Seelsorge im Blick - Jörg Anschütz - E-Book

Seelsorge im Blick E-Book

Jörg Anschütz

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Beschreibung

Wege zu mir selbst Meine achtzehn Studienbriefe beim Seelsorge-Studium

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Inhaltsverzeichnis

1.0. Ich möchte mich kurz vorstellen

2.0. Meine achtzehn Studienbriefe

2.1. Gottes Selbstkundgabe und die Antwort des Menschen

2.2. Schuld und Vergebung

2.3. Mitte und Fundament der Kirche

2.4. Die Hoffnung der Christen

2.5. Gesprächsführung in der Seelsorge

2.6. Menschen in Krisen

2.7. Die Seelsorge als Begleitung Jugendlicher

2.8. Ehe und Partnerschaft, die mittleren Jahre

2.9. Seelsorge bei alten Menschen

2.10. Seelsorge als Sterbe- und Trauerbegleitung

2.11. Seelsorge und Sexualität

2.12. Seelsorge bei seelischen Störungen und Erkrankungen

2.13. Seelsorge bei besonderen Zielgruppen

2.14. Spiritualität und Leben aus dem Glauben

2.15. Die Sinnfrage- im Nachdenken und Erleben

2.16. Meditation

2.17. Wer bin ich- als Person/im Beruf/als Seelsorger(in) ?

2.18. Seelsorge in biblischen Bildern

3.0. Infos zum Studium

1.0. Ich möchte mich kurz vorstellen

Mein Lebenslauf ( Stand Juni 2008 )

Ich heiße Jörg Anschütz, bin 43 Jahre alt, bin neuapostolisch geprägter Christ, am 17.07.64 in Bernburg an der Saale geboren und wohne seit nunmehr 31 Jahren in Halle an der Saale. Nach dem Abitur und Grundwehrdienst habe ich ein Physikstudium begonnen und nach 3 Semestern abgebrochen. In dieser Zeit habe ich A... geheiratet und aktiv in der Gemeinde als Unterdiakon, Diakon und Priester ehrenamtlich mitgearbeitet. Beruflich war ich zu dieser Zeit Hauptzusteller bei der Post. Nach dem Fall der innerdeutschen Grenze habe ich 17 Jahre lang ein Taxi und Kurierdienstunternehmen mit 2 Taxen und 2-3 Angestellten geführt. Vor 16 Jahren wurde unsere Ehe nach 7 Jahren geschieden, weil ich mich in eine andere Frau verliebt hatte. Seitdem bin ich auch von meiner Aufgabe als Priester in unserer Gemeinde entbunden. Ich habe dann 10 Jahre mit G... in einer glücklichen Beziehung gelebt. Die täglichen Belastungen des Alltags mit der Sorge um das Auskommen haben unserer Liebe nicht gut getan, so dass wir uns schließlich getrennt haben. Mit beiden Begleiterinnen meines Lebens pflege ich auch heute noch einen freundschaftlichen Kontakt getragen von Sympathie und Wertschätzung. Vor 6 Jahren ist mein Vater mit 57 Jahren an Krebs gestorben. Für meine Mutter meine 3 Geschwister und mich, ein tiefer Einschnitt in unserem Leben. Um meine Mutter und meine jüngeren Geschwister unberührt zu lassen, habe ich Chancen und Risiken des Erbes übernommen, mein Vater war einer der Geschäftsführer eines Ingenieurbüros mit 60 Angestellten, und habe die Aufgabe der Verwaltung der Immobilien dieses Unternehmens bestritten. So ist es mir gelungen, dass meine Mutter und meine Geschwister unbelastet von Schulden und freigestellt von geleisteten Bürgschaften geblieben sind. Vor 2 Jahren musste das Unternehmen Insolvenz anmelden, die Immobilien werden zwangsverwaltet und sicher in den nächsten Jahren zwangsversteigert. Daneben greift nun die übernommene Bürgschaft und wird wohl zur privaten Insolvenz führen. Vor gut einem Jahr lernte ich P... kennen, die mir in dieser schwierigen Lebenslage neben meinem Glauben ein weiterer starker Fels ist, auf dem ich sicher stehen kann. Sie arbeitet in der Onkologie mit krebskranken Patienten und zeigt mir was wirklich wichtig ist: Gottvertrauen und Nächstenliebe. So wie ein unheilbarer Krebskranker lernen muss vom irdischen Leben loszulassen, musste ich lernen materiellen Besitz loszulassen. Lebensumstände die uns erschrecken, aber nicht im innersten erschrecken müssen. Mich haben sie noch näher zu Gott gebracht, ich stehe ständig mit ihm in Kontakt und freue mich, täglich seine Nähe zu spüren und zu erleben, wie er sein Werk baut und vollendet und möchte auch meinen Beitrag dazu leisten. Seit November 2007 besuche ich eine Weiterbildung zum Psychoonkologen, welche im Juni 2008 abgeschlossen sein wird. Dann werde ich in der Lage sein, Krebspatienten und ihre Angehörigen psychoonkologisch zu beraten. Um dieser Aufgabe noch umfassender und besser gerecht werden zu können, möchte ich mir mit diesem Studium das seelsorgerische Handwerkzeug aneignen.

Meine Erfahrungen und Fähigkeiten

Ich habe gelernt, mit besonderen Lebensumständen umzugehen und kann dadurch meinen Nächsten, welcher sich in ähnlicher Lage befindet, gut verstehen. Ich habe durch meine Tätigkeit bei der Post und im Taxi ständig mit anderen Menschen und ihren Lebensgeschichten Kontakt aufgenommen. Meine ehrenamtliche Mitarbeit in der Neuapostolischen Kirche im diakonischen und priesterlichen Dienst umfasste auch die seelsorgerische Betreuung der anvertrauten Gemeindemitglieder. Heute bin ich als Begleiter des zuständigen Priesters bei Seelsorgebesuchen eingesetzt. Mittlerweile habe ich auch gelernt, mein Gegenüber besser wahrzunehmen, ihm mit allen Sinnen „zuzuhören“, ihm mit Wertschätzung und Akzeptanz zu begegnen und ihm Empathie entgegenzubringen.

Mein künftiges Arbeitsfeld

Ich möchte meinen Nächsten, welcher sich in einer besonderen Lebenssituation befindet seelsorgerisch befähigt begleiten können. Dabei kann ich mir eine Tätigkeit auf dem Gebiet der Sonderseelsorge z. B. in der Krankenhausseelsorge oder Telefonseelsorge gut vorstellen. Eine Mitarbeit in der Neuapostolischen Kirche und in meiner Gemeinde sind selbstverständlich.

Meine Seelsorge

Ich habe mein „Hamsterrad“ abgeschafft und beschäftige mich vorrangig mit dem, was mir Spaß macht. P..., meine Familie und liebe Freunde im Umfeld und der Gemeinde sorgen für meine Seele, sollte Gott mal weniger Zeit für mich haben.

Jörg Anschütz im Juni 2008

2.1. Gottes Selbstkundgabe und die Antwort des Menschen

2.1.1. Die Erfahrbarkeit Gottes in den verschiedenen Formen seiner Selbstkundgabe

Ich möchte dieses Thema aus meiner persönlichen Sicht betrachten und nenne es deshalb:

Mein Gott-Erleben

Ich habe unlängst irgendwo einen Satz gelesen, der für mich auf den Punkt bringt, wie ich Gott erlebe, wie er sich mir kundtut:

„Gott ist: der Vater über mir, Jesus Christus bei mir und der Heilige Geist in mir.“

Gott-Vater erfahre ich als den Schöpfer der Natur, den Täter in der Geschichte, den liebevollen Zuwender zu allen Menschen.

Jesus Christus ist mein Erlöser, mein Mittler zu Gott, mein Heil und mein Seelenbräutigam.

Der Heilige Geist stiftet, fertigt, schafft täglich neu Glauben, Frieden und Freude in mir. Dazu bedient er sich der Heiligen Schrift und der Kirche, um Zeugnis von seiner Schaffenskraft zu geben.

Als Kind bin ich im Glauben und Vertrauen zu Gott erzogen worden und erlebte ihn in meiner Familie durch Gebet, Gesang, Geschichten aus der Bibel und den Besuch der Gottesdienste in der neuapostolischen Gemeinde. Später dann auch in der Sonntagsschule und im Konfirmandenunterricht beim Erlernen der Gebote, der Glaubensgrundlagen, des Glaubensbekenntnisses und des Konfirmationsgelübdes.

Als Jugendlicher wurde ich mir meines Glaubens erst so richtig bewusst und begann ihn zu hinterfragen, indem ich im Gespräch mit anderen und im Streitgespräch mit Gott, Antworten auf meine Fragen suchte. Ich fand sie u.a. in seiner Schöpfung, in der Unendlichkeit des Universums im Kosmos und Mikrokosmos, an dessen Erkenntnis er uns teilhaben lässt, wenn auch nur bruchstückhaft. Gern dringe ich in die Geheimnisse der Natur ein, um sie zu erkennen und zu begreifen. Mein Glauben und Vertrauen zu Gott wird dadurch nicht geschmälert, sondern umso mehr bestärkt. Dabei erwarte ich von der Wissenschaft keine endgültige Antwort, da hinter jeder Erkenntnis neue Fragen auftauchen werden.

Als 25-jähriger junger Mann erlebte ich Gott als Täter in der Geschichte des deutschen Volkes. Was 1987 ganz klein und mit wenigen Teilnehmern bei den Friedensgebeten immer montags in der Nikolaikirche in Leipzig begann, trug 1989 wesentlich mit dazu bei, das die Mauer fiel und das geteilte Deutschland wieder vereint wurde. Gebete machen Geschichte.

Ich war 36 Jahre alt, als mein Vater mit 57 seinen Kampf gegen den Krebs verlor und starb. Wo war die liebevolle Zuwendung Gottes geblieben, schaut er weg, gibt es ihn überhaupt ? Eine quälende Frage an Gott mit ganz neuer Intensität und Beanspruchung meines Vertauens zu Gott. Eine Frage der menschlichen Existenz, meiner Existenz. Antwort fand ich in einem Gottesdienst, wo von Jesus die Rede war, wie er einen Gelähmten heilte ( siehe Markus 2, 1-12 ). Dieser wurde übers zuvor abgedeckte Dach zu Jesus herabgelassen, damit er geheilt würde. Doch was macht Jesus ? Heilt er ihn von seiner körperlichen Krankheit ? Nein, zunächst nicht. Er vergibt ihm seine Sünden. Warum ? Er sah seinen Glauben und den seiner Freunde. Dann sagte er : Steh auf, denn du bist geheilt. Jetzt wurde es mir klar: Gott wendet sich mir ganz direkt zu. Mein Glauben, mein Vertrauen auf Hilfe wird nicht enttäuscht, denn da ist Jesus. Er vergibt mir meine Sünden und ich bin geheilt, nicht nur für den Augenblick meiner menschlichen Existenz auf Erden, sondern für die Ewigkeit. So auch mein Vater. Trost über den Verlust hinweg fanden meine Familie und ich besonders in der Gemeinschaft der Gläubigen, in der Kirche.

Gottes Zuwendung gilt allen Menschen. Es liegt an uns, ihm zu vertrauen, auch wenn er mal abwesend zu sein scheint.

Durch diese u.a. persönliche Ereignisse geprägt, rückt heute Jesus Christus für mich mehr und mehr in den Mittelpunkt. Seine Worte: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater, denn durch mich.“ und „Ich lebe und ihr sollt auch leben.“ sind für mich die beste Nachricht aller Zeiten und Grund genug dies meinen Mitmenschen freudig mitzuteilen: Du lebst nicht, um zu sterben. Du lebst, um zu leben, ewig zu leben. Welch eine positive Erwartungshaltung und was für Kräfte kann sie freisetzen. Das Wirken Jesu, sein Opfertod am Kreuz, seine Auferstehung und Himmelfahrt und mehr noch, seine Wiederkunft zur Heimholung der Braut, die Errichtung des Friedensreiches und das Gericht führen uns Menschen in ewige Gemeinschaft mit Gott. Wollen wir das ? Wenden wir uns ihm zu, besonders in Jesus Christus. Er schenkt bis heute erlebbar, Taufe mit Wasser und Geist, Vergebung unserer Sünden und innige Gemeinschaft mit ihm im Heiligen Abendmahl. Wo ? In der Kirche, als der Gemeinschaft der Gläubigen an Jesus Christus. Ich erlebe das heute so.

Hier höre ich auch Gottes Wort, so wie die Heilige Schrift es bezeugt. In der Predigt und in der Bibel wird mir die Wirksamkeit des Heiligen Geistes deutlich. Er schafft mit der Benutzung dieser Mittel Glauben, Frieden und Freude. Wirkt und schafft damit auch in mir und allen Menschen die ihm Raum geben.

Was für ein Zeugnis dieser Wirksamkeit gebe ich, geben wir Menschen, gibt die Kirche ab ? Ist es legitim, das unsere Mitmenschen mehr Glauben, Frieden und Freude von uns erwarten können oder ist es Schwärmerei ? Wenn wir ernst machen mit Gott und ihm ganz Raum geben, ist es legitim. Wenn ich ernst mache. Doch wie sieht es aus, mit meiner Einsicht in mein sündhaftes Verhalten, meiner Bereitschaft zur Umkehr, meiner Zuwendung zu Gott ? Wie verhalte ich mich meinen Mitmenschen gegenüber, voller Wertschätzung und Akzeptanz, emphatisch und wohlwollend ? Bin ich vergebungs- und versöhnungsbereit ? Schaffe ich Vertrauen, Frieden, Freude ? Verfalle ich gerade in Schwärmerei ? Nüchtern betrachtet gibt es heute auf der ganzen Strecke noch viel für mich zu tun. Immerhin, ich habe mich auf den Weg gemacht und bin heute auf meinem Weg zu Gott mit reichlich Gott-Erleben.

2.1.2. Der Atheismus als Frage an die Christenheit

Dank fortschreitender wissenschaftlicher Erkenntnisse gelingt es uns Menschen immer besser unsere Welt zu erklären und zu gestalten. So haben uns Kopernikus und Kepler ein neues Weltbild gegeben, Darwin eine neue Sicht auf die Entwicklung des Lebens und Freud auf unser eigenes Bewusstsein. Wir sind mündig geworden, können frei und eigenverantwortlich entscheiden und handeln.

Wozu brauchen wir da noch Gott ?

Der Atheismus welcher die Existenz Gottes verneint, stellt uns weitere religionskritische Fragen:

Haben wir unsere Wünsche und Sehnsüchte an das Leben nicht auf einen Gott projiziert, weil wir Mängel bei der Bewältigung des Lebens nicht realisieren können oder wollen ? Warum sparen wir unsere großen menschlichen Fähigkeiten zu lieben und für andere zu leiden für das „Jenseits“ auf, anstatt sie im Diesseits zu benutzen ? ( Projektionstheorie L. Feuerbachs ) Warum befreien wir uns nicht von sozialem Elend in der Welt, sondern lassen uns durch das Glück der „jenseitigen“ Welt betäuben ? ( Revolutionstheorie nach K. Marx )

Sind wir letztendlich nicht auf uns ganz allein gestellt, wenn Gott nicht da ist, ohne Sinn, ohne Halt, gleichgültig was wir im Leben auch tun ? ( Theorie des „Übermenschen“ F. Nietzsches)

Diesen Fragen will ich mich jeden Tag neu stellen.

Wie sieht es aus mit meiner Fähigkeit meinen Nächsten ( z.B. meinen Schwager) zu lieben oder mit ihm zu leiden und damit Gott zu ehren ? Verhalte ich mich nicht oft auch lieblos und ungerecht, weil mir gleiches heute begegnet? Denke ich dabei nicht nur an mich und meine verletzte Eitelkeit und nur daran, es dem anderen heimzuzahlen ? Wenn ja, handle ich so als ob es Gott und sein Gebot der Nächstenliebe nicht gäbe.

Gehöre ich auch zu denen, welche das soziale Elend in der Welt lieber verdrängen, als es zu bekämpfen ? Lasse ich mich vertrösten auf eine glückselige Ewigkeit ? Oder betäube ich meine Sinne lieber gleich mit einem Übermaß an Arbeit, Konsum, Alkohol, Drogen, Sex und anderen Möglichkeiten der Selbstverwirklichung und Lustbefriedigung, so wie meine Nachbarin ? Fühle ich mich nicht auch überfordert und auf mich allein gestellt in einer Welt, welche sich immer schneller zu drehen scheint ? Denke ich nicht auch: Es hat ja alles sowieso keinen Sinn, gleichgültig was ich tue, ob gut oder schlecht. Keiner da, der es bemerkt und ändern wird sich eh nichts, sowie der junge Mann in der Schlange beim Sozialamt.

Das ist jedoch noch nicht alles, was mir heute begegnet.

Da wir Menschen Gewohnheits- und Herdentiere sind, laufen wir mit dem breiten Strom mit, welche Gott verneinen, welchen er verborgen bleibt, welche ihn nicht kennen oder kennen lernen wollen. Wir vergöttern den Fernseher, lieben unser Auto, lassen uns von der bunten Werbewelt blenden, wollen reich, schön und berühmt werden...

Außerdem fällt es uns schwer, bei der Vielfalt der Religionen und deren Zerstrittenheit über den eigenen Anspruch an absoluter Wahrheit in Lehre und Erkenntnis, eine Entscheidung zu treffen. Mal ganz abgesehen von den vielen Fehlern die gemacht worden sind, besonders in der Christenheit.

Wenn es einen Gott gibt...

warum lässt er dann soviel sinnloses Leiden, das durch die Menschen und durch die Natur verursacht wird, zu ?

wie kann ich da von einem lieben, gütigen oder gerechten Gott sprechen ? Diese Frage wird immer wieder ganz konkret gestellt: von mir, meiner Lebensgefährtin, den vielen Krebskranken und ihren Angehörigen, die wir psychoonkologisch beratend begleiten.

Warum ?

Wenn ich Gott verneine, kann ich ihm diese Frage nicht stellen und muss mein Schicksal letztendlich ohne ihn bewältigen und mein Leben und Sterben selbst meistern.

Als gottgläubiger Mensch kann ich Gott alles fragen. Er beantwortet alle Fragen.

Wir können das nicht. Was wir können, ist Gott glauben und vertrauen. So finden wir Halt und Sinn für unser Leben, welches von Gott gewollt über das Sterben hinaus gehen wird. Seine von Jesus formulierte Aussage steht: „Ich lebe und ihr sollt auch leben.“ ebenso die Worte: „und dann werdet ihr mich nichts mehr fragen.“

Lassen wir also religionskritische Fragen, heute in Form des Atheismus zu, denn es sind ja auch unsere Fragen und es schadet nicht, sich mit ihnen auseinander zu setzen.

Vielleicht hilft es uns ja, die Warum- Frage nicht auf den Grund sondern auf den Zweck gerichtet zu formulieren.

Wozu ?

Damit schließt sich der Kreis. Gott möchte das wir mündig werden, also frei und eigenverantwortlich entscheiden und handeln. Er möchte, dass wir uns unserer Menschlichkeit bewusst werden, unserer Stärken und Schwächen. Nur so erkennen wir auch unsere Unvollkommenheit. Um Vollkommenheit vor Gott zu erlangen, bedürfen wir also mehr als seiner Gerechtigkeit. Wir bedürfen seiner Gnade. Durch das Opfer seines Sohnes Jesus Christus wird sie uns zuteil. Darin zeigt sich seine Liebe und Güte allen Menschen gegenüber. Nun liegt es an uns, das zu erkennen. Für mich ist damit auch die Frage nach dem Warum? klarer. Er wendet sich uns zu. Wenden wir uns ihm zu ? Unsere freie Entscheidung.

2.2. Schuld und Vergebung

2.2.1. Meine Erfahrungen im Umgang mit Schuld und Vergebung aktiv und passiv

A... und ich, wir haben sehr jung mit 18 bzw. 21 Jahren geheiratet. Unsere Ehe verlief anfangs sehr glücklich und harmonisch. Wir hatten eine sehr intensive Beziehung, zueinander, zu unseren Familien, zu unseren Freunden und auch zu Gott. Unser Tag war gefüllt mit Arbeit, die uns befriedigte und für ein gutes Auskommen sorgte, mit schönen Stunden im Kreis der Familie, wo Freud und Leid geteilt wurde, mit Abendstunden unter Freunden bei Kerzenschein und Rotwein, wo wir uns über Gott und die Welt austauschen konnten und mit unserer freudigen Mitarbeit in der neuapostolischen Gemeinde, wo wir mit ganzem Herzen unseren Platz im Chor, beim Blumenschmuck, in der Mission und Seelsorge ausgefüllt haben. Auch die intime und sexuelle Zuwendung zueinander machte uns glücklich. Es fehlte uns an Nichts.

Wirklich ?

Denn gerade dieser Zustand machte mich immer mehr unzufrieden und vermittelte das Gefühl, etwas vom Leben verpasst zu haben.

A... muss es wohl ähnlich gegangen sein. Doch wir sprachen nicht darüber.

Da traten X… und Y... in unser Leben.

Unser Kontakt war so intensiv, das wir eines Tages die Partner tauschten. Es passierte einfach, ohne Worte, nonverbal, ein Pärchen im Wohnzimmer, eins im Schlafzimmer und wurde schließlich bei jedem Treffen zum unausgesprochenen Ritual über ein halbes Jahr lang.

Ich war glücklich, hatte ich doch gefunden, was mir noch fehlte. Die Befriedigung meiner Begierde nach Abenteuer, Spannung, Neugier, dem Spiel mit dem Feuer.

Schuldgefühle Gott gegenüber konnte ich mit jeder Tat des Ehebruchs immer besser verdrängen, waren doch alle Beteiligten damit einverstanden. Beim ersten Versuch habe ich noch widerstehen können, um beim zweiten umso heftiger jeden Widerstand aufgegeben.

Dann veränderte sich diese Beziehungssituation.

Ich verliebte mich und wollte mehr. X... und ich, wir trafen uns heimlich. Y... wollte außerdem unsere gemeinsamen Treffen nicht mehr und A... fühlte sich vernachlässigt von ihm und schließlich auch von mir, so dass sie mich zu einer Entscheidung drängte, nachdem sie uns bei einem heimlichen Treffen auf frischer Tat ertappt hatte.

Ich entschied mich für X... und zog zuhause aus. A... reichte die Scheidung ein.

Y... kämpfte um seine Ehe. X... blieb letztendlich bei ihm.

Unsere Ehe wurde geschieden und damit wurden auch alle anderen Beziehungen empfindlich gestört, die zu unseren Familien, zu unseren Freunden und auch zu Gott und der Gemeinde, da mit der Scheidung auch meine Entbindung vom priesterlichen Dienst verbunden war.

Das Beziehungsdilemma wurde öffentlich sichtbar.

Wie wurde nun mit Schuld und Vergebung aktiv und passiv umgegangen ? A... und ich haben in unserer Ehe nicht über alles geredet, besonders was die Gefühle aufkommender Unzufriedenheit betraf.

Wir haben wortlos unsere fehlenden Bedürfnisse beim Partnertausch befriedigt und genauso die Scheidung vollzogen.

Damit sind wir aktiv und passiv einander schuldig geworden.

Es ist uns nicht gelungen alle Gefühle auszusprechen und zu bearbeiten.

Woher ich das so genau weiß ?

Wir haben darüber geredet, nach der Scheidung. Nicht gleich aber 2 Jahre später. Dann haben wir uns vergeben und sind seitdem auch gute Freunde geblieben.

Die Familie war zunächst fassungslos, hat dann aber die Entscheidung mehr oder weniger akzeptiert, nachdem jeder für sich den/die Schuldige/n ausgemacht hatte. Vergebung ist uns auch hier von den meisten zuteil geworden.

Die Freunde haben sich zurückgezogen oder Partei ergriffen. Eine Freundschaft ist bis heute parteiübergreifend erhalten geblieben, weil sie mehr zählte, als die Frage nach der Schuld. Sie hat Schuld und Vergebung begleitet und ausgehalten.

In der Gemeinde wurde unsere Mitarbeit sehr vermisst und unsere Trennung stimmte viele traurig. Besonders weil ich mich komplett zurückgezogen hatte.

A... stellte sich diesem Zustand und wurde von der Gemeinschaft liebevoll getragen. Ich auch, doch bekam ich davon nichts mit, weil ich mich mit Schuldgefühlen beladen nicht mehr in die Kirche traute. Ich hatte mich unglaubwürdig gemacht: Treue gepredigt und Ehebruch begangen. Ich versteckte mich vor Gott und der Gemeinde. Mehr noch: Ich gab Gott die Schuld. Kann denn Liebe Sünde sein ? Schließlich ist Gott die Liebe und ich liebte X... und er hatte dieses Gefühl ja zugelassen und nicht verhindert. So war auch meine Beziehung zu Gott erheblich gestört.

Ich besuchte eine andere Gemeinde, fand Zuwendung und Verständnis und erlebte Gottes Nähe aus der Sicht des Sünders viel intensiver als zuvor. Ich erkannte meine Sündhaftigkeit und gewann Einsicht in die Notwendigkeit zur Buße. Ich kann umkehren, denn Gott wendet sich mir zu. Jesus Christus sein Sohn hat durch seinen Opfertod auch meine Sünden schon bezahlt und mich vor Gott gerechtfertigt. Ich bin von Gott uneingeschränkt anerkannt und geliebt. Mit dieser Freude und Erkenntnis im Herzen fasste ich Mut und besuchte meine Gemeinde. Nun lernte auch ich das Gefühl kennen, von der Gemeinde liebevoll anerkannt und getragen zu werden, auch mit meiner Sündhaftigkeit. Bei dem Vorsteher meiner Gemeinde habe ich dann im Gespräch mein Fehlverhalten, meinen wortlosen spontanen Rückzug aus sämtlichen mir anvertrauten Aufgaben in der Seelsorge und der Chorarbeit, bekannt und um Vergebung gebeten. Diese wurde mir dann auch zuteil. Heute bin ich wieder im Chor und unterstützend bei Seelsorgebesuchen tätig.

Zu X... und Y... habe ich seit der Scheidung keinen Kontakt mehr. Sicher würde ich einem Gespräch nicht ausweichen, wenn es sich ergibt. Ich weiß von A …, dass sie sich mit beiden schon aussprechen konnte und alte Feindseligkeiten begraben worden sind. Ich war lange in meiner Eitelkeit gekränkt, hatte ich doch A... verlassen und X... dann doch nicht bekommen. Vor lauter Liebeskummer und Selbstmitleid habe ich mich lange vor der Realität versteckt, so wie zuvor auch schon beschrieben. Heute habe ich diese Gefühle verarbeitet und empfinde keine Schmerzen und auch keinen Groll mehr. Vielmehr bin ich offen und freue mich, wenn sich die Möglichkeit zum Reden miteinander bietet.

Zusammenfassend kann ich heute sagen: Ständig miteinander zu kommunizieren sich diesem andauernden Prozess der Verständigung miteinander zu öffnen, ist der beste Garant für funktionierende Beziehungen, Beziehungen zu Gott, zum Nächsten und zu mir selbst.

Oder mit Jesu Worten gesagt: Liebe Gott über alles und deinen Nächsten wie dich selbst.

Gottes Gebot zur Vermeidung von Schuld, welche ja Ausdruck einer gestörten Beziehung ist.

2.2.2. Rechtfertigung des Menschen im Alten und Neuen Testament

Altes Testament ( Alter Bund )

Gott sieht den Glauben Abrahams an sein Versprechen, dass seine Nachkommen so zahlreich wie die Sterne am Himmel sein werden. Gottes Urteil lautet: Aufgrund seines Glaubens ist Abraham gerecht. Dann macht er einen Bund mit ihm und verheißt ihm und seinen Nachkommen das Land Kanaan. Gott schenkt in diesem Bund Leben und Lebensraum. Gerecht ist wer zu diesem Bund und seiner Ordnung steht, somit im rechten Beziehungsverhältnis zu Gott, seinem Nächsten und sich selbst. Um dieses Verhältnis vor Störungen zu bewahren gibt Gott die Gebote. Liebe Gott über alles. Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst.