SEELENFRESSER (Southern Watch 2) - Robert J. Crane - E-Book

SEELENFRESSER (Southern Watch 2) E-Book

Robert J. Crane

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Beschreibung

Ein neuer Dämon ist nach Midian gekommen. Er giert nach Leben und wird erst dann verschwinden, wenn keine Menschenseele mehr lebendig ist. In Midian, einer kleinen Stadt in Tennessee, sind die dämonischen Kräfte der Unterwelt auf dem Vormarsch. Eine Reihe grauenhafter und brutaler, von Dämonen verübter Mordfälle hält das völlig unvorbereitete Sheriff's Department in Schach. Kleinstadtpolizist Archibald Stan und Dämonenjäger Lafayette Hendricks wachen außerhalb des Gesetzes über Midian und versuchen die Dämonenhorden auszudünnen und den Urheber der Mordfälle zur Strecke zu bringen. Ein Unterfangen, das sie ihr Leben kosten könnte … Dämonen, ein Hauch Neo-Western, ein guter Schuss Humor und jede Menge Action – SOUTHERN WATCH ist beste Serienunterhaltung für Fans von Jim Butcher, Sandman Slim oder Wynonna Earp.

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SOUTHERN WATCH

Seelenfresser

Robert J. Crane

Copyright © 2015 Robert J. Crane

Dieses Buch ist ein fiktives Werk. Namen, Charaktere, Orte und Begebenheiten sind Produkte der Fantasie des Autors oder werden fiktiv verwendet. Jede Ähnlichkeit mit tatsächlichen Ereignissen oder Orten oder Personen, egal, ob lebendig oder tot, ist absolut zufällig.

Das Einscannen, Hochladen und Verbreiten dieses Buches über das Internet oder auf andere Art und Weise ohne die Erlaubnis des Verlages ist illegal und strafbar. Bitte kaufen Sie nur autorisierte elektronische Ausgaben und fördern Sie nicht die Piraterie urheberrechtlich geschützter Materialien. Dafür, dass Sie die Urheberrechte des Autors anerkennen, sind wir dankbar.

Kein Bestandteil dieser Publikation darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages ganz oder teilweise reproduziert werden.

Impressum

überarbeitete Ausgabe Originaltitel: DEPTHS Copyright Gesamtausgabe © 2024 LUZIFER Verlag Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Cover: Michael Schubert Übersetzung: Wolfgang Schroeder Lektorat: Manfred Enderle

Dieses Buch wurde nach Dudenempfehlung (Stand 2024) lektoriert.

ISBN E-Book: 978-3-95835-612-2

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Inhaltsverzeichnis

Seelenfresser
Impressum
Danksagungen
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Ein Hinweis für den Leser
Über den Autor

Danksagungen

Der erste Dank geht an alle, die dazu beigetragen haben, dass die Veröffentlichung von Called: Southern Watch #1 in der Sinners & Sorcerers-Boxreihe so erfolgreich war. In keiner bestimmten Reihenfolge schulde ich Dankbarkeit dem großartigen Daniel Arenson, Scott Nicholson, J. R. Rain und Phoenix Sullivan, die die ganze Sache mit der nötigen Professionalität und Souveränität gemanagt haben.

Am tiefsten in der Schuld stehe ich bei meiner Freundin S. M. Reine, ohne die diese Serie nicht einmal in 2015 das Licht der Welt erblickt hätte. Sie überzeugte mich, die Dinge zu beschleunigen, und hat mir einen verdammt guten Grund dafür gegeben. Dafür – und für vieles mehr – schulde ich ihr meinen Dank.

Dank gebührt auch Jerod Heck und David Leach, die den ersten Entwurf des Buches durchgelesen haben, um mir zu helfen, größere Fehler zu finden. Danke, Jungs.

In der letzten Runde geht der Dank an meine Mutter und meinen Vater sowie an meine Frau und unsere Kinder. Genug gesagt.

Kapitel 1

Gideon konnte den Tod spüren, wenn er ganz genau auf das achtete, was sich tief in seinem Inneren regte. Er schlug zwar nicht in seiner Nähe zu, eher in der Entfernung von einigen Meilen, doch Gideon konnte den Tod, während der sich seinem Ziel näherte, trotzdem schmecken, und es war fast so gut, als würde er sich mit ihm im gleichen Raum aufhalten.

***

Jacob Abbott hatte jahrelang für seine Scheidung gespart, doch dann war die Schlampe gestorben und hatte ihm zwei Wochen, bevor er die Scheidung hatte einreichen können, einen Strich durch die Rechnung gemacht. Ein Jahr später ging es ihm deswegen immer noch beschissen. Jacob hatte für die Scheidung eine große Nummer in Chattanooga angeheuert und den Rechtsanwalt per Ratenzahlung bezahlt, eine Rate nach der anderen, an jedem verdammten Zahltag, drei Jahre lang. Es war aber auch ein beschissener Mist, dass Hayley bei einem Autounfall gestorben war, bevor er den Anblick genießen konnte, wie ihr beim Lesen der Scheidungspapiere die fetten Gesichtszüge entglitten. Jacob hatte geplant, ihr die Unterlagen zwei Wochen nach dem achtzehnten Geburtstag seiner jüngsten Tochter zustellen zu lassen, und zwar während er zu Hause war. Das wollte er schließlich nicht verpassen. Denn immerhin hatte er verdammt viel dafür bezahlt.

Stattdessen hatte sie sich unter den Zwillingsreifen eines Sattelschleppers, der auf der Interstate die Spur wechselte, zermalmen lassen, und dann hatte ihm der gottverdammte Anwalt noch erklärt, dass der Vorschuss nicht zurückerstattet werden könne. Er hatte dem Schwanzlutscher zwar ein paar gepfefferte Worte an den Kopf geworfen, aber auch das hatte ihm keinen einzigen Cent zurückgebracht. Was ziemlicher Mist gewesen war, weil er ein Begräbnis zu bezahlen hatte. Für Jacob war Hayleys Beerdigung genau so ein Tritt in die Eier gewesen, wie die Tatsache, dass er sein Geld nicht zurückbekommen hatte.

Aber inzwischen war wieder alles okay. Jacob machte sich ein weiteres Bier auf, während er in seiner Unterwäsche im Keller des Hauses saß, das er sich früher mit seiner Frau geteilt hatte. Damals, als Hayley noch lebte, hatte er den Keller in Besitz genommen, ihn zu seinem Reich erklärt. Nachdem sie gestorben war, hatte er sich nicht die Mühe gemacht, die oberen Etagen wieder zu übernehmen. Die Kinder wohnten dort oben, wenn sie in der Stadt waren, was nicht oft der Fall war. Jacob hing nach der Arbeit einfach in seinem Keller ab, trank Bier, aß seine Sauerrahmchips und schaute Sportsendungen auf ESPN. Das reichte ihm vollkommen.

Als ihn die ersten Schmerzen des Herzinfarkts überfielen, hatte Jacob nicht wirklich Zeit, darüber nachzugrübeln, ob das Bier, die Zigaretten oder die Sauerrahmchips die Ursache dafür waren oder ob es an den letzten fünfzehn Jahren lag, in denen die anstrengendste Übung das eine Mal im Jahr gewesen war, an dem ihn Hayley rangelassen hatte. Er wusste nur, dass es viehisch wehtat.

Es fühlte sich an, als würde man ihm ein flammendes Schwert durch den linken Arm mitten in die Brust stoßen, und es tat höllisch weh. Er keuchte und umklammerte seinen Arm, dabei röchelte er nach Luft, als wäre er von einem Sattelschlepper überfahren worden. So fühlt sich das also an, dachte er.

Jacob zuckte zusammen, als hätte ihm jemand einen glühenden Schürhaken in den Hintern gerammt. Unbewusst fegte er mit der Hand über den Beistelltisch zu seiner Linken. Er hörte, wie er dabei einige Dinge umwarf, was er aber durch den Schmerz kaum spürte. Normalerweise hätte er sich Sorgen darüber gemacht, aber er war viel zu sehr damit beschäftigt, zwischen den keuchenden Atemzügen zu schreien.

Jacob rutschte unkontrolliert zuckend aus seinem Stuhl und schlug auf dem Boden auf, wobei ihm die höllischen Schmerzen die Brust versengten. Er konnte die Sauerrahmchips riechen, während er seine Wange gegen den ausgefransten graubraunen Teppich presste, und es war ein bisschen wie der Duft von zuhause. Die Chips waren um ihn herum auf dem Boden verstreut, die Schüssel lag umgedreht vor seinen Augen. Zu jeder anderen Zeit wäre es ein angenehmer Duft gewesen, praktisch ein Ersatz für jemanden, der ihn an der Tür erwartete, wenn er von der Arbeit in der Fabrik nach Hause kam. Er liebte diese verdammten Chips, es störte ihn nicht einmal, wenn er noch etwas von dem Zeug an der Hand hatte, wenn er sich einen runterholte, und sein Schwanz roch solange danach, bis er am nächsten Morgen duschte.

Jetzt störten sie ihn allerdings nur noch. Er wälzte sich herum und hörte, wie sie knirschend in winzige Stücke zerbrachen. Der Schmerz hatte gerade so weit nachgelassen, dass er darüber nachzudenken begann, was er als Nächstes tun musste. Das Telefon zu finden und die Notrufzentrale anzurufen, stand ganz oben auf seiner Liste.

Jacob hatte gerade noch genug Geistesgegenwart, um zu erkennen, dass, wenn die Chips auf dem Boden lagen, das Telefon wahrscheinlich auch heruntergefallen war. Seine Gedanken drehten sich wie wild im Kreis, dann klang der Schmerz leicht ab und kroch in die Mitte seines Brustkorbes zurück. Jetzt war es, als würde jemand etwas heiße Asche in seiner Brust glühen lassen.

Er versuchte, sich daran zu erinnern, ob sich das Telefon dort befunden hatte, wo es normalerweise lag, nämlich auf dem Beistelltisch. Dank desnachlassenden Schmerzes konnte er wieder einen klaren Gedanken fassen und kam zu dem Schluss, dass das wahrscheinlich so war. Er richtete sich etwas auf und fuhr mit seinen fettigen, nach Sauerrahm riechenden Fingern über die vernarbte Kante des Beistelltisches. Der Tisch hatte an den Stellen, an denen er von Zeit zu Zeit Zigaretten abgelegt hatte, wenn der Aschenbecher mal wieder zu weit weg gewesen war, ein paar Brandnarben. Er griff weiter hinüber, wobei er sich kräftig streckte, und sofort kehrte der Schmerz donnernd zurück, sodass Jacob auf die Seite fiel. Er hörte ein Winseln und erkannte, dass es sein eigenes war. Es war ja nicht so, als wenn noch jemand anderes bei ihm wäre.

Nachdem er seinen Blick über das Schlachtfeld der heruntergefallenen und zerbröselten Chips hatte schweifen lassen und keine Spur des Telefons entdeckt hatte, versuchte er erneut, sich hochzudrücken. 911. Seine letzte Hoffnung. Die Worte schwirrten ihm im Kopf herum, während er sich aufrichtete, und er zwang sich ein letztes Mal vom Boden hoch, um in Richtung Tischkante zu schauen.

Einen Moment später sank er erschöpft zurück, nachdem er einen Blick auf die matte, kahle Oberfläche des Beistelltisches geworfen hatte, die völlig leer war. Er vermutete, dass das Telefon auf die Rückseite gefallen war.

Gottverdammt!

Jakob stürzte auf den Rücken, das Geräusch knirschender Chips erfüllte seine Ohren, seine Atemzüge kamen nun flacher. Aus irgendeinem Grund musste er an das letzte Mal denken, als er vor einem Monat im Bordell in der Water Street flachgelegt worden war. Wie sich diese heiße, rothaarige Hure gefühlt haben musste, als er sie vollgeschwitzt hatte und danach von ihr heruntergerollt und einfach auf dem Rücken liegen geblieben war. Er atmete nicht so tief wie damals, aber er hatte bestimmt ähnliche Geräusche gemacht, da war er sich ziemlich sicher.

Der Schmerz steigerte sich zu einem qualvollen Crescendo, eine letzte Woge, die ihn überrollte, und er hätte schwören können, dass er nach Jesus, dem Teufel, und jedem anderen dazwischen schrie, damit es aufhörte. Er hatte zwar keine Ahnung, wer antwortete, aber irgendjemand tat es verdammt sicher. Und auf einmal wusste Jacob Abbott, dass sein Ticket gelocht worden war. Allerdings war es bei ihm kein Sattelschlepper. So hatte es sich also angefühlt …

Irgendwo am anderen Ende der Stadt konnte Gideon es spüren, fühlte, wie das Leben Jacob Abbott verließ. Dieses letzte Flüstern im Todeskampf, es war stark, ebenso wie der letzte qualvolle Schrei, den niemand außer ihm hören konnte. Es war wie die süßeste Nascherei, wie der aufregendste Fick, den er sich überhaupt vorstellen konnte. Es war ein schmutziges, kleines Geheimnis unter seinesgleichen, dass auch Dämonen fickten, genau wie die widerlichen Menschen. Manchmal sogar mit widerlichen Menschen. Er machte das nicht, was daran lag, dass er ein Großer war. Er kümmerte sich selbst um seine Bedürfnisse.

Gideon hörte die letzten Echos von Jacob Abbotts Tod tief in sich widerhallen, das Flüstern, die Schreie, und selbst im Bett liegend, erlebte er es so, als würde Abbott direkt vor seinen Augen sterben. Es war so schön, kam dem am nächsten, was er als sexy bezeichnen würde. Als der Tod sich immer weiter genähert hatte, hatte er einen Ständer bekommen und ihn in die Hand genommen.

Es war aufreizend, dieses Gefühl des nahenden Todes. Als stünde er unter Abbott, den Schlund weit aufgerissen und bereit, ihn zu verschlingen. Die Seele stieg zu ihm hinab, und Gideon schmeckte alles – die Angst, die ganze Qual – jeder Tropfen davon floss heraus, als Abbott starb, und er saugte alles in sich hinein, fraß ihn förmlich auf. Der gleichmäßige Rhythmus seiner Hand unter der Decke wurde schneller, er ließ sie immer heftiger an seinem Schwanz auf und ab gleiten, als mehr und mehr dieser Gefühle auf ihn einprasselten.

Gideon konnte Abbott schreien hören, der Mann bettelte ihn an, aufzuhören. Was er nicht tat. Denn dies war der beste Teil des Ganzen, die Essenz des Mannes löste sich in Gideons wartendem Selbst auf. Sie brannte in ihm, was sich fantastisch anfühlte, und Gideon umfasste sein Glied noch kräftiger. Die Schreie in seinem Kopf wurden immer lauter, und seine Lust steigerte sich bis zum Höhepunkt und …

Er kam genau in dem Augenblick, als Abbott endgültig starb. Das letzte Stück Essenz löste sich vom Körper, Gideon fing es ein und verschluckte es. Es war ein guter Höhepunkt, und kleine Tropfen von Gideons Sperma brannten Löcher in die Bettlaken.

Gideon atmete lang und tief ein, er lag dabei wie Abbott auf dem Rücken und genoss einfach nur die Eindrücke. Es fühlte sich so gut an. Er schwelgte in seiner ganz eigenen Art von Nachglühen, holte noch einmal tief Luft und hoffte auf einen weiteren Tod. Und zwar bald.

Seine Hand griff unwillkürlich wieder in den Schritt. Sehr bald.

Kapitel 2

»Ein Mann zieht in die Hügel von Tennessee«, sagte Hendricks und sah sich in der Bar an seinem Tisch um. Zufälligerweise war er wirklich gerade oben in den Hügeln, mindestens zehn Meilen außerhalb von Midian, und die Typen, mit denen er zusammensaß, hingen an seinen Lippen. Das Bier in seiner Hand war zwar kalt, schmeckte dafür aber beschissen. Es roch nach einer der landesweit verbreiteten Marken, Pisse, die vorher in Flaschen abgefüllt worden war, um sie leichter trinken zu können. Wenn es nach ihm ginge, würde er das Zeug am liebsten nehmen und es direkt ins Pinkelbecken schütten, um sich Ärger zu ersparen, aber wenn er es nicht vorher trank, dann würde es ihm nicht den Rausch verschaffen, auf den er aus war. »Er ist ungefähr einen Tag lang dort, als jemand mit einem alten, total verbeulten Pick-up vorfährt. Aus dem Wagen steigt dieser langhaarige, Latzhose-tragende Bauerntrampel, der hinterwäldlerischste Hurensohn, den ihr je gesehen habt.«

Hendricks sah sich beim Reden in der Runde seiner Zuhörer um. Es waren drei, die mit ihm zusammen am Tisch saßen, alles Kerle, alle verdammt schick gekleidet – einer in Anzug und Krawatte, ein anderer in einer Strickweste. »Der Hinterwäldler kommt auf den Mann zu und sagt: Ich wollte mal vorbeischauen und dich in unserer kleinen Ecke des Waldes willkommen heißen. Außerdem will ich dich zu einer Party einladen, denn schließlich bist du hier neu in der Gegend. Damit du die Einheimischen kennenlernen kannst. Der Hinterwäldler lehnt sich weiter zu dem Typen hinüber und fährt fort: Aber ich muss dich warnen, auf der Party wird es etwas zu trinken geben. Du hast doch kein Problem mit Alkohol, oder?

Der Kerl, der Hendricks direkt gegenübersaß und die Strickweste trug, prustete leicht. Hendricks lächelte, nahm einen langen, bitteren Schluck von seinem Bier und bedauerte es sofort. Wenigstens spürte er, wie sich ein leichter Schwips einstellte. Um so weit zu kommen, hatte er bereits die Hälfte des Bieres austrinken müssen, was eine ziemliche Enttäuschung für ihn war. Der Neuankömmling antwortet: Nein, ich habe kein Problem mit Alkohol, und der Hinterwäldler sagt: Gut! Es könnte auch sein, dass geflucht wird. Du hast doch kein Problem mit Fluchen, oder? Der neue Kerl sagt: Ich habe ja selbst schon ein- oder zweimal in meinem Leben Schimpfwörter benutzt; also, nein, ich habe kein Problem mit Fluchen.«

»Ist diese Scheiße bald vorbei?«, fragte der Typ links, während ihm das Kondenswasser seiner Bierflasche über die Hand lief. Er trug Röhrenjeans und ein Poloshirt mit hochgestelltem Kragen, passend zu seiner dick umrandeten Hipsterbrille. Viel zu cool für diesen Ort, dachte Hendricks. Zumindest dachte das der Kerl bestimmt von sich.

»Halt die Klappe, den kenne ich noch nicht«, sagte der Typ rechts und warf seinem Freund quer über den Tisch hinweg einen bösen Blick zu. Er trug zwar Anzug und Krawatte, aber wenigstens hatte er den obersten Knopf seines weißen Hemdes geöffnet. So wie er angezogen war, fragte sich Hendricks, ob er ein Börsenmakler oder etwas in der Richtung war. Auf alle Fälle sah er hier verdammt fehl am Platz aus.

»Ach ja, es wird bestimmt auch ein paar Kämpfe geben, sagt der Hillbilly zu dem Neuling«, fuhr Hendricks fort und ignorierte den Zwischenrufer, »ich hoffe also, du hast kein Problem mit Kämpfen. Ich habe schon das eine oder andere Mal Ärger gehabt, sagt der Neue: Also nein, ich habe kein Problem mit Kämpfen.«

Hendricks roch den Rauch in der Luft, den die Zigaretten der Stammgäste drüben an der Bar wie Miniaturschornsteine ausstießen. »Nun, das ist meine Party, und auf meinen Partys wird immer etwas gefickt. Ich hoffe, du hast kein Problem mit Ficken. Der Neuankömmling zuckt mit den Achseln und meint, er habe kein Problem damit. Okay, gut, sagt der Hinterwäldler zu dem Mann, Ich freu mich darauf, dich morgen Abend zu sehen, und dann geht der Typ zurück zu seinem Pick-up, um wegzufahren.«

»Hehe«, sagte der mit der Strickweste und starrte Hendricks von der anderen Seite des Tisches aus an. Es war, als würde er auf Verdacht lachen, weil er davon ausging, dass die Pointe gut werden würde. Was sie tatsächlich auch war. Hendricks hatte den Witz schon ein paar Mal erzählt, und er war immer gut beim Publikum angekommen. Er warf einen Blick zur Bar hinüber und bemerkte, dass der Witz dort den gegenteiligen Effekt hatte – die Männer an der Bar sahen nicht wirklich erfreut aus. Ein halbes Dutzend wütender Gesichter starrte ihn einfach nur an.

»Okay …«, fuhr Hendricks fort, »gerade als der Hinterwäldler seinen Truck erreicht, ruft ihm der Neuankömmling hinterher: Moment mal! Was für eine Art Party ist das überhaupt? Ich meine, was soll ich anziehen? Und der Hinterwäldler steht einfach nur mit bereits geöffneter Pick-up-Tür da, kratzt sich eine Minute lang an seinem haarigen Kinn, als würde er intensiv über die Frage nachdenken, und antwortet dann: Oh, ich glaube nicht, dass das wichtig ist. Du und ich werden die einzigen Gäste sein.«

Das leise Gelächter der Strickweste wurde schnell von dem dröhnenden Lachen des Anzugtypen übertönt. Der Kerl mit der Hipster-Brille zuckte ein wenig zusammen und warf den Stammgästen drüben an der Bar einen nervösen Blick zu. Die starrten alle mürrisch auf ihren Ecktisch, offensichtlich hatten sie ein Hühnchen mit ihnen zu rupfen.

»Oh je, das ist wahrscheinlich so was von wahr«, sagte der Anzugtyp, während er sein Glas hob, um ein weiteres Bier zu bestellen. Er grinste immer noch leicht, aber der Blick, den er dabei dem Kerl mit der Strickweste zuwarf, verriet Hendricks, dass der Anzugtyp checkte, ob sein Anführer dem zustimmte. Hendricks bemerkte die leicht co-abhängige Beziehung zwischen dem Mann und dem Kerl in der Strickweste und fragte sich, wie lange das schon so ging. »Vermutlich ist die Geschichte wirklich wahr.«

Hendricks zuckte mit den Schultern und behielt die Männer an der Bar im Auge. Wenn sich nicht bald einer von denen in Bewegung setzte, hatte er einen weiteren Witz auf Lager, der sogar noch etwas provokativer sein würde.

»Stimmt«, sagte der Typ mit der Strickjacke nickend. »Wir sind jetzt hier unten seit … wie lange? Seit einer Woche? Und es fühlt sich genau so an. Hier in der Gegend gibt es jede Menge Hinterwäldler-Wichser.« Er redete laut, der Alkohol hatte ihm die Zunge gelockert. Hendricks lehnte sich einfach nur zurück und ließ es geschehen. »Alles nur Hinterwäldler- und Provinzscheiße. Man kann hier nichts machen – kein Theater, keine Kultur, keine anständigen Restaurants.« Er sah sich um. »Und das Bier …«

Hendricks neigte leicht den Kopf. »Nun, ich denke, dass ich dem letzten Punkt zustimmen kann.«

»Hier unten ist es so, als wäre immer noch 1859«, fuhr der Kerl mit der Strickjacke fort. »Ihr habt den Krieg verloren, Jungs«, sagte er mit erhobener Stimme. Hendricks beobachtete, wie sich einer der Männer an der Bar, der bisher mit dem Barkeeper gesprochen hatte, bei diesem Satz umwandte, wobei er seinen Stuhl langsam herumdrehte. »Ein Haufen Rassisten, die nur herumsitzen, ihre Monstertruck-Reifen durchdrehen lassen und Dreck in die Luft schleudern, und …«

Der Barkeeper hatte sich ihnen langsam genähert. Er war mittelgroß, trug ein Baseball Cap auf dem Kopf und eine Windjacke mit der Aufschrift SM Lines. Der Reißverschluss der Jacke war so weit hochgezogen, dass darunter nur der Kragen eines karierten Flanellhemdes zu sehen war. Er kam zu ihrem Tisch hinüber, und der Typ mit der Strickweste unterbrach sich, bevor er sich umdrehte, um zu dem Mann hochzublicken, der ganz und gar nicht erfreut aussah.

»Ja?«, fragte der Kerl mit der Strickweste, während er zu dem Mann hochstarrte. Keiner der Typen, die mit Hendricks zusammensaßen, sah so aus, als wöge er viel mehr als 75 Kilo. Der Barkeeper war verdammt stabiler gebaut als jeder dieser Typen.

»Entschuldigen Sie die Unterbrechung«, sagte der Mann mit dem Basecap, »aber ich kam nicht umhin, Ihre abfälligen Bemerkungen über die Leute hier mitzubekommen.«

»Ach was«, antwortete der Kerl mit der Strickjacke und wandte sich ab, um Hendricks und die anderen am Tisch anzusehen, »wir sprachen nur gerade über unsere Erfahrungen, die wir hier in der Gegend gemacht haben.« Er kicherte, und die anderen beiden fielen sofort mit ein.

»Nun, Männer, ich glaube nicht, dass Sie diese Erfahrungen hier gemacht haben«, sagte der Mann mit dem Basecap, »ich glaube vielmehr, Sie haben einmal zu oft Deliverance gesehen, und aus irgendeinem Grund steckt das in Ihrem Gehirn fest.« Er hielt seine Hände so in die Höhe, als würde er kapitulieren. »Ich spekuliere nicht gerne über die Motive von Leuten, und definitiv urteile ich nicht über sie, aber vielleicht liegt es ja daran, dass Sie sich immer nach einem Mann gesehnt haben, der Sie in den Wald entführt und Sie dort so richtig hart rannimmt.«

»Was soll der Scheiß?«, fluchte der Typ mit der Strickweste und stand so schnell auf, dass er seinen Stuhl dabei umstieß.

»Wie ich bereits sagte, ich fälle keine Urteile, aber vielleicht sollten Sie Ihre negative Einstellung ein wenig unter Kontrolle bekommen, während Sie unser Zuhause besuchen«, fuhr der Mann mit dem Basecap fort.

»Euer Zuhause?«, fragte der Strickwesten-Kerl mit triefender Verachtung. Hendricks senkte den Kopf und verbarg seinen Gesichtsausdruck unter der Hutkrempe. Dies könnte besser funktionieren, als er gedacht hatte. »Euer Zuhause ist ein verregnetes, rückständiges Drecksloch, in dem alle eine Scheiß-Einstellung haben, deine Leute sind pleite und darüber hinaus noch ungebildete Idioten, deren Verständnis von Kultur ausschließlich darin besteht, Dinge zu häuten.«

Der Barkeeper nahm sein Basecap ab, glättete sein schütteres Haar und fuhr dann fort: »Mein Name ist Michael McInness, und ich habe einen Abschluss in französischer mittelalterlicher Literatur von der University of Minnesota. Mir gehört diese Bar, und ich häute Dinge einzig und allein während der Jagdsaison.« Er setzte das Basecap wieder auf und rückte es zurecht. »Was die Tatsache beweist, dass ich Ihnen nicht hier und jetzt die Haut abziehe.« Er musterte jeden der Männer. »Das hier sind Menschen, die andere Interessen haben als Sie. Zeigen Sie etwas Respekt vor ihnen als Mitmenschen. Wenn Sie Ihre Zunge nicht im Zaum halten können, während Sie sich in meiner Bar aufhalten, dann lade ich Sie ein, zu verschwinden.« Er tippte grüßend an den Schirm seines Basecaps. »Guten Tag, Männer.«

Der Typ mit der Strickweste saß einfach nur fassungslos da, er stotterte vor sich hin und wusste nicht, was er als Nächstes sagen sollte. Hendricks beobachtete ihn und stand kurz davor, laut zu fluchen. Verdammt noch mal, hier sollte eigentlich ein Kampf starten, und höfliche, sorgfältig überlegte Antworten würden garantiert nicht dazu führen.

»Denkst du, du bist besser als wir?« Der Kerl, der Anzug und Krawatte trug, stand vor Arroganz triefend auf, dabei platzte er förmlich vor Kraft und Elan, genau so, wie Hendricks es brauchte. Nun, vielleicht klappte die Sache ja doch noch.

»Ich bin nicht besser als andere«, antwortete Michael McInness, während er zum Tresen zurückging. »Aber es ist auch niemand besser als ich.«

»Ich glaube, ich bin besser als du«, sagte der Kerl im Anzug, und Hendricks beobachtete, wie sich seine Hand um die Bierflasche verkrampfte. Er hob die Flasche an und trank sie mit einem kräftigen Schluck aus. Hendricks stand kurz davor, sich einzumischen und etwas zu sagen, um die Situation noch etwas mehr anzuheizen, als der Anzugtyp seine leere Flasche gegen den Tisch schmetterte und den scharfkantigen Teil vor sich hielt. »Ich denke, ich bin auf alle Fälle besser als du, du arschfickender Hinterwäldler.«

»Sie müssen noch daran arbeiten, mich davon mit rhetorischen Mitteln zu überzeugen«, sagte McInness. »Ein Mann, der, um seinen Standpunkt klarzumachen, eine Flasche zerbrechen und einen anderen Mann damit bedrohen muss, wirkt wie ein Kerl mit ziemlich schwachen Argumenten, wie jemand, der einfach immer wieder die gleiche falsche Scheiße wiederholt, bis er glaubt, dass sie wahr ist.«

»Wie wäre es, wenn ich und meine Kumpels hier einfach so lange die Scheiße aus dir herausprügeln, bis du in einer Pfütze deines eigenen Blutes ertrinkst?«, fragte der Anzugtyp grinsend. »Ich denke, das würde unsere Überlegenheit klarstellen.«

»Nicht die intellektuelle, so viel steht fest«, antwortete McInness und schüttelte dabei traurig den Kopf. »Ihnen ist anscheinend nicht aufgefallen, dass Sie in der Unterzahl sind.«

Zu diesem Zeitpunkt bekam Hendricks einen trockenen Mund. Was todsicher an seinen Nerven lag. Als er vor einigen Minuten den Plan entwickelt hatte, die drei zu einer Kneipenschlägerei mit den Einheimischen zu provozieren, schien das eine gute Idee gewesen zu sein. Wenn sich jetzt allerdings herausstellen sollte, dass sie keine Dämonen waren, dann war es eine verdammt dumme Idee.

Und inzwischen war ihm klar geworden, dass die Idee sogar noch schlechter sein könnte. Nämlich dann, wenn sich herausstellen sollte, dass sie doch Dämonen waren.

»Wen hast du denn als Rückendeckung dabei?«, fragte der Anzugtyp und nickte in Richtung der Männer an der Bar. Sie waren zu viert, jeder trug einen Bart, der mindestens bis zur Hälfte auf die Brust reichte. »Die Jungs von Duck Dynasty?«

Die vier Männer an der Bar standen gleichzeitig auf und stießen ihre Hocker von sich. McInness zuckte zusammen. »Ich hoffe, Sie wollten damit nicht beleidigend sein, denn …«

»Doch, genau das wollte ich«, antwortete der Anzugtyp, und Hendricks beobachtete, wie der Kerl mit der Hipster-Brille aufstand und dabei seinen Holzstuhl nach hinten schleuderte.

»Das ist eine verdammte Schande«, sagte McInness und schüttelte den Kopf. »Denn das ist mein Etablissement, und ich fordere euch Jungs auf, sofort zu gehen.«

»Zwing uns doch«, sagte der Anzugtyp.

»Das klingt wie die Antwort eines Kleinkinds«, antwortete McInness. Als Reaktion warf ihm der Kerl im Anzug einen stechenden Blick zu. »Ihnen ist schon klar, dass ich die Polizei rufen muss, da Sie mich bedroht und meine Bar nicht verlassen haben, nachdem ich Sie dazu aufgefordert habe. Und dabei war ich sogar noch freundlich.«

Der Kerl im Anzug ging zwei Schritte auf McInness zu und stieß ihm mit seinem langen Finger gegen die Brust. »Ihr werdet nicht lange genug durchhalten, bis sie hier sind.«

McInness nickte dem Kerl im Anzug zu. »Ich verstehe. Und Sie, Cowboy?«, er blickte an dem Anzugtypen vorbei Hendricks an. »Wo stehen Sie bei der ganzen Sache?«

»Oh, ich kenne diese Männer nicht«, antwortete Hendricks, der immer noch mit dem Bier in der Hand auf seinem Stuhl saß. »Ich habe nur einen Witz erzählt, um meine Zuhörer zu unterhalten. Ich dachte, dass sich ein paar richtig coole Angeber aus der Stadt ordentlich darüber amüsieren würden. Wie sich herausstellte, hatte ich damit recht.«

McInness musterte ihn kurz. Hendricks war ein wenig überrascht, dass der Typ im Anzug noch nicht losgelegt hatte. Keiner der drei Männer hatte bisher einen Hinweis auf sein Dämonengesicht gezeigt – falls sie überhaupt eines hatten – was beunruhigend war. »Sie sind also nur in meine Bar gekommen, um etwas Scheiße aufzuwirbeln.«

Hendricks sah den Typ mit der Hipster-Brille an und bemerkte ein Zucken im Auge, einen winzigen Hauch von Dunkelheit in der Pupille. Er stellte sein Bier ab und ließ den Kerl nicht aus den Augen, während sich seine Hand langsam in seinen Mantel schlich. »Sorry, aber ja. Das war der Grund.«

»Nun, meine Gäste hier haben Freude an einem guten Kampf«, sagte McInness und nickte in Richtung der Truppe hinter sich. Einer von ihnen trug sogar ein Bandana. Ernsthaft. »Aber ich befürchte, dass der Kampf am Ende einigen Schaden in meinem Etablissement verursachen wird, und ich frage mich, wer den dann bezahlt.«

Hendricks ließ seine Hand in den Mantel gleiten, fühlte den Griff seines Schwertes und umschloss ihn fest. »Ich denke, dass das ein Fall für die Versicherung werden wird, Sir.«

»Sollte meine Bar in ihre Einzelteile zerlegt werden, werde ich das an jemandes Arsch auslassen«, sagte McInness. Jetzt sah er dem Anzugtyp direkt in die Augen. Und machte eine Pause. »Sohn, ist etwas nicht in Ordnung? Haben Sie etwa Gras geraucht?«

»Was?«, fragte der Kerl im Anzug.

»Ihr Auge.«

Hendricks bekam das Aufglimmen in den Augen des Anzugtyps mit. Scheiße!

Der Kerl schlug zu, während Hendricks sein Schwert zog. McInness flog durch die Luft, wobei er die ganze Zeit über schrie. Der Anzugtyp ging auf allen vieren auf die Männer an der Bar los, wie ein Scheiß-Wolf, der gerade aus seinem Käfig befreit worden war.

Hendricks vergrub sein Schwert direkt in den Eingeweiden des Kerls mit der Hipster-Brille. Das daraufhin ausbrechende Höllenfeuer erfüllte die Luft mit dem scharfen Gestank von Schwefel.

Hendricks hustete und taumelte zurück. Bei diesen Wichsern klappten Überraschungsangriffe immer noch am besten. Das waren tatsächlich die einzigen Attacken, die garantiert funktionierten.

Der Kerl mit der Strickjacke und der Anzugtyp machten sich jetzt über die Jungs an der Bar her, und Hendricks verspürte ein Gefühl von Reue. Das war seine Schuld. Sein dämlicher Plan, die Typen dazu zu bringen, sich vor Publikum zu offenbaren, damit er nicht überrumpelt wurde, war für die Einheimischen nach hinten losgegangen. Die Schuldgefühle würden ihm später in den Arsch treten, vor allem, wenn einer dieser Jungs verletzt werden sollte.

Hendricks warf sich mit einer Leichtsinnigkeit nach vorn, die zumindest teilweise auf den Einfluss des beschissenen Bieres zurückzuführen war. Er wollte das Schwert im Rücken des Kerls mit der Strickjacke versenken, aber der Anzugtyp sah ihn kommen und stürmte auf ihn los. Die Schulter des Angreifers traf Hendricks in der Bauchgegend und presste schlagartig die ganze Luft aus ihm heraus. Er spürte den Stoß in den Rippen und hoffte, dass nichts gebrochen war.

Sie krachten auf den Boden. Der Anzugtyp bewegte sich um Welten schneller als Hendricks. Als sein Kopf gegen den Boden der Bar knallte, bemerkte Hendricks, dass er bei dem Kampf seinen Cowboyhut verloren hatte. Seine Augäpfel wurden in den Augenhöhlen durchgeschüttelt, als sein Schädel auf dem schmutzigen, abgewetzten Holz aufschlug.

Das reichte dem Anzugtyp aber noch nicht. Hendricks’ Schwert war nicht einsatzbereit, seine Arme steckten neben dem Dämon fest, wo sie während des Angriffs eingeklemmt worden waren. Er konnte die Hand am Griff des Schwertes nicht schnell genug wechseln, und ein heftiger Schmerz in der Brust sorgte dafür, dass er die Klinge fast fallen ließ. Er war immer noch an den Stellen verletzt, wo ihn ein anderer Dämon nur etwa eine Woche zuvor böse erwischt hatte.

Hendricks dachte kurz über den Versuch nach, den Dämon aufzuhalten, als sich der Kerl im Anzug wie bei einer Schulhofschlägerei aufstellte und damit anfing, die Scheiße aus Hendricks herauszuprügeln. Also verwarf er die Idee ganz schnell wieder und versuchte stattdessen, die Schläge abzublocken. Den ersten Schlag fing er mit dem linken Handgelenk ab und schrie bei dem Treffer fast vor Schmerz auf. Sein Arm wurde vom Handgelenk abwärts taub, doch der Rest schmerzte dafür umso mehr, als hätte jemand mit einer Schaufel darauf eingeprügelt.

»Hau’n wir hier verdammt noch mal ab!«, brüllte jemand irgendwo neben Hendricks, dann waren die schweren Schritte mehrerer Stiefelpaare zu hören. Schemenhaft nahm er wahr, dass es die Jungs von der Theke waren, die den besseren Teil der Tapferkeit wählten. Er wünschte, er könnte sich ihnen anschließen.

Der nächste Schlag des Anzugtyps erwischte ihn an der Nase, und er spürte, wie sein Blut zu fließen begann. Sein Kopf fühlte sich benebelt an. Da hockten doch zwei von diesen Scheißkerlen auf ihm drauf, oder?

Hendricks’ Blick richtete sich auf den Kerl in der Strickjacke. Der stand direkt hinter der Schulter des Anzugtyps, hinter dem weißen Hemd, das jetzt ein wenig blutbefleckt war. Hendricks wusste, dass einiges davon von ihm stammte.

Hendricks’ Gedanken wurden lange genug wieder so weit klar, um sich daran zu erinnern, dass er etwas in der Hand hielt. Etwas, das helfen könnte. Er sah es blinzelnd an, als der Anzugtyp zum nächsten Schlag ausholte.

Ach ja, richtig. Ein Schwert.

Er stieß es nach oben und rammte es dem Anzugtypen in den Brustkorb. Hendricks steckte einiges an Kraft in den Stoß, so als müsste er es bis zum Heft hineinjagen, um den Job zu erledigen. Er bekam es zwar nicht bis zum Griff hinein, schaffte aber trotzdem gute sieben Zentimeter, und das war genug. Die blutige Hülle des Anzugtypen wurde von den dunklen Flammen verschlungen, die beim Abgang eines Dämons entstanden, und Hendricks spürte die abrupt aufbrandende Hitzewelle, als sich der Dämon in die Hölle verabschiedete.

Hendricks wollte sich zu Boden sinken lassen und einfach nur abwarten, aber der Kerl mit der Strickjacke hatte McInness gepackt. Das würde nicht gut ausgehen, doch trotzdem konnte Hendricks seinen Körper nicht dazu zwingen, von diesem beschissenen Boden hochzukommen.

Hinter sich hörte er ein Geräusch, doch er schaffte es nicht, sich danach umzudrehen. Donnernde Schritte gingen an ihm vorbei, schwere Tritte, als wären die Jungs von Duck Dynasty mit ihren Kumpels zurückgekommen, doch …

Nein. Das waren sie nicht.

Ein Schwarzer, der wie ein Gebirge gebaut war und die khakifarbene Uniform eines Deputy-Sheriffs trug, tauchte über ihm auf. Er warf Hendricks nur einen kurzen Blick zu, bevor er den Kerl mit der Strickjacke am Rücken packte und ihn nach hinten riss, wodurch der Typ aus Hendricks’ Blickfeld verschwand.

Oh, Gott sei Dank.

Arch.

***

Archibald Stan mochte seinen Vornamen nicht, also hörte er lieber auf Arch. Das klang in seinen Ohren zwar nicht nach einem Namen, zumindest nicht nach einem traditionellen, aber er funktionierte für ihn. Der Name war leicht auszusprechen, leicht zu merken und er war unverwechselbar. Wobei es ihm eigentlich egal war, dass er unverwechselbar klang, aber dieser Umstand kam ihm zugute, sodass er ihn nicht ablehnte.

Arch hatte beobachtet, wie die Stammgäste aus der Bar herausgestürzt gekommen waren, während er in der Stille seines Streifenwagens auf dem Parkplatz vor der Bar gesessen hatte. Während der Regen gegen die Scheiben klopfte, hatte sich plötzlich die Eingangstür zur Charnel House Bar geöffnet und die Männer begannen herauszuströmen. Das genügte ihm als Zeichen, dass da drinnen gerade alles den Bach runterging. Er hatte darauf gewartet, dass Hendricks herauskäme und ihn holen würde, nachdem er geklärt hatte, dass die Auswärtigen dort drin tatsächlich Dämonen waren. Aber der Cowboy tauchte nicht wieder auf. Wäre Arch irgendein anderes Mitglied der Truppe, hätte er einfach zusammen mit Hendricks in die Bar gehen können.

Doch jeder in Calhoun County wusste, dass Arch Stan äußerst selten etwas trank, und wenn er es doch täte, würde er nicht in eine Hinterwäldlerkaschemme im Süden des Countys spazieren, um es zu machen. Stattdessen hatte er so lange mit dem Betreten der Bar gewartet, bis die Stammkundschaft fluchtartig das Charnel House verlassen hatte.

Arch schaute sich blitzschnell um, als er durch die Eingangstür stürmte. In einer Ecke der Bar herrschte ein Chaos aus zerbrochenen Bierflaschen. Einer der Stammgäste lag auf dem Boden und blutete aus dem Mund, und Mike McInness, der Eigentümer der Bar, hing in den Händen eines Dämons, der eine Strickjacke trug.

Arch war noch nicht allzu vielen Dämonen begegnet, allerdings hatte er schon mal einen in einem Anzug gesehen. Aber mit einer Strickjacke? Das war neu.

Arch zog das geweihte Springmesser, das ihm Hendricks etwa eine Woche zuvor gegeben hatte, heraus, und hörte, wie es aufschnappte, bevor er sich schnell vorwärtsbewegte. Er dachte flüchtig an Hendricks und bemerkte, dass der zerknitterte schwarze Haufen zu seiner Rechten tatsächlich der Cowboy war. Hendricks wirkte, als wäre er richtig gut aufgemischt worden, schien aber nicht unmittelbar in Gefahr zu sein.

Bei McInness hingegen sah es so aus, als würde ihm gleich der Kopf abgerissen werden. Damit hatte er absoluten Vorrang für Arch.

Arch stürmte vorwärts, um das Springmesser im Rücken des Dämons mit der Strickjacke zu versenken, aber der Typ bewegte sich in letzter Sekunde zur Seite. Arch griff mit seiner freien Hand nach der Schulter des Dämons und riss ihn zurück. Der Dämon ließ McInness los, der mit einem dumpfen Geräusch, das durch die Bar hallte, auf dem Boden aufschlug.

»Na, wenn das nicht noch ein Mensch ist«, sagte der Dämon in der Strickjacke mit einem breiten Grinsen, wobei er sein wahres Gesicht enthüllte.

»Ja«, antwortete Arch und hielt Abstand zu ihm. Der Dämon blockierte den Weg zur Eingangstür, wobei Arch gar nicht die Absicht hatte, gerade jetzt durch die Tür zu verschwinden.

»Aber du hast keine Angst, oder?« Der Dämon grinste immer noch. Als würde er das Messer in Archs Hand nicht sehen. Oder als ob er nicht wüsste, was es für ihn bedeutete.

»Vor einer Teufelsbrut wie dir?« Arch zuckte mit den Achseln. »Ich habe keine Ahnung, warum ich die haben sollte. Du bist nur ein kleiner Ballon voller Schwefelgestank, der darauf wartet, dass man ihn zerplatzen lässt.«

»Denkst du wirklich, du hast es drauf, das zu tun?« Der Dämon in der Strickjacke grinste ihn anzüglich an. »Weil ich nämlich glaube, dass du für mich und meine Jungs das Abendessen sein wirst …« Er schaute nach links, dann nach rechts und schien plötzlich zu bemerken, dass er mit Arch allein war. »Was zum… Wo sind meine Jungs?« Er richtete seinen flammenden Blick wieder auf Arch.

»Anscheinend hat schon jemand das Feuer aus ihnen herausgelassen«, antwortete Arch und versuchte dabei, das Springmesser zu verbergen, indem er seinen Körper so abwandte, dass der Dämon in der Strickjacke es nicht sehen konnte. »Aber ich bin sicher, du hast nichts zu befürchten.« Arch spürte, wie er leicht zu lächeln begann. »Du hast doch keine Angst, oder?«

Arch hatte keine Ahnung, ob der Dämon deswegen angriff, weil er seine eigenen Worte gegen ihn gewandt hatte oder weil er ihm unterstellt hatte, feige zu sein. Jedenfalls ging der Dämon auf ihn los, und Arch stach ihm mit dem Springmesser mitten ins Herz. Die Luft war sofort von Schwefelgeruch erfüllt, und diese hasserfüllten Augen gingen direkt vor ihm in Flammen auf. Er hielt die Strickjacke gepackt und fühlte ein schwaches Kribbeln, als das schwarze Feuer über seine Haut kroch und den Dämon verschlang.

Arch sah sich danach genau um und überprüfte, dass kein weiterer Dämon darauf wartete, ihn von hinter der Bar oder aus Richtung der Toiletten anzuspringen. Als er sich vergewissert hatte, dass da niemand war, schaute er nach Hendricks, der mit dem Gesicht am Boden vor sich hinmurmelte. »Bist du in Ordnung?«, fragte ihn Arch, während er neben dem Mann im schwarzen Viehtreibermantel in die Hocke ging.

»Ich fühle mich, als hätte mir jemand in den Hintern getreten und mich dann von seinem Stiefel abgekratzt«, meinte Hendricks und schaute mit halb geschlossenen Lidern zu Arch hoch. »Gib mir eine Minute, dann stehe ich auf. Schau lieber nach McInness und dem anderen Kerl, okay?«

»Ja«, antwortete Arch und ging zu McInness hinüber. Seine Schritte knarrten auf dem unebenen Boden des Charnel House, als er sich näherte. Der Barkeeper war etwas neben der Spur, aber Arch gab ihm einen leichten Klaps ins Gesicht, und die Augenlider des Mannes flatterten. »Jemand da drin, McInness?«

»Muss ich schon aufmachen?«, sagte McInness, sein rotes Gesicht sah etwas blutig aus. »Du lieber Himmel, sind Sie das, Arch?« Die Augen des älteren Mannes waren jetzt offen, und als er seine Lippen bewegte, bemerkte Arch, dass die obere deutlich gespalten war. »Was zum Teufel machen Sie in meiner Bar?«

Arch starrte McInness in die Augen und wedelte mit der Hand vor seinem Gesicht herum. »Sie haben vielleicht eine Gehirnerschütterung, Mike.«

»Ich glaube, jemand hat sich in meiner Bar geprügelt«, sagte McInness. »Ich sollte lieber erst nach meinem Laden sehen, bevor ich zum Arzt gehe.«

Arch sah sich um. »Äh … Sie sind bereits in Ihrer Bar, Mike.«

McInness blinzelte mit verwirrtem Gesichtsausdruck. »Dann sollte ich wohl doch zum Arzt gehen.«

Arch musste dieser Einschätzung zustimmen, aber bevor er das machen konnte, hörte er auf dem Boden neben der Bar noch jemanden grunzen. Es war ein Mann, den er kaum kannte, der Mann hieß Ellroy, ein langbärtiger Bursche, der auf einer Farm in der Nähe von Culver arbeitete, einer gemeindefreien, kleinen Stadt, durch die Arch alle paar Tage während seiner Patrouille fuhr. Arch kannte den Mann nur, weil der ihn einmal angehalten hatte, um sich wegen eines Auswärtigen helfen zu lassen, der die Straße des Mannes zweimal am Tag wie ein Verrückter auf und ab gefahren war. Es hatte sich herausgestellt, dass es sich dabei um einen High-School-Jungen aus Midian handelte, der ein Mädchen die Straße hinauf besucht hatte. Eine Verwarnung hatte dem Jungen das Blei aus dem Fuß genommen, und Ellroy war sehr dankbar gewesen.

»Was zum Teufel …?«, fragte Ellroy, seine Lippen trieften vor Blut.

»Sie sind in eine Kneipenschlägerei geraten«, sagte Arch und beobachtete den Mann dabei, wie er sich in eine sitzende Position kämpfte. Ellroy trug Jeans-Hosenträger mit einem T-Shirt in Tarnfarben darunter.

»Muss ich ins Gefängnis?«, fragte Ellroy. Arch entdeckte die Krähenfüße in den Augenwinkeln des älteren Mannes, während er blinzelte. Er sah aus wie ein Mann, der viel lachte.

»Nicht heute Nacht«, antwortete Arch, während er Ellroy im Auge behielt. »Ich glaube nicht, dass Sie damit angefangen haben.«

Ellroy nickte, schien ihn zu verstehen. »Habe ich gewonnen?«

Arch warf ihm einen Blick zu. Die Jungs schienen den Kampf echt genossen zu haben. »Das glaube ich nicht. Die Kerle, die angefangen haben, sind trotzdem abgehauen.«

»Oh, Mann«, stöhnte Ellroy und hielt sich den Kopf. »Wie geht’s McInness?«

»Muss ins Krankenhaus.« Arch richtete sich auf. »Sind Sie nüchtern genug, um ihn zu fahren?«

»Ich hatte nur ein Bier«, antwortete Ellroy. Er war ein großer Teufelskerl, nicht viel kleiner als Arch selbst. Die zerbrochenen Bierflaschen verbreiteten einen Geruch, der mehr als nur ein wenig unangenehm war.

»Helfen Sie mir, ihn aufzurichten«, sagte Arch zu Ellroy und deutete auf McInness. Auch der Barbesitzer war kein kleiner Kerl.

»Okay«, antwortete Ellroy, und auf drei legte jeder einen Arm an McInness’ Schultern und zusammen wuchteten sie den Mann in die Höhe. Der Barkeeper sagte nicht viel dazu, seine Augen flatterten immer noch. »Und wie sieht’s mit dem Cowboy aus?«, fragte Ellroy und zeigte auf die Stelle, an der Hendricks auf dem Boden lag.

»Ach, der?« Arch schlurfte weiter, während sie McInness aus der Bar schleppten. Er drückte die Tür auf und hielt sie offen, während sie den großen Barbesitzer in die Nacht hinaustrugen. Arch warf einen Blick zurück auf Hendricks, der immer noch auf dem schmutzigen Boden der Bar lag und sein Gesicht in den Händen vergraben hatte. »Um den kümmere ich mich in ein paar Minuten.«

***

Sein Name war Lerner, zumindest stand das in seinem Führerschein, und sein Partner nannte ihn auch so. Er hatte ein Faible für Anzüge, die möglichst unscheinbar wirkten; die Farbpalette seiner Anzüge war zugegebenermaßen nicht so kreativ wie die seines Partners, der Duncan genannt wurde. Duncan hätte wildes, limonenfarbenes Zeug getragen, wenn man es ihm erlaubt hätte. Doch Lerner ließ das nicht zu; es war einfach nicht angemessen.

Die Luftfeuchtigkeit hing dick in der Luft, als Lerner aus der Limousine stieg. Es war ein Mietwagen, den sie ausgewählt hatten, weil er wie ein Polizeifahrzeug aussah und wie ein Polizeifahrzeug roch, und weil Lerner immer und überall versuchte, wie ein Polizist zu wirken. Das machte ihm das Leben einfacher. Er ging mit Duncan an seiner Seite langsam durch die drückend heiße Nacht und schlenderte in der Stadt eine Straße entlang. An beiden Straßenseiten reihten sich Haus an Haus aneinander, hohe Bäume wiegten sich in einer Brise, die keine Erleichterung brachte. »Ziemlich heiß heute Nacht«, sagte Lerner. Duncan grunzte nur zustimmend. So war er eben. Der ruhige Typ. Lerner glich das aus.

Der Geruch nach frittiertem Hühnchen hing unbewegt in der Luft, obwohl Lerner sich nicht vorstellen konnte, dass irgendjemand jetzt bei offenem Fenster kochen würde. »Hier draußen ist es wie in einer verfluchten Sauna«, murmelte Lerner vor sich hin, als er neben einem weißen Lattenzaun stehen blieb, der ein weißes Haus umzäunte. Er zog schnuppernd die Luft ein; unter dem Grillhähnchengeruch lag noch ein anderer. »Hier?«, fragte er.

Duncan nickte, seine braunen Augen verengten sich unter den dichten Brauen, deren dicke Haare in alle möglichen Richtungen strebten. »Du könntest verdammt noch mal was sagen, Igor«, fluchte Lerner, aber Duncan zuckte nur mit den Schultern. Lerner ließ seine Hand über das Tor des hüfthohen Zauns gleiten und spürte dabei das glatte, bemalte Holz unter seiner Hand. »Sogar ich spüre, dass hier etwas nicht in Ordnung ist.« Es lag definitiv ein Hauch von Essenz in der Luft, als Hinweis auf etwas, das nicht so stark sein sollte.

Sie gingen gleichzeitig die Vordertreppe hinauf, ihre Schuhe klangen dabei wie das Ticken einer Standuhr. Sie hatten auch den gleichen Rhythmus, dachte Lerner, perfekt aufeinander abgestimmt. Er griff unter sein Jackett, ein nettes, kleines Nadelstreifenteil, das er bei Men’s Wearhouse ergattert hatte und zu dem eine passende Hose gehörte. Als seine Hand wieder zum Vorschein kam, hielt er einen Teleskopschlagstock fest in der Hand, einen sechs Zoll langen Metallstab, der in einen Gummigriff eingefasst war. Lerner konnte das geriffelte Muster des Griffs in seiner Hand spüren, und dieses kleine Flattern in seinem Inneren sagte ihm, dass es fast so weit war. Er trat auf die Veranda und ging bis zur Eingangstür, wo er vor einem ovalen Fenster stehen blieb, auf dem einige farbige Glaselemente in einem Muster angeordnet waren. Dahinter konnte er einen Spitzenvorhang erkennen.

Und dann trug Duncan auch noch einen cremefarbenen Anzug. Er sah wie ein verdammter Zuhälter aus. »Geh mal zur Seite«, sagte Lerner zu ihm. Duncan tat es. Er hörte vielleicht nicht zu, wenn es um Mode ging, aber wenn es Zeit war, loszulegen, verhielt er sich absolut professionell. Duncan hatte ebenfalls seinen Teleskopschlagstock herausgeholt und hielt ihn wartend in der Hand. Er stand neben dem Türrahmen, dessen rissig gewordene Farbe ihm auf die Schulter rieselte.

Lerner starrte noch eine Sekunde lang auf die Eingangstür und klopfte dann mit den Knöcheln heftig an. Er schlug hart dagegen und wartete. Lerner widerstand der Versuchung, mit dem Fuß auf die grauen Bodenbretter der Veranda zu tippen.

»Wer ist da?«, kam eine Männerstimme von irgendwo hinter dem Vorhang.

Lerner behielt die Vordertür genau im Blick. »Wir kommen von der Ersten Kirche der…« Er brach kurz ab und murmelte dann etwas vor sich hin. »Wir sind hier, um mit Ihnen über unseren Herrn und Erlöser zu sprechen.«

Ein Gesicht erschien hinter dem Glas, und es war genau in dem Umfang ausdruckslos, dass Lerner auf den ersten Blick wusste, dass es sich um einen Dämon handelte. Obwohl er gerade von einer Fressorgie kam, war es wahrscheinlich, dass ihm bei der Stelle mit dem Herrn und Erlöser der Sabber aus dem Mund tropfte. Dämonen verspeisten Gläubige, als wären sie Süßigkeiten, das besondere Geschenk eines göttlichen Wesens, vor dem sie bei Licht zurückzuckten. Verbotene Früchte.

Es klappte jedes Mal.

Die Verriegelung der Tür wurde mit einem lauten Klacken gelöst, dann begann sie aufzuschwingen. Dabei strömte ein ekelhafter Geruch heraus, der Lerner vielleicht zum Würgen gebracht hätte, wenn ihn Gerüche stören würden. Gerüche, wie der Gestank von verrottenden Leichen.

Lerner machte einen Schritt zurück. Das schaffte Raum zwischen ihnen, so, wie es ein Prediger tun würde. Es war höflich. Lerner lächelte und versuchte dabei, aufrichtig auszusehen.

»Du bist also hier, um mich zu bekehren?« Der Mann, der im Eingang des Hauses lehnte, starrte Lerner an. Duncan stand, außer Sichtweite, nur einen Schritt daneben.

»Ja, in der Tat, ich bin hier, um Sie zu bekehren«, antwortete Lerner und hatte den Schlagstock hinter seinem Rücken versteckt. Er hielt seine Hände hinter sich, so als ob er nur auf einen respektvollen Abstand und die richtige Körperhaltung achten würde.

»Das dürfte dir schwerfallen«, sagte der Mann, wobei seine Antwort vor Ironie triefte. Lerner lächelte weiter. Der Mann in der Türöffnung trug ebenfalls einen Anzug. Als wäre er gerade in der Kirche gewesen. Oder vielmehr, als hätte er ihn jemandem aus dem Schrank gestohlen.

»Nun, Sir, ich denke, dass jede Veränderung der angeborenen seelischen Verfassung eines Menschen unangenehm sein muss«, antwortete Lerner. »Tatsächlich habe ich mich oft gefragt, warum die Leute so viel Widerstand gegen Veränderungen zeigen.« Das war ein Punkt, über den er sich ziemlich oft dozierend ausließ. »Ich meine, es gibt offensichtlich Dinge, die gut für einen sind, wie zum Beispiel Gemüse zu essen, sich fettarm zu ernähren, das Gesetz zu befolgen – was die Leute einfach nicht tun, aus welchem Grund auch immer.«

Lerner bemerkte, wie Duncan mit den Augen rollte, kurz bevor er um den Türrahmen herumtrat und die Feder seines Teleskopschlagstocks aktivierte. Die Spitze des Schlagstocks kam herausgeschnellt und traf den Mann im Anzug in die Brust.

Lerner stand einfach nur da und sah zu.

Er wusste, wenn es sich bei dem Mann im Anzug um einen Menschen handelte, würde der jetzt vor Schmerz seine Brust umklammern, weil die Feder die Spitze des Schlagstocks direkt gegen sein Brustbein gehämmert hatte. Doch der Mann reagierte nicht so, zumindest nicht genau so. Er griff sich zwar wirklich an die Brust, aber er tat dies, während sich sein Mund lautlos öffnete, ausgefüllt von einem schwarzen Höllenfeuer, das aus seiner Brust, seinen Augen und seinem Mund herausschoss und ihn vollständig verzehrte, bevor er auch nur ein Wort als Antwort sagen konnte.

»Du hättest mich ruhig erst ausreden lassen können«, beschwerte sich Lerner. Er wollte Duncan eine Kopfnuss verpassen. Sein Partner hörte nie seinen tiefgründigen Gedanken zu, sodass es nur fair erschien, dass das ihre Zielpersonen tun mussten, bevor sie sie in Flammen aufgehen ließen.

»Dann müsste ich mir das ja anhören«, antwortete Duncan, während er die Schwelle des Hauses überschritt.

»Es würde dich nicht umbringen, wenn du hin und wieder selbst mal tiefsinnige Gedanken wälzen würdest, Duncan.«

»Lass uns das lieber nicht ausprobieren.«

»In Ordnung«, sagte Lerner, nachdem sie den Eingangsbereich betreten hatten. Dessen Wände waren weiß gestrichen und der Raum öffnete sich auf der Rückseite des Hauses zu einem Wohnzimmer oder etwas Ähnlichem. Alle Vorhänge waren geschlossen, verdunkelten den Eingangsbereich und füllten ihn mit Finsternis.

»Sollten wir uns ankündigen?«, murmelte Duncan und hoffte, dass es leise genug wäre, dass ihn niemand sonst hören konnte.

»Ich denke, wenn wir das Element der Überraschung für uns arbeiten lassen, wäre das eine feine Sache«, antwortete Lerner. »Es sei denn, du magst den Gedanken, von einem Tul’rore, der gierig auf Fleisch ist, überrumpelt zu werden.«

Darüber musste Duncan nicht lange nachgrübeln. »Ich mag es ruhig.«

»Das dachte ich mir.«

Sie schlichen über die alten Holzdielen aus blank gewetzter, vergilbter Eiche, die beim Laufen gelegentlich quietschten. Lerner verzog jedes Mal das Gesicht. Duncan sah so unbeteiligt aus, als würde er sich gerade aussuchen, welches Bett er im Motel nehmen sollte.

Vor ihnen war ein Geräusch zu hören, und beide Männer blieben mit erhobenen und schlagbereiten Totschlägern stehen. Duncans Waffe war noch vom Aufspießen des ersten Tul’rore an der Tür ausgefahren. Lerners Finger schwebte über dem winzigen Knopf an der Seite seines Teleskopschlagstocks. Dass er noch gespannt war, war ein erfreulicher Vorteil. So konnte er schnell und einfach mindestens einen tödlichen Treffer landen. Danach musste er etwas härter dafür arbeiten.

Das war aber auch in Ordnung. Lerner hatte nichts dagegen, ab und zu mal in die Bredouille zu geraten, solange er und Duncan als Sieger daraus hervorgingen.

Und das taten sie immer.

Der Lärm wurde jetzt zu einem Knirschen, wie Holz, das unter starkem Druck zersplitterte. Er kannte das Geräusch, das folgte, Zähne, die Fleisch von Knochen abrissen. Lerner brauchte nur eine Sekunde, um zu erkennen, dass das vorhergehende Geräusch das von brechenden Knochen gewesen war. Die zermalmt wurden.

Es war kein Geräusch, das er liebte.

Duncan betrat das Wohnzimmer als Erster. Lerner folgte einen Schritt dahinter. Es war ein großer Raum, der mit Stoffsofas klassisch eingerichtet war und in dem ein Fernseher stand, der die halbe Wand einnahm. Lerner hatte viel über das Wachstum von Fernsehbildschirmen nachgedacht, und war zu dem Schluss gekommen, dass sie in dem Umfang größer wurden, wie die Menschen in der Gesellschaft den Kontakt zu sich selbst verloren. Es war fast so, als müssten sie immer größere Bildschirme haben, um das schrumpfende Loch zu füllen, das in ihrem Selbst …

»Da«, unterbrach Duncan grunzend seinen Gedankengang. Vor ihnen lag eine offene Tür, und die Fressgeräusche kamen aus dem Raum dahinter. Rote Tapeten verliehen dem Wohnzimmer eine düstere Aura, das einzige Licht schwappte von der Eingangstür herein, die sie offengelassen hatten, die Verandabeleuchtung schickte Lichtstreifen über den Boden.

Auch der Raum vor ihnen war nur von einem schwachen Licht erfüllt. Lerner schaute auf Duncans Schatten und nickte ihm kurz zu. Sie schlichen beide zur Tür, und Duncan blieb hinter dem Rahmen stehen, während Lerner hineinschaute.

Es war schlimmer, als er vermutet hatte. Vier Tul’rore waren vollauf beschäftigt, eine Leiche lag zerfetzt auf dem Küchentisch. Blut tropfte auf den Eichenboden. Drei Glühbirnen über ihren Köpfen tauchten die Szene in ein trübes orangefarbenes Licht. Dadurch sah das Blut fast schwarz aus.

Auf dem Küchentisch entdeckte er eine offene Brusthöhle, eine nackte Gestalt, die wie bei einer Operation in der Mitte des Brustbeins gespalten worden war. Nein, keine Operation. Lerner hatte sich welche im Fernsehen angesehen, während er und Duncan in Hotels logierten. Es war eine interessante Art, sich die Zeit zu vertreiben.

Nein, das sah eher wie etwas aus einem Schlachthaus aus.

Lerner konnte nicht einmal sagen, ob die Leiche männlich oder weiblich war, so groß war das Ausmaß der Zerstörung. Die Brusthöhle war richtig ausgeräumt, und von den Beinen war das Fleisch abgezogen worden, das bereits dem gewaltigen Appetit der Tul’rore zum Opfer gefallen war. Ein Tul’rore konnte alle vierundzwanzig Stunden einen ganzen Menschen verschlingen, und hier waren es fünf davon.

»Arschlöcher«, stieß Lerner aus.

Die beiden Tul’rore auf der gegenüberliegenden Seite des Tisches nahmen schließlich Notiz von ihm. Einer von ihnen stand auf und stieß dabei einen Stuhl um. Sein wahres Gesicht war entblößt, und rote Augen leuchteten über dem Blutfilm, der über sein Gesicht lief und sein Baumwollkleid beschmutzte. Er war scheinbar weiblich, obwohl Lerner wusste, dass das bei einem Tul’rore ungefähr so viel bedeutete wie Brustwarzen bei einem Mann. Sie fraßen Menschen; sie fickten sie nicht.

»Du solltest deinen Arsch lieber wieder hinsetzen«, sagte Lerner und hielt eine Hand in die Höhe. Schon als er das sagte, war ihm klar, dass es total sinnlos war. Der Versuch, einen Tul’rore zu beruhigen, war ungefähr so, als würde man einen hungrigen Löwen höflich darum bitten, dass er einen nicht weiter zum Mittagessen verschlingt.

Die Tul’rore hörten fast genauso gut zu. Die beiden, die ihm am nächsten standen, drehten sich jetzt ebenfalls um und starrten ihn an. Lerner stellte sich vor, dass sie nichts anderes als ein riesiges blinkendes Schild sahen, welches anzeigte, dass er ein weiteres leckeres Mahl war, das nur darauf wartete, geöffnet zu werden. Wie eine verdammte Happy-Meal-Schachtel für diesen Abschaum.

Lerner war nicht dumm, und er wollte nicht kalt erwischt werden, also zog er sich ins Wohnzimmer zurück. Er ging an Duncan vorbei, der sich flach gegen die Wand presste, ohne ihm auch nur zuzunicken. Duncan war ein großer Junge. Er wusste, was zu tun war.

Lerner war etwa sechs Schritte von der offenen Tür zurückgewichen, bevor der erste Tul’rore auf ihn losging. Er ließ ihn kommen. Als sich der Dämon näherte, streckte Lerner seinen Teleskopschlagstock vor und drückte den Knopf. Der blutrünstige offene Mund füllte sich mit schwarzem Feuer, der Tul’rore löste sich auf und wurde in die Hölle zurückgesaugt.

Lerner beobachtete, wie Duncan sich den nächsten Dämon holte, indem er mit seinem Schlagstock zustieß, als der in den Raum kam. Dieser schrie, bevor er verbrannte, und das Fleisch zerriss in einem sich schnell ausbreitenden Scheiterhaufen. Lerner konnte sich nie daran gewöhnen, sie auf diese Art brennen zu sehen. Es geschah so schnell, dass es ein Nachbild in seinen Augen hinterließ, so als würde er in ein helles Licht schauen, bevor er einen dunklen Raum betrat.

Einer der beiden letzten Tul’rore brach hinter Duncan durch die Wand, während der andere durch die Tür auf Lerner zustürmte. Er wollte »Scheiße!« oder »Fuck!« brüllen, aber beides passte nicht wirklich zur Situation. Das war ohnehin alles nur Lokalkolorit, Dinge, die er aus dem Fernsehen aufgeschnappt hatte. Die Bezahlkanäle brachten ihm alle Nuancen der menschlichen Sprache bei.

Diese Tul’rore waren einfach zu dumm, um zu erkennen, dass sie diesmal mehr abgebissen hatten, als sie kauen konnten.

Duncan schleuderte den Tul’rore, der an seinem Rücken hing, durch die Luft. Er prallte gegen die Decke und ließ dabei Putz abplatzen. Lerner konnte sehen, wie der Putz in dem schwachen Licht, das in den Raum strömte, herabfiel, als wäre es ein kleiner Pulverschauer, der auf ihn herabrieselte.

Als ihn der Tul’rore angriff, machte sich Lerner nicht einmal die Mühe, den Schlagstock hochzureißen. Er hob seine Faust und erwischte den Dämon am Kinn. Der Angreifer taumelte, sein Schwung war völlig zum Stillstand gekommen. Lerner ließ einen weiteren Schlag folgen, und er hörte, wie die Hülle unter seiner Attacke zerbrach. »Hast du eine beschissene Ahnung, was ihr hier getan habt?«, fragte er den Tul’rore.

Der Tul’rore, mit dem er sprach, war derjenige in dem blutverschmierten Kleid. Lerner stieß ihm den Schlagstock quer übers Gesicht, mehr peitschend, als dass er zuschlug. Er fügte ihm eine tiefe Schnittwunde auf der Stirn zu, wodurch ein wenig inneres Feuer freigesetzt wurde.

Das Licht der Seele. Die Essenz.

Aber es war nicht genug, um den Tul’rore zu töten.

Noch nicht.

Lerner ließ den Schlagstock zur Seite fallen und sprang vorwärts, packte den Tul’rore an der Kehle und riss seinen Hals beim Zudrücken nach hinten. Er konnte spüren, wie er vor Wut sein Gesicht verzerrte, als er auf den Knien landete. Er zog den Tul’rore mit sich nach unten und knallte seinen Kopf auf die Eichendielen. Zur Sicherheit drosch Lerner den Schädel noch einmal auf den Boden.

Aber auch das war nutzlos. Es war ja nicht so, als gäbe es bei diesen Viechern ein Gehirn zu beschädigen.

Der Tul’rore sah ihn mit diesen gierigen Augen an, und Lerner warf ihn zu Boden und hielt ihn dort mit einer Hand fest. Er stieß dem Tul’rore sein Knie in den Bauch und der reagierte mit einem Keuchen. Lerner wusste, dass das eher wegen des Drucks war, mehr aus Schock als aus Schmerz. Tul’rore hatten nicht wirklich Organe oder Eingeweide. Nur Essenz und Energie, die da drin herumwirbelte. Sie konnten einen Menschen verdauen und seine Essenz zu ihrer eigenen hinzufügen, außerdem konnten sie das ganze Fleisch und Blut verbrennen. Letztendlich kamen am anderen Ende ungewöhnliche Dinge heraus, Rückstände dessen, was die Essenz verarbeitet hatte. Verglichen mit menschlichen Verdauungsprozessen war das verfickt noch mal magisch.

Das Thema Ficken war eine weitere Sache, über die sich Lerner Gedanken machte, denn ihm waren Dämonen begegnet, die mit Menschen Babys hatten. Das war wirklich ein Punkt, der würdig war, untersucht zu werden …

»Wirst du ihn jetzt töten oder was?«, fragte Duncan von knapp über ihm. Er stand wartend da. Seine Arme waren verschränkt. Den Teleskopschlagstock hatte er schon wieder zusammengeschoben, bereit, verstaut zu werden. Duncan würde ihn allerdings so lange nicht wegstecken, bis Lerner mit diesem hier fertig war. So viel wusste Lerner. Duncan war ein vorsichtiger Bastard.

»Gib mir noch eine Minute«, antwortete Lerner.

»Wenn du jetzt anfängst, über die Wunder des menschlichen Lebens zu sinnieren, werde ich euch beide zusammen aufspießen«, sagte Duncan.