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Die Schweiz hebt sich von seinen europäischen Nachbarn deutlich ab. Nur von ihren Nachbarn? Nein, die Schweiz ist weltweit einzigartig. Ein Staat mit einer einzigartigen Geschichte, einer Geschichte, bei der noch immer viel im Dunkel liegt. Wann fand der Rütlischwur statt? Gab es einen Wilhelm Tell? In »Schweizer Geschichte für Dummies« finden Sie Antworten auf diese Fragen. Georges Andrey erzählt Ihnen, von den alten Helvetiern über die Schlacht bei Morgarten und den Sonderbundskrieg bis zum Eintritt in die UNO, diese spannende und faszinierende Erfolgsgeschichte.
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Seitenzahl: 1126
Fachkorrektur von Fabienne Amlinger
WILEY‐VCH Verlag GmbH & Co. KGaA
Schweizer Geschichte für Dummies
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d‐nb.de abrufbar.
2. Auflage 2017
© 2017 WILEY‐VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim
Original French language edition L'Histoire de la Suisse pour les Nuls Copyright © 2007 by Editions First All rights reserved including the right of reproduction in whole or in part in any form. This translation published by arrangement with Editions First
Copyright der französischsprachigen Originalausgabe L'Histoire de la Suisse pour les Nuls © 2007 by Editions First Alle Rechte vorbehalten inklusive des Rechtes auf Reproduktion im Ganzen oder in Teilen und in jeglicher Form. Diese Übersetzung wird mit Genehmigung von Editions First publiziert.
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Das vorliegende Werk wurde sorgfältig erarbeitet. Dennoch übernehmen Autoren und Verlag für die Richtigkeit von Angaben, Hinweisen und Ratschlägen sowie eventuelle Druckfehler keine Haftung.
Coverfoto © Waldteufel – Fotolia.com
Lektorat der 1. Auflage Dr. Christoph Pfister
Satz/ePub Reemers Publishing Services GmbH, Krefeld
Print ISBN: 978‐3‐527‐71387‐5
ePub ISBN: 978‐3‐527‐81008‐6
mobi ISBN: 978‐3‐527‐81009‐3
Cover
Über den Autor
Danksagungen
Einführung
Über dieses Buch
Konventionen in diesem Buch
Wie dieses Buch aufgebaut ist
Teil I: Die Vorfahren der Schweizer (von 300 vor unserer Zeitrechnung bis 1291)
Teil II: Die Schweizer Ligen gegen Habsburg: Eroberung einer Freiheit (1291–1648)
Teil III: Die Schweiz in der französischen Umlaufbahn (1648–1815)
Teil IV: Die Schweiz im Europa der Heiligen Allianz (1815–1848)
Teil V: Die Schweiz, »Willensnation« (1848–2016)
Teil VI: Der Top‐Ten‐Teil
Anhang
Die in diesem Buch verwendeten Symbole
Wie es weiter geht
Teil I: Die Vorfahren der Schweizer (von 300 v. Chr. bis 1291 n. Chr.)
Kapitel 1: Das keltische Volk der Helvetier (300–58 v. Chr.)
110–100 v. Chr.: Die europäische Odyssee der Tiguriner
58 v. Chr.: Gallien, der neue »Wilde Westen« der Helvetier
Kapitel 2: Die Helvetier, ein gallorömischer Volksstamm (58 v. Chr. – 401 n. Chr.)
Von 58 v. Chr. bis 71 n. Chr.: Die römische Kolonisation
69 nach Christus: Ein niedergeschlagener Aufstand
Von 71 bis 259 n. Chr.: Die Blütezeit des römischen Helvetiens
259 n. Chr. – 401 n. Chr.: Niedergang und Fall des römischen Helvetien
Kapitel 3: Burgunder, Alamannen, Ostgoten, Franken und Langobarden (401–1291)
443–843: Burgunder und Burgund
506–843: Alemannen und Alemannien
888–1032: Das zweite Königreich Burgund
1032–1291: Alemannen und Welschschweizer unter dem selben Zepter
1273–1291: Rudolf von Habsburg
Am Vorabend von 1291: Wer sind die Männer vom Gotthard?
Teil II: Die Schweizer Bünde gegen die Habsburger: die Eroberung einer Freiheit (1291–1648)
Kapitel 4: Die ersten drei Kantone (1291–1332)
1291: Drei Alpentäler bekräftigen ihr Verteidigungsbündnis
Was ist eigentlich mit Wilhelm Tell?
Rund um Wilhelm Tell
1315: Morgarten oder wie Bauern sich gegen Ritter durchsetzen
1315: Der Bund von Brunnen
Kapitel 5: Von 3 auf 13 Kantone oder: Von der Freiheit, die erobern will (1332–1513)
1332: Luzern, der vierte Kanton und die erste Stadt der Schweizer
1351: Zürich, der fünfte Kanton und die zweite Stadt der Schweizer
1352: Glarus und Zug, der sechste und siebte Kanton
1353: Bern, der achte Kanton und die dritte Stadt der Schweizer
1375–1384: Der Überfall der Gugler und die Belagerung von Burgdorf
1386: Sempach, eine Schlacht mit europäischem Ausmaß
393: der Sempacherbrief
1412–1415: Das Kriegsbeil begraben und wieder ausgraben
1422: Schweizer und Mailänder geraten in Arbedo aneinander
1443–1450: Der erste Schweizer Sezessionskrieg
1460: Die Thurgauer werden zu Untertanen der Schweizer
1474–1477: Die Burgunderkriege
Januar 1478: Der europäische Kongress von Zürich
Dezember 1478: Giornico zahlt es Arbedo heim
1481: Freiburg und Solothurn, der neunte und der zehnte Kanton
1499: Der furchtbare europäische Schwabenkrieg
1501: Basel und Schaffhausen, der elfte und zwölfte Kanton
6. Juni 1513: Novara oder: Die Schweizer beherrschen das Spiel in der Lombardei
17. Dezember 1513: Appenzell, der dreizehnte Kanton
Kapitel 6: Die »Republik der Schweizer«, ein Verband zerstrittener Staaten (1513–1648)
1515: Marignano, die »Riesenschlacht«
1519–1529: Die Zwinglianische Reformation
1529–1531: Die beiden Kappelerkriege
1530–1564: Die calvinistische Reformation
1545–1618: Die katholische Reconquista
1618–1648: Die Schweiz im Frieden in einem Europa, das Krieg führt
Teil III: Die Schweiz im Bannkreis Frankreichs (1648–1815)
Kapitel 7: Ein halbes Jahrhundert interner Kriege (1648–1712)
1653: Der Schweizerische Bauernkrieg
1656: Der erste Villmergerkrieg
1663: Das Bündnis von 1516 wird in Paris unter dem Sonnenkönig erneuert
1712: Villmergen II oder der vierte Konfessionskrieg
Kapitel 8: Die Pax Helvetica oder die Lehre von der friedlichen Koexistenz (1712–1789)
Eine Kulturrevolution: Die Pax Helvetica
Die friedliche Regelung von Meinungsverschiedenheiten
Der König von Frankreich: Beobachter, Vermittler und Arbeitgeber
Die Pax Helvetica oder wie hält man die örtlich begrenzte Gewalt in Schach?
1723: Davel versucht, die Freiheit für das Waadtland zu erlangen
1737: Der Militäreinsatz in Genf
1740: Péquignat kämpft zur Verteidigung der Gebührenfreiheiten des Volkes
1749: Henzi zettelt einen Staatstreich gegen die Berner Patrizier an
1755: Der Aufstand in der Leventina
1767: Die Gaudot‐Affäreoder ein Aufstand, der esich gelohnt hat
1781: Die Chenaux‐Revolution
1782: Revolution ohne Zukunft in Genf
Die zweifache Frucht der Pax Helvetica: Wohlstand und Aufklärung
Die Ungewissheiten der wirtschaftlichen Konjunktur
Der Fortschritt der Landwirtschaft
Die ersten Schritte der industrialisierten Schweiz
Kaufleute schweren Kalibers
Die helvetische Aufklärung
Kapitel 9: Die Vorrevolution in der Schweiz (1789–1798)
Die Schweiz im Frieden in einem Europa im Frieden (1789–1792)
Die Schweiz im Frieden in einem Europa im Krieg (1792–1797)
Die Schweiz im Krieg in einem Europa im Krieg (1798)
Kapitel 10: Die helvetische Republik (1798–1803)
Die Helvetik, Gemeinschaftswerk von Frankreich und der Schweiz
1798: Das Jahr I der Revolution
Das Territorium
Das Volk
Wer regiert?
Das politische Leben
Die Gegenrevolution
1799: Die Schweiz, Schlachtfeld Europas
Als eine Demarkationslinie die Schweiz trennt
Die Schweiz findet ihre Einheit
Von einem Krieg in den anderen (1800–1802)
Freiheit ohne Brot oder Brot ohne Freiheit?
Die »bewaffnete Mediation« von Bonaparte (1802–1803)
Kapitel 11: Die Eidgenossenschaft der XIX Kantone (1803–1815)
Die Eidgenossenschaft von 1803, ein Gemeinschaftswerk von Frankreich und der Schweiz
Woraus setzt sich die Mediationsakte zusammen?
Zwei Paradoxa
Mehr Kantone für weniger Territorien
Das Welschland, weniger Territorium, mehr Ansehen!
Das Jahr I der Mediationsakte
Die erste Bundes‐Tagsatzung
Der zweite Frieden von Freiburg
Der Bockenkrieg, letzter Krieg der Schweizer Bauern
Die Schweiz im Frieden in einem Europa im Krieg (noch einmal)
Eine Wirtschaft unter der Kontinentalblockade
Große Werke: Simplon und Linth
Die solidarische Schweiz
Drei führende Pädagogen: Fellenberg, Girard, Pestalozzi
Coppet oder die »Generalstände in der europäischen Meinung«
Von Trafalgar an die Beresina: Die Schweizer von Napoleon und … die anderen
Wie die Mediation mit dem Mediator fällt
Die Erste Restauration (29. Dezember 1813–7. August 1815)
Wiederherstellung Europas, Wiederherstellung der Schweiz
Eine schwere Geburt: der Bundesvertrag (1814–1815)
Die schweizerische Neutralität, eine europäische Einrichtung
Der definitive Grenzverlauf
Teil IV: Die Schweiz im Europa der Heiligen Allianz (1815–1848)
Kapitel 12: Die Restauration (1815–1830)
1816: Schreckensjahr
1819: Nova Friburgo, Kolonie der »Fünften Schweiz«
Angesichts der Krise reagiert die Schweiz und modernisiert ihre Wirtschaft
Und jetzt die Arbeiterklasse!
Die Schule: Fortschrittler gegen die Feinde der Aufklärung
1820–1829: Die Schweiz am Gängelband
Kapitel 13: Die Regeneration (1830–1845)
1831–1837: Welcher Bundesvertrag für die regenerierte Schweiz?
1833–1845: Der kalte Krieg
1832, Jahr der Entscheidung
Die Basler Kantonsteilung von 1832
1834–1844: Die Religion wird für politische Zwecke genutzt
1834: Die »Badener Artikel«
1841: Der Aargauer Klosterstreit
1844: Rückruf der Jesuiten in Luzern
1844–1845: Der Kleinkrieg
8. Dezember 1844: Der erste Freischarenzug
31. März 1845: Zweiter Freischarenzug
Kapitel 14: Der Sonderbund, letzter Bürgerkrieg (1845–1848)
Herbst 1846 – Herbst 1847: In dieser Zeit im Sonderbund …
4.–30. November 1847: die Militäroperationen
29. November 1847 – 15. Februar 1848: Die unmittelbare Nachkriegszeit
Teil V: Die Schweiz, »Willensnation« (1848–2016)
Kapitel 15: Das goldene Zeitalter der repräsentativen Demokratie (1848–1874)
1848: Der Lauf der Ereignisse
1848–1864: Die ungeteilte Macht der »Väter des Vaterlandes«
28. Juli 1852: Das Eisenbahngesetz oder der Anfang der Eisenbahn
1855: Die Gründung der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich
1856–1870: Die Schweiz und Europa
1856: Der Neuenburgerkonflikt bringt die Schweiz und Preußen gegeneinander auf
1859: Der Savoyerhandel bringt die Schweiz und Frankreich gegeneinander auf
1870: Der Krieg zwischen Frankreich und Deutschland
1866–1872: Die ersten Interventionen durch das Volk
Die Abstimmung vom 14. Januar 1866: Neun Entscheidungen auf einmal, ein »Ja« und acht »Nein«!
Die Abstimmung vom 12. Mai 1872: Nein zur vollständigen Revision der Verfassung!
Die Abstimmung vom 19. April 1874: Nach zwei Niederlagen der Sieg!
Kapitel 16: Der Weg zur halbdirekten Demokratie (1874–1914)
1874–1991: Das Referendum oder das Recht des Volks, »Nein« zu sagen
Parteien und Verbände: Moderatoren der Referendumsdemokratie
1870: SHIV (Vorort des Schweizerischen Handels‐ und Industrievereins)
1879: SGV (Schweizerischer Gewerbeverband)
1880: SGB (Schweizerischer Gewerkschaftsbund)
1890: VSK (Verband Schweizerischer Konsumvereine)
1897: SBV (Schweizerischer Bauernverband)
1888 SP (Sozialdemokratische Partei der Schweiz) bzw. PSS (Parti Socialiste Suisse)
1894: FDP (Freisinnig‐demokratische Partei der Schweiz) bzw. PRD (Parti Radical‐Démocratique Suisse)
1894: KVP (Katholische Volkspartei der Schweiz) bzw. PCS (Partie Populaire Catholique Suisse)
1877 und 1882: Zwei bemerkenswerte Referenden
21. Oktober 1877: Das Volk sagt »Ja« zum Gesetz für die Fabriken
26. November 1882: Das Volk will keinen »Schulvogt«
23. November 1890: Der erste Sozialdemokrat gelangt ins Parlament
1891: Bemerkenswertes Jahr in den Annalen der Schweiz
1891–1914: Die Volksinitiative, Maschinerie für den Fortschritt
1900–1914: Die Belle Époque und … ihre Randgruppen!
Kapitel 17: Die Schweiz im Frieden in einer Welt im Krieg (1914–1918)
Warum Krieg?
Was macht die Schweiz?
1914–1918: Kleine Chronik einer nicht kämpfenden Armee
Wie hat der einfache Soldat den Aktivdienst Tag für Tag erlebt?
1914–1918: Diplomatische Chronik der vermittelnden Schweiz
1914–1918: Eine wirtschaftliche Neutralität unter ausländischer Kontrolle!
1914–1918: Von der moralischen Kluft …
… zur sozialen Kluft
Vom 12. bis 14. November 1918: Der Generalstreik, Höhepunkt der Krise
Kapitel 18: Zwanzig lange Krisenjahre (1918–1938)
Die Schweiz im Völkerbund: Die aktive Neutralität
1918–1938: Die starken Momente einer langen politischen Krise
Die Revolution von 1919
1920–1938: Ein paar wichtige Daten aus dem politischen Leben
1918–1938: Faschismus und Frontismus in der Schweiz
1918–1938: Zeichen der Wirtschaftskrise
Kapitel 19: Die Schweiz im Frieden in einer Welt im Krieg (da capo) (1939–1945)
Wie wird der Krieg zum Weltkrieg?
Was macht die Schweiz?
1940–1945: Kleine Chronik einer nicht kämpfenden Armee
1939–1945: Wie erleben die Bevölkerung und die Männer der Truppen die Mobilmachung?
1939–1945: Was tun, angesichts der »neuen Ordnung«?
1939–1945: Die Schweiz, Flüchtlingsland
Eine teilnahmslose und einschüchterbare Regierung
Ein hilfsbereites Volk
Kapitel 20: Wichtige Daten der neueren Geschichte (1945–2016)
1947: Die AHV: endlich eine Rente!
1959: Eine Zauberformel trifft den Nagel auf den Kopf!
1970: Die Schwarzenbach‐Initiative gegen die Überfremdung
1971: Das Frauenstimmrecht, endlich!
Oktober 1971: Wer sind die ersten gewählten Frauen?
1978: Das Jura, 23. Kanton
1992–2002: Nein zum EWR und Ja zur UNO
2002: Die Schweiz, 190. Mitglied der Vereinten Nationen
2007 Blütezeit und Krise des Blocherismus
2008: Als die Banken crashten
2008: Das Ringen der Schweiz mit den Anderen
2011: Die Atomkatastrophe von Fukushima wirft Wellen bis in die Schweiz
2020: Der Gotthard‐Straßentunnel erhält eine zweite Röhre
Teil VI: Der Top‐Ten‐Teil
Kapitel 21: Zehn wichtige Errungenschaften
Das Laténium, das europäische Museum über die Zivilisation der Tène
Die Überquerung des Gotthards
Das Löwendenkmal von Luzern
Das Rote Kreuz, humanitäres Vorzeigeprojekt
Der Pilatus‐Zug, der schnellste der Welt
Das Goetheanum, verrückte Architektur für geniale Ideen
LSD, eine Schweizer Erfindung
Die Grande‐Dixence
Das Weltwirtschaftsforum (WEF) in Davos
Die Swatch, eine Kult‐Uhr
Kapitel 22: Zehn Zeugnisse der Fünften Schweiz
Die Schweizer Garde des Papstes: Die ältesten Bodyguards der Welt
Die Schweizer Kolonie in Paris
Die Basler Mission
Das Museum Tussaud in London
Nueva Helvetica, Uruguay
Das Krankenhaus Sainte‐Anne in Vijayawada, Indien
Das Schweizer Zentrum wissenschaftlicher Forschung an der Elfenbeinküste (Centre suisse de recherches scientifiques en Côte d'Ivoire, CSRS)
Das dritte Zeitalter unter der Sonne Spaniens
Das Schweizer Kulturzentrum in Paris
Das Schweizer Zentrum von Shanghai
Teil VII: Anhang
Anhang A
Hundert Daten der Geschichte der Schweiz
Stichwortverzeichnis
Wiley End User License Agreement
3-4
5-6
17-26
27-28
29-44
45-58
59-76
77-78
79-94
95-124
125-150
151-152
153-170
171-196
197-222
223-248
249-280
281-282
283-302
303-326
327-344
345-346
347-370
371-394
395-420
421-438
439-458
459-494
495-496
497-508
509-520
521-522
523-530
Über den Autor
Georges Andrey wurde am Vorabend des Zweiten Weltkriegs in Lausanne geboren. Er hat seine beiden Hochschulzeugnisse (Lateinisch/Griechisch und Philosophie) nach dem Krieg in Frankreich erhalten. Nach der Rückkehr in sein Geburtsland Anfang der Sechziger Jahre besucht er die Universität Freiburg, wo er einen Abschluss in Philologie macht und in Geschichte über die französischen politischen Flüchtlinge in Freiburg unter der Revolution promoviert.
Angestellt vom Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung der Wissenschaft und Forschung (SNF) arbeitet er anschließend in Vollzeit als erster Assistent an der Universität Bern im Bereich der Wahlgeschichte. Ab Ende der 70er Jahre spaltet sich sein Aufgabenbereich zwischen der Bundesverwaltung als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Außenministerium und der ehre an der Universität von Freiburg, wo er ein Vierteljahrhundert lang Mediengeschichte und zwölf Jahre lang allgemeine moderne Geschichte lehrt.
Seine Recherchen und zahlreichen Veröffentlichungen haben die Schweiz und ihre Beziehungen zu Frankreich zum Thema. In Anerkennung seiner wichtigen Arbeiten und seines Beitrags zur Verbreitung der Frankophonie in der Welt hat ihn Frankreich 2004 als Offizier der Palmes Académiques ausgezeichnet.
Danksagungen
Mein Dank geht an Éditions First, die mir vorgeschlagen haben, dieses Buch zu schreiben, insbesondere an Benjamin Arranger, Leiter der Reihe »Pour les Nuls«, der mich an einem sonnigen Nachmittag im September 2006 freundlich in seinem Pariser Büro in der friedlichen Rue Cassette empfangen hat, und dessen Ratschläge und technische Unterstützung, wertvoll und unverzichtbar, häufig zum Guten geführt haben, und zwar in allen Phasen dieses ambitionierten Projekts.
Mein Dank geht auch an das kompetente und aufopferungsvolle Team, ohne das dieses Buch nicht entstehen hätte können. Es hat sich im Laufe der Monate weiterentwickelt zu der folgenden »Dutzendschar«, deren Namen ich heute von Herzen bekannt geben möchte:
Maryse Oeri von Auw, Geschichtswissenschaftlerin, viersprachige Sekretärin und natürlich Porträtistin der in allen Kapiteln des Buchs vorgestellten Frauen.
Gillian Simpson, Geschichtswissenschaftlerin gewählten Ausdrucks.
Alain‐Jacques Czouz‐Tornare, den man nicht mehr vorzustellen braucht, aufmerksamer Lektor und verständiger wissenschaftlicher Berater.
Pierre‐Philippe Bugnard, Professor der Geschichtsdidaktik an der Universität Freiburg.
Anselm Zurfluh, Direktor des Museums der Schweizer im Ausland in Penthes vor den Toren Genfs.
Olivier Meuwly, Geschichtswissenschaftler mit erfrischenden Ideen.
Jean‐Marc Purro, Oberstudiendirektor des Collège du Sud in Bulle.
Charles‐Édouard Thiébaud, Nicolas Gex und Jean‐Blasie Monney, junge Geschichtswissenschaftler der neuen Generation.
Emmanuel Schmutz, Direktor der Mediathek in Freiburg.
Und schließlich mein Sohn Martial, Internet‐Dokumentalist und Versorgungsspezialist (der am Bildschirm festgekettete Geschichtswissenschaftler braucht etwas zu essen!), der mir die ganze Woche über Tag und Nacht beiseite stand.
Das sind die zwölf Apostel, die sich in ihrem Eifer überholt haben, ihrem »Meister« bei der guten historischen Darstellung der L'Histore de la Suisse pour les Nuls zu helfen, damit das Werk erfolgreich sein kann. An sie geht tausendfacher Dank!
Danke auch an alle Geschichtswissenschaftlerinnen und Geschichtswissenschaftler, deren neuesten Werke ich gelesen und genutzt habe, unter anderem die Artikel im gerade erschienene Historischen Lexikon der Schweiz (HLS). Die Konventionen der Reihe »Pour les Nuls« haben es mir nicht erlaubt, die Passagen zu zitieren, die ich dort ausgeliehen habe. Ich hoffe, nicht das Gedankengut derjenigen verraten zu haben, die sich hier wieder erkennen, und wenn es unglücklicherweise doch der Fall ist, möchte ich mich für meine Fehler entschuldigen.
Einführung
Sind Sie wirklich ein »Dummie«, was die Schweizer Geschichte betrifft? Macht nichts! Wenn Sie das vorliegende Buch durchgeblättert, daraus gelernt und es von vorne bis hinten gelesen haben, werden Sie es nicht mehr sein! Sie brauchen innerhalb Ihrer Familie oder bei Freunden, in der Kaffeepause unter Kollegen oder auf der Straße, wenn Sie Ihre Zeitung lesen oder Radio hören, bei historischen Andeutungen im Fernsehen und natürlich bei eleganten Einladungen, Partys und anderen gesellschaftlichen Ereignissen nie wieder Komplexe aufgrund Ihres Unwissens zu haben, sondern können sogar selbst mitreden. Und wenn Ihre Freunde unbedingt hören wollen, woher Sie Ihr Wissen haben, und wenn Sie nichts vor ihnen zu verbergen haben, dann geben Sie ihnen einfach einen Tipp: »Das wusstet ihr nicht? Ganz einfach! Ihr findet alles in Schweizer Geschichte für Dummies. Ein hervorragendes Buch!«
Warum wird in der Geschichte das Wort »Helvetien« verwendet? Und das Wort »Schweiz«? Welche Beziehung besteht zwischen »Helvetien« und »Schweiz«? Warum hat Julius Cäsar in seinem gallischen Krieg dem Stamm der Helvetier genau diesen Platz eingeräumt? Wie hat dieser bescheidene Stamm es geschafft, aus seiner Hauptstadt Aventicum, heute das kleine Avenches, eine imposante Stadt und die Hauptstadt von Helvetien zu machen?
Wer weiß, dass unmittelbar nach dem Fall des römischen Reiches die Burgunder, später von Wagner gefeierte Nibelungen, ein Königreich im Herzen Europas gegründet haben?
Hat Wilhelm Tell, weltweites Freiheitssymbol, wirklich gelebt? Wie kam es, dass dieser Jäger aus den Alpen, einem damals noch schwer zugänglichen Teil Europas, eine Armbrust besaß, die zu seiner Zeit leistungsfähigste und fortschrittlichste Jagdwaffe?
Wie erklärt man sich, dass im 15. Jahrhundert, dem Jahrhundert der Kriege zwischen Italien und Burgund, die Schweiz gleichzeitig politischer Zwerg als auch militärischer Riese war?
Wussten Sie, dass die Schweiz während der französischen Revolution das erste Land Europas und der Welt war, das einen Minister für Kunst und Wissenschaften hatte? Er hieß Stapfer und war einer der größten Männer der revolutionierenden Schweiz. In derselben Zeit sind die drei größten Schweizer Pädagogen anzusiedeln: Pestalozzi, Girard und Fellenberg.
Wie kann es sein, dass Napoleon, Herrscher eines Reichs von Madrid bis Hamburg und von Rom bis Amsterdam, die Schweiz nicht annektiert hat?
Wussten Sie, dass im Völkerfrühling 1848 die Schweiz das einzige Land Europas war, das mit seiner Revolution erfolgreich war? Und dass die Freisinnigen der Epoche für gefährliche Revolutionäre gehalten wurden?
Wussten Sie, dass während der Belle Époque, so genannt, weil die Geschäfte gut liefen, in der Schweiz Hunderte von Streiks stattgefunden haben? Mit Zehntausenden von Streikenden? Und dass die Armee mehrfach gegen diese Streikenden, Männer wie Frauen, eingegriffen hat, die friedlich demonstrierten, um gerechtere Löhne oder bessere Arbeitsbedingungen zu erhalten?
Wie ist es gekommen, dass die Schweiz im 20. Jahrhundert im Gegensatz zu ihren Nachbarn den beiden Weltkriegen entkommen ist? Dass sie im Frieden gelebt hat, während in Europa gekämpft und Blut vergossen wurde? Warum haben die Großmächte ihr Territorium und ihre Neutralität respektiert?
Stimmt es, dass die Schweiz während des Zweiten Weltkriegs, erschöpft durch den Krieg, ihrer humanitären Tradition untreu geworden ist? Dass sie unter der Knute von Hitler und Mussolini stand? Dass sie sich an den von den beiden Diktatoren besiegten Ländern bereichert hat?
Und schließlich, warum ist die helvetische Eidgenossenschaft Ende des 20. Jahrhunderts, immer noch politischer Zwerg, zu einem Riesen im Bereich der Banken und Finanzen geworden? Und warum ist sie im vereinten Europa immer noch Einzelgänger?
Dies sind nur einige der Fragen, neben vielen anderen, die dieses Buch stellt, und auf die es versucht, so klar wie möglich zu antworten. Man wird sehen, dass diese Antworten natürlich politischer Art sind. Dies wurde bewusst so gehalten.
Dieses Buch will nicht nur aber vor allem eine politische Geschichte im traditionellen Sinne des Begriffs präsentieren. Es ist eine erzählende Form, die von der langsamen Einnahme ihres Territoriums vom Gotthardmassiv bis zum Rhein im Norden und Jura im Westen berichtet, mit der schrittweisen Entstehung ihrer Kantone, von drei zu Beginn im 13. Jahrhunderts bis hin zu dreiundzwanzig im 20. Jahrhundert. Ein Territorium, wo man vier Sprachen spricht. Es ist die Geschichte seiner Einrichtungen und seiner zwei Säulen, der direkten Demokratie und der Eidgenossenschaft. Es ist die Geschichte ihrer Führungsklasse im Laufe der Jahrhunderte. Wer regiert? Und wie?
In diesem Kontext entsteht eine zentrale Frage: Warum dürfen die Frauen bis 1971 nicht wählen und warum sind sie nicht wählbar? Erst 1971 erhalten sie das Recht, als bereits alle Demokratien ihnen dies zugestanden haben, zum Teil bereits seit 100 Jahren?
Das lange Fehlen der Frauen im politischen Leben wird durch die Sozialgeschichte kompensiert, wo sie natürlich präsent sind. Jedes der 20 Kapitel dieses Buches enthält mindestens ein Porträt einer Frau. Etwa 40 Beschreibungen stellen unterschiedliche Persönlichkeiten vor. Wenig bekannte Frauen, die zu Unrecht vergessen wurden, werden hier vorgestellt. Diese starke Präsenz, die gewollt ist, ist eine Premiere in der allgemeinen Geschichte der Schweiz.
Da haben wir zunächst die Ehefrauen der Männer im Rampenlicht: Frau Calvin und Frau Zwingli gehören offensichtlich zur Reformation. Aber es gibt auch die Theologin Marie Dentière, die Frau von Antoine Froment, der neunzehn Jahre jünger ist als sie! Außerdem gibt es in derselben Zeit Jeanne de Jussi, die im alten Glauben verbliebene schreibende Äbtissin. Ein außergewöhnliches Leben führte Wibrandis Rosenblatt, vierfache Witwe und nacheinander Ehefrau von drei rheinischen Reformatoren: Œcolampade, Capiton und Bucer. Alle hatten sie Kinder, um die sie sich kümmerten, womit sie deren Vätern dem Rücken für ihre religiöse Aufgabe freihielten.
Blicken wir weiter zurück in der Zeit: Wussten Sie, dass es in der Epoche, in der Wilhelm Tell angeblich in Uri lebte, eine echte Jägerin gab? Ihre Existenz ist im Gegenteil zu dem unumgänglichen Wilhelm ordnungsgemäß bescheinigt: Mechtilde, wahrscheinlich mit einer Armbrust bewaffnet, trieb sich 1290 auf der Nordseite des Gotthards herum. Einige Jahrhunderte früher gibt es dort die Königin Berthe, Deutsche mit schwerem Akzent, aber von den Waadtern so geliebt! Lange vor ihr trifft man die faszinierende Carétène, Königin von Burgund und Frau von Gondebaud. Und in der Römerzeit gibt es Pompeia Gemella, möglicherweise freigelassene griechische Immigrantin, die in Avenches sehr wahrscheinlich das Kindermädchen des zukünftigen Kaisers Titus war, wie eine Grabstele bezeugt.
Zurück in die modernen Zeiten. In Bern gründet Anna Seiler das, was das große Krankenhaus L'Isle werden wird, während Catherine de Watteville, emanzipierte Frau, sich in die diplomatischen Intrigen Ihrer Exzellenzen einmischt. Aber sie wiederum wird verhaftet, gefoltert und ins Exil geschickt. Während der Aufklärung hält Julie de Bondeli täglich ihren Salon, während in Neuenburg die Holländerin Belle de Zuylen alias Madame de Charrière schreibt und komponiert. Etwas später pflegt Barbara Schulthess in Zürich ihre Freundschaft mit Goethe. Sie treffen sich in Konstanz. Gleichzeitig unterstützt Anna Pestalozzi weniger romantisch ihren Mann Heinrich, so idealistisch, dass sie sich in Schulden stürzt und ihn ermutigt, sein pädagogisches Werk mit internationalem Ruf fortzusetzen. Ihr folgt Rosette Niederer‐Kasthofer mit ihrer Arbeit in Yverdon und dann in Genf.
Und im 19. Jahrhundert schließlich findet der Schweizer Feminismus seine Vorkämpferin in Marie Goegg‐Pouchoulin. Während des Ersten Weltkriegs kämpft Sophie Taeuber‐Arp als Pazifistin inmitten der Dada‐Bewegung in Zürich. Zwischen den Kriegen verkörpert Lydia von Auw in der Westschweiz die geheime Strömung des antifaschistischen Widerstands. Während des Zweiten Weltkriegs setzen sich drei beherzte Frauen selbstlos für die Flüchtlinge ein, Marie Im Hof‐Piguet, Gertrud Kurz‐Hohl und Regine Kägi‐Fuchsmann.
Über dieses Buch
Dieses Buch zur Schweizer Geschichte unterscheidet sich von allem, was Sie bisher dazu gesehen haben. Man kann zusammenfassend sagen, dass es völlig neu und durchweg verständlich geschrieben ist.
Neu ist es vor allem aufgrund der grundlegenden Idee, die es inspiriert hat. Es handelt sich letztlich um einen Bruch mit der Tradition, die eine abgehobene Kultur daraus gemacht hat, über die Geschichte der Schweiz und ihrer Ursprünge zu schreiben. Anders ausgedrückt, es soll im jeweiligen Kontext erklären, warum und wie die Dinge passiert sind. Dieser Kontext, dieses Terrain, das ist Europa. Entgegen der allgemeinen Ansichten gibt es kein europäischeres Land als die Schweiz. Die Geographie lügt nicht: dieses kleine Territorium befindet sich im Herzen des alten Kontinents. Rhône und Rhein sind Kinder Helvetiens: sie haben hier ihren Ursprung. Obwohl mit hohen Bergen durchsetzt, die es isolieren könnten, war dieses Territorium immer eine zwingende Durchgangspassage zwischen Norden und Süden. Seine Wirtschaft war immer eng mit der von Europa verknüpft, sowohl was den Import als auch den Export betrifft. Seine Wirtschaft ist immer von der seiner großen Nachbarn abhängig. Wussten Sie, dass die Schweiz nie von ihren eigenen Nahrungsmittelressourcen leben konnte?
Neu ist an diesem Buch auch das ständige, gewollt naive Staunen angesichts bestimmter Züge der Schweizerischen Identität. Die Schweiz hat immer und wird immer durch ihre Ethnien und ihre Sprachen Teil von Europa sein. Zur Erinnerung: Es gibt keine Schweizerische Sprache. Vielmehr ist die Schweiz der Treffpunkt, an dem drei große Sprachen zusammenfließen, Deutsch, Französisch und Italienisch, die schon immer und auch in weiterer Zukunft ihre Identität prägen werden, wie diejenige des einen und vielfältigen Europas. Diese drei Sprachen waren und sind als solche die Stütze der drei wertvollen Kulturen, von denen die Schweiz schon immer profitiert hat und immer noch profitiert, was nicht in Zahlen angegeben werden kann, weder in Franken noch in Euro, und was dennoch völlig real ist.
Neu ist an diesem Buch auch sein Engagement, das grundlegende Paradox der Schweiz oder zumindest ihres Images aufzudecken: glückliche Menschen, trotz der Geschichte, trotzdem sie von ihren Nachbarn vergessen wurden, die aus ihrem Übersehenwerden das wunderbare Rezept ihres Fortbestands gemacht hat. Die Vergangenheit der Schweiz, in der Eigenschaft als Staat, ist mit derjenigen ihrer großen Nachbarn verschweißt, und die großen Phasen dieser Vergangenheit, keltisch, römisch, mittelalterlich, modern und zeitgenössisch, ahmen die ihren nach. Kurz gesagt, die Schweiz, seinerzeit Helvetien, ist und war nicht weniger modern als Europa, zu dem es seit Anbeginn der Zeiten gehört hat.
Neu ist an diesem Buch auch sein Wille, bestimmte Tabus zu brechen. Die Lehrbücher zur Schweizer Geschichte, die Sie vielleicht in Ihrer Jugend gelesen haben oder die vielleicht auch Ihre Kinder und Enkel gerade lesen, verfolgten eine tiefsinnigere Idee, um nicht zu sagen, ein Dogma: das besondere Schicksal der Eidgenossenschaft. Dort spricht man von einem gegenüber der ganzen Welt einigen Land, dessen Vergangenheit dank der göttlichen Vorsehung in nichts mit einem anderen vergleichbar ist. Mitunter wird von den Historikern sogar das Wort »Wunder« gebraucht, um diese vermeintliche Mission zu beschreiben. Sie sagen weiterhin, der Beweis für eine außergewöhnliche Bestimmung sei letztlich die Neutralität.
Und schließlich will dieses Buch natürlich für jeden verständlich sein. Es ist für das große Publikum vorgesehen und deshalb in einem Vokabular geschrieben, das jeder versteht. Die speziellen Begriffe, von der Bundesversammlung über die direkte Demokratie bis hin zu den Freihandelszonen, Tagsatzung und Referendum, werden so klar und deutlich wie möglich erklärt. Und natürlich hat man versucht, auf die »‐ismen« zu verzichten, die Theorien, Spekulationen und andere Betrachtungen, die für die Geschichtsphilosophie sowie die klassische Geschichte relevant sind. Deshalb zieht man hier das konkrete Beispiel vor, also wichtige Ereignisse, symbolisch und ordnungsgemäß datiert.
Ein so angelegtes Buch wird Sie in seinen Bann ziehen. Geschrieben mit größter Sorgfalt wird es Ihre Neugier und die Ihrer Freunde wecken. Es wird Ihre Freizeit einnehmen, Ihre Lücken füllen und Sie dazu bringen, dass Sie die Geschichte der einen und vielfältigen Schweiz lieben, die sich ursprünglich aus der großen Geschichte von Europa zusammensetzt, das ebenfalls so vielfältig ist. Eine Geschichte der Schweiz, die nicht gegen diejenige von Europa aufgebaut ist, sondern in Symbiose mit ihr.
Konventionen in diesem Buch
In diesem Buch geht es um die Schweizer Geschichte, deshalb ist dieses Buch auch nach Schweizer Rechtschreibregeln verfasst worden. Also wundern Sie sich nicht, wenn die Sprache hier und da ein wenig von dem Hochdeutsch, dass die deutschen Leser kennen, abweicht.
Die neue Bundesverfassung vom 18. April 1999, die am 1. Januar 2000 in Kraft getreten ist, gibt die Anzahl der Kantone der Eidgenossenschaft nicht an. Sie unterscheidet sich dahingehend von der vorhergehenden Verfassung, wo 23 angegeben wurden, mit dem Jura als letztem in der chronologischen Reihenfolge, der 1978 entstanden ist (siehe Kapitel 20). Bis dahin sprach man also von 23 Kantonen oder 26 Kantonen und Halbkantonen. Insgesamt gibt es sechs solcher Halbkantone, nämlich in der protokollarischen Reihenfolge: Obwalden und Nidwalden, die den Kanton Unterwalden bilden, Mitbegründer der Eidgenossenschaft zusammen mit Uri und Schwyz im Jahr 1291 (siehe Kapitel 4); Appenzell Ausserrhoden und Appenzell Innerrhoden, die den Kanton Appenzell bilden, der 1513 in die Eidgenossenschaft aufgenommen und 1597 getrennt wurde (siehe Kapitel 6); Basel‐Stadt und Basel‐Land, die zusammen den Kanton Basel bilden, 1501 in die Eidgenossenschaft aufgenommen und 1833 getrennt.
Die aktuelle Verfassung gibt die Anzahl der Kantone nicht offiziell an und spricht auch nicht von Halbkantonen. Es ist also gestattet, von 26 Kantonen zu sprechen. Aber man muss wissen, dass die 24., 25. und 26. Kantone nie eingerichtet wurden. Der letzte Kanton, der ordnungsgemäß gebildet wurde, war der des Jura, offiziell als 23. Staatsmitglied in die Eidgenossenschaft aufgenommen.
Es bleibt jedoch ein Unterschied zwischen Kantonen und Halbkantonen. Die sechs Halbkantone haben nur einen Sitz im Ständerat, also der Kammer der Kantone. Dieser Rat besteht aus sechs Staaten mit einem Sitz und zwanzig anderen Staaten mit zwei Sitzen. Das sind insgesamt 26 Staaten mit 46 Sitzen: 40 für die Staaten mit 2 Sitzen und 6 für die Staaten mit einem Sitz. Die Bundesversammlung, die Versammlung des Nationalrats (200 Mitglieder) und des Ständerats (46 Mitglieder), besteht insgesamt aus 246 Mitgliedern.
Der Bequemlichkeit halber werden wir in diesem Buch von 23 Kantonen sprechen.
Wie dieses Buch aufgebaut ist
Wer von Geschichte spricht, hat es mit Tatsachen zu tun, die im Laufe der Zeit passieren. Das bedeutet, sie reihen sich aneinander. Dieses Buch erzählt von der Schweiz im chronologischen Modus, und zwar auf doppelte Weise: als klassische Erzählung mit vorher und nachher, ebenso wie als Chronik der großen Daten, die hervorgehoben dargestellt werden.
Dieses Buch besteht aus sechs Teilen. Vervollständigt ganz zum Schluss mit dem traditionellen Top‐Ten‐Teil, bilden die ersten fünf Teile von Schweizer Geschichte für Dummies chronologische Abschnitte. Diese Unterteilung der Zeit in Abschnitte und Kapitel ist nicht willkürlich erfolgt. Hier eine Erklärung.
Teil I: Die Vorfahren der Schweizer (von 300 vor unserer Zeitrechnung bis 1291)
Dieser Teil ist den Vorfahren der Schweizer gewidmet: Helvetiern, Burgundern, Alamannen, Ostgoten, Franken, Lombarden. Das Wort »Helvetien« erscheint 300 Jahre vor unserer Zeitrechnung und verschwindet im 5. Jahrhundert unserer Zeitrechnung, nach dem Fall des römischen Reichs. Die Helvetier sind ursprünglich ein keltisches Volk (siehe Kapitel 1). Dieses Volk wird unter Julius Cäsar zu einem galloromanischen Stamm (siehe Kapitel 2). Die fünf Stämme, die aus den Helvetiern hervorgehen, sind alle germanisch (siehe Kapitel 3). Aber sie sind Gegner und bekämpfen sich, bevor sie anfangen, nebeneinander zu existieren. Insbesondere findet man dies zwischen den Alamannen, von deren Namen die Wörter »Alemannisch«, »Alemagne«, »Alemannen« und »alemannisch« abstammen, und den Burgundern, latinisierten Vorfahren der Westschweizer von heute, deren Name der Ursprung des geographischen Begriffs »Burgund« ist. Tatsächlich war das Schweizer Plateau für einen Moment seiner Geschichte ein Teil des Königreichs des Burgunds. Das Burgund war vor tausend Jahren sehr viel größer als die französische Provinz von heute.
Teil II: Die Schweizer Ligen gegen Habsburg: Eroberung einer Freiheit (1291–1648)
Offiziell wurde die Schweiz von heute im Jahr 1291 gegründet. Aber zum damaligen Zeitpunkt existierte das Wort »Schweiz« nicht. Man verwendete die Wörter »Eidgenossen» und »Waldstätten«. Heute nimmt man an, dass das Wort »Schweiz« mit dem Wort »Schwyz« verknüpft ist, Ort desselben Namens und einer der drei Gründerkantone der Eidgenossenschaft zusammen mit Uri und Unterwalden. Im Grunde genommen waren die Schwyzer die geistigen »Väter« aller Schweizer. Das erste Wort, das durch Dokumente bestätigt ist, ist das Lateinische Switenses, offensichtlich von einem germanischen Begriff abgeleitet, aber dessen Bedeutung man nicht kennt. Es scheint nach der Schlacht von Morgarten 1315 einzuordnen zu sein. Das deutsche Wort Schweizer erscheint erst 1350. Das französische Wort »Suisse« ist erst ab dem 15. Jahrhundert belegt. Die drei ersten Kantone bildeten den Kern der Schweiz (siehe Kapitel 4). 1332 wurden es vier, als sie ein Bündnis mit der ersten großen Stadt schlossen, Luzern. Die Eidgenossenschaft vergrößerte sich langsam auf dem Plateau. 1513 umfasst sie 13 Kantone (siehe Kapitel 5). Von 1291 bis 1513 erweiterten sie ihr Territorium auf Kosten der Habsburger. Dies ist die glorreiche Epoche der Schweizer Ligen. Bis 1648 bleiben sie mit dem Heiligen Römischen Reich deutscher Nation verknüpft, aber auf lockere Art. Seit 1499 genießen sie echte Unabhängigkeit (siehe Kapitel 6).
Teil III: Die Schweiz in der französischen Umlaufbahn (1648–1815)
1648 wird die Schweiz durch den Westfälischen Frieden als unabhängig oder fast unabhängig anerkannt. Diese Quasi‐Unabhängigkeit gegenüber dem germanischen Reich hat sie Frankreich zu verdanken, genauer gesagt dem Haus der Bourbonen. Seit dieser Zeit und bis 1815 lebt die Eidgenossenschaft in der französischen Umlaufbahn. Der König von Frankreich ist der erste militärische Arbeitgeber der tapferen Schweizer Soldaten. Diese Situation dauert bis zum 10. August 1792, als die Schweizer Garde von Ludwig XIV. im Verlauf der Revolution beim Schloss in den Tuilerien in Paris umgebracht wird. In diesen 150 Jahren durchläuft die Schweiz zuerst eine Periode interner Kriege, der so genannten Religionskriege (siehe Kapitel 7). Von 1712 bis 1789, Zeit der Aufklärung, lernen die Schweizer, nebeneinander zu existieren und profitieren aus diesem Frieden, um eine bis dahin ungekannte Leichtigkeit für sich einzunehmen (siehe Kapitel 8). Vom Ausbruch der französischen Revolution (1789) bis zur helvetischen Revolution (1798) leben sie in der Vorrevolution. Sie sind zwischen zwei Welten geteilt, derjenigen des Ancien Régime und der neuen, mit den modernen Freiheiten, die in der 1789 in Paris veröffentlichten Menschen‐ und Bürgerrechtserklärung festgehalten sind (siehe Kapitel 9). Zehn Jahre später richtet sich die helvetische Republik ein, die die großen modernen Prinzipien und die Regierungsform nach französischem Vorbild übernimmt, das heißt: zentralisiert (siehe Kapitel 10). Diese Regierungsform, die mit Hilfe der Armeen der französischen Republik eingerichtet wurde, geht 1803 zu Ende und öffnet die Türen für die Mediation, mit der Eidgenossenschaft der 19 Kantone, 6 neuen, ehemals untertanen oder verbündeten Ländern, die in den Rang souveräner Kantone erhoben wurden, nach der Consulta in Paris (1802–1803), der der Premierkonsul Bonaparte vorsaß (siehe Kapitel 11). Das Regime der Mediation geht mit dem Mediator 1813 zu Ende. Die Jahre 1814 und 1815 sind bewegt. Die Schweiz entkommt teilweise der Einflusssphäre von Frankreich und geht in die eines neuen Europas über.
Teil IV: Die Schweiz im Europa der Heiligen Allianz (1815–1848)
30 Jahre lang lebt die Schweiz unter dem Einfluss der Heiligen Allianz, dominiert von Metternich, dem allmächtigen österreichischen Kanzler. Dabei werden die Errungenschaften der Revolution wieder abgeschafft und das Ancien Régime kehrt zurück, nämlich mit Privilegien und Ungleichheit. Von 1815 bis 1830 herrscht dieses Regime der Restauration (siehe Kapitel 12). Von jetzt an umfasst die Schweiz 22 souveräne Kantone ohne feste Hauptstadt, ohne zentrale Regierung und ohne modernes, vom Volk gewähltes Parlament. Die Schweizer, die die neuen Freiheiten schon ausprobieren durften, beginnen bald, sie zu vermissen, und profitieren 1830 von der Julirevolution, um in einer kleinen Mehrheit von Kantonen die moderne repräsentative Demokratie einzurichten. Dies ist bis 1845 das Regime der Regeneration (siehe Kapitel 13). Die Minderheit der nicht regenerierten Kantone, hauptsächlich katholische, hält an der Heiligen Allianz fest und ist gegen die Revision des Bundesvertrags, der gemeinsamen Charta, was jede Weiterentwicklung hin zur Moderne blockiert. Diese Krise mündet im Sonderbund, dem letzten Bürgerkrieg der Schweiz (siehe Kapitel 14).
Teil V: Die Schweiz, »Willensnation« (1848–2016)
Dieser lange Zeitraum ist politisch gesehen der der heutigen Schweiz. Ihre modernen Einrichtungen machen ein fortschrittliches demokratisches Land aus ihr, basierend auf der Allianz der 22 souveränen Kantone, wie 1815 Diese Kantone geben nach dem Sonderbund einen Teil von ihrer Souveränität ab, um bestimmte Kompetenzen an einen zentralen Staat zu übertragen, zum Beispiel in Hinblick auf Geld, Maße und Gewichte, Post, Zölle, Forstverwaltung und Eisenbahnbau. Darüber hinaus besitzt die Schweiz schließlich eine einheitliche Regierung (Bundesrat mit sieben Mitgliedern mit einem Präsidenten für ein Jahr), ein Parlament mit zwei Kammern (Nationalrat, die so genannte »Volkskammer«, und Ständerat oder »Kantonskammer«), eine Bundesverwaltung und ein Bundesgericht (siehe Kapitel 15). Dieser moderne Föderalismus wird begleitet von der Einführung der halbdirekten Demokratie (siehe Kapitel 16): Das Volk kann über das Referendum in Bundesangelegenheiten eingreifen (mit dem Recht, ein vom Parlament verabschiedetes Gesetz abzulehnen), ebenso wie über die Volksinitiative (das Recht, die Verfassung zu verändern). Dank dieser fortschrittlichen Einrichtungen erfährt die Wirtschaft einen beachtlichen Aufschwung: florierende Industrie, mechanisierte Landwirtschaft, moderne Transporte (elektrische Eisenbahn), leistungsfähige Banken und Versicherungen, Tourismus und Hotels höchsten Standards. Dieser Reichtum wird durch die beiden Weltkriege nicht gefährdet (siehe Kapitel 17 und 19). Die Schweiz entkommt ihnen aufgrund ihrer 1815 von Europa anerkannten Neutralität und wird von den Kriegsführenden respektiert. Ihr Wohlstand, von der Krise zwischen den beiden Kriegen kaum gefährdet (siehe Kapitel 18), erklärt ihre Weigerung, dem vereinten Europa beizutreten. Sie macht weiterhin ihre eigene Sache und unterhält Wirtschaftsbeziehungen zu immer mehr Standorten (siehe Kapitel 20). Letztes Detail: Seit 1978, dem Jahr, in dem der französischsprachige Teil (Jura) des Kantons vom Schweizer Volk als souverän anerkannt wird, umfasst die Eidgenossenschaft 23 Kantone.
Teil VI: Der Top‐Ten‐Teil
Wer kennt nicht den Top‐Ten‐Teil? Er hat Tradition in den »Dummies«‐Büchern. Er ist deshalb zur Tradition geworden, weil er den unzähligen Leserinnen und Lesern gefällt. Das Grundprinzip ist die freie Auswahl: man kann dort alle möglichen Dinge, wenn nicht die ganze Welt, in zehn Wörtern, zehn Sätzen, zehn Absätzen oder zehn… Minuten unterbringen. Darüber hinaus ist das Dezimalsystem in unserem westlichen Denken verankert. Außerdem herrscht in unserer Zeit der Geschwindigkeit und des Zeitmangels der Gedanke, dass weniger mehr ist.
Im Top‐Ten‐Teil sind zwei Kapitel untergebracht mit zehn wichtigen Errungenschaften der Schweiz (Kapitel 21) und zehn Ansichten der »Fünften Schweiz« (Kapitel 22).
Die einzelnen Themenbereiche sind jeweils innerhalb von ein paar wenigen Absätzen knapp beschrieben. Ihre Auswahl ist nach dem folgenden grundlegenden Prinzip erfolgt: sie ergänzen die ersten 20 Kapitel um Tatsachen oder Personen, die dort nicht vorgekommen oder nur flüchtig erschienen sind. Und es wurden zwei weitere Kriterien angesetzt: die reelle oder angenommene Bedeutung der jeweiligen Themen oder ihre Originalität. Aus diesem Grund ist der Top‐Ten‐Teil weder eine Nomenklatur noch eine Einordnung. Die Auswahl ist nicht rational aber begründet erfolgt. Es sind nicht die Top Ten, sondern das, was am Herzen lag.
Anhang
Der Anhang zum Schluss des Buches vervollständigt das Ganze. Sie enthalten eine Chronologie der wichtigsten Ereignisse in der Geschichte der Schweiz. Sie können dort gegebenenfalls jederzeit nachschlagen.
Die in diesem Buch verwendeten Symbole
Im gesamten Buch tauchen immer wieder Symbole am Rand auf, anhand derer Sie auf einen Blick erkennen können, um welche Art Information es sich bei dem Absatz handelt. Sie können damit entscheiden, was Sie lesen wollen, oder sich daran orientieren. Hier die Liste:
Die Anekdote kann für sich in Anspruch nehmen, dass sie immer gelesen wird, und dass sie am besten im Gedächtnis hängen bleibt. Definitionsgemäß ist sie von marginaler Bedeutung, aber es ist ihre Stärke, dass man sie sich merkt, auch wenn man alles andere vergessen hat. Für den Faulpelz bildet sie eine praktische Zusammenfassung. In seinen Augen ersetzt sie heiter Wissen. Leider verzerrt, karikiert und verfälscht sie sehr häufig. Dennoch hat sie ihre Anhänger: »Ich liebe Anekdoten. Es gibt nichts besseres!« Ohne sie zu ignorieren, räumt ihnen die Schweizer Geschichte für Dummies einen bescheideneren Platz ein. Dies ist keine Anekdotensammlung. Die anekdotischen Seiten finden die »Dummies« vielmehr in den Porträts und den Zeugenberichten. Dort verbergen sie sich. Nur als Mitteilung für die Anfänger!
Dieses Symbol signalisiert Zitate aus Dokumenten. Sie sind in diesem Buch sehr zahlreich, weil es immer praktisch ist, auf offizielle Texte zu verweisen. Wenn sie kurz sind, werden sie vollständig abgedruckt, andernfalls werden die relevanten Auszüge gezeigt. Die drei Punkte [...] stehen für weggelassene Teile.
Dieses Symbol hat eine Doppelfunktion. Die erste: Es wird eine Frage gestellt und eine Antwort gegeben. Beispiel: »Was bedeutet Eidgenossenschaft?«. Die zweite: Es wird auf eine Tatsache, ein Ereignis oder ein Detail hingewiesen, das dem allgemeinen Publikum der »Dummies« oder vermeintlichen »Dummies« wenig bekannt ist oder verkannt wird. Es handelt sich häufig um verborgene Tatsachen aus Spezialbereichen. Ein Beispiel: Vor dem »Arbeitsfrieden« von 1937 gab es Streiks in der Schweiz, und zwar sehr viele. Die Sozialhistoriker gehen von mehr als 1.500 vor dem Ersten Weltkrieg einschließlich und natürlich der Belle Époque aus! Das sind Zehntausende Arbeiter, die ihre Arbeit aus den unterschiedlichen Gründen niedergelegt haben. Häufig greift die Armee gegen friedliche Demonstranten ein, die nur eine bescheidene Gehaltserhöhung oder bessere Arbeitsbedingungen fordern. Man weiß sogar von einem Fall, in dem Streikende getötet wurden!
Dieses Symbol weist auf eine besonders wichtige Information hin, die man sich merken sollte. Es kann darum gehen, sich eine Tatsache zu merken, eine Einrichtung, einen Kontext, der das Verständnis für die Ereignisse erleichtert. Vergisst man diese Tatsache, diese Einrichtung oder diesen Kontext, wird man später nicht verstehen, warum bestimmte Dinge passieren.
Dieses Symbol kommt in allen Kapiteln vor. Sie finden hier Frauen und Männer, manchmal völlig unerwartet. Manchmal werden auch Ehepaare oder Gruppen vorgestellt: Wichtig: es handelt sich dabei niemals um einfache Copy&Paste‐Informationen, wie man sie in den mehr oder weniger spezialisierten Handbüchern findet. Es handelt sich um Profile, Auszüge, Skizzen, selten vollständig und niemals offizielle Porträts. Sie folgen manchmal der Vorgehensweise der Karikaturisten: großer Kopf auf winzigem Körper!
Hier handelt es sich um Berichte von direkten Zeugen irgendwelcher Ereignisse. Oder um ihre Beurteilung. Oder durch Nacherzählung ihrer Aussagen um ein indirektes Porträt. Die Zeugen sind unterschiedlicher Art: sympathisch oder hart, neutral oder fanatisch, sauer oder süß, wichtig oder unwichtig, originell oder konventionell, subtil oder deutlich, genau oder eingebildet, immer wahr, selbst in der Übertreibung. Sie bringen manchmal das treffende Detail, aber immer Konkretes, aus der großen Menge, Gänsehaut verursachend, zum Lachen oder Weinen, in Erstaunen versetzend oder die Luft abschnürend, aufplusternd oder verkleinernd, sich wachsend oder schrumpfend fühlen. Insgesamt durchlebt man beim Lesen oder wiederholten Lesen dieser Ausschnitte die gesamte Palette an Gefühlen und Eindrücken.
Wie es weiter geht
Um sich einen Überblick zu verschaffen, ist es dringend zu empfehlen, mit der Einführung zu beginnen. Hier erfahren Sie, worum es in diesem Buch gehen soll oder nicht. Die Schweizer Geschichte für Dummies ist die Geschichte nicht der Kultur, nicht der Gedanken, nicht der Wirtschaft, nicht der Moral, nicht der Mentalitäten. Sie versteht sich nicht als allumfassende Geschichte. Es handelt sich zuerst und vor allem um eine politische Geschichte, nämlich der ältesten Demokratie der Welt: 2016 ist die Dame Helvetia 725 Jahre alt! Und hier ist ihre politische Biographie aufgezeichnet.
Wenn Sie die Schweizer Neutralität interessiert, beginnen Sie mit Kapitel 17 und lesen weiter bis Kapitel 19. Dort finden Sie Informationen über die beiden Weltkriege und ihre damit verbundenen Stärken und Schwächen. Wenn Sie verstehen wollen, wie sich die Schweiz territorial gebildet hat, vom Gotthard bis zu den Ufern der europäischen Seen, wie dem Genfersee und dem Bodensee, beginnen Sie mit Kapitel 4 und lesen geduldig weiter bis Kapitel 11. Hier erfahren Sie, wie das Land von drei Kantonen im Jahr 1291 schließlich acht, dann dreizehn, neunzehn und schließlich 1815 zweiundzwanzig Kantonen umfasste. Anschließend blättern Sie weiter bis Kapitel 20, um zu erfahren, wie es zu den 23 Kantonen von heute gekommen ist. Und wenn Sie wirklich nur Wilhelm Tell interessiert, beginnen Sie mit Kapitel 4. Dort erfahren Sie sogar, wer seine Frau war!
Das Inhaltsverzeichnis und die Stichwortverzeichnisse am Anfang bzw. am Ende des Buches erlauben Ihnen, direkt auf die gesuchte Information zuzugreifen. Darüber hinaus gestattet Ihnen eine Zeittafel am Ende des Buches, sich schnell einen Überblick zu verschaffen und die wichtigsten Momente eines faszinierenden Panoramas zu entdecken.
Teil I
Die Vorfahren der Schweizer (von 300 v. Chr. bis 1291 n. Chr.)
In diesem Teil …
Wollen wir uns die 1.600 Jahre der Periode von 300 v. Chr. bis 1291 n. Chr. anschauen, in denen die Eidgenossenschaft ins Leben gerufen wurde.
Erfahren Sie alles über die Vorfahren der Schweizer, die Helvetier.
Betrachten wir die Schweiz und Europa und die vielen keltischen Völker, Volksgruppen und Sippen.
Kapitel 1
Das keltische Volk der Helvetier (300–58 v. Chr.)
In diesem Kapitel
Woher kamen die Helvetier?
Die europäische Odyssee der Tiguriner
Helvetier, Sequaner und Häduer: ein vereinigtes keltisches Europa?
Bibracte, der erste große Sieg Cäsars
Die Schweizer rühmen sich, von den Helvetiern abzustammen. Diese Herkunft erschließt sich nicht so ohne weiteres. Bei der Verteidigung ihrer Sache verfügten sie aber über einen prominenten Fürsprecher: Julius Cäsar. Der Feldherr und Staatsmann verfasste ein halbes Jahrhundert vor Christi Geburt sein Werk Der Gallische Krieg, ein Bericht über seine Feldzüge in diesem Gebiet Westeuropas, das damals noch viel größer war als das heutige Frankreich.
Bemerkenswerterweise räumt der Memoirenschreiber dem Volk der Helvetier und ihrem Land in seinem Buch einen beneidenswerten Stellenwert ein, und das sogar ab den ersten Seiten seines Werkes. Er stellt fest, dass, wie die Belgier im Norden Galliens, auch »die Helvetier die anderen Gallier (übertreffen), weil sie fast täglich Kämpfe mit den Germanen austragen, immer, wenn sie diese entweder von ihrem eigenen Gebiet fernhalten oder wenn sie selbst auf deren Gebiet Krieg führen.« In den Augen Cäsars ergibt sich ein solcher Vergleich zwischen Helvetiern, Belgiern und Galliern ganz von selbst, denn die drei Völker gehören alle zu einem großen Ganzen, dem großen Gallien.
Doch diese tapferen Helvetier – und darauf stützt sich das Abstammungsargument der Schweizer – bewohnen ein Land, dessen Grenzen zu den Zeiten Cäsars mit denen der heutigen Schweiz zusammenfallen. Sogar die Ausdehnung dieses Landstrichs wird präzise angegeben: »in der Länge 240 Meilen und in der Breite 180 Meilen«. Die römische Meile entspricht 1.478 m, sodass man eine Ausdehnung von 345 km von Osten nach Westen, und von 266 km von Norden nach Süden erhält.
Die Schweiz, die Tochter Helvetiens
Nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand lässt sich die These, dass die heutigen Schweizer von den Helvetiern der Antike abstammten, auf das 15. Jahrhundert zurückführen, als der italienische Humanist Piccolomini (1405–1464) an den Feldzug Cäsars gegen die Helvetier erinnerte. In den 1570er Jahren bringt der Schweizer Chronist Ägidius Tschudi die Vorfahren der Eidgenossen zur Sprache. Ein Verweis auf die Antike erfolgt auch im Jahre 1536 mit der Verwendung des Adjektivs »helvetisch« im Helvetischen Glaubensbekenntnis, einem Werk zwinglianischer Theologen. 1579 ist es dann an den Katholiken, diesen Begriff zu verwenden: In Mailand gründen sie das Helvetische Kolleg. Die Bezeichnung »Helvetisches Corps«, die mit der Confoederatio Helvetica konkurriert, tritt zu Beginn des 17. Jahrhunderts hervor, und im 18. Jahrhundert wird sie von der französischen Diplomatie als offizielle Bezeichnung übernommen. 1672 malt der Künstler Albert Kauw die Helvetia, eine allegorische Figur, die eine schöne Zukunft verheißt. Im Jahre 1761 wird die Helvetische Gesellschaft gegründet. Ab 1780 erscheint der Helvetische Almanach. 1783 veröffentlicht der Waadtländer Pfarrer Bridel den ersten Band seiner berühmten Etrennes helvétiennes.
Die Französische Revolution von 1789 entfesselt die Helvetische Revolution von 1798, und aufgrund des Feldzugs nach Helvetien werden die Republik Frankreich und die helvetische Republik zu Schwestern. 1802 wird in Paris das helvetische Konsulat eröffnet. 1832 wird die mit liberalem Geist erfüllte Schweizer Studentenverbindung Helvetia gegründet. Ab 1846 sprechen die Grammatiker von »Helvetismen«, um damit bestimmte Wörter oder idiomatische Redewendungen der französischen Schweiz zu kennzeichnen. Die Bundesverfassung von 1848 bezeichnet die moderne Schweiz mit dem lateinischen Ausdruck Confoederatio Helvetica; diese Inschrift soll auf den Giebel des Bundespalastes in Bern eingraviert werden, wo man sie noch heute lesen kann. Das Bildnis der Helvetia prangt auf den Münzen der Eidgenossen seit 1850 und vier Jahre später auf einer Briefmarke. Zwischen 1878 und 1911 erscheint die radikale Helvetia, eine bedeutende illustrierte Monatszeitschrift die sich der Literatur, der Kunst und den neuesten Nachrichten widmet. Mater Helvetia wacht über die Schweizer Nationalausstellung von 1896 in Genf. Seit 1899 ist die Helvetia eine Gesellschaft gegenseitiger Hilfe. Was die Neue helvetische Gesellschaft als Zusammenschluss der Schweizer aller Sprachen, Glaubensbekenntnisse und Weltanschauungen angeht, so erblickt diese im Jahre 1914 das Licht der Welt und wählt zu ihrem Wahlspruch die Devise Pro Helvetica dignitate ac securitate. Zwischen den beiden Weltkriegen entwirft die Bundesverwaltung das Kürzel CH, eine Abkürzung von Confoederatio Helvetica; wahrscheinlich das berühmteste und am weitesten verbreitete, denn es ist auf den meisten in der Schweiz registrierten Fahrzeuge angebracht. Heutzutage, im Computerzeitalter, ist die Schweiz auf der ganzen Welt durch das Internetkürzel ».ch« bekannt. Kurz gesagt, halten die Schweiz und die Schweizer seit einem halben Jahrtausend ganz selbstverständlich an ihrer historischen Verankerung in diesem großen Europa fest, das einst das Römische Reich gewesen war, in dessen Mitte ihre Vorfahren, die Helvetier, geachtet und anerkannt waren.
Als »gallisch« noch dasselbe wie »keltisch« war
Zu den Zeiten von Julius Cäsar (101–44 v. Chr.) umfasst Gallien (Gallia auf Lateinisch) drei Teile: Den einen davon bewohnen »die Belgae, einen anderen die Aquitani und den dritten die, die in ihrer Sprache Celtae und in unserer Sprache Galli genannt werden. All diese unterscheiden sich voneinander in Gesetzen, Sprachen und Bräuchen.« Dabei darf nicht außer Acht gelassen werden, dass Cäsar unter dem Begriff Gallia nicht den Teil Galliens verstand, der den Römern bereits unterworfen war, also etwa die Dauphiné, Savoyen, die Languedoc und die Provence, die Gebiete, die eine römische Provinz bildeten. Das keltische Gallien jedoch liegt zwischen dem aquitanischen Gallien im Süden und dem belgischen Gallien im Norden und erstreckt sich vom Atlantischen Ozean bis zum Bodensee, umfasst demnach den Schweizer Jura und das heutige Schweizer Mittelland.
Nach Julius Cäsar umfasst das große Volk der Helvetier vier Teilstämme oder Länder (pagi, ein Begriff, den manche Historiker mit der Bezeichnung »Kantone« wiedergeben), er erwähnt jedoch nur einen davon, nämlich die Tiguriner. Heutige Historiker sind sich über die Zugehörigkeit der Tiguriner zum Volk der Helvetier nicht einig. Manche von ihnen verlegen sie in das Gebiet um Avenches.
Das Helvetien Cäsars ist nicht das des Tacitus, des römischen Historikers des 1. Jahrhunderts nach Christus. Cäsar beschreibt als Memoirenautor das Helvetien seiner Epoche; Tacitus schildert das Land, wie es in früheren Zeiten gewesen war: Er kennt es also nicht aus eigener Anschauung, sondern beschäftigt sich mit ihm als berufsmäßiger Geschichtsschreiber: Er wertet schriftliche Zeugnisse und insbesondere Überlieferungen aus, mit all dem, was ihnen an bloßen Mutmaßungen, Verzerrungen und Fabeln anhaftet. Für ihn bewohnen die Helvetier im zweiten Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung noch nicht das von seinem Vorgänger beschriebene Territorium, sondern den Süden Deutschlands, entweder das rechte Rheinufer, im Gebiet, das heutzutage zwischen Main und Schwarzwald gelegen ist, oder das zukünftige Franken.
Die Grenzen Helvetiens nach Julius Cäsar
Und so beschreibt Julius Cäsar die Grenzen Helvetiens in seinem Gallischen Krieg: »Die Helvetier sind auf allen Seiten eingeengt: An der einen Seite vom sehr tiefen und sehr breiten Rhein, der Helvetien vom Gebiet der Germanen trennt, an der zweiten Seite vom sehr hohen Juragebirge, das zwischen dem Gebiet der Helvetier und dem der Sequaner liegt und an der dritten Seite vom Genfer See und der Rhône, die unser Gebiet von den Helvetiern trennt.« Die Alpen erwähnt Cäsar nicht, denn der Rhein und die Rhône, die er beide ausdrücklich nennt, entspringen im alpinen Gotthard‐Bergmassiv. Was bedeutet, dass der südliche Hang des Gotthard in seinen Augen nicht »helvetisch« ist.
Helvetier oder »Protohelvetier«?
Was weiß man über die Helvetier vor Cäsar und Tacitus? Nur wenig, daher rühren auch die Wissenslücken der Historiker und Archäologen, die daran arbeiten, sie mit Forschungsprogrammen und Ausgrabungen auf allen Ebenen zu füllen. Nach dem gegenwärtigen Stand der Erkenntnisse datiert die erste dokumentierte Erwähnung der Helvetier ungefähr 300 Jahre vor unserer Zeitrechnung. Es handelt sich dabei um ein epigraphisches Dokument, eine Inschrift, mit etruskischen Buchstaben des Wortes Eluveitie – »ich gehöre zu Helvetien« – auf einer schwarzen Tonscherbe, die in Mantua, also außerhalb des helvetischen Territoriums, entdeckt wurde. Dieses Eigentumszeichen zeugt wahrscheinlich von der Anwesenheit von Helvetiern in Norditalien, bevor sie sich im heutigen Schweizer Mittelland niederließen. Außerdem ist dies auch ein Hinweis auf ein gewisses Lebensniveau. Doch auch wenn der mantuanische Helvetier damit einwandfrei bezeugt ist, gilt das jedenfalls nicht für den berühmten Heliko, den helvetischen Handwerker, der sich in Rom niedergelassen haben soll und – um seinen Lebensabend zu beschließen – wieder in sein Heimatland nördlich des Rheins zurückgekehrt sein soll. Angeblich soll er Feigen, Rosinen, Öl und Wein mit nach Hause gebracht haben. Die Resonanz auf seine importierten Waren soll so groß gewesen sein, dass er eine wahre Flut von keltischen Einwanderern nach Italien zu Beginn des 4. Jahrhunderts vor Christus ausgelöst haben soll. Plinius der Ältere (23–79 n. Chr.), der damalige Kommandant mehrerer Militäreinheiten in Germanien, war es, der uns vier Jahrhunderte später diese nicht mehr nachprüfbare Anekdote überliefert, die jedoch ein lebhaftes Bild vom Durchschnittshelvetier unter römischer Herrschaft liefert.
De facto wird allgemein angenommen, dass die Helvetier, wahrscheinlich unter dem Druck der Germanen (bei Cäsar hat man von ihrer gegenseitigen Feindschaft erfahren), den Rhein ungefähr um 150 v. Chr. überqueren. Wo lassen sie sich nieder? Im heutigen Schweizer Mittelland. Dort vermischen sie sich mit den Einheimischen, deren genaue Identität man nicht kennt, die jedoch Sequaner gewesen sein konnten, auf alle Fälle aber Kelten waren. Man kann sich durchaus vorstellen, dass die Bindung der Helvetier an die keltische Zivilisation und Kultur durch ihre Aversion gegen die Germanen bestärkt wurde. Oder sollte es ein Anachronismus sein, die Dinge so zu sehen?
110–100 v. Chr.: Die europäische Odyssee der Tiguriner
Zwischen 113 und 101 v. Chr. wanderten die Kimbern, ein germanisches Volk aus Jütland (heute Dänemark) ein und brachten die Teutonen mit, deren Herkunft ungewiss ist, es könnten Germanen oder Kelten gewesen sein. Beide Völker brachen Richtung Süden auf. Im Jahre 110 beschlossen die Tiguriner – nach Cäsar ein helvetischer Volksstamm – sich den Kimbern anzuschließen. Den Namen ihres Oberhaupts kennt man: der junge Divico, der glanzvolle Spitzname, der so viel bedeutet wie »der Göttliche«. Ihr langer Marsch führt sie in Richtung Atlantik. Nach mehreren Monaten kommen sie in Saintonge an. Dort halten sie sich einige Zeit auf, bevor sie wieder nach Toulouse aufbrechen.
Die ladinischen Helvetier
Die sogenannten »ladinischen« Helvetier lebten in der keltischen La Tène‐Zeit, in der zweiten Eisenzeit, etwa von der Mitte des 5. bis in die Mitte des 1. Jahrhunderts vor unserer Zeitrechnung. Mit La Tène wird der europäische archäologische Standort des Neuenburger Sees bezeichnet, der reich an Funden aus der ladinischen Kultur ist. Diese Schätze werden zum Teil im Laténium aufbewahrt, einem sehenswerten Museum, das genau an dieser Stelle errichtet wurde. Von dieser Kultur stammen auch noch weitere Stätten in der Schweiz, so etwa Saint‐Sulpice und Vevey im Waadtland, Münsingen‐Rain im Kanton Bern und Andelfingen im Kanton Zürich. Die Handwerker befinden sich auf dem Gipfel ihrer Kunstfertigkeit: ziselierter Bronzeschmuck, Helme mit reichhaltigen Intarsien aus Gold und Koralle. Und das Wichtigste: der zentrale Rang des Kriegers innerhalb der Gesellschaft. Die heutige Schweiz spielt also eine Mittlerrolle zwischen dem keltischen Abendland, dem zisalpinischen Bereich und Mitteleuropa. So wirkt sie mit an der Vermischung der Völker. Seit dem 2. Jahrhundert v. Chr. ist das Mittelland in die Zivilisation der oppida integriert, der befestigten Siedlungen, die als Marktplätze, politische Zentren und Zwischenlager fungieren. Beispiele für ein oppidum: die Engehalbinsel bei Bern, Basel und Genf. Cäsar zufolge umfasste Helvetien 50 Jahre vor unserer Zeitrechnung ungefähr ein Dutzend oppida und etwa 400 Dörfer. Doch er listet sie nicht auf. Die Archäologen, die die Steine zum Sprechen bringen können, haben oft Pech. Die Toponymie lässt sie, jedoch ohne wirklichen Beweis, glauben, dass Lausanne (Leusonna auf Keltisch, Moudon (Minnodunum), Nyon (Noviodunum), Yverdon (Eburodunum), wie Solothurn (Solodurum) oppida gewesen waren. Doch was das Oppidum vom Mont Vully bei Avenches angeht, das man für die Hochburg der Tiguriner hielt, so sorgten die Ausgrabungen für Enttäuschungen.
Saintonge
Das heutige Saintonge und das Aunis, Landschaften an der französischen Atlantikküste, entsprechen der antiken Provinz der Santonen, einem Volk des keltischen Galliens. Die Hauptstadt der Saintonge, die bei der Eroberung durch die Römer bereits florierte, erhielt damals den lateinischen Namen Mediolanum Santonum. Dies ist das heutige Saintes, das mit 27.000 Einwohnern die Hauptstadt des Départements Charente‐Maritime ist. Den Nachbarort von Saintonge, die Stadt Burdigula (Bordeaux) gibt es noch nicht, als die Tiguriner das Gebiet durchqueren. Sie wird erst im 1. Jahrhundert n. Chr. gegründet.
Die gallische Reise der furchterregenden Tiguriner – ihre Krieger sind für ihre Plünderungen berüchtigt – ist durch zwei Siege gekennzeichnet. Im Jahre 107 zunächst die Schlacht bei Agen, dem Agennum der Römer, der Hauptstadt der Nitiobrigen: Die römische Armee wird geschlagen, ihr Anführer Cassius getötet und die Überlebenden gezwungen, sich dem Joch zu unterwerfen. Nach einem Abstecher nach Iberien (Spanien) wenden sie sich wieder nach Norden und kämpfen in der Schlacht bei Arausio, einem keltischen Ort, der heute unter dem Namen Orange nördlich von Avignon bekannt ist. Dort schlagen sie im Jahre 105 an der Seite der Kimbern und der Teutonen erneut die Römer.
Sich unter das Joch begeben
Heutzutage wird der Ausdruck »sich unter das Joch begeben« nur noch in einem übertragenen Sinne verwendet. In der ursprünglichen Bedeutung ist damit zur Zeit der Römer gemeint, die Besiegten, die man zuvor entwaffnet und ihrer Uniform beraubt hat, zu zwingen, sich zu erniedrigen, indem man gebückt unter eine Stange hindurchgehen musste. Dieses Ritual wurde als entwürdigend angesehen, umso mehr, als man die Opfer danach oftmals in die Sklaverei abführte. Indem die Tiguriner und ihre Verbündeten die Römer unter ihr Joch zwangen, griffen sie also lediglich deren Brauch auf.
Hielten sie sich von jetzt an für unbesiegbar? Immerhin schien sie, ermutigt durch ihren zweifachen Sieg, nichts mehr aufzuhalten. Nachdem sie Gallien verwüstet haben, soll nunmehr Italien, das weite und reiche Land mit dem günstigen Klima, ihre Beute werden, jedenfalls denken sie das. Der Entschluss wird gefasst, den Stiefel in die Zange zu nehmen. Während die Kimbern die Alpen von Norden her überqueren und in der Poebene Rast machen, um sich mit den Teutonen zu verbünden, die vom Süden her kommen, werden diese in Aix‐en‐Provence im Jahre 102 von den abgehärteten Legionen des Marius zerrieben. Danach erringt derselbe Marius im darauf folgenden Jahr einen weiteren Sieg in Vercelli über die Kimbern.
Die Tiguriner entkommen dem Desaster, weil sie nach Noricum (im heutigen Österreich) gesandt wurden, um die Julischen Alpen zu besetzen. Um das Jahr 101 werden sie von dort, nicht ohne Verluste, durch die Römer unter Sulla vertrieben. Noch immer unter der Führung von Divico, kehren sie geschwächt nach Franken zurück, von wo aus sie etwa zwölf Jahre zuvor ausgezogen waren. Sie zögern nicht, sich im Schweizer Mittelland anzusiedeln, wo sich seitdem, wie man meint, alle Helvetier gesammelt haben.
Unter Julius Cäsar haben sich die Helvetier wohl am linken Rheinufer niedergelassen. Im Jahre 107 v. Chr. wandern dann die Helvetier aus Franken in das Schweizer Mittelland ein. Im Jahre 101 v. Chr. geboren, hat der künftige römische Memoirenschreiber vielleicht von diesen gerade erst in das Land Eingewanderten gehört.
Ein positives Bild von den Helvetiern, die sich in der heutigen Schweiz ansiedelten, liefert uns ein Grieche, der Philosoph Poseidonios (Poseidonius auf Latein), ein Zeitgenosse von Julius Cäsar. Er stirbt 51 v. Chr. in Rom. Als leidenschaftlicher Reisender besuchte er auch Gallien. Er spricht von den Helvetiern, die er als »reich an Gold, aber friedliebend« bezeichnet. Er sagt nicht, wo diese Goldwäscher arbeiten, doch die Historiker glauben, dass sich dies im goldhaltigen Massiv des Napfs abgespielt haben muss, zwischen den Kantonen Bern und Luzern.
58 v. Chr.: Gallien, der neue »Wilde Westen« der Helvetier
Einige offenbar friedliche Jahrzehnte vergehen. Dann machen die Helvetier 60 v. Chr. erneut in Europa von sich reden. Und wieder ist es Cäsar, der uns darüber informiert. Er erwähnt Orgetorix, der »bei weitem der vornehmste und reichste« Helvetier war. Dieser mächtige und angesehene Plutokrat überredet seine von der »Kriegsleidenschaft« beseelten Landsleute, aufs Neue, wie vor fünfzig Jahren zu emigrieren. Nichts einfacher als das! Übertreffen sie nicht in militärischer Hinsicht alle anderen?