend an. »Sie mögen vieles sein, aber ganz sicher kein Egoist.«

»Na ja, vielleicht nicht auf den ersten Blick. Aber Tatsache ist, dass jedes Kind, dem wir dabei helfen, eine Familie zu finden, wie ein Puzzleteil für meine eigene Vergangenheit ist. Es hilft mir dabei, Frieden mit meiner Kindheit zu schließen, verstehen Sie?«

Sie senkt den Blick auf das Glas in ihren Händen. »Es tut mir leid, was Sie damals durchmachen mussten. Ich kenne zwar nur die offizielle Version, aber …« Sie verstummt.

»Ich war zehn, als man mich aus den Fängen meiner Mutter befreite und eine Familie für mich fand, die mir zum ersten Mal echte Liebe geschenkt hat. Mein Leben begann also nicht vor 33 Jahren, sondern vor 23. Das ist die Vision meiner Geschichte, mit der es mir am leichtesten fällt, der Wut die Macht zu nehmen. Verstehen Sie?«

Sie seufzt. »Und ist es auch die Vision, die Sie ins Buch bringen wollen?«

»Es ist wichtig, dass die Leser die Wahrheit kennen. Aber wenn ich absolut ehrlich bin«, ich lehne mich zurück, »will ich das Buch vor allem deshalb schreiben, um den Menschen meine Stiftung noch näher zu bringen. Die Einnahmen der Buchverkäufe werden neben den Spenden eine wichtige Geldquelle darstellen.« Mein Blick wandert ins Leere. »Vorausgesetzt, das Buch findet seine Leser.«

»Daran habe ich keinerlei Zweifel. Die Menschen lieben Sie. Jeder hat Ehrfurcht vor dem Mann, der sich aus der eigenen Kindheitshölle befreit und es zu seiner Mission gemacht hat, anderen Kindern ähnliche Erfahrungen zu ersparen.«

»Meinen Sie? Ich denke ja eher, dass es Menschen, die auf der Sonnenseite des Lebens stehen, schwerfällt, sich auf andere Schicksale einzulassen.«

»Wenn es so wäre, wäre die Cronenberg-Stiftung nicht derart erfolgreich, oder?«

»Wenn man es so sieht ...«

Wieder verfallen wir in ein Schweigen, das sich wie eine Hand um meinen Hals legt. Irgendetwas an ihrer Gegenwart macht mir das Atmen schwer.

Bilde ich es mir nur ein oder scheint ihr Blick auf eine Weise wissend, die es mir schwermacht, die so gut einstudierte Fassade zu wahren?

Bleib ruhig, Alter. Das hier ist keine Rolle. Alles, was du bisher gesagt hast, entsprach der Wahrheit. Und alle anderen Situationen, die etwas daran ändern könnten, wirst du zu vermeiden wissen.

»Ist alles in Ordnung?« Sie mustert mich eindringlich.

»Natürlich.« Ich räuspere mich. »Warum fragen Sie?«

»Sie wirkten gerade etwas gedankenverloren.«

Ich seufze. »Vermutlich stört es mich einfach, dass wir das Ganze so förmlich angehen müssen. Irgendwie hemmt mich das.«

»Förmlich?«

»Na ja, dieses Buch wird ein sehr persönliches. Irgendwie würde ich mich wohler fühlen, wenn wir von Anfang an mit diesem Gesieze aufhören würden.«

Ihre Wangen röten sich. »An mir soll es nicht scheitern.«

»Ich bin Gabriel.« Ich reiche ihr die Hand. »Freut mich.«

»Tiana.«

»Dann wäre das ja auch geklärt.«

Ihr Lächeln lässt mich für einen Moment den roten Faden verlieren. Irgendetwas scheint sich immer wieder in unsere Unterhaltung zu schieben.

Sie räuspert sich. »Auch wenn dieses erste Treffen nur zum Kennenlernen gedacht ist, kann ich es kaum erwarten, mit der Arbeit zu beginnen. Ich bin der festen Überzeugung, dass deine Geschichte eine ganze Bevölkerung bewegen wird.«

»Dein Wort in Gottes Ohren.« Ich lege die Hand an mein Kinn. »Aber wenn ich ehrlich sein soll, stört es mich manchmal, dass die Leute immer nur über mich reden möchten. Mit der Zeit habe ich gelernt, dass es dazu gehört, um die Ziele unserer Arbeit zu erreichen. Deswegen ja auch das Buch, von dem ich mir eine noch größere Sichtbarkeit für die Stiftung erhoffe. Ich wurde schon so oft darauf angesprochen, wann ich denn endlich meine Biografie schreibe. Aber mal ehrlich, mit 33 Jahren erscheint mir das irgendwie lächerlich. Meine Frau sagt immer, dass ich das Gesicht der Stiftung bin und mich dementsprechend präsentieren muss. Dass die Stiftung von meiner eigenen persönlichen Geschichte profitiert. Vielleicht habe ich deshalb irgendwann nachgegeben, denn letztendlich können wir so noch mehr Kindern helfen. Aber wenn ich es mir aussuchen könnte, könnte ich auf all das Gerede über mich verzichten.«

»Na ja«, sie hebt grinsend die Augenbrauen, »in unserem Fall wird sich das wohl leider nicht vermeiden lassen.«

»Das stimmt wohl.« Ich mustere sie mit prüfendem Blick. »Aber mich würde vielmehr interessieren, was die Frau zu erzählen hat, die in den nächsten Monaten mit mir zusammenarbeiten wird.«

»Was ich zu erzählen habe?«

Ich nicke. »Wir beide wissen doch, dass du mir gegenüber klar im Vorteil bist. Alles, was es über mich zu wissen gibt, kann man im Internet erfahren, aber über dich habe ich nur eine kleine Vita mit deinen bisherigen Veröffentlichungen gefunden. Zugegeben, ich bin vermutlich nicht die Zielgruppe für deine Liebesromane. Aber einige der Biografien, die du mit diversen Persönlichkeiten verfasst hast, haben mich wirklich beeindruckt.«

»Danke für das Kompliment, aber ich befürchte fast, dass es über die Vita hinaus nicht sehr viel zu erzählen gibt.« Sie lehnt sich zurück. »Zumindest nichts, das in ein erstes Kennenlerngespräch wie dieses gehört.«

»Nun hast du mich aber neugierig gemacht. Was gibt es mehr über die aufstrebende Starautorin zu berichten, die mit 28 Jahren schon mehr erreicht hat als andere Autoren in ihrem ganzen Leben?« Ich überlege kurz. »Lass mich nachdenken, was stand da noch? Wohnhaft an der Ostsee, leidenschaftliche Hobbyfotografin … habe ich was vergessen?«

»Tja, was soll ich sagen? Ich bin vor dem Abitur von der Schule abgegangen, weil es mich nervös gemacht hat, so viel Zeit mit grauer Theorie zu vergeuden, anstatt das zu tun, was ich immer tun wollte. Also habe ich die mittlere Reife dafür genutzt, eine Lehre als Bürokauffrau zu beginnen.«

»Klingt nicht sehr aufregend.«

»War es auch nicht. Es war lediglich der Versuch, so schnell wie möglich mit dem Geldverdienen anzufangen, damit ich nebenbei einen anderen Plan verfolgen konnte.«

»Den Traum vom Schreiben?«

Der Ausdruck in ihren Augen verklärt sich wie der eines Kindes.

Sie lächelt. »Das Schreiben lag mir schon immer. Es ist vermutlich ein naturgegebenes Talent so wie bei anderen das Singen oder Tanzen. Jede Geschichte, jede Fantasie floss einfach so aus mir heraus. Aber mir war natürlich auch klar, dass das nichts ist, das man einfach so mal eben beruflich machen kann. Ich brauchte Zeit, um mich auszuprobieren und Wege zu finden, meinen Traum zu verwirklichen.«

»Den du ja offensichtlich gefunden hast.«

»Das stimmt.« Ihr Blick wandert in die Ferne. »In der heutigen Zeit ist es leichter, seine Werke an die Öffentlichkeit zu bringen. Ich hatte das Glück, mich im Selbstverlag mit E-Books ausprobieren zu können und mir tatsächlich nach und nach eine Leserschaft aufzubauen. So konnte ich mir einen Namen machen, bis sich dann auch die Türen größerer Verlage langsam für mich öffneten.«

»Beeindruckend. Ich habe großen Respekt vor Menschen, die ihren Träumen folgen.«

»Das geht mir genauso. Umso wichtiger ist es mir, das Buch über dich zu schreiben. Sorry, ich meine, mit dir.«

Unsere Blicke halten einander etwas zu lang, etwas zu intensiv fest. Für einen Moment fühle ich mich unfähig, mich dagegen zu wehren.

Sie ist diejenige, die die seltsame Atmosphäre unterbricht, indem sie aufsteht.

»Ich glaube, es ist besser, wenn ich jetzt gehe.« Sie greift hastig nach ihrer Laptoptasche.

»Jetzt schon? Wolltest du nicht eigentlich hier schon mit den ersten Vorarbeiten beginnen? So stand es zumindest in deiner Mail.«

»Das hatte ich vor, ja.« Ihr Tonfall ist mechanisch. »Aber ich glaube, es ist doch besser, wenn ich mir allein zu Hause eine Liste erstelle, wie ich mir den Aufbau der einzelnen Kapitel vorstelle. Die Grunddaten habe ich ja bereits vom Verlag bekommen. Wenn es dir passt, könnte ich dir morgen schon den ersten Roh-Entwurf, sozusagen eine Art Fahrplan für unsere Arbeit am Buch vorstellen.«

Ich schaue sie schweigend an.

»Oder spricht etwas dagegen?« Sie umklammert den Gurt ihrer Laptoptasche. »Passt es dir gegen 14 Uhr?«

»Nein, natürlich spricht nichts dagegen.« Ich unterdrücke ein Lächeln. »Ich bin nur von deinem Ehrgeiz beeindruckt. Und ja, 14 Uhr passt prima.«

»Super.« Sie weicht der sich erneut ausbreitenten Stille mit einem schnellen Handschlag aus. »Es hat mich sehr gefreut, Gabriel. Ich finde allein heraus.«

Dann dreht sie sich um und verlässt das Arbeitszimmer mit energischen Schritten. So schnell, dass ich mich für einen kurzen Augenblick frage, ob ich mir unsere Begegnung nur eingebildet habe.

Kapitel 2

Tiana

Als ich aus dem Wagen steige und den Haustürschlüssel aus meiner Tasche hole, halte ich für einen kurzen Augenblick inne.

Gedankenverloren lasse ich mich auf die kleine Bank neben der Tür fallen.

Mein Blick wandert in den Vorgarten, in dem sich Rosen, Bartnelken und Geranien den Platz mit diversen Wildblumen teilen.

Über den Rand des blauen Gartenzauns hinweg bietet sich die vertraute Aussicht auf das nahegelegene Waldgebiet und die angrenzende Pferdekoppel der Nachbarn. Der warme Sommerwind streichelt meine Haut in gewohnter Intensität.

Alles scheint wie immer. Und doch ist nichts wie vorher.

Die Berührung seiner Hand wirkt noch immer nach, der Ausdruck in seinen Augen brennt mir noch immer auf der Seele.

Gebe ich der Begegnung zu viel Bedeutung? Ist es lediglich das persönliche Thema, die bevorstehende Arbeit am Buch, die die Stimmung zwischen uns so besonders macht?

Warum hängt jedes Wort, jeder Blick selbst jetzt noch nach? Der Mann ist verheiratet, verdammt! Und selbst, wenn er es nicht wäre, spielt er in einer vollkommen anderen Liga.

Seufzend lehne ich mich zurück und schließe die Augen.

Der Regen des Vorabends liegt noch immer in der Luft, auch wenn sich die sommerliche Hitze langsam ihre Macht zurückholt.

Das Summen der Bienen, das Zwitschern der Amseln – auf der Suche nach Vertrautem sauge ich jedes Geräusch regelrecht auf.

---ENDE DER LESEPROBE---