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»Man sagt: Mermaids und Djinn sind seit Anbeginn Erzfeinde.«
Die Mermaid Games sind beendet – doch für Gwendolyn und ihre Freunde geht der Kampf weiter. Als eine uralte Macht sich zum Angriff rüstet und der Welt ein vernichtender Krieg bevorsteht, wagt Gwendolyn gemeinsam mit Cassidys charmantem Bruder Christos und den anderen übernatürlichen Erben alles, um zwei seit Langem verschollene Artefakte zu finden: einen sagenumwobenen Dreizack und eine gefährliche Djinn-Wunderlampe. Nur damit haben sie eine Chance, die Zukunft zu retten. Zwischen Christos und Gwendolyn knistert es heftig. Aber dann müssen sich beide ihrer Bestimmung stellen, unwissend, was das für ihre Liebe bedeutet …
Romantische Mermaid-Fantasy voller Gefahren, verbotener Gefühle und Intrigen.
Das sagt SPIEGEL-Bestsellerautorin Stella Tack über »Secret Gods 2«:
Witzig, charmant, spannend und einzigartig gehen die »Secret Gods« in die zweite Runde! Isabel schafft es jedes Mal, mich zu überraschen.
//Dies ist der zweite Band der »Secret Gods«-Dilogie. Alle Bände der rasanten Liebesgeschichte im Loomlight-Verlag:
-- Band 1: Die Prüfung der Erben
-- Band 2: Die Zukunft der Welt//
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Das Buch
»Man sagt: Mermaids und Djinn sind seit Anbeginn Erzfeinde.«
Die Mermaid Games sind beendet – doch für Gwendolyn und ihre Freunde geht der Kampf weiter. Als eine uralte Macht sich zum Angriff rüstet und der Welt ein vernichtender Krieg bevorsteht, wagt Gwendolyn gemeinsam mit Cassidys charmantem Bruder Christos und den anderen übernatürlichen Erben alles, um zwei seit Langem verschollene Artefakte zu finden: einen sagenumwobenen Dreizack und eine gefährliche Djinn-Wunderlampe. Nur damit haben sie eine Chance, die Zukunft zu retten. Zwischen Christos und Gwendolyn knistert es heftig. Aber dann müssen sich beide ihrer Bestimmung stellen, unwissend, was das für ihre Liebe bedeutet …
»Witzig, charmant, spannend und einzigartig gehen die ›Secret Gods‹ in die zweite Runde! Isabel schafft es jedes Mal, mich zu überraschen.«
SPIEGEL-Bestsellerautorin Stella Tack
Die Autorin
© Christina Grimm
Isabel Kritzer wurde 1993 in Süddeutschland geboren und studierte Kommunikation und BWL. Inzwischen lebt sie mit ihrem Mann in Stuttgart und arbeitet dort als Marketingmanagerin für eine Bank. Sie liebt romantische Geschichten und reist in ihrer Freizeit gerne in fremde Länder oder tauscht sich mit ihren Leserinnen und Lesern auf Social Media aus.
Mehr über Isabel Kritzer: www.isabelkritzer.de
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Der Verlag
Du liebst Geschichten? Wir bei Loomlight auch!Wir wählen unsere Geschichten sorgfältig aus, überarbeiten sie gründlich mit Autor*innen und Übersetzer*innen, gestalten sie gemeinsam mit Illustrator*innen und produzieren sie als Bücher in bester Qualität für euch.
Deshalb sind alle Inhalte dieses E-Books urheberrechtlich geschützt. Du als Käufer erwirbst eine Lizenz für den persönlichen Gebrauch auf deinen Lesegeräten. Unsere E-Books haben eine nicht direkt sichtbare technische Markierung, die die Bestellnummer enthält (digitales Wasserzeichen). Im Falle einer illegalen Verwendung kann diese zurückverfolgt werden.
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Viel Spaß beim Lesen!
Liebe Leser*innen,
am Ende des Buches erwartet euch – aufvielfachen Wunsch – als Extra das Rezept für dieRainbow Grilled Cheese Sandwiches von Joyce.Guten Appetit und viel Spaß beim Lesen!
Aber nicht mit fettigen Fingern blättern,hört ihr.Eure Isabel
Für alle,
die niemals den Humor verlieren,
auch wenn ihre Welt unterzugehen droht.
PLAYLIST
Start Over (feat. NF) – Flame
Breathe – Tommee Profitt & Fleurie
The One – Rea Garvey & VIZE
Chances – Backstreet Boys
Kiss Me – Sixpence None the Richer
Teenage Dream – Katy Perry
I Don’t Wanna Know (feat. Brenda Mullen) – Somma
Lost In The Moment (feat. Andreas Moss) – NF
Troubles – Somma & FAST BOY
Footprints – Tom Gregory
When I’m Gone – Alesso & Katy Perry
Infinity – Jaymes Young
All The Good Girls Go To Hell – Billie Eilish
I’m Not Afraid (feat. Wondra) – Tommee Profitt
Where Are You Now – Lost Frequencies & Calum Scott
Tomorrow We Fight (feat. Svrcina) – Tommee Profitt
`Till I Collapse (feat. Nate Dogg) – Eminem
Do It Better (feat. Zoe Wees) – Felix Jaehn
Summer Of Love – Shawn Mendes & Tainy
Dirty Dancing (feat. Asdis) – Glockenbach
Everybody (Backstreet’s Back) – Backstreet Boys
Mittwoch, der 6. JuliMUMBAI / INDIEN
Valin Avan Madhāmā
»Ich bin von Idioten umgeben!« Zorn pulsierte heiß durch meine Adern, während mein Blick von dem iPad in meiner Hand abschweifte, zur Einrichtung der prachtvollen, für meine Siegesfeier dekorierten Rajput-Suite im Taj Mahal Palace Hotel in Mumbai. Die Räumlichkeit hatte mir ein Geschäftspartner für diesen Monat zur Verfügung gestellt, in dem Versuch sich mein Wohlwollen zu erkaufen; denn ich war Valin Avan Madhāmā, der mächtigste Mann Indiens. Allerdings interessierte mich das Pfauen-Design im königlich eingerichteten Wohnzimmer der Suite genauso wenig wie die drei zusätzlichen Bediensteten, die ich meiner Frau heute Morgen für unsere Residenz auf dem Cumbala Hill im Süden der Stadt zugestanden hatte. Sollte Aranya dort machen, was sie wollte, sie hatte ihren Zweck längst für mich erfüllt. In meinem Leben gab es nur noch Platz für eine Sache, auf die ich mich voll und ganz konzentrierte: Meiner Linie zu ihrem rechtmäßigen Platz in der Welt zu verhelfen. Endlich.
Dieser war nicht First Family of India, auch wenn der inoffizielle Titel viele Vorteile mit sich brachte, sondern Herrschende Spezies über die Weltmeere. Etwas, das uns die Dell’Aquas seit einer Ewigkeit verwehrten, was gemäß der Historie aber uns, den Madhāmās, zustand.
Ich wollte Eden Dell’Aquas Macht über die Weltmeere – über die Mafiawelt –, über die Welt. Ich wollte Eden zerquetschen. Sie scheitern und leiden sehen. Ich wollte, dass sie all die Geringschätzung erfuhr, die sie mir und den Meinen entgegenbrachte. Und mir sollte jeder den Respekt zollen, den man jetzt noch ihr, der Mermaid-Matriarchin, erwies.
Mein Sieg über sie war in greifbare Nähe gerückt. Ich war mir in den letzten Tagen so sicher gewesen …
Nun erinnerten mich die golden glänzenden Bowlen mit den passenden Schöpfkellen auf dem flachen Klauenfuß-Tisch neben mir schmerzhaft an die E-Mail, der ich mich gerade noch freudig gewidmet hatte; bis ich den verdammten Anhang geöffnet hatte – und mir mein Versagen bewusst geworden war. Obwohl alles vorbereitet dastand und der traditionell angesetzte Punsch in den Bowlen auf meine Anweisung hin den ältesten Arrak enthielt, den man für Rupien kaufen konnte, würde hier keine Feier stattfinden. Daran änderten auch die Karaffen mit frisch destilliertem Sekmai Yu, die daneben lagerten, nichts. Vielleicht sollte ich sie trotzdem alle leer trinken, denn der Sieg entglitt mir seit Edens E-Mail.
Der Schock über die unvorhersehbare Wendung lähmte mich noch immer. Mein Blick irrte wild umher. Meine Gedanken überschlugen sich. Laut hallte mein Puls in meinen Ohren wider, angetrieben von meinem Zorn.
Bom-Bom. Bom-Bom.
All die perfiden Schachzüge.
All die Jahrzehnte der Planung.
Bom-Bom. Bom-Bom.
All meine persönlichen Opfer.
Bom-Bom. Bom-Bom.
Umsonst. Alles umsonst.
Bom-Bom. Bom-Bom.
UMSONST!
Der Zorn darüber ließ mich rotsehen, gleichzeitig war die Realität vor meinen Augen jetzt klar, so klar wie nie. Ich war gescheitert, hatte versagt und schuld daran war – eine Frau.
Ich lachte.
Lachte-lachte-lachte gequält.
Doch ich scheiterte nicht an meiner Widersacherin. Eden war nur der unwissende Bote. Sie ahnte vermutlich nicht einmal, was der Videoanhang ihrer E-Mail für mich bedeutete; hatte mir nur einen Beweis schicken wollen, dass ihr dämlicher Bündnis-Test erfolgreich verlief. Einen Beweis, den sie sicher auch Kalid geschickt hatte, die teuflische Schlange!
Ich machte eine vulgäre Bewegung mit der freien Hand.
Ich scheiterte auch nicht an meiner lästigen Frau. Aranya hatte sich schon immer gefügt. Dennoch scheiterte ich an meiner Familie.
Mein Lachen klang jetzt, in meinen Ohren, angewidert.
Wenn das Video nur nicht echt wäre.
Doch der Gesichtsausdruck meiner Tochter darauf ließ keinen Zweifel daran. Die Details sagten mir alles, was ich wissen musste. Das Video auf dem iPad, das ich in der Hand hielt, war kein Fake. Und was es zeigte, sprengte nicht nur den Pakt, den ich mühsam mit Kalid Al-Ginn geschmiedet hatte, sondern mein komplettes Lebenswerk.
Nein. Nein. Nein.
Das durfte nicht sein!
Aber die Aufnahme war nun mal echt und Gwendolyns Gefühle waren es demnach ebenfalls. Dieses Puzzlestück meines Plans hatte ich von Anfang an nicht beeinflussen können. Es war eine Ironie des Schicksals, dass Gwen sich für den Falschen entschieden hatte und damit jetzt alles verloren war.
Ein Mädchen, auf dem Weg zur Frau, hatte mich bezwungen.
Meine – dank dem Wunsch ihrer Mutter ahnungslose – Tochter hätte sich in Kalids Sohn Liam verlieben sollen. Dann wäre mein Pakt mit Kalid, dem Oberhaupt der Djinn, und mein vernichtender Schlag gegen die Dell’Aquas geglückt. Denn verliebte sich eine Madhavi wie Gwendolyn, entfachte ihre Liebe besondere Kräfte nicht nur in ihr, sondern auch in ihrem Geliebten. Und darauf war Kalid aus gewesen, für seinen Erben. Im Gegenzug hätten die Djinn uns Matsya dabei unterstützt, die Mermaids zu vernichten – und das letzte Urwesen, das unserer Welt gefährlich werden konnte, gleich mit. Endlich hätte meine Spezies wahre Macht gehabt. Und das für eine lange Zeit des Friedens! Doch nun war ich schachmatt gesetzt worden und der Pakt gescheitert. Mir fiel kein Zug mehr ein, den ich noch machen konnte, um meinen Plan zu retten. Allein würde ich Eden und ihre Mermaid-Armee niemals besiegen. Sie war ein Technikgenie und meine Matsya blieben wankelmütige Stämme, auf die ich unter diesen Umständen nicht zählen konnte. Nein, ohne Kalid und die Djinn konnte ich nicht siegen.
Außer …
Aber?
Dumpf pochte es in mir. Wie unter Zwang blinzelte ich und blickte abwägend auf das Standbild des Videos, das ich vorher mit meinem Tap aufs iPad eingefroren hatte. In mir tobten die Gefühle, dabei biss ich die makellos überkronten Zähne zusammen. Meine Zahnreihen knirschten, genauso an der Belastungsgrenze wie ich, und das iPad knarrte bedenklich unter dem Druck, den meine Finger darauf ausübten. Ich starrte darauf.
Gwen hatte sich in Christos – einen Dell’Aqua – verliebt.
Ausgerechnet in den Feind! Wie hatte das passieren können? Hatte Kalid nicht ständig damit geprahlt, dass sie seinem wahnsinnig tollen Sohn Liam gar nicht würde widerstehen können?
Auf Djinn war einfach kein Verlass.
»Ich bin von hirnlosen, katzbuckelnden und impertinenten Idioten umgeben«, murmelte ich bitter. Mein Zorn wuchs beim Gedanke an meinen Verbündeten – jetzt sicher Ex-Verbündeten – ins Unermessliche.
Kalid hatte getönt, seinen Sohn schon entsprechend zu platzieren.
Ja, sicher.
Das Ergebnis strafte ihn Lügen und was unser Vorteil hätte sein sollen, das Überraschungsmoment, hatte sich als Nachteil entpuppt. Dank der für unsere Spezies üblichen Geheimhaltung kannten sich unsere Nachkommen nicht und hätten sich weder erkennen können, noch hätten sie die Spezies des anderen erahnen sollen. Wir hatten auf Blinddating gesetzt und uns so viel davon versprochen.
Ich lachte noch lauter und bitterer auf.
Die ganze Situation – meine eigene Naivität – machte mich rasend. Ich wollte etwas zerstören, jemanden zerstören. Büßen lassen. Ein Madhāmā war nicht besiegt, er kämpfte, bis er siegte. Zumindest hatte ich das immer geglaubt.
Gelebt.
Gehofft.
Die Hoffnung musste ich wohl begraben, genau wie meine Zukunftsvision von uns Matsya, und das Schlimmste daran war: Kein Dell’Aqua, Al-Ginn, Vauc Gūl oder Tepes hatte mich geschlagen, keines der anderen übernatürlichen Oberhäupter. Trotzdem hörte ich ihr schadenfrohes Lachen aus unterschiedlichen Erinnerungen, stellte mir ihre verächtlichen Mienen vor, wenn sie jemals von meinem Pakt mit Kalid erfahren würden.
Vermaledeite Kuhscheiße.
Aber Kalid, dem Opportunisten, hatte ich wenigstens vor Jahren schon etwas weggenommen; für meinen Masterplan. Wenn er doch nur alles wüsste … Er würde toben und es würde ihm verdammt noch mal recht geschehen! Er sollte leiden, wie ich gerade litt. Sich fühlen, wie ich mich gerade fühlte: um das Wichtigste in meinem Leben betrogen.
Ein schadenfrohes Glucksen stieg in mir auf.
Bösartig. Gehässig. Aber oh so befriedigend.
Allerdings würde er sich rächen.
Sie alle würden sich an mir rächen wollen, dafür, dass ich seit Jahrzehnten an verborgenen Strippen zog, denn irgendwann würden sie es merken. Und dem musste ich zuvorkommen. Für genau diesen Fall hatte ich einen vernichtenden Trumpf in der Hinterhand. Einen gegen sie alle.
Gegen die ganze verdammte Welt.
Und ich entschied mich, ihn auszuspielen, jetzt, denn ich sah keine Alternative. Wenn mir nichts mehr blieb, sollte es ihnen ebenso ergehen. Mein Entschluss verdrängte die wütende Glut meines Versagens schlagartig zugunsten plötzlicher Kälte.
Achtlos ließ ich das iPad fallen. Es kollidierte scheppernd mit einem der Gefäße auf dem Tisch. Dieses fiel unter noch mehr Krach um und dunkler Punsch ergoss sich auf das Blumenmuster des hellen Teppichs darunter, lief über die Fasern und zerstörte das sowieso schreckliche Teil, während ich mich zielstrebig umdrehte und über den Marmor in das runde Arbeitszimmer der Suite schritt.
Es kam mir vor, als raschelte dabei sogar mein traditioneller Dhoti Unheil verkündend.
Schnell legte ich die wenigen Meter nun, um den gedrechselten Schreibtisch herum, zurück, zog bei diesem die quietschende oberste Schublade heraus und entnahm ihr ein Artefakt, das erst vor Kurzem in meinen Besitz gelangt war. Na ja, eigentlich hatte es sich immer in meinem Besitz befunden, nur nicht in meinem unmittelbaren. Um das zu ändern hatte ich mich, durch einen meiner Handlanger, selbst bestechen lassen. So sah es wie ein Diebstahl aus und ich wie das Opfer. Denn ich war mir bis gerade nicht sicher gewesen, ob ich es einsetzen würde … und die Ghule hatten mich bereits – berechtigt – im Verdacht, der Täter zu sein.
Aber jetzt, da ich die Finger um das Artefakt schloss, fühlte sich die kaum handtellergroße, vergilbte Pfeife aus Urwesenzahn genau richtig an meiner Haut an. Als gehörte sie dorthin. Mein Handteller schmiegte sich darum und mich erfüllte das Gefühl von unverfälschter Macht.
Es fühlte sich großartig an.
Gewaltig. Zerstörerisch. Tödlich.
Und das war sie.
Diese Pfeife würde die Apokalypse in Gang setzen.
Ungerührt trat ich mit ihr an eines der bodenhohen Fenster, direkt neben der Schaukel – einem weiteren überflüssigen Schnickschnack der Rajput-Suite –, die im Arbeitszimmer von der Decke hing, und blickte auf die Spitzen der vier Türmchen des nahen Gateway of India.
Das historische Bauwerk stand direkt vor dem Taj Mahal Palace Hotel und hinter dem Prunkbogen lockte das tiefblaue Meer. Fast konnte ich die salzige Brise, die davon aufstieg, riechen; die Wellenkämme unter den Fingern spüren. Jahrzehnte an Erinnerungen von meinen Streifzügen durchs Meer kamen in mir hoch. Zeitgleich nahm die Zukunft ganz konkrete Formen in meinem Kopf an.
In meiner Vorstellung fuhr ich mit dem privaten Aufzug der Suite nach unten, lief durch die Grünanlage des Hotels, an all den nichts ahnenden Touristen vorbei, bis zum Gateway und trat schließlich, die Pfeife an den Lippen, durch den großen Torbogen auf die schiefen Stufen, die zum Wasser hinunterführten. In meinen Ohren gellten die Schreie der Möwen, vermischten sich mit dem Lachen der übernatürlichen Oberhäupter und dem Gurgeln des Meeres, das rhythmisch gegen die Stufen schlug.
Ich konnte die Freiheit des Ozeans spüren.
Fast schmecken. So salzig und nah.
Ich malte mir meine Rache aus – all das Verderben. Und der stete Druck der Verpflichtung meiner Linie gegenüber hob sich zum ersten Mal in meinem Leben von meiner Brust. Ich war nicht am Ziel, aber ich war am Ende meiner lebenslangen Reise angelangt; und ich blies, so stark ich konnte, in die Pfeife. Rief mit aller Macht, die dem Matsya-Artefakt innewohnte, das erwachte Urwesen der See, um ihm zu befehlen, das Mermaid-Archipel samt allen Lebens auszulöschen, bevor sich die Urgewalt gegen die restliche Welt wenden würde; denn die Bestie dürstete es genauso nach Vergeltung wie mich. Aber dass sie jetzt damit begann, war mein Trumpf, mein letzter Zug. Ein glorreiches Finale, um Schmerz zu säen und die Zukunft der Mermaid-Spezies als Erstes zu vernichten.
Sie und ich. Wir würden heute sterben.
Bei allen anderen dauerte es noch ein bisschen länger …
Donnerstag, der 7. JuliMERMAID ISLAND / TANSANIA
Gwendolyn Desna Madhāmā
Unter Wasser zu husten war so gar keine gute Idee.
Mein Körper krümmte sich wie eine erlegte Garnele, während meine Lunge von Salzwasser geflutet wurde, das die rettenden Luftblasen in mir verdrängte. Fröhlich blubbernd zogen sie an meinem Gesicht vorbei, als wollten sie mich in meinen letzten Minuten verhöhnen, und ich hatte ein dunkles Déjà-vu zur vierten Aufgabe der Mermaid Games, als die Blasen zur rettenden Wasseroberfläche emporstiegen.
Ohne mich.
Blubb. Blubb. Blubb.
Aber verdammt, ich war eben immer noch ich; von den schmalen Händen, die aus dem engen Neoprenanzug schauten, bis zu den kleinen Ohrmuscheln und den langen roten Haarsträhnen mit dem selbst geschnittenen Pony, die mir gerade von oben ins Gesicht wogten.
Moment … war das überhaupt oben?
Schwer zu sagen.
Überall um mich herum war Wasser. In der Dunkelheit und bei der Trübung des Meeres hatte ich keine Orientierung und Angst stieg in mir auf.
Wie sollte ich mich retten, wenn ich nicht wusste, wohin?
Geschweige denn wie?
Immer mehr Wasser zog an mir vorbei und ich glaubte, dass ich sank. Schneller. Schneller. Immer schneller, während ich hustete, mehr Wasser einatmete und sank.
Oder?
Der reflexartige Moment nach dem Hustenanfall, in dem ich ein letztes Mal einatmete, beraubte mich jeglicher Gedanken. Ein Piepen setzte in meinen Ohren ein und mir wurde schummrig. Schon davor hatte ich Schmerzen verspürt, aber jetzt fühlte es sich so an, als würde meine Lunge von einem Chef de Cuisine mit einem Messer filetiert; gewissenhaft und ohne Eile. Zentimeter für Zentimeter.
Schmerz.
Schmerz.
Schmerz.
Es war furchtbar.
Ich zitterte am ganzen Körper vor Qualen.
Und niemand war weit und breit, der mir helfen würde. Die Wucht der Flutwelle, von der meine beste Freundin Cassidy, Christos, Liam und ich erfasst worden waren, hatte uns offenbar nicht nur weit raus ins Meer gespült, sondern auch auseinandergerissen. Dabei war doch endlich alles gut gewesen. Wir hatten Spaß gehabt und die Sommerferien am Strand genossen. So, wie es sein sollte.
Ich blinzelte hektisch.
Das Salzwasser brannte auf meiner Netzhaut.
Mühsam schaffte ich es, den Kopf zu drehen. Verflucht. Die Bewegung fühlte sich an, als wenn ich ihn mir von den Schultern reißen wollte. Unvorstellbarer Schmerz schoss meine Wirbelsäule hinunter, wenigstens fokussierten sich meine Augen. Doch trotz aller Anstrengung, konnte ich niemand sehen …
Cassidy?
Christos?
Liam?
Hatten sie sich schon verwandelt – und suchten nach mir?
Mein Herz schlug viel zu schnell. Und meine Zuversicht, gerettet zu werden, schwand, denn mir wurde klar: ich würde nicht mehr lange durchhalten und in der kurzen Zeit würde mich keiner retten.
Das war’s.
Endgültig.
Immerhin war es der aufregendste Sommer meines Lebens gewesen. Vielleicht sogar ein bisschen zu aufregend. Und ich bereute, Christos nicht gesagt zu haben, was ich für ihn empfand. Eigentlich war das das Einzige, was ich bereute. Eine ziemlich gute Bilanz für ein siebzehnjähriges Leben, oder? Es hätte definitiv schlimmer kommen können. Zum Beispiel, wenn mich der Hai damals erwischt hätte. Oder wenn ich in der Arkologie nicht von Chris wiederbelebt worden wäre. Oder wenn Chris mich nicht aus dem Becken voll angriffswütiger Fische gezogen hätte.
Tja …
Mehr Wasser zog an mir vorbei.
Schwarze Flecken tanzten vor meinen Augen.
Der Schmerz war allgegenwärtig und das Fazit meines Lebens lautete: Ich war Großmeisterin im virtuellen Via-Google-Earth-Reisen und hatte den schwarzen Gürtel im Schnelllesen. Aber wie die vergangenen Tage bewiesen, hatte ich auch eine bedenkliche Begabung, beinahe zu sterben, wenn ich mit meinen übernatürlichen Freunden unterwegs war. Das lag sicherlich an dem ungleichen Kräfteverhältnis und dagegen half nicht einmal, dass mir gerade erst von einem Orakel prophezeit worden war, dass ich eine Art Geheimwaffe sei. Geheimer als mausetot am Grund des Indischen Ozeans ging’s zwar wirklich nicht, aber das mit der Waffe hatte sich dann wohl erledigt.
Unter dem Meer, unter dem Meer, trällerte mein sauerstoffunterversorgter Verstand, der sich langsam zu verabschieden begann.
In einem letzten Aufbäumen paddelte ich verzweifelt mit den Armen. Das half allerdings nicht, stattdessen zog mich eine starke Unterströmung weiter hinunter – und ins offene Meer hinaus.
Wo wär das Wasser besser und nasser, als es hier wär?, untermalte mein Verstand meine schmerzhaften Anstrengungen. Mein Herz schlug mir bis zum Hals, so stark, dass es mir bald aus der Kehle springen würde. Der Druck auf meine Brust wuchs ins Unerträgliche und meine Glieder schmerzten so sehr, dass sie das Hustenanfall-Memo wohl nicht erhalten hatten, in dem stand, dass wir bis ins Detail so taten, als wären wir eine unter Wasser lebende Garnele.
Wie es schien, blieb mir in meinen letzten Augenblicken nur Galgenhumor, denn ich verwandelte mich nicht; weder in eine Garnele noch in eine Geheimwaffe oder in das, was auch immer ich kurzzeitig bei der vierten Aufgabe gewesen war.
Jetzt, da es mein Leben retten konnte …
Verwandelte. Ich. Mich. Nicht.
Keine außergewöhnlichen Kräfte zeigten sich.
Und das war bitter.
Außerdem wollte ich inzwischen so dringend erneut einatmen, dass ich dem Drang kaum widerstehen konnte. Jeder Gedanke an den nächsten Atemzug – egal ob voll Wasser oder Luft – vereinnahmte nun alles an Denkkraft, was ich übrig hatte. Und schließlich war es so weit: Ich atmete tief ein. Konnte gar nicht mehr damit aufhören.
WasserWasserWasser flutete jeden noch unausgefüllten Quadratzentimeter in mir, kollidierte mit dem Wasser, das ich schon geschluckt hatte, und ich glaubte von innen heraus platzen zu müssen.
Ich sah Sternchen – helle Reflexionen überall in meinem schwächer werdenden Gesichtsfeld – und meine Lider sanken herab, als sich der Vorhang meiner Vorstellung auf Erden schloss …
Da spürte ich ein heftiges Brennen am rechten Arm, das sich zu einem ekligen Kribbeln ausweitete und sich wie eine Stichflamme in rasender Schnelle zu einem so markerschütternden Schmerz auswuchs, dass ich schlagartig die Augen aufriss.
WAAAAAA!
Ich blickte auf einen orangerot schimmernden Quallenkörper, von dem ein unglaublich langer, glibbriger Tentakel zu mir führte.
Was zum …?!
Hinter dem Vieh trieben noch mehr Quallen!
Und die hellen Reflexionen von eben waren – zumindest nicht nur – Vorboten meines baldigen Ablebens, sondern kamen von den unzähligen glockenartigen Glibber-Quallen-Leibern. Darin arbeiteten wohl winzige Leuchtorgane auf Hochtouren. Ihr Schimmer war so grell, dass mein Körper immer mehr Adrenalin freisetzte und ich mich trotz aller Torturen wieder bei Verstand fühlte. Oder kam das von gar keinem Hormon, sondern von Quallengift?
Panisch blickte ich auf den Punkt an meinem Arm, über den noch immer der Glibbertentakel der Qualle strich. Vor und zurück.
Einfach widerlich. Sollten sich Quallenopfer gut fühlen, bevor sie verspeist wurden? Verspeisten Quallen Menschen?! Davon hatte ich noch nie gelesen. Was nicht hieß, dass dadurch ein erstes Mal ausgeschlossen blieb …
Vehement wollte ich den Arm wegziehen, doch dafür war ich zu schwach, also konzentrierte ich mich aller Schmerzen zum Trotz noch mal auf meinen Verwandlungswunsch.
Fast meinte ich zu träumen, als mein Neoprenanzug riss und sich mein Arm unter dem Quallententakel grün zu schuppen begann. Die Schuppen breiteten sich aus und zerschnitten den ganzen Anzug. Ungläubig beobachtete ich weiter, wie sich zwischen meinen Fingern durchsichtige Schwimmhäute bildeten.
Schlagartig ließen die Schmerzen nach und ich summte erleichtert, als endlich meine Lunge entlastet wurde. Dafür juckten plötzlich meine Ohren. Ich schluckte. Sie zuckten.
Meine Hände fuhren, von neuer Energie getragen, nach oben.
Tasteten behutsam …
Ich hatte an Stelle meiner Ohren Flossen!
Zuck, zuck.
Flossen!
Mein Herz pumpte wie irre, mein Kopf kam nicht mehr hinterher. Gerade noch hatte ich mich mit meinem Schicksal abgefunden, jetzt fühlte sich alles an mir wie in einer Metamorphose. Und obwohl ich es mir gewünscht hatte, war das ebenso beängstigend wie zu sterben.
Dafür atmete ich problemlos.
Völlig überfordert wackelte ich probehalber im Wasser mit den Zehen, was gar nicht so einfach war, denn sie hatten ebenfalls Schwimmhäute entwickelt und funktionierten nun wie Flossen. Prompt ließ mich die Bewegung unkontrolliert nach vorne schnellen, direkt in den orangerot schimmernden Quallenschwarm.
Ich krachte, mit dem Gesicht voraus, in glibbrige Schirme und es wurde eine extrem unangenehme Quallen-Massenkarambolage. Prickelte und kribbelte, wie bei unzähligen leichten Stromschlägen und mehrere lange Tentakel verhakten sich in meinen Haaren.
Zogen unsanft daran.
Mein Kopf schnellte herum, wie der einer Marionette.
Eine ächzende Bestandsaufnahme zeigte gleichzeitig: Mir war nichts passiert. Na ja, noch nicht. Denn falls es Quallen möglich sein sollte, angepisst zu schimmern, war das jetzt sicher das Angepisst-Schimmern.
Alarmiert pflückte ich mir die durchsichtigen Tentakel aus den Haaren. Ging doch.
Anschließend blickte ich mich mutig um.
Was war das Leben schön, so tief unten am dunklen Meeresgrund, mit unzähligen angepissten orangeroten Quallen um mich … Ich hatte nicht sonderlich viel Erfahrung mit solchen Situationen, aber es war definitiv an der Zeit für den Teil mit dem filmreifen Abgang, bevor sich die Quallen noch auf mich stürzen würden, um mich doch noch zu verspeisen.
Eilig wedelte ich mit einer Flossenhand à la ›Ciao, war schön mit euch abzuhängen, man sieht sich. Danke für die Transformation und so, aber ich hab jetzt wirklich dringende Termine!‹ Dann schwang ich meine beiden neuen Fußflossen auf und ab und flüchtete mehr oder weniger elegant – also zugegeben ziemlich torkelnd – durchs Wasser. Schwamm fort von den Quallen, in die Richtung, in der ich die Oberfläche vermutete.
Einige Flossenschläge später hatte ich sogar den Dreh raus und nahm die Arme hinzu, um meine Bewegungen fließender zu gestalten. Meine Finger mit den Schwimmhäuten eigneten sich hervorragend zum Lenken und als Unterstützung zu meinen Beinen. So schoss ich blitzschnell durchs Wasser und irgendwann wurde es tatsächlich heller um mich.
Wasseroberfläche, ich komme!
Donnerstag, der 7. JuliMERMAID ISLAND / TANSANIA
Gwendolyn Desna Madhāmā
Die helle Wasseroberfläche lockte bereits wenige Meter vor mir, als mich etwas hart von hinten rammte und zur Seite katapultierte.
Überrumpelt versuchte ich den Schwung abzubremsen und mich zu stabilisieren. Da sich Arme um mich schlangen – und das für mich erledigten – keuchte ich erschrocken auf.
Doch ein Blick auf die Finger auf meinem Bauch zeigte mir, dass mich nicht etwas gerammt hatte, sondern Cassidy, die mich stürmisch an sich zog. Dabei trieben die Spitzen ihres langen weißblonden Haars in mein Gesichtsfeld und unter uns erspähte ich das Glitzern ihrer azurblauen Schwanzflosse.
Dem Ozean sei Dank! Ich hab dich gefunden, hörte ich dumpf.
Schwer atmend, nach meinem Schwimmsprint, nickte ich und legte meine Flossenhände auf ihre Mermaid-Hände.
Und du hast dich wieder verwandelt!
Jetzt klang es genau wie Cass und ich nickte wieder.
Die körperliche Nähe zu meiner besten Freundin fühlte sich wie ein sicherer Kokon an und während mein Herz überlief vor Erleichterung, dass wir beide lebten, fiel die entsetzliche Anspannung der letzten Minuten von mir ab. Cass war die Wichtigste in meinem Leben – neben meiner Mum, neuerdings dicht gefolgt von Cass’ Bruder Chris – und die Freude über unser Wiedersehen entschärfte die Todesangst, nach all der Aufregung.
Schließlich lösten wir uns voneinander.
Gesicht an Gesicht trieben wir unter Wasser und an den leicht zusammengezogenen Augenbrauen erkannte ich, dass Cass weiterhin beunruhigt war. Als sie mit der Hand eine eindeutige Geste nach oben machte, nickte ich euphorisch.
Nichts wie weg hier.
Zwei kräftige Flossenschläge, und …
… ein kleiner Fisch trudelte genau in unsere Bahn. Sein Köpfchen war blau, seine Flossen gelb – und sein geschuppter, runder Leib schillerte in unzähligen Farben. Er war ein außergewöhnlicher Anblick.
Während Cass und ich abbremsten, um ihn nicht über den Haufen zu schwimmen, brauchte ich kurz, um zu begreifen, warum mir der Fisch so vertraut vorkam: Es war der aus meinem Traum neulich. Der Urfisch, aus dem Topf, den ich gehalten hatte. In der Realität sah er deutlich winziger aus, als ich ihn in Erinnerung hatte; denn da war er ja zu groß für den Topf geworden und ins offene Meer geschwommen – auf Nimmerwiedersehen. Jetzt setzte ihm die Strömung um uns deutlich zu und er kämpfte mit seinen kleinen Flossen dagegen an.
Instinktiv formte ich mit meinen Flossenhänden eine nach vorne hin offene Schale und streckte sie ihm entgegen.
Flink schwamm das Fischlein auf die improvisierte Mini-Plattform und war nun, da ich die Finger mit den Schwimmhäuten hochklappte, gut geschützt.
Ich danke, gurgelte es tief und der Fisch glubschte zu Cass und mir.
Keine ähm … Ursache?, dachte ich.
Cass riss die Augen auf.
Hatte sie mich durchs Wasser gehört? Konnte ich das jetzt tatsächlich, wie sie? Einfach unter Wasser denken und verstanden werden – von allen Meeresbewohnern? Immerhin hatte ich eben auch sie ›gehört‹ – und nun den Fisch, oder?
Ich kann dich nicht ewig vor der Strömung schützen, testete ich. Freunde von uns sind noch irgendwo da draußen.
Ich weiß, erwiderte der Fisch.
Ha, es funktionierte! Ich hatte es Cass ja gesagt: Ich verstand Fische – und sie nun auch mich. Jackpot.
Wir müssen unsere Freunde suchen. Sehen, ob es ihnen gut geht, fuhr ich fort, bevor ich realisierte, was der Fisch gesagt hatte. Was wusste er: Dass seine Mini-Plattform nicht ewig währte oder das mit meinen Freunden? Skeptisch runzelte ich die Stirn.
Der Fisch neigte im selben Augenblick den halben Körper und richtete sich dann wieder auf.
Hatte er einen Anfall?
Schon klar, dass ihr ihnen helfen müsst, gurgelte er.
Er hatte also genickt. Ein Fischnicken. Seltsame Sache.
Ein Blick zu Cass zeigte mir, dass ihre Augenbrauen bis zu ihrem blonden Haaransatz gewandert waren und sie eindeutig überfordert wirkte. Dabei war sie doch diejenige, die normalerweise mit Fischen sprach? Aber die Fische nickten vermutlich nicht – weil sie das ja augenscheinlich anatomisch nicht wirklich konnten. Eventuell redeten sie auch nicht … das tat Cass nur mit ihnen? Oder wie war das? Ich brauchte unbedingt einen Crashkurs für Dummies im Unter-Wasser-Reden.
Allerdings traf mich das seltsame Verhalten des Fisches nun nicht ganz so, da mein Maß für alles, was logische Grenzen überstieg, heute – ach was sagte ich, in den letzten Tagen – sowieso schon bis gefühlt ins Meer eines anderen Sonnensystems überschritten worden war. Doch ich glaubte nicht an Zufälle und dass der Fisch aus meinem Traum jetzt in der Realität auftauchte, ließ mich vermuten, dass es hier um mehr ging als ein nettes Unterwasser-Schwätzchen an einem so lauschigen Ort wie direkt unter der aufgewühlten Wasseroberfläche nach einer Tsunami-Flutwelle.
Ich mache euch ein Angebot, tönte der Fisch da auch schon.
Waren das nicht berühmte letzte Worte vor dem Pakt mit dem Teufel?
Aha … Was für ein Angebot soll das sein? Cass klang skeptisch.
Ihr nehmt mich mit an Land und bringt mich dort an ein schönes, ruhiges Plätzchen im Wasser. Dafür schütze ich heute den Archipel. Die Flutwelle wird sich zurückziehen und das Urwesen ebenfalls.
Das Urwesen?!
Hektisch blickte ich mich um.
Meine Ohren zuckten nervös. Zuck, zuck.
Ich sah das Wesen nirgends.
Um uns war nichts als Wasser, vereinzelte Algen, die darin trieben, und umherhuschende Fische. Dass irgendwo in den trüben Weiten eine Urgewalt auf Beutezug sein könnte, ließ jedoch wieder das pure Grauen in mir aufsteigen. Gänsehaut überzog meinen unbeschuppten Nacken und Cass rieb sich in einer abwehrenden Geste die Arme.
Das mit dem Schutz klingt verlockend, gab ich zu, mit scheelen Blick auf den kleinen Fisch in meinen Händen. Wie willst du das schaffen?
Gwendolyn, ich bin der Urfisch. Ich weiß Dinge, die ihr nicht wisst. Viele Dinge …
Mhm. Okay, er kannte meinen Namen – woher auch immer –, aber warum wollte der große Zampano dann von uns an Land gerettet werden?
Wie zum Beispiel?, fragte auch Cass mit zweifelnder Miene.
Wie, dass das Urwesen das Mermaid-Archipel samt allen Lebens vernichten wird, wenn ihr mein Angebot nicht annehmt.
Ach ja? Meine beste Freundin guckte, als traute sie dem Fisch nicht.
Ja. Ich weiß auch, dass es euren Freunden gut geht. Die Frage ist: Wie lange noch, ohne meine Hilfe? Und die hat nur eine Bedingung, wie ihr jetzt wisst. Ein Mal Hilfe gegen ein Versprechen, es ist ganz einfach.
Mhm. Ich hatte langsam genug davon, im Meer zu treiben und mit diesem unbefriedigenden Frage-Antwort-Spiel unsere Zeit zu verschwenden. Schön und gut, ich frage allerdings noch mal: Wie willst du den Archipel schützen?
Ich habe großen Einfluss auf das Meer und die Fische.
Einfluss? Kritisch schaute ich wieder auf den Fisch herab, der noch vor Minuten darum gekämpft hatte, im Wasser geradeaus zu schwimmen, und bekam Mitleid. Ich glaubte ihm kein Wort, eher, dass er sich durch einen Bluff zu retten versuchte. Gut, wir haben einen Deal, stimmte ich trotzdem zu. Ober nun Wunder bewirkte oder nicht – Cass und ich sollten jetzt wirklich los, die Jungs suchen. Wir müssen weiter.
Weise Entscheidung. Der Fisch nickte wieder auf seine skurrile Art.
Cass seufzte und als hätte sie meine unterschwelligen Gedanken gelesen, sagte sie: Wir könnten wirklich ein Wunder gebrauchen.
Wir schwammen los. Cass vorneweg, ich ganz vorsichtig, da ich ja wortwörtlich den Fisch auf Händen trug, hinterher.
Manu macht’s möglich, gurgelte nach zwei Flossenschlägen von mir der Urfisch und wie auf Knopfdruck klarte das Wasser um uns auf. Glitzernde Fische flitzten vor und hinter uns vorbei, als hätten sie es eilig, zu einem bestimmten Ziel zu kommen.
Als Cass und ich die Oberfläche erreichten und die Köpfe durch die abflachenden Wellenkronen in die Luft streckten, sah ich ganz deutlich, wie sich das Wasser in der Ferne vom Strand zurückzog, ohne größere Schäden zu hinterlassen.
Kaum war es weg, füllte sich der Strand.
Mario, der attraktive Kapitän der Jacht von Mermaid Island kam aus dem Palmendickicht, Hand in Hand mit seiner Verlobten Mahana in satt oranger Tunika, der Schwester von Cass’ Mum Eden. Auch die war da, mit ihrem Telefon am Ohr, wild gestikulierend, joggte sie im hellen Hosenanzug mit wehendem weißblondem Haar den Strand hinunter, während sie mehrere Decken in ihrer freien Hand hielt. Sie steuerte damit auf Liam zu, den ich jetzt – noch immer in seinem Neoprenanzug – weiter unten im Sand kniend entdeckte und der aussah, als hätte ihn das Wasser geradezu ausgespuckt. Direkt neben ihm richtete sich gerade, den definierten Rücken zu mir gedreht und mit leuchtend weißem Haar, Chris auf.
Zurückverwandelt.
Nackt.
Eden warf ihrem Sohn im Laufen eine Decke zu – und Liam ebenfalls.
Von meinem Herzen fiel eine ganze Wagenladung Steine. Chris war am Stück und redete, ruck-zuck eingemummelt in die Decke, auf seinen besten Freund und seine Mum ein, die endlich bei den beiden ankam und nun von ihnen verdeckt wurde.
Cass und ich schwammen, so schnell wir konnten – und es mir möglich war, ohne Manu zu verlieren, schließlich hielt ich meine Versprechen –, näher zum Strand. Ich hoffte sehr, dass Eden auch für uns Decken hatte, sonst mussten wir uns mit Seetang- und Algenbüscheln aus dem Meer begnügen. Und Algen sollten zwar hervorragend zum Entgiften des Körpers sein, waren aber kaum ausreichend, um unsere Nacktheit nach der Rückverwandlung durch Landkontakt zu bedecken. Sie wären wie Evas Feigenblatt: gerade mal groß genug für eine Stelle.
Ansonsten zappelten auch nur einzelne Fische im Sand, die sich kaum eigneten, um unsere Blöße zu kaschieren. Und Mario und Mahana kümmerten sich zum Glück bereits darum, die armen so schnell wie möglich zurück ins Meer zu werfen.
Wir näherten uns dem Strand.
Winkend machte Cass auf uns aufmerksam und ich sah, wie alle freudig zu uns blickten, dann aber auf irgendetwas hinter uns starrten …
Angst kroch mir wieder in die Glieder und eine böse Vorahnung fraß sich in meinen Verstand.
Da zeigte sich doch nicht etwa …
Eilig wandte ich den Kopf – ein großer Fehler. Am Horizont sah ich Schwärme von Fischen in Bögen aus dem Wasser springen, ehe sie sich wieder hineinstürzten – mit geöffneten Mäulern, gefletschten Zähnen und aufgerichteten Schuppen und Stacheln –, auf etwas Monströses, das die Wasseroberfläche kaum durchbrach: Das musste das Urwesen sein!
Ich konnte es nicht genau erkennen, aber was ich sah, reichte, um absolute Panik in mir zu entfachen. Und nicht nur in mir. Cass und ich stürzten vorwärts, so rasch es unsere Flossen hergaben, Richtung Strand, nur weg – solange das Urwesen dort draußen von Fischattacken in Schach gehalten wurde …
Donnerstag, der 7. JuliMERMAID ISLAND / TANSANIA
Gwendolyn Desna Madhāmā
Chris drückte mich so fest an sich, dass mir die Luft wegblieb. Nicht zum ersten Mal, seit wir vom Strand wieder zurück auf Mermaid Castle waren. Begonnen hatte er mit seinen Bären-Umarmungen, direkt nachdem Cass und ich den Strand erreicht hatten und von Eden mit Decken versorgt worden waren; zeitgleich als das Urwesen in den Tiefen des Ozeans verschwunden und seitdem nicht mehr aufgetaucht war.
»Ähhh«, protestierte ich jetzt. Meine Lunge quietschte wie die Scharniere einer altersschwachen Schranktür. »Du musst … loslassen.« Hektisch klopfte ich Chris mit der rechten Hand auf den Rücken.
Er ließ mich aber nicht los, sondern zog mich noch enger an sich.
Hektischer klopfte ich ihm nun, mit noch mehr Nachdruck, auf seinen Rücken. Au, war der hart! Hatte ich etwa seine Wirbelsäule erwischt? Da sollte man ja eher nicht draufklopfen. »Ich … kriege«, keuchte ich angestrengt, während ich meine Morsezeichen auf eine Stelle weiter unten an seinem Körper verlagerte, »keine …«
Pfff. Weich. Griffig?
»Gwen betatscht Chris’ Arsch!«, rief Shey, irgendwo rechts von mir.
Mist, meine Hand war jetzt wohl sehr viel weiter unten gelandet.
Ruckartig ließ Chris mich los.
»Luft, huh-huh«, keuchte ich wie ein alter D-Zug. Mühsam versuchte ich mich ohne Chris’ Umarmung auf den Beinen zu halten, um nicht wie ein gefällter Baum auf den Perserteppich, auf dem wir standen, zu knallen. Auf dem erspähte ich nämlich einige dubiose Flecken, deren Bekanntschaft ich nicht machen wollte. Allein die Vorstellung, dass Cass’ Mum doch keine Tomatensuppenabfüllanlage entwickelte, wie ich noch vor einigen Tagen gewitzelt hatte, sondern das ›K‹ in ihrer Projektbezeichnung KDT womöglich irgendwas mit Köpfen zu tun haben könnte, ließ mir einen Schauer über den ganzen Körper laufen.
»Liam, Cass, also ehrlich, nehmt euch bitte auch ein Zimmer! Das sieht ja aus, als wollt ihr euch inhalieren«, forderte Shey weiter, die – wie ich nun feststellte – sich ungeniert umguckte, während wir alle auf Eden, in deren Büro, warteten. Dabei strich sich die Kleine eine feuerrote Strähne ihres ansonsten kunstvoll geflochtenen Haars zurück.
Nach unserer Rückkehr auf Mermaid Castle waren wir nur kurz auf die Zimmer gehetzt, um uns an- beziehungsweiße umzuziehen und notdürftig frisch zu machen. Nun trugen alle eine wilde Mischung aus Bademänteln und Trainingszeug. Und meine Geduld, dass Eden kam und uns – wie am Strand versprochen – ein paar Informationen gab, neigte sich langsam dem Ende zu. Auch wenn ich es genoss, dass Chris mich schon wieder an sich zog, als wollte er mich nie mehr loslassen.
»Oder du machst einfach die Biege?«, schlug er Shey pikiert vor.
»Nö, wenn ihr alle hier seid, kann’s nur spannend werden. Da mach ich garantiert nicht die Biege!«
»Aber Shey, findest du nicht, dass es schon spannend genug für dich war?«, wandte meine beste Freundin vorsichtig ein, als sie sich in Zeitlupentempo und mit einem so sengenden Blick von Liam löste, dass ich meinte, das Zimmer müsste gleich in Flammen aufgehen. Besonders als er sie ebenso schmachtend aus tiefbraunen Augen ansah und sich dabei abgelenkt durchs kurze fast schwarze Haar fuhr, was einen muskulösen Oberarm und seine tätowierten Finger zur Geltung brachte.
Verstohlen linste ich unter gesenkten Lidern zu Chris, der mich nicht so anschaute. Das wäre ja auch zu einfach gewesen, denn dann hätte ich ihm direkt hier beherzt meine Liebe gestehen können und …
»Mppfff.« Shey klang wenig überzeugt.
»Ich meine, spannend genug für uns alle«, ruderte meine beste Freundin zurück, als sie ihren Fehler erkannte.
Keine kleine Cousine schätzte es, von ihren älteren Familienmitgliedern ausgeschlossen zu werden. Dabei war in unserem Fall der Schlamassel wirklich derart groß, dass ich mich eher fragte, welcher vernünftige Mensch nicht mit wehenden Fahnen davor fliehen würde, wenn er könnte, sondern begeistert dabei sein wollte?
Aber halt …
Shey war ja gar kein Mensch.
Wir waren keine Menschen.
Wir.
WIR.
Dieses ›wir‹ und das ›keine Menschen‹ waren für mich immer noch neu und schwer zu begreifen. Instinktiv runzelte ich die Stirn, als meine Anzahl an Fragen wuchs.
Prio 1: Was war ich?
Prio 2: Würde das Urwesen uns früher oder später alle töten und die Welt zerstören, wie Eden es während der Zeremonie mit dem goldenen Buch angedeutet hatte?
Prio 3: Wie konnte es da eine noch schlimmere Bedrohung geben, die das Mermaid-Orakel Cass prophezeit hatte? Was war denn bitte schlimmer als eine erwachte Naturgewalt, die die Erde beschützen wollte, indem sie alle vernichtete?
Seufzend löste ich mich von Chris und überbrückte die wenigen Schritte bis zur breiten Glasfront von Edens Büro. Dort ließ ich meinen Blick über die beruhigende, stille Schönheit der Natur draußen schweifen.
Vier Palmen wogten in einer leichten Brise, die vom Ozean herüberwehte. Von einem wolkenlosen Himmel brannte die hier, nahe Sansibar, gleißende Sonne. Alles wirkte paradiesisch ruhig und unglaublich friedlich. Nichts deutete auf den vorangegangenen Angriff hin. Und wäre ich nicht dabei gewesen, hätte ich ihn jetzt vielleicht für einen Albtraum gehalten. Doch ich war dabei gewesen – mitten in diesem äußerst realen Albtraum.
Versunken in den Anblick der Idylle, der mich beruhigte, blendete ich das Geplänkel der anderen aus, legte behutsam meine Finger an die warme Scheibe und schloss die Augen. Ich verdrängte all die drängenden Fragen und gönnte mir einen Moment des Durchatmens.
Einzig der Fähigkeit, das immer wieder zu tun, mich ganz auf mich und meine innere Mitte zu fokussieren, war es zu verdanken, dass ich diesen Sommer noch nicht durchgedreht war. Und es half auch jetzt. Meine Schultern entkrampften sich und meine Muskeln wurden weich.
Trotzdem spürte ich sofort die Präsenz einer anderen Person, noch bevor Chris sich dicht hinter mich stellte und mir sein Atem heiß über den Hals strich. Vorsichtig legte er mir eine warme Hand an die Hüfte.
Die Art der Berührung, die Form seiner Hand – beides war mir inzwischen sehr vertraut.
Lächelnd lehnte ich mich nach hinten, gegen seine muskulöse Brust und sein zustimmendes Brummen ließ meinen ganzen Körper wohlig vibrieren.
Vielleicht sollte ich jetzt …
Ein lautes Scheppern riss mich aus dem Gefühl der Zweisamkeit und ließ uns beide herumfahren. Doch statt einer neuerlichen Gefahr wankte zum Glück nur Eden, schwer beladen mit einem Aquarium, in den Raum; dicht gefolgt von Joyce, ihrer Haushälterin, die den Vorgang mit zweifelnder Miene beäugte. Deren dunkles Haar saß wie immer in einem makellosen Bob und eines ihrer engen, farbenfrohen Kleider betonte heute in Hellblau ihre tief gebräunte Haut.
Ächzend hievte Cass’ Mum das halb mit Wasser gefüllte eckige Becken auf ihren Schreibtisch und rückte es akkurat zurecht.
Manu wackelte darin fröhlich mit seiner quietschgelben Schwanzflosse, als wollte er alle begrüßen. Ihm schien sein neues Zuhause zu gefallen.
Gut.
Nachdem der Urfisch tatsächlich Wort gehalten hatte – zumindest erklärten wir uns so das Zurückweichen des Meeres und die Fischattacken auf das Urwesen –, hatte er sich das verdient. Zwar stellte ich mir ein Leben in einem Glaskasten auf Mermaid Castle beengt vor, im Vergleich zu den Weiten des Ozeans – na ja, der fünf Ozeane der Welt –, gleichzeitig war es natürlich viel geruhsamer. Und vielleicht sehnte sich Manu einfach nach einem neuen ›Topf‹. Das Aquarium war jedenfalls um Längen besser als der angeschwemmte Plastikmüllbeutel, in dem wir ihn vom Strand hierher transportiert hatten. Und mir sollte alles recht sein, ich hatte mein Versprechen ebenfalls gehalten. Wir waren quitt.
Erwartungsvolle Stille trat ein, als Eden sich aufrichtete.
»Das müsst ihr euch ansehen!«, tönte es just vom Gang und Cass’ Cousin Okuza hetzte ins Büro. Sheys Bruder kollidierte dabei fast mit Joyce, als er zu dem großen Monitor an Edens Bürowand eilte und diesen einschaltete. Wie immer war sein dunkles Haar zu einem Manbun zusammengefasst und er trug sportliche Kleidung. »Die Nachrichten sind voll davon, die berichten von überall!«
Schneller, als ich gucken konnte, zappte Okuza durch die Sender.
Zapp. Zapp. Zapp. Zapp. Zapp.
Dann stoppte er.
»Ein Drittel des Fischbestands der Weltmeere schwimmt tot an der Oberfläche.« Eine attraktive Sprecherin blickte ungläubig in die Kamera. Sie schluckte, als neben ihr Bilder von toten Fischen eingeblendet wurden: Im Meer, mit dem Bauch nach oben treibend. Angespült. Frisch, mit toten Augen. Halb verwest, mit Fliegen übersät. Von Kindern stolz in die Kamera gehalten. Woanders achtlos auf die Pritschen von Kleinlastern geworfen, lieblos verladen für den Abtransport.
Cass und Shey keuchten auf.
Zapp.
»Weltweit bricht Panik aus.« Ein älterer Mann im Anzug raufte sich die Haare. Hinter ihm sah ich die New Yorker Börse. Menschen rannten vorbei, in Anzügen und mit Aktentaschen, die sie panisch umklammerten. Handy am Ohr, Sorgenfalten auf der Stirn. »Die Weltmärkte spielen verrückt!«
Ich riss die Augen auf.
Zapp.