Secret Funding - S.M. May - E-Book

Secret Funding E-Book

S.M. May

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Beschreibung

Jung, gutaussehend und manchmal grausam. Noah Kress ist ein knallharter Broker, intelligent und fähig genug, um seine Firma auf Erfolgskurs zu halten. In seinem Privatleben ist er Master Noah, ein gefragter Dom im Circle, einem der exklusivsten privaten Clubs in Boston. Sowohl in seinem Job als auch im Club sind Menschen für ihn lediglich Variablen, die es zu interpretieren gilt, Zahlen, die aufgeschlüsselt werden müssen, Kombinationen, die man erwägen und bewerten muss. Doch als ein wichtiger Deal platzt und seine Firma dem Untergang geweiht scheint, ist seine einzige Chance der mysteriöse Martin Scheer. Und der verlangt eine ganz spezielle Garantie. Wird der talentierte Zocker Noah gewillt sein, nach ganz neuen Regeln zu spielen?

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S.M. May

SECRET FUNDING

Ein heißer Deal

Impressum

© dead soft verlag, Mettingen 2018

http://www.deadsoft.de

© the author

SECRET FUNDING – Ein heißer Deal

(Titel der Originalausgabe: Finanziamento Segreto, 2015)

Übersetzung: Betti Gefecht

Cover: Irene Repp

http://www.daylinart.webnode.com

Bildrechte

© vandame – shutterstock.com

© fuyu liu – shutterstock.com

1. Auflage

ISBN 978-3-96089-203-8

ISBN 978-3-96089-204-5 (epub)

Inhalt

Jung, gutaussehend und manchmal grausam. Noah Kress ist ein knallharter Broker, intelligent und fähig genug, um seine Firma auf Erfolgskurs zu halten.

In seinem Privatleben ist er Master Noah, ein gefragter Dom im Circle, einem der exklusivsten privaten Clubs in Boston.

Sowohl in seinem Job als auch im Club sind Menschen für ihn lediglich Variablen, die es zu interpretieren gilt, Zahlen, die aufgeschlüsselt werden müssen, Kombinationen, die man erwägen und bewerten muss.

Doch als ein wichtiger Deal platzt und seine Firma dem Untergang geweiht scheint, ist seine einzige Chance der mysteriöse Martin Scheer. Und der verlangt eine ganz spezielle Garantie.

Wird der talentierte Zocker Noah gewillt sein, nach ganz neuen Regeln zu spielen?

Servi legum sumus,

ut liberi esse possimus.

Kapitel 1

VORAUSGEHENDE PROJEKTANALYSE

Sein Brustkorb hob und senkte sich in schnellem, fieberhaftem Tempo.

Was dem Publikum, sollte es noch irgendwelche Zweifel gehabt haben, eindeutig zeigte, wie erregt der Mann war, der in dem großen Metallrahmen hing – die Arme an die beiden seitlichen Säulen gefesselt, die Fußknöchel an der Stange am Boden festgebunden.

Der hellhäutige, kaukasische Mann war vollkommen nackt und stand mit dem Rücken zum Publikum.

Noah befand sich etwa einen Meter von ihm entfernt. Er hatte ungehinderte Sicht auf die angespannten Rückenmuskeln des Mannes und auf die unebene Linie seiner Wirbelsäule, die etwas blasser war als der Rest seiner geröteten Haut, die hier und da bereits begann, sich violett zu verfärben. Es war ein schlanker, wohlgeformter Körper ohne übertriebene Muskeln, mit runden, festen Hinterbacken und rötlicher Behaarung, die an seinem unteren Rücken begann und sich entlang des hübschen Bogens seines Steißbeins verdichtete.

Der Mann gefiel Noah. Es machte ihm genauso viel Spaß, diesen Klienten anzusehen, wie mit ihm zu spielen.

Sie waren schon etwa eine Stunde dabei und der einzigartige Geruch von gepeitschter Haut erfüllte den für Publikum offenen Raum.

Eine Mischung aus Erschöpfung, Furcht, Schmerz und wachsender Lust.

Lust stank. Das war eine der ersten Tatsachen, die man lernte, wenn man sich in den Räumen im Untergeschoss des Circle aufhielt. Auch wenn der Geruch jedes Mal ein wenig anders war, weil jeder Körper auf andere Weise reagierte – oder besser: erwachte.

Noah trat für einen Moment näher an den Mann heran. Zu lange zu erregt zu sein, konnte während der Session zum Problem werden. Und um ehrlich zu sein, fing es außerdem an, ihn zu ärgern.

Das Publikum hinter ihm saß respektvoll schweigend da, obwohl viele der Zuschauer wahrscheinlich schon seit der Aufwärmphase angetörnt waren und im Schutz der Schatten masturbierten.

Das war das normale Publikumsverhalten bei Meister Noahs zweiwöchentlichen Sessions. Aufmerksam. Willens, sich zu beteiligen. Diskret.

Er mochte weder die übertriebene Zurschaustellung von Wohlgefallen noch irgendwelche Wichtigtuer, die ihn und seine Klienten nur lüstern anstarrten und sich rüpelhaft benahmen.

Seine Zuschauer waren allesamt zahlende Gäste und wurden nur auf Einladung hereingelassen. Seine Gästeliste hatte bisweilen monatelange Wartezeiten. Selten verließ jemand Meister Noahs Raum enttäuscht und in den letzten drei Jahren hatten seine Vorführungen zu den beliebtesten Veranstaltungen im Circle gehört.

Sein Klient zitterte derweil noch immer.

Noah legte eine Hand in den Nacken des Mannes und versuchte, ihn mit seiner Gegenwart zu beruhigen. Dann fuhr er mit der Hand langsam an dessen Wirbelsäule entlang und übte gleichmäßigen Druck zwischen seinen Schulterblättern aus, bis er fühlte, dass der Atem des Mannes langsamer und ruhiger wurde.

„Schh“, beruhigte er ihn mit fester Stimme. „Ich habe dich nicht allein gelassen. Es ist alles gut.“

Im Versuch, den Kontakt auszudehnen, neigte der Mann den Kopf nach hinten und wimmerte verlangend. Aber Noah beschloss, ihn nicht mehr zu belohnen, als er es sich während des ersten Teils der Session verdient hatte. „Du bist bei mir und alles ist gut“, wiederholte er.

Als sich der Klient augenscheinlich wieder genügend beruhigt hatte, begann Noah erneut, ihn mit leichten Bewegungen aus dem Handgelenk zu schlagen.

Die Lederriemen landeten mit einem scharfen Knallen und trafen die Haut auf harmonische Weise, niemals zufällig, wie die Liebkosungen eines Bogens auf einer Violine.

Es bedurfte einer gewissen Fähigkeit, um den Schlag an genau der richtigen Stelle und in dem beabsichtigten Winkel auszuführen. Eine Fähigkeit, die Begabung erforderte und ein wenig Leidenschaft, aber auf jeden Fall viel Übung. Es war ganz gewiss nichts, das man an einem normalen Konservatorium studieren konnte, obwohl Noah eine exzellente Ausbildung genossen hatte und außer dem menschlichen Körper noch mindestens zwei weitere Instrumente spielen konnte.

Nach dem fünften Schlag begann der Mann vor ihm wieder zu zittern. Seine Erregung wuchs und zwei Schluchzer entfuhren ihm. Noah runzelte die Stirn. Er wusste, dass seine Peitschenhiebe die Mitte des Körpers, mit dem er spielte, erhitzten und das Blut in Rücken, Arsch und Genitalien des Mannes strömen ließen. Was bedeutete, dass die Gliedmaßen des Mannes – die an den Haken festgebundenen Arme, die durch die Stange immobilisierten Beine – weniger durchblutet wurden. Sie konnten taub werden und der Mann konnte frieren.

Aber dieses Zittern war nicht normal. Die körperliche Kälte – eine Reaktion, die Noah erwartete und gegen die er etwas tun konnte – war von Qual und Panik abgelöst worden.

Sein Klient war immer weniger bei klarem Verstand und entfernte sich weiter und weiter davon, seinen Höhepunkt zu erlangen.

Ein unerfreulicher und unvorhergesehener Umstand.

Aber es war mehr als nur das – es war ein echtes Problem. Sie sollten noch vierzig weitere Minuten lang zusammen arbeiten. Die Session war vorher sorgfältig geplant worden. Am Mittwoch zuvor hatte sein Sub, ein Freiwilliger, bei einer Tasse Tee in einem der Wohnzimmer im ersten Stock des Circle gesessen und zugehört, während Noah jedes Detail der geplanten Vorführung erläuterte. Sie hatten einander kennengelernt. Und sie hatten über die Grenzen, Vorlieben und besonderen Wünsche des Klienten gesprochen.

Der Freiwillige hatte den vorausgehenden Fragebogen sorgfältig ausgefüllt und einen vorzüglichen Eindruck bei Noah hinterlassen. Er hatte gesagt, er würde seit vier Jahren BDSM als Sub praktizieren und wäre während der Arbeit mit verschiedenen Meistern nach und nach reifer geworden.

Es bestand jetzt kein Zweifel, dass er schlichtweg gelogen hatte.

Ein so erfahrener Sub würde nach nur zwei Sets mit einem einfachen Gummiflogger und einem weiteren Set mit dem ledernen nicht die Kontrolle verlieren. Außerdem hatte Noah noch nicht einmal die laufende Session, bei der er den Drachenschwanz benutzte, beendet.

Als der Klient schließlich wimmernd urinierte und eine gelbe Pfütze zu seinen Füßen hinterließ, war Noah gezwungen, den Arm zu heben, um anzuzeigen, dass das Spiel vorbei war.

Dieses Mal signalisierten die Zuschauer murmelnd ihren Missmut.

Sie waren enttäuscht wegen der zu kurzen Show. Und vielleicht auch wegen der Leistung des Meisters.

Wie Noahs erster Mentor und Freund Meister Lud zu sagen pflegte: Ein guter Dom muss zuallererst die Bedürfnisse der Körper verstehen, mit denen er arbeitet. Er sollte daher absolute Klarheit darüber haben, welche Grenzen nicht überschritten werden dürfen, damit es nicht in schiere körperliche Gewalt ausartet, die sinnlos und inakzeptabel ist.

Licht und Dunkelheit, Lust und gewollter Schmerz, Dom und Sub bildeten stets eine Symmetrie – zwei notwenige Hälften eines Ganzen – die beiden helfen sollte, den erlösenden Höhepunkt zu erreichen. Wenn diese Balance fehlte, dann wurde das Spiel zu nichts anderem als dem Abklatsch einer vulgären Unterwerfung, die das primäre Ziel, sich gegenseitig Lust zu verschaffen, vernachlässigte. Und es bestand das reale Risiko, den anderen und sich selbst ernsthaft zu verletzen.

Ein guter Dom verstand den Körper, mit dem er arbeitete. Er konnte den Schmerz genau bemessen, konnte selbst im Dunkeln befriedigen und das Gefühl von Sicherheit vermitteln, konnte seinen Klienten zur letzten, strahlenden Belohnung geleiten.

Es war ein ungeschriebenes Gesetz, dem alle Doms im Circle folgten: Prüfe, bevor du handelst. Bestimme die Bedürfnisse des Klienten, dann wende die angemessenen Lösungen an.

Heute Abend jedoch war etwas schiefgegangen.

Es hatte nur Dunkelheit und Schmerzen gegeben, keine Befriedigung. Selbst Noahs Schwanz war immer noch hart in seiner weichen, schwarzen Seidenhose.

Der Sub war dumm und leichtsinnig gewesen, so über seine Erfahrung und seine Schmerzgrenze zu lügen, aber Noah war ebenso voreilig gewesen, als er ihm vertraut und somit eine riskante Situation herbeigeführt hatte. Wenn er Geschäfte machte, konnte er vielleicht zynisch und rücksichtslos sein. Beim Umgang mit Aktienanalysen, vertraulichen Kursnotierungen und vertraglichen Verpflichtungen kümmerte er sich um nichts und niemanden, machte keine Gefangenen und schnitt durch seine Kontrahenten wie ein heißes Messer durch Butter.

Aber nie ging er so mit seinem Körper oder dem eines Klienten um. Niemals.

Weshalb er bereute, das Spiel nicht schon früher beendet zu haben. Bevor er seinen Ruf als Dom, der in jeder Situation alles perfekt kontrollierte, befleckt hatte.

Es war seine Schuld, wenn er hier versagt hatte.

Und das Circle würde sich noch lange daran erinnern.

Während zwei Helfer sich beeilten, den halb bewusstlosen Klienten zu befreien, unter den Schultern zu ergreifen und wegzutragen, brachte Alain, der Butler des Circle, rasch Noahs Bademantel und einen Stapel sauberer Handtücher. Noah wusch sich sorgfältig Hände und Arme, wischte sich anschließend Brust und Achseln ab und tupfte die nasse Haut schließlich mit einem Baumwolltuch trocken. Er hätte auch eine Dusche in einem der eleganten Badezimmer des Circle nehmen können, aber er wollte seine unangenehme Erektion lieber behalten, bis er zu Hause angekommen war – als Strafe für sein Versagen.

„Der heutige Klient ist sofort eingebrochen, Alain.“ Höflich reichte er den Bademantel und die Handtücher zurück.

„Ja, Meister Noah, ich hörte, das Subjekt hätte einen ungeeigneten Charakter gehabt.“ Der Butler behielt seinen förmlichen Ton bei.

„Ich bin sehr enttäuscht“, fuhr Noah fort. „Beim nächsten Mal erwarte ich eine sorgfältigere und vor allem verifizierte Auswahl der Kandidaten, die das Circle schickt. Ich will nicht, dass so etwas jemals wieder passiert.“

„Selbstverständlich, Meister Noah.“ Alain nickte. Noah nahm sich nicht die Zeit, den fassungslosen Blick in den Augen des Butlers zur Kenntnis zu nehmen. Jeder wusste, dass einer der berühmtesten und gefragtesten Doms des Circle wie Meister Noah den Schwindel sofort hätte bemerken müssen.

Anscheinend ließ sein besonderes Talent, Bedürfnisse zu verstehen und entsprechende Lösungen zu bestimmen, nach. Er konnte nur hoffen, dass das lediglich die fleischlichen Belange betraf und nicht auch andere Arten von Geschäften.

°°°

„Adams und seine Leute sind da.“ Parker steckte den Kopf in Noahs Büro und streckte den Arm aus, um einen Becher dampfenden Kaffee auf seinem Schreibtisch abzustellen.

Noah Kress sah von der Akte auf, die er studierte, und rieb sich mit den Handballen die Augen. „Gut, wenigstens ist er pünktlich. Ich bin gerade damit fertig, mir die Zahlen des Deals einzuprägen, und Pearl ist nebenan und komplettiert das Einführungsmaterial.“

„Du hast Pearl die technisch anspruchsloseste Aufgabe zugeteilt?“ Parker sah ihn leicht belustigt an. Der Anwalt versuchte, ein bisschen älter als seine zweiunddreißig Jahre auszusehen, indem er sein helles Haar zurückgelte und einen gepflegten Kinnbart trug. Aber seine zarten Gesichtszüge machten ihm einen Strich durch die Rechnung und ließen ihn aussehen wie ein großes Kind. Das nervte ihn wirklich, obwohl er die gegnerische Partei damit oft verwirrte, was ihm einen Vorteil verschaffte. „Hoffen wir nur, dass sie nicht die Bindemaschine in Brand setzt oder sämtlichen Toner verbraucht, weil sie tausend Anläufe braucht, um die Seiten korrekt auszudrucken.“

Noah zwinkerte. „Ich habe gestern drei neue Kartons mit Toner und einen Haufen Papier kommen lassen. Nur, um sicherzugehen.“

„Also kann nichts schiefgehen, oder?“

„Genau. Ich habe letzte Nacht nicht gut geschlafen und will, dass heute alles perfekt läuft.“

Parker stand vor dem Schreibtisch und stützte sich mit beiden Händen auf der Kante ab. „Wow. Ich hätte nie gedacht, dass dieser Tag je kommen würde. Gibt Noah Kress, der kleine Bruder des Fürsten der Finsternis, tatsächlich zu, dass er sich vor etwas fürchtet?“

„Parker, bitte.“ Noah konnte das leise Lachen nicht unterdrücken. „Zunächst einmal sind wir die einzigen Personen in diesem Raum. Und ich muss dich daran erinnern, dass einer von uns der Chef ist, während du als mein Anwalt zur Vertraulichkeit verpflichtet bist. Zweitens kann ich dir versichern, dass es schwer ist, mir Angst zu machen. Aber ich denke, es ist ziemlich normal, sich über einen Zweiundsechzig-Millionen-Dollar-Deal Sorgen zu machen. Ich sage ja nicht, dass ich Herzrhythmusstörungen habe wie ein alter Mann, aber ein bisschen Druck spüre ich schon.“

„Nicht mehr als früher auch schon, Mister Ich-mache-keine-Gefangenen-Kress. Das ist der dritte Deal über mehr als vierzig Millionen, den wir in den sechs Jahren seit der Gründung dieser Firma zusammen durchziehen.“ Parker schnappte sich die Akten und sah sie sich an. „Wir müssen uns einfach sagen, dass dieser Deal nur ein kleines bisschen größer ist. Und schließlich bringst du bei den Berechnungen deine ganze finanzielle Magie zum Einsatz.“

„Berechnungen. Kleinigkeit.“ Noah nahm einen Schluck Kaffee. „Abgesehen von der Tatsache, dass wir bei den anderen Deals bereits Investorengruppen im Rücken hatten und die Firmen, die wir vorschlugen, sich praktisch von selbst verkauften. Inzwischen frage ich mich, ob die allgemeine Krise die Anlagelandschaft nicht irreparabel ruiniert hat.“

Obwohl Noah nur fünf Jahre älter war, konnte er Parker Andolfis Enthusiasmus und jugendliche Energie zuweilen nicht teilen. Er fühlte sich Jahrzehnte älter … ernste und bittere Jahrzehnte. Es ließ sich nicht leugnen. Noah hatte sich bereits alt und bitterernst gefühlt, als er noch ganz am Anfang gestanden hatte.

„Darüber haben wir schon mindestens hundertmal gesprochen.“ Parker gab einen langen, müden Seufzer von sich und schubste die Tasse aus Noahs Reichweite. „Durch die Krise waren wir gezwungen, die Produkte und Investoren zu verändern, mit denen wir arbeiten, das ist wahr. Und … ja, darüber müssen wir nicht reden, es ist jetzt erheblich schwieriger, sie dazu zu bringen, ihre Brieftaschen zu öffnen. Aber wir wissen beide, dass der Wind sich dreht. Die Wirtschaft wächst endlich wieder und Adams hat ein großartiges Projekt für uns an Land gezogen. Oder willst du sagen, dass die Ergebnisse unserer vorläufigen Analyse nicht stimmen?“

„Natürlich nicht.“ Noah schüttelte den Kopf und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. „Ich habe sechs Monate lang jedes Detail des Deals evaluiert und weiß, dass wir ein exzellentes Angebot haben. Davon bin ich wirklich überzeugt.“ Er sah Parker in die blauen Augen. „Ich bin bereit, mein Wort zu geben.“

„Na endlich! Das ist der Kerl, dem ich heute Morgen Kaffee bringen wollte.“ Parker reichte ihm lächelnd die Akte und schob die Tasse wieder zurück. „Großartig. Und nun, da wir sichergestellt haben, dass du deine Sorgfaltspflicht perfekt erfüllt hast und lediglich unter der üblichen Millionen-Dollar-Deal-Panik leidest, solltest du einfach unser Team den Job zu Ende bringen lassen. Wir haben wirklich hart gearbeitet. Miguel und Patricia haben großartiges Material für die Präsentation vorbereitet und einen hundert Seiten langen Rahmenvertrag entworfen, der praktisch mit Blut geschrieben ist.“ Er lachte leise. „Nun musst du nur noch da reingehen und Adams’ Klienten davon überzeugen, dass es nach der Krise das beste Anlagegeschäft auf dem Markt ist.“

„Hmm … mit Blut geschrieben, sagst du? Das würde ich nicht vor den Klienten wiederholen.“

Parker zuckte mit den Achseln. „Der jüngere Bruder des Fürsten der Finsternis, noch dazu mit einer prophetischen Gabe wie deiner, muss sich nun mal auf einen ebenso teuflischen Anwalt verlassen können – wie mich.“

„Ja, und ich bin dir auch sehr dankbar.“ Noah trank seinen Kaffee aus. „Ich weiß auch, dass ich in den letzten fünf Monaten viel von euch allen verlangt habe, indem ich euch bat, meiner persönlichen Einschätzung zu vertrauen. Ich habe mit dieser Transaktion mehr oder weniger die Glaubwürdigkeit der ganzen Firma aufs Spiel gesetzt. Deshalb fühle ich mich dieses Mal viel mehr in der Verantwortung als sonst. Ich kann es mir nicht leisten, einen weiteren Fehler zu machen.“

„Was meinst du mit einen weiteren? Wann hast du dich denn jemals geirrt?“ Sein Anwalt verdrehte die Augen und wandte sich zum Gehen. „Komm schon, ich will jetzt sehen, wie Noah Kress sein Ding macht. Dank deiner Intuition hat Kress Investments im letzten Jahr akkurate Voraussagen bezüglich sämtlicher Zuwächse und Spekulationen getroffen, und es war ein absoluter Erfolg. Jetzt müssen wir nur noch drei weitere Wochen durchhalten, dann können wir uns alle entspannen und die Früchte unserer Arbeit genießen.“

„Du hast absolut recht. Wie es sich für einen guten Anwalt gehört.“ Noah stand auf, nahm die Akte und folgte Parker. Er bemühte sich, selbstsicher zu wirken.

Es galt nun, seine besondere Intuition unter Beweis zu stellen. Wieder einmal.

Kapitel 2

ANFORDERUNGSPROFIL UND ANGEMESSENE LÖSUNGEN

„Ich muss mich wiederholen. Sie haben immer noch nicht den wahren Grund genannt, warum Sie um dieses Treffen ersucht haben, Mr. und Mrs. Hervstein.“ Noah sah ungeduldig von dem Mann zu der Frau. Es hasste die Wohnzimmer im ersten Stock des Circle mit ihrem teuren Samt und dem kitschigen viktorianischen Dekor, das irgendein überbezahlter Innenarchitekt mit fragwürdigem Geschmack in dem nüchternen Gebäude aus den sechziger Jahren zu kreieren versucht hatte. Noahs Gäste hingegen schienen beglückt zu sein, hier mit ihm zu sitzen, Tee aus Porzellantassen zu trinken und die Sandwiches zu essen, die Alain auf einem Silbertablett gebracht hatte. „Und ich sollte Sie daran erinnern, dass ich Fremden, die nicht einmal Clubmitglieder sind, keine Extrazeit gewähre.“

„Das verstehen wir vollkommen“, stimmte die Frau sofort zu. Sie befeuchtete ihre vollen Lippen, die sorgfältig mit hellrotem Konturenstift umrandet waren. „Und wir sind so froh, dass Sie zugestimmt haben, uns zu empfangen und als mögliche Klienten in Erwägung zu ziehen.“

„Es ist eine solche Ehre für uns, Meister Noah“, fügte der Mann hinzu. Er hatte einen ausgeprägten Akzent. Vielleicht Texas. Oder Schlimmeres. „Einige unserer Freunde haben über das Circle, den exklusivsten Club Bostons, gesprochen. Aber nach dem, was wir bisher gesehen haben, übertrifft die Atmosphäre hier unsere Erwartungen bei Weitem.“ Während er sprach, sah er sich im Raum um. „Die Besichtigung war sehr erhellend. Wer käme auf die Idee, dass sich unter diesen vornehmen, elegant möblierten Räumen all diese gruseligen, geheimen Verliese befinden? Ich bekomme immer noch eine Gänsehaut, wenn ich daran denke.“ Der Mann sah Noah hochzufrieden an.

Noah konnte es ihm nicht verübeln. Die Mischung aus Luxus und Geheimnis übte zweifellos eine gewisse Wirkung auf die Menschen aus. Das war genau die Atmosphäre, die die Besitzer des Circle im Sinn hatten. Ihre Innenarchitekten mussten viel Spaß bei den Entwürfen gehabt haben.

Er versuchte, keine Miene zu verziehen, um sich nicht anmerken zu lassen, wie genervt er war. Diese Klienten waren von weit hergekommen, um ihn zu treffen, und er wollte sie nicht kränken. Jedenfalls nicht ohne berechtigten Grund.

„Wie Sie sehen können, war mein Ehemann von der Führung recht beeindruckt. Leider ist der Club, den wir zuhause besuchen, sehr trostlos. Es sind immer dieselben Leute da. Das ist deprimierend“, sagte die Frau mit dem leuchtenden Lippenstift. „Unsere Freunde sprechen in den höchsten Tönen von Ihnen, Meister Noah. Sehen Sie, nächsten Samstag ist unser zwanzigster Hochzeitstag und wir würden uns selbst gern ein besonderes Geschenk machen.“

„Zusätzlich zu unserer Reise nach New York und Boston natürlich“, fügte der Ehemann hinzu.

„Also deswegen sind Sie hier. Die erhellende Besichtigung des Circle allein reicht nicht. Sie möchten auch spielen.“ Noah faltete seine Hände und begann unwillkürlich, das Paar zu analysieren.

Die Ehefrau war eine kurvige Brünette. Nicht besonders groß, aber mit appetitlichen Brüsten. Allerdings bedeuteten derartig bemerkenswerte Brüste bei einer Frau über vierzig für gewöhnlich, dass sie mit Silikon gefüllt waren, und Noah hasste es, mit Plastikbrüsten zu arbeiten. Es machte einfach keinen Spaß, Nippelklemmen an einer aufblasbaren Puppe zu befestigen.

Mr. Hervstein schien ein bisschen besser zu sein. Mittelgroß, weder mager noch fett, kein Schmerbauch über dem Hosenbund, keine hohe Stirn oder Geheimratsecken. Ein Allerweltsgesicht, aber mit großen, hellen Augen.

Diese Augen waren wirklich interessant. Sie könnten vielleicht den Ausschlag geben. Meister Noah legte großen Wert auf Augen – ihre Form, den Ausdruck, die genaue Farbe. Er mochte es, in den Augen von Klienten zu sehen, welche Wirkung seine Handlungen auf sie hatte, wenn er mit ihren Körpern arbeitete.

„Und mit wem von Ihnen beiden soll ich … experimentieren?“, fragte er unvermittelt.

Das Paar verfiel in Schweigen. Eine so direkte Frage hatten sie nicht erwartet. Nicht, während sie noch in den eleganten Annehmlichkeiten der Teestunde schwelgten.

Die Ehefrau räusperte sich. „Wir hatten gedacht, mit uns beiden. Es ist schließlich unser Hochzeitstag.“

Noah schüttelte entschieden den Kopf. „Ich arbeite nie an zwei Körpern gleichzeitig. Sie müssen sich entscheiden.“

„Dann mit Jamie. Normalerweise ist er es, der Sachen mit sich machen lässt“, antwortete sie.

„Sachen, Mrs. Hervstein?“ Noahs Tonfall wurde scharf, beinahe feindselig. „Wenn Sie von meinen Referenzen gehört haben … Übrigens, wie weit sind meine Referenzen in diesem Fall gereist?“

„Amarillo, Texas“, antwortete Mr. Hervstein.

Voll auf die Zwölf. „Wie ich sagte, wenn meine Referenzen bis zu Ihnen nach Amarillo vorgedrungen sind, dann wissen Sie, dass ich nicht einfach Sachen mache, als würde ich mit dressierten Haustieren spielen. Ich spiele nur aus Leidenschaft. Und ich spiele nicht mit jedem.“ Noah starrte die beiden so ernst an, wie er konnte. Er wollte nicht unhöflich erscheinen, aber er musste die Dinge von Anfang an klarstellen. „Ich habe für gewöhnlich eine lange Liste von Anfragen und ich akzeptiere ausschließlich Subs, die eine hervorragende Performance garantieren. Ich nehme weder Anfänger noch gewähre ich Paar-Nachlässe oder Hochzeitstags-Rabatte.“ Er bemühte sich, etwas verständnisvoller zu wirken, da er annahm, dass die Clubbesitzer die Unterhaltung möglicherweise verfolgten. „Der einzige Grund, warum ich zugestimmt habe, mit Ihnen zu reden, ist Ihre beeindruckende Spende an den Club. Als Mitglied wollte ich meine Dankbarkeit für Ihre Großzügigkeit zeigen. Aber bezüglich meiner Profession habe ich meinen eigenen Verhaltenskodex und ich beabsichtige, mich daran zu halten.“

„Selbstverständlich.“ Mr. Hervstein schien sich von seiner vorübergehenden Verblüffung zu erholen. „Und ich möchte betonen, dass unsere Großzügigkeit, Meister Noah, bestehen bleiben wird, ungeachtet des Ausgangs dieses Treffens. Aber auch ich habe Referenzen und ich bin darauf vorbereitet, diese vorzulegen.“ Er beugte sich über den Tisch und reichte Noah drei bedruckte Seiten Papier.

Noah studierte die Papiere sorgfältig. Eines war das Empfehlungsschreiben eines Privatclubs namens Moulin Rouge in Amarillo, das besagte, dass die Hervsteins seit über zehn Jahren Mitglieder waren und den Club regelmäßig besuchten. Noah beachtete es nicht weiter. Wie die Klienten selbst angemerkt hatten, hatten Erfahrungen, die in einem provinziellen Club gesammelt worden waren, keine große Bedeutung.

Die anderen beiden Blätter beinhalteten eine Liste mit Namen und Adressen verschiedener Meister, mit denen das Paar überall in den Vereinigten Staaten gespielt hatte. Er überflog die Namen und erkannte zumindest vier davon. Sie waren anerkannte Professionelle – einer davon war tatsächlich Meister Lud – und alle bestätigten, dass Jamie Hervstein ein reifer und sehr emsiger Sub war.

„Verzeihung, aber wenn Sie bereits mit Meister Lud gearbeitet haben, warum fragen Sie dann nicht direkt bei ihm an? Sie wissen, dass er nach wie vor gelegentlich in diesem Club spielt?“

„Das wissen wir.“ Die Frau lächelte ihn an – ein Lächeln voller Verlangen. „Wie Sie lesen konnten, haben wir bereits mit diesem Meister experimentiert, aber für unseren Hochzeitstag wollen wir jemanden wie Sie, Meister Noah.“

„Jemanden wie mich?“ Noah hob skeptisch eine Augenbraue.

„Jung, attraktiv, grausam“, antwortete Mr. Hervstein. „Nachdem einige unserer Freunde Sie erwähnten und uns eine kurze Beschreibung gaben, haben wir online nach Bildern von Ihnen gesucht.“

„Es gibt keine Bilder von mir im Internet.“ Noah behielt die Hände gefaltet. „Ich erlaube keine Fotos während meiner Sessions.“

„Ja, ja, ich weiß. Aber meine Frau bekam diese Fantasien von Ihnen, ich meine, sexuelle Fantasien. Mit Meister Noah spielen zu dürfen wurde schon bald zu ihrer Lieblingsfantasie und schließlich auch zu meiner.“

„Oh, ja.“ Sie leckte sich erneut über die Lippen und warf Noah einen Seitenblick zu. „Ich mache es mir selbst und wenn ich dann komme, schreie ich Ihren Namen, Meister.“

„Obwohl Sie mich nie zuvor gesehen haben?“

„Eine Fantasie ist eine Fantasie.“ Susan Hervstein versuchte, die Worte sinnlich zu flüstern.

Noah bemühte sich, nicht zu lachen. „Das ist wahr.“ Zum Glück waren seine üblichen Ostküsten-Klienten niemals derart mittelmäßig. Er strich sich mit dem Daumen über das Grübchen in seinem Kinn. Ihm entging nicht, dass die Frau jeder seiner Bewegungen mit einem hungrigen Gesichtsausdruck folgte. Texaner, Landeier, Spießer. Er würde einen Kran benötigen, um bei einer Session mit ihnen überhaupt einen Ständer zu kriegen. „Ich soll also mit Ihrem Gatten spielen, während Sie zusehen, Mrs. Hervstein?“

„Bitte nennen Sie mich Susan.“ Sie beugte sich über die Teetassen, da sie offenbar glaubte, Noah wäre scharf darauf, ihr in den Ausschnitt zu gucken. „Ja, das stelle ich mir oft in meinen Träumen vor. Ich möchte, dass Sie mit Jamie arbeiten und ihn für mich zum Schreien bringen. Oh, ich kann ihn mir schon in Ihren Händen vorstellen, Meister. Das wird ein wundervolles Geschenk zu unserem Hochzeitstag.“

„Nun, wie könnte ich einem so liebenden Paar diese Fantasie versagen?“ Noah strich sich das Haar zurück, das ihm in die Stirn gefallen war. „Aber ob Sie nun direkt oder indirekt teilnehmen, ich muss Sie warnen: Ich werde das doppelte Honorar berechnen. Ich verlange fünftausend Dollar pro Nacht, also wird dieses wundervolle Geschenk Sie zehntausend Dollar kosten. Ohne jeden Paar-Rabatt.“

„Oh, Meister Noah, das ist vollkommen in Ordnung für uns.“ Jamie Hervsteins Mund öffnete sich zu einem triumphierenden Grinsen. „Wir haben das Circle bereits um einen privaten Raum ohne Zuschauer gebeten und uns auf ein Honorar von zwanzigtausend Dollar geeinigt, welches Ihre Dienste und den Extrawunsch abdeckt.“

„Es wurde heute Morgen alles im Voraus bezahlt“, ergänzte die Ehefrau zwitschernd und kuschelte sich auf der Samtcouch dicht an ihren Gatten.

Noah schnaufte. „Ich verstehe. Sie waren sich ziemlich sicher, dass ich Sie als Klienten annehmen würde.“

„Sicher, warum sollten Sie nicht?“ Sie flatterte mit ihren langen Wimpern, die mit glitzerndem Mascara bedeckt waren. „Meister Lud sagte, Sie würden Männer bevorzugen, aber möglicherweise gelegentlich einen interessanten Dreier in Erwägung ziehen.“

Noah schnaufte erneut und biss sich von innen auf die Wange, um seine Frustration im Zaum zu halten.

Es war ein gut bezahlter Gig, aber er würde sehr ermüdend werden. Außerdem würde er seinen Mentor bei der nächsten Gelegenheit fragen, warum er ihm dieses gelangweilte, reiche Paar aufgehalst hatte.

Ludwig plante immer irgendwelche Streiche, weil Noah von allen Doms im Club der ernsthafteste war – nicht, um sich über Noah lustig zu machen, sondern weil er ihn einfach gern in schwierige Situationen brachte. Er nannte das seine „Herausforderungen für die jüngeren Kollegen“ und war der Überzeugung, dass es half, die Leistungen der Doms auf hohem Niveau zu halten. Trotz dieses schrägen Humors gehörte Ludwig zu den wenigen Menschen, die Noah als Freund betrachtete. Und von Anfang an hatte Ludwig sich bemüht, seinen Schülern die Grundwerte ihrer Rolle nahezubringen, wie Transparenz, Beharrlichkeit und Moral.

Und wenn Ludwig den Gig vorgeschlagen hatte, konnte Noah nicht ablehnen. Wer wusste schon, ob er nicht vielleicht half, die schlechte Stimmung zu verbessern, die ihn in letzter Zeit plagte.

„Dann haben wir eine Abmachung“, sagte er brüsk. „Aber lassen Sie mich das nicht bereuen. Erscheinen Sie in zwei Wochen um zehn Uhr abends. Pünktlich. Unser Butler Alain wird Ihnen detaillierte Anweisungen bezüglich Sauberkeit, Rasur und weiteren körperlichen Anforderungen geben, die für mich nicht verhandelbar sind. Und schließlich noch eine letzte Sache, über die nicht diskutiert werden kann: Sie müssen in ausgezeichneter Form und bereit sein, jedem einzelnen meiner Befehle zu gehorchen.“

„Selbstverständlich, Meister Noah. Wir werden Sie nicht enttäuschen“, antworteten die Hervsteins gleichzeitig, als sie von der Couch aufsprangen.

„Das hoffe ich.“ Er sah erst die Frau an, dann den Mann, und endlich gestattete er sich ein Lächeln. Ein strenges Lächeln ohne jede Sympathie. „Ich bin zurzeit sehr beschäftigt, wenn auch aus anderen Gründen. Deshalb dulde ich bei den Leuten, mit denen ich arbeite, keinerlei Fauxpas oder irgendwelche unangenehmen Überraschungen.“

°°°

Parker Andolfi schien mit sich selbst sehr zufrieden zu sein, als er Mr. Adams in Noah Kress’ Büro führte. Wie eine große Katze, die gerade die gesamte Mäusepopulation der Nachbarschaft vertilgt hatte.

Der Firmenchef von Kress Investments diktierte seiner Sekretärin gerade etwas, aber als er die beiden hereinkommen sah, stand er auf und streckte über den Schreibtisch hinweg die Hand aus.

„Willkommen.“ Er schüttelte seinem Gast die Hand, dann entließ er die Sekretärin mit einem Nicken. „Du kannst gehen, Pearl.“

Die Art, wie sie beim Hinausgehen ihre Hüften schwang, zog für einige Sekunden Alexander Adams’ Aufmerksamkeit auf sich.

Noah und Parker tauschten ein wortloses Grinsen. Was es Pearl an praktischen Fähigkeiten mangelte – wie etwa verschiedene Dokumente zu einer Datei zusammenzufassen oder auch nur einen anständigen Kaffee zu kochen –, machte sie mehr als wett durch ihre beeindruckende Figur, die stets für gute Stimmung im Team sorgte und Kunden zugänglicher machte.

So auch Alexander Adams. „Also, Kress.“ Er zupfte an seinem Kragen, der ihm vielleicht ein bisschen eng geworden war. Dann setzte er sich. „Ich habe ein wenig herumtelefoniert und alle schienen ziemlich interessiert zu sein an Ihrem Angebot.“

„Nun, dann glaube ich, dass wir diese Begeisterung auch in etwas Konkretes verwandeln können.“ Parker dachte laut. „Der Vertragsentwurf ist so gut wie fertig. Ich muss nur noch ein paar Details anpassen.“

Noah studierte das ausdruckslose Gesicht des Bankers.

Adams hatte einen guten Job gemacht, das musste Noah ihm lassen. Er hatte dafür gesorgt, dass die Transaktion bekannt wurde, hatte verschiedene Kontakte mit Kreditinstituten und Risikokapital-Anlegern geknüpft und Noah sogar angeboten, ihn mit praktischem Rat und Vorschlägen zu unterstützen.

Dennoch musste er im Auge behalten, dass Kress Investments und die Banken nicht im selben Team spielten, sondern lediglich vorübergehend Verbündete waren.

Kress spürte interessante Unternehmen auf, auf die man setzen konnte, und ließ sich auf das Risiko ein, während Adams und andere die Pfandbriefe erwarben und Mittel flüssig machten, um am Ende alles wieder zu verkaufen und den Profit einzustreichen. Sollte Noah einen Fehler machen, hätte Adams kein Problem damit, ihn einfach in die Wüste zu schicken.

Aus diesem Grund musste er vorsichtig sein. „Dass sie ziemlich interessiert sind, heißt noch nicht, dass sie auch bereit sind, ihre Unterschrift zu leisten“, sagte er.

Mr. Adams sah ihn leicht missbilligend an, während er seine Worte abwägte. „Ich glaube nicht, dass es besonders schwierig sein wird, die Notierungen, die wir empfangen haben, in Banküberweisungen zu verwandeln. Das Produkt ist interessant genug.“ Eine lange, dünne Falte bildete sich zwischen seinen Augenbrauen. „Sicher, die Firmen sind allesamt Start-Ups, aber sie haben realisierbare Geschäftspläne, vor allem B-Sorge. Verdammt, wenn diese Firma ihr anvisiertes Ziel im Sektor Informatik-Sicherheitssysteme erreicht, dann wird sie die Mindestverzinsung ganz allein einfahren.“

Parker nickte mit leuchtenden Augen. „Deshalb haben wir von Anfang an an diese Transaktion geglaubt. Technologie und Datensicherheit werden in den kommenden Geschäftsperioden der größte Trend sein.“

„Danke, Parker, aber ich glaube, Mr. Adams kennt unser Prospekt inzwischen auswendig.“ Noah verschränkte die Arme und dachte über die Details der Optionen nach, die der Banker ihm vorgestellt hatte. „Also, inzwischen müssten Sie sich eine Meinung über unsere Stärken und Schwächen gebildet haben. Sagen Sie, was könnte die Investoren, die eine Option auf das Projekt ausgesprochen haben, Ihrer Ansicht nach jetzt noch davon abhalten, den abschließenden Vertrag zu unterzeichnen?“

„Kommen Sie, Kress, Sie wissen das genauso gut wie ich.“ Adams schürzte die Lippen. „Die Rendite, die Sie anbieten. Die vorherige Transaktion versprach fünfunddreißig Prozent des investierten Betrags, aber hier liegt sie bei nur neunundzwanzig Prozent, vielleicht dreißig, wenn wir optimistisch sind.“

„Das ist meine Kalkulation, schwarz auf weiß.“

„Nun, ich habe die Reaktionen verschiedener Investoren gesehen und würde vorschlagen, Ihre Kalkulation zumindest in Teilen zu verbessern. Sie ist gut, aber nicht völlig überzeugend. Wir könnten innerhalb der nächsten Tage aktualisierte Berechnungen herausgeben und so die Geldgeber überzeugen, mehr zu investieren.“

„Nein.“ Noah verspannte sich in seinem Schreibtischsessel. Er hatte erwartet, dass die Banken diesen Trick versuchen würden, weil sie das schon früher getan hatten. „Ich bin Finanzanalyst, Mr. Adams, kein Magier. Bisher haben die Investoren meiner Firma vertraut, weil sie wissen, dass ich echte Zahlen verkaufe und keine Hirngespinste.“

„Ich weiß ihre Aufrichtigkeit zu schätzen, Kress.“ Der Banker fummelte erneut an seinem Kragen, was eine gewisse Unzufriedenheit verriet. „Aber wir wissen doch alle, dass zu viel Fairness in den mittelfristigen Märkten nicht hilfreich ist. Sie bieten stabile Investments über mindestens sechsunddreißig Monate und es ist schwer hinzunehmen, dass Kapital so lange eingefroren bleibt, insbesondere ohne Aussicht auf bessere Renditen im Vergleich zu anderen Angeboten.“

„Dann steht es den Investoren frei, andere Angebote anzunehmen, wenn sie so sicher sind, dass alles, was da glänzt, auch tatsächlich Gold ist.“ Noah entspannte seine Gesichtsmuskeln und sah Adams herausfordernd an. „Was mich angeht, so werde ich nicht eine einzige Zahl ändern. Es bleibt bei dem, was ich festgelegt habe. So lauten meine Regeln und ich bin geneigt zu denken, dass es immer noch meine Firma ist, die dieses Spiel leitet.“

Adams schwieg einige Sekunden lang, dann gab er nach. „Wie Sie wünschen.“ Er schenkte Noah ein verkniffenes Lächeln. „Ihre jüngsten Erfolge haben Ihnen einen guten Ruf verschafft und Ihr Anwalt hier hat mich überzeugt, dass Sie ein natürliches Talent dafür haben, aufs richtige Pferd zu setzen. Stimmt’s?“

„Absolut. Unser Kress ist ein Gewinner.“ Diplomatisch wie immer beeilte Parker sich, Noahs Antwort zuvorzukommen. „Warum gehen wir nicht etwas essen und feiern die Optionen, die wir bis jetzt haben? Das ist schon so etwas wie ein kleiner Sieg, oder nicht?“ Er sah die beiden anderen Männer auf seine freche, jungenhafte Art an, dann schnalzte er mit der Zunge. „Und wo wir schon mal dabei sind, werde ich gleich ein Restaurant aussuchen, wenn Sie erlauben. Wie Sie wissen, hat alles und jedes seine Zeit, und ein guter Anwalt wie ich findet immer den passenden Ort zur passenden Zeit.“

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Das Restaurant, das sie für diese Gelegenheit gebucht hatten, gehörte zu denen, die Noah am wenigsten mochte, aber Parker hatte eine gute Wahl getroffen – er war ganz offensichtlich besser darin, Öffentlichkeitsarbeit zu machen und verärgerte Geschäftspartner zu besänftigen.

Das Itinera besaß drei Michelin-Sterne und seine zwei kreativen Köche bereiteten die verschiedensten Gerichte zu, von fernöstlicher Küche bis hin zu den Feinheiten der Molekular-Gastronomie. Als logische Folge davon war das Lokal immer voll und auf der Straßenseite gegenüber lagerte stets eine kleine Armee von Reportern, die darauf warteten, Bostons Berühmtheiten und wohlhabendste Bürger zu fotografieren, die das Restaurant besuchten.

Menschenmengen, Rampenlicht, Klatsch. Drei der Dinge, die der homosexuelle und ernste Noah Kress am meisten verabscheute.