Selbstbewusst leben mit ADHS – das Workbook für Frauen - Sari Solden - E-Book

Selbstbewusst leben mit ADHS – das Workbook für Frauen E-Book

Сари Солден

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Beschreibung

Aus dem Rahmen fallen kommt nicht gut an. Besonders Frauen mit ADHS erfahren das tagtäglich im Job und Privatleben. Bereits als Mädchen erleben sie eine Gesellschaft, die bestimmte Denk-, Lern- und Lebensweisen vorzieht. Diese Glaubenssätze werden auf unzählige Arten vermittelt und erzeugen Gefühle der Unzulänglichkeit und Unangepasstheit. Die ADHS-Expertinnen Sari Solden und Michelle Frank unterstützen in ihrem Workbook Frauen mit Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung dabei, ihre individuellen Stärken einzusetzen, mit Selbstvertrauen und Klarheit zu kommunizieren und für sich selbst einzustehen. Dabei gehen die Psychologinnen mit Übungen, Strategien und neuartigen Techniken auf die einzelnen Aspekte von ADHS ein, brechen Denkmuster auf und sagen dem Slogan »Was nicht passt, wird passend gemacht« den Kampf an. Durch ihren Ansatz, die traditionelle ADHS-Behandlung mit modernen Behandlungsmethoden wie der Akzeptanz- und Commitment-Therapie (ACT) zu verbinden, können Frauen aktiv ihr volles Potenzial im Leben ausschöpfen und auf den Rahmen pfeifen.

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Seitenzahl: 321

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SARI SOLDENDR. MICHELLE FRANK

Selbstbewusst Leben mit ADHS

WORK BOOKfür Frauen

Hilfreiche Strategien und praktische Übungen, um negative Glaubenssätze abzulegen und selbstbestimmt zu leben

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.de abrufbar.

Für Fragen und Anregungen

[email protected]

Wichtiger Hinweis

Dieses Buch ist für Lernzwecke gedacht. Es stellt keinen Ersatz für eine individuelle medizinische Beratung und Ernährungsberatung und sollte auch nicht als solcher benutzt werden. Wenn Sie medizinischen Rat einholen wollen, konsultieren Sie bitte einen qualifizierten Arzt. Der Verlag und der Autor haften für keine nachteiligen Auswirkungen, die in einem direkten oder indirekten Zusammenhang mit den Informationen stehen, die in diesem Buch enthalten sind.

Ausschließlich zum Zweck der besseren Lesbarkeit wurde auf eine genderspezifische Schreibweise sowie eine Mehrfachbezeichnung verzichtet. Alle personenbezogenen Bezeichnungen sind somit geschlechtsneutral zu verstehen.

1. Auflage 2023

© 2023 by mvg Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH

Türkenstraße 89

80799 München

Tel.: 089 651285-0

Fax: 089 652096

Die englische Originalausgabe erschien 2019 bei New Harbinger Publications, Inc. unter dem Titel A Radical Guide for Women with ADHD: Embrace Neurodiversity, Live Boldly, and Break Through Barriers. © 2019 by Sari Solden and Michelle Frank. All rights reserved.

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Wir behalten uns die Nutzung unserer Inhalte für Text und Data Mining im Sinne von § 44b UrhG ausdrücklich vor.

Übersetzung: Marion Zerbst

Redaktion: Michaela Mallwitz

Umschlaggestaltung: Maria Verdorfer

Umschlagabbildung: Shutterstock.com/Merfin

Layout: Die Buchmacher – Atelier für Buchgestaltung, Köln

Satz: Die Buchmacher – Atelier für Buchgestaltung, Köln

eBook: ePUBoo.com

ISBN Print 978-3-7474-0583-3

ISBN E-Book (PDF) 978-3-9612-1981-0

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-9612-1982-7

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter

www.mvg-verlag.de

Beachten Sie auch unsere weiteren Verlage unter www.m-vg.de

Inhalt

Vorwort

Ein Hinweis an unsere Leserinnen und Leser

Seien Sie mutiger!

Willkommen im Club! Eine Welt für sich verändern

Gehen Sie Ihr Leben mutig an!und werden Sie sich darüber klar, dass Sie Ihr Selbstwertgefühl von Ihren ADHS-Problemen abhängig machen

Mut zur SelbsterforschungWoher kommen die negativen Botschaften über Ihre Andersartigkeit?

Hinterfragen Sie Ihr Versteckspiel!Welche unausgesprochenen Gesetze für Frauen haben Sie dazu gebracht, sich vor Ihren Mitmenschen zu verstecken?

Stellen Sie Ihr Licht nicht unter den Scheffel!

Machen Sie sich auf ein helleres, glücklicheres Leben gefasstDas Spiel mit verschiedenen Möglichkeiten

Ganzheit herstellenAuf dem Weg zu einer authentischen Vision Ihrer selbst

Zeigen Sie sich der Welt so glänzend, wie Sie sind!Überwinden Sie Ihre Angst davor, so wahrgenommen zu werden, wie Sie sind

Seien Sie kühner!

Treten Sie in den Mittelpunkt Ihres eigenen Lebensund machen Sie andere Mensch auf sich auferksam

Verbiegen Sie sich nicht!Auf aktive Weise authentisch sein

Erstellen Sie einen realistischen Aktionsplan!So können Sie Ihre ADHS und Ihr Selbstkonzept in Ihr Leben integrieren

Und zu guter Letzt noch ein Brief

Danksagungen

Literatur

Über die Autorinnen

Endnoten

Wir widmen dieses Buch unseren Klientinnen, die uns jeden Tag aufs Neue inspirieren und denen wir sehr dankbar dafür sind, dass wir unseren Leserinnen und Lesern von ihren Geschichten und Träumen erzählen dürfen. Vieles von unserem Wissen darüber, wie man als Frau mit ADHS ein mutiges, unerschrockenes und von strahlendem Glanz erfülltes Leben führen kann, haben wir euch zu verdanken!

Vorwort

Im Jahr 1995 stand ich in einer Warteschlange, um mir einen Vortrag auf einer Konferenz anzuhören, die von dem amerikanischen Selbsthilfeverband Children and Adults with Attention Deficit/Hyperactivity Disorder (CHADD) organisiert wurde. Mir fiel auf, dass die Frau, die vor mir stand, ein Buch mit dem Titel Women with Attention Deficit Disorder in der Hand hielt – und das zu einer Zeit, in der immer noch viele Neurologen und Psychiater überzeugt davon waren, dass Mädchen – geschweige denn Frauen – gar keine ADHS bekommen können. Als ich den Buchtitel las, konnte ich mein Glück kaum fassen. »Wer auch immer dieses Buch geschrieben hat, ist ein Genie!«, erklärte ich ihr, und sie antwortete: »Das war ich.« So lernte ich Sari Solden kennen.

Früher beschränkte sich der Begriff ADHS ausschließlich auf das außer Rand und Band geratene Verhalten hyperaktiver Jungen. Da die meisten Frauen solche Verhaltensweisen nicht zeigten, erfüllten sie nicht die ADHS-Diagnosekriterien, die sich ausschließlich an den männlichen Vertretern dieser Erkrankung orientierten. Tatsächlich bezeichnete einer der Referenten auf der Konferenz, die ich damals besuchte, solche Mädchen und Frauen abschätzig als »Möchtegern-ADHSlerinnen«.

Frauen mit ADHS waren damals buchstäblich zu einem Außenseiterdasein verdammt: Erstens wurden sie ausgegrenzt, weil sie nicht den Rollenerwartungen entsprachen, die die Gesellschaft an weibliches Verhalten stellte; denn von Frauen erwartet man, dass sie nachgiebig, einfühlsam und stets gut organisiert sind. Zweitens wurden sie ausgegrenzt, weil sie die Kriterien des Diagnostischen und Statistischen Manuals Psychischer Störungen nicht erfüllten. Da sie zu anders waren, um sich mit den Maßstäben der Gesellschaft messen zu lassen, aber eben nicht anders genug, als dass man ihr Verhalten mit einer neurologischen Störung hätte »entschuldigen« können, hatten Frauen mit ADHS keine Erklärung für ihr Anderssein; und damit blieben sie ihren schlimmsten eigenen Befürchtungen überlassen. Viele dieser Frauen haben im Lauf der Jahre die kritischsten Bemerkungen, die sie über ihr Verhalten zu hören bekamen, verinnerlicht, weil man sie missverstand und ihre Beschwerden nicht ernst nahm.

Aus heutiger Sicht kann man sagen, dass Sari Soldens mutige und ehrliche Ausführungen zu diesem Thema die ADHS-Szene für immer verändert haben. Ich halte es nicht einmal für übertrieben, zu behaupten, dass diese Frau die ADHS-Patientinnen aus dem grausamen seelischen Gefängnis der Isolation befreit hat, in dem sie damals saßen. Denn Sari Soldens bahnbrechendes Buch zum Thema »ADHS bei Frauen« stieß damals auf eine überwältigende Resonanz. Frauen auf der ganzen Welt fühlten sich schon allein durch die Erkenntnis, dass sie mit ihrem Problem nicht allein dastanden und dass es sogar einen Namen dafür gab, gestärkt. Und mit ihrem jetzigen Buch heben Sari Solden und ihre Co-Autorin Michelle Frank dieses wichtige Thema erneut ins Bewusstsein der Öffentlichkeit. Außerdem ermutigen sie Frauen dazu, sich endlich in der Welt bemerkbar zu machen und zu behaupten.

Es ist nicht nur bestürzend, sondern es liegt gleichzeitig auch eine gewisse Ironie des Schicksals darin, dass dieses Buch ausgerechnet für die »radikale« Idee der Selbstakzeptanz wirbt. Denn trotz des sich ständig wandelnden Zeitgeistes streben Frauen auch heute immer noch danach, sich – wenn nur irgend möglich – anzupassen; deshalb flehen ADHS-Patientinnen ihre Ärzte förmlich an, »dafür zu sorgen, dass ich normal werde«.

Menschen mit geringem Selbstwertgefühl verfallen nur allzu oft in den Bewältigungsmechanismus, ein falsches Selbst zu konstruieren. Diese verhängnisvolle Dynamik besteht darin, dass Menschen, die nicht die gleiche Empathie und Bestätigung erhalten wie die meisten anderen Leute, nach mehrfachen Zurückweisungen womöglich zu dem Schluss kommen, die Gesellschaft bringe ihnen nicht genügend Wertschätzung entgegen. Und dann nehmen sie in ihrer Verzweiflung Zuflucht zu einer Lösung, die keine ist: Sie entwickeln ein falsches Selbst, mit dem sie neurotypische Menschen nachahmen und dank dem sie für »normal« gehalten werden.

Auf den ersten Blick scheint das vielleicht tatsächlich eine raffinierte Tarnung zu sein. Doch wie Solden und Frank in ihrem Buch zeigen, zahlen ADHS-Patientinnen einen hohen emotionalen Preis dafür, ihre Probleme auf diese Weise zu kompensieren: Denn am Ende sind sie durch ihre permanente Verstellung ausgelaugt und hypervigilant zugleich – und leiden trotzdem immer noch unter Stigmatisierung und Schamgefühlen. Wenn es für die Außenwelt so aussieht, als hätten sie gar keine Symptome, empfinden diese Frauen das womöglich als Erfolg und freuen sich darüber. Diese Bewältigungsstrategie führt dazu, dass niemand etwas von ihrer misslichen Lage mitbekommt; deswegen ist sie aber nicht weniger schädlich. Solche Frauen suchen sich keine Hilfe; zu groß ist ihre Angst, dass dadurch zwangsläufig ein Riss in ihrer Fassade entstehen und man sie als »Schwindlerinnen« entlarven könnte. Oder wie es Leonard Cohen einmal in einem Song ausdrückte: »Da ist ein Riss in allem; so kommt das Licht herein« (»Anthem«, 1992). Und diese Risse in der Fassade brauchen auch gar nicht repariert zu werden; denn die hereinfallenden Lichtstrahlen erhellen die strahlende Schönheit des wahren Wesens dieser Frauen.

Wenn Sie zu den Tausenden von Frauen gehören, die bisher aufgrund ihrer ADHS beschämt, diskreditiert und mundtot gemacht worden sind, lassen Sie sich von Sari Solden und Michelle Frank in diesem kämpferischen und doch mitfühlenden Buch auf eine spannende Entdeckungsreise entführen. Diese beiden Autorinnen wissen, welch lähmende Ängste entstehen können, wenn man sich jahrzehntelang hinter einer Fassade versteckt. Daher bemühen sie sich nach Kräften, Ihre Resilienz und Ihren Mut zu stärken, und helfen Ihnen mit unendlicher Geduld dabei, Ihre Rolle in der Welt besser zu verstehen, indem Sie sich aus einer Perspektive der Akzeptanz und des Selbstmitgefühls betrachten. Mit ihrem unerschöpflichen Einfühlungsvermögen zeigen Sari Solden und Michelle Frank Ihnen den Weg in eine Oase, in der Frauen sich angstfrei auf den schwierigen Prozess einlassen können, ihr Selbstwertgefühl nicht mehr von der Andersartigkeit ihres Gehirns abhängig zu machen. In unserer atemberaubend diversen heutigen Welt gehen die Autorinnen dieses Buches endlich das Wagnis ein, all diese ganz besonderen, faszinierenden Frauen gebührend zu würdigen.

Dr. Ellen B. Littman

Klinische Psychologin in freier Praxis in New Yorkund Co-Autorin des Buches Understanding Girls with ADHD

Ein Hinweis an unsere Leserinnen und Leser

Wir freuen uns, Sie auf der spannenden Reise, die Sie nun antreten werden, begleiten zu dürfen. Doch zunächst möchten wir Ihnen ein paar kurze, aber wichtige Erläuterungen zu einigen in diesem Buch vorkommenden Begriffen und Konzepten geben.

Viel Spaß auf Ihrer Entdeckungsreise!

Hier ein paar wichtige Basisinformationen über ADHS – denn es ist ein verwirrendes Thema!

Dieses Arbeitsbuch wendet sich an Frauen, die an einer Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) leiden, und an deren Freunde und Angehörige. Da wir in unserem Buch nicht alles erklären können, was wir über ADHS wissen, setzen wir bei unseren Leserinnen und Lesern bereits gewisse Grundkenntnisse auf diesem Gebiet voraus. Damit Sie unseren Ausführungen besser folgen können, möchten wir Ihnen jedoch zunächst ein paar wichtige Hintergrundinformationen liefern – zum Beispiel darüber, was wir meinen, wenn wir über die verschiedenen Erscheinungsformen von ADHS sprechen. (Denn obwohl wir in diesem Buch meistens den allgemeinen Begriff »ADHS« verwenden, gehen wir manchmal auch auf spezielle Formen dieser Erkrankung ein.)

Ja, heute nennt man es ADHS

Es herrscht viel Verwirrung rund um die Bezeichnung ADHS, denn der medizinische Fachbegriff für diese Störung hat sich im Lauf der Jahrzehnte mehrmals geändert. Heute lautet die korrekte Diagnose Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) und wird im Diagnostischen und Statistischen Manual Psychischer Störungen in drei Subtypen eingeteilt: vorwiegend unaufmerksamer Subtyp, vorwiegend hyperaktiv/impulsiver Subtyp und kombinierter Subtyp.

Manchmal werden die Begriffe »ADHS« und »ADS« synonym verwendet. Das liegt daran, dass »Aufmerksamkeitsdefizitstörung (ADS)« der ältere diagnostische Begriff war, der in der Ausgabe des Diagnostischen Manuals aus dem Jahr 1980 verwendet wurde; und die Menschen haben sich eben einfach an diesen Namen gewöhnt. Hin und wieder wird der Begriff ADS zwar immer noch verwendet, um ADHS ohne Hyperaktivität (also den vorwiegend unaufmerksamen Subtyp) zu bezeichnen; doch diese Terminologie ist veraltet und falsch.

Vorwiegend unaufmerksamer Subtyp – Menschen mit diesem ADHS-Subtyp fällt es schwer, »in die Gänge zu kommen« oder aktiv zu werden: Sie können sich zu nichts aufraffen, auch wenn sie eigentlich etwas tun wollen oder müssten. Sie sind schlecht organisiert, vergesslich, leicht ablenkbar und mit ihren Gedanken oft woanders. Außerdem leiden sie unter einer falschen Zeitwahrnehmung und emotionalen Dysregulation. Hyperaktivität und Impulsivität sind bei ihnen weniger stark ausgeprägt als bei den anderen Subtypen. Einige dieser Patienten sind eher unter- als hyperaktiv.

Vorwiegend hyperaktiv/impulsiver Subtyp – Bei Patienten mit diesem Subtyp steht das Problem der Hyperaktivität im Vordergrund. Auch sie leiden gelegentlich unter Unaufmerksamkeit; doch ihre Hauptprobleme hängen mit der Hyperaktivität zusammen und damit, dass sie nur schwer »auf die Bremse treten« können. Menschen mit diesem ADHS-Subtyp fällt es schwer, still zu sitzen, in einer Schlange zu warten oder ihre Impulsivität beim Handeln und Sprechen im Zaum zu halten. Sie sind zappelig und ständig »auf dem Sprung« oder leiden an einem Gefühl innerer Unruhe. Außerdem sind sie sehr impulsiv und haben oft unter den negativen Konsequenzen von ungehemmtem Verhalten, voreiligen Bemerkungen und überstürzten Entscheidungen zu leiden. Dieser Subtyp wird häufiger bei Männern diagnostiziert als bei Frauen.

Kombinierter Subtyp – Solche Patienten weisen sowohl Persönlichkeitsmerkmale des unaufmerksamen als auch des hyperaktiv/impulsiven Subtyps auf. Frauen mit kombiniertem ADHS-Subtyp beschreiben oft ähnliche Erfahrungen wie diejenigen, die am unaufmerksamen Subtyp leiden. Außerdem sind sie übermäßig redselig, neigen dazu, anderen Menschen ins Wort zu fallen, treffen oft impulsive Entscheidungen und sind körperlich oder geistig hyperaktiv.

ADHS und unsere exekutiven Funktionen

Was die meisten Menschen über ADHS wissen, ist nur ein winzig kleiner Ausschnitt des großen Ganzen. Bei dieser Erkrankung handelt es sich nicht in erster Linie um ein Aufmerksamkeitsdefizit; die Patienten haben vielmehr Probleme mit der Regulation verschiedener Aspekte von Kognition, Emotionen und Verhalten. ADHS bedeutet auch nicht unbedingt, dass jemand übermäßig aufgedreht ist.

Aber was ist die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung denn dann eigentlich?

Bei ADHS handelt es sich um ein lebenslanges verhaltensneurologisches, genetisch bedingtes Syndrom, das zu strukturellen, chemischen und kommunikationsbezogenen Unterschieden und zu einer anders gearteten Erregung im Gehirn führt. Beides wirkt sich auf das sogenannte exekutive Funktionssystem des Gehirns aus.

Dr. Thomas Brown beschreibt diese Erkrankung sehr treffend als …

»(…) komplexes Syndrom von Entwicklungsbeeinträchtigungen der Exekutivfunktion, des Selbstmanagementsystems des Gehirns, eines Systems aus großenteils unbewussten Prozessen. Diese Beeinträchtigungen sind situationsabhängig und chronisch und beeinträchtigen die Funktion der Betroffenen in vielen Bereichen ihres Alltagslebens ganz erheblich.«

(Brown 2013, S. 20)

Die von Brown in diesem Zitat erwähnten Prozesse bezeichnet man als exe-kutive Fähigkeiten. Brown unterteilt diese Fähigkeiten in mehrere Gruppen: Aktivierung und Initiierung von Aufgaben, Fokussierung und Daueraufmerksamkeit, Regulation von Wachheit, Anstrengung und Verarbeitungsgeschwindigkeit, Emotionsregulation, Arbeitsgedächtnisfähigkeiten und Selbstregulation von Verhaltensweisen. Brown liefert in mehreren seiner Bücher und Artikel, von denen einige am Ende dieses Buches aufgeführt sind (zum Beispiel in dem Buch A New Understanding of ADHD in Children and Adults [ADHS bei Kindern und Erwachsenen – eine neue Sichtweise]), eine hervorragende Beschreibung dieser Cluster und ihrer Bedeutung für das tägliche Leben mit ADHS. Wir hoffen, dass Sie einen Blick in seine Werke werfen werden, falls Sie das bisher noch nicht getan haben; Sie werden darin sicherlich aufschlussreiche Informationen finden!

Auf den nächsten Seiten wollen wir Ihnen erläutern, dass die Probleme, die ADHS mit sich bringt, oft auf eine Dysregulation des exekutiven Funktionssystems und der dazugehörigen Fähigkeiten zurückzuführen sind. Eine ausführliche Beschreibung dieser Begriffe würde den Rahmen unseres Buches sprengen; aber wir möchten Ihnen zumindest deutlich machen, dass Probleme mit diesen Organisationsfunktionen des Gehirns die Ursache für viele Probleme von Frauen mit ADHS sind. Möglicherweise stecken sie auch hinter der Art, wie Sie Ihre ADHS erleben.

Was ist, wenn bei mir keine ADHS diagnostiziert wurde, ich aber trotzdem das Gefühl habe, daran zu leiden?

Wenn Sie den Verdacht haben, unter ADHS zu leiden, sollten Sie unbedingt einen Experten um Rat fragen, der mit der Diagnostik und Therapie dieser Krankheit Erfahrung hat. Unter http://www.add.org finden Sie eine kostenlose Checkliste, anhand derer Sie überprüfen können, ob bei Ihnen bestimmte häufige ADHS-Symptome vorliegen; diese Liste können Sie zum ersten Besuch bei Ihrem Therapeuten mitnehmen. Die Diagnose »ADHS« kann von einem Psychiater, Arzt, Psychologen, klinischen Sozialarbeiter oder Psychotherapeuten gestellt werden. Fragen Sie vorher nach, ob der betreffende Experte bereits mit weiblichen ADHS-Patienten gearbeitet und in den letzten Jahren an Schulungen oder Konferenzen zum Thema ADHS teilgenommen hat und ob er mit der Sichtweise von ADHS als Dysregulation der Exekutivfunktionen vertraut ist.

Bin ich jetzt ein hoffnungsloser Fall?

Nein! Die ADHS ist eine Abweichung in der »Verdrahtung« Ihres Gehirns, die sich nicht beheben lässt; aber sie ist kein Todesurteil. Sie können – und werden – auch als Frau mit ADHS ein glückliches, gesundes, erfülltes Leben führen, das versprechen wir Ihnen. Und wir haben auch ein paar Ideen, die Ihnen dabei helfen können – also lesen Sie weiter!

Exemplarische Patientinnengeschichten

In den Fallbeispielen in diesem Buch finden sich Elemente aus den Krankheitsgeschichten vieler Frauen wieder, mit denen wir im Lauf der Jahre gearbeitet haben. Wir erzählen Ihnen diese Geschichten in der Hoffnung, dass Sie darin Aspekte wiedererkennen werden, die Sie an Ihre eigene Erkrankung erinnern. Aus Gründen der Vertraulichkeit verwenden wir für diese Patientengeschichten ausschließlich erfundene Namen; außerdem haben wir die Details stark verändert und oft Elemente aus mehreren ähnlichen Fallbeispielen miteinander kombiniert.

Teil I

Seien Sie mutiger!

»Und es kam der Tag, an dem das Risiko, in einer Knospe verschlossen zu bleiben, schmerzhafter war als das Risiko, zu erblühen.«

Anaïs Nin

Wahrscheinlich verstehen Sie, was wir meinen, wenn wir sagen, dass ADHS sich manchmal so anfühlt, als trügen Sie etwas Wunderbares in sich, das nur darauf wartet, zu erblühen – wenn Sie sich bloß endlich von allem befreien könnten, was Sie daran hindert! Vielleicht haben Sie Ihr wahres Ich im Lauf der Zeit immer mehr vor der Außenwelt versteckt, während Sie Ihr Bestes tun, um Ihre Probleme zu bewältigen und mit den Verletzungen, dem Verlust und der Verwirrung fertigzu- werden, die ein Leben mit ADHS mit sich bringt. Vielleicht haben Sie immer wieder versucht, Ihr Problem ohne fremde Hilfe zu lösen in der Hoffnung, Freiheit zu finden, indem Sie jemand anderem (einem Menschen ohne ADHS) ähnlicher wurden – nur um dann festzustellen, dass Sie Ihren seelischen Schmerz und Ihre Probleme nicht loswerden können, ohne gleichzeitig auch den besonderen Glanz einzubüßen, der Sie zu dem Menschen macht, der Sie sind, oder ohne sich ständig hinter einer Fassade zu verstecken (was auf die Dauer sehr ermüdend ist).

Wenn Sie dieses Buch zur Hand genommen haben, sind Sie wahrscheinlich bereit, diesen Kampf aufzugeben und Ihre Energie in etwas Neues, Kühneres zu stecken. Denn irgendwann kommt – wie Sie inzwischen wahrscheinlich auch schon festgestellt haben – der Zeitpunkt, an dem es mehr wehtut, den Menschen zu opfern, der Sie sind, als zu Ihrem wahren Ich zu stehen und so gesehen, gehört und gekannt zu werden, wie Sie wirklich sind. Sie möchten nicht mehr länger auf den Menschen verzichten, von dem Sie wissen, dass er Ihrer wahren Identität entspricht, und verspüren eine tiefe Sehnsucht danach, endlich zu diesem Menschen zu werden. Also warten Sie nicht länger – dieser Augenblick eignet sich genauso gut für Ihren Sprung in ein neues Leben wie jeder andere! Nun ist es an der Zeit, das Risiko einzugehen und zu Ihrem wahren Ich zu erblühen. Also fassen Sie Mut und lassen Sie uns auf die Reise gehen!

Kapitel 1

Willkommen im Club!

Eine Welt für sich verändern

Wir bezeichnen unser Buch als »radikalen« Ratgeber für Frauen mit ADHS, um den einfachen, aber »radikalen« Gedanken zu unterstreichen, dass eine ADHS-Patientin nicht unbedingt versuchen muss, sich zu verändern oder ein neuer Mensch zu werden; sie kann auch einfach lernen, sie selbst zu sein. Dieser Ratgeber ist jedoch nicht radikal in dem Sinn, dass er ungewöhnliche Bewältigungsstrategien, Heilpflanzen oder Diäten propagiert oder wirksame schulmedizinische Therapien zur Bekämpfung der ADHS-bedingten Veränderungen im Gehirn ablehnt. Um es ganz klar zu sagen: Die Ziele dieses Buchs sind weder gegen Medikamente noch gegen ADHS-Bewältigungsstrategien gerichtet.

In diesem Buch geht es um ADHS – aber nicht nur oder ausschließlich darum. Eigentlich geht es um sehr viel mehr. Im Grunde möchten wir Ihnen mit diesem Ratgeber dazu verhelfen, der Mensch zu werden und den Menschen schätzen zu lernen, der Sie in Wirklichkeit sind – mit all Ihren besonderen Problemen und Stärken. Daher kommt es uns vor allem darauf an, die Unterschiede zwischen dem Gehirn eines ADHS-Patienten und eines »normalen« Menschen zu akzeptieren und klarzustellen, dass es ein ungeheuer differenzierter und komplexer Prozess ist, Frauen mit ADHS zu helfen.

Menschen, deren Gehirn anders funktioniert als das der großen Masse, werden auf ähnliche Weise pathologisiert wie Menschen mit deutlicher sichtbaren Unterschieden, die man ebenfalls nach dem Goldstandard der Mehrheit beurteilt. Mit seinem Konzept der Neurodiversität beschreibt Thomas Armstrong (2010) eine sehr viel gesündere und inklusivere Sichtweise, die Menschen mit gehirnbedingten Unterschieden als Bereicherung empfindet und zu verstehen versucht, statt sie als minderwertig zu betrachten. »Anstatt so zu tun, als gäbe es irgendwo in einem Tresor ein vollkommen ›normales‹ Gehirn, mit dem alle anderen Gehirne verglichen werden müssen, sollten wir uns eingestehen, dass es kein Standardgehirn gibt, ebenso wenig wie es eine Standardblume oder eine Standardkultur oder -ethnizität gibt, und dass die Vielfalt der Gehirne eine genauso wunderbare Bereicherung für uns ist wie die Artenvielfalt und die Vielfalt der Kulturen und Ethnien« (Armstrong 2010, S. 2–3).

Wir möchten unseren Klientinnen und Klienten, die unter diesen besonderen gehirnbedingten Problemen leiden, dazu verhelfen, ihr neurologisches Anderssein anzunehmen. Zu diesem Zweck führen wir sie durch einen Prozess der Entflechtung hindurch, durch den sie mit dem Menschen klarkommen sollen, der sie im Grunde ihres Wesens – unter all den Schichten von Scham, Stigma und Verwirrung – eigentlich sind. Wir haben den faszinierenden Prozess, der sich abspielt, wenn es Frauen mit ADHS endlich gelingt, kulturelle, innerliche und zwischenmenschliche Barrieren zu durchbrechen und über das bloße Überleben mit ihrer Erkrankung hinauszuwachsen – wenn sie es schaffen, ein mutiges Leben als starke Frauen mit einem ganz besonderen Gehirn und ganz besonderen Stärken und Herausforderungen zu führen –, schon oft beobachtet.

Gemeinsam sind wir stark

Sie sind keine Außerirdische auf diesem Planeten und auch keine Fremde in Ihrem eigenen Leben, sondern gehören zu einer Gemeinschaft außergewöhnlicher Frauen – seelenverwandter Gefährtinnen auf der Reise durch ein ADHS-Leben, in dem es mehr Wunder und mehr Chaos gibt, als Sie bewältigen zu können glauben. (Übrigens können Sie dieses Leben durchaus bewältigen – Sie tun es ja bereits!) Und im Rahmen dieser Gemeinschaft werden Sie in den Geschichten Ihrer Schicksalsgenossinnen Trost finden.

Wir beide sind in unserem beruflichen Leben Psychotherapeutinnen; aber gleichzeitig sind wir auch Frauen, denen es genauso ergeht wie Ihnen. Im Lauf der Jahre hatten wir das Privileg und das Vergnügen, Frauen weltweit auf dieser spannenden Entdeckungsreise zu begleiten und zu beraten. Denken Sie immer daran, dass Sie auf diesem wilden Ritt nicht allein sind!

Es erfordert Mut, weiterzumachen, wenn man nicht genau weiß, wo man eigentlich hinsoll. Diese Erfahrung haben wir auch gemacht. Doch so unsicher Sie sich auch fühlen mögen – irgendwann müssen Sie Ihr Anderssein und Ihre Probleme akzeptieren und die besonderen Gaben, Talente und Qualitäten nutzen, die Sie zu dem Menschen machen, der Sie sind. Daran müssen Sie immer wieder arbeiten; dafür müssen Sie immer wieder kämpfen.

Frauen mit dieser geheimnisvollen, unsichtbaren ADHS-bedingten Andersartigkeit brauchen einen ganz besonderen Mut, um den Funken in ihrem Inneren am Leben zu erhalten und sich langsam, aber sicher immer weiter zu öffnen – bis sie schließlich aufblühen und ihr wahres Wesen nicht mehr länger vor der Welt verstecken.

Zu irgendeinem Zeitpunkt Ihres Lebens hat Ihre ADHS Sie wahrscheinlich in Ihrer Fähigkeit beeinträchtigt, sich der Welt so zu zeigen, wie Sie sind, und zu sagen, was Sie denken. Doch bei dieser Entdeckungsreise zu einem kühnen, unerschrockenen Leben als Frau mit ADHS geht es nicht nur um die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung selbst, sondern auch darum, wie Sie Ihr wahres Ich als Frau mit unsichtbarer Andersartigkeit (also mit Problemen, die Ihre Mitmenschen von außen nicht erkennen können) sehen und zum Ausdruck bringen.

Ihre Einstellung zu sich selbst und Ihren ADHS-Problemen hängt stark davon ab, wie Sie die auf Sie einstürmenden Botschaften zum Thema Anderssein und die impliziten Konsequenzen eines Lebens außerhalb der großen Masse der Menschen (egal ob es sich um eine neurotypische1 oder sonstige Mehrheit handelt) im Lauf der Zeit verinnerlicht haben und wie diese Wertesysteme Ihr inneres und äußeres Erleben heute noch prägen. Es ist wichtig, sich über Ihr Verhältnis zum Anderssein klar zu werden; denn das ist die Welt, in der wir Frauen mit ADHS leben: eine Welt des Andersseins.

Neudefinition der ADHS-Therapie

Das Komplizierte an der Therapie Ihrer ADHS besteht darin, dass Sie sich erst dann wirklich auf den damit einhergehenden Veränderungsprozess einlassen können, wenn Sie in der Lage sind, Ihr Anderssein hundertprozentig zu erkennen, zu akzeptieren und zu respektieren. Bis dahin werden Sie immer nur einen schwierigen Kampf gegen sich selbst führen, den Sie nicht gewinnen können. Oder um es mit den Worten eines anderen Psychotherapeuten auszudrücken: »Das Paradoxe ist, dass ich mich verändere, wenn ich mich so akzeptiere, wie ich bin« (Rogers 1961, S. 17).

ADHS ist nachweislich eine genetisch bedingte, chronische Störung des Gehirns, die mit strukturellen, chemischen und die Kommunikation betreffenden Abweichungen einhergeht, welche sich auf unsere Kognition, unsere Emotionen und unser Verhalten auswirken – vor allem auf die sogenannten exekutiven Funktionen des Gehirns.

Thomas E. Brown (2005) beschreibt das exekutive Funktionssystem des Gehirns anhand der Metapher eines Sinfonieorchesters als »Manager« unserer kognitiven Funktionen.

»Stellen Sie sich ein Sinfonieorchester vor, in dem jeder Musiker sein Instrument sehr gut beherrscht. Trotzdem wird dieses Orchester keine gute Musik produzieren, wenn es keinen Dirigenten hat, der es organisiert und alle Spieler zusammenführt; der Handzeichen für das Einsetzen der Holzbläser oder das langsame Ausklingen der Streicher gibt oder allen Spielern eine übergeordnete Interpretation der Musik vermittelt. Die Symptome einer ADHS könnte man mit einem Orchester vergleichen, dessen Beeinträchtigungen nicht bei den einzelnen Musikern, sondern beim Dirigenten liegen.«

(Brown 2005, S. 10)

Wenn diese Managementfunktionen des Gehirns nicht richtig arbeiten, kann das negative Auswirkungen haben: Vielleicht können Sie sich dann nicht ausreichend aktivieren, um eine Aufgabe anzugehen; oder Ihre Konzentration erlahmt rasch, nachdem Sie mit der Aufgabe begonnen haben; oder es fällt Ihnen schwer, bei dieser Aktivität zu bleiben, wenn Ihre Energie oder Ihr Interesse nachlässt – und es gibt noch viel mehr Probleme! Wenn Sie mehr über das Verständnis der exekutiven Funktionen erfahren wollen, möchten wir auf unsere Liste der Literaturangaben auf der Website zu diesem Buch verweisen: http://www.newharbinger.com/42617 (auf Englisch).

Wenn wir besser verstehen, was es mit unseren Exekutivfunktionen auf sich hat, wird uns auch klarer, inwiefern ADHS-typische Probleme (zum Beispiel bei der Organisation, Koordination, Prioritätensetzung, Aufrechterhaltung gewohnter Abläufe, beim Zeitmanagement und Sich-Erinnern an Details) gerade bei Frauen häufig mit unserer verinnerlichten »Stellenbeschreibung« kollidieren – und wie verheerend sich das auf unsere Einstellung zu uns selbst und unseren Problemen auswirken kann (Solden 2005, S. 58–59).

Was ist das »Radikale« an unserem Behandlungsziel?

Und nun vergegenwärtigen Sie sich bitte kurz, mit welchen Augen Sie Ihre ADHS bisher betrachtet haben und was man Ihnen über die Zielsetzungen einer ADHS-Therapie erzählt hat (oder welches Bild Sie sich bisher davon gemacht haben).

Was wäre, wenn wir Sie auffordern würden, Ihre Vorstellungen von der Behandlung der ADHS zu ändern? Wenn Sie Ihre Therapieziele und sich selbst als ADHS-Patientin von nun an mit anderen Augen sehen würden? Und wenn dieses Umdenken gewissermaßen Ihr Erfolgsrezept wäre – Ihre Garantie dafür, dass diese Behandlung auch wirklich funktionieren kann? Wären Sie dann bereit, es mit dieser neuen Denkweise zu versuchen?

Unserer Meinung nach sollte das Ziel einer ADHS-Therapie nicht darin bestehen, diese Störung zu überwinden, Sie von Grund auf zu verändern oder den Menschen, der Sie sind, auf andere Weise umzuformen. Wir sollten damit vielmehr ein ganz anderes Ziel verfolgen: nämlich, auf die Verwirklichung Ihrer Hoffnungen und Träume zuzusteuern, Ihre Beziehung zu Ihrem wahren Ich zu vertiefen und mithilfe Ihrer besonderen Stärken Lebensräume und Beziehungen zu schaffen, in denen Sie sich wohlfühlen.

Was wäre, wenn das Ziel Ihrer Behandlung darin bestünde, Ihnen den Zugang zu dem Menschen zu erleichtern, der Sie in Wirklichkeit sind, statt Ihre wahre Identität zu zerstören?

Was wäre, wenn das Ziel Ihrer Behandlung darin bestünde, Ihnen den Zugang zu dem Menschen zu erleichtern, der Sie in Wirklichkeit sind, statt Ihre wahre Identität zu zerstören?

Wir möchten Sie dazu auffordern, sich selbst und Ihre Probleme einfach zu akzeptieren. Nicht, weil Sie resigniert haben, und auch nicht, weil Sie sich in einen Zustand der Passivität flüchten möchten, sondern um einen Prozess echter, befriedigender Veränderungen einzuleiten – einen Prozess, der Ihrem Leben einen Sinn und Ihnen ein Gefühl der Verbundenheit gibt.

Wir empfehlen Ihnen wärmstens, alle wirksamen Strategien zu nutzen, die es zur Bewältigung Ihrer ADHS-Probleme gibt. Wir wollen nur nicht, dass Sie warten, bis Sie perfekt organisiert sind, bevor Sie sich endlich ein Leben gönnen! Medikamente, Therapie, Coaching und andere Maßnahmen im Umgang mit Ihrer ADHS machen es Ihnen nicht schwerer, sondern leichter, zu Ihrem wahren Ich zu werden. Das ist das eigentliche Ziel jeder Behandlung. Bewältigungsstrategien und Organisationshilfen sollen Ihnen das Leben erleichtern und Ihre seelischen Nöte lindern; aber Sie sollten sie nicht als Hilfsmittel betrachten, um einen »beschädigten Gegenstand« zu reparieren oder Sie zu einem anderen Menschen zu machen, als Sie sind.

Es besteht kein Zweifel daran, dass die Auseinandersetzung mit dem Thema Scham für Menschen mit ADHS unverzichtbar ist. Immer mehr renommierte ADHS-Experten und -Forscher weisen darauf hin, eine wie wichtige Rolle diese innere Arbeit in der ADHS-Therapie spielt (Hinshaw, 2018; Hallowell und Dodson, 2018). Die Reise, auf die unser Buch Sie begleiten will, umfasst auch diese bahnbrechende neue Erkenntnis in der ADHS-Therapie.

Solange Ihnen der Gedanke, anders zu sein als andere Menschen, Unbehagen einflößt, werden Sie Ihr Leben als ADHS-Patientin damit zubringen, sich zu verstellen, zu verstecken, zu schämen und Ihre Mitmenschen immer wieder beschwichtigen zu wollen. Je nachdem, welche Lebenserfahrungen Sie in Ihrer Kindheit und Jugend gemacht haben, wird es vielleicht sehr lange dauern, bis es Ihnen gelingt, Ihre Vorstellungen von Ihrer ADHS zu verändern. Aber denken Sie daran: Es spielt keine Rolle, welche Medikamente Sie einnehmen oder welches verlockende neue Organisationssystem Sie ausprobieren – Sie werden garantiert nicht ans Ziel kommen, solange Ihr Ziel darin besteht, Ihre wahre Identität loszuwerden.

Und nun kommt die erste von vielen Fragen zum Nachdenken, die Sie in diesem Arbeitsbuch finden werden. Wenn Sie mehr Platz zum Schreiben und Ausformulieren Ihrer Ideen brauchen, ist es vielleicht sinnvoll, sich ein Tagebuch anzuschaffen.

Zum Nachdenken: Behandlungsziele

Was fällt Ihnen auf Anhieb ein, wenn Sie an die ADHS-Therapie denken?

 

 

Wie sähe diese Therapie wohl aus, wenn Sie damit ein paar der folgenden Ziele verfolgen würden:

der Verwirklichung meiner Hoffnungen und Träume näherzukommenmeine Beziehung zu mir selbst zu vertiefenmeine Stärken zu nutzenmeine Stimme hörbar zu machenLebensräume zu schaffen, in denen ich mich wohler fühleauf Wechselseitigkeit beruhende, befriedigende Beziehungen aufzubaueneinen leichteren und besseren Zugang zu dem Menschen zu finden, der ich wirklich bin

Nur Hunde muss man erziehen – nur Möbel müssen repariert werden

Viele Frauen mit ADHS hoffen im Grunde ihres Herzens immer noch, durch ein paar ADHS-Therapiesitzungen von ihrem Problem »geheilt« zu werden. Je schneller, desto besser!

Wir leben in einer Kultur der schnellen Lösungen. Sich auf die Ungewissheit eines langsamen Entwicklungsprozesses einzulassen, fällt niemandem leicht und erscheint nur wenigen Menschen akzeptabel. Aber Sie sind nun einmal kein Problem, das gelöst werden muss!

Wir bieten keine schnellen Patentlösungen an, denn selbst in den schwierigsten ADHS-Situationen sehen wir kein Defizit, sondern eine Chance. Glauben Sie uns: Ihre Gedanken, Ängste und Fragen sind völlig berechtigt. Sie müssen Ihre ADHS nicht als »Geschenk« betrachten, um mit Ihrer Therapie und in Ihrem Leben weiterzukommen. Vielleicht wird es einige Zeit dauern, bis Sie sich mit dem Gedanken anfreunden können, dass Ihre ADHS nicht »geheilt« zu werden braucht. Und vielleicht befürchten Sie, dass wir – die Autorinnen dieses Buches – die Schwierigkeiten eines Lebens mit ADHS verharmlosen. Doch keine Sorge: Das tun wir nicht.

Als Psychologinnen und Frauen mit ADHS kennen wir diese Kämpfe und Mühen sehr gut. Und wir haben dabei festgestellt, dass der Wunsch von ADHS-Patientinnen, sich selbst, ihr Leben und ihr Gehirn von Grund auf umzumodeln, enormen Schaden anrichtet; denn wenn sie das tun, fällt es ihnen viel schwerer, den inneren Frieden und die Lebensfreude zu finden, die sie sich so sehnlich wünschen. Dieses Ziel des »Reparierens und Ersetzens« kann Ihre Bemühungen, Ihre ADHS-Symptome besser in den Griff zu bekommen, sogar völlig zunichte machen. Auch wenn Ihnen anfangs vielleicht ein bisschen unwohl bei dieser Vorstellung ist – geben Sie den Versuch, sich selbst »in Ordnung zu bringen«, auf! Glauben Sie uns: Das kann niemals funktionieren. (Wir versprechen Ihnen, dass dieser mühselige Kampf zu nichts führt und Sie ihn garantiert nicht vermissen werden!) Was hindert Sie daran, sich für immer davon zu verabschieden? Außer Scham, Zweifeln und Selbstabwertung haben Sie dabei nicht viel zu verlieren!

Und nun kommen wir zur ersten Selbsterfahrungsübung in diesem Buch. Diese Übungen liefern Ihnen Beispiele für Erfahrungen, die Frauen mit ADHS häufig machen. Viele dieser Übungen enthalten außerdem Vorschläge oder Denkanstöße. Einige beinhalten sogar Reflexionsübungen, anhand derer Sie Ihre Gedanken noch weiter vertiefen können. Schreiben Sie ruhig alle Gedanken und Gefühle auf, die Ihnen dabei durch den Kopf gehen.

Selbsterfahrung: Wann sind wir endlich am Ziel?

Die unten stehenden (oder so ähnliche) Fragen bekommen Psychotherapeuten von ADHS-Patientinnen sehr oft zu hören. Kommen Ihnen einige davon bekannt vor? Falls ja, kreuzen Sie die Fragen an, die Sie sich (oder Ihrem Therapeuten) schon öfter gestellt haben, und achten Sie dabei auf Ihre eigenen Reaktionen.

»Wie schlimm ist es, Herr/Frau Doktor?«»Können Sie mir Strategien empfehlen, durch die ich genauso werden kann wie andere Frauen?«»Wie viele Therapiesitzungen brauche ich, um dieses Problem zu überwinden?«»Kann mir das helfen, mich in Zukunft besser zu organisieren oder produktiver und nicht mehr so vergesslich zu sein?«»Wie kann ich diese unheilbare Besonderheit überwinden?«

Was ist eigentlich so schlimm daran, anders zu sein?

Bevor wir tiefer in dieses Thema einsteigen, sollten Sie sich zunächst einmal bewusst machen, welche verschiedenen Botschaften Sie über die Bedeutung des Andersseins verinnerlicht haben.

Sehr, sehr viele Botschaften und einschränkende Überzeugungen, die wir uns als ADHS-Patientinnen im Laufe der Zeit zu eigen gemacht haben, stammen aus unseren frühesten Kindheitserfahrungen mit Andersartigkeit und damit, wie nahestehende Menschen unser Anderssein wahrgenommen haben. Sehr oft leisten diese Botschaften einen äußerst wichtigen Beitrag zu den Verstrickungen, die uns in Scham- und Schuldgefühlen, Angst und einem allgemeinen Empfinden des Nicht-gut-genug-Seins gefangen halten. Um diesen Verstrickungen tatsächlich auf die Spur zu kommen, müssen wir uns zunächst einmal vor Augen halten, was in einem solchen System (wie zum Beispiel in einer Beziehung, Gemeinschaft oder Gruppe) passiert, wenn ein Mensch oder eine Gruppe von Menschen es wagt, anders zu sein und das auch offen zu zeigen.

Kims Geschichte:

Andersartigkeit als Störfaktor in der Familie

Als Kim sich mit ihrer Ausbildung in einem traditionellen Schulsystem schwertat, ermahnten ihre Eltern sie: »Du musst dich eben einfach anstrengen. Gib dir doch ein bisschen mehr Mühe.« Denn nach dem Willen der Eltern sollte die Tochter in ihre Fußstapfen treten und später einmal Ärztin werden. Als sie ihr Interesse an einem Geschichtsstudium bekundete, verdrehten ihre Eltern nur die Augen und sagten: »Mach dich doch nicht lächerlich.« Kim hat also die Erfahrung gemacht, dass es in ihrem Elternhaus als seltsam, bedrohlich und inakzeptabel interpretiert wurde, wenn man zeigte, dass man anders war als die anderen. Solchen scheinbar »unbedeutenden« Botschaften wohnt eine ungeheure Macht inne.

Viele von uns sind mit dem Ausdruck ihrer Andersartigkeit (zumindest zu irgendeinem Zeitpunkt ihres Lebens) auf Hindernisse gestoßen. Normalerweise wehren Systeme aller Art sich gegen Veränderungen, weil die Mitglieder der Gruppe »die Umstände, so wie sie schon immer waren«, als vertraut empfinden und zufrieden damit sind – selbst wenn diese Umstände in Wirklichkeit schon immer ungesund waren. Dieser Widerstand gegen Veränderungen und Abweichungen ist so etwas wie ein unbewusster Überlebensmechanismus einer Gruppe – egal ob das eine sinnvolle, faire und freundliche Grundhaltung ist oder nicht.

Die Ziele, die wir Ihnen in unserem Arbeitsbuch vermitteln möchten, gehen weit darüber hinaus, wie man ordentlicher wird oder lernt, sich besser zu organisieren. In diesem Buch werden Sie Folgendes lernen:

Ihre Probleme mit Ihrem ADHS-Gehirn von Ihrer eigentlichen Identität zu trennen,

sich nicht mehr von anderen Menschen herabsetzen zu lassen,

ein ganzer Mensch zu sein, der sich in seiner Haut, seinem Verstand und seinem Leben vollständig fühlt,

anderen Menschen nahe zu sein und dabei gleichzeitig sich selbst zu schützen,

sich Ihren ADHS-Problemen zu stellen, um Ihre Symptome besser bewältigen zu können,

aus eigener Kraft Erfüllung zu finden, statt dabei immer nur von anderen Menschen abhängig zu sein.

Um mit Ihrer ADHS gut leben zu können, statt sie zu bekämpfen, müssen Sie sich ein paar tiefsitzende, bisher vielleicht noch kaum wahrgenommene Ängste und Überzeugungen zu dem Thema bewusst machen, was es bedeutet, eine Frau zu sein, die auf andere Art in dieser Welt lebt als die meisten ihrer Geschlechtsgenossinnen. Was haben Sie in Ihrer Kindheit und Jugend zum Thema »Anderssein« gelernt?

Briannas Geschichte:

Verhalte dich doch einfach normal!

Die 27-jährige Brianna erinnert sich noch an viele negative Botschaften im Zusammenhang mit den sichtbaren und unsichtbaren Aspekten ihrer Identität als farbige Frau mit ADHS – und auch an viele Misshandlungen, die sie deshalb erdulden musste. Diese Botschaften vermittelten ihr ein Gefühl der Ausgrenzung und der Missachtung ihrer Rechte und Bedürfnisse – das Gefühl, mundtot gemacht zu werden. Selbst innerhalb ihrer Familie, die viele leistungsstarke Menschen hervorgebracht hat, wurde Brianna signalisiert, dass sie ihre Probleme nicht so wichtig nehmen und Herausforderungen einfach meistern sollte, statt sich zu verhätscheln. Ihre Lehrer, denen auffiel, wie klug sie war, weigerten sich, eine »Extrawurst« für sie zu braten, etwa indem sie Anweisungen wiederholten oder ihr andere sinnvolle Zugeständnisse machten, wenn sie um Hilfe bat.

Brianna hat auch heute noch mit diesen Botschaften zu kämpfen, die ihr ein Leben lang vermittelt worden sind: »Jeder Mensch hat Probleme, also komm damit klar – und zwar allein und ohne darüber zu reden.« »Deine Bedürfnisse haben keine Priorität, und was du zu sagen hast, zählt nicht.« »Wie kommst du darauf, dass dir eine Sonderbehandlung zusteht?«

Selbsterfahrung: Zeigen, dass man anders ist

Kreuzen Sie die Wörter an, die den unten stehenden Satz in einer auf Sie zutreffenden Weise vervollständigen, oder fügen Sie eigene Formulierungen hinzu.

Als Mädchen habe ich gelernt, dass es …

gefährlich ist,Blasphemie ist,bedrohlich ist,unhöflich ist,gemein ist,respektlos ist,sinnlos ist,eine Schande ist,mich von anderen Menschen trennt,_____________________________________

oder

respektiert wird,ermutigt wird,ein Zeichen von Kreativität und Eigenständigkeit ist,etwas Gutes ist,wirkungsvoll ist,sehr wichtig ist,befreiend wirkt,_____________________________________

zu zeigen, dass ich anders bin als andere Menschen.

Zum Nachdenken: Zeigen, dass man anders ist

Versuchen Sie, sich daran zu erinnern, was Sie in Ihrer Kindheit und Jugend über die Gefahren des Andersseins gelernt haben.

Welche Gefühle oder Gedanken steigen in Ihnen auf, wenn Sie daran denken, anders zu sein (egal ob die Außenwelt etwas davon mitbekommt oder nicht, und ob es sich um Ihre eigene Andersartigkeit oder die anderer Menschen handelt).

 

 

 

 

Inwiefern haben Sie sich (in wichtigen und unwichtigen Dingen) von Ihrer Herkunftsfamilie unterschieden?

 

 

 

 

Inwieweit wurde diese Andersartigkeit gefördert oder toleriert?

 

 

 

 

Welche Meinungen haben Sie in Ihrer Familie, Ihrer Gemeinde oder der Kultur, in der Sie lebten, über die (sichtbare oder unsichtbare) Andersartigkeit bestimmter Menschen zu hören bekommen?

 

 

 

 

Wurden Sie dazu ermutigt, Ihre eigene Meinung zu äußern, oder empfanden Sie es als bedrohlich, sich von Ihren Mitmenschen abzuheben? Welche Auswirkungen hatte diese Erfahrung auf Sie? Inwiefern beeinflusst sie Sie vielleicht auch heute noch?

 

 

Woher haben wir unsere Vorstellungen vom Anderssein?