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Als Erster war ein bulliger Corporal an Bord der "Empress". Ein Kerl, der Ähnlichkeit mit einem Fleischerhund hatte. Auf sein Kommando hin verteilten sich die Seesoldaten zügig in breiter Front von vorn bis achtern am Schanzkleid. Als Letzter enterte der Lieutenant auf. Wieder waren insgesamt neun Pistolenmündungen auf die Männer unter Dan O'Flynns Kommando gerichtet. Aus einem Gedanken heraus hob Dan den Kopf, und ihm war im nächsten Augenblick, als habe ihm jemand einen mörderischen Tiefschlag versetzt. Im versiegenden Tageslicht war es noch deutlich genug zu erkennen: Vor Bord der "Defiance" waren die vorderen und achteren Drehbassen feuerbereit und zielten auf die "Empress"...
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Seitenzahl: 109
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Impressum© 1976/2019 Pabel-Moewig Verlag KG,Pabel ebook, Rastatt.eISBN: 978-3-95439-923-9Internet: www.vpm.de und E-Mail: [email protected]
Burt Frederick
Drake glaubte die „Empress“ sicher – doch O’Flynn drehte den Spieß um …
Heiser brüllend stürmten die Soldaten den Strand hinauf. Den Gegner, den es jetzt noch nicht gab, sollte dieses Gebrüll demoralisieren.
Rufus Quaile fluchte, als der mit dem linken Stiefel irgendwo festhakte. Lang schlug er hin, die Muskete bohrte sich mit dem Lauf in den Sand, der Helm rollte ihm davon. Seine Kameraden stürmten grinsend weiter.
Quaile wollte sich aufrappeln. Ein Tritt in den Hintern schleuderte ihn erneut mit der Nase in den Dreck. Wütend warf er sich herum und stützte sich mit dem Ellenbogen auf.
Mahoney, dieser Schinder von einem Corporal, stand breitbeinig vor ihm. Wieder trat er zu. Diesmal traf er Quaile in die Seite. Der Soldat schrie vor Schmerzen.
Donegal Daniel O’Flynn – Was ihm und seinen Mannen auf der „Empress“ widerfährt, hätten sie sich auch in den schlimmsten Alpträumen nicht ausmalen können.
Francis Drake – Wieder einmal ist er zu einem Raid in die Karibik aufgebrochen, aber dunkle Wolken ziehen auf.
John Hawkins – Der alte Admiral ist krank, hat aber immer noch eine scharfe Zunge.
Rufus Quaile – Der Seesoldat aus Schottland wird gezüchtigt und beschließt mit seinem Freund Fintan Stanley, von der Fahne zu gehen.
Mahoney – Der Corporal ist ein Menschenschinder, aber auch seine Bäume wachsen nicht in den Himmel.
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
„Mit dir können wir keinen Krieg gewinnen, Quaile“, sagte der Corporal spöttisch. „Es sei denn, die Dons lachen sich tot, wenn sie dich sehen.“
Rufus Quaile streckte sich, überwand die Schmerzen und schaffte es, sich aufzusetzen. Ohnmächtiger Zorn loderte in ihm. Ohne daß er es verhindern konnte, zuckte seine Rechte reflexartig zum Griff des Entermessers. Die Hand noch auf dem Griff, erstarrte er in jähem Erschrecken.
Mahoneys Augen verengten sich. Er zog seine Pistole und ließ sie am langen Arm baumeln.
„Laß dich nicht zu einer Dummheit hinreißen“, sagte der Corporal kaum hörbar. „Du weißt, was Widerstand gegen einen Vorgesetzten bedeutet. Ich habe das Recht, dich auf der Stelle zu töten. Und das würde geschehen, bevor du dein Messer aus der Scheide hast.“
Quaile wußte, daß es kein dummes Zeug war, das der Corporal da faselte. Es hätte den sicheren Tod bedeutet, mit der Blankwaffe auf ihn loszugehen. Nie sollte man etwas überhastet tun, das war immer sein Grundsatz gewesen. Wenn er sich nun doch fast ins Unglück gestürzt hätte, dann lag das an Mahoney, der ihn bis aufs Blut reizte.
Dieser grobschlächtige Kerl, der aussah wie ein vollgefressener Fleischerhund, hatte eine Visage, die tatsächlich an einen Bullenbeißer erinnerte. An diese bärenstarken Kampfhunde erinnerte denn auch sein Verhalten. Außer Schikane, Fußtritten und Prügel war von ihm nicht viel zu erwarten.
Langsam nahm Quaile die Hand vom Messergriff.
„Tut mir leid, Sir“, sagte er mit fester Stimme. „Hab’ mich da vertan. Bedrohen wollte ich Sie ganz gewiß nicht. Muß wohl an dem Sturz liegen, daß mir ein bißchen wirr im Kopf war.“
„Das ist bei dir auch dann der Fall, wenn du nicht auf die Schnauze fliegst.“ Mahoney lachte, und sein mächtiger Oberkörper bewegte sich dabei auf und ab. Es sah aus, als ob sich sein Brustkasten mit einem Hüpfen verselbständigt hätte. Er schüttelte den Kopf in gespieltem Mitleid. „Quaile, Quaile, was bist du doch für eine selten dumme Nuß. Stolperst über deine eigenen Plattfüße! Kann mir schon vorstellen, warum sie dich in deinem schottischen Kuhdorf nicht frei rumlaufen ließen!“ Mahoneys Lachen steigerte sich zu einem Meckern.
Weiter oben, zwanzig Yards entfernt, ertönten die Kommandos von Sergeant Carrigan, der beide Gruppen in Deckung gehen und sich auf den Sturmangriff vorbereiten ließ.
Rufus Quaile mußte alle innere Kraft aufbringen, um sich zusammenzureißen. Das war es. Haargenau das war es immer schon gewesen! Mahoney bildete sich etwas darauf ein, aus dem stinkenden Dreckloch von London zu stammen.
Dort hockten die Menschen so dicht aufeinander, daß alle Augenblicke die schlimmsten Pestilenzen wüteten. Und dann waren sie neidisch auf das Bauernpack, das die frische und reine Landluft atmete und so unverschämt selten krank wurde.
Quaile hatte den Fehler begangen, vor längerer Zeit bei Bier und Rum aus seinen frühen Jahren zu erzählen – darüber, wie er als Findelkind bei einem reichen Farmer in Glenmarren aufgewachsen war, wie man ihn als niedere Arbeitskraft geknechtet und ihm nicht erlaubt hatte, den Hof zu verlassen außer zum sonntäglichen Kirchgang.
Bei Nacht und Nebel war er eines Tages entwischt, hatte sich bis zum nahen Edinburgh durchgeschlagen und sich dann bei einem Rekrutierungskommando der königlichen Lissy für den Dienst in der Navy gemeldet. Seitdem, als Seesoldat, fühlte er sich so frei wie nie zuvor in seinem Leben.
Nur wenn Mahoney, der Schottenhasser, sich über ihn lustig machte, spürte Rufus Quaile jenen Jähzorn in sich aufsteigen, den ihm seine unbekannte schottische Mutter und sein unbekannter schottischer Vater vererbt haben mußten.
Seit der Schinder Mahoney seine Geschichte kannte, nutzte er jede Gelegenheit, um ihn damit zu kujonieren. Niemand sonst in seiner Einheit verhielt sich so niederträchtig. Und es gab eine Menge Engländer, auch etliche Waliser. Die Schotten konnte man an den Fingern zweier Hände abzählen. Aber man vertrug sich, denn man war eine verschworene Gemeinschaft.
Mahoney gehörte nicht zu dieser Gemeinschaft – im Gegensatz zu einigen anderen Sergeants, die eben das bessere Fingerspitzengefühl im Umgang mit den Männern hatten.
„Darf ich sagen, weshalb ich gestolpert bin?“ fragte Rufus Quaile erbittert.
Mahoney blinzelte und runzelte die Stirn.
„Das habe ich dir doch schon gesagt: Deine eigenen Plattfüße waren schuld dran.“ Wieder wollte er sich ausschütten vor Lachen.
Quaile wartete geduldig, bis sich der bullige Kerl beruhigt hatte. Dann hob er das rechte Bein ein Stück und klappte die Sohle um, die etwa bis zur Mitte des Stiefels lose war.
„Das ist der Grund, Sir. Ich habe mich schon vor drei Wochen beim Bordschuster angemeldet. Aber mir scheint, daß wir im gesamten Verband nur einen von der Sorte haben. Klar, daß der seine Arbeit nicht schafft. Und mit der anderen Ausrüstung ist es auch nicht zum besten bestellt. Unsere Kleidung …“
„Schluß!“ fuhr ihn der Corporal schneidend an. „Ich will das nicht gehört haben. Klar? Weißt du, was dir sonst passieren könnte?“
Quaile schüttelte den Kopf und sah ihn mit großen Augen fragend an.
„Nein, Sir. Warum? Ich habe doch nur gesagt, wie es ist. Davon ist doch nichts erlogen.“
„Was verstehst du schon!“ rief Mahoney schnaubend. „Dein Gerede ist aufmüpfig, verstanden? Damit könntest du andere zur Meuterei anstiften. Hüte dich, verdammter Narr! Wenn ich das Admiral Hawkins melde, läßt er dich gleich an die Rah hängen. So was ist normalerweise ein Fall für das Kriegsgericht. Begriffen?“
Rufus Quaile schluckte trocken hinunter. Ja, er hatte begriffen. Für ihn, den kleinen Seesoldaten, gab es kein Recht, die Dinge beim Namen zu nennen. Wenn er mit halbzerrissenen Stiefeln und schlechtsitzender Kleidung in den Kampf ziehen sollte, dann mußte er das eben als gottgegeben hinnehmen. Ebenso auch die Tatsache, daß er Kanonenfutter war. Die werten Admirale hockten gemütlich auf ihrem alten Hintern und beobachteten mit dem Spektiv, wie sich das primitive Fußvolk auf Befehl die Köpfe einschlagen ließ.
Und Schweinehunde wie Mahoney durften außerdem noch ungestraft ihre sämtlichen Launen an dem kleinen Seesoldaten auslassen. Es war ein unwürdiges Leben. Es war genauso unwürdig wie damals in Glenmarren. Gäbe es nicht die grenzenlose Freiheit auf See, wäre dieses Leben für Rufus Quaile schon lange nicht mehr zu ertragen gewesen. Nichts hatte ihn jemals in seinem Leben so sehr beeindruckt wie die endlose Weite des Meeres.
Stets war er bereit gewesen, auf See zum Wachdienst eingeteilt zu werden. Bei Nacht fast allein an Deck zu sein und Zwiesprache mit den Sternen und der Unendlichkeit zu halten, das gab ihm ein Gefühl überschwenglichen Glücks.
Vielleicht lag es daran, so hatte er oft überlegt, daß Glenmarren in einem Tal lag und er dort immer nur die Berghänge und ein Stück vom Himmel gesehen hatte. Auf See hatte er gelernt, wie riesengroß diese Welt sein mußte.
Neuerdings aber, in dieser sogenannten Neuen Welt, bereitete ihm der Dienst kaum noch Freude. Die Schikanen Mahoneys wurden immer schlimmer.
„Ja, ich habe begriffen“, sagte Rufus Quaile leise und rappelte sich auf. Er zog die Muskete aus dem Sand und beeilte sich, zu den anderen zu gelangen. Dabei klang die lose Stiefelsohle, als ob jemand im Schrittrhythmus in die Hände klatschte.
Drei Tage waren vergangen, seit Hasard junior den englischen Verband erspäht hatte. Der Beobachtungsposten auf dem Vulkanfelsen war inzwischen allen Männern der „Empress of Sea“ wohlvertraut. Denn Dan O’Flynn hatte angeordnet, den Verband der Admirale Hawkins und Drake Tag und Nacht im Auge zu behalten.
Es war der Vormittag des 3. November 1595, als Dan O’Flynn gemeinsam mit Edwin Carberry auf den Felsen kletterte, um Sven Nyberg und Nils Larsen abzulösen.
„Keine besonderen Vorkommnisse“, meldete Nyberg und unterdrückte ein Gähnen. „Sie haben wieder ein bißchen Landemanöver geübt, und jetzt fangen sie wieder mal an, Trinkwasser zu bunkern. Langweiliger geht’s kaum noch.“
„Verzieht euch an Bord“, sagte Ed Carberry mit verhaltenem Grollen. „Mac Pellew hat die Kakerlaken aus dem Mehl gezupft und zum Frühstück ein paar feine Pfannkuchen gebacken.“
„Ohne frische Eier?“ entgegnete Larsen mißtrauisch. „Soll das ein Witz sein, oder schmeckt’s tatsächlich?“
„Kein Witz“, sagte Dan O’Flynn lächelnd. „Was eine erfahrene Kombüsenratte ist, die zaubert auch aus den einfachsten Mitteln einen Leckerbissen.“
„Nur Bornholmer Räucherheringe nicht“, sagte Ed Carberry augenzwinkernd. „Da ist sogar der große Mac mit seinem Latein am Ende.“
Die beiden Dänen wechselten einen Blick. Natürlich war ihnen klar, daß sich hier wieder mal ein Scherz auf ihre Kosten anbahnte. Die Bornholmer – und damit meinte man vor allem die goldgelb geräucherten Heringe, weniger die Bewohner der Insel – waren so etwas wie ein Nationalheiligtum. Etwas, dessen man sich überall auf der Welt rühmen konnte, sofern man ein Däne war. Ja, was die Bornholmer anbelangte, war man einfach über alle Sticheleien erhaben.
„Himmel!“ rief Nils Larsen und verdrehte verzückt die Augen. „Ein Königreich würde ich geben – für einen einzigen Bornholmer!“
„Na und?“ entgegnete Ed. „Läßt sich das denn nicht einrichten? Bei nächster Gelegenheit fangen wir ein paar Karibik-Makrelen, dann bringen wir den Räucherofen wieder in Gang, und der Kutscher und Mac Pellew werden in Gemeinschaftsarbeit die schönsten Bornholmer zaubern, die ihr euch vorstellen könnt.“
Die Dänen verzogen entsetzt das Gesicht.
„Makrelen sind keine Heringe“, sagte Sven Nyberg empört. „Und die Karibische See ist nicht die Ostsee.“
„Da sehe ich keinen großen Unterschied.“ Carberry zog die Schultern hoch.
„Wie solltest du auch“, erwiderte Larsen bissig. „Wer keinen richtigen Geschmackssinn hat, merkt so was ja auch nicht. Sven hat natürlich völlig recht. Erstens haben wir hier keine Ostseeheringe, und Makrelen sind kein Ersatz. Zweitens hängt’s von vielen anderen Dingen ab. Das fängt mit dem Salzgehalt des Wassers an, und das hört auf mit dem besonderen Klima von Bornholm, wo sie die Heringe nach dem Räuchern in der frischen Luft aufhängen.“
Dan O’Flynn räusperte sich energisch.
„Ich schlage vor, daß die Gentlemen ihre Diskussion an Bord fortsetzen. Du, Mister Carberry, kannst dich dann später immer noch daran beteiligen.“
Die Dänen zogen los. Dan O’Flynn genoß als derzeitiger Kapitän der „Empress of Sea“ allen Respekt. In mancherlei Hinsicht war der Dienst mit ihm sogar angenehmer als mit dem bisweilen verbohrten Old Donegal. Wegen Beinbruchs auf der „Isabella“ zurückbleiben zu müssen war dem alten Zausel wohl nur dadurch verlockend erschienen, bald zu seiner geliebten Mary, geborene Snugglemouse, zurückkehren zu können, zumal Mary „etwas Kleines“ erwartete.
Dan O’Flynn und Ed Carberry richteten sich auf dem rauhen Vulkanfelsen häuslich ein und beobachteten jene weite Bucht, in der sich am 30. Oktober Entscheidendes entwickelt hatte.
Noch immer lagen die 27 Schiffe vor Anker. Ihre Bucht befand sich etwa eine Meile östlich der Ankerbucht der „Empress of Sea“. Die gerissenen alten Knaben, die den Verband führten, hatten natürlich genau gewußt, daß man hier, an der Südküste von Guadeloupe, verhältnismäßig ungestört war und sich in aller Ruhe auf das vorbereiten konnte, was man plante.
Eben diese Vorbereitungen zogen die Gentlemen Hawkins und Drake denn wohl auch seelenruhig in die Länge. Oder war es etwa Unschlüssigkeit? Bedauerlich, daß man auf die Entfernung nicht hören konnte, was an Bord des Flaggschiffs und der fünf anderen großen Kriegsschiffe gesprochen wurde.
„Da tut sich etwas“, sagte Dan O’Flynn unvermittelt.
„Wo?“ Ed Carberry sah ihn fragend von der Seite an.
Dan, der die schärfsten Augen aller Arwenacks hatte, brachte es glatt fertig, eine Kakerlake zu erspähen, die auf dem Kombüsenschott des Flaggschiffs herumkrabbelte.
„Auf dem Achterdeck bei Hawkins“, erwiderte Dan. „Die Gentlemen versammeln sich. Würde mich nicht wundern, wenn der Admiral gleich höchstpersönlich erscheint.“
Carberry spähte hinunter, nickte und schwieg einen Moment.
„Und auf der ‚Defiance‘ fieren sie ein Beiboot ab!“ rief er unvermittelt. „Scheint wohl so, als ob da ein Admiral den anderen besucht, was, wie?“
„Richtig“, sagte Dan. „Da ist Sir John. Er wird von zwei jungen Offizieren gestützt. Siehst du ihn?“