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Gegensätze ziehen sich aus. Ein eigenes Geschäft war schon immer mein Traum, den ich nun in Wildrose Landing endlich verwirkliche. Mit meinem Faible für Kristalle, Öle und Energien bringe ich nicht nur frischen Wind in die Kleinstadt, sondern auch in das Leben von Jack Cooper. Er kämpft verzweifelt darum, den Verlust seiner Frau zu verarbeiten und gleichzeitig ein guter Vater für seine drei Kinder zu sein. Sein Leben ist geprägt von Struktur, Regeln und akribischen To-do-Listen - eine Ordnung, an der er festhält wie an einem rettenden Anker. Für eine neue Liebe scheint er noch lange nicht bereit zu sein. Doch während ich mehr und mehr seinem Charme erliege, frage ich mich: Sind unsere Unterschiede nicht der Grund für unnötige Komplikationen? Oder könnte es gerade diese Vielfalt sein, die uns beide glücklich macht?
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Seitenzahl: 350
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Gegensätze ziehen sich aus.
Ein eigenes Geschäft war schon immer mein Traum, den ich nun in Wildrose Landing endlich verwirkliche. Mit meinem Faible für Kristalle, Öle und Energien bringe ich nicht nur frischen Wind in die Kleinstadt, sondern auch in das Leben von Jack Cooper. Er kämpft verzweifelt darum, den Verlust seiner Frau zu verarbeiten und gleichzeitig ein guter Vater für seine drei Kinder zu sein. Sein Leben ist geprägt von Struktur, Regeln und akribischen To-do-Listen - eine Ordnung, an der er festhält wie an einem rettenden Anker. Für eine neue Liebe scheint er noch lange nicht bereit zu sein.
Doch während ich mehr und mehr seinem Charme erliege, frage ich mich: Sind unsere Unterschiede nicht der Grund für unnötige Komplikationen? Oder könnte es gerade diese Vielfalt sein, die uns beide glücklich macht?
Abby Brooks ist amerikanische Romance Autorin und lebt mit der Liebe ihres Lebens und ihren drei Kindern in einer Kleinstadt in Ohio. Sie liebt es, in der Küche zu tanzen, zu lachen und bis spät in die Nacht zu lesen.
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Abby Brooks
Shameless
Aus dem Amerikanischen von Ruth Sander
Cover
Titel
Inhaltsverzeichnis
Impressum
Titelinformationen
Grußwort
Informationen zum Buch
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Kapitel 1 — Jack
Kapitel 2 — Amelia
Kapitel 3 — Jack
Kapitel 4 — Amelia
Kapitel 5 — Jack
Kapitel 6 — Amelia
Kapitel 7 — Jack
Kapitel 8 — Amelia
Kapitel 9 — Amelia
Kapitel 10 — Jack
Kapitel 11 — Amelia
Kapitel 12 — Amelia
Kapitel 13 — Jack
Kapitel 14 — Amelia
Kapitel 15 — Jack
Kapitel 16 — Amelia
Kapitel 17 — Amelia
Kapitel 18 — Jack
Kapitel 19 — Amelia
Kapitel 20 — Jack
Kapitel 21 — Amelia
Kapitel 22 — Jack
Kapitel 23 — Amelia
Kapitel 24 — Jack
Kapitel 25 — Amelia
Kapitel 26 — Jack
Kapitel 27 — Amelia
Kapitel 28 — Jack
Kapitel 29 — Amelia
Kapitel 30 — Amelia
Kapitel 31 — Jack
Kapitel 32 — Amelia
Kapitel 33 — Amelia
Kapitel 34 — Jack
Kapitel 35 — Jack
Kapitel 36 — Amelia
Kapitel 37 — Jack
Kapitel 38 — Amelia
Kapitel 39 — Jack
Kapitel 40 — Amelia
Epilog — Amelia
Impressum
Lust auf more?
Jack
Brannte irgendetwas im Haus?
Schon wieder?
Ich schaltete den Föhn aus, der auf den Kopf meiner Tochter Charlie gerichtet war, und schnupperte daran. Nein. Der Apparat war zwar alt, aber nicht die Ursache des Gestanks. Danach roch ich an Charlies halb trockenen Locken und fing einen Hauch Erdbeershampoo auf. Die waren es Gott sei Dank auch nicht. Charlie hatte mir viele Fehler beim Frisieren ihrer Haare vergeben, doch ich hätte es mir nie verziehen, wenn ich sie in Brand gesetzt hätte.
Ihre leuchtenden Augen begegneten meinen. »Was ist los, Daddy?«
Ich schnupperte wieder. Von irgendwoher kam definitiv Rauch. »Riechst du …«
»Dad!«, schallte Connors Stimme durch den Flur, dicht gefolgt vom Schrillen des Feueralarms.
Hastig drückte ich Charlie, der vor Überraschung der Mund offen stehen blieb, den Föhn in die Hand. »Rühr dich nicht von der Stelle.«
»Aber, Daddy …«
»Mach einfach, was ich dir sage, Charlie.« Ich rannte zu der Rauchwolke, die aus der Küche drang. Als ich um die Ecke bog, goss Garrett gerade ein Glas Wasser in die Pfanne auf dem Herd.
»Schon erledigt!«, rief er, während Qualm und Dampf von der Sauerei aufstiegen.
Dann schnappte Garrett sich einen Stapel Briefe, und Connor zog einen Stuhl unter den kreischenden Feuermelder. Zusammen kletterten meine Söhne hinauf, wedelten unter dem Gerät herum, und ich riss ein Fenster auf, um die Morgenluft hereinzulassen. Vogelgezwitscher ersetzte das Geheul, als Charlie im Türrahmen auftauchte, deren halb trockenes Haar total kraus war. Hoffentlich wusste die Babysitterin, wie sie ihr helfen konnte, denn ich war nicht imstande, das wieder in Ordnung zu bringen – vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass ich schon jetzt zu spät dran war.
»Was ist passiert?«, fragte Charlie mit ihrer Kleinmädchenstimme.
Ich fuhr mir mit einer Hand durch die dunklen Locken und trug die immer noch dampfende Pfanne vorsichtig zum Spülbecken. »Als ich dir die Haare geföhnt habe, habe ich die Pfannkuchen vergessen. Dieser hier ist völlig verkohlt.«
»Oh.« Charlie guckte traurig. »Tut mir leid.«
Zischend landete die Pfanne im Spülbecken, weil ich quer durch die Küche eilte und mich vor meine Tochter hockte. »Nein, nein, nein, meine Kleine. Das ist nicht deine Schuld.«
»Stimmt.« Garrett nickte und zog eine Flunsch. »Es ist Dads Schuld.«
Ich schnaubte und schaute mich ungläubig zu ihm um. »Ach ja? Meinst du, du könntest das besser?«
»Wahrscheinlich.« Mein Ältester zuckte die Achseln und sah mir herausfordernd in die Augen, ehe er den Blick abwandte. Seine Botschaft war klar: Du machst das nicht gerade toll, alter Mann.
»Mommy hat Charlie immer nach dem Frühstück die Haare gemacht.« Connor lächelte hilfsbereit.
Seufzend stand ich wieder auf und nickte. »Verstanden. Zuerst die Raubtierfütterung und danach der Kampf mit dem Lockenmonster.«
Und irgendwann zwischendurch musste ich Zeit finden, um zu duschen, mich zu rasieren und für die Arbeit anzuziehen, ohne das Haus niederzubrennen. Als die Kinder zur Schule gegangen waren, war das sehr viel einfacher gewesen. Jetzt, wo die Sommerferien angefangen hatten, lief jeder Morgen anders ab, was für mich eine Katastrophe war. Ich brauchte eine feste Routine. Dieses Jeder-wie-er-will in der Frühe würde mich noch umbringen. Sollte ich vielleicht einen straffen Zeitplan einführen? Ihnen den Wecker stellen, als müssten sie sich für die Schule fertig machen? Die Idee, eine To-do-Liste an den Kühlschrank zu heften, die meine Kinder den Vormittag über dann brav abarbeiteten, war verlockend.
Alles klar, so wurde man Vater des Jahres.
Doch während das für mich alles einfacher machen würde, wären die Kinder zu Recht böse auf mich. Das konnte ich ihnen nicht antun.
Ich verwuschelte Connor das blonde Haar und öffnete den Küchenschrank. »Sieht so aus, als gäbe es heute wieder Cornflakes.«
»Ich kann das machen.« Garrett riss die Kühlschranktür auf, holte eine Großpackung Milch heraus und begegnete meinem unsicheren Blick mit einem Stirnrunzeln. »Ehrlich, Dad. Ich kann das.«
Als der Älteste der Cooper-Crew hatte er nach Natalies Tod sein Bestes getan, um mich zu unterstützen, doch die Hilfe eines Neunjährigen brachte mir oftmals noch mehr Arbeit ein. Dennoch ließ das Ticken der Uhr mich zustimmend nicken, ehe ich wieder ins Bad lief, mir einen Kamm durchs Haar zog und hastig eine Krawatte umband. Plötzlich krachte in der Küche eine Schüssel auf den Boden, und ich schlug mir verzweifelt mit der Hand vor die Stirn.
»Schon in Ordnung!«, rief Charlie mir zu. »Wir machen es wieder sauber!«
Eineinhalb Jahre waren inzwischen seit Natalies Tod vergangen, aber ich hatte immer noch Mühe, alles allein hinzukriegen.
Die Kinder verkamen.
Das Haus ebenfalls.
Und ich?
Ich hatte keine Zeit, über mich nachzudenken. Ich musste mich zusammenreißen und dafür sorgen, dass für die Kinder weiterhin alles normal lief. (So normal wie möglich jedenfalls.) Sie hatten ihre Mom verloren, und ich wollte verdammt sein, wenn ich sie auch alles andere verlieren ließ, was sich in der Welt gut und richtig anfühlte. Sie brauchten Beständigkeit, und wenn das bedeutete, dass ich bei dem Versuch, beide Rollen zu übernehmen, wie ein Irrer herumlaufen musste, dann war das eben so.
Meine Kinder hatten es verdient.
Ein Läuten an der Tür kündigte die Ankunft der Babysitterin an. Ich stöhnte laut. »Bitte lass sie heute lieb sein«, raunte ich meinem Spiegelbild zu, bevor ich zur Haustür lief und sie hastig öffnete.
Das Mädchen, das ich angeheuert hatte, um auf die Kinder aufzupassen, zuckte vor Überraschung zusammen, riss sich von seinem Handy los und schaute mich mit großen Augen an. »Oh! Mr. Cooper. Hi. Sie haben mich erschreckt.« Das Mädchen spähte über meine Schulter, schnupperte und zog besorgt die Brauen zusammen. »Ist wieder etwas angebrannt?«
***
Ein Klopfen an meiner Bürotür ließ mich auf die Uhr schauen. Mein Termin mit den Tarringtons war erst in einer halben Stunde, obwohl sie oft zu früh kamen – meist weil sie mit mir über ihre noch unverheiratete Tochter Lisa reden wollten. Sie meinten es gut, aber verflucht noch mal, das Letzte, was ich brauchte, war noch jemand, um den ich mir Sorgen machen musste. Wenn es nach mir ginge, würde ich nie wieder eine ernsthafte Beziehung eingehen. Hin und wieder ein Date zu haben, konnte ich mir vorstellen. Mehr aber auch nicht. Die Kids konnten mich nicht noch abgelenkter gebrauchen, als ich es ohnehin schon war.
Ich kippte den Rest meiner zweiten Tasse Kaffee herunter. »Herein!«
Doch statt des korpulenten Isaac Tarrington und seiner gertenschlanken Frau Gwen machte Jude Malone die Tür auf und lehnte sich an den Rahmen. Er und ich und unsere Kumpel Austin O’Connor und Alex Prescott waren seit der Mittelschule befreundet. Im Laufe der Jahre hatten wir vier uns ziemlich viel Ärger eingehandelt, meist wegen einer von Judes »großartigen Ideen«.
»Verdammt, Jack. Du siehst scheiße aus. Und du riechst nach …« Er zog die Nase kraus. »… verbranntem Toast?«
»Pfannkuchen.« Ich schnupperte an meinen Hemdsärmeln, und es stimmte, ich stank. Na toll. Mit hochgezogenen Brauen betrachtete ich Jude. »Alles in Ordnung?«
Die Frage schien ihn zu erstaunen. »Warum sollte was nicht in Ordnung sein?«
»Weil es erst neun Uhr ist, und du nicht unbedingt ein Frühaufsteher bist. Und nach meinem letzten Kenntnisstand arbeitest du nicht hier. Ich zähle nur eins und eins zusammen.«
»Ich muss mich im Cheers ’n’ Beers blicken lassen, um mit jemandem über eine Werbekampagne zu sprechen, und danach die Vorräte überprüfen. Diesen nervtötenden Chef-Kram machen, der mich noch umbringen wird, wenn ich es zulasse. Ich sag dir, wenn ich früher gewusst hätte, was man wirklich tun muss, um eine Bar zu betreiben, hätte ich den Laden nie aufgemacht. Aber … ich dachte, ich schau unterwegs mal kurz vorbei und heitere dich ein wenig auf. Dir ist doch bestimmt langweilig! Ich weiß nicht, wie du dich den ganzen Tag mit Zahlen beschäftigen kannst, ohne den Verstand zu verlieren.« Er grinste mich schelmisch an, und ich schüttelte mit einem trockenen Auflachen den Kopf.
»Ist mir was entgangen?« Ich blickte über meine Schulter und dann an mir herunter. »Habe ich mich vielleicht über Nacht in eine Frau verwandelt? Denn ich könnte schwören, dass du was von mir willst, wenn du auf dem Weg zur Arbeit in meinem Büro auftauchst, um mich ein wenig ›aufzuheitern‹.« Ich malte Anführungsstriche in die Luft, während Jude mich spöttisch ansah.
»Wir haben uns eine Weile nicht gesehen, Mann. Und da der einzige Ort, an dem man dich jemals antrifft, dein Arbeitsplatz ist …« Er fuhr sich mit einer Hand durch das blonde Haar und deutete dann mit dem Daumen über die Schulter. »Tabitha hat gesagt, du hättest ein paar Minuten Zeit, deshalb bin ich durchgegangen.«
Ich kniff die Augen zusammen. »Willst du mir etwa sagen, dass du mich vermisst hast? Steckt das dahinter?«
Jude schnaubte und stieß sich vom Türrahmen ab. »Scheiße, Mann. Du musst mal wieder am Leben teilhaben.«
Aaah, die alte Leier. Seufzend kniff ich mir in den Nasenrücken und schloss die Augen. Als ich wieder aufblickte, streckte mein Freund mir die Handflächen entgegen.
»Hör mal, Jack …« Er trat einen Schritt vor. »Ich weiß, dass du es schwerhast ohne Natalie, aber so kannst du nicht weitermachen. Du arbeitest. Gehst nach Hause. Und wieder von vorn. Das ist doch kein Leben. Du weißt, dass Nat es hassen würde, dich so zu sehen … wie soll ich es sagen? So abgekapselt.«
»Ich habe ja wohl keine große Wahl, oder? Alleinerziehend zu sein ist wirklich hart. Ich bin dauernd erschöpft und versuche einfach bloß, für die Kinder alles so zu machen wie früher.«
»Vielleicht – das ist nur ein Schuss ins Blaue –, aber vielleicht wäre es Zeit, damit aufzuhören, sich an das zu klammern, was früher normal war. Wie wäre es denn mit einer neuen Normalität?« Er grinste mich aufmunternd an. »Ich weiß. Lass das ein wenig sacken. Ich bin einfach genial.«
»Unsere Normalität ist neu, das kannst du mir glauben. Nichts, was ich in den letzten anderthalb Jahren getan habe, fühlt sich so an, wie es sollte.«
Und ich hasste das.
Während Jude anscheinend schockiert zur Kenntnis nahm, dass sein toller Ratschlag meine Probleme nicht lösen würde, tauchte Tabitha hinter ihm auf. »Die Tarringtons sind da. Zu früh, wie üblich.« Sie musterte mich mit einem mitfühlenden Lächeln und Jude mit einem Wir könnten im Konferenzraum ficken-Blick, machte auf dem Absatz kehrt und verschwand.
»Dann lass ich dich mal wieder an die Arbeit gehen, aber nicht bevor ich dir ein unwiderstehliches Angebot gemacht habe.« Judes Augen leuchteten so wie immer, wenn er eine großartige Idee vorstellte. »Heute Abend treffen wir uns alle im Cheers ’n’ Beers. Du solltest dazukommen.« Er hob die Hände und beugte den Kopf. »Falls du dich freimachen kannst.«
»Ja, falls ich mich freimachen kann.«
Das konnte ich nämlich nicht. Das wussten wir beide, aber hey, die Hoffnung starb zuletzt.
»Und wenn du es nicht schaffst, kommst du Freitagabend zu Evie und Alex, ja? Ich habe gehört, ihre Freundin wäre ziemlich verrückt. Wird sicher eine lustige Begrüßungsparty.«
Jetzt kam’s. Es lag ihm auf der Zunge. Ich sah es ihm an. Er wollte sagen, dass Evies etwas durchgeknallte Freundin für einen einsamen Kerl wie mich genau die Richtige sein könnte. Also wappnete ich mich, aber glücklicherweise kannte Jude mich gut genug, um sich diesen Mist zu verkneifen. Wenn nur die anderen Einwohner von Wildrose Landing es genauso halten würden. Ich hatte genug Leute erlebt, die mir anboten, mich mit einer Cousine oder einer Bekannten oder irgendeiner Frau, die sie bei Mike’s getroffen hatten, zu verkuppeln.
Ich lehnte mich zurück und verschränkte die Hände hinter dem Kopf. »Wenn es nicht brennt oder sonst eine Katastrophe gibt, komme ich mit den Kindern.«
»Prima.« Jude grinste und klopfte mit den Fingerknöcheln an den Türrahmen. »Also wenn ich dich heute nicht in der Bar sehe, dann am Freitag.«
Als Jude davonschlenderte, ließ ich die Arme wieder sinken und den Blick zum letzten Familienfoto wandern, das wir vor Natalies Tod aufgenommen hatten. Damals war Charlie vier gewesen. Noch so klein, die dunklen Haare im selben Ton wie meine, hatte sie sich in meinen Armen gewunden. Nat hatte jedem unserer Jungen eine Hand auf die Schulter gelegt. Ihr Gesichtsausdruck war freundlich und ungekünstelt, und die Liebe zu uns strahlte ihr aus den Augen. Garrett und Connor, die das blonde Haar und die Sommersprossen von ihrer Mutter geerbt hatten, grinsten wie Honigkuchenpferde. Es war schon eine Weile her, dass einer von uns so glücklich ausgesehen hatte.
Isaac und Gwen Tarrington schoben sich durch die Tür, und ich setzte mich gerader hin und rang mir ein Lächeln ab.
»Jack! Lange nicht gesehen.« Wie immer war Isaacs tiefe Stimme eine Spur zu laut für ein so kleines Büro.
Ich stand auf und schüttelte beiden die Hand. »Schön, Sie zu sehen, Isaac. Gwen. Bitte setzen Sie sich doch.«
»Sie wollen direkt zum Geschäftlichen kommen?« Glucksend zog Isaac einen Stuhl für seine Frau hervor, ließ sich selbst auf einem anderen nieder und legte die Arme auf den Stützen ab.
»Genau.« Ich hatte nicht die Nerven für eine neuerliche Unterhaltung über ihre »perfekt zu mir passende« Tochter.
»Ich finde, wir kennen uns zu lange, um den Small Talk wegzulassen.« Gwen faltete die Hände im Schoß und nahm mich streng ins Visier. »Wie geht’s den Kindern? Langsam etwas besser?«
»Nein, noch nicht«, sagte ich betont optimistisch. »Ein Mädchen von der Wildrose Landing High passt heute auf sie auf, und ich hoffe, es hat hinterher kein Trauma.«
Gwen bauschte ihr Haar von unten her etwas auf. »So können Sie nicht weitermachen, das wissen Sie. Ein Babysitter nach dem anderen. Irgendwann werden die Kinder …«
»Den Kindern geht es gut.«
Das stimmte nicht.
Sie waren laut und ungezogen, und niemand konnte sie dazu bringen, sich anständig zu benehmen, aber für diese Unterhaltung hatte ich noch weniger Geduld als für die über Lisa. Meine Kinder waren meine Sache. Sie hatten viel durchgemacht, doch irgendwann würden sie die Trauer bewältigt haben und ruhiger sein.
»Lisa kommt nächste Woche in die Stadt.« Gwen setzte sich aufrechter hin. »Sie sollten sich mit ihr treffen. Vielleicht tut es Ihnen gut, mal aus dem Haus zu kommen.«
Ich unterdrückte ein Stöhnen. Ich hatte nichts gegen Lisa. Soweit ich wusste, war sie sehr sympathisch … und als Steuerberater ihrer Eltern war mir klar, dass sie aus einer wohlhabenden und intakten Familie stammte.
Aber dennoch kam von mir dazu verdammt noch mal ein Nein.
Lieber blieb ich den Rest meines Lebens allein, als es zu riskieren, mich wieder in eine Frau zu verlieben und sie dann so zu verlieren, wie ich Nat verloren hatte. Es war schon schlimm genug, dass die Kinder groß werden und mich eines Tages verlassen würden. Das war der Lauf der Dinge, doch mein Herz konnte nicht aufhören, den Moment zu fürchten. Dass ein Mensch aus meinem Leben gerissen worden war und drei weitere in etwa einem Jahrzehnt das Haus räumen würden, reichte mir. Welcher Mann, der bei klarem Verstand war, würde sich darauf einlassen, eine neue Frau in sein Leben zu lassen, wenn er wusste, welcher Herzschmerz auf ihn wartete, falls sie wieder ging? Dieser hier schon mal nicht.
Doch anstatt mir die Mühe zu machen, das alles den Tarringtons zu erklären, zuckte ich die Achseln, als wäre die Idee gar nicht so schlecht. »Ja, mal sehen.«
Isaac und Gwen grinsten einander siegessicher an, und ich lenkte das Gespräch wieder auf das Geschäftliche und hoffte, dass sich aus der Sache mit Lisa nicht mehr ergab.
Amelia
Das letzte Mal, als ich nach Wildrose Landing gefahren war, hatte das Leben meiner besten Freundin gerade einen schweren Knacks bekommen. Dann war Evie McAllister, die bis dahin auf meiner Couch geschlafen hatte, in dieser idyllischen Stadt in Neuengland der Liebe ihres Lebens begegnet und würde von nun an mit ihrem Mann bis an ihr seliges Ende dort wohnen.
Und ich?
In letzter Zeit war ich ruhelos gewesen. Der unerschütterliche Optimismus, den ich mir so hart erarbeitet hatte, hatte mich ein Stück weit verlassen, und je mehr ich mich bemühte, ihn wieder zu fassen zu bekommen, desto weiter entzog er sich mir. Ein alter Irrglaube, den ich eigentlich vor Jahren abgelegt hatte, fing wieder an, mich nachts wachzuhalten: Wenn mir einmal etwas Gutes widerfuhr, wurde es mir doch nur wieder genommen.
Was völlig unerklärlich war!
Schließlich hatte ich ein tolles Leben, und obwohl ich Evies Gesellschaft natürlich vermisste, war es ein großer Vorteil, mein Wohnzimmer wieder für mich zu haben. Trotzdem ging mir dieser Gedanke durch den Kopf, wenn ich am wenigsten damit rechnete, zum Beispiel wenn ich mich daran erinnerte, wie viel Spaß wir gehabt hatten, als sie noch bei mir gewesen war, und diese Erinnerungen mit meinem nun sehr einsamen Leben in der Wohnung kollidierten. Ich hasste das, nicht nur, weil es unschöne Gefühle weckte, sondern auch, weil es mir so vorkam, als entwickle ich mich zurück.
Es war Jahre her, dass negative Gedanken mich gequält hatten. Ich war mit voller Absicht zu einer überzeugten Optimistin geworden, die sich keine Sorgen machen musste, solange sie bloß auf ihr Höheres Selbst vertraute.
Und dennoch plagte mich diese nagende Angst.
Irgendetwas stimmte da nicht. Ich brauchte eine Veränderung.
Nach wochenlangen Meditationen, Gebeten und Gesprächen mit Evie hatten wir beschlossen, dass ich vor ihrer Hochzeit nach Wildrose Landing ziehen und dort ein Geschäft eröffnen würde, in dem ich Kristalle, Kräutersets, New-Age-Bücher und Lebensfreude-Kalender verkaufen wollte … einfach alles, was es in dieser Richtung gab. Ich hatte sogar vor, Mode zu entwerfen, die durch ihre Farben und Schnitte die Stimmung der Trägerinnen garantiert hob. Alles in allem wollte ich mich der Aufgabe widmen, gute Laune zu verbreiten, und ich fand die Idee supertoll.
Evie hatte mir angeboten, in ihrem leer stehenden Haus zu wohnen, solange ich mich in der Stadt umsah – ja, richtig gehört.
Ihrem!
Leer stehenden!
Haus!
Als ich sagte, ihr Leben habe sich um hundertachtzig Grad gedreht, habe ich es genau so gemeint. Ihr Höheres Selbst hatte sie gerade zur richtigen Zeit nach Wildrose Landing geführt, und ich hoffte, dass meines genauso klug war. Obwohl ich eigentlich keinen Grund hatte, daran zu zweifeln, denn diese wahren Ichs wussten irgendwie, was man brauchte, und wäre mir mitgeteilt worden, dass meins und Evies bei diesem kleinen Projekt zusammenarbeiteten, hätte es mich kein bisschen gewundert.
Dass wir uns beide in dieser Stadt niederließen, war von Anfang an vorherbestimmt gewesen.
Ich stellte die Musik lauter, bog schmunzelnd in die Main Street ein und betete kurz zu meinen Geistführern. »Wenn es nicht zu viel verlangt ist … Ich könnte etwas von dem besonderen Zauber gebrauchen, den ihr bei Evie angewandt habt, bitte. Und sicher habt ihr auch schon daran gedacht, ich wollte es nur noch mal ansprechen.«
An diesem Ort war alles richtig. Die hübschen Läden und die sauberen Gehwege. Die Menschen, die einander im Vorbeigehen zuwinkten. Manche winkten sogar mir zu, als ich vorüberfuhr. Wie reizend war das denn? Hier würde mir etwas Gutes widerfahren.
Es musste so sein.
Ich durfte nicht wieder in ein Loch fallen und depressiv werden, nachdem …
»Also«, sagte ich zu meinen Geistführern, um den Gedanken nicht zu Ende bringen zu müssen, »es ist nicht so, dass ich an euch zweifle, schließlich seid ihr diejenigen, die alles wissen und so, aber könntet ihr mir bitte ein Zeichen geben, dass ich auf dem richtigen Weg bin? Nur ein ganz kleines. Danach entspanne ich mich, versprochen.«
Ich wartete auf eine Antwort, was natürlich dumm war, denn man bekam nie so etwas Eindeutiges wie ein Ja, Amelia. Du machst alles richtig!.
Ich musste einfach mit Augen, Herz und Verstand empfangsbereit sein, dann würde ich das Zeichen schon erkennen.
Spontan parkte ich vor dem Sweet Stuff, dem Bonbonladen, der Evies zukünftiger Schwägerin gehörte, stieg aus meinem alten VW Käfer und streckte die Arme, um meine Verspannungen zu lösen, so dass meine Armbänder klimpernd nach unten rutschten. Ein Windhauch wehte mir meinen Boho-Rock raschelnd um die Knöchel und das blonde Haar über Rücken und Schultern. Ich sog die frische Meeresbrise ein und hielt das Gesicht in die Sonne, dann richtete ich mein Tanktop – das ich selbst entworfen hatte – und betrat das Geschäft.
Izzy Prescott schaute auf, als die Glocken über der Tür bimmelten. Ihre braunen Locken waren am Hinterkopf zusammengebunden, und knallroter Lippenstift betonte ihre ebenmäßigen Gesichtszüge. In Mode aus den fünfziger Jahren hätte sie umwerfend ausgesehen. »Oh, hallo! Evie hat mir gesagt, dass du heute ankommst, aber ich dachte, ich würde dich erst heute Abend bei der Party sehen.«
»Ich wollte da nicht mit leeren Händen auftauchen.« Ich musterte die Wände mit den Bonbongläsern, der einladenden Auswahl an Schokolade und ausländischen Süßigkeiten und den pastellfarbenen Leuchtreklamen und Emojis. »Ich hatte vergessen, wie sehr ich diesen Laden liebe.«
»Und wenn du siehst, was ich gerade hereinbekommen habe, wirst du ihn noch mehr lieben.« Ganz stolz kam Izzy um die Kassentheke herum, hakte mich unter und führte mich zu einem Tisch, auf dem exotische Softdrinks in dekorativen Glasflaschen arrangiert waren. »Manche kommen aus England, andere aus Frankreich, Italien oder Japan, und alle haben einen sehr ausgefallenen Geschmack.« Sie nahm eine schmale Flasche mit zarten Mustern im Glas aus dem Sortiment. »Irgendetwas sagt mir, dass dir diese Limo gefallen würde. Eine Mischung aus Holunderblüte und Rose, bei der ich am Anfang furchtbar skeptisch war, aber sie schmeckt wirklich sehr gut.«
Ich nahm die Flasche und studierte das Etikett. Holunderblüte und Rose? Das konnte sehr lecker sein … oder auch nicht. Jedenfalls wollte ich es wissen. Ich würde jede Mischung einmal probieren. Ach verdammt, vielleicht sogar zwei- oder dreimal. Wenn irgendetwas immer wieder in meinem Leben auftauchte, gab es einen Grund dafür, und ich würde mich darauf einlassen, bis ich herausgefunden hatte, warum das so war.
»Hört sich interessant an.«
»Ich dachte mir, dass du das sagst.« Izzy grinste. »Aber wenn du etwas für Evie und Alex kaufen willst, vergiss nicht, eine Tüte Geleebohnen mitzunehmen. Dafür hat mein Bruder schon immer eine Schwäche gehabt, und nun hat er sie auch noch damit angesteckt.«
»Perfekt.« Ich nahm eine riesige Tüte vom Stapel und füllte sie bis zum Rand mit Geleebohnen, dann suchte ich mir eine ganze Reihe von Softdrinks aus und reihte sie auf dem Tresen auf. Izzy tippte die Preise in die Kasse und war gerade dabei, alles sorgfältig in einem kleinen Pappkarton zu verstauen, als das Bimmeln der Glocken über der Tür die Ankunft eines weiteren Kunden ankündigte.
Drei aufgeregt kreischende Kinder stürmten in den Laden, und eine tiefe Stimme rief: »Garrett! Connor! Charlie! Rennt nicht so rum, ihr Wirbelwinde!«
Mit einem Zwinkern in Izzys Richtung öffnete ich die Geleebohnentüte, fischte eine Handvoll heraus und warf sie mir in den Mund. »Ich scheine auch eine Schwäche dafür zu entwickeln.«
»Ich habe nichts dagegen.«
Ich klemmte mir den überquellenden Karton unter den Arm und drehte mich genau in dem Augenblick um, in dem zwei blonde Jungs übereinander stolperten und mir in den Weg fielen. Als ich ihnen mit wild schwankenden Geleebohnen und Limoflaschen auswich, stieß ich mit einem kleinen Mädchen zusammen, das sich im Kreis drehte, und verlor die Kontrolle über den Karton, so dass der ganze Kladderadatsch vor den Füßen des Vaters aufschlug.
Aus den zerbrochenen Flaschen spritzte Limonade an seine Hosenbeine, während Geleebohnen sich über den Boden ergossen. Für den Bruchteil einer Sekunde blieb die Zeit stehen. Die Kids standen wie angewurzelt da und starrten stumm das Durcheinander an. Mein Blick dagegen wanderte an einer feuchten Khakihose hinauf, über schmale Hüften, ein weißes Button-down-Hemd mit aufgerollten Ärmeln – ein Fest für Armmuskelliebhaberinnen – zu breiten Schultern und landete schließlich bei den blausten Augen, die ich je gesehen hatte. Dunkle Locken betonten seine stoppeligen Wangen und die vollen Lippen. Schreck, Verlegenheit und ein kaum merkliches Lächeln huschten über das Gesicht des Mannes, als unsere Blicke sich trafen und mir der Atem stockte.
Da war es. Das Zeichen, um das ich gebeten hatte. Zugegeben, oberflächlich betrachtet wirkte das Ganze wie eine Katastrophe, da wir beide mit süßem Sirup vollgekleckert waren. Doch dass dieser Moment die besondere Bedeutung hatte, die einem lebensverändernden Ereignis zukam, war nicht zu übersehen.
Es zeigte sich an dem sanften und fragenden, aber seltsam vertrauten Blick, mit dem der Mann mein Gesicht musterte, den müden Ringen unter seinen Augen und dem hoffnungsvollen Lächeln auf seinen Lippen.
Dem stolz vorgereckten Kinn … und dem engen Hemd, das sich über seinem Oberkörper spannte und darauf hindeutete, dass sich darunter ausgeprägte Brust- und Bauchmuskeln verbargen.
Das hier war mein Zeichen … und es hätte nicht deutlicher sein können.
Eine Weile sahen wir uns schweigend an, und als die Kinder anfingen, sich gegenseitig die Schuld an dem Unfall zu geben, legte der Fremde den Kopf schief.
»Tja, hallo …« Ich hob eine Hand und wackelte mit den Fingern.
Da die kaputten Flaschen noch im Karton waren, bestand keine Gefahr, dass irgendjemand sich verletzte, doch das Chaos war auch ohne drei Kinder, die bei dem Versuch, einer Standpauke zu entgehen, darin herumtrampelten, schon groß genug. Ich riss die Augen von dem Mann vor mir los, wandte mich den Kleinen zu und bemühte mich, sie auf mich aufmerksam zu machen, indem ich die Hände vorstreckte.
»Hört mal«, sagte ich in meinem sanftesten Tonfall, »lasst uns nett zueinander sein. Schließlich hat man nur eine Familie.« Es brach mir das Herz, wenn ich daran dachte, aber ich flickte es mit einer großen Dosis Jetzt ganz diesen ungeheuer interessanten Augenblick genießen.
Als alle drei Kinder daraufhin aufhörten, schimpfend herumzuzappeln, staunte der Vater Bauklötze.
»Deshalb rennt man in Geschäften nicht herum.« Ich deutete auf die Geleebohnen-Häufchen und die Limonaden-Pfützen, die den Laden zierten, und lächelte ein Kind nach dem anderen an. »Nun müssen wir wohl hier aufräumen, was?«
Die beiden Jungs nickten, während das kleine Mädchen sich auf die Unterlippe biss. »Es tut mir sehr leid, dass ich dich angestoßen habe.«
»Zerbrich du dir deswegen nicht deinen kleinen Kopf! Versprich mir einfach, dass du ihn mit guten Gedanken füllst, damit du schöne Erlebnisse anziehst.«
Izzy kam mit einem Wischlappen und einem Abfalleimer, und wir klaubten die Geleebohnen vom Boden. Die zuckrige, knallbunte Umhüllung blieb an unseren Fingern haften, und dem Geruch der Holunderblüte-Rosen-Limo nach zu urteilen, würde sie mir wohl wirklich schmecken. Jedes Mal, wenn ich aufblickte, sahen ein Paar leuchtend blaue Augen auf mich herunter. Verstohlen hielt ich nach einem Ehering Ausschau, entdeckte aber nur männlich schöne und völlig nackte Finger. Mein Empfang in Wildrose Landing wurde immer besser!
Ich schenkte dem Mann ein Lächeln, doch das führte nur dazu, dass er die Stirn runzelte und wegschaute.
Ziemlich unterschiedliche Signale.
Während wir aufräumten, fingen die Kinder wieder an zu streiten. »Du hättest nicht so wild sein sollen, Connor«, sagte der größere Junge anklagend.
»Du hast doch damit angefangen.«
»Ich bin ja auch älter.«
Das kleine Mädchen stemmte die Hände in die Seiten und blies sich eine Locke aus den Augen. »Das sagst du immer, Garrett. Das heißt doch nichts. Ich bin ja auch älter«, äffte sie ihn nach und verdrehte die Augen.
»Aber es stimmt, und es heißt auch was. Erklär es ihr, Dad.«
Die Kinder wurden immer lauter und wütender, und bei dem superheißen Mann mit den kräftigen Händen und den strahlenden Augen begann ein Muskel am Kinn zu zucken, der sofort mit auf die Liste der Dinge kam, von denen ich den Blick nicht abwenden konnte. Warum gab er dieser negativen Energie nach? Die Kinder benahmen sich doch ganz natürlich und spiegelten wahrscheinlich nur die Art und Weise, wie er mit Problemen umging.
Bemüht, die Situation zu retten, richtete ich mich auf, stieg über die Unordnung hinweg und hockte mich vor das Trio. »Vielleicht verstehen wir uns alle nicht ganz richtig.«
Das kleine Mädchen rümpfte die Nase. »Wieso riechst du nach Erde?«
»Charlie!« Nun richtete sich auch der Vater wieder auf und setzte mit betretener Miene zu einer weiteren Entschuldigung an.
Es war nicht nötig, dass er meinetwegen seine Tochter zurechtwies. Kindermund tut Wahrheit kund – dieses Sprichwort fand ich großartig. In einer Welt, in der alles perfekt sein sollte, war diese Ehrlichkeit erfrischend.
»Das liegt sicher an meinem ätherischen Öl.« Ich hielt dem Mädchen meine Aromatherapie-Halskette hin, damit es daran schnuppern konnte. »Das ist Vetiver, mein Lieblingsduft. Ich umgebe mich mit Dingen, die ich mag, deshalb fällt es mir leicht, immer fröhlich zu sein.«
Alle drei Kinder beugten sich vor, um einen Hauch davon einzusaugen.
»Es riecht wirklich ein bisschen nach Erde, aber es erinnert mich auch an viel Gutes, und wenn ich gestresst bin, beruhigt es mich.« Ich schnupperte selbst an der Halskette, während die Kinder nickten.
»Ja«, sagte das größte – Garrett, soweit ich wusste. »Verstehe.«
»Ich auch.« Das mittlere Kind strahlte seinen älteren Bruder an.
Charlie blies sich wieder eine Locke aus den Augen. »Für mich riecht es immer noch nach Erde.«
Der Vater trat neben mich und entschuldigte sich vielmals, aber ich hörte kein Wort von dem, was er sagte, weil meine Geistführer und mein Höheres Selbst so laut auf mich einredeten. Denn dieser Mann, wer er auch war, brauchte Hilfe. Seine wunderschönen Augen wirkten sehr müde. Die gebeugten Schultern verrieten, dass er erschöpft und ausgelaugt war, und als er seine Kinder aufforderte, mich um Verzeihung zu bitten, klang er derart traurig, dass ich ihn am liebsten in den Arm genommen hätte – auch, wenn er nicht so unfassbar sexy gewesen wäre.
Aber was mir am besten an ihm gefiel, war, dass er offenbar trotz allem eine große innere Stärke besaß. Dass dieser Mann, obwohl er niedergeschlagen war und kämpfen musste, Energie und … Lebensfreude verströmte. Und das war für mich das Entscheidende.
Was auch immer es genau war, es bedeutete etwas. Ich wusste es einfach.
»Schon okay«, sagte ich und legte eine Hand auf seinen Arm. Daraufhin bot er an, mir meine Einkäufe zu bezahlen, doch Izzy wollte nichts davon hören, dass einer von uns noch mehr Geld ausgab. Als ich, die Arme erneut mit Süßigkeiten und Limonaden gefüllt, zu meinem Wagen zurückging, kreisten meine Gedanken nur um eine Frage: Wer war das?
Jack
Als die Tür sich hinter der blonden Schönheit mit dem schwingenden Rock und dem Tanktop schloss, schaute ich verblüfft zu meinen Kindern hinüber. In der Zeit nach Natalies Tod hatten sie in diesem Bonbonladen noch kein einziges Mal so lange stillgestanden. Ich wagte sogar zu behaupten, dass sie, als sie sich in angemessener Lautstärke ohne wüstes Gestikulieren unterhielten, fast so wie früher waren.
»Die war nett.« Cooper spähte durchs Fenster.
Charlie nickte. »Obwohl sie nach Erde roch.«
Connor zog die Nase kraus, wie immer, wenn er nachdachte, und wandte sich dann an mich. »Was ist verrucht?«
Angesichts der sorgenvoll gerunzelten Stirn, mit der er diese seltsame Frage stellte, hatte ich Mühe, mein mittleres Kind nicht auszulachen. »Verrucht?«
»Ja, das stand auf ihrem T-Shirt.«
Ich zog eine Grimasse. Auf ihrem Tanktop hatte die Frau stolz vermeldet, sie sei eine verruchte Kriegerin, keine verfluchte Kriecherin.
Garrett feixte. »Das ist ein schlimmes Wort.«
»Woher weißt du das?«, fragte Connor.
Ich sah meinen Ältesten durchdringend an. »Ja. Woher weißt du das?«
»Das sagst du immer, wenn du dich über irgendwas ärgerst.« Garrett stützte die Hände auf die Hüften und ahmte einen meiner Wutanfälle nach. »Diese verruchte Welt sollte …«
Ich hob die Hände. »Das reicht. Ich denke, wir haben verstanden.«
»Er macht dich sehr gut nach.« Izzy lachte mit funkelnden Augen und schüttelte beeindruckt den Kopf. Ich kannte Isabelle Prescott seit der Mittelschule. Als jüngere Schwester eines meiner besten Freunde hatte sie so oft bei unseren Streichen mitgemacht, dass sie uns schließlich wie ein Kumpel vorgekommen war – selbst nachdem sie aus ihrer Hässliches-Entlein-Phase heraus gewesen war.
»Das ist ziemlich traurig, oder? Es macht mir Angst, dass ich öfter die Beherrschung verloren habe, als ich dachte.« Schuldbewusst fuhr ich mir mit einer Hand durchs Haar.
Scheiße, Mann …
Ich tat alles, was ich konnte, und war doch kein gutes Vorbild für die Kinder.
»Das geht ja wohl allen Eltern so.« Izzy machte ein Gesicht, wie ich es in den letzten anderthalb Jahren zu häufig gesehen hatte. Es zeigte eine Mischung aus Mitleid und Missbilligung begleitet von einer nett gemeinten Plattitüde, die mir in der Krise, die ich gerade durchmachte, wohl helfen sollte.
Es wurde Zeit, über etwas anderes zu reden. Glücklicherweise drängte sich mir gerade ein sehr viel interessanteres Thema auf. Wenn man es so sagen wollte. Ich hatte den Namen der Frau nicht richtig verstanden, auch wenn die Tatsache, dass ich ihr Gesicht nicht kannte, mir alles verriet, was ich wissen musste.
Ich deutete mit dem Kopf zur Tür. »War das …?«
»Evies Freundin? Genau. Amelia Brown. Eine verruchte Kriegerin.« Die Kinder johlten, während Izzy breit grinste. »Tut mir leid. Ich konnte nicht widerstehen.«
»Amelia. Das ist ein schöner Name.« Charlie schlenderte zu der Wand mit den Gummibärchen, und die Jungs checkten den Tisch mit den Schokoriegeln. Kein Gezänk. Kein Gerenne. Kein Maschinengewehrgeballere.
Ich zwinkerte und rieb mir nachdenklich übers Gesicht, ehe ich mich Izzy zuneigte und ihr zuflüsterte: »Vielleicht war es falsch von mir, ätherische Öle als pseudowissenschaftlichen Kram abzutun.«
»Ich verstehe, warum du das sagst.« Izzy stützte die Arme auf dem Tresen ab und rückte noch näher an mich heran. »Aber vielleicht ist Amelia die Antwort auf deine Probleme und nicht irgendwelche Öle.«
Noch bevor sie den Satz zu Ende gebracht hatte, richtete ich mich kopfschüttelnd auf. »Ich werde sie nicht bitten, auf die Kinder aufzupassen. Sie ist ganz neu hier und hat Besseres zu tun, als sich mit meinen Problemen zu befassen.«
»Ich rede doch gar nicht übers Babysitten. Dafür gibt es ja Teenager.«
»Auf welches Problem sollte sie denn dann die Antwort sein? Ich wusste nicht, dass ich noch mehr hätte.«
Izzy stützte das Kinn in die Hände und schmunzelte. »Ich habe gesehen, wie du sie angesehen hast. Und sie dich auch, aber darüber können wir ja später noch reden.«
»Wie ich sie angesehen habe? Du meinst, völlig schockiert und verlegen, weil ich mit klebrigem Zuckerwasser bespritzt wurde, das irgendwie nach Blumen roch, weil meine Kinder sich danebenbenommen haben … wieder mal?«
»Tja, natürlich auch ein bisschen so, aber viel mehr so wie O mein Gott, das ist die schönste Frau, die ich in letzter Zeit gesehen habe.«
Ach, Mist. War ich so leicht zu durchschauen? Mit ihren langen blonden Haaren und dem unkonventionellen Stil war Amelia wirklich hinreißend … aber eben auch überhaupt nicht mein Typ. Falls die ätherischen Öle das noch nicht hinreichend belegten, dürfte das nicht ganz jugendfreie Tanktop zusammen mit den vielen Armbändern und dem Hippie-Rock die letzten Zweifel ausräumen. Die Frau war flatterhaft, ich bodenständig, und das war’s dann.
»Das stimmt doch gar nicht.« Ich schüttelte den Kopf und wandte mich ab, für den Fall, dass ich immer noch so leicht zu durchschauen war.
Izzy hob die Brauen. »Wem willst du hier etwas vormachen, Freundchen? Dir oder mir?«
»Schön.« Ich stützte die Arme ebenfalls auf den Tresen. »Ich finde sie attraktiv, aber komm schon. Wir wissen doch beide, dass ich keine Zeit habe, mit einer Frau auszugehen.« Und auch nicht die Kraft. Oder die Energie. »Es wäre nicht fair den Kindern gegenüber.«
»Es darf doch nicht immer nur um die Kinder gehen.« Izzy tätschelte mir die Hand, und ihr Gesicht wurde weicher.
»Muss es aber. Ich bin der einzige Elternteil, den sie noch haben. Deshalb muss ich ihre Bedürfnisse über meine stellen.« Schnell redete ich weiter, damit Izzy nicht darauf eingehen konnte. »Und ich habe nicht mal das Bedürfnis, mich zu verabreden.«
»Aber wir sind soziale Wesen, Jack. Wir brauchen Gesellschaft.«
»Daddy?« Charlie zupfte an meinem Hemd. »Darf ich das haben?« Sie hielt eine Flasche Limonade mit Zuckerwattegeschmack und ein Kästchen mit chinesischer Schrift und tanzenden Pandas hoch.
Dankbar für die Unterbrechung trieb ich die Kinder zusammen und half ihnen bei ihren Entscheidungen, dann gelang es mir, den Laden ohne weitere Unfälle zu verlassen. Als wir ins Auto stiegen, stellte ich fest, dass ich abgelenkt war, weil ich über Amelia nachdachte. Sie würde heute Abend bei Evies Party sein. Eigentlich war sie sogar der Grund für diese Feier. So bekam ich die Gelegenheit, mich dafür zu bedanken, dass sie in dem ganzen Durcheinander so verständnisvoll gewesen war.
Aber damit war dann auch Schluss. Selbst wenn es stimmte, dass man Gesellschaft brauchte, hatte ich wahrlich nicht die Zeit, noch irgendetwas oder irgendjemanden in meinen Terminplan aufzunehmen. Außerdem war Amelia mit ihrem Modeschmuck und ihrem küchenpsychologischen Positiv-Denken-Geschwafel das totale Gegenteil von mir.
Ich brauchte Struktur. Und sie brachte Chaos.
Ich war pragmatisch. Und sie spontan.
Ich war nicht auf dem Markt. Und sie Evies beste Freundin.
Nichts, rein gar nichts, würde zwischen uns passieren.
»Damit das klar ist, verdammt«, murmelte ich, als ich in meiner Zufahrt hielt, während drei Kinderstimmen mir sofort vorwarfen, schon wieder ein schlimmes Wort gesagt zu haben.
Amelia
Ich hielt vor dem Haus, in dem ich in der nächsten Zeit wohnen würde. Als ich den Motor abstellte und aus dem Wagen stieg, erhoben sich meine beste Freundin und ihr Verlobter von den Stufen der Verandatreppe.
Evie lief die Zufahrt hinunter und umarmte mich fest. »Ich dachte schon, du würdest nie hier ankommen.«
»Ich auch! Es tut so gut, dich zu sehen.« Ich wiegte uns vor und zurück, dann erreichte uns Alex mit seinem Hund Morgan, der an den Limonadespritzern auf meinen Schuhen schnüffelte, während sein ganzer Körper wackelte, weil er so heftig mit dem Schwanz wedelte. Ich hockte mich hin, um ihn zu streicheln. »Und es tut auch gut, dich zu sehen, mein Guter.«
Alex schlang einen Arm um Evies Taille. »Und für mich gilt das natürlich auch.«
»Selbstverständlich.« Ich stand auf und boxte ihm gegen die Schulter. »Jetzt sag, wie gut es tut, mich zu sehen.«
Er fuhr sich mit einer Hand durch das dunkle Haar und schmunzelte. »Das tut es wirklich. Seit ihr beschlossen habt, dass du hier einziehst, kann Evie gar nicht mehr stillsitzen.«
»Mir ging es genauso. Ich kann nicht glauben, dass ich endlich hier bin.«
Ich drehte mich einmal langsam um die eigene Achse und nahm das stattliche Haus und den Vorgarten in Augenschein. Rotahornbäume säumten die Zufahrt, und schlanke weiße Säulen stützten die Veranda. »Ich frage mich, was deine Großtante Ruth sagen würde, wenn sie wüsste, dass ich hier einziehe.«
Letztes Jahr war Evies Großtante gestorben und hatte ihr dieses riesige Haus vermacht, was der Anlass für ihren Besuch in Wildrose Landing gewesen war. Doch nun wohnte sie bei Alex, ihr eigenes Haus stand leer – und war perfekt für mich, um mich einzuleben und meine Geschäftseröffnung zu planen.
Evies graue Augen füllten sich mit Tränen, und sie legte trostsuchend den Kopf an Alex’ Schulter. »Sie wäre sicher froh über die Entscheidung.«
»Vielleicht sollte ich vor dem Zubettgehen deswegen meditieren, um herauszufinden, was meine Geistführer zu dem Thema zu sagen haben.« Ich zuckte die Achseln. »Wer weiß? Womöglich sind sie mit ihr befreundet.«
Evie verdrehte die Augen. »Du und dein Hokuspokus.«
»Du weißt, dass ich es hasse, wenn du es so nennst.«