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Sieben Weltwunder – die tödliche Jagd geht weiter
Jack, Cass, Marco und Aly sind die Auserwählten: nur diese vier Freunde mit ihren Superkräften können die sieben magischen Gefäße finden, die einst in den sieben Weltwundern der Antike versteckt wurden. Wenn die Mission misslingt, ist die Menschheit in Gefahr!
Jack McKinley und seine Freunde haben tödliche Gegner besiegt und uralte Schätze gehoben – doch einer der Ihren hat sie betrogen. Verloren in den Ruinen von Babylon, von ihrem Freund Marco verlassen, wissen die Auserwählten nicht mehr, wem sie noch trauen können. Ihr Leben steht auf dem Spiel, als die Freunde zum Mausoleum von Halikarnassos aufbrechen. Ein tödlicher Kampf mit einem Heer der Untoten beginnt.
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Seitenzahl: 318
In der Unterwelt
Peter Lerangis
Seven Wonders
DAS GRABMAL DER SCHATTEN
Aus dem Englischen vonKnut Krüger
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Kinder- und Jugendbuchverlag
in der Verlagsgruppe Random House
Weitere Titel in dieser Reihe:
Seven Wonders – Der Koloss erwacht
Seven Wonders – Die Bestie von Babylon
1. Auflage 2015
© 2015 der deutschsprachigen Ausgabe cbj Kinder- und
Jugendbuch Verlag in der Verlagsgruppe Random House, München
Alle deutschsprachigen Rechte vorbehalten
© 2014 Harper Collins Publishers, New York
Die amerikanische Originalausgabe erschien 2014 unter dem Titel:
»Seven Wonders/The Tomb of Shadows«
bei Harper CollinsChildren’s Books, Harper Collins Publishers, New York
Übersetzung: Knut Krüger
Umschlagkonzeption: Nele Schütz Design
CK · Herstellung: CF
Satz: Uhl + Massopust, Aalen
ISBN Dein Pech
www.cbj-verlag.de
FÜR DAVE UND ELOISE,MEINE REISEGEFÄHRTEN IN DIE WELT DER WUNDER
Das Tal Der Könige
Für eine Tote sah meine Mom einfach großartig aus.
Sie hatte ein paar Falten und graue Haare dazubekommen, was nach sechs Jahren wohl ganz normal ist. Doch ihre Augen und ihr Lächeln waren unverändert. Schließlich sind das die Dinge, die einem als Erstes auffallen, selbst wenn es ein Handyfoto ist.
»Jack?«, fragte Aly Black, die neben mir auf der Rückbank eines Leihwagens saß, »alles okay mit dir?«
»Klar«, antwortete ich, was ehrlich gesagt die größte Lüge meines Lebens war. »Ich meine, ganz okay für jemand, dem gerade klar geworden ist, dass seine Mutter vor sechs Jahren ihren eigenen Tod vorgetäuscht hat.«
Auf der anderen Seite schob Cass Williams seine klobige Brille die Nase runter und warf mir einen mitleidigen Blick zu. Auch er hatte sich, wie wir alle, verkleidet. »Vielleicht hat sie ihn ja gar nicht vorgetäuscht«, entgegnete er. »Vielleicht hat sie damals überlebt und ihr Gedächtnis verloren – bis jetzt.«
»Überlebt? Den Sturz in eine Gletscherspalte in der Antarktis?«, fragte ich.
Ich klappte das Handy zu. Seit wir aus dem Hauptquartier der Massa nahe den Pyramiden von Gizeh geflohen waren, hatte ich mir das Foto ununterbrochen angeschaut. Ich habe es jedem im Karai Institut gezeigt, auch Professor Bhegad, aber dort konnte ich nicht bleiben. Nicht, solange sie hier in Ägypten war. Jetzt waren wir dorthin zurückgekehrt, um sie zu finden.
Schweigend bretterten wir über die Autobahn, die von Kairo nach Alexandria führt. Ich wollte mich ja darüber freuen, dass Mom noch lebte. Versuchte zu ignorieren, dass sie sich einer durchgeknallten Sekte verschrieben hatte. Doch beides gelang mir nicht. Seit meinem siebten Lebensjahr hatte es immer ein Davor und Danach gegeben. Davor war alles perfekt gewesen. Danach kamen die ständigen Dienstreisen meines Vaters, während ich zu Hause von wechselnden Au-pair-Mädchen betreut wurde und die anderen Kids über mich tuschelten. Ich kann an einem Finger meiner Hand abzählen, wie oft ich mit einem tatsächlichen Elternteil an einem Eltern-Schüler-Lehrer-Gespräch teilgenommen habe.
Ich konnte mich also beim besten Willen nicht darüber freuen, dass meine Mom gemeinsam mit den Massa-Klotzköpfen in einer Pyramide lebte. Mit den Typen, die unseren Freund Marco entführt und einer Gehirnwäsche unterzogen hatten. Die eine ganze Zivilisation zerstört hatten. Diesen Mistkerlen, deren Namen man lieber nicht erwähnen sollte, doch ich tue es trotzdem: Massa.
Ich blickte aus dem Fenster und sah die lehmfarbenen Bauwerke Gizehs an mir vorüberziehen.
»Gleich da«, grunzte Torquin. Als er von der Ringstraße abbog, lösten sich die rechten Reifen vom Boden und die linken quietschten. Als Aly und Cass auf mich draufrutschten, wäre mir fast das Handy aus der Hand gefallen. »Uiiihhh …«, stöhnte Cass.
»Äh, Torquin?«, quakte Aly. »Das linke Pedal ist übrigens die Bremse.«
Torquin nickte zufrieden. »Fahrwerk gut, Auto teuer.«
»Passagiere gleich kotzen«, murmelte Cass.
Torquin war der einzige Mensch, der ein Lincoln Town Car so fahren konnte wie Fred Feuerstein. Außerdem gibt es wohl keinen Zwei-Meter-Mann außer ihm, der nie Schuhe anzieht.
»Cass, bist du okay?«, fragte Aly, »oder musst du wirklich gleich kotzen?«
»Sei still«, antwortete Cass, »wenn ich das Wort kotzen höre, muss ich sofort kotzen.«
»Jetzt hast du’s selber gesagt.«
Cass würgte.
Ich fuhr die Scheibe runter.
»Nicht nötig«, behauptete Cass, der röchelnd versuchte, tief durchzuatmen. »Mir … geht’s bes…tens.«
Torquin trat auf die Bremse. Ich spürte Alys Hand auf meiner. »Du brauchst nicht nervös zu sein. Ich bin froh, dass wir das machen, und es war richtig von dir, Professor Bhegad zu überreden, uns noch mal loszuschicken, Jack.«
Ihre Stimme war sanft. Sie trug ein orangefarbenes Kleid und einen Schleier in der gleichen Farbe sowie Kontaktlinsen, die ihre blauen Augen in braune verwandelten. Ich hasste diese Verkleidungen, vor allem meine eigene, die unter anderem aus einem kindischen Basecap mit aufgenähtem Pferdeschwanz bestand. Doch nachdem wir erst vor wenigen Tagen vor den Massa geflohen und in der Stadt ein riesiges Chaos verursacht hatten, konnten wir nicht riskieren, erkannt zu werden. »Ich heiße nicht Jack McKinley, sondern Faisal«, entgegnete ich.
Aly lächelte. »Wir schaffen das schon, Faisal. Wir haben schon ganz andere Situationen gemeistert.«
Ganz andere Situationen? Wahrscheinlich spielte sie darauf an, dass wir entführt und auf eine einsame Insel am Arsch der Welt verschleppt worden waren. Oder darauf, dass wir Gene besitzen, die uns Superkräfte verleihen, aber auch umbringen, sobald wir vierzehn werden. Oder dass man uns erzählt hatte, unsere Leben könnten nur gerettet werden, wenn wir diese magischen Himmelskugeln aus Atlantis finden, die in den sieben Weltwundern der Antike versteckt sind, von denen allerdings nur noch eines existiert. Oder dass wir von unserem Freund Marco hinters Licht geführt wurden, mit einem prähistorischen Greifen kämpfen und mitansehen mussten, wie ein ganzes Paralleluniversum den Bach runterging.
Aber ich weiß nicht, ob irgendetwas davon schlimmer war als das, was uns jetzt bevorstand.
Cass sog rhythmisch die Luft ein. Er hatte sich seinen weißen Schlapphut über die Ohren gezogen, seine Augen hinter den Brillengläsern sahen eigenartig verzerrt aus. Ich konnte mich in ihnen spiegeln, erkannte mein Basecap sowie das auffällige Muttermal auf meiner linken Wange, das wie eine kleine Kakerlake aussah. Torquin war gezwungen worden, sich seine Haare schwarz zu färben. Sein Pferdeschwanz war so dick, dass er wie ein Opossum aussah, das ihm im Nacken saß. Da er sich weigerte, Schuhe zu tragen, hatte Professor Bhegad veranlasst, ihm welche an die Füße zu malen. Ihr würdet staunen, wie echt das aussah.
»Glaubst du, dass deine Mom irgendwelche Pillen gegen Brechreiz hat?«, fragte Cass.
»Lass uns erst mal prüfen, ob es sie wirklich gibt«, antwortete ich. »Danach kümmern wir uns um den anderen Kram.«
»Natürlich gibt es sie«, entgegnete Aly. »Fünf Grafikexperten des Karai Instituts, vier Programmierer und ich – wir alle haben das Foto unter die Lupe genommen. Keine Oberflächenbehandlung, keine Lichtunterschiede, regelmäßige Pixelwerte, kein Photoshop.«
Ich schüttelte ungläubig den Kopf. »Sie lässt uns ein Handy finden, das uns zu den beiden gestohlenen Loculi führt. Sie spielt uns einen Code zu, der ihre Identität enthüllt, und dann hilft sie uns bei unserer Flucht. Warum das alles?«
»Vielleicht ist sie eine Spionin«, mutmaßte Cass.
Aly schüttelte seufzend den Kopf. »Wenn sie für das KI spionieren würde, dann wüssten sie das. Aber das KI hat keine Ahnung, stimmt’s, Torquin?«
Als Torquin den Kopf schüttelte, tanzte sein Pferdeschwanz-Opossum hin und her. Das Auto schlingerte. Hinter uns hupte jemand.
Aly spähte über Torquins breite Schulter. »Sag mal, Torquin, schreibst du etwa SMS, während du fährst?«
»Jacks Mutter nicht Spion«, brummte er und legte sein Handy weg.
»Du bringst uns noch um!«, sagte Aly.
»Aber dein Daumen ist so groß wie ein Weißbrot, wie triffst du da die richtigen Tasten?«, wollte ich wissen.
»Ich Fehler machen«, grunzte Torquin. »Aber das hier Notfall. Ihr mir dankbar sein.«
Er riss das Steuer zur Seite, um auf die andere Fahrbahn überzuwechseln.
»Ich nicht«, sagte Cass.
* * *
Über dem Tal der Könige ging die Sonne unter. In der Ferne strömten die Touristen zu ihren Bussen. Die Pyramiden warfen lange Schatten in Richtung der Sphinx, die starr vor sich hinschaute und von all dem ziemlich gelangweilt schien.
Ich wünschte, ich hätte ihre Coolness.
In etwa hundert Metern Entfernung sahen wir unsere Abzweigung – von dort aus führte ein sandiger Weg zum Hauptquartier der Massa. Kurz darauf schlug Torquin das Lenkrad ein und schon rumpelten wir über die Schlaglöcher. Ich hielt mir schützend die Arme über den Kopf, um nicht jedes Mal gegen die Decke zu stoßen. Dann machte er eine Vollbremsung und wir kamen in einer gewaltigen Staubwolke zum Stehen.
Als wir ausstiegen, erschienen drei Jeeps am Horizont, die in rasender Geschwindigkeit auf uns zu jagten. Torquins Handy piepte.
»Und deshalb sollen wir dir dankbar sein?«, fragte Aly. »Weil du Verstärkung angefordert hast?«
»Ich dachte, wir wollen die Massa überraschen«, sagte Cass.
»Dimitrios klug und stark«, sagte Torquin und riss den Kofferraum auf. »Müssen klüger und stärker sein.«
Aly drückte jedem von uns einen kleinen Rucksack in die Hand, in denen sich Taschenlampen, Leuchtraketen und Betäubungspistolen befanden. Ich schwang mir meinen sofort über die Schulter.
Wir standen vor einer kleinen Metallbaracke, deren Wände ziemlich verbeult waren. Der Eingang zum Hauptquartier der Massa sah wie ein Vorratsschuppen aus, doch führte er hinab zu einer unterirdischen Pyramide, die kein Archäologe je entdeckt hatte. Tief unter der ausgedörrten Erde befanden sich ein riesiges Labyrinth aus modernen Trainingshallen, Laboratorien, Wohnbereichen, Büros sowie ein Kontrollzentrum, wo alles gesteuert wurde. Manche dieser Tunnel waren vor Jahrtausenden zu Ehren des Ka – dem Geist des toten Pharao – errichtet worden. Schließlich sollte dieser Geist sich rundum wohlfühlen, wenn er mal zu Besuch bei den Menschen war.
Doch heute wehte hier ein ganz anderer Geist – die pure Bösartigkeit der Massa.
»Los geht’s«, sagte Aly, stapfte entschlossen zum Eingang und drückte die Klinke hinunter.
Die Tür schwang auf.
»Das ist ja …«, wunderte sich Cass.
»Kein Schloss«, stellte ich fest und starrte ins Dunkel. »Echt seltsam.«
Aly und ich blickten eine Treppe hinunter, von der uns eine große Wärme entgegenschlug. Dabei hatte ich diesen Ort als ziemlich kalt in Erinnerung. Am Fuße der Treppe baumelte eine nackte Glühbirne von der Decke.
»Total still hier«, raunte Cass.
»Und jetzt?«, fragte Aly. Ein seltsamer Klagelaut drang zu uns nach oben. Zwei Augen flatterten uns aus dem Dunkel entgegen.
»Runter!«, rief ich.
Wir warfen uns auf den Boden, als eine Fledermaus mit schrillem Schrei über uns hinwegsegelte. Torquin streckte den Arm aus und fing das pelzige Tier in der Luft. Verzweifelt versuchte es sich aus der riesigen Faust zu befreien. »Lecker«, sagte er. »Paniert und gebraten, mit Mangosalsa.«
Aly war kreidebleich. »Das ist so ekelhaft.«
Widerwillig gab Torquin die kleine Kreatur frei. »Guacamole noch besser.«
Die Jeeps hatten angehalten. Männer und Frauen in Alltagskleidung sprangen heraus, verteilten sich über das Gelände, suchten die Gegend ab. Sie trugen Aktentaschen, schwere Rucksäcke und längliche Kisten. Sie nickten uns vage zu und sahen Torquin fragend an. Offenbar warteten sie auf seine Anweisungen.
»Und die sind alle vom KI?«, fragte Aly.
»Neues Team«, antwortete Torquin, »Verstärkung.«
»Die sind ja bewaffnet«, stellte Cass fest. »Ist das nicht etwas übertrieben?«
Torquin nickte mit zusammengezogenen Brauen. »Nicht für Massa.«
Da hatte er natürlich recht. In gebückter Haltung schlich ich erneut zum Eingang und legte mich flach auf den Bauch. Vorsichtig schob ich meinen Kopf über die erste Treppenstufe. Ein widerwärtiger süßlicher Geruch stieg mir in die Nase: Schimmel, verrottetes Holz … und noch etwas anderes.
Wie verbranntes Plastik.
Ich zog die Taschenlampe aus meinem Rucksack und richtete sie nach unten. Die Stufen waren von Glasscherben, Kabeln, leeren Dosen und zerfetztem Papier übersät. »Irgendwas ist hier passiert«, sagte ich.
»Soll Unterstützung kommen?« Torquin hob seine Finger an die Lippen, wie um zu pfeifen.
»Nein«, antwortete ich. »Die Massa überwachen doch das ganze Areal. Die Jeeps müssen sie längst gesehen haben. Wenn wir jetzt alle zusammen da reingehen, werden sie bestimmt Gewalt anwenden. Das könnte böse enden.«
»Du … du meinst also, dass nur wir da reingehen sollten?«, fragte Cass.
»Wenn’s sein muss, dann werde ich das allein machen«, erwiderte ich. »Ich muss wissen, ob meine Mom wirklich noch lebt. Wenn sie dort unten ist, dann wird mir nichts passieren.«
Cass dachte kurz nach und nickte. »Nednatsrev«, sagte er mit sanfter Stimme. »Ich komme mit dir, Faisal.«
»Ich auch«, sagte Aly.
»Mm«, schloss sich Torquin an.
»Nein, nicht du, Torquin«, entgegnete ich. »Nimm’s mir nicht übel, aber du würdest die Massa zu sehr erschrecken. Wir brauchen dich hier draußen, um … äh, als Commander für das KI-Team.«
Ich stieg die Stufen hinunter, schwang die Taschenlampe hin und her und versuchte mich an den Grundriss zu erinnern. Hinter mir hörte ich Alys Schritte. Dahinter die von Cass. »Commander?«, flüsterte Aly.
»Er sollte sich wichtig fühlen«, erklärte ich.
»Haaa … tschi!«, schnaubte Cass.
»Sch!«, machten Aly und ich zugleich.
Am Fuße der Treppe war ein abschüssiger Gang, an dem mehrere Räume lagen. Auf Zehenspitzen tasteten wir uns weiter, während ich die Taschenlampe mal nach links, mal nach rechts hielt. Kleine Steine bedeckten den Boden. Die Deckenlichter waren erloschen, ebenso die Notbeleuchtung.
Ich spähte durch die erste Tür in einen Vorratsraum. Aktenschränke aus Metall standen offen, ein paar Schubladen waren herausgerissen. Dazwischen lag eine altmodische runde Wanduhr auf dem Fußboden. Das Glas war zersplittert, die Uhr bei 3:11 stehen geblieben. Schutzhüllen, Zeitungen und verschiedene Gegenstände türmten sich zu Abfallhaufen.
»Was ist denn hier passiert?«, murmelte Aly.
Cass betrat einen Raum auf der anderen Seite des Gangs. Er bückte sich, hob eine Perlenkette auf und ließ sie durch seine Finger gleiten. »Vermutlich eine Gebetskette«, sagte er, bevor er sie in die Tasche steckte.
Ich hielt meine Taschenlampe in den Raum. An allen vier Wänden zogen sich Tische entlang, ein weiterer Tisch stand quer im Raum. Kabel schlängelten sich wie tote Aale über den mit Müll bedeckten Boden. Stühle waren umgekippt worden, doch nirgends waren Aktenordner oder Computer zu sehen.
»Sieht so aus, als hätten sie alles fluchtartig verlassen«, stellte ich fest.
»Unmöglich«, entgegnete Aly, die benommen den Kopf schüttelte. »Hier haben doch Hunderte von Leuten gearbeitet. Das war wie eine eigene Stadt.«
Ihre Stimme hallte dumpf durch den leeren Gang. Die Massa waren allesamt verschwunden.
In Luft aufgelöst
Ein Trick.
Alles andere war ausgeschlossen.
Ohne triftigen Grund würde niemand solch einen Ort einfach aufgeben. Ich wusste, dass sie etwas vorhatten. »Wir sollten vorsichtig sein«, sagte ich und zog mich wieder auf den Gang zurück.
»Sollen wir Torquin Bescheid geben?«, fragte Aly.
Ich schüttelte den Kopf. »Noch nicht.«
Wenn die Massa uns in eine Falle locken wollten, wüsste meine Mom Bescheid. Und natürlich würde sie uns nicht im Stich lassen. Zumindest glaubte ich das – trotz allem.
Als wir uns auf Zehenspitzen weiter vorwagten, wurde der Brandgeruch stärker und schärfer, bis wir einen Korridor erreichten, der uns bekannt vorkam und heller und breiter war als der Gang nahe dem Eingang. So wie ein Großteil des Hauptquartiers war er in moderner Zeit für eine moderne Organisation geschaffen worden.
»Hier sind wir damals geflüchtet«, sagte Cass und schaute sich um. »Wisst ihr noch? Wir sind nach rechts auf einen Ausgang zugelaufen und haben zufällig die Loculi entdeckt. Auf der linken Seite war das große Kontrollzentrum …«
Seine Stimme verhallte, als er nach links guckte. Der Gang wurde in ein trübes gelbliches Licht getaucht. Wir hielten uns dicht an der Wand. Ich warf einen Blick auf die Uhr. Seit wir uns von Torquin verabschiedet hatten, waren sieben Minuten vergangen. Er würde bald nach uns schauen.
Wir bogen um die Ecke und blieben abrupt stehen. Die schwere Metalltür zum Kontrollraum stand sperrangelweit offen. Vor wenigen Tagen war es hier zugegangen wie in einem Bienenstock. Zahlreiche Massa hatten sich geschäftig über Kontrollpulte und Laptops gelehnt, lautstark miteinander diskutiert und sich quer durch den großen Raum Mitteilungen zugerufen. Die gigantische Anzeigetafel, die unter der kuppelförmigen Decke gehangen hatte, lag nun zersplittert am Boden, die einzelnen Bruchstücke waren teilweise verschmort. Glassplitter und zu Kleinholz gewordene Tische, wohin man auch schaute.
»Als hätten sie sich in Luft aufgelöst«, sagte Cass.
Aly drehte einen umgefallenen Stuhl um und setzte sich an eine Computertastatur nahe der Wand. »Die hier funktioniert noch!«, rief sie, während ihre Finger über die Tasten liefen. »Na toll, die haben alles gelöscht, militärische Sicherheitsstandards, jedes Byte besteht nur noch aus Nullen. Damit müssen sie vor einigen Stunden begonnen haben. Vielleicht kann ich ja einiges wiederherstellen, aber dazu brauche ich erst mal einen USB-Stick!«
Cass kramte in seinem Rucksack. Ich sah mich nach Überwachungskameras um. »Mom!«, rief ich. Meine Stimme echote durch den höhlenartigen Raum. Als Cass einen USB-Stick aus seinem Rucksack zog und ihn Aly gab, lief ich zur anderen Seite des Raumes, um zu prüfen, ob es vielleicht dort irgendwelche Anhaltspunkte gab. Ich spähte durch die offene Tür in einen weiteren leeren Gang.
Aus einem Zimmer zur Rechten drang ein bläuliches Licht. Zögerlich ging ich darauf zu.
Auf einem Schild stand SECURITY. Von drinnen vernahm ich ein leises, aber beharrliches Piepen.
Vorsichtig trat ich ein.
»Faisal?«, hörte ich Cass’ Stimme hinter mir.
Ich zuckte zusammen. »Wie brauchen uns nicht zu tarnen. Sie ist nicht da.«
»Wer ist nicht da?«, fragte Cass.
»Meine Mom. Und die anderen auch nicht. Hier ist keine Menschenseele.«
Meine Augen konzentrierten sich auf ein flackerndes Licht zu meiner Linken. Dort war eine rechteckige Glasscheibe in die Wand eingelassen, auf der im Rhythmus des Pieptons eine leuchtend blaue Anzeige aufleuchtete.
Piep.
RESTLAUFZEIT 00:00:17…
Piep.
RESTLAUFZEIT: 00:00:16…
Ich packte Cass am Arm. »Raus hier, sofort! Hier fliegt gleich alles in die Luft!«
Aly war schon auf dem Gang. Ich stieß sie in Richtung Ausgang. Gemeinsam sprinteten wir dorthin, woher wir gekommen waren. Am unteren Treppenabsatz rannten wir in Torquin hinein, was sich so anfühlte, als liefe man gegen einen Bus. »Dreh dich um und lauf!«, schrie ich. Torquins Gesicht erstarrte. Er hetzte so schnell die Stufen rauf und nach draußen wie jemand, der nur ein Drittel seines Gewichts hatte.
Ich spürte den Boden unter meinen Füßen schwanken. Schwefelgeruch stieg mir in die Nase.
Die Explosion ließ die Wände erzittern, ihre Druckwelle traf mich im Rücken.
Purisnroha
Ich würgte und hustete, während der Staub in der Luft meine Augen tränen ließ. Ich war draußen, auf sicherem Grund. Vor allem lebendig. Mein Rücken lehnte an Torquins Leihwagen, was bedeutete, dass ich etwa zehn Meter vom Massa-Eingang entfernt war. Ich öffnete den Mund, doch ehe ich rufen konnte, füllte sich meine Lunge erneut mit sandigem Staub. Röchelnd kam ich auf die Beine. Alles tat mir weh. Meine Hose war an den Fußgelenken zerfetzt. »Cass!«, rief ich endlich. »Aly!«
»Torquin!«, grummelte hinter mir eine vertraute Stimme. »Torquin vergessen.«
Die Silhouette des Riesen trat aus der Staubwolke, vom Kopf bis zu den Zehen von einer bräunlich-grauen Schicht bedeckt, als bestünde er aus nichts als Dreck. Mit seiner rechten Hand hielt er Cass am Genick und zog ihn hinter sich her. Cass’ Gesicht war rußgeschwärzt, seine Glieder schlaff. Sein Schlapphut und seine Brille waren verschwunden.
»Was ist passiert?« Ich humpelte ihnen so schnell entgegen, wie es meine aufgeschrammten Beine zuließen.
Im nächsten Moment war Aly neben mir, in der Hand hielt sie eine dreckverschmierte Brille. »Die lag auf der Erde. Ist er …?«
»Brust bewegt sich«, sagte Torquin und legte ihn auf dem Boden ab. »Muss Hilfe holen.«
Aly und ich knieten uns neben Cass. »Bitte, bitte, komm wieder zu dir«, flüsterte ich und tätschelte ihm sanft die Wange.
Aly zog eine Feldflasche aus ihrem Rucksack und spritzte Cass etwas Wasser ins Gesicht.
Keine Reaktion.
Ein Trupp von KI-Soldaten scharte sich um uns. »Die Sanitäter sind unterwegs«, gab einer von ihnen bekannt.
Aly drückte Cass’ Mund auf und ließ Wasser hineinlaufen. »Komm schon, Cass«, flehte sie, »du schaffst das!«
Plötzlich bäumte sich Cass’ Oberkörper auf und traf Aly am Kinn.
»Was soll ich schaffen?«
»Genau das!«, rief Aly überrascht, die hintenübergekippt war.
Cass wandte sich ab und würgte Klumpen von nassem Sand hervor. »Mit ein bisschen Purisnroha hätte es echt besser geschmeckt.«
Aly hielt sich den Kiefer und zwang sich zu einem breiten Lächeln. »Wenn das hier vorbei ist, kauf ich dir ein ganzes Schwimmbecken voll.«
Als zwei KI-Sanitäter mit einer Trage heranliefen, waren Cass’ Augen auf die Zentrale der Massa gerichtet. Der Eingang der Baracke bestand nur noch aus verbogenen Metallstreben.
Eine weitere dumpfe Explosion erschütterte die Erde. Das ganze Gebäude ächzte und knarrte, ehe es in sich zusammenbrach und in einem riesigen schwarzen Loch verschwand.
Cass sprang auf. Wir liefen zu unseren Autos und ließen die Trage zurück.
* * *
»Gelöscht … unleserlich … kaputt«, zeterte Aly. Sie saß auf dem Copilotensitz von Slippy, dem umgerüsteten Tarnkappenflugzeug des KI. Ihre Finger flogen über die Tastatur des Tablets, das in ihre Armlehne integriert war. Torquin war unser Pilot, und dieses eine Mal verzichtete er darauf, in der Luft ein paar Salti hinzulegen. Stattdessen konzentrierte er sich ganz darauf, uns zum KI-Institut zurückzufliegen, während Aly versuchte, Cass’ USB-Stick irgendwelche brauchbaren Informationen zu entlocken.
Meine Augen waren auf das Meer unter uns gerichtet. An diesem wolkenlosen Tag leuchtete es hell und silbrig. Ich weiß nicht, wonach ich Ausschau hielt, vielleicht nach einem Schiff mit wehender Massa-Fahne. Ich war ziemlich durch den Wind und von zwei Gedanken besessen:
Wir hatten Mom nicht gefunden.
Wir waren in eine Falle geraten.
Kein Hinweis auf den Auszug der Massa. Keine Warnung vor der Zeitbombe. Was wäre geschehen, wenn ich nicht zufällig die Digitalanzeige entdeckt hätte? Wenn wir gar nicht so weit in das Gebäude vorgedrungen wären? Ein paar Sekunden später gekommen wären? Hatte Mom gewusst, dass wir zurückkehren würden?
Wie hatte sie das nur zulassen können?
Aly lehnte sich zurück und massierte ihre Stirn. »Verdammt, wären wir etwas früher dagewesen … Diese Penner haben wirklich alles überschrieben. Vielleicht kann ich ein paar Datenpakete auseinandernehmen, aber dazu brauche ich ein besseres Equipment.«
»Du schaffst das schon«, entgegnete ich. »Du bist Aly.«
Aly wandte sich seufzend von ihrem Tablet ab. »Wie geht’s Cass?«
Ich drehte mich nach hinten um. Cass lag direkt an der Kabinenwand auf einer schmalen Fläche, die mit Schaumstoff und Decken ausgepolstert war. Er hatte fast den gesamten Flug verschlafen. Jetzt verzog er blinzelnd das Gesicht. »Was ist das für ein Gestank?«
»Nicht Gestank«, sagte Torquin. Die natürliche Röte seines Gesichts wurde ein wenig dunkler und er hielt seine Arme ganz dicht am Körper.
»Vielen Dank, dass Sie sich für KI-Air entschieden haben«, verkündete Aly. »Unter jedem Sitz befindet sich eine Sauerstoffmaske. Ziehen sie diese im Fall einer Achselschweiß- oder Furzattacke von Torquin über Mund und Nase und atmen Sie gleichmäßig weiter.«
»Auuuhh!«, stöhnte Cass.
»Was ist?«, fragte ich.
»Lachen tut so weh«, antwortete Cass. »Wo sind wir eigentlich? Und erspart mir bitte eine witzige Antwort.«
»Über dem Atlantik«, antwortete ich. »Du hast gerade eine heftige Explosion überlebt und nur ein paar Schnittwunden und vielleicht eine Gehirnerschütterung davongetragen. Wir haben uns von der mobilen Einsatztruppe getrennt und sind auf dem Rückweg zum KI.«
»Was für eine mobile Einsatztruppe?«, fragte Cass.
»Das KI hat seine Leute über den gesamten Mittelmeerraum verteilt«, erklärte Aly. »Ihr Job ist es, sich jederzeit bereitzuhalten, um notfalls schnell am Einsatzort zu sein. Torquin hat uns von ihnen erzählt. Da kannst du mal sehen, was du alles verpasst, wenn du schläfst.«
»Wo war denn die Einsatztruppe, als wir sie auf Rhodos und im Irak gebraucht haben?«, fragte Cass.
»In Griechenland waren wir auf geheimer Mission. Sie wussten doch gar nicht, wo sie uns finden konnten«, entgegnete ich. »Aber im Irak hast du sie gesehen. Kannst du dich an diese Arbeitstrupps am Euphrat erinnern?«
Aly drehte sich auf ihrem Sitz um und streckte die Hand nach Cass’ Stirn aus. »Wie geht’s dir?«
»Als wäre ich gerade von einem Reznap überfahren worden.«
»Reznap?«, grunzte Torquin.
»Panzer auf Rückwärtsisch«, erklärte Aly. »Cass ist eindeutig auf dem Wege der Besserung.«
»Mit ein bisschen Eiscreme würde es mir noch besser gehen«, entgegnete Cass. »Oder überhaupt mit irgendwas zu essen.«
Torquin streckte eine schmierige Papiertüte in die Luft. »Getrocknetes Leguanfleisch. Mit Cajun-Gewürzen.«
Cass stöhnte. »Alles, nur das nicht.«
Auf der Wasserfläche unter uns erkannte ich einen zigarrenförmigen Gegenstand, der sich langsam voranschob. Vielleicht ein Tanker oder ein Kreuzfahrtschiff. Es glänzte in der Sonne und schoss Lichtreflexe zu uns nach oben. Für einen Augenblick dachte ich, jemand würde uns Morsezeichen senden. Ich rieb mir die Augen und wandte den Blick ab. Ich brauchte ein wenig Ruhe.
»Ich verstehe das einfach nicht«, sagte Aly. »Wie sind die Massa so schnell da rausgekommen? Und wo sind sie hin?«
»Und warum hat uns meine Mom nicht vor der Zeitbombe gewarnt?«, fügte ich hinzu. »Sie hätte sich ja selbst eine SMS schreiben können, weil sie wusste, dass ich ihr Handy habe.«
»Weil sie eine von ihnen ist«, entgegnete Aly, »und sie auch einer Gehirnwäsche unterzogen wurde.«
Ich starrte sie an. »Ich bin ihr Sohn, Aly! Eltern sorgen sich um ihre Kinder. Das … das ist bei denen so einprogrammiert.«
»Hm …«, brummte Cass.
Wir schauten zu ihm hinüber. Zu Cass, der seine Eltern seit Jahren nicht mehr gesehen hatte, weil sie im Gefängnis saßen. Weil sie ihn im Stich gelassen und einer Reihe von Pflegeeltern überlassen hatten.
Ich atmete tief durch. »Ey … tut mir echt leid.«
Doch seine Augen waren vor Angst weit aufgerissen. Das Flugzeug schwankte plötzlich hin und her. Dann schossen wir nach unten wie in einer Achterbahn. Mein Sicherheitsgurt schnitt mir in die Eingeweide, während sich meine Hände um die Armlehnen krampften.
Aly schnappte nach Luft. »Ich glaube, wir sind gleich da.«
Torquin nickte. »Dringen in KI-Gebiet ein.«
»Das machst du mit Absicht!«, beschwerte sich Cass.
»Magnetkräfte.« Torquin zuckte die Schultern.
»Wenn du nicht ruhiger fliegst, wird gleich was ziemlich Ekelhaftes aus meinem Mund fliegen und durch Magnetkräfte in deinem Nacken landen«, gab Cass zurück.
Als Erstes sah ich den Mount Onyx, der wie eine schwarze Faust aus dem Wasser ragte. Gleich würde ich auch unsere Heimat – unsere neue Heimat – erblicken: eine verborgene Insel, die auch mit den modernsten Instrumenten nicht aufzuspüren war.
»Oh, mein Gott!« Aly klappte die Kinnlade herunter.
Meine Augen richteten sich dorthin, wo sich das saftig grüne, von Backsteingebäuden umgebene Viereck befinden sollte.
Doch ich sah nur eine riesige schwarze Rauchfahne.
Standortbestimmung
Das Flugzeug legte sich scharf nach rechts und entfernte sich vom Campus.
»Was machst du denn?«, wollte ich wissen. »Zum Flughafen geht’s in die andere Richtung!«
»Andere Seite von Insel«, brummte Torquin. »Pläne geändert.«
»Aber da drüben ist doch nur Dschungel«, warnte Cass. »Da kann man nicht landen.«
»Flughafen zu gefährlich«, entschied Torquin.
»Außerdem brauchen wir Stunden, um durch den Wald zu laufen«, fügte ich hinzu. »Wir müssen uns beeilen, Torquin, das Institut steht in Flammen.«
Torquin ignorierte uns beide.
Mir drehte sich der Magen um. Wir waren wieder über dem Wasser. Erneut riss Torquin das Steuer zur Seite, hielt auf die Rückseite der Insel zu, deren Grün von einem schmalen silbrigen Sandstreifen gesäumt war. »Wir sind zu tief!«, rief Aly in Panik.
»Banzaiii!«, rief Torquin.
Das Flugzeug befand sich im Sturzflug. Ich umklammerte die Armlehnen. Von hinten packte Cass meinen Arm. Er schrie. Oder war ich das? Keine Ahnung. Als wir fast den Grund erreicht hatten, schloss ich die Augen.
Wir setzten hart auf. Mein Körper wurde zusammengestaucht, als befände ich mich in der Hand eines Riesen. Cass wurde gegen meine Rückenlehne geschleudert. Es dröhnte ohrenbetäubend, als die Wellen gegen die Scheiben schlugen.
»Strand zu klein«, erklärte Torquin. »Meer nicht zu klein.«
Als der Jet langsam zum Stehen kam, hatte ich einen klaren Ausblick durch das Fenster. Das Ufer der Insel war etwa ein Fußballfeld weit von uns entfernt.
Cass kniff immer noch die Augen zusammen. »Sind wir tot?«
»Nein, aber ich glaube, ich hab ein paar graue Haare bekommen«, antwortete Aly. »Das Lambda an meinem Hinterkopf außer Acht gelassen. Was tun wir hier?«
Torquin murmelte etwas in sich hinein. Dann drückte er auf einen Kopf, worauf Slippy der Insel auf seinen superleichten Aluminiumpontons entgegenschoss.
Cass, Aly und ich schauten uns verblüfft an. Mein Herz raste. Als die Pontons den Strand erreichten, sprangen wir hinaus. Torquin riss eine Klappe am Heck des Flugzeugs auf und zog eine große Kiste heraus. Ich hatte ihn noch nie so in Eile gesehen.
Aly, bis zu den Fußgelenken im Wasser, starrte ihn an. »Ich rühre mich nicht vom Fleck, ehe du uns jetzt sagst, was Sache ist, Torquin. Und zwar in ganzen Sätzen.«
Torquin gab jedem von uns eine schusssichere Weste, eine Machete, einen Leichtmetallhelm sowie einen Gürtel, an dem mehrere Messer und eine Trinkflasche hingen. »Zum Schutz«, erklärte er kurzatmig. »Insel wird angegriffen.«
»Weißt du das, weil du den Rauch gesehen hast?«, fragte Aly.
»Wenn Rauch, auch Feuer«, erklärte Torquin. »Wenn Feuer, auch Angriff.«
Seine Logik war zwar nicht perfekt, doch als ich das wütende Lodern in seinen Augen sah, beschloss ich, nicht weiter zu argumentieren. Aly und Cass dachten offenbar dasselbe. Wir legten rasch unsere neue Ausrüstung an und stapften mit schweren Schritten ans Ufer. Die Bäume bildeten eine dichte, undurchdringliche Wand. Kein Pfad weit und breit.