Serena Williams - Merlisa Lawrence Corbett - E-Book

Serena Williams E-Book

Merlisa Lawrence Corbett

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Beschreibung

Frauenpower auf und neben dem Platz: Serena Williams die Tennis-Legende im Porträt Serena Williams Leben gleicht dem Paradebeispiel des amerikanischen Traums. Mit Ausdauer, Mut und eisernem Willen spielte sie sich bis an die Spitze der WTA und gilt mit 23 Grand-Slam-Titeln im Einzel als erfolgreichste Tennisspielerin der Open Era. Zudem feierte sie vier Olympiasiege und mehrere internationale Erfolge im Doppel und Mixed. Merlisa Lawrence Corbett erzählt die ganze Lebensgeschichte des Ausnahmetalents im Frauen-Tennis: Von den ersten Ballschlägen bis zu ihren größten Triumphen, vom Kampf gegen Rassismus über ihre Rolle als feministische Vorreiterin, Modeikone und Mutter. - Erste deutschsprachige Biografie über Serena Williams mit exklusiven Einblicken in ihre Karriere und zahlreichen Bildern vom Platz und privat - Mehr als nur eine Sportlegende: Wie eine Tennisspielerin Einfluss auf Feminismus, Popkultur und Modewelt nimmt - Eine Tenniskarriere in Zahlen: Anhang mit allen Siegen, Statistiken und Ergebnissen von Williams in Wimbledon, bei den US Open, Australian Open, French Open und den Olympischen Spielen Tennis-Ass, Feminismus-Ikone, Trendsetterin: Die vielen Seiten der Serena Williams Serena Williams nur als Ausnahmesportlerin zu sehen, ist zu kurz gegriffen. Die Legende im Damen-Tennis hat längst den Sprung aus dem Sportteil hinein in Wirtschaftsmagazine, Modezeitschriften und akademische Fachblätter geschafft. Neben dem Platz baute sie erfolgreich die Modemarke Serena auf, war in einer eigenen Reality-Serie mit Schwester Venus Williams zu sehen und posierte 2015 als erste schwarze Tennisspielerin auf dem Cover der Vogue. Ob auf dem Tennisplatz, dem roten Teppich oder in der Vorstandsetage, Serena Williams brilliert mit kompromisslosem Ehrgeiz und unerschütterlichem Selbstvertrauen. Eine Inspiration für Sport und Karriere!

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Impressum

Copyright © 2020 by Merlisa Lawrence Corbett

Translated from the English Language edition of Serena Williams: Tennis Champion, Sports Legend, and Cultural Heroine, by Merlisa Lawrence Corbett, originally published by Rowman & Littlefield, an imprint of The Rowman & Littlefield Publishing Group, Inc., Lanham, MD, USA.

Translated into and published in the German language by arrangement with Rowman & Littlefield Publishing Group, Inc. All rights reserved.

© der deutschsprachigen Ausgabe:

egoth verlag GmbH, 2020

Untere Weißgerberstr. 63

A-1030 Wien

ISBN: 978-3-903183-42-1

ISBN E-Book: 978-3-903183-83-4

Ein Quellenverzeichnis ist beim Verlag verfügbar. Wenden Sie sich an [email protected]

Übersetzung aus dem Englischen: Alison Flint-Steiner und Robert Steiner

Lektorat: Lisa Krenmayr

Grafische Gestaltung und Satz: Dipl. Ing. (FH) Ing. Clemens Toscani

Coverbild: Michael Bradley / AFP / picturedesk.com

Alle Rechte vorbehalten. Wiedergabe, auch auszugsweise, nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Rechteinhabers.

1. Auflage im September 2020

SERENAWILLIAMS

TENNIS-CHAMPION

SPORT-LEGENDE

KULTUR-IKONE

Merlisa Lawrence Corbett

übersetzt vonRobert Steiner und Alison Flint Steiner

INHALT

SERENAS COUNTRY-CLUB-ERZIEHUNG

DIE KÖNIGIN DES PLATZES

SCHWESTERLICHE LIEBE

FRAUENPOWER UND BLACK GIRL MAGIC

AKTIVISTIN DES DIGITALEN ZEITALTERS

INTERNATIONALER RUHM & GLOBALE GROSSZÜGIGKEIT

TRENDBEWUSST

DIE MARKE SERENA

ZWEITER AKT

FAZIT

STATISTIK

DANKSAGUNG

Ein Buch von der Idee bis zur Fertigstellung ohne die Unterstützung von Familie, Freunden, Kollegen und Experten hervorzubringen ist unmöglich. Daher möchte ich mich besonders bei den folgenden Personen bedanken, die mir diese lohnenswerte Reise ermöglicht haben.

Danke an die Spezialisten bei Rowman & Littlefield, die es geschafft haben, aus einer Verfasserin von Artikeln eine Autorin zu machen. Danke, Christen Karniski, Redakteurin extraordinaire. Dank deiner Geduld und Anleitung wurden selbst die mühsamen Dinge zum Vergnügen.

Tracey Reavis, vielen herzlichen Dank! Deine Freundschaft und dein Rat sind immer willkommen.

Danke auch an meine Geschwister, mein persönliches Unterstützungsnetzwerk. Dazu zählen meine Brüder Ranney und Selwyn, deren Hilfe und bedingungslose Liebe mich davon abhielten, vom Weg abzukommen.

Camille Mosley, eine unermüdliche Kämpferin, danke. Deine Leidenschaft, die Geschichte der Afroamerikaner im Tennis aufzuarbeiten und weithin publik zu machen, ist eine große Inspiration für mich.

Danke an meine Mutter für deine vorbildlichen Kreativität und deinen Unternehmergeist.

Mein Dank geht auch an Marvin aufgrund deiner Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft über die Jahre.

Ein spezielles Dankeschön an Sara, Nicky und Gregory, die drei Amigos. Ich liebe euch, Leute.

Und schließlich möchte ich mich noch bei den Baristas im N+1 Coffee bedanken. Eure Mokkas versorgten mich mit dem nötigen Treibstoff, während ich an diesem Buch arbeitete.

VORWORT

Weniger als zwei Wochen nach ihrer Geburt am 1. September 2017 hatte Alexis Olympia Ohanian Jr. mehr als 60.000 Follower auf Instagram. Im Februar 2018 hatte sie bereits 259.000. Noch bevor sie ihren zweiten Geburtstag feierte, waren es 590.000. Olympias Instagram Account selbst folgte genau vier Leuten: ihrer Tante Venus Williams, ihrem Vater Alexis Ohanian Sr., ihrer Puppe Qai Qai und ihrer Mutter Serena Williams, eine der größten Athletinnen aller Zeiten.

Serena ist eine so große Ikone, dass sogar ihre Tochter und die Puppe ihrer Tochter massenhaft Follower auf den sozialen Medien in ihren Bann ziehen. Alexis kam in einem für ihre Mutter schlagzeilenreichen Monat zur Welt. Maria Scharapowa, die eine Karrierebilanz von 3-20 gegen Serena aufweist, 1-19 in den letzten 15 Jahren, veröffentlichte ihre Memoiren mit dem Titel Unstoppable: My Life So Far, ein Buch in dem sie die 23-fache Grand-Slam-Gewinnerin aufgrund ihrer körperlichen Erscheinung als furchteinflößend beschreibt.

„Vor allem physisch wirkt sie viel stärker und größer als im Fernsehen. Sie hat mächtige Arme und Beine und wirkt enorm kräftig und furchteinflößend. Es ist ihre gesamte Erscheinung – ihre Präsenz, ihr Selbstvertrauen, ihre Persönlichkeit. … Selbst jetzt komme ich mir wie ein kleines Mädchen vor, wenn ich an sie denke“, schrieb Scharapowa, die selbst 188 cm misst und deutlich größer ist als Serena, wenn diese neben ihr steht.

Ein Daily Beast Kolumnist beschrieb Scharapowas Sprachwahl als widerlich und mit rassistischem Unterton. Das ganze Drama wurde dann von den sozialen Medien aufgegriffen, wo Fans und bekannte Personen aus den Medien darüber debattierten, ob Scharapowa Serena aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes diskriminierte, um damit den Verkauf ihres Buches anzukurbeln. Doch all das wurde in den Hintergrund gedrängt, als Baby Ohanian das Licht der Welt erblickte.

Serena bekam ihr Baby und führte damit einen Themenwechsel herbei. Damit schnappte Serena den anderen die ganze Medienaufmerksamkeit vor der Nase weg, fast so, wie sie bei einer sich abzeichnenden Niederlage trotzdem noch den Sieg davonträgt. Egal ob auf dem Platz, dem Laufsteg, dem roten Teppich oder in der Vorstandsetage, Serena versieht alles, was sie berührt, mit einem Ausrufezeichen.

Rekordlerin, Trendsetterin, polarisierend und kontrovers, Serena regt zu Diskussionen an. Ihre Niederlagen sind beinahe genauso episch wie ihre Triumphe. Ihre Präsenz durchdringt so viele Aspekte der Mainstreamkultur – Sport, Mode, Prominenz, Business – sie ist quasi ein lebendes Stück amerikanischer Kultur.

Serena Williams ist eine der interessantesten Figuren des Sports. Dieses Buch bietet einen umfassenden Einblick in ihr Leben und zeigt ihren Einfluss auf den Tennissport, Geschlechtergleichheit, Rassenprobleme und Popkultur.

Die vierfache olympische Goldmedaillengewinnerin hat ein Team, eine Entourage, prominente Groupies und eine Horde von Fans, die sich selbst „Serena’s Army“ nennen. Dazu kommen noch fast 11 Millionen Follower auf Twitter. Sie zählt zu dem elitären Club Prominenter, die man nur mehr beim Vornamen nennt, wie Oprah, Beyoncé, Cher, Rafa und Rihanna.

Wenn sie nicht gerade wieder einen Titel gewinnt oder Gastauftritte in Filmen hat, arbeitet Serena daran, ihre Marke weiter auszubauen oder unterstützt Schulen für Mädchen in Afrika und auf Jamaica finanziell.

Ihr Leben ist weit mehr als nur eine Geschichte, die der Sport schreibt. „Professionelle Sportlerin“ ist ein viel zu mickriger Titel für jemanden, dessen Wirkung auf die Gesellschaft den Sprung von den Sportseiten hinein in Wirtschaftsmagazine, Modemagazine und akademische Fachzeitschriften geschafft hat.

Serena ist Tennischampion, Sportlegende und Kulturheldin. Ihre Lebensgeschichte – der ultimative amerikanische Traum, geprägt von Hoffnung, Zorn, Liebe, Traurigkeit, Streben, Schweiß und Ausdauer – ist noch lange nicht abgeschlossen.

1

SERENAS COUNTRY-CLUB-ERZIEHUNG

Serena Williams’ Lebensgeschichte, die in Compton – einer der gefährlichsten Städte der USA – beginnt, liest sich wie ein Märchen. Obwohl ihre Familie in diesem rauen und gefährlichen Vorort von Los Angeles lebte, verbrachte Serena einen guten Teil ihrer Kindheit in den Country Clubs von Florida anstatt auf dem harten Pflaster von Süd-Los Angeles.

Die Geschichte eines kleinen farbigen Mädchens aus dem Ghetto, das zum internationalen Superstar aufsteigt, ist allerdings eine großartige „Vom Tellerwäscher zum Millionär“-Geschichte – die Verkörperung des amerikanischen Traums. Serenas Weg von den Straßen Comptons auf den Center Court ist die inspirierende Geschichte einer amerikanischen Familie mit einer bestimmenden Vaterfigur, deren Kinder überleben, gedeihen und sich über Rassismus, Sexismus und Klassendiskriminierung hinwegsetzen.

Serena wurde in Saginaw, Michigan, der Heimatstadt ihrer Mutter geboren. Obwohl sie 2012 in die Michigan Women’s Hall of Fame aufgenommen wurde, kann sich Serena nicht mehr an ihr Leben in dem Bundesstaat erinnern. Die Familie zog noch vor Serenas zweitem Geburtstag zurück nach Kalifornien, wo Venus geboren worden war.

Noch bevor ihr Vater, Richard Williams, die Bühne betrat, war ihre Mutter, Oracene Price, mit Yuseff A. K. Rasheed verheiratet gewesen. Das Paar hatte drei Mädchen, Yetunde, Lyndrea und Isha. Es ist nur wenig über Rasheed bekannt, außer, dass er Anwalt war und noch vor Oracenes Heirat mit Richard im Jahr 1980 verstarb.

In seiner Autobiografie, Black and White: The Way I See It, meinte Richard, dass, als er Oracene traf, es das Beste war, das ihm jemals in seinem Leben widerfahren ist. „Als Junge lebte ich mit meiner Mutter und drei Schwestern unter einem Dach“, schrieb Richard. „Und nun war ich wieder in einem Haus mit vier Frauen – und ich liebte es.“

Richard und seine neue Familie zogen in ein Haus nur wenige Blocks entfernt vom Strand in Long Beach, Kalifornien. Er sagte, die Idee „Champions großzuziehen“ kam ihm, als er im Wohnzimmer des Hauses in Long Beach fernsah, noch bevor Serena und Venus geboren waren. Die Familie saß vor dem Fernseher und er bat die damals siebenjährige Yetunde durch die Programme am TV-Gerät zu schalten. Als sie über ein gerade zu Ende gegangenes Tennismatch zappte, sprang Richard aus seinem Sessel und schaltete zurück auf das Spiel. Gebannt blickte er auf eine 25-jährige rumänische Tennisspielerin, die gerade einen Scheck über 40.000 Dollar überreicht bekam. Er traute seinen Ohren nicht, als der legendäre amerikanische Tenniskommentator Bud Collins dazu meinte: „Nicht schlecht für vier Tage Arbeit.“

Als Serial Entrepreneur, also Serienunternehmer, beschloss Richard ein neues Geschäft zu gründen und zwar das Ausbilden von Tennisstars. Dabei ging er genauso an diese Idee heran, wie er es schon mit seinem Zementunternehmen und der Sicherheitsfirma getan hatte. Er entwarf einen 75 Seiten umfassenden Geschäftsplan. Der war weit mehr als eine Wunschliste. Richard gründete eine Firma namens Richard Williams Tennis Associates.

„Ich ging in mein Büro und fing an für den Tag zu planen, an dem meine Töchter die Tenniswelt dominieren würden“, schrieb Richard. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte Richard noch nie Interesse am Tennissport gezeigt – er wusste nicht einmal, wie die Punkte gezählt wurden. Also besorgte er sich Bücher, Magazine und Lehrvideos. Dann kaufte er noch ein Tennisracket und begann Stunden zu nehmen.

Nachdem auch Oracene den Wunsch hatte, noch mehr Kinder zu haben und Venus und Serena geboren waren, begann Richard damit, seinen Plan in die Praxis umzusetzen. In seiner Sicherheitsfirma konnte er sich die Arbeitszeit einteilen. Wenn er also nicht gerade sein Unternehmen leitete, konzentrierte sich Richard darauf, Venus und Serena das Tennisspielen beizubringen. So begann Serena bereits im zarten Alter von drei Jahren zu spielen.

Richard behauptet seine Erziehungsmethoden und Coachingphilosophie an seiner Mutter orientiert zu haben. Ihr Mantra lautete: „Sei hart.“ Im Buch Black and White schreibt Richard, dass er sich als Teil seines Plans, die beiden Mädchen zu Champions zu machen, dazu entschied, mit seiner Familie von Long Beach nach Compton zu ziehen:

Was mich nach Compton führte, war mein Glaube daran, dass die größten Champions aus dem Ghetto kamen. Ich studierte die großen Erfolgsgeschichten des Sports, wie etwa Muhammad Ali und große Denker wie Malcolm X. Ich konnte sehen, woher sie kamen.

Als Teil meines Plans beschloss ich also, dass dies der Ort sein sollte, wo auch meine Mädchen aufwachsen würden. Es würde sie abhärten und ihnen eine Kämpfermentalität verleihen.

Im Ghetto zu leben ist jetzt keine Vorbedingung für alle farbigen Champions. Michael Jordan, Tiger Woods und Jerry Rice wurden alle in den ruhigen Vororten groß. Stephen Curry wuchs als Sohn eines wohlhabenden NBA-Spielers auf. Aber vielleicht war doch etwas dran an Richards Idee, denn weder Tiger, noch Jordan oder Rice engagieren sich öffentlich für soziale Gerechtigkeit, so wie Ali es tat oder so wie es Serena und Venus tun.

Das Haus in Compton war natürlich ein Abstieg gegenüber dem Haus nahe dem Strand, in dem sie gewohnt hatten. Oracene war zuerst gegen den Umzug, da sie sich wegen der Drogen- und Gangszene in Compton Sorgen machte. Auch Richard hatte einige Bedenken, vor allem nachdem er in eine Schlägerei mit sieben Gangmitgliedern verwickelt worden war, bei der er krankenhausreif geprügelt wurde und zehn Zähne verlor.

Bandenkriege waren damals an der Tagesordnung im „East Compton Hills Country Club“, wie Richard ihn nannte – einen heruntergekommenen, asphaltierten Tennisplatz an der Kreuzung Compton Boulevard und Lime Avenue. East Compton Hills, wo Richard begann seinen beiden Töchtern Tennis beizubringen, war eine etwas andere Art von Tennisclub. Im East Compton Country Club verzichtete man auf alle Bequemlichkeiten, an die sich Serena in Florida einmal gewöhnen würde. Für die beiden Schwestern war es wahrscheinlicher über leere Crackphiolen und Schnapsflaschen zu stolpern als über eine Tube Lux Handlotion. Es waren meist Betrunkene und Verrückte, die zu den Stammkunden zählten. James Pyles, ein Teilzeitangestellter des Compton Park Recreation Centers erinnerte sich: „Wenn es eine Schießerei gab, warfen sich die Leute, die Tennis spielten, immer auf den Boden. Wenn es dann vorbei war, standen sie auf und spielten weiter als wäre nichts geschehen.“

Die Plätze lagen nicht weit von der 1117 East Stockton Street in Compton entfernt, dem Haus der Williams-Familie, wo die Mädchen Handball im Vorgarten spielten. Die Familie bestand nun aus sechs Frauen – Mutter Oracene Price sowie die Schwestern Serena, Venus, Yetunde, Lyndrea und Isha – und Richard.

Richard war noch immer entschlossen seinen Plan in die Tat umzusetzen und versuchte eine Art Tenniszentrum-Regime mit den Mädchen aufzuziehen. Er hatte einen regelmäßigen Trainingsplan entworfen, der auch Fitness einschloss. Inmitten von Müll und halbverfallenen Häusern und Zäunen lagen die Tennisplätze, auf denen Serenas Eltern, die sich das Tennisspielen selbst beigebracht hatten, den Grundstein für zwei zukünftige „Hall of Fame“-Karrieren legten.

Richards Plan, Champions großzuziehen, umfasste mehr als nur Tennis. Neben ihrem Training mussten sie weiterhin fleißig lernen und Richard nahm sie mit, um mit ihm zusammen beim Job Development und Education Preparation Programm (JDEP) zu arbeiten. Bereits im Alter von zwei beziehungsweise drei Jahren verdienten Venus und Serena Geld, indem sie Telefonbücher auslieferten. Einige Nachbarn und Freunde der Williams-Familie waren so besorgt darüber, wie hart Richard seine Mädchen antrieb, dass sie sogar die Polizei wegen vermuteter Kindesmisshandlung riefen.

Schon früh hatte Richard beschlossen, dass es wichtiger war, seine Töchter als Vater zu führen denn als Coach. Er meinte: „Die Entscheidung, die Mädchen als Elternteil und nicht als Coach zu erziehen, zeigte mir, dass Erfolg im Leben die Kombination aus drei fundamentalen Dingen ist: Selbstbewusstsein, Mut und Engagement.“

Ursprünglich konzentrierte sich Richard mehr auf Venus, die ältere, größere und schlankere der beiden Schwestern. Serena wurde inzwischen von ihrer Mutter und anderen, darunter James Pyles, trainiert.

Im Alter von viereinhalb Jahren spielte Serena dann ihr erstes Turnier. Sie und Venus nahmen an U12-Turnieren in Kalifornien teil, wobei Serena, laut Richard, 46 von 49 Turnieren gewann und das noch vor ihrem 10 Geburtstag. Das Talent und Können der Schwestern sprach sich schnell in Tenniskreisen herum. Die Leute wollten nun wissen, wer und wie gut die Mädchen waren.

Also lud man sie ein, in anderen Country Clubs der Gegend zu spielen, etwas, das Richard problematisch fand, wenn seine Töchter bescheiden und hungrig auf mehr bleiben sollten. Trotz ihres frühen Erfolges hielten beide Elternteile unbeirrt an dem Wunsch fest, ihre Töchter so zu erziehen, dass sie sich immer daran erinnern würden, woher sie kamen. Eines Tages, als Serena und Venus auf Einladung im Pacific Palisades Country Club spielten, ging Richard zu ihnen, während sie sich ihre Bäuche gerade mit Hamburgern, Pommes und Eiscreme vollschlugen.

Da er wusste, dass er ihnen kein Geld mitgegeben hatte, fragte er: „Wie seid ihr an das Essen gekommen?“ Serena antwortete: „Ich habe anschreiben lassen.“

Besorgt darüber, dass seine Töchter zu sehr verwöhnt würden, meinte Richard zu ihnen: „Wir sind aus Compton, nicht aus dem Country Club.“ Und er sagte ihnen, dass er Erdnussbutter-Marmelade-Sandwiches vorbereitet hatte und sie ihre Ansprüche wieder runterschrauben sollten.

Abgesehen von lokalen Turnieren in Kalifornien ließen die beiden Schwestern den üblichen Weg über die Jugendturniere der United States Tennis Association (USTA) aus, bei der Kinder von Region zu Region reisten, um gegen die besten Spieler ihrer Altersklasse aus dem ganzen Land anzutreten.

Serena und Venus blieben ein Rätsel und hauptsächlich ein Familienprojekt, zumindest bis Mai 1991. Da Richard und Oracene selbst nie eine formale Tennisausbildung genossen hatten, mussten sie jetzt einsehen, dass sie Venus und Serena alleine nicht mehr auf das nächste Level bringen konnten. Also entschlossen sie sich dazu, Hilfe von außen zu holen, eine wichtige Entscheidung in Richards Plan. So rief Richard Rick Macci an, einen der besten Tennislehrer. Damals leitete Macci gerade eine Tennisakademie im Grenelefe Golf and Tennis Resort in Haines City, Florida, einer Kleinstadt etwa 30 Kilometer südlich des Walt Disney World Ressorts. Vor den Williams-Schwestern zählten Tommy Ho und Jennifer Capriati zu Maccis bekanntesten Schülern. Beide waren die Nummer 1 bei den Junioren und Capriati sorgte bereits auf der Pro-Tour für Aufsehen.

Richards Anruf kam aus heiterem Himmel. Macci war neugierig. „Meistens sind die Kinder, denen man ein herausragendes Talent nachsagt, auch im nationalen Ranking oder sie können irgendwelche speziellen Erfolge nachweisen oder ich sehe sie bei Nachwuchsturnieren. Aber diese beiden Mädchen hatten nie so ein Turnier bestritten. Ich hatte aber einen Artikel in der New York Times über dieses Mädchen namens Venus gelesen“, erzählte Macci.

Auf Richards Anruf hin stieg Macci ins Flugzeug und machte sich auf den Weg nach Los Angeles. „Ich erinnere mich daran, als wäre es gestern gewesen“, sagte Macci. „Ich habe mir ein Wochenende ausgesucht. Es war das erste Mal, dass ich in ein Flugzeug stieg, um jemanden spielen zu sehen, der nicht an einem Nachwuchsturnier teilnahm. So etwas bleibt einem in Erinnerung.“

Venus war heiß umworben. Obwohl sie in keinem größeren Turnier mitgespielt hatte, gab es bereits Anfragen von Sportagenten und Coaches. Sie alle wollten Teil dessen sein, was vielleicht die nächste große Tennissensation sein würde.

Nach dem Feature über die beiden Mädchen in der New York Times genoss Venus eine Art Prominentenstatus in Compton. Bandenmitglieder, die die Tennisplätze normalerweise als Schlachtfeld verwendeten, kamen nun, um ihr beim Spielen zuzusehen. Die Diskussionen über einen zukünftigen Star hatten Macci davon überzeugt, sie sich einmal anzusehen.

Macci war immer noch sehr skeptisch als er in Los Angeles ankam, doch er war trotzdem gespannt diese Venus, von der alle sprachen, zu sehen. „Viele redeten und schwärmten in den höchsten Tönen von ihr. Es gab einen richtigen Hype um das Mädchen und ihr Potenzial. Sie hatte einige U10-Turniere in Südkalifornien gespielt und angeblich kein einziges Match verloren“, sagte er.

Das war in den frühen 1990ern. Die legendäre Rivalität zwischen Chris Evert und Martina Navratilova war damals gerade vorüber. Ende 1991 hatte die damals 18-jährige Monica Seles bereits vier Grand-Slam-Turniere gewonnen und machte Steffi Graf und Gabriela Sabatini, die es Jahr für Jahr ins Semifinale aller Grand-Slam-Turniere schaffte, große Konkurrenz. Damals waren Graf und Sabatini selbst aber erst in ihren frühen 20ern.

Genau zu dieser Zeit hatte Macci seine Hand bei der Ausbildung der vielleicht kontroversesten Nachwuchsspielerin in der Geschichte des Tennissports im Spiel – Jennifer Capriati. Nachdem er drei Jahre lang damit verbracht hatte, Capriati, die im Alter von 13 zu den Profis wechselte, zu trainieren, wusste er, wie wahres Talent aussah. Und er brauchte nicht lange, um herauszufinden, ob die Williams-Schwestern auch wirklich das waren, was alle von ihnen behaupteten.

Maccis erstes Treffen mit Richard fand in familiärer Atmosphäre statt. Richard brachte die Mädchen ins Hotel, in dem Macci abgestiegen war. „Wir unterhielten uns drei Stunden lang. Naja, es war eher eine Befragung“, sagte Macci. „Venus saß auf einem Bein von Richard und Serena auf dem anderen. Oracene war ebenfalls mit dabei. Wir redeten nur. Richard hatte so viele Fragen. Ich kam mir vor, als wäre ich im Zeugenstand.“

Richard wollte seine Töchter nicht irgendjemandem anvertrauen. Immerhin verfolgte er einen bis ins kleinste Detail ausgeklügelten Plan und so war er gegenüber jeglichem Einfluss von außen auf seine Töchter sehr skeptisch.

Am Tag nach dem ersten Treffen holte Richard Macci mit dem schon etwas heruntergekommenen VW-Bus der Familie ab und fuhr mit ihm nach Compton.

„Sie holten mich vom Hotel ab und wir fuhren zu den Tennisplätzen. Er meinte, es wäre der East Compton Hills Country Club“, sagte Macci.

Als sie im Country Club von Compton ankamen, ließ Macci die Mädchen einige Übungen ausführen, um ihr Bewegungstalent, ihre Grundschläge und ihr allgemeines Tennisverständnis zu testen. Sein erster Eindruck? Nicht gerade herausragend.

„Ich war der Meinung, dass sie gute, kleine Athletinnen waren. Venus war bereits recht groß. Serena weniger. Sie waren sportlich, aber sie waren noch komplett roh. Die Arme und Beine flogen durch die Gegend.“

Nachdem er die Mädchen einige Minuten beobachtet hatte, meinte Macci, dass er genug gesehen hätte, um sagen zu können, dass Venus und Serena „ein nettes kleines Projekt wären, aber sicherlich nichts Besonderes“.

„Ich dachte mir also: ‚Wow, was mache ich hier am Wochenende in Compton, Kalifornien?‘ Sie waren wie alle anderen Kinder. Da war nichts dabei, bei dem mir die Luft weggeblieben wäre.“

Das war, bevor er die Mädchen bat, um Punkte zu spielen und mitzuzählen. „Dann änderten wir die Übung und ich ließ sie wie in einem Match gegeneinander spielen. Da schoss der Aktienkurs der beiden steil nach oben“, erinnerte sich Macci. Mit einem Schlag wurde ihre Beinarbeit besser, genauso wie die Vorbereitung der Punkte, die Konzentration und ihre Konstanz. Alles änderte sich, als sie sagten: „Los geht’s!“

Für Macci dient dies als Warnung für alle Coaches und Eltern. „Ziehe keine voreiligen Schlüsse. Ich kann Talent besser beurteilen als die meisten anderen. Ich war anfangs nur unbeeindruckt, weil ich oberflächlich war. In der Sekunde als wir anfingen den Punktestand mitzuzählen, spielten beide wie ausgewechselt. Da sah es so aus, als wären sie richtige Kämpferinnen. Sie wussten, wie man sich in einem Wettkampf verhält. Das hatte etwas zu bedeuten.“

Nachdem er die Mädchen um Punkte spielen hatte sehen, stieg Maccis Interesse. Plötzlich wusste er, dass er auf etwas wirklich Besonderes gestoßen war. Macci sagte: „Ich sah ihnen also zu und dann ging ich zu Richard und frage ihn: ‚Wie groß wird Venus denn einmal werden?‘ Er meinte, so etwa um die 1,85 m und ungefähr 70 kg und Serena würde wahrscheinlich einmal so um die 1,80 m werden. Zu diesem Zeitpunkt dachte ich, dass diese beiden Mädchen unter der richtigen Führung und mit dem richtigen Training das Spiel auf ein neues Level heben können würden.“

Mit dem neuen Level meinte Macci seine Vorstellung, dass die Williams-Schwestern eines Tages eine Ära einläuten würden, welche die Tennismoderatorin Mary Carillo als „Big Babe Tennis“ beschrieb und in der Spielerinnen die Athletik einer Martina Navratilova mit der Größe und Kraft einer Lindsay Davenport verbanden.

„Ich dachte nicht, dass die beiden die Nummer 1 oder 2 der Welt sein könnten. Nein, ich wusste es damals bereits“, sagte Macci.

Wenn du in den 90er Jahren, den frühen 90er Jahren, groß und kräftig warst, warst du nicht schnell. Diese Mädchen würden allerdings groß, stark, schnell, spritzig und voller Kampfgeist sein, so wie Löwinnen, die seit Wochen nichts mehr zu fressen gehabt hatten. … Auch wenn sie noch ungeschliffene Rohdiamanten waren, mit diesen Voraussetzungen würden sie meiner Meinung nach die Grenzen des Spiels neu definieren.

Das erste Anzeichen? Die Athletik von Venus. Während Macci ihr Können beurteilte, fragte Venus ihren Vater, ob sie kurz auf die Toilette gehen dürfte. Als er die Frage bejahte, machte sie einen Handstand und ging, beinahe mühelos, auf ihren Händen in Richtung Waschraum.

„Nach dem nächsten Satz machte sie eine Art verkehrter Handstandüberschläge“, erinnerte sich Macci. „Ich sagte zu Richard: ‚Du hast da einen nächsten Michael Jordan an der Hand.‘ Darauf legte er den Arm um mich und sagte: ‚Nein, Mann, ich habe die nächsten beiden Jordans hier.‘“

Überzeugt davon, den Jackpot gewonnen zu haben, lud Macci die beiden Schwestern ein in Grenelefe zu trainieren. Es war die Gelegenheit, auf die Richard die ganze Zeit gewartet hatte. Seine Töchter würden nicht mehr auf den Plätzen eines erfundenen Country Clubs spielen müssen. Von nun an konnten sie in einer Anlage der Spitzenklasse trainieren.

Dennoch hatten Serenas Eltern Bedenken, die Familie aus ihrer gewohnten Umgebung zu reißen und nach Florida zu ziehen. „Wir fühlten uns sehr wohl in Kalifornien“, schrieb Serena in ihrem Buch On the Line. „Doch als dann alle davon sprachen wegzuziehen, wurde Florida zum Gelobten Land.“

Richard und Oracene freuten sich schon darauf, ihren Kindern ein besseres Leben zu bieten und so trennten sie sich auch von ihrem schäbigen Volkswagen, packten ihre Sachen in ein Wohnmobil und machten sich auf den Weg nach Osten.

Das einzige Familienmitglied, das zurückblieb, ihre älteste Schwester Yetunde, würde 2003 bei einem Drive-by-Shooting ums Leben kommen. In seiner Autobiografie klagte Richard darüber, dass er Yetunde damals zurückließ, und schrieb: „Sie wollte in Kalifornien bleiben und – Gott sei ihrer Seele gnädig – es ist der Ort, an dem sie begraben liegt.“

LEBEN IN GRENELEFE

Was Serena am stärksten von der Fahrt an die Ostküste in Erinnerung blieb, ist, dass es die längste Zeit ohne Tennis war in der Familie. Obwohl Richard natürlich ein paar Übungen für die Zwischenstopps parat hatte.

Maccis Tennisakademie war nur ein Aspekt des Lebens in Grenelefe, einer typischen Planstadt, die, wie so viele andere in den 1990er Jahren, im ganzen Land aus dem Boden schossen. Mehr als nur eine Ansammlung von Sackgassen und von Bäumen gesäumten Eingängen boten solche Planstädte ihren Bewohnern einen höheren Lebensstil mit Golfplätzen, Tennisplätzen, Country Clubs und Geschäften. Als die Williams-Familie nach Grenelefe zog, gab es dort bereits eine Wellnesseinrichtung, ein Konferenzzentrum und vier Restaurants.

Das Leben in Grenelefe war mit dem der meisten Kinder in Haines City nicht vergleichbar. Eingebettet in Polk County, eines der ländlichsten Countys in Florida, hatte Haines City einen überdurchschnittlich hohen Anteil an Afroamerikanern. Die Schulen, die Serena und Venus besuchten – Alta Vista Elementary und Shelly Boone Middle – hatten einen hohen Prozentsatz an armen weißen Kindern sowie lateinamerikastämmigen Kindern und solchen haitianischer Herkunft. Afroamerikaner machten etwa 24 Prozent der Schüler aus, zweimal so viel wie der Prozentsatz von Afroamerikanern im Land.

Serena verbrachte ihre Vormittage umgeben von Minderheiten aus den unteren Einkommensschichten, bevor sie in die größtenteils weiße Umgebung von Grenelefe versetzt wurde, wo sie vier bis fünf Stunden am Tag trainieren würde. Obwohl Compton mehrheitlich von Minderheiten bewohnt wurde, war es eine urbane Gegend. Polk County ist eine der politisch konservativsten Regionen Floridas. Konservative Weiße aus den unteren Einkommensschichten und Wohnwagensiedlungen waren hier an der Tagesordnung, bevor sich die Grenelefe-Siedlung in den 1970ern auszubreiten begann. In den 1980er Jahren war Grenelefe bereits ein Topressort. Dort hatte der Williams-Clan – eine sechsköpfige Familie sowie zwei Hunde, auf die Serena aufpasste – ihr erstes Heim in Florida.

Man muss sich vorstellen, wie viel kulturelle Flexibilität der 10-jährigen Serena abverlangt wurde, wirklich hart gegen ihre weißen, männlichen Trainer zu spielen, Ballettunterricht zu nehmen und dann täglich mit Landkindern und Migranten, deren Eltern als Erntehelfer arbeiteten, zur Schule zu gehen.

Mittlerweile sah sich Richard nach Wegen um, seine Töchter davon abzuhalten, in eine Country-Club-Mentalität zu verfallen. So fuhr er mit ihnen in die ärmlicheren Gegenden nahe Haines City und weit weg vom gepflegten Golfrasen in Grenelefe. Er schickte sie auf öffentliche Schulen und lehrte sie schon früh, wie wichtig es ist, eine Verbindung zu den Menschen in der unmittelbaren Umgebung aufzubauen.

„Sie kamen nicht von Compton auf den Center Court. Glauben sie mir“, sagte Macci. „Sie waren in Polk County. Sie lebten direkt im Ressort.“ Richard und sein Wohnmobil gehörten zum Inventar bei Wohltätigkeitsveranstaltungen in Grenelefe und Umgebung. Er war einer der Mitbegründer der örtlichen MADD-Vereinigung der Väter, eine Organisation, die Mitglied bei den Mothers against Drunk Drivers (Mütter gegen betrunkene Autolenker) ist. 1991 war das DARE-Programm, ein Drogenpräventionsprogramm, des örtlichen Polk County Sheriff Departments in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Richard konnte Reebok, die damals seine Töchter mit Schuhen und anderen Sportartikeln ausstatteten, dazu überreden, 5.000 Dollar für das Programm zu spenden. Das war damals die größte Einzelspende, die das Programm in Polk County jemals erhalten hatte. Sie hielten eine Feier für das DARE-Programm ab, an der auch Serena an der Alta Vista Grundschule teilnahm.

Die Williams-Familie ging an das Training heran wie an die Entwicklung einer Firma, so wie es Richard in seinem Plan vorsah. Oracene und Richard wachten mit Adleraugen über ihre Töchter, doch sie überließen es Macci, das Tennis der beiden weiterzuentwickeln und ihre Ecken und Kanten zu schleifen.

Venus und Serena kamen in ein beschleunigtes akademisches Programm für begabte Schüler, welches ihnen erlaubte, die Schule schon um 13.00 Uhr zu verlassen und zum Training zu fahren. Richard und Oracene konzentrierten sich darauf, ihnen Zielstrebigkeit und Fokus anzuerziehen, und sie vertrauten auf Macci und sein Team sich um Tennistechnik und Taktik zu kümmern.

Eine große Neuerung war der Ausbau des Fitnessprogramms. Vor Grenelefe hatte Richard Calisthenics und Dehnungsübungen ins Tennistraining eingebaut. In Grenelefe gab es extra Fitnesstraining. So mussten die Mädchen Hügel auf- und ablaufen sowie Konditions- und Krafttraining betreiben.

„Ich habe es gehasst“, schrieb Serena in On the Line. „Welches Kind will die ganze Zeit am Trainingsplatz stehen? Oder im Fitnessstudio trainieren?“

Serena war auch über ihr Aussehen nicht glücklich. Dabei hatte sie nichts Bestimmtes im Auge. Sie glaubte einfach, dass alle sie als hässlich empfanden und beschrieb, wie sie immer auf die Gemeinheiten der anderen Mädchen wartete. „Kleine Mädchen können so richtig gemein zueinander sein. Sie waren hier aber nicht unbedingt gemeiner zu mir. Doch ich hatte trotzdem jeden Tag Angst davor, dass es so sein würde“, schrieb sie.

Da sie Angst davor hatte, dass man sich aufgrund ihrer selbstempfundenen Hässlichkeit über sie lustig machen würde, hielt sich Serena im Hintergrund und sprach nur wenig in der Schule.

Ihre Selbstzweifel verschwanden jedoch, wenn sie den Platz betrat. Egal welche Unsicherheiten Serena aufgrund ihres Aussehens hatte, sie wirkten sich nicht auf ihr Spiel aus. Sie fand Trost darin, dass ihr Tennis Schritt für Schritt besser wurde.

Die Familie vertraute Macci, dass er den beiden Schwestern den letzten Schliff verleihen würde.

„Beide waren unfertige Talente“, sagte Macci.

Sie konnten hart schlagen, verloren dabei aber oft das Gleichgewicht. Sie benötigten eigentlich nur technische Hilfe beim Service und bei den Volleys. Sie waren Athletinnen, die Tennis spielten. Aber wenn du mit Partnern spielst, die unter den Top 300 der Weltrangliste sind, dann wirst du einfach besser. Sie bekamen das beste Training und ganz individuelle Instruktionen. Auch wenn sie großartige Athletinnen waren, so versuchte ich noch bessere Athletinnen aus ihnen zu machen. Wir machten Taekwondo, spielten Baseball, Basketball, Football, gaben ihnen aber auch Unterricht in Ballet und Jazztanz.

Richard integrierte auch Ballwerfen in das Training der beiden. Sie warfen Baseballs und Footballs, um damit eine natürliche Wurfbewegung für einen gleichmäßigen Aufschlag zu trainieren. Das war es auch, was Serena und Venus von anderen Spielerinnen unterschied. Viele von denen waren aufgewachsen, ohne jemals einen Sport zu spielen, bei dem man einen Ball werfen musste.

Schon bald war es nur mehr eine Frage der Zeit, bis Serena und Venus zu Siegerinnen werden würden, und auf ihrem Weg an die absolute Spitze merzten sie nur mehr ihre Schwächen aus. Auch die Medien und die Tennisgemeinde warteten bereits. Wie wahr waren die Geschichten über das Tennisverständnis von Serena und Venus?

Macci wusste es bereits. „Ich wusste, was sein würde“, sagte er. „Es ging nur um viel Training, um die Grundschläge, die wegen ihrer Kraft sehr mächtig werden würden. Sie würden groß und stark werden und technisch starke Aufschläge haben. Ich wusste bereits als Serena elf Jahre alt war, dass sie vielleicht das beste Service aller Zeiten haben würde.“

Abgesehen davon, dass sie ihnen die Bälle zuspielten, zeigten Macci und Richard den beiden Schwestern auch einige unorthodoxe Trainingsmethoden. Serena und Venus joggten in den Sandhindernissen am Golfplatz zusammen mit einem Superfedergewichtboxer aus Winter Haven, Florida, namens Amos „Sweat Pea“ Cowart.

„Ich habe ihn angeheuert, damit er mit ihnen in der Sandgrube boxt. Sie hatten einen Sack vor sich und wenn sie sich nicht bewegten, dann wurden sie ein wenig getroffen“, sagte Macci. „Richard meinte, dass es okay für ihn wäre. Das war etwas, das ich an Richard mochte. Es störte ihn nicht, was ich tat, er war eigentlich mit allem einverstanden.“

Mit Richards Einverständnis hielt Macci die Erwartungen hoch und seine Trainingseinheiten streng.

„Wir sprachen immer davon, die Nummer 1 der Welt zu sein. Sie dachten, sie würden die Nummer 1 der Welt werden. Sie erwarteten, die Nummer 1 der Welt zu werden.“

Macci gestaltete das Training so schwierig wie möglich. Er und Richard versuchten Bedingungen zu schaffen, die härter waren als jene, die Serena und Venus bei den Profis erleben würden. Dies umfasste männliche Trainingspartner, die den Ball mit 160 km/h schlagen konnten. Richard glaubte daran, dass diese Simulation widriger Umstände eine gute Vorbereitung auf die unvermeidbaren Hindernisse am Weg zur Spitze wären.

Alles war übertrieben, sagte Macci. „Venus gewann kein einziges Match an der Akademie. Ich ließ sie Matches spielen und sie konnte zwei Jahre lang keines gewinnen. Täten wir das heute, würden die Eltern ihre Kinder innerhalb einer Woche aus der Akademie nehmen und woanders hingehen.“

Eltern, die ihre Kinder verwöhnen, würden Richards Vorgehen als Schlag gegen das Selbstvertrauen des Kindes empfinden.

„Doch Richard sagte: ‚Ich will, dass sie verlieren. Das macht sie nur noch härter.‘“

Also simulierten sie Widrigkeiten und machten das Training der Mädchen schwieriger. Das bedeutete auch, dass sie mit Bällen, die weniger hoch sprangen spielen mussten. „Er wollte die schlechtesten Bälle, die ich auftreiben konnte, damit sie langsamer wären und die Mädchen sich mehr strecken und schneller laufen mussten“, erzählte Macci.

Er wollte, dass andere Kinder gegen seine Töchter spielten und schummelten, nur um Venus und Serena auf die harte Realität der Welt vorzubereiten.

Wenn ich heute alte Bälle verwenden und einem Kind sagen würde, es solle betrügen, dann gäbe es sicher Streit. Die Leute würden uns davonlaufen. Man muss verstehen, die Welt da draußen ist eine andere, Richard verstand das. Er wusste etwas über Tennis, aber er war auch ein großartiger Vater. Ich habe [Mary] Pierce, Capriati, Scharapowa und so weiter gecoacht. Er war ein großartiger Vater.

Richard wusste auch, dass Serena besser als Venus werden würde, da sie etwas rauer und härter war. Er nannte sie immer seinen kleinen Pit Bull.

Gemein und hungrig, das war es, wie Richard seine beiden Töchter am Platz spielen sehen wollte. Wenn es allerdings darum ging, ihr Selbstbewusstsein zu stärken, dann wachte Richard über die Psyche seiner Mädchen wie ein Wachhund.

Während eines Interviews mit John McKenzie für ABC News im Jahre 1995 explodierte Richard vor Ärger, als ein Journalist an Venus’ Behauptung, Martina Hingis schlagen zu können, zweifelte. Während Richard sich abseits der laufenden Kamera befand, fragte der Reporter Venus wieder und wieder, warum sie sich so sicher sei, Hingis besiegen zu können. Richard schritt ein und brach das Interview ab. Er schrie dem Reporter zu, Venus’ Glauben daran, gewinnen zu können, zu respektieren und nicht mit dem Selbstbewusstsein eines jungen farbigen Mädchens zu spielen.

Macci behauptete, dass Richard immer genau wusste, was er tat. Die Fähigkeit sich zu fokussieren und alles andere um sich herum auszublenden, sollte den Mädchen in feindseligen Umgebungen auf und abseits des Tennisplatzes gute Dienste erweisen.

Während Richard das Training orchestrierte, war Oracene ein Vorbild an Ruhe. Sie waren das Yin und Yang in Serenas Leben sozusagen und Serena genoss eine schöne Zeit mit beiden. Als sie noch in Kalifornien lebten, verbrachte Serena mehr Zeit alleine mit ihrer Mutter. „Als Kinder waren es meist nur ich und meine Mutter. Sie musste viel arbeiten, doch fast mein ganzes Einzeltraining war mit ihr“, sagte Williams in ihrer Biografie. Doch als sie nach Florida zogen, wurde das Training mehr zu einer gemeinsamen Anstrengung der Familie.

Entgegen ihrer Erscheinung in der Öffentlichkeit verglich Serena das Coaching ihrer Mutter mit dem eines Ausbilders beim Militär, der seine Befehle „bellt“. Ihr Vater, so sagte Serena, war ruhiger und wollte, dass die Mädchen Dinge auch für sich selbst herausfinden.

Oracenes Einfluss abseits des Platzes umfasste auch ihre Hingabe zum Glauben der Zeugen Jehovas. Die Mädchen nahmen dienstags, donnerstags und sonntags an den Gottesdiensten der Zeugen Jehovas in der Kingdom Hall teil. Serena wuchs als Zeugin Jehovas auf und ist dieser Religion bis heute treu geblieben.

VERWURZELT IN SÜDFLORIDA

Etwa zwei Jahre nachdem die Familie nach Florida gezogen war, zog Macci nun selbst um. Er verlegte seine Akademie nach Delray Beach, zirka zwei Autostunden südlich von Grenelefe. Serena und ihre Familie ließen sich im nahgelegenen Pompano Beach nieder. Obwohl die Verlegung von Maccis Akademie der Grund für ihren erneuten Umzug war, schrieb Serena in ihrer Autobiografie, dass ihr Vater ebenfalls der Meinung war, dass der Familie ein Tapetenwechsel gut tun würde.

Trotz der neuen Umgebung änderte sich der Zeitplan der Mädchen kaum: Schule, Training und Begabtenförderung. Und wie immer zog die ganze Familie an einem Strang und machte alles zusammen. Das Training bestand aus Drills, Familienzeit und Mahlzeiten. Sie lebten quasi am Tennisplatz. In der Zeit, in der Venus und Serena mit Macci trainierten, erhielten die Eltern offiziell den Trainertitel.

Die zweifache Grand-Slam-Siegerin Mary Pierce erzählte der New York Times, dass sie sich daran erinnert, wie erstaunt sie darüber war, wie viel Zeit die Familie auf dem Platz verbrachte. In ihrem Interview mit der New York Times erzählte Pierce über ihre Zeit Anfang der 1990er Jahre in Delray Beach, Florida: