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Kufstein, Lugano, Breslau … bezaubernde, einmalige und nahezu versteckte Stadtschönheiten Europas, in denen Sie noch ungestört flanieren und staunen können. Etwa das italienische Ferrara mit seinen Renaissancebauten, das kroatische Vis mit romantischen Stränden, das niederländische Alkmaar mit gemütlichen Cafés oder das walisische Cardiff mit seinen Kastellen und Kathedralen. Gehen Sie auf Entdeckungsreise. Perfekt für viele Städtetrips.
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Seitenzahl: 316
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SECRET CITYS – Ein besonderes Pflaster
EUROPAS MITTE
1STRALSUND – Stolze Hansestadt
2POTSDAM – Friedrich, Film und Forschung
3MAGDEBURG – Bischofsstadt an der Elbe
4HALBERSTADT – Schatzkammer am Harzrand
5HILDESHEIM – Stadt der Wunder
6KASSEL – Es war einmal
7ESSEN – Im Herzen des Ruhrgebiets
8ZWICKAU – Schmuckstück Sachsens
9GÖRLITZ – Film- und Europastadt
10SPEYER – Kaiserstadt am Rhein
11LUDWIGSBURG – Schwäbisches Potsdam
12AUGSBURG – Handelsmetropole der frühen Neuzeit
13BASEL – Hohe Kunst und Straßenkultur
14GRUYÈRES – Märchenort hinter Befestigungsmauer
15LUGANO – Toskana in der Schweiz
16KUFSTEIN – Die Perle Tirols
17GRAZ – Genuss und Design
18LINZ – Barockpracht und ganz moderne Kunst
19LJUBLJANA – Die sympathische Drachenstadt
20ČESKÝ KRUMLOV – Schmuckkästchen Südböhmens
21BRATISLAVA – Alteuropa aufpoliert
22EGER – Perle des Barock in Ungarn
23BRESLAU – Brücke zwischen Ost und West
24ŁÓDŹ – Von der Textilmetropole zur Kulturstadt
25POSEN – Im Herzen von Großpolen
EUROPAS WESTEN
26CORK – Mehr als Business
27ABERDEEN – Silver City
28LIVERPOOL – Multikultureller Rhythmus
29WINCHESTER – Die alte Hauptstadt Englands
30BATH – Mondän auf sieben Hügeln
31GRONINGEN – Stadt der Fahrräder und Boote
32ALKMAAR – Hollands Käsestadt
33MAASTRICHT – Inspirationen zu beiden Seiten der Maas
34ANTWERPEN – Hafenstadt mit reichem Erbe
35GENT – Stadt der drei Türme
36MALMEDY – Der diskrete Charme Belgiens
37LILLE – Stadtjuwel im Norden Frankreichs
38REIMS – Ein prickelndes Erlebnis
39ANGERS – Kultur und Genuss im historischen Gewand
40METZ – Zauber im Zeichen der Mirabelle
41BEAUNE – Seeliges Burgund
42LYON – Mon amour
43ARLES – Römerstadt an der Rhône
EUROPAS SÜDEN UND SÜDOSTEN
44BRIXEN – Gepflegte Tiroler Lebensart
45GROSSETO – Zentrum der Maremma
46LIVORNO – Liebe auf den zweiten Blick
47URBINO – Zeitreise in die Renaissance
48CAGLIARI – Pulsierende Hafenstadt
49SALERNO – … und wird ein schöner Schwan
50BILBAO – Wandel einer Industriemetropole
51FIGUERES – Stadt Dalís
52CÁCERES – Steinernes Vermächtnis
53CARTAGENA – Sichtbare und verborgene Schätze
54MURCIA – Schmuckstück im Paradiesgarten
55COIMBRA – Alte Universitätsstadt
56TAVIRA – Entspannung an Fluss und Meer
57ZADAR – Streifzug durch 3000 Jahre
58SARAJEVO – Orient und Okzident im Tal der Miljacka
59SIBIU (Hermannstadt) – Metropole der Siebenbürger Sachsen
60SOFIA – Faszinierende Unbekannte
61THESSALONIKI – Schmelztiegel der Kulturen
62PAPHOS – Hafen zum Tempel der Aphrodite
EUROPAS NORDEN UND OSTEN
63AARHUS – Wikingerstadt mit Wohlfühlfaktor
64ODENSE – Andersens Märchenstadt
65ÅLESUND – Perle der Fjordküste
66GÖTEBORG – Hip und »mysig«
67KALMAR – Stadt aus Stein
68TURKU – Kunst und Lebensfreude am Aurajoki
69VILNIUS – Schönes und Schreckliches dicht beieinander
70LEMBERG – Galizische Schönheit
Register
Bildnachweis
Impressum
PANORAMA DES FLANDRISCHEN GENT.
STADTTHEATER POTSDAM, KONZERNZENTRALE VON THYSSENKRUPP IN ESSEN, STEG ZUR MURINSEL IN GRAZ, ARKADENPASSAGE IN LIVORNO, LECKEREIEN AUS GENT.
APHRODITE-FELSEN BEI PAPHOS (ZYPERN).
BRÜCKE ÜBER DIE MAINE IN ANGERS, RUE SAINT-JEAN IN LYON, BASAR IN SARAJEVO, SANT’EFISIO-FEST IN CAGLIARI, ALEXANDER-NEWSKI-KATHEDRALE IN SOFIA.
DAS NEOBAROCKE OPERNHAUS VON 1890 (TEATRO ARRIAGA) IN BILBAO.
Stadtluft macht frei. Im europäischen Mittelalter war die Stadt ein Sehnsuchtsziel, denn nach einem Jahr und einem Tag war man alle unangenehmen Bindungen an Dorf und Grundherrn los. Das Leben konnte neu beginnen. Es lockte der Duft der weiten Welt, die auf Märkten, in Tuchhallen, Kathedralen, im Hafen und in Spelunken zum Feilschen, Beten und Zechen zusammenkam.
Die Stadt war ein großes Versprechen. Heute zieht es Alt und Jung wieder dorthin. Suburbia war gestern, Reurbanisierung ist Trumpf. »Secret Citys« stellt Ihnen 70 besondere Städte vor. Unter den Auserwählten sind weder Metropolen noch pittoreske Örtchen, die dauerhaft und regelmäßig von Touristenscharen heimgesucht werden, sondern Städte mit einem unverwechselbaren Charakter, manche beschaulich, viele originell und alle attraktiv. Die 70 sind durchaus bekannt, werden geschätzt, liegen jedoch häufig ein wenig abseits der Verkehrsströme und werden auf der Fahrt in den Urlaub gern links neben der Autobahn liegen gelassen. Wer hat schon in Kufstein Halt gemacht, dem Heldenkonzert gelauscht und sich Zeit genommen, das rebsortenspezifische, funktionale Weinglas kennenzulernen. Wer hat sich, die Côte d’Azur vor Augen, in Lyon, immerhin die drittgrößte Stadt Frankreichs, in den »Bauch Frankreichs« gewagt und sich im Musée des Confluences den wirklich wichtigen Fragen des Lebens gestellt? Wer kennt den Palast von Izrael Poznański in Łódź? Wer weiß, dass »Silver City« keine Geisterstadt in Kansas ist? Wer vermutet Barock in Vilnius und Jugendstil in Ålesund? Wer findet Frieden in Sarajevo?
TEILNEHMER DES MASKENFESTIVALS WÄHREND DER VENEZIANISCHEN MESSE IN LUDWIGSBURG.
Europa weist eine ausgeprägte Stadtkultur auf, die ihre Wurzeln in der Antike hat. Auf Agora und Forum kamen einst die Bürger zusammen, um Handel zu treiben, sich über Neuigkeiten auszutauschen, erfolgreichen Feldherrn zuzujubeln oder Stimmung für ihre politischen Favoriten zu machen. Rom, die erste Millionenmetropole auf europäischem Boden, überzog sein Imperium mit Provinzstädten, die im Prinzip Kopien der Ewigen Stadt am Tiber waren. Auf ihr antikes Erbe können viele Städte in Italien und Frankreich zurückblicken, aber auch in Spanien, an der östlichen Seite der Adria und auf der Balkanhalbinsel. Der Norden und der Osten Europas, aber auch die einst muslimisch beherrschte Iberische Halbinsel weisen eigene Traditionen auf, die heute nicht weniger stolz präsentiert werden.
Einige Schätze aus mehr als zwei Jahrtausenden werden erst gehoben (Cartagena), andere werden selbstbewusst präsentiert (Halberstadt). Manches Stadtjuwel wird gerade entstaubt (Sibiu). Graue Industriestädte erfinden sich neu und können es heute in Sachen Kunst und Kultur locker mit den Metropolen aufnehmen. Bilbao und Liverpool sind besonders erfolgreich darin, Linz und Essen tun es ihnen nach. Vieles, was einst als Fortschritt gepriesen wurde und den Menschen Arbeit gab, dann Rost ansetzte und in Gefahr geriet, vergessen zu werden, wird »umgenutzt« und hat ein neues, schickes Gewand erhalten. Eine Stadt wäre beinahe ganz verschwunden, wenn ein österreichischer Großherzog nicht energisch Hand angelegt hätte. An ganz wenigen Orten ist alles so geblieben, wie es einmal (für gut befunden worden) war: In Coimbra spielt die Universität weiterhin die erste Geige, in Bath wird immer noch gebadet und in Alkmaar immer noch der Käse gerollt. »Secret Citys« hat sich in Europa umgesehen: von Sardinien bis Norwegen, von Portugal bis Litauen, von England bis Griechenland – und ist 70 Mal fündig geworden. Begleiten Sie uns auf einer Reise durch 28 Staaten und finden Sie Ihre Perle. Eine davon war uns im Übrigen sechs Seiten wert, weil sie wirklich viele, viele Geschichten zu erzählen hat. Der Name fängt mit »O« (griechisch) oder auch »S« (lateinisch) an, je nachdem, welche Geschichte Sie erzählen.
DER PINOT NOIR SCHMECKT IN BEAUNE, DEM GENUSS-MITTELPUNKT SEINER HEIMAT BURGUND, AM BESTEN.
BLICK ÜBER DIE ALTSTADT VON BRESLAU (WROCŁAW) MIT DEM SPÄTGOTISCHEN ALTEN RATHAUS AM GROSSEN RING (RYNEK), DEM ZENTRALEN MARKTPLATZ.
IM ABENDLICHT GLÜHEN DIE FARBEN EINES ALTEN HANSEHAUSES VOR DEM RATHAUS.
DAS EHEMALIGE HEILIG-GEIST-HOSPITAL FÜR ARME UND WAISEN IST EINE ALTSTÄDTISCHE IDYLLE.
Wie Leuchttürme ragen die mächtigen Türme der gotischen Kirchen aus dem Häusermeer der Hansestadt an der Ostsee. Kopfsteinpflasterstraßen führen zum Alten und Neuen Markt. Das Rathaus mit seiner markanten Ziegelfassade ist ein Wahrzeichen von Stralsund. Rot strahlt der Backstein, ein Kontrast zu Himmel und Meer.
Wie eine natürliche Reuse liegt der Strelasund zwischen dem Festland und der Insel Rügen. Der Meeresarm der Ostsee hat Stralsund den Namen gegeben – und den Reichtum gebracht. Er treibt den Stralsundern als natürliche Fangvorrichtung die Fische zu und bietet Platz für einen geschützten Hafen. Im Mittelalter gelang der finanzielle und prestigeträchtige Aufstieg als wichtiges Mitglied der Hanse des wendischen Quartiers. Die Altstadtstraßen führen in die Vergangenheit des Kaufmanns- und Städtebundes zurück. Rechts und links des Weges stehen Giebelhäuser aus verschiedenen Epochen. Eines der am besten erhaltenen Gebäude der norddeutschen Gotik ist das Wulflamhaus am Alten Markt mit seinem imposanten Pfeilergiebel. Einige Straßen weiter öffnen das Dielenhaus und das Museumshaus die Türen der großen Diele für Besucher. Sie laden in die Hansezeit ein. Sogar der hölzerne Lastenaufzug in die oberen Stockwerke funktioniert wieder.
Stralsund ist eine befestigte Insel, umgeben vom Strelasund, drei großen Teichen und einer teils erhaltenen, teils wieder aufgebauten Stadtmauer. Knieperteich, Frankenteich und Moorteich bilden einen natürlichen Schutz und waren von strategischem Vorteil für die uneinnehmbare Festung. Die Stadtmauer mit ihren lückenfüllenden Wiekhäusern hatte einst elf Stadttore. Zwei, das landseitige Kniepertor und das Kütertor, gewähren bis heute Einlass in die Stadt.
Auf dem Alten Markt geht der Blick nach oben, durch die Öffnungen der Schaufassade des Rathauses leuchtet der Himmel. Gemeinsam mit der St.-Nikolai-Kirche. zeigt sich ein eindrucksvolles Ensemble norddeutscher Backsteingotik. Im 13. Jahrhundert wurde mit dem Bau des Rathauses begonnen. Von Anfang an war der vierflügelige Mehrzweckbau der wirtschaftliche und politische Mittelpunkt der Stadt. Bis heute tagt im Obergeschoss die Bürgerschaft. Unten wurden in mehr als 40 Verkaufsbuden Waren gehandelt und im größten mittelalterlichen Gewölbekeller Europas lagerten Tuche und andere wertvolle Güter. In der Laubenhalle des Rathausdurchgangs erinnert die Büste von Gustav II. Adolf an den Aufenthalt des schwedischen Königs in Stralsund und den Beginn der Zeit, in der Stralsund zu Schweden gehörte: vom Dreißigjährigen Krieg bis 1815 – der Garnisonskommandant residierte im Commandantenhus schräg gegenüber.
Direkt neben dem Rathaus steht die älteste der drei gotischen Kirchen, die 1267 erstmals erwähnte St.-Nikolai-Kirche. Sie ist dem Schutzpatron der Seefahrer und Kaufleute, den wichtigsten Arbeitgebern der mittelalterlichen Stadt, geweiht. Das Innere der dreischiffigen Basilika mit Kreuzrippengewölbe erstrahlt in restaurierter farblicher Fassung. Trotz des Verlustes vieler Ausstattungsstücke während des reformatorischen Bildersturms von 1525 blieben wichtige sakrale Gegenstände erhalten. Eines der ältesten ist die etwa zwei Meter hohe Figurengruppe Anna Selbdritt, die 1307 erstmal erwähnt wird. Das über 600 Jahre alte Triumphkreuz hat seinen neuen Platz im südlichen Chor erhalten, der wahrscheinlich aus dem 15. Jahrhundert stammende Hochaltar ist ebenfalls restauriert. Von den weitreichenden Verbindungen der Hansekaufleute über die Ostsee erzählen das Rigafahrer-Gestühl, das Ahussische Gestühl und der Altar der Bergenfahrer. Das Äußere von St. Nikolai wird dominiert von zwei mächtigen Türmen. Nach einem Brand 1662 bekam der Südturm eine barocke Haube, während der Nordturm sich mit einem flachen Zeltdach begnügt.
DAS IMPOSANTE RATHAUS STEHT NEBEN DER NIKOLAIKIRCHE.
»AHOI«: STRALSUND IST EIN GUTER AUSGANGSPUNKT FÜR SEGELTOUREN.
Die zweite große gotische Backsteinbasilika steht am Neuen Markt: St. Marien, 1298 erstmals erwähnt, ist ein Meisterwerk der späten Backsteingotik. Ihr Turm (1549), zugleich Seezeichen, war 150 Jahre lang das höchste Bauwerk der Welt: 151 Meter hoch, bis ihn der Blitz im Jahre 1647 traf. Von den verbliebenen 104 Metern bietet sich heute ein weiter Blick über Stadt und Meer. Im Kirchraum sind nur wenige Ausstattungsstücke erhalten. Weltberühmt ist die Orgel von Friedrich Stellwagen (1659) hinter einem repräsentativen Orgelprospekt des Frühbarocks. Die Jakobikirche, die Ruine des Johannisklosters und das zum Meeresmuseum umgestaltete Katharinenkloster vervollständigen den mittelalterlichen Eindruck, zeigen aber auch die Wunden durch die Bombenangriffe des Zweiten Weltkriegs.
Wer mehr über das Meer wissen will, hat gleich drei Anlaufstationen zur Auswahl. Im Meeresmuseum, dem alten Katharinenkloster, stehen das Mittelmeer und die tropischen Gewässer im Mittelpunkt, inklusive Haien und Schildkröten. Informiert wird auch über die Tiefsee und die Nutzung der Meere durch den Menschen. Das Nautineum auf der Insel Dänholm vor der Altstadt zeigt eine Ausstellung zu den Themen Fischerei und Sicherung der Seewege. Publikumsmagnet ist jedoch das Ozeaneum am Hafen mit seiner geschwungenen Metallfassade. Besondere Anziehungspunkte in diesem futuristischen Bau sind die Wal-Modelle und die Aquarien mit Flora und Fauna aus Nord- und Ostsee sowie Nordatlantik. Die frische Ostsee selbst lässt sich im Strandbad Stralsund an der Sundpromenade testen.
Fisch lieber auf dem Brötchen? Der Bismarckhering bietet sich an, dessen spezielle Zubereitungsart angeblich in Stralsund durch Reichskanzler Otto von Bismarck 1871 seinen Namen erhielt. Ein Bier dazu? Seit 1827 braut die Störtebecker-Brauerei mehrfach ausgezeichnete Biere, täglich wird durch die Braumanufaktur geführt. In der Nähe sind die Gebäude der MV Werft, auf der nach schwierigen Nachwendejahren wieder 600 Beschäftigte arbeiten. Dort werden Megajachten mit Eisklasse gebaut. Die Tradition der stolzen Hansestadt Stralsund lebt weiter.
HIDDENSEE
Als Oase in der Ostsee beschrieb die Schauspielerin Asta Nielsen die Insel, ein Ort der Weltabgeschiedenheit nannte sie der Dramatiker Gerhart Hauptmann. Vom Fähranleger in Stralsund dauert die Fahrt über den Bodden 1,5–2 Stunden. Hiddensee, autofreier Teil des Nationalparks Vorpommersche Boddenlandschaft, ist ein Paradies für Naturliebhaber. Strände, Röhricht, Dünenheide und die Pioniervegetation auf den Neulandbildungen sind Refugien für Pflanzen und Tiere. Im Frühjahr und Herbst bieten die Kraniche ein graziles und zugleich lautes Schauspiel. Die hakenförmige Insel ist ein Wohlfühlort. Prominente, neben Hauptmann und Nielsen auch Oskar Kruse und Albert Einstein, haben das »söte Länneken« gerne besucht. Über den Dünen blitzt das Licht des Leuchtfeuers Dornbusch fast 45 Kilometer weit über die offene Ostsee.
WEITERE INFORMATIONEN
Stralsund,
www.hansestadt-stralsund.de
Meeresmuseum,
www.deutsches-meeresmuseum.de
Hiddensee,
www.seebad-hiddensee.de
DAS STADTTHEATER SCHICKT DIE SILHOUETTE SEINES EXZENTRISCHEN DACHS ÜBERS WASSER.
Ein Besuch im märkischen Potsdam gleicht einer Reise durch Europa: das weltberühmte Schloss Sanssouci, ein holländisches Viertel, die russische Kolonie Alexandrowka, ein Wasserwerk im Stil einer türkischen Moschee, Obelisken wie aus Ägypten, ein italienisches Dörfchen, eine französische Kirche und römische Bäder.
Großzügige Landschaftsgärten und weitläufige Havelseen prägen neben den Schlössern und der historischen Innenstadt das Bild der zum UNESCO-Weltkulturerbe gehörenden Stadt. 1660 erklärte der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm den 993 erstmals erwähnten Havelort zu seiner Residenz und lud die in Frankreich verfolgten protestantischen Hugenotten mit dem Toleranzedikt von Potsdam ein. Die 20 000 Neuankömmlinge brachten Erfahrungen aus der Landwirtschaft und Baukunst ihrer Heimat mit. Die Blütezeit der Residenzstadt begann. Seit 1990 ist Potsdam Landeshauptstadt von Brandenburg und bietet im Vergleich mit seinen 15 Schwestern die meisten Sonnenstunden, die zweithöchste Akademikerrate, das schnellste Internet und den höchsten Natur- und Freizeitwert.
Die Stadt an der Havel schmiegt sich um die größte Park- und Gartenlandschaft Deutschlands. Wie verstreute Perlen liegen 17 Schlösser, Paläste und Prunkbauten im Grün der Anlagen, deren berühmtester Gartenarchitekt Joseph Peter Lenné war. Das weltbekannte Schloss Sanssouci steht auf einem Weinberg, im Tal sprudelt die Fontäne und rechts und links wachsen Kirschen. Friedrich II. ließ sich mit Unterstützung von Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff sein Lusthaus errichten und nannte es Sanssouci, ohne Sorgen. Als das Rokokoschloss noch in der Planung war, wurde nebenan auf Wunsch des Alten Fritz bereits die Gruft für sein Grab ausgehoben. Potsdams Schlösser sind so vielfältig wie die Zeitläufte. Im Großen Garten steht die Prahlerei. So nannte Friedrich II. das nach dem Siebenjährigen Krieg errichtete Neue Palais mit seinen 970 Räumen. Es wurde später der bevorzugte Wohnort des letzten deutschen Kaisers mit Tennisplatz und elektrischer Beleuchtung, bevor er sich mit 90 vollgepackten Eisenbahnwaggons ins Exil nach Holland absetzte. Ein Schmuckstück des Klassizismus liegt nicht weit hinter den Anlagen des Hippodroms. Das Schloss Charlottenhof wurde von Karl Friedrich Schinkel im zarten Weiß-Blau für die bayerische Prinzessin Elisabeth Ludovika gestaltet. Oberhalb der Maulbeerallee führen steile Treppenstufen zum Drachenhaus mit seinen Wasserspeiern im chinesischen Stil und durch die Baumallee ragt das Belvedere auf dem Klausberg. In der Nähe steht die wie eine Kulisse wirkende Orangerie im Stil der Neorenaissance. Sie holte mit ihrer großzügigen Gestaltung und der Präsentation von Zitrusfrüchten italienisches Flair nach Preußen. Unterhalb liegt als »italienisches Dörfchen«, zartrosa und hellgelb gestrichen, das Krongut Bornstedt.
AUCH EIN BRANDENBURGER TOR – AM POTSDAMER LUISENPLATZ.
Potsdam war jahrhundertelang die wichtigste Residenzstadt der Hohenzollern. Es gibt eine zweite Orangerie im Park Sanssouci, ein zweites Belvedere frisch renoviert auf dem Pfingstberg und einen zweiten großen Garten, den Neuen Garten am Heiligen See. Direkt am Ufer steht auf einer Terrassenanlage das frühklassizistische Marmorpalais. Das Kleinod des Architekten Carl von Gontard ist mit schlesischem Marmor in verschiedenen Farbnuancen verkleidet und bietet eine idyllische Aussicht in die Blickachsen der Gartengestaltung und über den See. Am Eiskeller vorbei führt ein Spazierweg zum letzten Schloss der Hohenzollern. Mit Blick auf die Havel wurde das Schloss Cecilienhof während des Ersten Weltkriegs im englischen Landhausstil errichtet. Am Ende des Zweiten Weltkriegs fand hier die Potsdamer Konferenz der Alliierten statt. In den historischen Schlossräumen erläutert eine Ausstellung die Ereignisse von damals.
Die düsteren Folgen der Teilung Deutschlands zeigt die ehemalige Verbotene Stadt neben dem Neuen Garten. Das Villenviertel wurde vom sowjetischen Militär beschlagnahmt, um die Deutschlandzentrale des KGB einzurichten. Die sowjetische Spionageabwehr war der wichtigste nachrichtendienstliche Vorposten an der Nahtstelle zum Westen. Das KGB-Gefängnis von damals ist heute Teil einer Ausstellung, zu der ein Geschichtspfad führt.
Im Stadtzentrum liegt das größte holländische Viertel außerhalb der Niederlande. Die 134 roten Backsteinhäuser aus dem 18. Jahrhundert sind das Ambiente für kleine Läden und Restaurants. Einmal im Jahr ist es Kulisse für ein großes Tulpenfest. Am Ende der innerstädtischen Hauptstraße steht das Brandenburger Tor, erfüllt von Stolz, einige Jahre älter als der berühmte Berliner Namensvetter zu sein. In den einfachen Zopfstilhäusern des barocken Stadtkerns waren im Dachausbau die Stuben der Soldaten untergebracht – die Hohenzollern dachten praktisch in der seit 1713 ausgebauten Garnisonsstadt.
Der Alte Markt war die Keimzelle der Stadt. Die alte Burg, zum Stadtschloss umgebaut, ging am 14. April 1945 mit der Innenstadt im Bombenhagel unter. Die 2014 eröffnete Rekonstruktion beherbergt hinter historischen Fronten den Brandenburger Landtag. An der Fassade steht selbstironisch in goldenen Buchstaben »Ceci n’est pas un château«, dies ist kein Schloss. Die Nikolaikirche mit ihrer klassizistischen Schlichtheit bietet nach einem Aufstieg einen schönen Rundblick über den Stadtkern. Der neueste Publikumsmagnet ist das Museum Barberini im ebenfalls rekonstruierten gleichnamigen Palais.
Zu den Höhepunkten gehört der Telegrafenberg mit dem Wissenschaftspark Albert Einstein, 94 Meter über dem Meeresspiegel. Die erste optische Telegraphenstation von 1832 erinnert an die Anfänge der Kommunikationstechnik. Der Große Refraktor von 1899 war einst das am weitesten reichende Linsenfernrohr weltweit in der speziell für die Astrophysik errichteten Sternwarte. 1920 planten Albert Einstein und Erich Mendelsohn ein neues Observatorium im revolutionären Einsteinturm mit Turmteleskop zur Sonnenbeobachtung. Damit sollte die Relativitätstheorie bewiesen werden. Im benachbarten Institut für Klimafolgenforschung werden hochaktuelle Arbeiten und Ausstellungen gezeigt.
Nicht um Realität, sondern um Fiktion dreht sich alles in den Studios von Babelsberg. 1912 wurde dort der erste Stummfilm gedreht. Seitdem haben sich Ateliers zum größten Filmstudio Europas mit Produktionen wie »Babylon Berlin« entwickelt.
Potsdam ist eine Stadt am Wasser. Die Havel teilt sich in den Jungfernsee, den Tiefen See, den Genthiner See, den Zernsee und in die Alte und Neue Fahrt. Immer ist das Wasser nah und die Möglichkeiten zum Wassersport, für Schiffsrundfahrten oder zum Baden sind zahlreich. Ein Supermarkt lockt mit eigenem Bootsanleger und Ausflugsgaststätten an Uferspazierwegen laden zum »Potsdamer«, dem Bier mit Himbeerlimonade.
DIE FIGUREN AM CHINESISCHEN HAUS IM PARK VON SANSSOUCI GENIESSEN IHREN TEE.
BLICK ÜBER DEN FLATOWTURM MIT DER HAVEL IM HINTERGRUND.
SCHWIELOWSEE
Die Region Schwielowsee verbindet die Schönheit der märkischen Natur mit vielen Kleinodien. In Ferch hängt an der wolkenbemalten Decke der Fischerkirche ein Taufengel, der vielleicht einmal die Galionsfigur eines Schiffes war. In einem der ältesten Dorfhäuser sind Werke der Malerkolonie ausgestellt und seit 1996 gedeiht am Ortsrand ein Bonsaigarten. In Caputh steht das Jagdschloss, dessen Prunkraum mit über 7500 Fliesen im holländischen Stil ausgestattet wurde. Am Ufer des Sees legt die Fähre »Tussy II« ab. Albert Einstein lud seinen Sohn in sein Sommerhaus: »Komm nach Caputh, pfeif auf die Welt.« Am anderen Ufer steht in Petzow ein malerisches, von Karl Friedrich Schinkel 1825 geplantes Ensemble aus Kirche, Schloss, Gutshof und Park. Um den See führt ein Radweg, vorbei an Wassersportmöglichkeiten, Miethausbooten und idyllischen Ausflugslokalen.
WEITERE INFORMATIONEN
Potsdam,
www.potsdam.de,
www.reiseland-brandenburg.de/orte-regionen/urlaubsregionen/potsdam/
Filmpark Babelsberg,
www.filmpark-babelsberg.de/de/
Schwielowsee,
www.schwielowsee-tourismus.de
DIE 2005 WIEDER ERRICHTETE STERNBRÜCKE VERBINDET DIE MAGDEBURGER ALTSTADT MIT DER ELBINSEL ROTEHORN.
Seit 2010 trägt die Landeshauptstadt von Sachsen-Anhalt den Beinamen »Ottostadt«. Denn vor mehr als tausend Jahren machte Kaiser Otto der Große aus Magdeburg eine Stadt mit Ausstrahlung und einen wichtigen Handelsstützpunkt. Im 17. Jahrhundert inspirierte der Bürgermeister und Wissenschaftler Otto von Guericke die Stadt.
In beherrschender Lage erhebt sich der auf dem Domfelsen errichtete Dom St. Mauritius und Katharina über der Altstadt. Die über dem ottonischen Vorgängerbau errichtete Kathedrale ist der erste gotische Kirchenbau in Deutschland. Zur reichen Innenausstattung zählen die zehn Skulpturen der klugen und törichten Jungfrauen, das Domherrenchorgestühl und die Alabasterkanzel. Der Dom, einige Häuser am großen Domplatz und das Kloster Unserer Lieben Frauen waren die einzigen Gebäude, die von der völligen Zerstörung der Stadt im Dreißigjährigen Krieg durch die kaiserlich-katholischen Truppen unter Tilly und Pappenheim verschont geblieben waren. Das nachfolgende grauenhafte Massaker, dem rund 20 000 Magdeburger zum Opfer fielen, ging unter dem Namen »Magdeburger Hochzeit« in die Geschichte ein. Die einst reiche protestantische Hochburg am Rand der fruchtbaren Magdeburger Börde versank für einige Zeit in der Bedeutungslosigkeit.
Die schon seit dem 13. Jahrhundert nachgewiesenen Festungsmauern konnten die Stadt nicht vor der Verwüstung schützen. Ab 1702 begann der Wiederaufbau und Ausbau zur stärksten Festung des noch jungen Preußen. Zahlreiche Überreste blieben erhalten und bereichern das Stadtbild – aus mittelalterlicher Zeit der Stadtmauerturm Kiek in de Köken, aus preußischer Zeit die Bastion Cleve und aus dem 19. Jahrhundert mehrere Rayonhäuser. Ein etwa eineinhalbstündiger Stadtrundgang führt zu den teils aufwendig restaurierten Festungsbauwerken. Nicht dazu zählt die Grüne Zitadelle – der bizarre bunte Gebäudekomplex ist das letzte von Friedensreich Hundertwasser entworfene Objekt.
IM JAHR 2000 WURDE DIE 1966 GESCHAFFENE KOPIE DES MAGDEBURGER REITERS AUF DEM ALTEN MARKT VERGOLDET. DAS UM 1240 GESCHAFFENE REITERSTANDBILD STELLT VIELLEICHT KAISER OTTO I. DAR.
Bedeutende Sehenswürdigkeiten befinden sich innerhalb der Festung in der Altstadt und in der Alten Neustadt. Um 1063 wurde in unmittelbarer Nähe zum Dom das romanische Kloster Unserer Lieben Frauen errichtet. Der Gebäudekomplex wird heute als Museum und Konzerthalle genutzt. Nach den Zerstörungen im Dreißigjährigen Krieg und im Zweiten Weltkrieg blieb von den Kaufmannshäusern am Alten Markt wenig übrig. Nach 1950 wurden das Alte und das Neue Rathaus wieder aufgebaut. Auf dem Marktplatz steht unter einem barocken Baldachin eine Kopie des Magdeburger Reiters aus dem 13. Jahrhundert.
Unter dem Motto »Magdeburger Moderne« würdigt die Stadt 2019 zum hundertjährigen Jubiläum des Bauhauses die zahlreichen Bauwerke aus jener Zeit. Zu ihnen zählen die in kubischen Formen gestaltete Stadthalle von 1927, das Kriegsdenkmal von Ernst Barlach im Dom, das Pferdetor im Rotehornpark und die von Stadtbaurat Bruno Taut inspirierte bunte Otto-Richter-Straße.
Zu den herausragenden Bauhaus-Bauten gehört der 60 Meter hohe Albinmüller-Turm im Rotehornpark, der grünen Lunge Magdeburgs auf einer Insel in der Elbe. Albin Müller schuf auch stilprägende Gebäude auf der Darmstädter Mathildenhöhe. Blickfang des Aussichtsturms ist die gläserne Turmspitze. Auch der schiefe Turm in Hundertwassers Grüner Zitadelle zieht den Blick auf sich, ebenso der anlässlich der Bundesgartenschau 1999 errichtete Jahrtausendturm im Elbauenpark. Er gehört mit seinen ebenfalls 60 Metern zu den höchsten Holzgebäuden der Welt und zeigt wissenschaftliche Errungenschaften der Menschheit. In der Lukasklause, einem spätgotischen Wehrturm, ist das Otto-von-Guericke-Museum untergebracht. Die Ausstellung ist Guerickes Leben und Werk gewidmet und zeigt funktionstüchtige Nachbildungen seiner Experimentiergeräte. Auf dem Ratswaageplatz wurde 2005 eine Skulptur zum berühmten Magdeburger Halbkugelversuch eingeweiht. Guericke bewies damit die Wirkung des Luftdrucks. Ein beliebtes Souvenir sind Pralinen in Form der Halbkugeln.
WASSERSTRASSENKREUZ MAGDEBURG
Als technisches Meisterwerk gilt das Wasserstraßenkreuz bei Hohenwarthe nördlich von Magdeburg. Hier überquert der Mittellandkanal die Elbe. Die Anfänge reichen bis ins frühe 20. Jahrhundert zurück. 1938 wurde das Schiffshebewerk Rothensee zur Überbrückung des Höhenunterschieds von 16 Metern zwischen Mittellandkanal und Rothenseer Verbindungskanal errichtet. Seit 2006 ersetzt die Schleuse Rothensee das als technisches Denkmal weitergeführte Schiffshebewerk. Highlight ist die in Trogbrückenbauweise angelegte Kanalbrücke. Beliebt sind Schiffsfahrten auf dem Wasserstraßenkreuz. Das Bauwerk ist Teil des Verkehrsprojekts Deutsche Einheit Nr. 17 für eine Wasserstraßenverbindung zwischen Dortmund-Ems-Kanal und Berlin.
WEITERE INFORMATIONEN
Sehenswürdigkeiten,
www.magdeburg-tourist.de
Magdeburger Moderne,
www.bauhaus100.de/programm/veranstaltungsdetails/419
Wasserstraßenkreuz,
www.wasserstrassenkreuz-magdeburg.info
BLICK ÜBER HAUSDÄCHER UND KIRCHTÜRME (MITTE DOM, RECHTS ST. MARTINI) BIS ZUM HARZRAND.
Die Silhouette der Kirchtürme beeindruckt und erzählt von der 1200-jährigen Geschichte der Stadt. Halberstadt liegt am nördlichen Harzvorland am Rande des Höhenzuges Huy und entwickelte sich im Mittelalter unter dem Kaisergeschlecht der Ottonen zu einer reichen Stadt. Ihr größtes Juwel ist der Domschatz.
Bis zum 8. April 1945 war Halberstadt eine der schönsten Fachwerkstädte Deutschlands. An diesem Tag wurde der Ortskern durch amerikanische Bomben zur Feuerhölle. Ziel des Angriffs waren das Zentrum der alten Garnisonsstadt und die Junkers-Zweigwerke. Am 11. April besetzten US-Amerikaner die Stadt, am 18. Mai wurde sie an die Briten und Ende Juni 1945 an die Sowjets übergeben. Die Stadt war zu 82 Prozent zerstört.
In der Nachkriegszeit wurden Plattenbauten gegen den Wohnungsmangel errichtet und breite Straßen durch die Trümmer geschlagen. Viele der alten Fachwerkhäuser, die den Krieg überstanden hatten, verfielen. Aus Sicherheitsgründen wurden ganze Straßenzüge abgesperrt, marode Häuser schließlich abgerissen. Doch immer ragten stolz aus dem Häusermeer die Kirchtürme des Doms und, ihm gegenüber, der Liebfrauenkirche – die romanische Basilika ist die einzige in Mittel- und Norddeutschland mit vier Türmen.
Der 1236 begonnene und 1491 geweihte Dom ist eine konsequente Umsetzung französischer Kathedralgotik. Die Halberstädter Dombaumeister folgten dem großen Vorbild in Reims mit offenem Strebewerk und Seitenschiffen als Umgang um den polygonalen Chor. In der Domschatzkammer wartet eine der weltgrößten mittelalterlichen Sammlungen sakraler Kunst. 300 von insgesamt 650 Exponate sind, nicht nur hinter Vitrinen, zu bewundern. Zu den berühmtesten gehören der Abraham-Engel-Teppich von 1150. Ältestes Exponat ist ein Konsulardiptychon als aufklappbares Schreibtäfelchen aus Ravenna von 416. Nicht nur die Kirchen am Domplatz, sondern auch ihre neun romanischen und gotischen Schwestern wurden wiederaufgebaut bzw. restauriert: St. Martini mit den beiden unterschiedlich hohen Türmen gehörte immer den Bürgern, nie dem Klerus. Die St.-Johannis-Kirche gilt als größte Fachwerkkirche Deutschlands. St. Burchardi ist das Ziel für diejenigen, die Achtsamkeit suchen: Dort erklingt das Orgelwerk von John Cage »As slow as possible«. Der letzte Ton der Komposition wird im Jahr 2640 verhallen.
STEINERNE ZUHÖRER IM DOMSCHATZ.
An der nördlichen Seite des Domplatzes lädt das Städtische Museum im ehemaligen barocken Wohnsitz des Herrn von Spiegel zu einem Besuch. Ganz in der Nähe steht mit dem Gleimhaus ein »kultureller Gedächtnisort mit besonderer nationalen Bedeutung«. Im ehemaligen Wohnhaus des Dichters, Sammlers und begnadeten Netzwerkers Johann Wilhelm Ludwig Gleim ist seit 1862 eines der ältesten Literaturmuseen in Deutschland untergebracht. Bereits Gleims Freund Goethe war von der Sammlung, die heute »Museum der deutschen Aufklärung« heißt, begeistert.
Im Heineanum wartet neben einem Plateosaurus und einem Plesiosaurus eine herausragende ornithologische Sammlung. Das Berend-Lehmann-Museum der Moses-Mendelssohn-Akademie ist ein Zeugnis des jüdischen Lebens in Halberstadt. Kern des Museums sind die teilweise erhaltene Mikwe und die Klaussynagoge.
Gegen den kleinen Hunger zwischendurch hilft der Biss in eine knackige »Halberstädter«. 1896 wanderte in Halberstadt erstmals eine Brühwurst konserviert ins Glas. Nur das Riesenweinfass im Jagdschloss ist leider leer.
ALTSTADT-IDYLLE.
DIAKONISSENMUTTERHAUS ELBINGERODE
Unzerstört, auf höchstem Niveau gepflegt, immer noch in ursprünglicher Nutzung und wenig bekannt, ist das Diakonissenmutterhaus am Stadtrand von Elbingerode eines der herausragenden Beispiele der Bauhaus-Architektur. 1932 wurde es nach Plänen des Architekten Godehard Schwethelm als Erweiterungsbau einer bestehenden Anlage errichtet. Schwethelm war geschult in der zeitgenössischen Moderne, seine Ideen hat er auch in vielen Ausstattungsgegenständen wie Türklinken und Kochherd verwirklicht. Spektakulär ist das noch in Betrieb befindliche Hallenbad direkt unter dem Kirchenschiff. Der separate Eingang ist mit Fischen dekoriert. Oben wird gebetet, unten geschwommen. Hier ist »Bauhaus« kein Museum, sondern Alltag. Ein integriertes Heizkraftwerk heizt die Tomatenstauden und das Schwimmbad. Letzteres ist der Öffentlichkeit zugänglich und ermöglicht ein stilreines Erlebnis.
WEITERE INFORMATIONEN
Domschatz,
www.die-domschaetze.de
Gleimhaus, Museum der deutschen Aufklärung,
www.gleimhaus.de
Elbingerode,
www.mutterhaus-elbingerode.de
DAS 26 METER HOHE KNOCHENHAUER-AMTSHAUS IST DER EINDRUCKSVOLLSTE FACHWERKBAU AUF DEM MARKTPLATZ.
Das Stadtbild des 1200-jährigen Hildesheims grenzt an ein Wunder: durch seine romanischen Gotteshäuser, den Mariendom mit seinen Kunstschätzen und der Michaeliskirche und nicht zuletzt durch die Rekonstruktion der Altstadt, die im Februar und März 1945 durch Bombenangriffe in Schutt und Asche gefallen war.
Ein Wunder beflügelte auch den Bau des Doms St. Mariä (9. Jh., gerade frisch restauriert): Kaiser Ludwig der Fromme hatte einer Legende nach aus Dank für die Errettung nach einem misslungenen Jagdausflug eine Marienkapelle erbauen lassen und die Kaufmannsiedlung an der Furt des Hellwegs, einer wichtigen West-Ost-Verbindung, 815 zur Bischofsstadt erhoben. Dort, wo Ludwig die Hilfe der Gottesmutter erflehte, wuchs der nun »tausendjährige« Wildrosenstock. Das Wahrzeichen Hildesheims überstand auch das Inferno des Zweiten Weltkriegs und blüht noch heute an der Apsis des Doms. Seine Blüte als Stadt erlebte Hildesheim unter Bernward, Bischof von 993 bis 1022. Er ließ die Michaeliskirche, eine doppelchörige Basilika mit mächtigen Vierungstürmen und ausgemalter Holzdecke (13. Jh.), errichten und schuf mit einem 4,72 Meter hohen Bronzeportal ein einzigartiges Kunstwerk: In die beiden Flügel der Bernwardstür am Dom sind 16 detailreiche Reliefs gearbeitet, die Szenen aus dem neuen Testament in fast moderner Anmutung zum Leben erwecken.
Berühmt ist Hildesheim auch für seine historischen Bürger-, Patrizier-, Gilde- und Handwerkerhäuser aus fünf Jahrhunderten. Als einer der schönsten Fachwerkbauten Deutschlands gilt das Knochenhauer-Amtshaus, früher das Zunfthaus der Fleischer, auf dem Marktplatz mit seinem überreichen Schnitzwerk und Dekor; das 26 Meter hohe Fachwerkjuwel blickt auf das spätgotische Rathaus (13.–15 Jh.). Im Unterschied zu den Nachbarhäusern wurde nicht nur die Fassade (außer Tempelherrenhaus, 1457) rekonstruiert, sondern das komplette Gebäude (bis 1990). Ein Film des Stadtmuseums in den oberen Stockwerken zeigt die eindrucksvolle Rekonstruktion. Originell: Eine Fahrt durch Hildesheim mit einer alten Straßenbahn als »Road Movie«. Noch mehr Fachwerk – im Original – bietet die Neustadt im Viertel um Gelben Stern, Keßler- und Goschenstraße. Wer sich nicht entscheiden kann, wohin zuerst – die Rosenroute führt zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten.
IM VIERTEL AM KEHRWIEDERTURM STEHEN DIE ÄLTESTEN GEBÄUDE VON HILDESHEIM NOCH IM ORIGINAL.
Was immer mehr Beachtung, nicht nur unter Denkmalpflegern, findet, ist die Nachkriegsbebauung. Ganze Straßenzüge mit lindgrünen und zartrosa gestrichenen zweigeschossigen Wohnhäusern strahlen den Charme der 1950er-Jahre aus. Alle Schönheiten lassen sich vom Turm der Andreaskirche bewundern, mit 115 Metern der höchste in Niedersachsen.
Unter dem Dach ehrfurchtsvoller Geschichte präsentiert sich Hildesheim als junge Stadt, der die Studenten der wachsenden Universität ihren Stempel aufdrücken. Urige Kneipen, gemütliche Cafés, spritzige Restaurants und lauschige Buchläden sind Zeugnisse davon. Jedes Jahr im September verwandeln sich Straßen und Gassen der Innenstadt im »Pflasterzauber« zu einer Bühne für Straßenmusiker und Straßenkünstler. Nach Alt-Ägypten, Alt-Peru und Ostasien entführt das Roemer- und Pelizaeus-Museum, eine kulturhistorische Sammlung von europäischem Rang. Von edlem Porzellan grinsen chinesische Drachen und ein freundlicher Terrakottakrieger weist dem Besucher den Weg.
SCHLOSS MARIENBURG
Georg V., König von Hannover, ließ sein Neuschwanstein in Sichtweite der Hildesheimer Kirchtürme auf dem Schulenburger Berg über der Leine bauen, allerdings nicht als Rückzugsort, sondern als repräsentatives Geschenk für seine Frau Marie nach der Thronbesteigung 1857. Sie übernahm die Gestaltung – ihr Mann war blind – und baute ihre Sommerresidenz, Schloss Marienburg, als Traum aus Neugotik mit 144 Zimmern, moderner Schlossküche und Fußbodenheizung. Die Innenausstattung ist fast komplett erhalten. Konnte die Königin ihr Schmuckstück kaum genießen, weil sie 1867 ihrem Mann ins Exil folgen musste – nach dem Deutschen Krieg 1866 war Hannover an Preußen gefallen –, öffnen die Welfen heute die Pforten für den romantisch oder festlich gestimmten Normalbürger.
WEITERE INFORMATIONEN
Besucherzentrum Weltkulturerbe,
www.hildesheim.de/tourismus
Roemer- und Pelizaeus-Museum,
www.rpmuseum.de
Schloss Marienburg,
www.schloss-marienburg.de
DER MARKTPLATZ VON HILDESHEIM MIT DEM MARKTBRUNNEN VON 1540 IST EINE GELUNGENE HISTORISCHE REKONSTRUKTION.
DIE »SPITZHACKE« AM UFER DER FULDA SCHUF CLAES OLDENBURG 1982 ANLÄSSLICH DER DOCUMENTA 7.
Die documenta, die Wilhelmshöhe und ja, ein Autobahndreieck, das verbinden viele mit Kassel. Die beiden ersten Nennungen könnten schon neugierig auf eine Stadt machen. Doch das mit fürstlich-architektonischer Pracht und exquisitem Grün gesegnete Kassel punktet auch noch mit Museen von skurril bis spektakulär.
Kassel klingt in manchen Ohren nach langweiliger Provinz. Das Gegenteil ist der Fall. Die bereits im ersten Jahrtausend erwähnte Stadt an der Kreuzung wichtiger Handelsstraßen blühte stetig auf. Die landgräfliche Residenzstadt des 13. Jahrhunderts mit mächtiger Burg wurde im 16. Jahrhundert zur Festung ausgebaut. Sie galt als uneinnehmbar. Landesherren wie Karl I. oder Wilhelm I. sparten nicht an der Förderung von Architektur, Kunst und Gartengestaltung. Kein Wunder, dass sich Geistesgrößen wie die Gebrüder Grimm gern hier niederließen. 1800–1813 stand Kassel als Hauptstadt des Königreichs Westphalen auf dem Gipfel der Anerkennung – auch wenn dieses nur ein napoleonischer Satellitenstaat war. Prunkvolle Bauten, auch aus dem Historismus und Jugendstil, fielen dem Zweiten Weltkrieg zum Opfer, Beschädigtes wurde allzu großzügig abgebrochen – was dem Gesamteindruck schadete. Wer sich aber kundig auf den Weg macht, entdeckt wahre Perlen.
Die erste Bundesgartenschau sorgte 1955 für Furore – in Kassel. Doch gepflegtes Grün hat hier bereits eine lange Tradition, und wer die Stadt erwandert, wird begeistert überall darauf stoßen. Wahrzeichen von Kassel und monumentaler Blickfang ist natürlich der Wilhelmshöher Park. Selbst wer schon mehrere Male dort war, empfindet es jedes Mal aufs Neue als erhebend, die langen, sanft geschwungenen Wege durch gepflegte Wiesen mit Baumgruppen auf die Höhen zu nehmen und am Ende mit einem fürstlichen Blick auf die Stadt belohnt zu werden. Die elegante Eisenkonstruktion des Gewächshauses lässt den Besucher sich (fast) in den englischen Kew Gardens wähnen. Im Winter wird es zur schützenden Heimstatt prächtiger exotischer Pflanzen. Die Steinhöfer Wasserfälle simulieren Natur täuschend echt, ein weißer Tempel setzt einen lichten Akzent. Vor der Löwenburg nach schottischem Vorbild wird dem Besucher ritterlich zumute, die Roseninsel hüllt sich zur Blütezeit in betörende Düfte. Und über allem thront am Kopfende der Wasserkaskade das »Riesenschloss«, ein Oktogon, mit Herkules-Statue. Von Anfang Mai bis Anfang Oktober finden an bestimmten Tagen Wasserspiele statt – von Juni bis September abends manchmal mit Beleuchtung. Dann rauscht das Wasser über die Kaskadenstufen bis hinab in den Schlossteich mit einer 50 Meter hohen Fontäne.
DIE LÖWENBURG IM WILHELMSHÖHER PARK IST EINE KÜNSTLICHE RUINE IM STIL DER ENGLISCHEN NEUGOTIK.
In der Fuldaaue entstand schon im 16. Jahrhundert zwischen zwei Flussarmen ein Renaissancegarten. Nicht weit davon wird man heute auf der Terrasse der ersten Orangerie Deutschlands, einem monumentalen, 140 Meter langen Bau, gastronomisch verwöhnt. Von hier aus lässt sich prächtig durch den ganzen Park der Karlsaue flanieren. Viel Weite und Wasser, etwa Hirsch- oder Küchengraben, leiten zum Tüpfelchen auf dem i: der verwunschen wirkenden Blumeninsel Siebenbergen mit Gartenhaus. Ein bunter Blütenreigen in kunstvoll gestalteten Beeten, überraschende Farbtupfer auf kleinen Wiesen und immer wieder der Blick aufs Wasser sorgen für eine romantische kleine Auszeit. Auf drei Höhenstufen wurden Seerosen und Orchideen, Wildpflanzen und Stauden zu einem in sich geschlossenen blühenden und grünenden Reich für Gartenfreunde komponiert. Am gern fotografierten Gartenhaus kann man, je nach Jahreszeit, Pflanzen und Samen auch kaufen.
Die Gemäldesammlung auf Schloss Wilhelmshöhe umfasst neben einer antiken Skulpturensammlung eine bedeutende Sammlung Alter Meister von Cranach über Dürer bis Rembrandt und Tizian. Die Neue Galerie präsentiert europäische Malerei und Skulptur seit Mitte des 19. Jahrhunderts. Dort trifft man auf Werke der Großen wie Rodin, Kirchner, Nolde, Warhol und Beuys.
Für einen Weckruf in Sachen Kunst aber sorgte 1955 die erste documenta – seither immer mit Kassel verbunden. Dort trifft sich alle fünf Jahre die internationale Kunstwelt, um neue Strömungen und neue Stars zu entdecken, auch kunsttheoretisch zu diskutieren. Was im Museum Fridericianum als Übersichtsschau über europäische Kunst im 20. Jahrhundert begann und sich dann – ein Clou – mit abstrakter Kunst auseinandersetzte, ist heute Plattform für die künstlerische Auseinandersetzung mit politischen und gesellschaftlichen Problemen der Zeit. Werke etablierter Künstler und Newcomer sind im Stadtbild präsent.
Die Kasseler Museumslandschaft kann sich sehen lassen, darunter Kurioses wie das Museum für Sepulkralkultur und das Astronomisch-Physikalische Kabinett in der Orangerie in der Karlsaue. Ästhetische Messinstrumente und große Versuchsanordnungen lassen selbst den hartgesottenen MINT-Phobiker nicht mehr los, dem sich naturwissenschaftliche Zusammenhänge nun verblüffend eingängig erschließen – und dem die Zeit beinahe knapp wird, will er alle Räume erkunden.
Ein Museum jedoch ist wirklich Spitze. Die Grimmwelt (nicht zu verwechseln mit dem Brüder-Grimm-Museum im Palais Bellevue) liegt nicht nur auf dem Gipfel des Kasseler Weinbergs, sondern wurde von der UNESCO auch als Weltdokumentenerbe ausgezeichnet. In Kassel nämlich hielten die Grimms fest, was an Kinder- und Hausmärchen sonst verloren zu gehen drohte. Sie lauschten dazu nicht nur ihrer »Gewährsfrau« Dorothea Viehmann, sondern durchstreiften die umliegende Landschaft, sammelten und schrieben nieder, was sonst nur mündlich weitergegeben worden war. Es waren einmal Rotkäppchen, Rapunzel, Aschenputtel oder Hänsel und Gretel … Der Zugang zu den Märchen, außerdem zum Deutschen Wörterbuch und zur Deutschen Grammatik der Brüder Grimm, ist mit innovativer Raffinesse durch ein begehbares Glossar entlang der Buchstaben des Alphabets hautnah zu erfahren, sei es durch Installationen wie einer riesigen »Tröte«, die lustige Schimpfwörter erwidert, Märchen-Erlebnisräume oder das überdimensionale Tintenfass mit der Menge an Tinte (200 Liter), die die Grimms verbraucht haben sollen. Unterhaltung auf hohem Niveau für Groß und Klein! Und die »Besteigung« des Museumsdachs wird mit einem grandiosen Blick über Kassel belohnt.
DIE GASTRONOMISCHE SZENE KASSELS LÄSST KAUM WÜNSCHE OFFEN.
ALS »HIMMELSSTÜRMER« WIRD JONATHAN BOROFSKYS WERK »MAN WALKING TO THE SKY« AUS DEM JAHR 1992 GERN BEZEICHNET.
MUSEUM FÜR SEPULKRALKULTUR
Aus den Museen Kassels sticht eines als recht skurril hervor: Das Museum für Sepulkralkultur widmet sich dem Sterben, Beerdigtwerden und Trauern. Was eher düster klingt, ist doch im Alltag präsent und wird in allen Erscheinungsformen und aus vielen Blickwinkeln betrachtet – manchmal sogar heiter. Das Museum, bestehend aus Alt- und Neubau, ist einzigartig auf der Welt. Wie wird der Tod künstlerisch dargestellt? Wie bestatten und ehren andere Kulturen ihre Toten? Wie haben sich Gräber und Särge über die Zeit entwickelt? Das und vieles mehr rund um das Thema Tod erfährt man – zeitgemäß aufbereitet und sehr viel weniger gedankenschwer, als man zunächst denken mag, im Museum für Sepulkralkultur, Weinbergstraße 25–27.
WEITERE INFORMATIONEN
Tourist Information Innenstadt,
www.kassel-marketing.de.
Die Parkbroschüre Kassel führt durchs Grün.
Sepulkralmuseum,
www.sepulkralmuseum.de