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Ein ganz normaler Tag am Deich in Nordfriesland. Die Schafe fressen genüsslich ihr Gras - bis die Nachricht über einen entflohenen Serienmörder die Idylle durcheinanderbringt. Othello, ein stolzer Schafbock, und seine wolligen Damen beschließen, den Fall zu lösen und geraten in ein Netzwerk von russischer Mafia und Hamburger Unterwelt. Zurück am Deich fehlt nur noch Bruno, von allen Doktor Watson genannt, der in die Hände ominöser Clubbetreiber fiel und den ein oder anderen Wodka eingeflößt bekam.
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Seitenzahl: 62
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Yoli von Manowski
1. Auflage 2016
© Ahead and Amazing Verlag, Ostenfeld 2016
erschienen in der Edition Leuchtfeuer
Alle Rechte vorbehalten.
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt.
Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigung, Übersetzung, Mikroverfilmung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Illustrationen: Yoli von Manowski
Covergestaltung: Kristina Jelinski
Satz und Korrektorat: Kristina und Manfred Jelinski
ISBN (E-Book): 978-3-95990-601-2
Ahead and Amazing Verlag, Jelinski GbR, Magnussenstr. 8, 25872 Ostenfeld
www.aheadandamazing.de
Wer sagt, Schafe sind blöd, der hat ihnen nicht wirklich ins Gesicht geschaut. Jedes einzelne ist eine Persönlichkeit für sich und so verhält es sich auch.
Meine Suche nach Ruhe und Einsamkeit, um zu mir selbst zu finden, führte mich dank meines Sohnes Tassilo nach Nordfriesland.
„Komm zu mir, hier kannst du dir den Nordseewind um die Nase wehen lassen und deine Gedanken sortieren.“ Damals dachte er an vier Wochen. Es wurden acht Monate und heute lebe ich seit acht Jahren in der gesuchten Einsamkeit am Deich.
Von der Großstadt an den Deich. Es war wie auswandern.
Doch nicht die Natur allein, auch die Menschen, die nordfriesischen Ureinwohner, wie ich sie voller Bewunderung nenne, gaben den Ausschlag, mich hier niederzulassen. Und genau diesen Nachbarn hier im Koog möchte ich danken, dass sie mich ermuntert haben, weiterzumachen und meine Schafkomödie zu veröffentlichen.
Yoli von Manowski
"Ist das ein schöner Morgen! Die Sonne funkelt hinter den Wolken hervor, ein leichter Wind weht, die Nordsee plätschert in monotonen kleinen Wellen an den Steinrand, das frisch gewachsene Gras schmeckt vorzüglich, nachdem es diesmal viel mehr Wochen als sonst unter einer dicken Schneedecke ausharren musste - und mir geht es gut.“
So lag Luise, das Schaf mit dem besonders langen Fell auf der Deichkrone und verdaute das zweite Frühstück.
„Habt ihr den Zeitungsmann schon gesehen?“
„Ja!“, blökten die anderen Schafe, die in wenigen Abständen sich auch auf der Deichkrone sonnten.
„Und warum habt ihr ihn nicht aufgehalten und ihm die Zeitung geklaut? Ich will sie lesen!“
„Haben wir, aber diesmal kam der braune, schöne Bock.“
„Der Neue? Othello ?“
„Ja, Othello kam angerannt und hat sie uns weggenommen.“
„Das ist ja die Höhe!“, brummte Luise. „Auch wenn er schön ist, ich will sie zuerst lesen!“, stand auf, ging schnellen Schrittes und mit vor Kampfeslust gebeugtem Kopf zu Othello hinüber und blieb kurz vor ihm erstarrt stehen. ‚Dieser Blödbock frisst die Zeitung, anstatt sich die neuesten Nachrichten geistig einzuverleiben’, dachte sie feurig. „Hey, was machst du da? Eine Zeitung liest man und frisst sie nicht.“
„Ich esse die Weisheit!“, antwortete Othello mit dem Brustton seiner Schafbocküberzeugung.
„Ja, und ich esse meine Großmutter“, verhöhnte ihn Luise. „Hör auf zu mümmeln und gib mir den Rest!“ Und schwupp hat sie ihm einen dicken Packen aus dem Maul gerissen, sauste zu ihrem Platz zurück und forderte die anderen Schäfchen auf, einen Kreis um sie herum zu bilden, damit sie in Ruhe die restlichen Zeitungsfetzen lesen konnte.
„Ein Herr Carstensen ist gestorben.“
„Kennst du ihn?“, fragte das vorwitzige Schaf Fanny.
„Nein. Du?“
„Ich weiß nicht. Hier heißen ja so viele Leute Carstensen.“
„Ich kenne nur einen“, ereiferte sich Frieda, „aber der lebt noch. Der hat nämlich gestern die Lammkönigin gekrönt.“
„Was? Wir haben eine Lammkönigin? Wieso weiß ich nichts davon?“ Mit dieser Frage stand das alte Schaf Betti entsetzt auf und raste zu der anderen Gruppe, die sich immer noch mit dem zweiten Frühstück beschäftigte, um es ihnen zu erzählen.
Luise las weiter und wurde plötzlich ganz blass im Gesicht.
„Was ist denn mit dir los?“, fragte Fanny.
„Hört mal zu:
Serienmörder aus Strafanstalt entkommen
London – Wie Scotland Yard heute öffentlich bekanntgegeben hat, ist der zu lebenslanger Haft verurteilte Frauenmörder, Wladimir Kosczew, aus dem Gefängnis entkommen. Kosczew ist etwa 1,70 Meter groß, trägt eine graue Hose, einen schwarz-weiß gestreiften Pullover, eine grüne Schildmütze mit Ohrklappen und Gummistiefel. Er ist mit einem Beil bewaffnet und wird als äußerst gefährlich eingeschätzt. Da er mittellos ist, wird er wahrscheinlich seine bisherige Taktik anwenden und sich bei den arglosen Opfern einschleichen, Vertrauen aufbauen, sie töten, um sie anschließend auszurauben. Hinweise, die auf den Verbleib des Schwerverbrechers deuten, nimmt jede Polizeidienststelle entgegen. Auf die Ergreifung des Mörders ist eine hohe Belohnung ausgesetzt.
Wow, das ist ja ein Ding!“
„Wo ist denn London?“, fragte die kleine Fanny.
„London ist die Hauptstadt von England“, antwortete Othello, der neue Bock, der neugierig über das entsetzte Getuschel seiner Schäfchen hinzukam.
„Und dort heißen die Leute Koszwww oder so?“
„Nein, eigentlich nicht, das ist ein russischer Name. In England gibt es Leute, die heißen Blair, Smith, Brown, Rouss, Thatcher, …“
„Thatcher? Maggie Thatcher?“, entrüstete sich Luise. „Entsetzlich, die hat nämlich vor vielen Jahren auf den Falklandinseln alle Schäfchen niedermähen lassen. Solche Leute leben da?“
„Ja“, brüstete sich Othello.
„Aber wie kommen die Russen nach England?“, fragte Klein-Fanny, die zwischenzeitlich ebenfalls ganz blass geworden ist.
„Mit dem Schiff, sie haben sich wahrscheinlich eingeschmuggelt. Und so einer wird dann wohl auch der Frauenmörder sein.“
„Gott sei Dank ist das in England und nicht hier bei uns am Deich“, flötete Frieda erleichtert.
Othello, der sich immer mehr in seinem Element fühlte, antwortete schulmeisterlich: „England ist zu uns an den Deich mit dem Schiff nur einen Katzensprung weit. Und wenn ein Verbrecher Scotland Yard entwischen will, dann versucht er alles.“
„Meinst du, dass er sich hier bei uns verstecken würde?“, überlegte sich lautstark die kleine Fanny mit zitternder Stimme.
„Alles ist möglich!“
Mit diesen Worten verabschiedete sich Othello und ging zurück an die Stelle, wo ein weiterer frischer grüner Grashappen leuchtete.
In der Gruppe wurde es still. Alle lagen jetzt ganz dicht nebeneinander um das aufgekommene Unbehagen gemeinsam zu verdrängen. Keiner hatte mehr Appetit auf frisches Gras, keiner spürte den leisen Wind und die warmen Sonnenstrahlen. Jeder beschäftigte sich mit ihrer Angst. So vergingen die Tage.
„Ist dir etwas über die Leber gelaufen?“, fragte Hermann das kleine Schäfchen Fanny. „Du bist so nachdenklich in letzter Zeit. Kann ich dir helfen? Erzähle mir, wenn du möchtest, was dich bedrückt.“ Das Schaf Hermann hieß eigentlich Elisabeth. Weil aber Elisabeth besonders groß und kräftig war, und weil alle Schafe sich in Elisabeths Nähe geborgen und glücklich fühlten, wurde sie Hermann getauft. Wie Hermann, der Etrusker, der die Schlacht im Teutoburger Wald gewonnen hatte. Stark und mutig, genau so wie Elisabeth war. Und deshalb kuschelte sich Fanny an Hermann und erzählte das, was Luise vor Tagen aus der Zeitung vorgelesen hatte und das, was sie schon länger beobachtete: den Schäferkarren. „Der ist nämlich seit ein paar Tagen bewohnt. Die anderen sagen zwar, dort wohnt der neue Schäfer, aber noch nie hat ein Schäfer im Schäferkarren gewohnt. Es muss ein Obdachloser sein. Und außerdem trägt er immer Gummistiefel und ist ungefähr 1,70 Meter groß. Dann schaut er uns so komisch an, als wenn er sich denken würde: ‚Na, meine Süßen, lange lebt auch ihr nicht mehr.’ Ich hab Angst. Und seit ich das von dem Frauenmörder weiß, klapper’ ich sogar nachts mit den Zähnen. Es könnte ja sein, dass der Mörder von England mit dem Schiff schon angekommen ist und sich hier, getarnt als neuer Schäfer, versteckt.“