Miteinander Liebe machen - Jörg Anschütz - E-Book

Miteinander Liebe machen E-Book

Jörg Anschütz

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Beschreibung

Miteinander Liebe machen oder wie wir zwei miteinander streiten sollten, heißt voneinander lernen. Dazu bedarf es der Beweglichkeit aufeinander zu, der Einsicht und des Verzichts... Sind wir Menschen dazu in der Lage? Eine brandaktuelle Frage in Zeiten des Eigennutzes in Gemeinschaft und Gesellschaft.

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Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Philosophische Fakultät III – Erziehungswissenschaften

Institut für Pädagogik

„Allgegenwart von Liebe? Das Problem der Ubiquität

zwischen Theologie und Pädagogik.“

BACHELORARBEIT

eingereicht von:

Jörg Anschütz

Rennbahnring 44, 06124 Halle

[email protected]

Studiengang:

BA Erziehungswissenschaft 90

Matrikelnummer:

209205640

Erstgutachter:

Dr. Daniel Straß

Zweitgutachter:

Prof. Dr. Michael Domsgen

Semester:

WS 2013/2014

Abgabedatum:

29.04.2014

Inhaltsverzeichnis

Gliederung

1 Vorschau

2 Durchschau

2.1 Empirische Beschreibungen im Problemfeld der Unbestimmtheit

2.2 Diskursive Setzungen im Problemfeld der Differenz

2.3 Nennungen von Liebe

2.4 Suchbewegungen in Richtung Allgegenwart von Liebe

2.4.1 Einsicht

2.4.2 Verzeihen

2.4.3 Achtsamkeit

3 Ausschau

4 Literaturverzeichnis

5 Eigenständigkeitserklärung

1 Vorschau

Zwei bezeichnende Fragestellungen von Kerstin Jergus sollen zunächst einen Einstieg aus pädagogischer Sicht ermöglichen:

„Werden nicht je verschiedene Liebessemantiken aufgerufen, je nachdem, ob Liebe und Verliebtheit hinsichtlich ihrer anthropologischen Bedeutsamkeit (vgl. Bilstein/Uhle 2007), ihrer figürlichen Qualität (vgl. Kristeva 1989), ihrer unmöglichen Verallgemeinerbarkeit (vgl. Barthes 1984) oder aber ihrer Ubiquität aufgerufen wird?“1 „Wie lässt sich verstehen, dass über Liebe und Verliebtheit alles gesagt zu sein scheint, sie zugleich ubiquitäre Thematisierungen erfährt und dennoch jedes Sprechen über Liebe und Verliebtheit eine Einzigartigkeit und Außeralltäglichkeit aufruft?“2 Bezeichnend erscheint dem Autor die Verwendung der alten theologischen Semantik Ubiquität (lat. ubiquitas; engl. Ubiquity; dt. Allenthalbenheit )3, da dies hier zum einen ohne jegliche Quellenangabe geschieht, was eine allgemeine Kenntnis der Bedeutung vorauszusetzen scheint und zum anderen dass es eine Geläufigkeit des Begriffs auch außerhalb der Theologie im Zusammenhang mit Liebe und Verliebtheit zu geben vermag, die besonders auch den Theologen bisher so nicht gegeben scheint.

Im Zusammenhang mit Liebe und Verliebtheit scheint die Verwendung der Bezeichnung Ubiquität für Pädagogen wie Jergus möglich, ja sogar erforderlich zu sein.

Kann sie das und in diesem Zusammenhang auch für Theologen sein?

Zwei bemerkenswerte Einsichten von Oswald Bayer und Benjamin Gleede sollen nun aus theologischer Sicht exemplarisch an der Christologie Luthers einen Einstieg möglich machen:

„Luthers Christologie wurde bisher fast ausschließlich entweder speziell im Kontext des Abendmahlsstreites oder ganz allgemein als Basis seiner Soteriologie und Rechtfertigungslehre bedacht. In welchem Maße der reife Luther diese auf die Idiomenkommunikation und ihre Implikationen zuspitzt, wurde dabei jedoch selten gesehen.(Eine) Untersuchung genau dieser Zuspitzung (…) (eröffnete) so überraschende neue Perspektiven“.4

„Hoffentlich kann dieser Band etwas dazu beitragen, dass auch im Kontext der modernen Debatte eine –sicherlich kritische- Anknüpfung an die in diesem Band dokumentierte genuine Rezeptionstradition durch Aufnahme der dort eher vernachlässigten sprachphilosophischen Anregungen Luthers möglich wird.“5 Im Zusammenhang der Untersuchung der Christologie Luthers in seiner Zuspitzung als Lehre von der Idiomenkommunikation gewinnt die Bezeichnung Ubiquität für Theologen wie Bayer, Gleede, Baur u.a. aufgrund ‚überraschend neuer’ alter Perspektiven wieder an Relevanz.

Kann dies und in diesem Zusammenhang auch für Pädagogen so sein?

Ubiquität, eine Bezeichnung, die nun nicht mehr nur ein Fachbegriff der Theologie ist? Die diskursanalytische Studie von Kerstin Jergus hat unter Rückgriff auf poststrukturalistische Positionen zu den Artikulationen über Liebe und Verliebtheit das ubiquitäre Erfordernis als einen der Bestimmtheitseffekte der im Sprechen über Liebe und Verliebtheit erzeugt wird ausgelotet und in einen bildungstheoretischen Fragehorizont gestellt.

Eine Arbeitsgruppe um Oswald Bayer, Benjamin Gleede, Jörg Baur u.a. hat unter Rückgriff auf die Christologie Luthers deren Zuspitzung in der Idiomenkommunikation untersucht und dabei die Relevanz der Ubiquität in ihrer Konkretheit und Sprachlichkeit wiederentdeckt und zugleich auf Luthers sprachphilosophische Anregungen aufmerksam gemacht.

Damit stellt Ubiquität einen Begriff dar, der interdisziplinär in den Blick gerät und im Besonderen bedeutsam sein kann für eine gegenseitige Erhellung der Begriffsverwendung in Theologie und Pädagogik.

Forschungsfrage:

In welcher Relation steht ein „Neologismus“6 Ubiquität, der ursprünglich im Problemfeld der Differenz von da sein und zugleich dort sein von Theologen wie Melanchthon unter Rückgriff auf ontologische Positionen gegen die Christologie Luthers artikuliert wurde, zu dem ubiquitären Erfordernis das Jergus, unter Rückgriff auf poststrukturalistische Positionen im Problemfeld der Unbestimmtheit als einen der möglichen Bestimmtheitseffekte der im Sprechen über Liebe und Verliebtheit in figurierenden Figurationen aufschiebend figuriert wird, ausgelotet hat? Gibt es Phänomene im Sozialen die diese Relation erhellen?

These:

Wenn „nahezu alles anhand und über Verliebtheit und Liebe thematisierbar wird“7, dann auch Jesus Christus, von dem Baur unter Rückgriff auf Luther sagt: „Die Allgegenwart ist damit neu bestimmt: Sie verwickelt- in Christus –Gott selbst mit der miseria des Weltlaufs“8. Diese Verwicklung kann sowohl sprachlich als auch konkret ein mögliches Vorbild für liebevolles Handeln im Sozialen sein, zum Beispiel mit der Einsicht in die Begrenztheit der Erkenntnis des Selbst und des Anderen, in Sprechakten des Verzeihens und durch Achtsamkeit im Handeln.

Ausgehend von den Artikulationen, den „Praktiken des Sprechens“9, empirisch erfasst durch Interviews in der diskursanalytischen Studie von Jergus im Problemfeld der Unbestimmtheit, soll aus dieser poststrukturalistischen Position heraus gewagt werden, mithilfe dieser möglichen Bestimmtheitseffekte dem ubiquitären Erfordernis nachzugehen und im Sprechen über Liebe dem Menschsein und zugleich Gottsein von Jesus Christus zu folgen, in der theologischen Bestimmung von Baur im Problemfeld der Differenz, die ontologische Position von da sein und zugleich dort sein nun auf dieser Ebene der Betrachtungsart erhellend, mit dem Neologismus Ubiquität dieses Differenzphänomen des Seins diskursiv bezeichnend. Dieser Weg könnte der des Pädagogen sein.

An dieser Stelle möchte der Autor ausdrücklich darauf hinweisen, dass diese Ebenen der Betrachtungsart auch in umgekehrter Richtung, also von der Bestimmtheit ausgehend, sich auf die Unbestimmtheit einlassend und möglicherweise eine neue Bestimmung entdeckend und erzeugend, beschritten werden können und auch sollten. Dieser Weg könnte der des Theologen sein.

Hier soll es wie beschrieben der Weg des Pädagogen sein und dieser wird in Kapitel 1 empirisch beschreibend und in Kapitel 2 diskursiv besetzend beschritten werden, um daran anschließend in Kapitel 3 Liebe zu benennen und in Kapitel 4 auf der Ebene des Betrachtungsgegenstandes des Sozialen Einsichten in Begrenztheit10, Sprechakte des Verzeihens11 und Achtsamkeit im Handeln12 beispielhaft für die Allgegenwart von Liebe, die so ihr Vorbild auch in Jesus Christus haben können, der damit auch Lerneffekte auszulösen vermag, pädagogisch zu reflektieren.

Methodisch soll dies durch kontrapunktisches Lesen exemplarisch ausgesuchter wissenschaftlicher Texte zur Ubiquität und solcher, in denen das damit Bezeichnete sprachlich gefüllt zu sein scheint, gelingen, d.h. das neben dem Weg des Pädagogen der hier beschritten werden soll, auch der des Theologen immer mit bedacht wird, um die Relation zueinander deutlich und mögliche Differenzen sichtbar zu machen. Ebenso sollen der Philosoph und der Soziologe mit eingebunden werden, damit im Ergebnis die Frage nach der Allgegenwart von Liebe auch in ihren sozialen Phänomenen weitere Erhellung erfahren hat. Mit dieser eklektischen Methode soll interdisziplinäres Geschehen motiviert und einer privilegierten Positionierung in Isolation und Abgeschlossenheit entgegengewirkt werden. Das heißt, Positionierungen in Bezeichnungen dienen dem Autor vor allem, um das Bezeichnete aufzuspüren, um hinter lauter Zeichen das Bezeichnete zu entdecken. Das gilt auch für Jesus Christus, der hier anhand und über Verliebtheit und Liebe thematisiert wird. Diese Suchbewegungen sind nicht ohne Risiko, solange sie nur darauf gerichtet sind, alte sprachliche Setzungen neu miteinander zu verbinden, weil sie sich damit der Chance neuer sprachlicher Füllungen und der Füllung selbst verschließen.

1 Zitiert aus: Kerstin Jergus. Liebe ist…Artikulationen der Unbestimmtheit im Sprechen über Liebe. S.11.

2 Zitiert aus: ebd. S.9.

3 Vgl. Jörg Baur: Ubiquität. In: TRE. Band 34. Berlin u.a. 2002. S. 224–241.

4 Zitiert aus: Oswald Bayer und Benjamin Gleede (Hsg). Creator est Creatura. Berlin u.a. 2007. S. VII.

5 Zitiert aus: ebd. S.4.

6 Vgl. ebd. S. 192ff.

7 Zitiert aus: Kerstin Jergus. Liebe ist…Artikulationen der Unbestimmtheit im Sprechen über Liebe. S.203.

8 Zitiert aus: Jörg Baur. Ubiquität. In: Creator est Creatura. Berlin u.a. 2007. S. 186–301. Hier S. 201.

9 Zitiert aus: Kerstin Jergus. Liebe ist…Artikulationen der Unbestimmtheit im Sprechen über Liebe. S.10f.

10 Vgl.Judith Butler. Kritik der ethischen Gewalt. Frankfurt am Main 2003.

11 Vgl.Gerhard Gamm: Nicht nichts. Studien zu einer Semantik des Unbestimmten. Frankfurt a.Main 2000.

12 Vgl.Elisabeth Conradi: Take Care. Grundlagen einer Ethik der Achtsamkeit. Frankfurt/Main 2001.

2 Durchschau

2.1 Empirische Beschreibungen im Problemfeld der Unbestimmtheit

Hier soll mit Jergus eingestiegen und ihr Weg ein Stück beschritten werden.

Ihr analytischer Einsatzpunkt ist zugleich ein Gemeinplatz, der besagt, dass Liebe nicht erklärt und nicht beschrieben werden kann. Diese Unbestimmtheit stellt ein Wagnis für jeden Liebesdiskurs dar, da problematisch bleibt, worüber eigentlich gesprochen wird.13 Deshalb „wird für die folgenden Darstellungen die Frage danach leitend sein, wie über Liebe und Verliebtheit gesprochen werden kann, welche Figuren aufgerufen, in welcher Weise platziert, verknüpft und gebraucht werden und mit welchen Effekten dies einher geht.“14 Jergus vollzieht diese Darstellungen des Sprechens in zwei Richtungen. Sie interessiert sich einerseits „für die sich als ‚wissenschaftliches Sprechen’ etablierenden Artikulationen von Liebe und Verliebtheit“15 und andererseits führt sie Interviews durch und analysiert diese von ihr empirisch erhobenen Materialien „unter der ebenfalls rhetorisch-diskursanalytisch inspirierten Perspektive“16