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Seitenzahl: 943
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Schriften zur Soziologie und Sozialpolitik
Max Weber
Inhalt:
Max Weber – Biografie und Bibliografie
Schriften zur Soziologie und Sozialpolitik
Methodologische Einleitung für die Erhebungen des Vereins für Sozialpolitik über Auslese und Anpassung (Berufswahlen und Berufsschicksal) der Arbeiterschaft der geschlossenen Großindustrie
I. Allgemeiner Charakter der Erhebung
II. Die naturwissenschaftlichen Probleme der Erhebung
III. Die Methodik der Erhebung
Zur Psychophysik der industriellen Arbeit
I. »Ermüdung« und »Erholung«
II. »Uebung«
III. Ermüdung und Uebung in ihrem Zusammenwirken
IV. Die Gewöhnung bei Arbeitsstörung und Arbeitskombination
V. Arbeitsunterbrechung
VI. Methodische Fragen
VII. Schwankungen der industriellen Arbeitsleistung
VIII. Zwischen den einzelnen Arbeitstagen
IX. Zwischen größeren Zeiträumen
X. Geschlecht, Alter, Familienstand usw. in ihrem Einfluß auf die Arbeitsleistung
XI. Akkordverdienste und Leistungsdifferenzen
XII. Stuhluhrmessungen und Leistungsschwankungen
XIII. Uebungszuwachs und Stetigkeitszunahme der Leistung. Anpassung der Leistung an die Lohnkalkulation
XIV. Analyse einzelner Arbeitsleistungen und ihre Entwicklung
XV. Resumé
XVI. Weitere Fragen und Arbeitsaufgaben
Die Börse
I. Zweck und äußere Organisation der Börsen1.
II. Der Börsenverkehr19.
Agrarstatistische und sozialpolitische Betrachtungen zur Fideikommißfrage in Preußen
I.
II.
III.
Diskussionsreden auf den Tagungen des Vereins für Sozialpolitik
Debatterede zu den Verhandlungen des Vereins für Sozialpolitik in Mannheim 1905 über das Arbeitsverhältnis in den privaten Riesenbetrieben.
Debatterede zu dem Vortrag G. Schmollers über das Verhältnis der Kartelle zum Staat auf der Tagung des Vereins für Sozialpolitik in Mannheim 1905.
Debatterede auf der Tagung des Vereins für Sozialpolitik in Mannheim 1905.
Diskussionsrede bei den Verhandlungen des Vereins für Sozialpolitik in Magdeburg 1907 über Verfassung und Verwaltungsorganisation der Städte.
Debattereden auf der Tagung des Vereins für Sozialpolitik in Wien 1909 zu den Verhandlungen über »Die wirtschaftlichen Unternehmungen der Gemeinden«.
Debatterede zu den Verhandlungen über die Produktivität der Volkswirtschaft auf der Tagung des Vereins für Sozialpolitik.
Diskussionsrede auf der Tagung des Vereins für Sozialpolitik in Nürnberg 1911 zum Thema: Probleme der Arbeiterpsychologie unter besonderer Rücksichtnahme auf Methode und Ergebnisse der Vereinserhebungen.
Geschäftsbericht und Diskussionsreden auf dem ersten Deutschen Soziologentage in Frankfurt 1910
Geschäftsbericht auf dem ersten Deutschen Soziologentage in Frankfurt 1910
Diskussionsrede zu W. Sombarts Vortrag über Technik und Kultur auf dem ersten Deutschen Soziologentage in Frankfurt 1910.
Diskussionsrede auf dem ersten Deutschen Soziologentage in Frankfurt 1910 zu dem Vortrag von A. Ploetz über »Die Begriffe Rasse und Gesellschaft«.
Erste Diskussionsrede zu E. Troeltschs Vortrag über »Das stoisch-christliche Naturrecht« auf dem ersten Deutschen Soziologentage in Frankfurt 1910
Zweite Diskussionsrede zu E. Troeltschs Vortrag über »Das stoisch-christliche Naturrecht« auf dem ersten Deutschen Soziologentage in Frankfurt 1910.
Diskussionsrede zu dem Vortrag von A. Voigt über »Wirtschaft und Recht« auf dem ersten Deutschen Soziologentage in Frankfurt 1910.
Diskussionsrede zu dem Vortrag von H. Kantorowicz, »Rechtswissenschaft und Soziologie« auf dem ersten Deutschen Soziologentage in Frankfurt 1910.
Diskussionsreden auf dem zweiten Deutschen Soziologentag in Berlin 1912.
I. Zum Vortrag von P. Barth über »Die Nationalität in ihrer soziologischen Bedeutung«.
II. Zum Vortrag von F. Schmid über »Das Recht der Nationalitäten«.
III. Zum Vortrag von F. Oppenheimer über »Die rassen-theoretische Geschichtsphilosophie«.
Der Sozialismus
Seine Schriften zur Soziologie und Sozialpolitik, Max Weber
Jazzybee Verlag Jürgen Beck
Loschberg 9
86450 Altenmünster
ISBN: 9783849612238
www.jazzybee-verlag.de
Deutscher Soziologe, geboren am 21. April 1864 in Erfurt, verstorben am 14. Juni 1920 in München. Sohn eines Juristen und späteren Abgeordneten der Nationalliberalen Partei. Nach dem Abitur 1886 studiert W. an mehreren Universitäten Jura, Nationalökonomie, Philosophie und Geschichte. 1889 promoviert er zum Dr. jur. Nach seiner Hochzeit mit der Frauenrechtlerin und Soziologin Marianne Schnitger 1893 wird er ein Jahr später als Professor für Nationalökonomie an die Universität Freiburg berufen. Er wechselt 1897 nach Heidelberg und erkrankt psychisch. Nach sieben wechselvollen Jahren du einigen Reisen publiziert er ab 1904 seine wichtigsten Schriften. 1909 wird er zum Mitbegründer der "Deutschen Gesellschaft für Soziologie".
Wichtige Werke:
Die römische Agrargeschichte in ihrer Bedeutung für das Staats- und Privatrecht, Stuttgart 1891Die Lage der Landarbeiter im ostelbischen Deutschland, Leipzig 1892Die "Objektivität" sozialwissenschaftlicher und sozialpolitischer Erkenntnis, in: Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik 19 (1904)Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus I. Das Problem, in: Archiv für Sozialwissenschaften und Sozialpolitik 20 (1904)Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus II. Die Berufsidee des asketischen Protestantismus, in: Archiv für Sozialwissenschaften und Sozialpolitik 21 (1905)Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen, in: Archiv für Sozialwissenschaften und Sozialpolitik 41-46 (1915-1919), 41 (1916)Wissenschaft als Beruf, München/Leipzig 1919Politik als Beruf, München/Leipzig 1919Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie, 3 Bde., Tübingen 1920-1921Wirtschaft und Gesellschaft, Tübingen 1922Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre, Tübingen 1922Wirtschaftgeschichte. Abriß der universalen Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, München/Leipzig 1923Gesammelte Aufsätze zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, 4 Bde., Tübingen 1924Gesammelte Aufsätze zur Soziologie und Sozialpolitik, 4 Bde., Tübingen 1924Inhalt: I. Allgemeiner Charakter der Erhebung: Sozialpolitische Neutralität. Beschränkung auf die »geschlossene« Großindustrie. Ausscheiden der nur »morphologischen« Probleme. Bedeutung der Art der Zusammensetzung der Produktionskosten für die Fragestellung der Erhebung. Die Technik und die Fragestellung der Erhebung. Der Lernprozeß und die »Gelerntheit« der Arbeiter in ihrer Bedeutung für die Fragen der Erhebung. – II. Die naturwissenschaftlichen Probleme der Erhebung: Physiologische und psychologische Grundlagen der Arbeitseignung. Probleme der »Vererbung«. Grundsätzliche methodische Schwierigkeiten für die Erfassung der durch »Anlage« bedingten Differenzen der Arbeitseignung. Sinn der Fragestellung. – III. Die Methodik der Erhebung: Ihr Thema. Bedeutung der Arbeitszeit, der Pausenverteilung, der Lohnsysteme für die Fragestellung. Die Lohnbuchführung und die Kalkulation der Lohnkosten und Nutzeffekte in ihrer Bedeutung für die Erhebung: die Auslese der Arbeiterschaft. Benutzung der Stammrollen der Fabriken für die Erhebung. Befragung der Arbeiterschaft selbst. Die beiden Typen der Durchführung der Erhebung: Betriebserhebung und gewerkschaftsstatistische Erhebung. Einzelheiten über die Fragestellungen in beiden Fällen. Sinn der Erhebung.
Die gegenwärtige Erhebung versucht festzustellen: einerseits, welche Einwirkung die geschlossene Großindustrie auf persönliche Eigenart, berufliches Schicksal und außerberuflichen »Lebensstil« ihrer Arbeiterschaft ausübt, welche physischen und psychischen Qualitäten sie in ihnen entwickelt, und wie sich diese in der gesamten Lebensführung der Arbeiterschaft äußern, – andererseits: inwieweit die Großindustrie ihrerseits in ihrer Entwicklungsfähigkeit und Entwicklungsrichtung an gegebene, durch ethnische, soziale, kulturelle Provenienz, Tradition und Lebensbedingungen der Arbeiterschaft erzeugte Qualitäten derselben gebunden ist. Es sind damit also zwei verschiedene Fragen miteinander verkoppelt, welche der Theoretiker scheiden kann und muß, die aber in der Praxis der Untersuchung fast überall kombiniert miteinander auftreten, dergestalt, daß, wenigstens letzten Endes, die eine nicht ohne die andere beantwortbar ist. –
Der Verein für Sozialpolitik tritt mit dieser Erhebung auf den Boden der ausschließlich wissenschaftlichen Zwecken dienenden Arbeiten. Den beabsichtigten Publikationen und ebenso den möglicherweise sich daran anschließenden Erörterungen liegt jegliche unmittelbar praktische »sozialpolitische« Tendenz fern; ihr Zweck ist ein rein »sozialwissenschaftlicher«. Nicht darum handelt es sich, wie die sozialen Verhältnisse in der Großindustrie zu »beurteilen« seien, ob insbesondere die Lage, in welche der moderne geschlossene Großbetrieb die Arbeiter versetzt, erfreulich sei oder nicht, ob jemand und eventuell wer an etwaigen unerfreulichen Seiten derselben eine »Schuld« trage, was daran etwa gebessert werden solle oder könne und auf welchem Wege? Sondern es handelt sich ausschließlich um die sachliche und objektive Feststellung von Tatsachen und um die Ermittlung ihrer, in den Existenzbedingungen der Großindustrie und der Eigenart ihrer Arbeiter gelegenen, Gründe. Und diese Tatsachen, deren Feststellung erstrebt wird, liegen gleichfalls nicht auf Gebieten und führen auch nicht auf Probleme, welche mit den Mitteln der Gesetzgebung in Angriff genommen werden können. Damit soll nicht etwa gesagt sein, daß sie kein praktisches Interesse böten. Die Frage, ob und eventuell an welche durch »Volkscharakter« und Kulturstand bedingte Qualitäten unserer Arbeiterschaft die Leistungsfähigkeit unserer großen Industrien gebunden ist, ebenso die umgekehrte Frage, mit welchen, durch den stetigen Fortschritt unserer großindustriellen Entwicklung in unseren Arbeitern herangezüchteten, weil für die Großindustrie notwendigen oder nützlichen physischen und psychischen Eigenschaften wir in Zukunft zu rechnen haben, in welche allgemeinen Lebensbedingungen endlich diese so geartete Arbeiterschaft hineingestellt ist und sein wird, – diese Fragen sind sicherlich für äußerst wichtige allgemeine Probleme, nicht nur handelspolitischer, sondern allgemein »kulturpolitischer« (z.B. auch schulpolitischer) Art von ganz erheblicher Bedeutung. Und die Verbreitung von Klarheit über jene Fragen könnte auch für die Beteiligten, die großindustriellen Unternehmer wie die Arbeiter selbst, von beträchtlichem praktischen Interesse werden. Sie könnte schließlich auch über Fragen wie die: was angesichts der gegebenen Existenzbedingungen der Großindustrie auf dem Wege der Gesetzgebung überhaupt als »erreichbar« gelten darf, was nicht, mehr Licht verbreiten, als heute vorhanden ist. Allein diese möglichen praktischen Nebenerfolge der Erhebung sind nicht ihr Zweck. Es ist nicht die Absicht des Vereins, mittels der diesmaligen Erhebung irgendwelche praktischen Fragen in der Art zur Diskussion zu stellen, wie dies bei manchen seiner früheren Erhebungen der Fall war und der Fall sein mußte. Vollends denkt der Verein nicht daran, etwa durch seine Erhebung Material zu liefern, um über die Interessenten, seien dies nun Arbeiter oder Unternehmer, »moralisch« zu Gericht zu sitzen. Mit solchen Absichten wäre der wissenschaftlichen Unbefangenheit dieser Untersuchungen in keiner Weise gedient. Das ganze Problem, um welches es sich handelt, ist schon seiner Natur nach – es scheint nicht überflüssig, dies auch den Herren Mitarbeitern gegenüber zu betonen – ein sozialpolitisch durchaus neutrales. Es folgt daraus beispielsweise: Wo dem Bearbeiter eines Teilgebiets Klagen der Arbeiter über irgendwelche Zustände (Lohnsystem, Verhalten der Werkführer usw.) in industriellen Betrieben entgegentreten, da würde ihn dieser Umstand – im Sinne der gegenwärtigen Erhebung – nicht als Symptom einer praktischen »Frage« etwas angehen, zu der er urteilend Stellung zu nehmen hätte, sondern er käme für ihn lediglich als Begleiterscheinung bestimmter (technischer, ökonomischer, psychologischer) Umbildungsprozesse in Betracht, die es objektiv in ihrem Verlauf zu erklären gilt. In diesem Sinne betrachtet, können solche Stimmungen der Arbeiterschaft natürlich auch für die gegenwärtige Erhebung von bedeutendem Interesse sein. Allein der Bearbeiter würde sie alsdann nicht auf ihre »Berechtigung«, sondern lediglich auf ihre Entstehung hin anzusehen haben. Und selbstverständlich würde für gereizte Aeußerungen der Unternehmer über die Arbeiterschaft der gleiche Grundsatz, sie als Symptome von Entwicklungsreibungen festzustellen und eventuell zu analysieren, zu gelten haben. –
Die gegenwärtige Erhebung verfolgt also – in dem ebenerwähnten Sinne – »theoretische« Ziele. Es erscheint nützlich, noch ausdrücklicher, als dies aus dem mitgeteilten »Arbeitsplan« selbst hervorgehen kann, zu veranschaulichen, welcher Art diese Ziele sind. – Die Erhebung beschränkt sich in ihrem Objekt zunächst insofern, als sie die geschlossene Großindustrie – Unternehmungen also, welche gänzlich oder mindestens dem Schwerpunkte nach geschlossene Großbetriebe schaffen – zum Gegenstand hat: die etwa angegliederte Heimarbeit wäre aber natürlich, nach Eigenart und Provenienz ihrer Arbeiterschaft, mit der im geschlossenen Betriebe verwendeten zu vergleichen. Ueberhaupt könnte ein Vergleich mit hausindustriellen Verhältnissen gegebenenfalls fruchtbar sein. – Die Erhebung findet ferner ihr letztes Ziel nicht in der Analyse der »morphologischen« Fragen: Organisation der Produktion und des Absatzes und innere Betriebsgliederung, nach deren technischer und ökonomischer Bedingtheit. Allerdings ist es naturgemäß durchaus unumgänglich, daß der Bearbeiter von diesen Dingen sich für sein Arbeitsgebiet eine gründliche Kenntnis verschafft, wie dies ja auch in dem ersten Absatz des »Arbeitsplanes« vorausgesetzt wird. Die Punkte, auf welche es dabei ankommen würde, sind z.B. in der Abhandlung von Dr. G. Ephraim (»Organisation und Betrieb einer Tuchfabrik«, Tübingen 1906) für eine bestimmte Industrie behandelt und den Herrn Mitarbeitern kann das Studium dieser Darstellung nur empfohlen werden. Allein Arbeiten dieser Art würden nicht als Antwort auf die mit dieser Erhebung aufgeworfenen Fragen gelten können, so unentbehrlich sie oft als Vorarbeiten für deren Inangriffnahme sein werden. So würde beispielsweise die Gliederung der Einzelunternehmung in Betriebseinheiten (z.B. eines, in der üblichen Redeweise, sogenannten »Betriebes« – gemeint ist in genauerer Ausdrucksweise: eines in einer Hand und in einem, lokal irgendwie zusammenhängenden, Gebäudekomplex zusammengefaßten Produktionsunternehmens – etwa der Eisenindustrie in technische Betriebseinheiten wie: Gießerei, Kesselschmiede, Maschinenwerkstatt usw., oder einer »Weberei« in technische Betriebseinheiten, wie: Schlichterei, Spulerei, Weberei, Säumerei usw.) und die Art der Abrechnung und des Verkehrs dieser Betriebseinheiten untereinander hier nie das eigentliche Objekt der Darstellung sein dürfen. Das Interesse dieser Erhebung beginnt vielmehr erst bei Fragen wie folgenden: inwieweit besteht – wie immer jene »Betriebseinheiten« innerhalb des Unternehmens produktionstechnisch oder baulich oder buchmäßig (für die Kalkulation) voneinander geschieden oder miteinander kombiniert sein mögen – zwischen ihnen ein Austausch von Arbeitskräften, ein »Avancement« von einer in die andere? oder besteht umgekehrt eine mehr oder minder strenge Scheidung? und hat diese etwa auch in sozialer Hinsicht und im geselligen Verkehr Konsequenzen? Darin verhalten sich z.B. Formerei und Kesselschmiede, Spulerei und Weberei, Weberei und Säumerei gänzlich verschieden zueinander. – Ebenso steht es mit der an sich so wichtigen Organisation des Absatzes. Sie ist nicht um ihrer selbst willen Objekt dieser Erhebung. Dagegen spielt sie nicht selten indirekt in sehr einschneidender Weise in die Fragen dieser Erhebung hinein. Z.B. insofern als die Absatzvermittlung durch Grossisten (»Engrossortimenter«), wie sie die Textilindustrie Englands kennt, die weitestgehende Spezialisierung der Einzelunternehmungen, damit auch ihrer Arbeiterschaft und, als Folge davon, deren kontinuierliche Beschäftigung mit der gleichen Arbeit begünstigt, – was sowohl für das uns interessierende »Berufsschicksal« der Arbeiterschaft wie für die Möglichkeit, einigermaßen »exaktes« Material über deren Leistungsfähigkeit zu gewinnen (s. unten), von Wichtigkeit ist. Wo, wie vielfach in Deutschland, in starkem Maße direkter Verkehr mit den Detaillisten stattfindet, ist die Spezialisierung erschwert, daher der Wechsel der Beschäftigungsart des einzelnen Arbeiters, zum mindesten (so in manchen Zweigen der Weberei) der Wechsel der Sorten, die er herstellt, für seine Lage charakteristisch und für die Gewinnung deutlicher Zahlen, welche das Maß seiner Leistung, deren Schwankungen und ihre Vergleichbarkeit mit derjenigen anderer Arbeiter des gleichen Betriebes charakterisieren könnten, sehr erschwerend. – Wenn so die eigentlich betriebsorganisatorischen und Absatzprobleme für diese Erhebung nur eine indirekte Rolle, wenn auch unter Umständen eine sehr wichtige, zu spielen berufen sind, so muß auf der anderen Seite den Bearbeitern angeraten werden, außer solchen »organisatorischen« auch noch einige im engeren Sinne ökonomische »Vorfragen« zu beachten. So scheint es namentlich wichtig, daß der Bearbeiter sich für die von ihm behandelten Industrien ein möglichst deutliches Bild von dem Maß des Kapitalerfordernisses (für »technische« Betriebseinheiten bestimmter Größen) und für die »organische« Zusammensetzung des erforderlichen Kapitals, das Verhältnis also von Gebäude- und Maschinenkapital einerseits, von Rohstoffkosten und Lohnkosten andererseits, zu beschaffen sucht. So zweifelhaft es ist, wie weit im Einzelfall ein Unternehmer geneigt sein wird, eingehende Angaben über seine individuellen Verhältnisse in dieser Hinsicht zu machen, so wahrscheinlich ist es nach allen Erfahrungen, daß brauchbare Durchschnittswerte relativ leicht festzustellen sein werden. Nicht minder wichtig würde die Feststellung sein, wie sich die Umschlagszeiten der Kapitalien im Verlauf der technischen und ökonomischen Entwicklung der betreffenden Industrie in der letzten Zeit verschoben haben, und welches der jetzige Zustand in dieser Hinsicht ist. Die Art der Zusammensetzung des Kapitals, und das heißt zugleich: der Produktionskostenelemente einer Industrie, äußert sich vor allem in der Richtung, in welcher sich ihre Tendenz zur Arbeitsersparnis bewegt. Jede Einstellung einer neuen, technisch vollkommeneren Maschine bedeutet einerseits Ausschaltung einer Reihe von Arbeitsprozessen, die zur Bedienung der bisher verwendeten Werkzeuge erforderlich waren, und das heißt: Entbehrlichwerden bestimmter, bisher erforderlicher Qualitäten der Arbeiterschaft, andererseits: Verwendung von Arbeitern, welche die neueingestellten Maschinen zu bedienen haben und, um dazu geeignet zu sein, ihrerseits gewisse andere Qualitäten entwickeln müssen. Es ist nun für diese Erhebung einer der entscheidenden Punkte, daß 1. festgestellt wird, welche Art von Arbeitern mit welcher Art von Qualitäten durch solche technischen Umwandlungen nach der einen Seite hin ausgeschaltet und auf der anderen gezüchtet werden, 2. inwieweit dies durch die von Maß und Art des Kapitalbedarfs abhängigen allgemeinen ökonomischen Grundlagen der betreffenden Industrie bedingt ist. Technische Umgestaltungen folgen, infolge der Knappheit des jeweils verfügbaren »Kapitals«, ziemlich genau dem Wege, der durch das jeweilige Maximum möglicher Kostenersparnis vorgezeichnet ist. Wo aber dies jeweils liegt, bestimmt sich in hohem Maße durch die Zusammensetzung des Kapitals der einzelnen, in einer Hand zusammengefaßten Wirtschaftseinheiten. Je nachdem z.B. die Kosten für unwirtschaftlichen Materialverbrauch oder für Maschinenverschleiß oder für Fehler und Ungleichmäßigkeit des Produkts oder die nackten Lohnkosten als solche innerhalb einer solchen Einheit relativ besonders stark ins Gewicht fallen, variieren deren jeweilige technische Entwicklungstendenzen. Die Industrie trachtet, dementsprechend, bekanntlich nicht einfach danach, absolut hochbezahlte Arbeiter als solche durch technische Neuerungen auszuschalten, sondern sie sucht sie, beispielsweise, dann auszuschalten, wenn die Lohnkosten in dem betreffenden Teil des Produktionsprozesses einen relativ besonders hohen Bruchteil des Gesamtkapitals in Anspruch nehmen, weil die betreffende Arbeiterschaft zugleich hoch qualifiziert, also teuer, und relativ besonders zahlreich ist. Und die für diese Erhebung interessierende Frage ist alsdann: inwieweit sie, im Einzelfall, zugunsten einer dünneren Schicht von Arbeitern mit eventuell noch höherer Qualifikation ausgeschaltet oder durch geringer qualifizierte und jederzeit leicht ersetzbare Arbeiter verdrängt wird. Keineswegs immer aber handelt es sich bei solchen Verschiebungen um einfache Lohnkostenrechnungen; vielmehr wäre die Aufgabe gerade: zu untersuchen, inwieweit und in welcher Richtung durch diese, und inwieweit durch andere Erfordernisse, z.B. Gleichmäßigkeit des Produkts, Materialersparnis usw., Verschiebungen in der Technik und damit in der Zusammensetzung der Arbeiterschaft bedingt wurden. Solche Aenderungen können insbesondere auch Funktion des Interesses der Industrie an der Beschleunigung des Umschlags ihres Kapitals sein. Nicht nur trotz, sondern vermittels stetiger Steigerung des stehenden, insbesondere des Maschinenkapitals zugleich die Umschlagsgeschwindigkeit des Gesamtkapitals steigern zu können, ist eine typische Bedingung weitgreifender technischer Neuerungen. Diejenigen Teile des Arbeitsprozesses – und damit auch die an sie geketteten Arbeiter – sind daher diesen Umschaltungsvorgängen am meisten ausgesetzt, an welchen durch maschinelle Mechanisierung am meisten Zeit gespart wird. – Ferner unterstehen große Teile der Fertig- und Halbfabrikatindustrie dem Gesetz der zunehmenden »Standardisierung« ihrer Produkte. Sie suchen zur Ausschaltung der kostspieligen Vielseitigkeit ihrer Produktionswerkzeuge und ihres Absatzapparates ihre Produkte auf eine Minimalzahl möglichst gleichmäßiger Typen zu reduzieren und die Produktion unter diesem Gesichtspunkt zu »mechanisieren«. Technische Neuerungen, Ausschaltungs- und Neueinschaltungsprozesse, welche unter dem Druck dieses Interesses erfolgen, finden demgemäß an derjenigen Stelle des Produktionsprozesses am intensivsten statt, wo an Typik der Produkte am meisten zu gewinnen ist.
Solche und andere, je nach der Eigenart der einzelnen Industrien verschiedene, ökonomische Bedingungen von technischen Neuerungen sollen nun natürlich von der Erhebung nicht etwa um ihrer selbst willen festgestellt werden. Vielmehr sind sie für die hier verfolgten Zwecke zunächst rein methodisch wichtig, für die Frage nämlich: welche einzelnen Industrien und – innerhalb einer jeden – welche Bestandteile ihrer Arbeiterschaft ein besonders geeignetes Objekt für die Feststellung von Unterschieden in der Arbeitseignung der Arbeiter untereinander, ihrer Gründe und Folgen, darstellen, wo also eine eingehende Untersuchung dieses Punktes mit Hilfe der später zu erörternden Mittel die größten Chancen haben würde. Dies wird da der Fall sein, wo 1. die Lohnkosten einen besonders hohen Bruchteil des gesamten Kapitalaufwandes darstellen und also die rationelle Ausnützung der Arbeitskraft für die Rentabilität besonders dringlich ist, wo ferner – was damit häufig, aber keineswegs immer, zusammenfällt – 2. die Qualifikation der Arbeiter von maximaler Bedeutung für den technischen Produktionserfolg nach Quantität und Qualität ist, die Industrie also von der Arbeitseignung der Arbeiterschaft in besonders hohem Maße abhängig ist, und wo endlich 3. die »Standardisierung« der Produkte, damit auch die Kontinuität gleichartiger Beschäftigung der Arbeiter eine besonders große und also die möglichst exakte Messung der Leistungen der Arbeiter (s. unten) ermöglichende ist, – was wiederum mit den beiden erstgenannten Punkten oft, aber durchaus nicht immer zusammenfällt. Typische Produkte, hohe Qualitäten der Arbeiterschaft, starke relative Bedeutung der Lohnkosten bedingen also bei ihrem Zusammentreffen eine besonders günstiges Terrain für den Erfolg aller auf die »Auslese« der Arbeiter bezüglichen Fragen. Dabei versteht es sich jedoch, daß die Erhebung – ganz abgesehen davon, daß sie ja nicht nur auf diese Frage abgestellt ist – durchaus nicht darauf verzichten darf, auch Industrien, bei denen die Bedingungen der Untersuchung in jeder Hinsicht nicht so günstig liegen, in Angriff zu nehmen. Die Chancen, zu Resultaten zu gelangen, sind dabei keineswegs immer absolut schlechtere; denn es darf nicht vergessen werden, daß neben der unmittelbar am Arbeitserfolg meßbaren reinen Arbeitseignung auch rein historische Bedingungen die Verwendung bestimmter Provenienzen in bestimmten Arbeitsstellungen bestimmen. – – In sachlicher Hinsicht interessieren jene ökonomischen Grundlagen der Kapitalverwertung und ihre Wandlungen 1. für die Frage: Inwiefern haben jene Eigenarten der Zusammensetzung des Kapitals, der Entwicklung des Kapitalumschlags und der »Standardisierung« in den einzelnen Industrien in absehbarer Vergangenheit zu Aenderungen in der inneren Gliederung der Arbeiterschaft, in deren Berufsschicksal und ihren beruflichen und »menschlichen« Qualitäten geführt? Welche einzelnen Aenderungen dieser Art sind also den einzelnen Entwicklungstendenzen der Kapitalverwertung zuzurechnen? Auf der anderen Seite aber wäre 2. auch zu fragen: ob und in welchem Sinne die betreffende Industrie ihrerseits in der Art ihrer Kapitalverwertung, also z.B. in der Tendenz zu zunehmender Kapitalintensität überhaupt, zur Standardisierung, zur steigenden Umschlagsgeschwindigkeit usw. sich gehemmt findet (oder zu finden glaubt) durch gegebene Qualitäten ihrer Arbeiterschaft, weil diese Qualitäten technische Neuerungen bestimmter Art erschweren. Ist dies der Fall, so fragt sich dann weiter: ob diese Hemmung für sie ganz allgemein besteht (bzw. bestand) oder etwa nur lokal und im Gegensatz zu anderen Wirtschaftsgebieten, inwieweit sie also von der Eigenart der örtlich zur Verfügung stehenden Arbeitskräfte abhängt (bzw. abhing). Endlich: in welcher Weise sich die betreffende Industrie alsdann diesem Bestandteil ihrer Produktionsbedingungen in Maß, Gliederung und Umschlag ihres Kapitalaufwandes anzupassen genötigt und bestrebt ist (bzw. gewesen ist). Die Vergleichung verschiedener auf den gleichen Arbeitsmarkt angewiesener Industrien, ebenso aber die Vergleichung geographisch getrennter Betriebe der gleichen Industrie, die auf verschiedene Arbeitsmärkte angewiesen sind, dürfte hierfür besonders lehrreich sein: für die ganze Lage der Textilindustrie und ihrer Arbeiterschaft ist es ja von grundlegender Bedeutung, daß mit den auf (relativ) hochgelohnten Arbeitskräften ruhenden Betrieben des Westens die schlesische Textilindustrie in ein und dasselbe Wirtschaftsgebiet eingespannt ist, welche aus dem unerschöpflichen osteuropäischen Bevölkerungsreservoir billige Arbeitskräfte anzieht. Alle Gegensätze der sozialen Struktur von West und Ost spielen hier hinein.
Die Frage, in welcher Art sich die einzelnen Industrien ihre Arbeitskräfte beschaffen, gehört ersichtlich ebenfalls in diesen Zusammenhang. Wenn dabei naturgemäß von der Fragestellung: wie Arbeitsangebot, Anwerbung und Arbeitsvermittlung in der einzelnen Industrie und für die einzelnen Arbeiterkategorien technisch gestaltet ist, auszugehen sein würde, so ist die eigentliche Aufgabe dabei doch die: festzustellen, inwieweit die einzelnen Industrien mehr oder minder an die örtlich oder in bestimmten Regionen vorhandenen Arbeitskräfte gebunden oder inwieweit sie in der Lage waren und sind, solche von auswärts heranzuziehen, eventuell aber: auf welche Art Schwierigkeiten sie dabei stoßen. Die möglichst exakte Feststellung, aus welchen anderweitigen Arbeitsstellungen heraus die einzelnen Arbeiterkategorien der betreffenden Betriebe rekrutiert worden sind, ist dabei von ganz besonderem Interesse, namentlich bei sich stark ausdehnenden oder in schneller technischer Umgestaltung begriffenen Industrien. Der berufliche Lebenslauf der Arbeiter würde unter unsren Gesichtspunkten als eine Art von »Etappenstraße« erscheinen, auf der sie sich, von bestimmten (näher festzustellenden) örtlichen, ethnischen, sozialen, kulturellen Ausgangspunkten aus, ihrer Qualifikation für die schließlich erreichte Arbeitsstellung genähert haben. Charakteristische Resultate würden sich auch dabei naturgemäß am ehesten für solche Arbeiter erzielen lassen, deren spezifische Qualitäten, nach der technischen Eigenart der betreffenden Industrie, in besonders hohem Maße unentbehrlich sind. –
Aus dem Gesagten ergibt sich auch die Rolle, welche die Technik in dieser Erhebung zu spielen berufen ist. Eine möglichst eingehende Kenntnis der Technik der geschilderten Industrie ist selbstverständliche Voraussetzung der Möglichkeit ihrer Bearbeitung. Die allereinfachsten Anfangsgründe dazu kann dabei wohl das Studium eines der zahlreichen Fachlehrbücher erschließen. Allein selbstverständlich nie mehr als diese. Soweit also die Herren Mitarbeiter nicht selbst Techniker oder, was besonders zu begrüßen wäre, etwa Lehrer an technischen Schulen, welche für das Verständnis und die Bedienung der Maschinen vorbereiten, sein sollten, kann ihnen gar nicht dringend genug geraten werden, sich des ständigen Beirats erfahrener, mit der Bedienung und den Anforderungen der betreffenden Maschinen und deren geschichtlicher Entwicklung genau vertrauter Techniker zu bedienen. Eine Darstellung der Technik der einzelnen Industrien ist dabei natürlich nur soweit erwünscht, als sie für das Verständnis derjenigen Fragen unumgänglich ist, welche das Objekt dieser Erhebung sind. Denn es hätte angesichts der großen, bequem zugänglichen technologischen Literatur natürlich keinerlei Sinn, solche Darstellungen zum Selbstzweck zu machen. Selbstverständlich ist es die »technische« Eigenart des Produktionsprozesses, insbesondere der Maschinen, durch welche unmittelbar alle diejenigen Qualitäten der Arbeiter, deren die einzelne Industrie benötigt, und fernerhin auch deren mögliches Berufsschicksal bestimmt wird. Selbstzweck ist aber bei Feststellung der Art dieses Zusammenhangs in keiner Weise die Beschreibung der Maschinen, sondern lediglich die eingehende Analyse derjenigen Manipulationen, welche die Arbeiter an den Maschinen vorzunehmen haben, und zwar lediglich unter der Fragestellung: auf die Anspannung welcher ganz speziellen Fähigkeiten es bei den konkreten Hantierungen der einzelnen Arbeiterkategorie ankommt. Diese Analyse allerdings kann sicherlich nie zu gründlich sein.
Der Bearbeiter wird dabei auf die entscheidenden Punkte wohl nicht selten dann am leichtesten aufmerksam werden, wenn er den Hergang des Lernprozesses eingehend studiert und speziell zu ermitteln sucht, welcher von den einzelnen Bestandteilen, in welche sich die Arbeitsmanipulation des einzelnen Arbeiters auflösen läßt, erfahrungsgemäß, nach den Angaben der Arbeiter selbst sowohl wie der Unternehmer, Techniker, Werkmeister, bei Beginn des Lernens am schwersten fällt, auch weiterhin dem Lernen die größten Schwierigkeiten entgegensetzt und am seltensten wirklich ganz vollkommen geleistet wird. Im Zusammenhang damit wäre dann die Verschiedenheit der örtlichen, ethnischen, sozialen und kulturellen Provenienz der Arbeiter in ihrer etwaigen Einwirkung auf die Lernfähigkeit zu studieren.
Der Lernprozeß, dessen eingehende Prüfung unter diesen Gesichtspunkten mithin von erheblicher Wichtigkeit für die Zwecke dieser Erhebung werden kann, verläuft, wie bekannt, bei den einzelnen Kategorien der Arbeiter in sehr verschiedener Weise. Er reduziert sich bei gewissen einfachsten Verrichtungen auf sehr einfache Uebungsvorgänge. Ohne jeden Einfluß der »Einübung« auf die Leistung vollzieht sich selbst die allerelementarste ungelernte Arbeit nicht. Dabei können diese einfachsten, am wenigsten »gelernten« Arbeiten nach dem üblichen Sprachgebrauch sowohl »körperlicher« als »geistiger« Art sein. Das Abzählen und Kontrollieren abgelieferter Produktenquanta z.B. kann so rein mechanischer Natur sein, daß es fast keinerlei Uebung voraussetzt, und, im Gegensatz zu der Maschinenbedienung, von den beschränktesten und wenigst entwicklungsfähigen Individuen erledigt werden kann, vorausgesetzt nur, daß ein Mindestmaß persönlicher Zuverlässigkeit, also: eine »Charakterqualität«, vorhanden ist. Von den untersten Staffeln der »ungelernten« Arbeit bis zu der dem Besitz einer »Kunst« sich nähernden »Gelerntheit« besteht an sich die Möglichkeit einer fast ununterbrochenen Stufenleiter von Arbeitsleistungen und Arbeiterkategorien. Eine einfache Scheidung in »gelernte« und »ungelernte« Arbeiter ist auch faktisch keineswegs immer möglich. Es wird vielmehr für jede einzelne Industrie besonders zu unterscheiden sein wie sich die Arbeiterschaft von Betrieben bestimmter Art und Größe ziffernmäßig auf die einzelnen Staffeln von Maß und Art der erforderlichen Gelerntheit verteilt, wie sich ferner diese Zusammensetzung in absehbarer Vergangenheit geändert hat, welche Aenderungen für die absehbare Zukunft vorauszusehen sind, und warum. Die Industrien scheiden sich oft in höchst charakteristischer Weise in solche, bei denen einem Stamm hochgelernter Qualitätsarbeiter eine mehr oder minder breite Schicht fast ganz »ungelernter« Arbeitskräfte gegenübersteht, und in andere, in denen sich innerhalb der einzelnen Kategorien der Arbeiterschaft derartige Unterschiede nur gradweise finden. Diese Zustände sind durch die technische Evolution, welche ihrerseits mit den oben erwähnten allgemeinen Tendenzen der Kapitalverwertung zusammenhängt, in beständiger Entwicklung begriffen, deren Richtung zu schildern wäre.
Die »Gelerntheit« ist dabei natürlich vor allem auch nach ihrer Art zu unterscheiden. Es wird sich empfehlen, entsprechend dem gewöhnlichen Sprachgebrauch, unter einem »gelernten« Arbeiter einen solchen zu verstehen, der einen wirklichen, in irgendeinem Sinne »vielseitigen« Lehrgang, nach Art der alten zünftigen Handwerkslehre oder wenigstens dieser ähnlich, sei es im Handwerk, sei es in gesonderten Lehrwerkstätten oder in der Fabrik selbst, durchgemacht hat. Davon wären als »angelernte« Arbeiter diejenigen zu unterscheiden, welche in der Fabrik unmittelbar an Maschinen der gleichen oder ähnlichen Art, wie sie sie dauernd zu bedienen haben, gestellt und an diesen bis zur Erreichung einer für die Rentabilität ihrer Verwendung erforderlichen Mindest- oder Normalleistung geschult werden, natürlich unter Berücksichtigung der Uebergänge, die sich zwischen beiden Kategorien finden mögen. Dabei wäre nun vor allem anderen die Aufgabe: zu ermitteln, warum die einzelne Industrie oder der einzelne Betrieb die eine oder die andere Form des Lernens bedingt, ob also und weshalb für bestimmte Kategorien von Arbeitern, der Natur ihrer Aufgabe nach, heute noch ein regulärer Lehrgang statt des direkten Anlernens erforderlich ist, für andere nicht, oder inwieweit etwa die Verwendung von solchen, im alten Sinn »gelernten« Arbeitskräften nicht durch die technische Eigenart der Anforderungen, welche der Arbeitsprozeß seiner Natur nach an die betreffenden Arbeiter stellt, bedingt, sondern wesentlich historisches Ueberbleibsel ist usw. Auch wird es zur Klarstellung der Gründe solcher Unterschiede in jedem Fall erwünscht sein, zu ermitteln, welche ungefähren direkten und indirekten Kosten aus der »Anlernung« entstehen, z.B. durch Bereitstellung speziell dafür bestimmter Maschinen und Vorarbeiter, ferner durch Unterproduktion gegenüber einem garantierten Mindestverdienst während der Anlernzeit usw. Sodann wäre weiter als sehr wichtig festzustellen, welches Maß der Leistung im Einzelfalle für die Vollendung des Angelerntseins, also: für die Einstellung als Vollarbeiter, erfordert werden muß, und endlich vor allem: in welchem Zeitraum dieses Maß von den Arbeitern der einzelnen Kategorien, je nach ihrem Alter, Geschlecht, ihrer örtlichen, ethnischen, sozialen, kulturellen Provenienz, ihrer früheren Beschäftigung in diesem oder in anderen Berufen, erreicht wird, und worauf die in dieser Hinsicht etwa sich zeigenden Unterschiede beruhen. Es könnten etwaige sichere, auf hinlänglich umfangreichem und vorsichtig gedeutetem Material beruhende Ergebnisse gerade über diesen Punkt für die Erhebung besonders wichtig werden, da sie vielleicht auf Unterschiede in der Lernfähigkeit der Arbeiter je nach den Unterschieden ihrer Provenienz zurückführbar sein könnten. Dies freilich nur dann, wenn sich der Anlernprozeß unter annähernd ähnlichen Bedingungen vollzieht. Denn es macht z.B. einen ganz bedeutenden Unterschied, ob ein Arbeiter seine Manipulationen Stück für Stück nach den Anweisungen eines Meisters an einer neuen Maschine zu erlernen hat, oder ob er sich kontinuierlich in der Nachbarschaft von bereits voll »geübten« Arbeitern befindet, welche die gleichen Manipulationen ausüben, und sich, nachahmend, in deren Arbeit »einfühlen« kann. Für manche Arbeiten ist, nach Erfahrungen in Fabriken, durch diesen Einfluß des »Einfühlens« eine Verkürzung der Anlernzeit auf fast ein Sechstel herbeigeführt worden. Dagegen ist andererseits auch unter gleichen Bedingungen des Anlernens die erforderliche Zeit individuell sehr verschieden, und den Bedingungen dieser Unterschiede wäre, namentlich soweit sie Unterschieden der Provenienz entstammen, nachzugehen.
Daneben wäre der Einfluß der inneren Gliederung der Arbeiterschaft, wie sie durch die Eigenart ihrer Leistung, das Maß der dazu erforderlichen Gelerntheit und die Art des Lernens oder Anlernens bedingt wird, natürlich einer derjenigen Punkte, an welchen die Analyse 1. des Berufsschicksals, 2. der sozialen Beziehungen der Arbeiter untereinander, endlich 3. der allgemeinen »charakterologischen« Qualitäten der Arbeiterschaft, wie sie die Großindustrie entwickelt, einzusetzen hätte. Die hier wesentlich in Betracht kommenden Fragen sind offenbar: 1. inwieweit die Entwicklung der Arbeiterschaft sich in der Richtung qualitativer und von da aus beeinflußter ökonomischer und sozialer Differenzierung ihrer verschiedenen Schichten oder umgekehrt in der Richtung ihrer zunehmenden Uniformierung bewegt. Inwieweit 2. die Verwendbarkeit des einzelnen Arbeiters in der Industrie sich zunehmend spezialistisch, auf die ausschließliche Uebung ganz spezieller Einzelqualitäten zugeschnitten, oder umgekehrt universalistisch gestaltet. Inwieweit, dementsprechend 3. die einzelnen Industrien von bestimmten, sei es anerzogenen, sei es eingeübten Qualitäten ihrer Arbeiter sich zunehmend emanzipieren, und inwieweit etwa der »Standardisierung« der Produkte eine »Standardisierung« auch der Arbeiter entspricht, oder umgekehrt der Spezialisierung der Arbeitsmittel eine Vermannigfaltigung der Eigenart der Arbeiter. Wie sich ferner 4. für die Arbeiterschaft die Chance eines Avancements innerhalb der Beschäftigungsarten gestaltet, sowohl ökonomisch (nach der Art der möglichen Gestaltung ihrer Verdienstkurve), wie organisatorisch (nach dem Maß der relativen Selbständigkeit oder auch Ueberordnung, welche im Verlauf ihres Berufsschicksals an die Stelle der zunächst unvermeidlichen Unterordnung zu treten vermag), wie »psychologisch« (nach der Art ihrer subjektiven Neigung zu den einzelnen Arbeitsstellungen, in die sie einzurücken die Chance haben). Der wichtige Gesichtspunkt der »Arbeitsfreude« (H. Herkner) und z.B. auch die Würdigung der gelegentlich erörterten Frage, unter welchen Bedingungen die »Bedienung« der Maschine seitens des Arbeiters als ein »Beherrschen« derselben empfunden zu werden vermöge, gehört hierher. Wie sich endlich 5. das Ergebnis all dieser Einflüsse in der psychophysischen und charakterologischen Eigenart der Arbeiterschaft einer Industrie und in ihrem »Lebensstil« niederschlägt. – – Diese entscheidend wichtigen Fragen der Erhebung müssen natürlich sämtlich ausgehen von dem einfachen Vorgang des »Einübens« bestimmter Leistungsfähigkeiten, welche die Industrie verlangt, damit aber: von den allgemeinen physischen und psychischen Voraussetzungen und Folgen, welche die »Einübung« und »Geübtheit« hat.
Es kann nun von den Herren Mitarbeitern, soweit sie nicht etwa von Beruf oder Studium Physiologen oder Experimentalpsychologen sind, nicht vorausgesetzt werden, daß sie sich im Besitz der erforderlichen Fachkenntnisse befinden, um diejenigen Ergebnisse jener Wissenschaften, welche für die Zwecke dieser Erhebung überhaupt in Betracht kommen könnten, zu beherrschen. Ein Versuch, solche Ergebnisse ohne strenge fachmännische Kontrolle zu verwerten, würde nur allzu leicht dilettantisch ausfallen. Wenn hier gleichwohl etwas näher auf diese Probleme eingegangen wird, so geschieht dies, um einen ungefähren Ueberblick darüber zu gewinnen, was, im Prinzip, bei einer Erhebung dieser Art als letztes Ziel erstrebt werden müßte, nicht aber zu dem Zweck, vorwiegend rein nationalökonomische Mitarbeiter – die wohl die Mehrzahl bilden werden – zu veranlassen, sich ihrerseits auf ihnen nicht fachmäßig vertraute Gebiete zu wagen. Es scheint nützlich, daß der einzelne sich auch darüber klar ist, welchen Problemen er mit seiner Fragestellung nicht auf den Grund gekommen ist. Im übrigen aber wäre nichts lebhafter zu begrüßen, als die etwaige Mitarbeit von Fachmännern der betreffenden Disziplinen selbst.
Es muß gleich eingangs konstatiert werden, daß die bedeutenden Fortschritte, welche in der Analyse der hier in Betracht kommenden Vorgänge zweifellos gemacht worden sind, schon infolge der ungemeinen Schwierigkeit experimenteller Kontrolle, vorerst nur teilweise bereits zu Resultaten geführt haben, die, auch bei vollständiger Beherrschung des Materials, unmittelbar für die Zwecke dieser Erhebung verwertet werden könnten.
Dies gilt in erheblichem Maße selbst für das Gebiet der reinen Muskelübung. Es würde, soweit Wandlungen in der Technik vorwiegend körperlicher Arbeiten in Betracht kommen, sich empfehlen, die Hilfe eines physiologischen Fachmannes in Anspruch zu nehmen. An der Hand der Beobachtungen wäre dann zu prüfen, inwieweit die Entwicklung der Technik, wie sie sich unter dem Druck der privatwirtschaftlichen Kostenökonomie vollzieht, in ihrem Gange zugleich der Richtung der physiologischen Kräfteökonomie (Ersparnis an »Kraftverlust«, d.h. an nicht in Form von Arbeit verwerteter physikalischer Gesamtleistung der Muskulatur) folgt. Daß z.B. die »Uebung« von Arbeitsleistungen stets wesentlich auch eine »Automatisierung« von ursprünglich im Bewußtsein artikulierten Willensimpulsen ist, steht fest. Ebenso, daß dies eine physiologische Kraftersparnis auf muskulärem resp. nervösem Gebiet bedeutet. Festzustellen aber wäre, wie weit im einzelnen dieses Prinzip in der einzelnen Industrie reicht. Daß ferner die »Rhythmisierung« der Arbeit, teils als Mittel der Mechanisierung, teils direkt, ähnliche Dienste leistet, steht gleichfalls fest. Es könnte im einzelnen Falle wohl der Mühe wert sein, festzustellen, wie es mit der Rhythmisierung unter dem Einfluß der Maschinen steht. Wobei zu beachten wäre, daß nach den vorliegenden experimentellen Untersuchungen diese Wirkungen verschieden zu sein scheinen, je nachdem sie sich demjenigen Rhythmus, der dem individuellen psychophysischen Apparat der adäquateste ist, anschmiegen, oder aber ihm gegen sein Widerstreben von außen aufgezwungen werden. Wesentlich komplexere, nur durch Mithilfe von Physiologen in Angriff zu nehmende Probleme würden dagegen beispielsweise mit den Fragen berührt, inwieweit tatsächlich (wie dies behauptet worden ist) 1. die Ausschaltung von Muskelleistungen, und 2. die Arbeitsübung an den Maschinen mit 1. der Ausschaltung der Inanspruchnahme der größeren zugunsten derjenigen der »kleinstmöglichen« Muskeln und 2. mit zunehmender Einschränkung der Mitbewegung nicht direkt beanspruchter Muskeln Hand in Hand gehen, endlich inwieweit 3. die Steigerung der Maschinengeschwindigkeit und damit der Arbeitsintensität mit der behaupteten, und, dem Prinzip nach wenigstens, wohl auch experimentell nachweisbaren Ausnutzung der »Summation von Reiznachwirkungen« derart parallel gegangen ist und noch geht, daß aus diesem Grunde im Effekt eine Kraftersparnis im physiologischen Sinne des Wortes resultierte. Manche der entscheidenden physiologischen Voraussetzungen sind hier unter den Fachmännern selbst ziemlich bestritten. Die Analyse der technischen Entwicklung wichtiger Industrien unter derartigen und verwandten Gesichtspunkten könnte gleichwohl wertvolle Ergebnisse zeitigen, aber nur, wenn sie unter Kontrolle von Fachleuten vorgenommen würde. Es wäre daher sehr zu begrüßen, wenn Physiologen oder physiologisch gründlich orientierte Aerzte sich an der Arbeit dieser Erhebung als Mitarbeiter beteiligen würden. Jedenfalls könnte es nur Sache des physiologischen Fachmannes sein, zu beurteilen, inwieweit man heute bei derartigen Untersuchungen nach dem Stande der physiologischen Kenntnisse bereits auf gesichertem Boden stehen würde, und auf welche konkreten Punkte dabei zu achten wäre. Stets müßte aber – gegenüber der für die naturwissenschaftlichen Einzeldisziplinen zuweilen fast unwiderstehlichen Versuchung, soziale Erscheinungen rein aus ihren Fachgesichtspunkten heraus ableiten zu wollen, also z.B. die Industrieentwicklung gänzlich als eine Funktion einzelner Gesetze der physiologischen Kräfteökonomie zu deuten1, – daran festgehalten werden, daß die Industrie als solche nicht »Kraftersparnis«, sondern »Kostenersparnis« erstrebt, und daß die Wege, auf denen sie diese erreichen kann, keineswegs immer mit der Entwicklung zum physiologisch Rationalen zusammenfallen, daß vielmehr aus den allerverschiedensten Gründen die Entwicklung zum ökonomischen Optimum der Kapitalverwertung von der Entwicklung zum physiologischen Optimum der Kraftverwertung divergieren kann. In solchen Fällen aber, wo tatsächlich die technische Entwicklung eine konsequent und eindeutig fortschreitende charakteristische Umgestaltung der physiologischen Inanspruchnahme der Arbeiterschaft zeigt: – wie häufig das der Fall sein mag, steht keineswegs von vornherein fest –, wäre es die Aufgabe, zuerst zu fragen: in welcher Weise in diesen konkreten Fällen die einzelnen, den Rentabilitätsinteressen des Kapitals entspringenden ökonomischen Tendenzen (Lohnersparnis, wirtschaftliche Ausnutzung des Rohmaterials und der Maschinen, Steigerung der Umschlagsgeschwindigkeit, Standardisierung usw.) an dieser physiologischen Entwicklung beteiligt sind, und dann erst: welche Teile der Muskulatur oder des Nervensystems dadurch in ihrer Inanspruchnahme bevorzugt, welche anderen zurückgesetzt werden, und welche Konsequenzen für den physiologischen Habitus dies hat, gehabt hat oder weiterhin haben kann. Der bloße Hinweis darauf, daß die Entwicklung der Technik bestimmten Postulaten der physiologischen Kräfteökonomie entsprochen habe, genügt in keinem Fall.
Noch weit wichtiger für diese Erhebung wäre naturgemäß die Feststellung, ob und welche elementaren psychischen Bedingungen und Folgen die Entwicklung der modernen Industriearbeit gehabt hat und noch hat, wenn dafür hinlänglich geklärte, anerkannte und zugleich exakte Erfahrungen der experimentalpsychologischen Disziplin verwendet werden könnten. Leider ist dies vorläufig nur in beschränktem Maße der Fall. Die mit dem Problem der Arbeit befaßten sehr umfassenden Untersuchungen jener Disziplin sind ursprünglich, soweit sie überhaupt von aktuellen Problemen beeinflußt wurden, vorwiegend an schulhygienischen Gesichtspunkten orientiert gewesen. Einerseits hat sich dabei ergeben, daß, im Gegensatz zu manchen anfänglich gehegten Hoffnungen, jedenfalls zur Zeit (nach der Ansicht mancher Forscher sogar vielleicht dauernd) es keinerlei Maßmethode gibt, welche zugleich exakt und dabei doch zu Massenuntersuchungen derart geeignet wäre, um einwandfreie Resultate über den Verlauf der Ermüdungs- und Uebungskurven, der individuellen Differenzen in dieser Hinsicht und deren Bedingtheit durch Temperaments- und Charakterqualitäten zu bieten. Weder das in Frankreich und Amerika besonders gepflegte System der sog. mental tests, noch die Versuche, mit Aesthesiometern und ähnlichen einfachen Instrumenten die psychischen Nachwirkungen der Arbeit zu messen, gelten im Kreise der maßgebenden deutschen Fachmänner als hinlänglich sichere Mittel zur Feststellung individueller Differenzen. Es erfordern vielmehr derartige Untersuchungen stets andauernde, oft wochenlange Experimente mit dem Einzelindividuum unter sorgsam vorbereiteten und innegehaltenen Bedingungen. – Die psychischen bzw. psychophysischen Bedingungen der Fabrikarbeit speziell haben jene Untersuchungen bisher schon aus diesem Grunde naturgemäß nicht behandeln können. Sie befassen sich infolge ihrer vorwiegend schulhygienischen Orientierung, außerdem aber auch aus Motiven, die in den Prinzipien ihrer Methodik und in der Eigenart ihrer Instrumente liegen, in stark vorwiegendem Maße mit der Untersuchung von Gedächtnisleistungen und Assoziationsvorgängen. Daneben – und die Ergebnisse dieser Untersuchungen kämen naturgemäß am meisten in Betracht – mit dem Einfluß von Ermüdung und Uebung bei »geistiger« Arbeit. Der Begriff des »Geistigen« wird dabei ziemlich weit gefaßt, insofern er auch hochgradig typische, oft rein mechanische Leistungen des psychophysischen Apparates (Lernen sinnloser Silben u. dgl.) mitumfaßt. Bei der Untersuchung der Leistungsfähigkeit der großindustriellen Arbeiterschaft würde der Gegensatz: »körperliche« – »geistige« Arbeit jedenfalls dann gar keine oder nur eine sehr geringe Rolle spielen, wenn man unter geistiger Arbeit nur die »kombinatorische« Tätigkeit strengsten Wortsinns verstehen wollte. Zu einer solchen allerdings ist wenigstens der Maschinenarbeiterschaft nur ausnahmsweise und mehr zufällig, und dann meist nur im kleinen, Gelegenheit geboten. Dagegen fallen bei jeder weniger »anspruchsvollen« Fassung des Begriffs der »geistigen« Arbeit breite Regionen der industriellen Arbeitsleistungen mit unter diesen Begriff. Und vor allem: die Unterschiede in der Art der Leistungen, welche die Industrie von der Arbeiterschaft verlangt, sind, an dem Gegensatz: »geistig-körperlich« gemessen, sehr große, größere jedenfalls, als der Gegensatz der am meisten »geistig« arbeitenden Schicht der Arbeiterschaft zu den ihr übergelagerten sozialen Schichten. In Wahrheit ist eben der Begriff des Geistigen hier gänzlich unangebracht und nicht für eine Klassifikation verwendbar. Es handelt sich vielmehr um die Frage: in welchem Maße und in welcher Richtung eine Inanspruchnahme des nervösen Zentralapparates durch bestimmte Arten von Leistungen stattfindet oder nicht stattfindet, und welche Art von Reaktionsweise desselben die Grundlage der betreffenden Leistung bildet. Man hat z.B. nicht ganz mit Unrecht gesagt, daß die Tätigkeit eines am Zylinderbohrer beschäftigten Arbeiters bei der Zurichtung des Materials für die Maschine derjenigen eines Chirurgen während der Operation »dem Wesen« nach: – das sollte heißen: den Funktionen des psychophysischen Apparats nach, die in Anspruch genommen werden, – gleichartig sei. Und beispielsweise die Qualifikation einer mit der Bedienung mechanischer Webstühle betrauten Arbeiterin hängt in letzter Linie keineswegs von vorwiegend »physischen« Qualitäten, sondern wesentlich davon ab, ob sie die »Geistesgegenwart« und den »Ueberblick« besitzt, um eine so große Mehrzahl von Webstühlen gleichzeitig zu beherrschen, daß dadurch die Verwendung dieser Art von Maschinen, und zugleich hiermit auch die Verwendung der betreffenden Arbeiterin selbst, für den Arbeitgeber rentabel wird. Eine wirklich nur »körperliche«, d.h. nur bestimmte Muskeln und den zugeordneten Innervationsapparat in Anspruch nehmende Arbeit gibt es streng genommen nicht. Aber allerdings: bei einem Arbeiter, der etwa mit dem Ausschachten von Erde beschäftigt ist, werden gewisse Muskeln und der ihnen zugeordnete Innervationsapparat weitaus vorzugsweise in Anspruch genommen, ermüdet und geübt, dagegen diejenigen Funktionen des psychophysischen Apparats, an welche wir bei »geistiger« Arbeit zuerst denken: Assoziationsgeschwindigkeit, Fähigkeit der Konzentration der Aufmerksamkeit usw., relativ wenig, – so wenig, daß die »Ermüdung« durch die Arbeit und ebenso die »Uebung« infolge der Arbeit sich auf sie weniger erstreckt. Wenn man also, angesichts der Flüssigkeit des Uebergangs zwischen den einzelnen Arten der Arbeit, generelle Unterschiede überhaupt machen will, so kann stets nur gefragt werden: Welche Leistungsfähigkeiten und Funktionen des psychophysischen Apparates des Arbeiters sind es, die bei einer bestimmten Arbeit Gegenstand vorzugsweiser Inanspruchnahme und damit einerseits der Ermüdung, andererseits der Uebung sind? Dies also wäre auch für eine Klassifikation der Arbeiter für die Zwecke dieser Erhebung der maßgebende Gesichtspunkt. Es scheint sicher, daß in manchen Industrien die technische Evolution sich in der Richtung zunehmender Inanspruchnahme nervöser Funktionen, namentlich der Aufmerksamkeitsspannung und ähnlicher Gehirnleistungen, bewegt, von Leistungen also, welche sich von denen der im üblichen Sinn »geistig« arbeitenden Schichten wesentlich durch die Monotonie ihres Inhaltes und die Abwesenheit jener »Wertbeziehungen«, welche wir mit den Objekten »geistiger« Arbeit zu verknüpfen pflegen, unterscheidet. Wieweit dies der Fall ist, ob und welche Folgen es hygienisch, psychophysisch und »menschlich« hat, kann – bestritten, wie diese Fragen sind – nur die Erhebung selbst vielleicht lehren. Es wäre für diesen Zweck den Herrn Mitarbeitern, soweit sie nicht etwa selbst neurologisch gebildet sind, entschieden anzuraten, sich mit erfahrenen, und zwar namentlich mit neuropathologisch umfassend orientierten Aerzten in Verbindung zu setzen, um die unmittelbare nervöse Wirkung der Fabrikarbeit und – was als ätiologisches Moment, wenigstens nach manchen Ansichten, ebenfalls als wichtig gilt – der Begleitumstände der Arbeit (z.B. des Maschinenlärms): die Art des Kräfteverbrauchs also, welche dadurch bedingt wird, kennen zu lernen. Allerdings unter dem Vorbehalt, daß diese Erhebung, der es auf die Feststellung von Entwicklungstendenzen ankommt, dadurch nicht auf die Bahn rein praktisch sozialhygienischer Erörterungen geschoben werden darf. (Ueber diese Seite der Frage vgl. z.B. den Aufsatz von Dr. G. Heilig: Fabrikarbeit und Nervenleiden, in der »Wochenschrift für soziale Medizin« 1908, Nr. 31 ff. und die dort zitierten Arbeiten von Dr. W. Hellpach und anderen.) Eine systematische Erhebung über die Tendenz zu Arbeiterneurosen innerhalb der einzelnen Industrie- und Arbeiterkategorien bei den Kassenärzten wäre sehr erwägenswert. Ebenso wäre die Mitarbeit von erfahrenen Herrn aus diesen Kreisen bei der jetzt versuchten Erhebung besonders zu begrüßen.
Von den Einzelergebnissen, welche die experimentalpsychologische Arbeit über den Verlauf der Ermüdungs- und Uebungsvorgänge bisher zutage gefördert hat, könnten, so wichtig sie an sich sind, für die speziellen Zwecke dieser Erhebung die Bearbeiter aus den früher angegebenen Gründen vielleicht nicht allzuviel direkte Förderung erfahren. Von Nutzen könnte ihnen immerhin möglicherweise die Bekanntschaft mit einigen der einfachsten Begriffe sein, welche in neueren Untersuchungen dieser Art verwendet zu werden pflegen, so bestritten leider auch der Inhalt vieler von ihnen zur Zeit noch ist2. Begriffe aber wie der der »Ermüdbarkeit« (gemessen nach Tempo und Maß des Fortschreitens der Ermüdung), »Erholbarkeit« (nach dem Tempo der Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit nach stattgehabter Ermüdung), »Uebungsfähigkeit« (nach dem Tempo der Leistungszunahme im Verlauf der Arbeit), »Uebungsfestigkeit« (nach dem Maß des »Uebungsrückstandes« nach Pausen und Unterbrechungen einer Arbeit), »Anregbarkeit« (nach dem Maß, in welchem der »psychomotorische« Einfluß des Arbeitens selbst die Leistung steigert), »Konzentrationsfähigkeit« und »Ablenkbarkeit« (je nach dem Fehlen oder Vorhandensein und, in letzterem Fall, dem Maß einer Herabsetzung der Leistung durch ungewohntes »Milieu« oder »Störungen«), »Gewöhnungsfähigkeit« (an ungewohntes Milieu, Störungen und – im Prinzip das Wichtigste – an Leistungskombination), – solche und ähnliche Begriffe sind ihrem Inhalt nach hinreichend eindeutig, stellen meßbare Größen dar, sind ihrer Brauchbarkeit nach erprobt und können dem Bearbeiter sehr wohl eine Uebersicht über gewisse einfache Komponenten der persönlichen Arbeitsqualifikation und gegebenenfalls eine handliche Terminologie bieten. Denn es kann mit ihnen sehr wohl auch da operiert werden, wo der Grad, in welchem die durch sie bezeichneten Komponenten die Arbeitsleistung beeinflussen, nicht rechnerisch feststeht. Und darüber hinaus wären die Erörterungen z.B. über die Beziehungen zwischen Ermüdung und Arbeitswechsel, über die subjektiven und objektiven Folgen der »Eingestelltheit« auf eine bestimmte Arbeit, über die Art, wie bei der Einübung komplizierter Arbeitsaufgaben und Kombinationen von Arbeitsleistungen die Anpassung ihrer einzelnen psychophysischen Elemente vor sich geht, über die Unterschiede sensorischer und motorischer Grundlagen des Reagierens in ihren Folgen für Quantität und Qualität der Leistungen und andererseits in ihrer Bedingtheit durch Differenzen der psychophysischen Grundlagen der »Persönlichkeit«, – diese und ähnliche Erörterungen innerhalb der Fachpsychologie, so wenig endgültig Feststehendes sie in manchen Punkten bisher geliefert haben, wären an sich sehr wohl geeignet, den Blick für eine Reihe allgemeiner Probleme zu schärfen, welche auch in die überaus komplexen Fragen der Bedingungen industrieller Leistungsfähigkeit und der Wirkungen der technischen Entwicklung, speziell der »Arbeitszerlegung« und ähnlicher Vorgänge, hineinragen. Insbesondere würde es höchst wichtig sein, wenn für die Frage des Arbeitswechsels in seinen Wirkungen und Voraussetzungen irgendwelche exakten psychophysischen Unterlagen gefunden werden könnten. Dabei ist natürlich im Auge zu behalten, daß in der vorliegenden Erhebung auch dieses Problem durchaus vom Standpunkt der Rentabilität aus anzugreifen ist. Dieser Gesichtspunkt steht dem Arbeitswechsel meist entgegen, denn im großen und ganzen ist er selbstverständlich ein Vorgang, der die kontinuierliche Ausnutzung der Betriebsmittel ungünstig, oft in höchst einschneidendem Maße ungünstig, beeinflußt. Aber er begünstigt hin anderseits z.B. da, wo es nötig wird, bei weitgehender Spezialisierung dem einzelnen Teilarbeiter Gelegenheit zu geben, die Folgen seiner Fehler durch Beschäftigung in der folgenden Etappe des Arbeitsprozesses selbst kennenzulernen. Jedenfalls ist in allen Fällen, wo Arbeitswechsel sich findet, zunächst zu fragen: Welche Erfahrungen haben die Betriebsleiter in den einzelnen Industrien und bei den einzelnen Arbeitsleistungen mit einem etwaigen Arbeitswechsel innerhalb des Betriebes in seiner Rückwirkung auf die Leistung gemacht? Welche Unterschiede zeigen sich ferner in der Arbeitseignung, je nach der Art der Arbeit, welche der Arbeiter unmittelbar vor seinem Eintritt in die derzeitige Arbeitsstellung, oder früher, oder endlich in der Jugend getan hat?? Diese Unterschiede sind oft recht beträchtliche und auch rechnerisch (s. unten) feststellbare. Weiterhin aber kämen selbstverständlich ganz ebenso die Erfahrungen und die subjektive Attitüde der Arbeiter selbst in Betracht. Diese ist selbstverständlich in weitestem Umfang durch rationale Momente bestimmt: Verschiedenheit der Löhne, der Bequemlichkeit der Arbeit usw. Wo diese Momente ersichtlich den Ausschlag geben, handelt es sich natürlich nicht um Stellungnahme zu der Frage: ob, rein an sich, Gleichförmigkeit oder Wechsel der Arbeit vorgezogen wird, und ob und wie dies durch physiologische oder psychologische Einflüsse bedingt sein könnte. Auch die Attitüde der Arbeiter zum Arbeitswechsel, rein als solchem – das heißt: in Fällen, wo die verschiedenen Arten der Arbeit keine erheblichen Verschiedenheiten der Annehmlichkeit oder Einträglichkeit aufweisen –, ist aber natürlich weitgehend durch rationale ökonomische Ergänzungen determiniert. Ueberall da, wo er, innerhalb eines Betriebes, die Leistung nachhaltig drückt, infolge der »Uebungsverluste« und der Notwendigkeit, sich neu einzuarbeiten, drückt er auch den Lohnverdienst (sofern der Lohn Akkordlohn ist). Bei Industrien mit vielseitiger Produktion (geringer Standardisierung) fällt in Zeiten der Depression, wo die einzelnen Aufträge an sich kleiner werden und die Vielseitigkeit der Produktion also (auf die Zeiteinheit berechnet) steigt, die Krise in Form häufigeren Wechsels der Beschäftigungsart auf die Verdienstchancen der Arbeiterschaft. Auch in solchen Fällen kann natürlich von einer physiologischen psychophysischen Bedingtheit ihrer Stellungnahme zu diesen Vorgängen nicht die Rede sein. Ebenso nicht, wenn beobachtet wird, daß ältere verheiratete Arbeiter die Gleichförmigkeit des Verdienstes bei kontinuierlicher, wenn auch monotoner, Arbeit, jüngere und ledige dagegen – im Interesse der Erweiterung ihrer Gelerntheit und damit der Verwertbarkeit ihrer Arbeitskraft, – den Wechsel bevorzugen. Allein neben diesen und vielen ähnlichen, in ihrer Tragweite eingehend zu studierenden, Fällen, wo ökonomische Zweckerwägungen das Verhalten der Arbeiter determinieren, gibt es zahlreiche andere, wo ihr Verhalten durch solche nicht eindeutig bestimmt zu sein, zuweilen diesen Motiven sogar zuwiderzulaufen scheint. Es scheint plausibel und ist auch gelegentlich beobachtet worden, daß der Arbeitswechsel rein als solcher, also: in solchen Fällen, wo ökonomische Chancen und Annehmlichkeit bzw. Unannehmlichkeit der Arbeit nicht das entscheidende Wort sprechen, ihnen als erwünscht gilt. Ebenso sicher aber sind andere Fälle beglaubigt, in welchen er von ihnen nicht, und zwar auch dann nicht gewünscht wurde, wenn ihnen die volle Garantie dafür gegeben war, daß er ihnen keinerlei ökonomischen Nachteil bringen könne; daß hierbei nicht ausschließlich zufällige Umstände oder allgemeine innere Gebundenheit an die Tradition im Spiele war, scheint dadurch wahrscheinlich gemacht, daß zuweilen jenes Widerstreben sich selbst bei solchen Arbeitern fand, die einen Wechsel des Betriebes und Ortes ihrer Beschäftigung mit Leichtigkeit, ja selbst mit Vorliebe vollzogen, sofern sie nur auswärts in eine gleichartige Arbeitsstellung einrücken konnten. Ob hier der Begriff der in ihrer Bedeutung für die Arbeitskurve anscheinend auch experimentalpsychologisch meßbaren »Gewöhnung« und »Eingestelltheit« auf die konkrete Arbeitsleistung für eine Erklärung brauchbar wäre, ist nicht a priori zu entscheiden.
Möglich erscheint in solchen und vielen ähnlichen Fällen stets, daß überhaupt rein psychophysische Ueberlegungen eine eindeutige Antwort nicht gestatten würden, da die mitspielenden Motive vielfach zu komplex sind. Diese Situation wird sich häufig wiederholen. Im ganzen wird sich der Bearbeiter fast überall da, wo er Veranlassung hat, Unterschiede in den allgemeinen »seelischen« Qualitäten der Arbeiter je nach ihrer Beschäftigungsart und Provenienz zu schildern, also Unterschiede ihres »Charakters«, »Temperaments«, ihres »intellektuellen« und »sittlichen« Habitus: – Dinge, welche auf die Qualifikation zu den einzelnen Arten der Industriearbeit ganz ohne Zweifel oft von bedeutendem, zuweilen von entscheidendem Einfluß sind –, bei dem heutigen Stand der psychologischen Arbeit noch ziemlich häufig auf sich selbst angewiesen sehen. Zwar werden die alten »vier Temperamente« heute meist durch die vier möglichen Kombinationen von 1. Intensität und 2. Dauer der jeweiligen »Gefühlslage« ersetzt. Der qualitative Inhalt jedoch, der in den alten Begriffen steckte, geht dabei verloren. Diesen letzteren durch eine andere Klassifikation der »Temperamente« zu ersetzen, und vollends jene zahlreichen, vom Standpunkt der Psychologie aus höchst komplexen qualitativen Differenzen des Habitus, die wir als »Charakter« bezeichnen, klassifikatorisch zu erfassen, ist den »differentialpsychologischen«, »charakterologischen«, »ethologischen«, »speziellpsychologischen« Arbeiten (oder wie sonst diese Untersuchungen sich zu nennen pflegen) bisher nicht geglückt, – aus leicht verständlichen allgemeinen methodischen Schwierigkeiten heraus, die in der Aufgabe selbst liegen. Eine allgemein anerkannte Klassifikation für derartige Unterschiede gibt es heute nicht, insbesondere keine, die ohne weiteres geeignet wäre, für die Zwecke der gegenwärtigen Erhebung als Grundlage zu dienen. Die psychologischen Unterscheidungen vollends, mit welchen heute die Psychiatrie arbeitet, sind aus Gründen, welche der besonderen Natur dieser Wissenschaft entstammen, teils zu einfache, teils umgekehrt zu spezifische. Dem Bearbeiter kann daher nur angeraten werden, die Aeußerungsform der »Charakterunterschiede«, soweit solche wirklich unzweideutig vorliegen: die im äußeren Verhalten zu beobachtenden Differenzen der Reaktionsweise der Individuen also, woran er jene Unterschiede zu erkennen glaubt, möglichst konkret und genau zu beobachten und so einfach und gemeinverständlich wie möglich in der Alltagssprache zu beschreiben.
Ueberhaupt aber dürfte im Interesse des Zwecks dieser Erhebung den Herren Mitarbeitern von vornherein eins dringend anzuraten sein, nämlich: Falls sie auf dem Wege der Lektüre oder der Anregung durch einen fachmännisch geschulten Physiologen, Psychologen, Biologen, Anthropologen sich mit den allgemeinen und prinzipiellen Erörterungen jener Disziplinen vertraut zu machen Gelegenheit hatten, sich gerade dann 1. nicht an diese Probleme, so interessant sie jedermann erscheinen müssen, zu »verlieren«, und vollends 2. sich unter keinen Umständen irgendeiner der miteinander kämpfenden allgemeinen Theorien psychologischer, biologischer, anthropologischer Art zu »verschreiben«. Nicht als ob nicht jene allgemeinsten naturwissenschaftlichen Probleme schließlich auch die Fragestellungen, mit welchen es diese Erhebung zu tun hat, berühren könnten. Oder als ob nicht die Tatsachen, welche diese unsere Fragestellungen (günstigenfalls) zutage fördern werden, möglicherweise auch für jene allgemeinen Theorien Interesse gewinnen könnten. Beides ist möglich. Allein für die Unbefangenheit der Ermittlung der Tatsachen, welche die Grundvoraussetzung des Gelingens dieser Erhebung und vor allem auch ihr wesentlicher Zweck ist, könnte offenbar gar nichts Schlimmeres eintreten, als wenn jene Tatsachenfeststellungen von Anfang an unter dem Gesichtspunkt der Erhärtung der Richtigkeit oder Unrichtigkeit einer jener allgemeinen naturwissenschaftlichen Hypothesen vorgenommen würden. Führt es gelegentlich schon zu Irrgängen, wenn naturwissenschaftliche Fachmänner ohne genaue Kenntnis ökonomischer Probleme solche Versuche unternehmen, so würden, wenn das gleiche von Nichtfachmännern geschähe, durch den alsdann unvermeidlichen Dilettantismus die Interessen der Naturwissenschaften schwerlich gefördert, die Zwecke dieser Erhebung aber, namentlich durch den stets so nahe liegenden Versuch der Konstruktion aus einem einzelnen hypothetischen Gesichtspunkt heraus, schwer geschädigt. Denn auch bei großer Gewissenhaftigkeit läge die Gefahr immer vor, daß Tatsachen, die sich jener hypothetischen Deutung nicht fügen wollen, ignoriert oder jedenfalls nicht mit dem erwünschten Interesse und in der erwünschten Vollständigkeit festgestellt und wiedergegeben werden. Es kann daher nicht entschieden genug geraten werden, 1., soweit eine Unterstützung durch naturwissenschaftliche Kenntnisse erwünscht ist, stets fachmännische Mitarbeiter heranzuziehen, 2. Ergebnisse der naturwissenschaftlichen Facharbeit dann zu verwenden, wenn es sich um anerkannte, auf Grund von Beobachtungen feststehende Tatsachenzusammenhänge handelt, die für die Zwecke dieser Erhebung von Wichtigkeit sind, dagegen 3. allgemeine naturwissenschaftliche Theorien und Terminologien unbedingt nur so weit zu verwerten, als dies ausnahmsweise dem Zweck dieser Erhebung wirklich unmittelbar greifbaren Vorteil bringt und als ihnen die allgemeine Anerkennung der Fachleute zur Seite steht.
Diese Sätze gelten insbesondere auch da, wo die Fragestellung, wenn sie – wie dies kaum vermeidbar sein wird – den Begriff der »natürlichen Anlagen« verwendet, in den Bereich der biologischen Vererbungsfragen gelangt. Sie kann, wenn überhaupt auf Gründe von Differenzen der Arbeitseignung näher eingegangen wird, diese Berührung schwerlich vermeiden. Und sie soll sie auch insofern nicht vermeiden, als man sich offenbar die Frage, inwieweit die Möglichkeit vorliegt, vorhandene Differenzen dieser Art auf erblich überkommene Stammesverschiedenheiten zurückzuführen, notwendig in irgendeinem Stadium der Untersuchung stellen muß. Die Frage ist nur, inwieweit mit den Mitteln dieser Erhebung die Untersuchung auf die Lösung dieser Probleme abgestellt werden kann. Die Möglichkeit und selbst Wahrscheinlichkeit einer Bedeutung von »Rassenunterschieden« für die industrielle Arbeitseignung, wie sie vorläufig am deutlichsten in den bekannten Erfahrungen mit der textilindustriellen Verwendung der Neger in Nordamerika zutage getreten ist, wie sie aber z.B. auch in Spanien, Belgien sich zu zeigen scheint, dürfte an sich, in der Theorie, von niemandem bezweifelt werden können. Daß man mit den einzelnen deutschen »Stämmen« in bezug auf ihre Brauchbarkeit verschiedene Erfahrungen macht, werden sehr viele Betriebsleiter behaupten. Bayrische und nordwestdeutsche Eisenarbeiter, schlesische und westfälische Weber, belgisch-rheinische und niederdeutsche Feinblechwalzer genießen eines sehr verschiedenen Rufes, und die Liste wird unter den Händen der Bearbeiter, wenn sie überhaupt ihr Augenmerk darauf richten, gewaltig anschwellen. Daß die für die Arbeitseignung wichtigen erblichen Unterschiede vor allem auch auf dem Gebiet der nervösen und psychischen Konstitution, in der, nach Tempo, Stetigkeit und Sicherheit verschiedenen Art des Reagierens und in den hierdurch mitbedingten »Temperamentsdifferenzen« zu suchen seien, welche ihrerseits die, für den Großbetrieb erforderliche, »Disziplinierbarkeit« beeinflussen, dürfte im Prinzip ebenfalls nicht bestritten werden. Die Aufgabe wäre nun, das Chaos unkontrollierbarer Behauptungen, welches dem Bearbeiter über diese Dinge zweifellos entgegentreten wird, zunächst, kritisch gesichtet, zu reproduzieren, dann aber, soweit irgend möglich, daraufhin zu untersuchen, inwieweit im einzelnen Falle im biologischen Sinn »ererbte« Differenzen als bestehend behauptet werden – und nicht etwa nur: Differenzen der Tradition, wie dies in sicherlich sehr vielen, wenn nicht den meisten, Fällen geschieht: der konventionelle, ganz unklare, Begriff des »Volkscharakters« als der »Quelle« bestimmter Qualitäten der Arbeiterschaft schiebt ja diese beiden himmelweit verschiedenen Dinge unentwirrbar ineinander. Nun gibt es notorisch kaum eine Fragestellung, die in fast jedem Einzelfall ähnlich schwer eindeutig und erschöpfend zu beantworten wäre, – ja, es ist ein Standpunkt möglich, von dem aus sie in letzter Linie überhaupt nie einer eindeutigen Beantwortung fähig erscheint, und jedenfalls tobt über die Interpretation auch relativ sicherer Tatsachen der Streit der entgegengesetzten biologischen »Theorien«. Eben deshalb wird bei diesem Punkt, neben den oben bereits erwähnten, jedenfalls auch noch der Fehler vermieden werden müssen: zu glauben, daß aus dem hier erhobenen Material, welches günstigenfalls einige wenige Generationen umfassen kann, irgendwelche Schlüsse zur Begründung der einen oder der anderen jener Theorien, also etwa: des Darwinismus in seiner orthodoxen oder in der Weismannschen Fassung, des »Neo-Lamarckismus«, der Hering-Semonschen Theorie usw., gewonnen werden könne, und daß es also die Aufgabe oder auch nur erwünscht sei, bei der Verarbeitung des Materials dasselbe in dieser Richtung zu verwerten. Das ist selbstverständlich nicht der Fall. Gesetzt beispielsweise, es bestätigte sich die gelegentlich gemachte Beobachtung: daß die Bevölkerung von Gebieten, welche lange Perioden hindurch Zentren industrieller (z.B. hausindustrieller) Arbeit gewesen sind, ganz allgemein nicht nur industrieller Arbeit besonders stark zuneigt, sondern auch – was davon sorgsam zu unterscheiden ist – für industrielle Arbeit, und zwar auch für solche von anderer als der traditionell überkommenen Art, besser qualifiziert, d.h. also darin »übungsfähiger« ist als andere Bevölkerungen. Dann könnte diese Tatsache, falls alle Versuche, sie aus Einflüssen der Tradition, Erziehung, Nachahmung usw. herzuleiten, fehlschlügen und also »Vererbung« jener Qualifikation wahrscheinlich wäre, nunmehr in der verschiedensten Art, z.B. sowohl als Folge ursprünglicher, durch »Auslese« gezüchteter Keimanlagen, wie als Ergebnis kontinuierlicher »Uebung«, deren Folgen für die Entwicklung des physischen Apparats vererbt worden seien, wie als Folge »mnemischer Engramme«, und vielleicht noch auf mancherlei andere Art gedeutet werden, – in welcher Art am leichtesten, könnten jedoch nur die biologischen Fachleute entscheiden, und diesen würde dasjenige Material, welches unsre Erhebung eventuell zu bieten vermöchte, für eine solche Entscheidung ohne allen Zweifel gänzlich unzulänglich erscheinen. Eine »voraussetzungslos« an den Sachverhalt herantretende Betrachtung würde sich wohl vor Augen halten, daß man 1. jede menschliche Lebensäußerung als eine bestimmte, durch gegenwärtige Lebensumstände determinierte Art und Weise des »Funktionierens« ererbter »Dispositionen«, welche ihrerseits durch vergangene Lebensumstände in bestimmter Art »entwickelt« worden sind, auffassen kann, 2. daß aber die Frage: ob generell die ererbten Anlagen oder die erworbenen Qualitäten das ursächlich »Entscheidende« oder vorwiegend »Wichtige« seien, schon im Prinzip falsch gestellt und also müßig ist. Falsch gestellt deshalb, weil die Frage, ob etwas, als ursächliches Moment, »wichtig« sei oder nicht, davon abhängt, wofür es denn »wichtig« oder »unwichtig« sein soll, das heißt unter welchem ganz speziellen Gesichtspunkt es im Einzelfall auf seine Bedeutsamkeit hin angesehen wird. Für die Fragestellungen dieser Erhebung würde es sich – falls es überhaupt gelingen sollte, an irgendeinem Punkt bis zu solchen Problemen vorzudringen – niemals um die »Lösung« jener generellen Frage, sondern immer lediglich und allein darum handeln, ob diejenigen speziellen Qualitäten, welche für bestimmte konkrete Einzelleistungen von spezifischer Eigenart die Verwendung derjenigen Arbeiter, die sie besitzen, rentabel macht, in den betreffenden Einzelfällen vorwiegend auf dem Einfluß von Lebensschicksalen (im weitesten Sinne des Wortes) der betreffenden Arbeiter beruhen können oder nicht. Dabei wäre aber von Anfang an mit der Möglichkeit zu rechnen, daß diese Frage vielleicht für jede einzelne Kategorie von Arbeitern jeder einzelnen Industrie verschieden zu beantworten wäre; ferner natürlich auch mit der unbezweifelbaren Tatsache, daß durch Lebensschicksale (»Milieu«) in erheblichem Maße sowohl die Wirkungen von Anlageverschiedenheiten ausgeglichen als Anlageähnlichkeiten differentiell entwickelt werden können und umgekehrt. Und dabei bedürfte nun offenbar der gänzlich unpräzise und das allerheterogenste vereinigende Begriff des »Milieus« in jedem einzelnen Fall einer Zerlegung in die verschiedenen Gattungen von Lebensbedingungen, die unter ihm zusammengefaßt werden. Das Maß der Entwicklung oder Verkümmerung vorhandener ererbter »Anlagen«, welche ihrer Art nach für die Eignung zur modernen Industriearbeit wichtig werden können, hängt insbesondere zweifellos stark von Jugendeinflüssen