Sexuelle Störungen - 100 Fragen 100 Antworten - Brigitte Vetter - E-Book

Sexuelle Störungen - 100 Fragen 100 Antworten E-Book

Brigitte Vetter

0,0
16,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Sexualität ist ein bewegendes Thema und geht jeden an. Aber es ist auch schambesetzt. Erst recht trifft dies auf sexuelle Störungen zu. Sie sind meist mit hohem Leidensdruck verbunden und gehen mit Versagensgefühlen einher. Schweigen und Rückzug sind die Folgen. Doch sind Sexualstörungen verbreiteter als die Betroffenen glauben. Das vorliegende Buch gibt kompetent und gut gegliedert Auskunft zu hundert Fragen aus dem gesamten Störungsbereich und beantwortet darüber hinaus in leichter und verständlicher Form Fragen über Auswirkungen der verschiedensten körperlichen und seelischen Erkrankungen sowie des Alters auf die Sexualität. Die Darstellung der körperlichen Veränderungen während sexueller Aktivitäten sowie die Beantwortung von diagnostischen und behandlungsrechtlichen Fragen runden das Buch gelungen ab. «Ein präziser, zuverlässiger, der Komplexität der Fragen gerechter Ratgeber - auch für die Fragen und das Leiden unserer Patientinnen in der Sprechstunde.» (Geburtshilfe/Frauenheilkunde) «In seiner klaren Sprache und mit fundiertem Fachwissen dieses Buch Sexualität, verleiht ihr dennoch Bedeutung und kann Ängsten und Problemen so gekonnt begegnen.» (Report Psychologie)

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 258

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Brigitte Vetter

Sexuelle Störungen

Aus dem Programm Verlag Hans Huber

Psychologie Sachbuch

Wissenschaftlicher Beirat

Prof. Dr. Dieter Frey, München Prof. Dr. Kurt Pawlik, Hamburg Prof. Dr. Meinrad Perrez, Freiburg (CH) Prof. Dr. Franz Petermann, Bremen

Im Verlag Hans Huber sind weiterhin erschienen - eine Auswahl:

Pierre Dinner

Depression

100 Fragen 100 Antworten

207 Seiten (ISBN 978-3-456-84247-9)

Sabine M. Grüsser / Carolin Nastasja Thalemann

Verhaltenssucht

Diagnostik, Therapie, Forschung

293 Seiten (ISBN 978-3-456-84250-9)

Peter Müller / Herta Wetzig-Würth

Psychotherapeutische Gespräche führen

Wege zu psychodynamisch wirksamen Dialogen

148 Seiten (ISBN 978-3-456-84497-8)

Weitere Informationen über unsere Neuerscheinungen finden Sie im Internet unter: www.verlag-hanshuber.com

Brigitte Vetter

Sexuelle Störungen

100 Fragen 100 Antworten

Ursachen – Symptomatik – Behandlung

Verlag Hans Huber

Lektorat: Monika Eginger, Susann Seinig

Herstellung: Daniel Berger

eBook-Herstellung und Auslieferung:

Brockhaus Commission, Kornwestheim

www.brocom.de

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Dieses Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen sowie die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Anregungen und Zuschriften bitte an:

Verlag Hans Huber

Hogrefe AG

Länggass-Strasse 76

CH-3000 Bern 9

Tel: 0041 (0)31 300 45 00

Fax: 0041 (0)31 300 45 93

1. Auflage 2008

© 2008 by Verlag Hans Huber, Hogrefe AG, Bern

EPUB-ISBN: 978-3-456-74555-8

Vorwort

Sexualität ist ein Thema, das im wahrsten Sinne des Wortes fast jeden bewegt. Obwohl heute öffentlich darüber gesprochen werden darf, bleibt es ein heikler und meist schambesetzter Bereich, vor allem, wenn es um sexuelle Probleme geht. Fragen - und es gibt sehr viele - werden oft nicht einmal dem Arzt gestellt. Viele sind auch irrtümlich der Meinung, dass sie allein betroffen sind. Da Sexualität auch in Medizin- und Psychologiestudium kaum ein Thema ist, sind selbst Fachleute mit speziellen Fragen manchmal überfordert. Will sich jemand selber helfen und greift zu Büchern oder anderen Quellen, sind einige für Laien kaum verständlich und andere fachlich auch nicht selten falsch.

Das vorliegende Buch soll diese Lücke füllen. Es ist aus meiner langjährigen Tätigkeit als Psychotherapeutin und Sexualtherapeutin und der Erfahrung entstanden, was Menschen interessiert und was sie wissen möchten. Entsprechend gibt es Antworten auf hundert häufig gestellte Fragen zu Ursachen, Erscheinungsweisen und Behandlungsmöglichkeiten sämtlicher sexueller Störungen sowie zu Auswirkungen verschiedener Erkrankungen, Behinderungen und des Alters, oder von Medikamenten, Drogen und Alkohol auf die Sexualität. Einige Fragen sind zur sexuellen Gesundheit sowie zu Häufigkeit, Diagnostik und Vorkommen sexueller Probleme gestellt. Andere befassen sich mit Partnereinflüssen und anderen psychischen Faktoren. Darüber hinaus beschreibt das Buch den sexuellen Reaktionszyklus von Masters und Johnson, die in den 1960er-Jahren erforschten, was bei sexueller Erregung im Körper genau passiert.

Das Buch ist verständlich geschrieben und richtet sich an Laien, doch auch Fachleute aus dem medizinischen und psychologischen Bereich werden einen fachlich fundierten Überblick über den neuesten Wissensstand gewinnen.

Kiel, im September 2007

Brigitte Vetter

Inhaltsverzeichnis

I. Einführung: Sexuelle Gesundheit - Sexuelle Störung

1. Sexuelle Gesundheit: Die Definition - nur eine Frage der Norm oder gehört noch mehr dazu?

2. Normales Sexualverhalten: Ist alles erlaubt, was Spaß macht?

3. Sozialversicherungsrecht: Ist ein Problem gleich die Behandlung wert?

4. Sexuelle Störungen: Welche Formen gibt es denn?

5. Begriffe: Was ist der Unterschied zwischen einer sexuellen Funktionsstörung, einer funktionellen Sexualstörung und einer sexuellen Dysfunktion?

6. Lebensqualität: Sind sexuelle Störungen nicht ein Randproblem?

II. Der sexuelle Reaktionszyklus nach Masters und Johnson

7. Sexuelle Reaktionen: Funktionieren sie bei allen gleich?

8. Sexueller Reaktionszyklus: Wie läuft er denn ab?

9. Orgasmus: Wie baut er sich im Körper auf?

10. Sexuelle Erregung: Lässt sie sich auch objektiv erkennen?

11. Sexualität im Alter: Geht das überhaupt?

12. Unterschiede: Was ist sexualtypisch bei Frau und Mann?

III. Diagnostik

13. Diagnose: Nach welchen Kriterien wird sie eigentlich erstellt?

14. Störungsgeschichte: Wann klappt es und wann nicht?

IV. Häufigkeit und Vorkommen

15. Sexuelle Dysfunktionen: Wie häufig kommen sie denn vor?

V. Ursachen

16. Sexuelle Funktionsstörungen: Wodurch entstehen diese denn?

Psychische Faktoren

17. Psyche: Hat sie den größten Einfluss?

18. Angst: Ist sie auch im Spiel?

19. Unbewusstes: Wie sieht es mit unbewussten Ängsten aus?

20. Sexualängste bei Frauen: Gibt es ganz spezifische?

21. Leistungsdruck: Wovor haben Männer Angst?

22. Traumatische Erfahrungen: Führen sie stets zu Störungen?

23. Ärger und Sexualität: Schließen sie sich aus?

24. Partnerprobleme und sexuelle Störungen: Wie hängen sie zusammen?

25. Paarkollusionen: Was ist darunter zu verstehen?

26. Paarbeziehungen: Werden sexuelle Störungen auch als Waffe eingesetzt?

27. Typische Beziehungsmuster: Welche lösen die Probleme aus?

28. Die Geburt des ersten Kindes: Warum gibt es oft danach Probleme?

29. Sexualmythen: Welche gibt es und warum tragen sie zur Störung bei?

30. Selbstverstärkungsmechanismus: Warum verschwindet das Problem nicht mit der Zeit?

Somatische Ursachen

31. Körperliche Faktoren: Welche beeinträchtigen die Sexualität?

32. Kranke Menschen: Sollen sie auf Sexualität verzichten?

33. Krankheiten und Operationen: Wirken alle negativ?

34. Krebserkrankungen und Sexualität: Wie passt das zusammen?

35. Entfernung der Gebärmutter und Eierstöcke: Wie ist die Sexualität danach?

36. Brustamputation: Leidet die Sexualität sehr stark danach?

37. Brustkrebsdiagnose: Wie verhalten sich die Frauen sexuell?

38. Vulvektomie: Ist der Geschlechtsverkehr noch möglich?

39. Hormonelle Störungen: Wie beeinflussen sie die Sexualität?

40. Prostata-Operation: Mit welchen sexuellen Störungen ist danach zu rechnen?

41. Künstlicher Darm- oder Blasenausgang: Geht da sexuell noch was?

42. Diabetes: Zu welchen sexuellen Problemen kann er führen?

43. Nieren-Transplantation und Dialyse: Wirken sie sich günstig aus?

44. Herzinfarkt: Gibt es den sogenannten Liebestod?

45. Querschnittslähmungen: Ist Sexualität danach noch möglich?

46. Querschnittsgelähmte: Können sie auch Kinder kriegen?

47. Multiple Sklerose: Welche sexuellen Dysfunktionen treten auf?

48. Epilepsie und Sexualität: Gibt es da Probleme?

49. Psychische Erkrankungen: Dämpfen sie die Lust?

50. Alkohol und Drogen: Regen sie nur an?

VI. Erscheinungsweisen

51. Symptomatik: Frigidität und Impotenz - oder gibt es da noch mehr?

Störungen der sexuellen Lust

52. Mangel an Verlangen: Wie oft ist eigentlich normal?

53. Sexuelle Appetenzstörungen: Haben andere immer Lust?

54. Sexuelle Lustlosigkeit: Kann sie körperliche Gründe haben?

55. Fehlendes sexuelles Interesse: Welche psychischen Faktoren gibt es?

56. Sexuelle Aversion: Kann denn Lust auch lästig sein?

57. Sexuelle Unlust: Was lässt sich tun gegen den Frust an der Lust?

58. Gesteigertes sexuelles Verlangen: Wieviel Lust ist noch normal?

Störungen der sexuellen Erregung

59. Sexuelle Erregungsstörungen: Ärger mit der Libido?

Bei Frauen

60. Erregungsstörungen bei Frauen: Warum macht es plötzlich keinen Spaß mehr?

61. Weibliche Erregungsstörungen: Welche Gründe haben sie?

62. Erregungsstörungen bei Frauen: Wie können sie behandelt werden?

Bei Männern

63. Erektionsstörungen: Warum rührt sich da nichts mehr?

64. Erektile Dysfunktion: Ist das ein häufiges Problem?

65. Erektionsstörungen: Welche Ursachen haben sie?

Behandlung

66. Impotenz: Wie sieht die Behandlung aus?

67. Potenzmittel: Was ist von Sildenafil (Viagra®), Tadalafil (Cialis®) und Vardenafil (Levitra®) zu halten?

68. Aphrodisiaka: Sind sie tatsächlich wirksam?

69. Orale Medikation: Helfen Apomorphin, Psychopharmaka und Testosteron bei erektiler Dysfunktion?

70. Mechanische Erektionshilfen: Wie funktioniert eine Vakuumpumpe, ein Penisring und die funktionelle Elektrostimulation des Corpus cavernosum (FEMCC) eigentlich?

71. Schwellkörperautoinjektions-Therapie (SKAT) und MUSE®: Lassen sich Prostaglandin E1 (PGE1), Papaverin und Phentolamin auch in die Schwellkörper oder in die Harnröhre direkt verabreichen?

72. Chirurgische Behandlung: Sind Penisprothesen und gefäßoperative Maßnahmen eine Lösung?

73. Priapismus: Was ist zu tun, wenn die Erektion bestehen bleibt?

Orgasmusstörungen

74. Orgasmusstörung: Ist sie gelegentlich nicht ganz normal?

Bei Frauen

75. Weibliche Anorgasmie: Ein Orgasmus gilt nur vaginal?

76. Weibliche Orgasmusstörung: Welche Erklärungen gibt es denn?

77. Behandlung weiblicher Orgasmushemmung: Welche Möglichkeiten stehen zur Verfügung?

Bei Männern

78. Vorzeitiger Orgasmus: Wann kommt ein Erguss zu früh?

79. Vorzeitige Ejakulation: Tritt die Störung häufig auf?

80. Vorzeitiger Samenerguss: Warum kommt er viel zu schnell?

81. Behandlung des vorzeitigen Samenergusses: Welche Methoden sind wirksam?

82. Männliche Orgasmushemmung: Was ist ein verspäteter Orgasmus?

83. Verzögerte Ejakulation: Welche Ursachen hat ein verspäteter Orgasmus?

84. Behandlung des verspäteten Orgasmus: Was lässt sich denn da machen?

85. Ausbleibender Samenerguss: Was ist ein «trockener» Orgasmus und was ist eine retrograde Ejakulation?

86. Ejakulation ohne Orgasmusgefühl: Warum ist der Höhepunkt so lustlos?

Schmerzstörungen

87. Dyspareunie: Was ist darunter zu verstehen?

88. Schmerzen beim Geschlechtsverkehr: Wodurch können sie entstehen?

89. Vaginismus: Was ist ein Scheidenkrampf?

90. Scheidenkrampf: Welche Gründe kann er haben?

91. Vaginismus: Wie kann man ihn behandeln?

Nachorgastische Reaktionen

92. Missempfindungen nach dem Höhepunkt: Kann ein Orgasmus auch zu Unbehagen führen?

VII. Behandlung

93. Sexualberatung: In welchen Fällen kann sie helfen?

94. Psychotherapie: Wann empfiehlt sich eine Einzeltherapie?

95. Sexualtherapie: Was ist darunter zu verstehen?

96. Gruppentherapie: Sind Frauen- und Männergruppen wirklich effektiv?

97. Paartherapie: Ist sie für jeden angebracht oder kann man nicht auch selber üben?

98. Sensualitätsübungen: Wie führt man sie denn aus?

99. Behandlungstechniken beim Mann: Wie funktionieren Stop/Start-Methode, Squeeze-Technik und Teasing?

100. Behandlungsmethoden bei der Frau: Wie wird das therapeutische Masturbationstraining durchgeführt und wozu sind Hegar-Stifte gut?

Literaturverzeichnis

Sachwortverzeichnis

I. Einführung: Sexuelle Gesundheit - sexuelle Störung

1. Sexuelle Gesundheit: Die Definition - nur eine Frage der Norm oder gehört noch mehr dazu?

Tatsächlich ist die Frage, was sexuelle Gesundheit eigentlich ist, nicht losgelöst von dem Problem gesellschaftlicher Normen zu beantworten, denn in jeder Gesellschaft wird das Normale gleichzeitig auch immer als das Gesunde angesehen. Dies gilt natürlich insbesondere für den Bereich der Sexualität. Normen unterliegen jedoch einem ständigen Wandel, so dass sich damit einhergehend auch die Vorstellungen davon, was unter sexueller Gesundheit zu verstehen ist, im Laufe der letzten Jahrhunderte sehr verändert haben.

Aber nicht nur von den Normen, die in einer bestimmten Gesellschaft oder Gruppierung herrschen, hängt es ab, was als sexuell gesund erlebt wird, sondern auch das subjektive Empfinden des Einzelnen spielt eine Rolle. Es gibt nämlich so etwas wie eine subjektive, innere Norm, die bestimmt, was der Einzelne für sich als angemessen empfindet. Dabei kann die eigene Norm durchaus von der äußeren Norm abweichen. So wird z. B. in unserer Gesellschaft Masturbation längst akzeptiert, aber der Einzelne kann sie trotzdem für sich, z. B. aus religiöser Überzeugung heraus, ablehnen.

Daraus resultiert, dass das sexuelle Verhalten und Erleben eines Menschen immer auch in einem gewissen Spannungsfeld zwischen äußeren und inneren Normen stehen kann, d. h. zwischen sozio-kulturellen Einflüssen und den subjektiven Maßstäben, die bestimmen, was der Einzelne für sich als angemessen empfindet. Hinzu kommt, dass gerade im Bereich des Sexuellen auch die Normen des Partners berücksichtigt werden müssen. Als Arrangement kann dabei herauskommen, dass sich ein Partner dem anderen einfach anpasst bzw. sich ihm unterordnet. Diese Möglichkeit stellt sich auf Dauer aber meist als unbefriedigend heraus und zwar langfristig für beide Partner. Deshalb sind bei einem solchen Verhalten Konflikte innerhalb der Paarbeziehung fast vorprogrammiert. Zu einer besseren Lösung kommt es, wenn beide Partner im Einanderkennenlernen und in gegenseitiger Abstimmung selbst herauszufinden lernen, was für sie stimmig ist und dabei ihre eigenen Maßstäbe zu entwickeln lernen. Dies geschieht beispielsweise in der Einigung darüber, wie häufig ein Paar sexuell zusammen sein möchte. Man spricht in diesem Fall von einer sog. dualen Norm.

Problematisch kann es allerdings immer auch dann werden, wenn die Sexualität beider Partner durch unterschiedliche sozio-kulturelle Einflüsse geprägt wurde, oder wenn die subjektiven Maßstäbe beider Partner nicht zusammengebracht werden können. Man stelle sich z.B. ein Mädchen aus einer strengen religiösen Sekte vor, das sich in einen Jungen verliebt, dessen Eltern ihn unter dem Einfluss der «sexuellen Befreiungsidiologie» der 1968er-Jahre erzogen haben. Konfliktpotenzial entsteht selbstverständlich aber nicht nur dann, wenn bei einem Partner äußere und innere Normen auseinanderklaffen, sondern erst recht, wenn dies bei beiden Partnern der Fall ist.

Da Sexualität in der Regel in einer Zweierbeziehung stattfindet, ist die Definition der sexuellen Gesundheit eines Menschen auch mit der sexuellen Befindlichkeit des Partners verbunden. Inwieweit beispielsweise ein vorzeitiger Samenerguss von einem Mann als Problem empfunden wird, hängt auch von der sexuellen Reaktionsgeschwindigkeit der Partnerin oder ihrer Einstellung zum Geschlechtsverkehr ab. So empfinden es in einigen Kulturen Frauen als normal, andere sind sogar froh, «wenn alles schnell vorbei ist», so dass die betreffenden Männer auf ihr Problem meist erst dann aufmerksam werden, wenn sie mit einer Frau zusammen sind, die es anders gewohnt ist und die Wert auf die eigene sexuelle Befriedigung legt.

Die Definition einer gesunden Sexualität bezieht sich aber nicht nur auf sexuelle Praktiken, die jeweils in einer Gesellschaft als normal empfunden werden, sondern darüber hinaus bezieht sie auch die Gefühle füreinander, ein Sich-Verstehen und Lieben mit ein. Dies hat auch die Weltgesundheitsorganisation WHO (1975) in ihrer Definition der gesunden Sexualität berücksichtigt. Nach Auffassung der WHO sind bei einer gesunden Sexualität körperliche, emotionale, geistige und soziale Aspekte integriert, und zwar in einer Weise, dass das sexuelle Erleben bereichert wird und sich förderlich auf die Persönlichkeit, die Kommunikation und die Liebe auswirkt.

Diese Beschreibung ist sehr weit gefasst und orientiert sich nicht an einer bestimmten sexuellen Praktik, wie den Geschlechtsverkehr oder an der Heterosexualität. Anders ist dies z.B. bei der wissenschaftlichen Definition von Bräutigam, der noch 1973 formulierte, dass bei einem normalen Sexualverhalten «zwei erwachsene Menschen verschiedenen Geschlechts durch stufenweise Annäherung miteinander vertraut werden und durch genitale Vereinigung zu sexueller Befriedigung kommen». Diese Auffassung wird allerdings auch heute noch von vielen religiösen Gruppierungen geteilt.

2. Normales Sexualverhalten: Ist alles erlaubt, was Spaß macht?

Nach heutigem soziokulturellem und auch medizinischem Verständnis umfasst die normale Sexualität nicht nur den Geschlechtsverkehr, sondern sie schließt auch eine sehr große Variationsbreite von Erlebens- und Verhaltensweisen mit ein. Neben dem hetero- und homosexuellen Verkehr gehören manuelle, orale und anal-genitale Kontakte, sofern beide Partner damit einverstanden sind, genauso dazu wie Masturbation und der Gebrauch sexueller Phantasien.

Ein normales Sexualverhalten wird in der Regel auch mit einer gesunden Sexualität gleichgesetzt. Zu ihr zählt aber nicht nur die eigene subjektive Befriedigung, sondern sie schließt das Wohlbefinden des Partners ein. Dazu gehört, dass auf beiden Seiten ein Einverständnis mit der sexuellen Aktivität und den sexuellen Praktiken besteht. Dies ist z. B. gerade auch in Bezug auf sadomasochistische Neigungen von besonderer Bedeutung. Als Kriterium für eine normale Sexualität gilt seitens der Psychologie, der Gesellschaft und der Gesetzgebung, dass keiner der Partner unter der sexuellen Aktivität leidet. Darüber hinaus darf sich aus sexualmedizinischer Sicht als weiteres Kriterium einer ungestörten Sexualität aus dem gemeinsamen sexuellen Erleben und Verhalten keine Krankheit entwickeln.

Aus sozial- und entwicklungspsychologischer Perspektive wird heute auch die Erfüllung des menschlichen Grundbedürfnisses nach Akzeptanz, Nähe und Geborgenheit als wesentliches Merkmal sexueller Gesundheit betrachtet. Damit bedeutet ein normales Sexualverhalten bzw. sexuelle Gesundheit nicht nur weit mehr als das Fehlen von körperlichen oder psychischen Beeinträchtigungen oder Störungen der sexuellen Funktionen, sondern auch mehr als die Fähigkeit zur bloßen geschlechtlichen Vereinigung.

3. Sozialversicherungsrecht: Ist ein Problem gleich die Behandlung wert?

Zwischen normalem und beeinträchtigtem sexuellen Verhalten und Erleben zu unterscheiden ist nicht immer ganz einfach, da es gerade in diesem Bereich große, individuell unterschiedliche Toleranzgrenzen gibt, so dass die Übergänge oft fließend sind. So kann der eine Mann eine ausbleibende Erektion noch als normal empfinden, wenn sie gelegentlich auftritt, während ein anderer schon darunter leidet. Hinzu kommt, dass das sexuelle Verhalten eines Menschen von verschiedenen Einflüssen geprägt wird, die zu unterschiedlichen subjektiven Bewertungen des problematischen Verhaltens führen können. Die religiöse Orientierung, aber auch die kulturelle, soziale und ethnische Herkunft sowie die persönliche Einstellung und Erziehung zählen zu solchen Faktoren. Am Beispiel der Häufigkeit des sexuellen Lustempfindens wird dies besonders deutlich. Aber auch Partnerbeziehungen und familiäre Bindungen spielen eine wichtige Rolle, ebenso wie gesellschaftliche und politische Aspekte. Erwähnt seien beispielsweise die Einstellung zur Homosexualität oder zur Pädophilie, aber auch zu bestimmten sexuellen Praktiken oder zur Masturbation.

All diese Aspekte bestimmen das sexuelle Verhalten und prägen auch die Vorstellung von gesunder bzw. normaler und gestörter Sexualität. Aber es gibt einen weiteren wichtigen Gesichtspunkt, der zur Definition eines sexuell kranken Erlebens und Verhaltens herangezogen werden kann, und der ist der des subjektiven Leidens.

Kranksein bedeutet, dass jemand bestimmte Beschwerden und Symptome aufweist, unter denen er leidet und die dazu führen, dass er sich nicht mehr so fühlt wie vorher. Sind bestimmte Funktionen, wie z.B. die sexuellen, beeinträchtigt, bezeichnet man dies im medizinischen Sprachgebrauch allerdings nicht als Krankheit, sondern man spricht von einer Störung.

Als Voraussetzung für die Behandlung einer Erkrankung oder Funktionsstörung gilt allgemein die Erstellung einer Diagnose aufgrund der vorliegenden Symptome. Allerdings wird eine Störung nicht schon dann diagnostiziert, wenn sie nur einmal oder nur manchmal auftritt. Schließlich kommt es gerade am Anfang einer Beziehung häufiger vor, dass sexuelle Probleme aus Unkenntnis auftreten, sich aber meist im Laufe der Zeit mit zunehmender Erfahrung ganz von selbst erledigen.

Um eine vorhandene funktionelle Symptomatik als Störung bezeichnen und daraus den Anspruch auf Behandlung ableiten zu können, müssen also nicht nur bestimmte Beschwerden vorliegen, sondern es müssen weitere Kriterien erfüllt sein. Diese werden von einer internationalen oder amerikanischen Expertenkommission festgesetzt. Da solche Richtlinien selbstverständlich nicht absolut sein können, sondern immer auch den sich verändernden gesellschaftlichen Vorstellungen von gesunder und gestörter Sexualität unterliegen, müssen sie laufend überarbeitet und angepasst werden.

Dabei werden häufig auch die Fachbezeichnungen geändert. Heute werden beispielsweise die bei Laien geläufigen Begriffe wie Frigidität, Impotenz oder Perversion nicht mehr verwendet, weil sie inzwischen eher zur Herabsetzung eines Menschen verwendet werden als zur Kennzeichnung seines sexuellen Problems.

Maßgeblich für unser heutiges Gesundheitsverständnis und für die Definition sexueller Störungen sowie für die Terminologie sind die internationalen Kriterien der Weltgesundheitsorganisation WHO und die der amerikanischen Psychiatriegesellschaft APA, die in den Diagnosesystemen ICD-101 und DSM-IV-TR2 festgelegt sind. Nach diesen Maßstäben wird eine sexuelle Störung dann diagnostiziert, wenn

erstens eine spezifische Funktionsbeeinträchtigung besteht,

zweitens sie seit mindestens sechs Monaten andauert (WHO und APA) und

drittens sie zu deutlichem Leiden oder zu zwischenmenschlichen Schwierigkeiten führt (APA).

Aus diesen Kriterien wird deutlich, dass gelegentlich auftretende Beeinträchtigungen im medizinischen Sinne nicht als Störung gelten. Das hat zur Folge, dass in Deutschland die Kosten für eine etwaige Behandlung nicht von den Krankenkassen oder Privatversicherungen übernommen werden müssen. Dies trifft auch auf sexuelle Probleme zu, die bei dem Betroffenen kein Leiden verursachen oder zu keinen zwischenmenschlichen Schwierigkeiten führen. Damit gilt selbst ein völlig erektionsunfähiger Mann, der nicht unter seinem Zustand leidet und der vielleicht eine Partnerin hat, der das nichts ausmacht, entsprechend dieser Richtlinien nicht als behandlungsbedürftig. Aber z.B. auch eine sexuelle Lustlosigkeit, die Leidensdruck hervorruft und die zu Konflikten in der Partnerschaft führt, gilt nicht als behandlungsbedürftige Störung, wenn sie weniger als sechs Monate besteht.

Damit die Betroffenen aber nicht ganz ohne Hilfe bleiben müssen, wurden vielerorts Beratungsstellen eingerichtet, deren Aufgabe es ist, die vorhandene Lücke im Gesundheitssystem zu schließen.

1 ICD: International Classification of Diseases (der WHO)

2 DSM: Diagnostisches und Statistisches Manual psychischer Störungen (der APA)

4. Sexuelle Störungen: Welche Formen gibt es denn?

Unter dem Oberbegriff «sexuelle Störungen» werden ganz unterschiedliche Problemkreise zusammengefasst. Auf der einen Seite fallen darunter Beschwerden, die die sexuelle Funktion, wie z. B. die Erektion betreffen (Erektionsstörungen), auf der anderen Seite wird die Sexualität eines Menschen auch als gestört bezeichnet, wenn das Lustempfinden oder die Partnerwahl vom «normalen» Verhalten abweicht. Solche sog. sexuellen Präferenzstörungen werden in der Fachsprache auch Paraphilien oder sexuelle Abweichungen (Deviationen) genannt. Der frühere Begriff «Perversion» wird heute nur noch im psychoanalytischen Sprachgebrauch oder von Laien verwendet.

Zu den wichtigsten sexuellen Präferenzstörungen zählen

der Fetischismus (sexuelle Erregung durch den Gebrauch unbelebter Objekte wie z. B. Schuhe oder Unterwäsche)

der Transvestitismus (sexuelle Erregung im Zusammenhang mit dem Tragen der Kleidung des anderen Geschlechts)

der Voyeurismus (sexuelle Erregung durch die Beobachtung argloser Personen, die nackt sind, sich entkleiden oder sexuelle Handlungen ausführen. Im Volksmund «Spanner» genannt)

der Exhibitionismus (sexuelle Erregung durch Zur-Schau-Stellen der eigenen Genitalien in der Öffentlichkeit bzw. vor nichtsahnenden Fremden)

der Sado-Masochismus (sexuelle Erregung durch Zufügen bzw. Ertragen von Leiden und Erniedrigungen)

die Pädophilie (sexuelle Erregung mit einem Kind vor der Pubertät)

Weiterhin zählen zu den sexuellen Störungen auch die Geschlechtsidentitätsstörungen. Sie sind durch ein starkes Unbehagen mit dem eigenen Geburtsgeschlecht und einem anhaltenden Zugehörigkeitsgefühl zum anderen Geschlecht gekennzeichnet. Menschen, die sich im falschen Körper wähnen, werden als transsexuell bezeichnet.

Die sexuellen Funktionsstörungen spielen in der sexualtherapeutischen Praxis die größte Rolle. Sie sind dadurch gekennzeichnet, dass sie das subjektive Erleben beeinträchtigen und die gewünschte und angestrebte Beziehung verhindern. Dazu zählen

Störungen des sexuellen Verlangens (Appetenzstörungen)

Störungen der Erregung (Erektionsstörungen)

Störungen des Orgasmus (Ejakulationsprobleme, ausbleibende Befriedigung)

Schmerzen beim Geschlechtsverkehr (Dyspareunie und Vaginismus)

nachorgastische Missempfindungen und Verstimmungen.

5. Begriffe: Was ist der Unterschied zwischen einer sexuellen Funktionsstörung, einer funktionellen Sexualstörung und einer sexuellen Dysfunktion?

Als sexuelle Funktionsstörungen werden alle diejenigen Störungen bezeichnet, die die sexuellen Funktionen betreffen und die das sexuelle Verhalten und Erleben in Form von ausbleibenden, verminderten oder unerwünschten genital-physiologischen Reaktionen beeinträchtigen. Dazu gehören insbesondere Störungen des sexuellen Verlangens (Appetenz), der sexuellen Erregung, der sexuellen Befriedigung (Orgasmusfähigkeit) und Schmerzen, die im Zusammenhang mit dem Geschlechtsverkehr stehen sowie Störungen bzw. Verstimmungen, die in der nachorgastischen Entspannungsphase auftreten. Als weiteres Kriterium gilt, dass sie ein deutliches Leiden und zwischenmenschliche Schwierigkeiten verursachen müssen.

Sexuelle Funktionsstörungen werden manchmal auch als «sexuelle Dysfunktionen» oder «funktionelle Sexualstörungen» bezeichnet. In der Fachsprache werden allerdings feine Unterscheidungen gemacht. Dort ist es üblich geworden, von «sexuellen Dysfunktionen» dann zu sprechen, wenn eine vorwiegende oder ausschließliche körperliche Ursache vorliegt. Als «funktionelle Sexualstörungen» werden dagegen Beeinträchtigungen bezeichnet, die als psychisch bedingt anzusehen sind. Diese werden genauer definiert als jene Beeinträchtigungen im sexuellen Verhalten, Erleben und in den physiologischen Reaktionsweisen, die eine für beide Partner befriedigende sexuelle Interaktion behindern oder unmöglich machen, obwohl die organischen Voraussetzungen bestehen und keine Fixierung auf unübliche Sexualziele oder -objekte vorliegt.

Der Begriff «sexuelle Funktionsstörung» ist also übergeordnet und umfasst alle Beeinträchtigungen sexueller Funktionen, unabhängig von ihrer angenommenen oder nachgewiesenen Entstehung.

6. Lebensqualität: Sind sexuelle Störungen nicht ein Randproblem?

Sexuelle Gesundheit hat nicht nur eine große Bedeutung für die sexualbezogene, sondern auch für die allgemeine Lebensqualität. Diese Beziehung wurde in verschiedenen Studien bestätigt (Fugl- Meyer et al. 1997, McCabe 1997, Litwin et al. 1998, Ventegodt 1998, Schäfer et al. 2003). Die wichtigsten Resultate lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Sexuell nicht aktive Menschen haben eine deutlich niedrigere Lebensqualität. Diese ist allerdings auch durch das Fehlen eines geeigneten Sexualpartners bedingt.

Männer mit Sexualstörungen haben im Vergleich zu nicht funktionsgestörten Männern erhebliche Einbußen, was die emotionalen, sozialen und sexuellen Qualitäten von Intimität und Paarverbundenheit betrifft. Das Auftreten der sexuellen Dysfunktion erleben sie als Zusammenbruch der gefühlsmäßigen und sexuellen Nähe in der Partnerschaft. Als Folge ziehen sie sich nicht nur innerhalb der Paarbeziehung zurück, sondern sie reduzieren auch ihre sozialen und Freizeitaktivitäten.

Auch bei Frauen sind sexuelle Probleme mit verminderter Leistungsfähigkeit und verringerter Befriedigung im zwischenmenschlichen, beruflichen und emotionalen Bereich verbunden. Dabei scheint es Frauen weniger als Männern zu gelingen, die sexuellen Probleme z.B. durch eine «Flucht in die Arbeit» zu kompensieren bzw. zu verdrängen.

Eine Verringerung der sexuellen Symptomatik führt zu einer signifikanten, also deutlichen Verbesserung der Lebenszufriedenheit und der seelischen Gesundheit, insbesondere zu einer Verminderung von Ängsten oder Depressionen, sowie zu einer Verbesserung der zwischenmenschlichen Sensibilität und Selbstachtung.

Aus den Ergebnissen dieser Studien wird deutlich, dass die sexuelle Gesundheit kein Randbereich ist, sondern einen ganz zentralen Erlebens- und Verhaltensbereich des Menschen darstellt.

II. Der sexuelle Reaktionszyklus nach Masters und Johnson

7. Sexuelle Reaktionen: Funktionieren sie bei allen gleich?

Jeder gesunde Mensch ist zu Reaktionen auf sexuelle Reize fähig. Welche Reize im Einzelnen als stimulierend empfunden werden, ist nicht nur bei jedem Menschen verschieden, sondern auch situationsbedingt bei ein und demselben Menschen anders. Auch kommt es auf die individuellen Erfahrungen an. Das physiologische Grundprinzip des sexuellen Reaktionsmusters ist jedoch bei allen Menschen gleich und auch bei beiden Geschlechtern sehr ähnlich. Die anatomischen und physiologischen Reaktionen auf eine wirksame sexuelle Stimulierung wurden erstmals von Masters und Johnson (1967) beschrieben.

Im Gegensatz zu Tieren kann beim Menschen sexuelle Erregung fast zu jeder Zeit auf unterschiedlichste Weise und durch viele verschiedene Auslöser entstehen. So kann sie durch den Anblick oder das Berühren einer bestimmten Person, durch bestimmte Gerüche oder Töne, aber natürlich einfach auch durch Gedanken, Erinnerungen und Phantasien hervorgerufen werden. Manche Menschen können allein über Phantasien zum Orgasmus kommen. Männer sind durch erotische Gedanken, Vorstellungen und Phantasien in der Regel leichter beeinflussbar als Frauen. Von den fünf Sinnesorganen führt wahrscheinlich der Tastsinn am häufigsten zur sexuellen Erregung. Da bestimmte Regionen des Körpers besonders viele Nervenendigungen aufweisen, sind sie berührungsempfindlicher und daher empfänglicher für sexuelle Stimulation als andere. Deshalb werden diese Körperregionen auch «erogene» Zonen genannt. Sexuelle Reaktionen können allerdings auch ohne sexuelle Ursachen und vom Gehirn unabhängig hervorgerufen werden. Solche Reize nennt man «reflexiv». Sexuelle Reflexreaktionen wirken also auch nach einer Durchtrennung des Rückenmarks und kommen somit auch bei Querschnittsgelähmten vor. Ebenso bekannt ist, dass besonders morgens eine gefüllte Harnblase, aber z.B. auch das Heben schwerer Gewichte zu Erektionen führen können, die losgelöst vom sexuellen Lustempfinden auftreten.

Aber auch unangenehme psychische Reize, wie Angst und Stress z.B. in Prüfungsvorbereitungen, können bei Männern manchmal ungewollte Erektionen hervorrufen.

Generell reagieren Männer mehr als Frauen auf optische Reize, während bei Frauen die sexuelle Erregung durch die gesamte Atmosphäre und vor allem akustisch, also über die Stimme, ausgelöst wird. Ein Sprichwort besagt, dass die Liebe der Männer durch die Augen und die der Frauen durch die Ohren geht.

8. Sexueller Reaktionszyklus: Wie läuft er denn ab?

Sexuelle Aktivität führt zu bestimmten physiologischen Veränderungen im Körper, die nach einem bestimmten typischen Muster ablaufen. Am einfachsten lässt sich dieses Muster als Auf- und Abbau von Spannungen beschreiben. Es verläuft bei einer wirksamen Stimulierung stets in gleicher Weise, unabhängig davon, durch welche Reize die Erregung ausgelöst wird. Dieses Reaktionsmuster wurde 1967 von Masters und Johnson als sexueller Reaktionszyklus bezeichnet und in ihrem bekannten Buch «Die sexuelle Reaktion» beschrieben. Die Ergebnisse beruhen auf Studien an 382 Frauen und 312 Männern. Zusätzlich zu den physiologischen Untersuchungen wurden 619 Frauen und 654 Männer befragt.

Der sexuelle Reaktionszyklus erfolgt nach einem von Masters und Johnson erarbeiteten Vierphasenschema. Unterschieden wird

1. die Erregungsphase

2. die Plateauphase

3. die Orgasmusphase und

4. die Rückbildungsphase.

Die Erregungsphase kann durch jede körperliche oder psychische sexuelle Stimulierung hervorgerufen werden. Zusammen mit der Rückbildungsphase nimmt sie zeitlich den größten Teil des gesamten Reaktionszyklus ein. In der zweiten Phase, der Plateauphase, steigt die sexuelle Spannung an und erreicht die hohe Stufe, von der aus der Orgasmus möglich ist. Die Dauer der Plateauphase hängt größtenteils von der Wirksamkeit der Reize ab, aber auch von psychischen Faktoren. Die Orgasmusphase ist auf wenige Sekunden begrenzt, in denen es zu Kontraktionen (Zusammenziehen) der Gefäße und Muskeln kommt. Die subjektive Empfindung ist dabei auf das Becken gerichtet, obwohl physiologisch der gesamte Körper einbezogen ist.

Während der weibliche Höhepunkt in Dauer und Intensität sehr unterschiedlich verlaufen kann, ist der männliche Orgasmus in seinem Ablauf stärker standardisiert. Die Rückbildungsphase beim Mann schließt immer eine individuell unterschiedlich lange Refraktärzeit (d. h. die Zeit, in der kein Orgasmus möglich ist) ein, während die Frauen die Fähigkeit zu multiplen (mehreren) Orgasmen haben.

Von diesem sexuellen Reaktionszyklus unterscheiden Masters und Johnson einen sog. geriatrischen (altersbedingten) sexuellen Reaktionszyklus bei über 50-Jährigen mit verlängerter Refraktär- periode und anderen alterstypischen Phänomenen (s. Fragen 9 und 11).

Auch konnten Masters und Johnson in ihren Untersuchungen zeigen, dass keine grundlegenden Unterschiede in den Sexualreaktionen homo- und heterosexuell orientierter Menschen bestehen.

9. Orgasmus: Wie baut er sich im Körper auf?

In den einzelnen Phasen des sexuellen Reaktionszyklus finden charakteristische Veränderungen an den Genitalorganen ab, die von Masters und Johnson sehr genau untersucht worden sind und die nachfolgend beschrieben werden.

Erregungsphase

Als erstes physiologisches Zeichen sexueller Erregung tritt beim Mann die Erektion des Penis auf. Die drei Schwellkörper füllen sich mit Blut, wodurch der Penis sich hebt und versteift. Gleichzeitig zieht sich die glatte Muskulatur des Hodensacks zusammen, seine Haut verdickt sich, die Hoden werden durch die Muskeln der Samenstränge aufwärts zur Bauchhöhle gezogen. Die Reaktion erfolgt beim Mann unter 40 Jahren ca. 3 bis 8 sec nach Beginn der sexuellen Stimulierung. Bei über 50-Jährigen ist die Erektion langsamer und die Hodenhebung geringer.

Zu den ersten und deutlichsten Anzeichen sexueller Erregung bei Frauen zählt die vaginale Feuchtigkeit, auch Lubrikation genannt, die bei Frauen unter 40 Jahren ca. 10 bis 30 sec nach Beginn der sexuellen Stimulierung auftritt. Bei Frauen nach den Wechseljahren ist sie deutlich verringert. Mit fortschreitender Erregung vergrößern sich die inneren Zweidrittel der Scheide in der Breite und in der Länge. Gleichzeitig mit der Aufblähung der Vagina verändert sich die Färbung von hellrot zu dunkelrot. Bei Frauen, die noch nicht entbunden haben, flachen die großen Schamlippen ab und legen so die Scheidenöffnung frei. Bei Frauen, die schon ein- oder mehrmals geboren haben, schwellen die ohnehin größeren großen Schamlippen in Folge der Durchblutung weiter an. Aber auch hier wird die Scheidenöffnung freigelegt. Auch die kleinen Schamlippen schwellen an und bekommen eine zunehmend rote Farbe. Bei den über 50-jährigen Frauen schwellen allerdings die Schamlippen geringer an. Ebenfalls nimmt die Klitoris durch das Auffüllen der Schwellkörper mit Blut an Umfang und Größe zu. Gleichzeitig beginnt die Gebärmutter (Uterus) sich aufzustellen und sich in den Unterleib hineinzuziehen. Dadurch verlängert sich die Vagina und es entsteht das sog. Zeltphänomen. Parallel breitet sich auf dem Oberkörper eine Hautrötung, das sog. Sex-Flush-Phänomen aus. Im Alter bleibt es allerdings meist aus.

Plateauphase

Das Wort «Plateau» weist darauf hin, dass ein bestimmter Grad der Erregung erreicht ist und eine Zeit bestehen bleibt, bis es von dort aus zum Orgasmus kommt. Die Plateauphase ist also die Fortsetzung der Erregungsphase.

Bei Männern verändert sich der erigierte Penis nicht wesentlich. Es kommt jedoch zu einem weiteren Anschwellen und manchmal auch zu einer Farbveränderung der Eichel. Die Hoden dagegen vergrößern sich um ca. 50 % und werden noch dichter an den Unterleib herangezogen. Die Cowper-Drüsen sondern ca. zwei bis drei Tropfen klare Flüssigkeit ab, die aus der Harnröhre austreten können (im Volksmund: «Sehnsuchtstropfen»). Sie können auch Samenzellen enthalten. Das Rektum und die Analmuskulatur beginnen zu kontraktieren. Bei Frauen füllt sich in der Plateauphase die Scheidenwand des äußeren Drittels mit Blut. Dieser Teil der Vagina, der sich in der Erregungsphase geringfügig erweitert hat, verengt sich dadurch um ungefähr ein Drittel. Das stark durchblutete und sich dadurch verengende äußere Drittel der Scheide wird deshalb auch als «orgastische Manschette» oder «Plattform» bezeichnet. Die großen Schamlippen verändern sich im Laufe der Plateauphase nicht mehr. Jedoch wird die Rotfärbung der kleinen Schamlippen noch intensiver, besonders bei Frauen, die bereits Kinder geboren haben. Dieser auffallende Farbwechsel zeigt das Bevorstehen des Orgasmus an. Die Scheidenfeuchtigkeit nimmt weiter zu und die Klitoris zieht sich unter ihre Vorhaut zurück, so dass sie nicht mehr tastbar ist. Der Uterus wird weiter in den Unterleib hineingezogen und nimmt an Umfang zu. Auch die Brüste vergrößern sich und die Brustwarzen beginnen, sich aufzustellen. Bei älteren Frauen ist die Ausprägung jedoch geringer.

Orgasmusphase