Shanghai mit Suzhou & Hangzhou - Reiseführer von Iwanowski - Joachim Rau - E-Book

Shanghai mit Suzhou & Hangzhou - Reiseführer von Iwanowski E-Book

Joachim Rau

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Beschreibung

Anfang des 20. Jahrhunderts galt Shanghai als Mekka für Glücksritter, Abenteurer und Menschen, die eine Zuflucht suchten – und alle fanden hier ihren Platz. Als jedoch1 949 die Kommunisten die Macht übernahmen, fiel das einstige "Paris des Ostens" in einen regelrechten Dornröschenschlaf. Erst mit dem Aufbruch Chinas seit Anfang der 1990er-Jahre erlebt die Stadt am Huangpu-Fluss ein wirtschaftliches Wachstum, wie es die Welt bisher kaum gesehen hat. Doch hinter der glitzernden Fassade existiert eine faszinierende Parallelwelt aus Tempeln und Gassen mit alten Backsteinhäusern und traditionellem Gemeinschaftsleben. Hier scheint die Welt stillzustehen: Menschen sitzen im Pyjama auf der Straße, ihrem "Wohnzimmer", essen Reis und beobachten das Treiben umher. Tradition und Moderne sind in den Schluchten Shanghais leicht auszumachen. Der China-Experte Joachim Rau begleitet den entdeckungsfreudigen Besucher fachkundig und detailliert durch das neue und alte Shanghai. - Zahlreiche praktische Reisetipps eines Insiders; alle Ortsnamen auch in chinesischen Schriftzeichen - Reiseteil mit interessanten Spaziergängen und Tourenvorschläge für Aufenthalte von zwei bis sieben Tage - Detailkarten können per QR-Code kostenfrei auf das Smartphone oder den Tablet-PC geladen werden

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IWANOWSKI’S

SHANGHAI – Top-Ziele

Der Reichtum Shanghais in den 1920er- und 1930er-Jahren lässt sich am Bund entdecken: in imposanten neoklassischen Bauten, edlen Restaurants und Galerien. Gegenüber erhebt sich mit den Wolkenkratzern in Pudong das Shanghai von heute. Seite 102 Nirgendwo sonst ist Shanghai so lebendig wie in Xin Tiandi. Der gelungene Mix aus Tradition und Moderne macht dieses Ausgehviertel zu einer der beliebtesten Unterhaltungsgegenden der Stadt. Seite 165 Die Gassen der Altstadt führen durch das klassische Shanghai und zum berühmten Yu-Garten von 1559. Daneben pulsiert das geballte Stadtleben mit bunten Souvenir-Ständen und Geschäften. Seite 123 Zwischen Durchhalteparolen und unfreiwilliger Komik: Auf den Plakaten im Propaganda Poster Art Center leben die Zeiten von eisernen Reisschüsseln, Kollektivfarmen und Mao-Personenkult wieder auf. Seite 179 In Bauplänen, Videos und auf Fotos präsentiert das Urban Planning Exhibition Center das Shanghai von gestern, heute und morgen. Die größte Attraktion ist ist ein riesiges Modell, das schon jetzt die Zukunft der Stadt zeigt. Seite 138 Shanghais unzählige Museen und Galerien haben ein erstaunliches Niveau. Lebhaft geht es im Künstlerviertel Tianzifang zu, wo sich neben den Studios lokaler Künstler auch einige ausgefallene Boutiquen finden. Seite 171 Die Umgebung Shanghais bietet reizvolle Ausflugsziele. Neben Suzhou und Hangzhou ist das nahezu unberührte Bergdorf Moganshan ein angenehmer Rückzugsort aus dem Labyrinth der Megastadt. Seite 234

IWANOWSKI’S

SHANGHAI – Autorentipps

Joachim Rau reist seit 2004 regelmäßig nach China und hat mehrere Jahre berufsbedingt dort gelebt, zunächst in Hangzhou und dann drei Jahre in Shanghai. An der Stadt am Huangpu fasziniert ihn die Geschichte und ihr unbändiger Wille, das 21. Jahrhundert entscheidend mitzuprägen.

Unser Autor Joachim Rau gibt Ihnen nützliche Tipps und individuelle Empfehlungen:

Direkt am Fluss Huangpu liegt neben einer ehemaligen Kohleverladestation das fantastische Long Museum mit Exponaten von einigen der besten modernen Künstler Chinas. Seite 217Blick über die Stadt Der Besuch der Aussichtsplattform des Shanghai Tower in 552 Metern Höhe bietet bei gutem Wetter eine hervorragende Sicht über die Stadt und auf das ebenfalls riesige, aber deutlich niedrigere SWFC und den Jinmao Tower. Seite 227Echt chinesisch essen Ein Essen im Dongjun Birds Nest Shark’s Fin Seafood Restaurant wird unvergesslich bleiben, ist allerdings nicht jedermanns Sache – aus Terrarien und Aquarien sucht man sich sein noch lebendes Essen aus, das dann frisch für einen zubereitet wird. Seite 221

Joachim Rau

Shanghai

mit Suzhou & Hangzhou

Im Internet:www.iwanowski.deHier finden Sie aktuelle Infos zu allen Titeln, interessante Links – und vieles mehr!Einfach anklicken!Schreiben Sie uns, wenn sich etwas verändert hat. Wir sind bei der Aktualisierung unserer Bücher auf Ihre Mithilfe angewiesen:[email protected]

Shanghai mit Suzhou & Hangzhou3. Auflage 2018

© Reisebuchverlag Iwanowski GmbHSalm-Reifferscheidt-Allee 37 · 41540 DormagenTelefon 0 21 33/26 03 11 · Fax 0 21 33/26 03 [email protected]

Titelfoto: Blick auf die Skyline von Pudong © Oleksandr Dibrova/fotoliaAlle anderen Farbabbildungen: s. Bildnachweis S. 284Layout: Annette Pundsack, KölnKarten und Reisekarte: Klaus-Peter Lawall, UnterensingenTitelgestaltung: Point of Media, www.pom-online.deRedaktionelles Copyright, Konzeption und derenständige Überarbeitung: Michael Iwanowski

Alle Rechte vorbehalten. Alle Informationen und Hinweise erfolgen ohne Gewähr für die Richtigkeit im Sinne des Produkthaftungsrechts. Verlag und Autoren können daher keine Verantwortung und Haftung für inhaltliche oder sachliche Fehler übernehmen. Auf den Inhalt aller in diesem ebook erwähnten Internetseiten Dritter haben Autoren und Verlag keinen Einfluss. Eine Haftung dafür wird ebenso ausgeschlossen wie für den Inhalt der Internetseiten, die durch weiterführende Verknüpfungen (sog. „Links“) damit verbunden sind.

ISBN epub: 978-3-86457-295-1ISBN Mobipocket: 978-3-86457-296-8ISBN pdf: 978-3-86457-297-5

VORWORT

1. STADT UND LEUTE

Shanghai in Kürze

Zahlen, Daten, Fakten

Staatsflagge

Wirtschaft und Tourismus

Verkehr

Stadtregierung

Bildung

Sprache

Orientierung: Die Stadtteile kurz und knapp

Geschichte

Die Ursprünge

Shanghai im 19. Jh.

Shanghais wilde Jugend – die erste Hälfte des 20. Jh.

Neue Ära ab 1949 – Kommunisten an der Macht

Shanghais Auferstehung seit den 1990er-Jahren

Religion und Philosophie

Konfuzianismus

Daoismus (Taoismus)

Buddhismus

Architektur und Kunst

Architektur

Baustile der Kolonialzeit · Lilong · Moderne Architektur

Kunst

Literatur · Film · Musik, Oper,Tanz · Kalligrafie

2. SHANGHAI ALS REISEZIEL

Allgemeine Reisetipps von A–Z

Unterkünfte in Shanghai

Die Grünen Seiten: Das kostet Sie der Aufenthalt in Shanghai

3. SHANGHAI ENTDECKEN

Tourenvorschläge

Shanghai an einem Wochenende

Shanghai in drei Tagen

Shanghai in sieben Tagen

Organisierte Touren

Bund 外滩 – Vom Huangpu-Park bis zur Wetterstation und Umgebung

Redaktionstipps

Spaziergang entlang des Bund

Huangpu-Park · Ehemaliges Generalkonsulat Großbritanniens · Banque de l’Indochine · Glen Line Steaming Ship Company · Jardine Matheson Building · Yangtse Insurance Building · Yokohama Specie Bank · Bank of China Building · Peace Hotel (Fairmont Peace Hotel) · Peace Hotel (Swatch Art Peace Hotel) · Chartered Bank of India, Australia and China · North China Daily News · Bank of Taiwan · St. Petersburg Russo-Asiatic Bank · Bank of Communications · Custom House · Hongkong and Shanghai Banking Corporation · China Merchants Steamship Navigation Company · Great Northern Telegraph Corporation Building · Russell & Co. Building · Nisshin Kisen Kaisha Shipping Building · Union Insurance Building · The Shanghai Club · Asia Building · Gutzlaff-Wettersignalstation · Huangpu-Rundfahrt · Bund Sightseeing Tunnel

Spaziergang entlang der Fuzhou Road

Zum Oktagon aus Fuzhou Road und Jianxi Road · Pearl Lam Fine Art Gallery · Einstiges Rotlichtviertel und altes Shanghai

Altstadt 南市 – In und um den Yu-Garten 豫园

Redaktionstipps

Spaziergang durch die Altstadt

Yu-Garten · Stadtgott-Tempel · Pfirsichgarten-Moschee · Seitenstraßen in der Altstadt · Konfuziustempel · Dajing-Turm · Tempel der Weißen Wolke

Weitere Attraktionen

Chenxiang-Tempel · Blood Alley · Dongjiadu-Kirche · Nanpu-Brücke · Power Station of Art

Volksplatz 人民广场

Redaktionstipps

Spaziergang

Shanghai Urban Planning Exhibition Center · Heiratsmarkt · Museum for Contemporary Art · Shanghai Race Club/ Ehemaliges Shanghai Art Museum · Tomorrow Square · Shanghai Grand Theatre · Shanghai Museum · Moore Memorial Church

Angrenzende Highlights

Shanghai Concert Hall · Great World · Nanjing East Road

Jing’an-Tempel 静安寺 und Umgebung

Redaktionstipps

Spaziergang durch Jing’an

Natural History Museum · Maos Wohnhaus · Einkaufsmalls und Bubbling Well Lilong · Shanghai Exhibition Center · Shanghai Centre · Jing’an-Tempel · Villa Elly Kadoories · Ehemaliges Deutsches Eck und Haus Cai Yuanpeis

Weitere Attraktionen

Zhongshan Park · Jadebuddha-Tempel · Moganshan Road Art District (M50)

Französisches Viertel 法租界 – Zwischen Bistros und Revolution

Redaktionstipps

Spaziergang durch das Französische Viertel

Shikumen Open House Museum · Fuxing-Park · St.-Nikolas-Kirche · Ehemaliges Wohnhaus SunYat-sens · Wohnhaus Zhou Enlais und Liuli China Museum · Tianzifang · Old China Hand Reading Room · Ruijin-Park mit Intercontinental Hotel · Cathay Theater · Okura Garden Hotel · Cathay Mansions, heutiges Jin Jiang Hotel · Lyceum Theater · MollerVilla · Wohnhaus von Liu Jisheng · Russisch-Orthodoxe Kirche · An der Changle Road · Arts & Crafts Museum · Zur Hengshan Road

Weitere Attraktionen

Propaganda Poster Art Center · Taiyuan Villa · Public Security Museum

Im Norden viel Neues – Hongkou 虹口区, Yangpu 杨浦区 und Nord-Jing’an 静安北区

Redaktionstipps

Spaziergang Lu Xun Park und Duolun Road

Lu Xun Park · Lu XunsWohnhaus · Duolun Road · Left Wing Writers Museum · Weitere Attraktionen an der Duolun Road · Duolun Museum of Modern Art · Tian’ai Road

Spaziergang entlang des Suzhou-Flusses

Rockbund Art Museum · Yuanmingyuan Road · Capitol Theatre · British-American-Tobacco Company · Garten-Brücke · Russisches Konsulat · Astor House Hotel · Broadway Mansions · Hauptpost mit Postmuseum · Bridge House · Embankment Building · SihangWarehouse

Rundgang im vergessenen „Greater Shanghai“ im Yangpu-Distrikt

„KICVillage“ · Wujiaochang Caidan und Wanda Plaza

Weitere Highlights

Zotter Chocolate Theatre · 1933 Old Millfun · Railway Museum · Gongqing-Waldpark

Süden und Westen – Xujiahui 徐家汇, Changning 长宁区 und Umgebung

Redaktionstipps

Xujiahui · St.-Ignatius-Kathedrale · Bibliotheca Zi-Ka-Wei · Longhua-Tempel · West Bund und Long Museum · Märtyrer-Gedenkpark · Botanischer Garten · Internationaler Friedhof · Liu-Haisu-Kunstgalerie · Shanghaier Zoo · Altstadt Qibao

Pudong 浦东新区 – Das neue China

Redaktionstipps

Oriental Pearl Radio- und TV-Tower · Shanghai History Museum · Riverside Promenade · Science and Technology Museum · Oriental Art Center · China Art Museum · Museum of Traditional Chinese Medicine · Shanghai Tower · Ocean Aquarium · Jinmao Tower · Shanghai World Financial Center (SWFC) · Century Park · Disneyland

4. AUSFLÜGE

Die Umgebung Shanghais

Redaktionstipps

Wasserstädte

Wuzhen 乌镇 · Zhujiajiao 朱家角 · Tongli 同里 · Xitang 西塘 · Zhouzhuang 周庄

Moganshan 莫干山

Sheshan 佘山 und Chenshan Botanical Garden

Suzhou 苏州 – Stadt der Gärten

Redaktionstipps

Entdeckungstour durch Suzhou

Art Museum und Seidenmuseum · Nordtempel-Pagode · Suzhou Museum · Garten des bescheidenen Beamten · Löwenwald-Garten · Garten der Paare · Kunqu-Opernmuseum und Pingtan Museum · Doppelpagoden · Garten des Meisters der Netze · Garten des Pavillons der azurblauen Wellen · Pan Men · Tempel des Geheimnisses

Garten desVerweilens

Tigerhügel

Hangzhou 杭州 – Stadt am berühmten Westsee

Redaktionstipps

Fahrradrundfahrt um den Westsee und Umgebung

Westsee-Museum · XihuTiandi · Baochu-Pagode · Die Insel Gu Shan · Yue-Fei-Tempel · Insel Xiaoying · Leifeng-Pagode · Seidenmuseum · Qinghefang Street

Weitere Attraktionen in Hangzhou

Tee-Museum · Longjing-Teedorf · Lingyin-Tempel · Pagode der sechs Harmonien · Qiantang-Flutwelle · Xixi National Wetland Park

5. ANHANG

Literatur zu Shanghai -Tipps zum Weiterlesen

Kleiner Sprachführer Mandarin

Stichwortverzeichnis

Bildnachweis

Weiterführende Informationen

Kleine Kaiser – Chinas (abgeschaffte) Ein-Kind-Politik

Shanghais heimliche Herrscher – Die Grüne Bande

175 Jahre Revolution – Chinas langer Marsch in die Moderne

Glaube, Aberglaube und Fengshui

Expo 2010 – DieWelt in Shanghai

Kulinarisches Gruselkabinett

Auf deutschen Spuren

Die Shanghaier Pferderennbahn

László Hudec – Shanghais Architekt der 1930er-Jahre

Rotes Shanghai – Kommunistische Wirkungsstätten

Lu Xun – Vater der modernen chinesischen Literatur

Auf der Flucht – Juden in Shanghai

Go east – Shanghais Brücken nach Pudong

Karten und Grafiken

Altstadt

Brücken in Shanghai

Der Bund

Deutsche Spuren

Ehemaliges jüdisches Viertel

Französisches Viertel

Greater Shanghai

Hangzhou

Jing’an-Tempel und Umgebung

Klimakarte Shanghai

Lu Xun Park und Duolun Road

Übersicht Nord-Shanghai

Pudong

Süden und Westen Shanghais

Suzhou

Suzhou-Fluss

Umgebung Shanghais

Volksplatz

Yu-Garten

Karten im Umschlag:

Gesamtüberblick Shanghai

Metro Shanghai

 

 

 

 

Alle Karten zum Gratis-Download – So funktioniert’s

In diesem Reisehandbuch sind alle Detailpläne mit einem sogenannten QR-Code versehen. Bei jeder Innenkarte findet man diese schwarz-gepunkteten Quadrate, die per Smartphone oder Tablet-PC gescannt werden können. Bei einer bestehenden Internet-Verbindung können die Dateien dann auf das eigene Gerät geladen werden. Alle Karten sind im PDF-Format angelegt, das nahezu jedes Gerät darstellen und ausdrucken kann. Für den Stadtbummel oder die Besichtigung unterwegs hat man so die Karte mit besuchenswerten Zielen und Restaurants elektronisch auf dem Telefon, Tablet-PC, Reader oder als praktischen DIN-A4-Ausdruck dabei. Sollten Probleme beim Karten-Download auftreten, wenden Sie sich bitte direkt an den Verlag. Unter [email protected] erhalten Sie die entsprechende Linkliste zum Herunterladen der Karten.

Shanghai – Chinas Blick in die Zukunft

„Shanghai, sechstgrößte Stadt der Welt!

Shanghai, Paris des Ostens und New York des Westens!“

Aus dem „Standard Guide Book: All about Shanghai and Environs“ (1934)

In den 1920er- und 1930er-Jahren galt Shanghai als Mekka der Glücksritter, wo Abenteurer schnellen Reichtum und Missionare ihren Albtraum fanden. Gangster, skrupellose Industrielle, gescheiterte Existenzen und Zehntausende jüdische Flüchtlinge – sie alle fanden ihren Platz in diesem Schmelztiegel der Eitelkeiten. Doch 1949 war die Party vorbei, die Kommunisten hatten die Macht übernommen und säuberten den Sündenpfuhl in kürzester Zeit. Danach fiel Shanghai in einen kommunistischen Dornröschenschlaf und erst seit Anfang der 1990er-Jahre steht die Stadt wieder in der Sonne der Partei. Mit dem Aufbruch Chinas in ein neues Zeitalter erlebt auch die Stadt am Huangpu-Fluss ein wirtschaftliches Wachstum, wie es die Welt bisher kaum gesehen hat. Und wenn nichts dazwischenkommt, dann bleibt die Stadt Synonym und Ansporn für die Entwicklung ganz Chinas – für eine glänzende Zukunft mit Shanghai als Zentrum und Weltstadt, die selbst Hongkong und New York hinter sich lässt.

Neben allem Fortschritt existiert in Shanghai hinter der Fassade eine Parallelwelt aus Wanderarbeitern, Tempeln und Gassen mit alten Backsteinhäusern und traditionellem Gemeinschaftsleben. Gerade für diese Menschen hat sich Shanghai nicht verändert – sie leben noch immer in den 1970er- und 1980er-Jahren und nutzen die Straße sozusagen als ihr Wohnzimmer: Im Unterhemd sitzen sie leger auf ihrem Holzstuhl, essen ihren Reis und beobachten das vorbeiziehende Volk.

Man muss nicht allzu genau hinschauen, um Tradition und Moderne in den Schluchten Shanghais zu entdecken. Auch Armut und Reichtum drängen sich zwischen den Hochhäusern, und über allem hat sich die Stadt wieder zu einem Jahrmarkt der Möglichkeiten aufgeschwungen, trotz ihrer erst kurzen Geschichte. Denn verglichen mit der Biografie Chinas krabbelt Shanghai immer noch im Laufstall: Xi’an blickt auf 2.000 Jahre Geschichte, Peking auf 500 Jahre und Shanghai gerade einmal auf 160 Jahre zurück. In dieser kurzen Zeit erlebt die Stadt allerdings gerade ihre zweite Pubertät, die bereits 25 Jahre dauert – Ende offen.

Shanghai nimmt einen speziellen Status in Chinas jüngerer Geschichte ein, die es maßgeblich beeinflusste – zum einem im Reformprozess seit Maos Tod, zum anderen in der Öffnung des Landes zum Westen. Vor allem seit dem Zuschlag für die Expo 2010 hat sich die Stadt in atemberaubendem Tempo verändert und erfindet sich täglich neu. Wenn Städte eine Vorschau der Zukunft sind, dann zeigt Shanghai heute bereits das Übermorgen. Machen Sie sich auf die Suche nach dem alten und neuen Shanghai. In der Metropole am Huangpu lässt sich beides entdecken – das 19. und das 21. Jahrhundert.

Ein großer Dank geht an Patrick Krebs, der mich unermüdlich (und manchmal ermüdet) auf meinen Recherchetouren begleitet und mir viele Bars, Hotels und neue Ecken in Shanghai gezeigt hat.

Shanghai in Kürze

上海 (Shànghǎi) – Seit der ökonomischen Öffnung Shanghais Anfang der 1990er-Jahre erlebte die Stadt ein Wirtschaftswunder sondergleichen mit über Jahre hinweg zweistelligen Wachstumsraten. Seitdem hat sich die Stadt zu einem der beiden kulturellen Zentren (neben Peking) und zur wirtschaftlichen Vorbildregion Chinas entwickelt. Damit ist Shanghai durch Maos Erben wieder zu dem geworden, was es es in den 1930er-Jahren bereits war: der ökonomische Motor Chinas und dessen Tor zur Welt.

Zahlen, Daten, Fakten

Einwohner24 Mio. im Verwaltungsbezirk, davon mehrere Millionen temporär ansässige Wanderarbeiter. Damit ist Shanghai eine der drei größten Städte Chinas. Bevölkerungsdichte: 3.800 Einwohner/km2, im Distrikt Hongkou über 36.000 Einwohner/kr2. Rund 170.000 Ausländer.Größe6.341 kmZeitzoneMEZ +7 Std., während der europäischen Sommerzeit MEZ + 6 Std.Lage31°14′ nördlicher Breite und 121°28′ östlicher Länge (südlicher als Casablanca), durchschnittlich 4 m über Null, höchster Berg ist der Sheshan mit 100 m.GliederungEin Kreis (Insel Chongming) und 15 Stadtteile, davon sieben Innenstadtbezirke: Huangpu, Xuhui, Changning, Jing’an, Putuo, Hongkou und Yangpu.Bruttoinlandsprodukt pro Kopf16.700 US-$/Einwohner (2015)(Deutschland: 42.000 US-$/Einwohner, 2016)Vorwahl021, aus Europa: 0086 21Postleitzahl200000 bis 202100SchriftzeichenDie beiden chinesischen Zeichen des Namens Shanghai (Shang 上 und Hai 海 bedeuten wörtlich „über“ und „Meer“, zusammen also etwa „Stadt über dem Meer“ oder „Stadt, die ins Meer geht“.InternetWebsite der Stadtverwaltung: www.shanghai.gov.cn

Staatsflagge

Chinas Staatsflagge wurde am 1. Oktober 1949 zur Staatsgründung erstmals gehisst. Rot symbolisiert die kommunistische Revolution, ist jedoch auch die Farbe für Glück in China. Von den fünf Sternen in der linken oberen Ecke stehen die vier kleinen für die sozialen Klassen in China (Arbeiter, Bauern, Kleinbürger, nationale Bourgeoisie) unter der Führung der Kommunistischen Partei, die durch den großen Stern symbolisiert wird. Darüber hinaus hat die Zahl Fünf eine besondere Bedeutung, sie steht für die fünf Elemente, die fünf Tugenden (Menschlichkeit, Gerechtigkeit, ethisches Verhalten, Weisheit, Güte), aber auch für die fünf Teile Chinas: Kern-China, die Mandschurei, die Mongolei, Xinjiang und Tibet. Hongkong und Macau haben eigene Flaggen, beide beinhalten jedoch als Referenz zum Mutterland ebenfalls fünf Sterne.

Wirtschaft und Tourismus

„Shanghai ist wie die hässliche Tochter des Kaisers,

sie muss sich niemals um Verehrer kümmern.“

(Chinesisches Sprichwort)

Politisch befindet sich China in der „Anfangsphase des Sozialismus“, was laut offizieller Sprachregelung wirtschaftlich eine „Soziale Marktwirtschaft“ bedeutet, sich faktisch aber besser mit „Raubtier-Kapitalismus“ übersetzen lässt. Am besten ist dies in Städten wie Shanghai oder den Metropolen Guangzhou und Shenzhen in Südchina zu sehen. Gerade die Arbeitsbedingungen der aus anderen Provinzen eingereisten Wanderarbeiter in den Fabriken, aber auch in den Bergwerken in Nordchina tragen alles andere als die Züge des Sozialismus.

Shanghai ist neben Hongkong die führende Wirtschaftsmetropole Chinas und damit eine der am schnellsten wachsenden Ökonomien weltweit. Seiner Bevölkerung hat Shanghai, dessen Verwaltungsgebiet eher einer Provinz gleicht, die allgemeine Schulbildung, Mindestlohn und -urlaub sowie Arbeitsgesetze gebracht. Es ist eine Frage der Zeit, wann Shanghai Hongkong überflügelt haben wird. Zwar kann Hongkong auf eine längere Erfahrung, vor allem im Bankensektor, zurückblicken, doch die Stadt am Huangpu verfügt über die besseren Verbindungen ins riesige chinesische Hinterland und nach Peking. Mit Ausnahme Pekings ist Shanghai allen anderen chinesischen Städten um Jahre voraus – wirtschaftlich, kulturell und administrativ.

Seit 2005 besitzt die Stadt gemessen am Gesamtumschlag den größten Hafen der Welt und die am schnellsten wachsende Börse Chinas. Die größten Firmen des Landes haben hier ihren Sitz, etwa der Stahlriese Baosteel, das erste chinesische Unternehmen, das einen Platz auf der Forbes-500-Liste errang, und die verschiedenen Tochterfirmen der Shanghai Auto Industry Corporation (SAIC), darunter Joint Ventures mit Volkswagen und General Motors. 2016 produzierten sie über 6,3 Mio. Fahrzeuge – fast ein Viertel aller im Land verkauften Automobile. Auch wenn staatseigene Betriebe die Privatwirtschaft an Größe übertreffen, nähern sich die Zeiten der Staatsunternehmen mit ineffizienter Betriebsführung und personell überbesetzten Abteilungen unweigerlich dem Ende zu.

Das Verhältnis der drei Wirtschaftssektoren Landwirtschaft, Industrie und Dienstleistungen betrug 2015 9 % zu 40,5 % zu 50,5 % (gemessen am Bruttoinlandsprodukt). Shanghais Standortvorteil neben der Infrastruktur sind seine gut ausgebildeten Arbeitskräfte. Eine wichtige Rolle in der Entwicklung Shanghais und ganz Chinas war 2001 der Beitritt zur Welthandelsorganisation WTO, der dem Land einfacheren Zugang zu ausländischen Märkten, aber auch den Abbau eigener Importzölle brachte.

Daneben ist Shanghai eines der wichtigsten Touristenziele des Landes. Einer der Gründe liegt in der einfachen Anreise über zwei internationale Flughäfen. Auch im Land selbst gibt es preiswerte Flüge nach Shanghai. Die jährliche Wachstumsrate im Fremdenverkehr liegt bei über 10 %. Zu den wichtigsten Anziehungspunkten der Stadt zählen der Yu-Garten, Bund, Lujiazui in Pudong, der Volksplatz mit dem Shanghai Museum sowie das Urban Planning Exhibition Center, Xin Tiandi und die ehemalige französische Konzession. Mit dem Gelände der ehemaligen Expo 2010, auf dem heute u. a. Museen angesiedelt sind, und dem 2016 eröffneten Disneyland hat Shanghai zwei weitere Attraktionen.

Verkehr

Die wirtschaftliche und kulturelle Bedeutung Shanghais basiert nicht zuletzt auf seiner hervorragenden Infrastruktur. Durch die beiden Flughäfen Hongqiao und Pudong verfügt die Stadt über sehr gute Flugverbindungen innerhalb Chinas sowie weltweit. Nachdem 1995 die erste U-Bahnlinie eröffnet wurde, entstanden in den letzten Jahren weitere Linien, derzeit sind 14 in Betrieb, die auch die Außenbezirke der Stadt gut mit dem Stadtzentrum und wesentlichen Verkehrsknotenpunkten verbinden. Das Bussystem ist das ausgedehnteste der Welt, wenngleich es für Ausländer ohne Chinesisch-Kenntnisse kaum zu durchschauen ist. Die Verbindung zum Flughafen Pudong besteht durch die einzige kommerziell betriebene Transrapid-Strecke.

Verkehrsknotenpunkt Xujiahui im Süden Shanghais

Drei große Bahnhöfe verbinden die Stadt mit dem gesamten Land, sogar mit Strecken nach Hongkong und Tibet. Über zwei 2008 und 2009 fertiggestellte Brücken mit 36 km bzw. 25,5 km Länge ist auch eine schnelle Landanbindung in die Industrieregion Ningbos (www.hangzhoubaybridge.com) sowie über den Yangtse mit der Insel Chongming gegeben.

Blick vom Jinmao Tower über den Huangpu-Fluss nach Puxi

Stadtregierung

Shanghai ist eine von vier Städten, die unmittelbar der Zentralregierung in Peking unterstellt sind (neben Tianjin, Peking und Chongqing). Damit genießt die Stadt eine besondere Stellung in China. Auch wenn die Wirtschaft Shanghais und Chinas kapitalistisch ist, hat das Land politisch die klassischen Züge des Sozialismus: ein Ein-Parteien-Staat unter Führung der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh). Ohne Mitgliedschaft in der KPCh ist weder politisch noch in den Staatsbetrieben ein Weiterkommen möglich.

Wichtigstes Organ im Staat ist der Nationale Volkskongress, der die Gesetze verabschiedet und den Staatsrat – vorher von den Mitgliedern der KPCh bestimmt – bestätigt. Damit ist der Staatsrat das eigentliche Machtzentrum Chinas. Die bedeutendsten politischen Ämter Shanghais werden von der Regierung in Peking besetzt. Obwohl Shanghai in der politischen Geschichte Chinas eine zentrale Rolle spielte – Gründung der KPCh 1921 und Operationsbasis der Viererbande –, verordnete die Führung in Peking der Stadt bis in die 1980er-Jahre eine Zwangspause in der Entwicklung. Erst Ende der 1980er und in den 1990er-Jahren stiegen wichtige Politiker Shanghais auch in hohe Partei- und Regierungsämter auf. Dazu zählten Jiang Zemin, ehemaliger Bürgermeister Shanghais, der 1993–2003 Staatspräsident und zwischen 1989 und 2002 Staatssekretär der KPCh war, sowie Zhu Rongji, ebenfalls Bürgermeister Shanghais, der 1993–1995 das Amt des Präsidenten der Chinesischen Zentralbank innehatte und 1998–2003 Ministerpräsident Chinas war.

Bildung

Mit über 20 Hochschulen und zahlreichen Forschungsinstituten ist Shanghai neben Peking und Hongkong die Stadt mit dem besten Bildungssystem Chinas. Einige der besten Universitäten des Landes haben ihren Sitz in Shanghai, darunter die Fudan-Universität, die 1905 ins Leben gerufen wurde und viele ausländische Studierende anzieht, die Tongji-Universität, im Jahr 1907 als deutsche Medizinschule vom Arzt Erich Paulun gegründet und heute unter den besten drei Universitäten des Landes, oder die seit 1896 existierende Jiaotong-Universität, wo Ex-Präsident Jiang Zemin studierte.

Sprache

In Shanghai wird, wie in Nordchina üblich, Mandarin gesprochen, im Gegensatz zu Kantonesisch in Südchina. Beide Sprachen haben ihre Verbindung über die Schriftzeichen, verstehen kann ein Shenzhener einen Shanghaier Einwohner dadurch aber nicht. Das Pekinger Hochmandarin (Putonghua) ist Amtssprache in ganz China, häufig – besonders von der älteren Generation – wird im Alltag aber der Shanghai-Dialekt gesprochen, der sich teils deutlich von Mandarin unterscheidet. Das auf den Nummernschildern aller Shanghaier Fahrzeuge zu sehende Zeichen Hu 沪 geht auf das ehemals hier angesiedelte Fischerdorf Du Hu zurück.

Auf den Märkten der Stadt spricht man selten Mandarin

info

Kleine Kaiser – Chinas (abgeschaffte) Ein-Kind-Politik

Das kommunistische China ein Volk von Kaisern und Prinzessinnen? Nicht die Rückkehr der 1911 untergegangenen Monarchie ist hier gemeint, sondern die verwöhnten Einzelkinder, die seit Einführung der Familienplanung 1979 geboren wurden. Die Regierung griff damals unter der Last einer rapide wachsenden Bevölkerung und Umweltproblemen in die Keimzelle der Gesellschaft ein und begrenzte die Zahl der Kinder in den Städten auf eines je verheiratetem Paar. Im Westen wurde diese Maßnahme als „Ein-Kind-Politik“ bekannt. Dabei galten aber zahlreiche Ausnahmen, etwa für Paare in ländlichen Gegenden, ethnische Minderheiten sowie die Gebiete Macau, Hongkong und Tibet.

Dabei kann China im Vergleich mit vielen europäischen Staaten bezüglich der Einwohnerzahl pro Quadratkilometer sogar als unterbevölkert gelten. Allerdings drängen sich große Bevölkerungsteile im dicht besiedelten Osten und Süden des Landes. Deshalb war die Einführung der Ein-Kind-Politik nicht die erste Kampagne zur Eindämmung der Überbevölkerung. Versuche einer politisch geregelten Familienplanung gab es bereits in den 1950er-Jahren, aber erst Hungersnöte und die Furcht, die Lebensmittelversorgung nicht aufrechterhalten zu können, sowie der wachsende Druck auf die Infrastruktur veranlassten die Regierung nach der Kulturrevolution 1976 zum Handeln. Die Aktion „Ein Kind ist gut, zwei sind in Ordnung, drei sind zu viel“ wurde später aufgestockt zu einer klaren Familienplanung mit gesetzlicher Verankerung. Bei Einführung der Regelung im Jahr 1979 lag der Bevölkerungsanteil der über 60-Jährigen in Shanghai bei etwa 10 %, heute liegt er mehr als doppelt so hoch; für 2020 werden sogar 34 % erwartet – eine Zahl, die für ganz China 30 Jahre später erwartet wird. Shanghai hat damit bald dasselbe demografische Problem wie einige Staaten in Europa – die Familienpolitik hat ihr Ziel übertroffen. Und der Trend der wachsenden Bevölkerung wandelt sich immer stärker in das Phänomen einer Überalterung der Gesellschaft mit den damit einhergehenden Problemen.

Rein statistisch hatte die „Ein-Kind-Politik“ zunächst deutliche Erfolge aufzuweisen. So sind nach Angaben der Regierung durch die staatlich verordnete Familienplanung in drei Jahrzehnten etwa 400 Mio. Kinder weniger geboren worden, obgleich die Regelung aufgrund der zahlreichen Ausnahmen lediglich gut 36 % der Bevölkerung betraf. Von drei Kindern je Frau im Jahr 1980 fiel die Geburtenrate auf etwa 1,7 in 2008. Das bedeutet, dass Chinas Bevölkerung schon bald schrumpfen wird. Ein Volk ist allerdings neben reiner Mathematik auch ein soziales Gefüge, und die „Ein-Kind-Politik“ hat bereits einen tiefen sozialen Fußabdruck hinterlassen. Das offensichtliche 4-2-1-Problem muss letztlich zu einer schleichenden Überalterung der Bevölkerung führen, sofern die Familienpolitik nicht frühzeitig korrigiert wird, denn jedes Einzelkind muss in einer solchen Gesellschaft zwei Elternteile und vier Großeltern versorgen. Umgekehrt werden die Einzelkinder von diesen sechs Erwachsenen verhätschelt und zu kleinen Zicklein und Egoisten verzogen, die später wenig sozialkompetent sind. Um diesem Trend entgegenzuwirken, lockerte Shanghais Regierung im April 2004 das Gesetz zur Geburtenkontrolle in der Stadt und erlaubte Eltern, die selbst Einzelkinder sind, sowie Geschiedenen und wiederverheirateten Partnern ein zweites Kind. Die Akzeptanz war allerdings gering, denn die Kosten und Aufmerksamkeit für ein zweites Kind sind ähnlich wie in westlichen Staaten enorm. Auch Themen wie Selbstverwirklichung im Beruf etc. spielen eine zunehmende Rolle. Da sich die „Ein-Kind-Politik“ auf Sanktionen der Regierung wie Geldstrafen, Ausschluss aus einer Tätigkeit im Staatsdienst und Benachteiligungen bei Schul- und Kindergartenplätzen beschränkte, waren davon Paare mit gutem Einkommen von jeher weniger betroffen, da sie solche finanziellen Einbußen durchaus in Kauf nehmen konnten. Diese Erfahrungen griff die Zentralregierung auf und übertrug 2013 die Familienpolitik Shanghais auf ganz China. 2015 hob sie die Ein-Kind-Regel schließlich komplett auf. Seitdem dürfen alle Familien ohne Sanktionen zwei Kinder bekommen.

Das Problem Chinas könnte in der Zukunft sein, dass das Land älter wird, bevor es reich genug ist, um ein System für die soziale Absicherung aufzubauen, die derzeit durch die Familien gewährleistet wird. Und selbst wenn es wohlhabend ist, sind die wenigen arbeitenden Menschen dann vielleicht nicht mehr in der Lage, die noch zahlreicheren Rentenbezieher zu versorgen. Das gilt umso mehr für Shanghai, das dem Rest Chinas immer einen, am besten zwei Schritte voraus sein will, und dies nicht nur wirtschaftlich, sondern zum Leidwesen der Stadtväter auch demografisch. Zweifellos hat die bisherige Familienplanung den Druck auf Kommunen, Provinzen und Umwelt in einem Staat, in dem ein Fünftel der Weltbevölkerung lebt, verringert. Doch eine Lockerung der Politik hin zu einem zweiten Kind hat nach mehr als 35 erfolgreichen Jahren neben dem Abbau der Überalterung den Vorteil, dass eine neue Generation von Kindern mit Geschwistern heranwächst, die nicht mehr zu kleinen Kaisern verhätschelt werden – eine kleine, aber vielleicht nicht unerwünschte Revolution der chinesischen Psyche.

Kleinen Kaisern schenkt man in China die ganze Aufmerksamkeit

Orientierung: Die Stadtteile kurz und knapp

Bund (S. 102 ff.)

Die Uferpromenade westlich des Huangpu-Flusses war das Herzstück des kolonialen Shanghai und ist heute eine seiner Hauptattraktionen mit 24 Gebäuden aus dem späten 19. und dem Beginn des 20. Jh. (S. 103 f.). In den Häusern finden sich edle Hotels und Restaurants und man hat einen ungehinderten Blick auf Pudong, das ultramoderne Shanghai mit seinen Wolkenkratzern.

Altstadt (S. 123 ff.)

Die Geburtsstätte Shanghais mit engen Straßen, kleinen Restaurants und chaotischem Menschengewimmel – hier quillt das Leben aus allen Ecken. In der alten Chinesenstadt Shanghais findet sich der letzte Rest einer typischen chinesischen Altstadt, am besten konserviert in den Straßen um den Yu-Garten (S. 124 f.) und in alten Wohnvierteln (S. 128).

Ursprünglich: die Altstadt Shanghais

Volksplatz (S. 136 ff.)

Auf der ehemaligen Pferderennbahn stehen einige der besten Museen des ganzen Landes wie etwa das Shanghai Museum (S. 141) und das Shanghai Urban Planning Exhibition Center (S. 138). Am Wochenende preisen Eltern auf dem Heiratsmarkt mit Pappschildern ihre Töchter und Söhne an (S. 139).

Jing’an-Tempel und Umgebung (S. 149 ff.)

Das Einkaufs- und Geschäftsviertel, in dem einst die Luxusvillen der Reichen und Schönen Shanghais standen und wo heute viele Ausländer leben. Kulturell wird das Gebiet dominiert vom Jing’an-Tempel (S. 156), vom Jadebuddha-Tempel (S. 158) und dem Kunstzentrum im Moganshan Road Art District (S. 159).

Französisches Viertel (S. 164 ff.)

In das einstige Zentrum der Dekadenz, aber auch der Revolutionäre, Linken und Intellektuellen, kehrte in den 1990er-Jahren das Nachtleben zurück und hat das Viertel erneut zum Lasterpflaster der Stadt werden lassen. Das ehemalige Viertelder Franzosen hat sich seinen kolonialen Charme bis heute erhalten und beherbergt neben Bars und Bistros, z. B. in Xin Tiandi (S. 165), das Kunstzentrum Tianzifang (S. 171) und das sehenswerte Propaganda Poster Art Center (S. 179).

Der Norden – Hongkou, Zhabei &Yangpu (S. 186 ff.)

Ehemalige Arbeitersiedlungen, Industriegebiete und das jüdische Flüchtlingsghetto lassen keine Prachtdenkmäler oder Museen erwarten. Doch mit dem Lu Xun Museum (S. 189), der Duolun Art Street (S. 191), dem Zotter Chocolate Theatre (S. 205) und den architektonischen Überbleibseln des Greater Shanghai (S. 202 f.) finden sich nördlich des Huangpu- und des Suzhou-Flusses einige sehenswerte Perlen.

Der Huoshan Park, im ehemaligen jüdischen Viertel, ist ein beliebter Treffpunkt zum Kartenspielen

Süden und Westen – Xujiahui, Changning und Umgebung (S. 213 ff.)

Das älteste europäisch geprägte Viertel Shanghais befindet sich im Süden, wo bereits im 17. Jh. die Jesuiten siedelten. Einige ihrer alten Gebäude stehen noch heute, z. B. die St.-Ignatius-Kathedrale (S. 214) oder die Bibliotheca Zi-Ka-Wei (S. 216). Am West Bund gibt es eine ganze Reihe hervorragender neuer Museumspaläste (S. 217).

Shanghai World Financial Center, auch Flaschenöffner genannt

Pudong (S. 223 ff.)

Kontrastprogramm zu den historischen Vierteln – Wolkenkratzer und breite Straßen im Anfang der 1990er-Jahre vollkommen neu geschaffenen Stadtteil östlich des Huangpu-Flusses. Sehenswert sind der Oriental Pearl Radio- und TV-Tower (S. 225), der Jinmao Tower (S. 228), das Shanghai World Financial Center (S. 229) und der Shanghai Tower (S. 227). Sie alle ragen mehr als 400 m über die Stadt und ermöglichen von ihren Aussichtsplattformen jeweils einen hervorragenden Blick auf Shanghai.

Geschichte

Die Ursprünge

Das Gebiet des heutigen Shanghai lag bis 4000 v. Chr. unter den Fluten des Yangtse und des ostchinesischen Meeres. Aus dieser Zeit datieren die ersten Besiedlungen in der Region. Erstmalige Erwähnung findet die Stadt in der Epoche der „Streitenden Reiche“ (770–221 v. Chr.), als sie zum Staat Chu gehörte und von Huang Xie, genannt Fürst Chunshen, regiert wurde. Auch die beiden alten Bezeichnungen Shanghais stammen aus dieser Periode: „Shen“, abgeleitet vom Namen des damaligen Herrschers, und „Hu“ 沪, einem chinesischen Schriftzeichen, das den Namen eines damals gebräuchlichen Angelwerkzeugs und die Lage Shanghais an der Mündung des Yangtse-Flusses kombiniert, des längsten Flusses Chinas. Das Zeichen findet sich heute auf den Nummernschildern aller in Shanghai zugelassenen Fahrzeuge.

Während der Jin-Dynastie (265–420 n.Chr.) bestand Shanghai aus nicht mehr als einem Fischerdorf, deren Bewohner vor allem im Gebiet des heutigen Stadtteils Songjiang lebten. Erst mit dem wirtschaftlichen Aufschwung des Yangtse-Deltas im 8. Jh. n. Chr. änderten sich das Gesicht und die Zukunftsperspektiven der Gegend. Shanghais Bevölkerung wuchs stetig durch die Flucht vieler Chinesen vor den im nördlichen China plündernden Mongolen. 1074 erhielt Shanghai ein eigenes Steuerbüro, und 1292 beschloss die Regierung die Zusammenlegung von drei Dörfern zu einer neuen Gemeinde mit dem Namen Shanghai – die offizielle Gründung der Stadt.

Bis zu dieser Zeit hatte die Stadt Qinglong am Wusong-Fluss, dem heutigen Suzhou-Fluss, den Handel in der Region dominiert. Durch die Versandung des Wusong-Flusses und den steten Zustrom von Siedlern aus dem Norden gewann Shanghai jedoch an Bedeutung und ersetzte bald Qinglong als wichtige Hafenstadt. Von Shanghai aus wurden Baumwolle und Textilien nach Peking, ins Hinterland und nach Japan verschifft. Die Stadt hatte sich als wichtige Werft und Zentrum der chinesischen Baumwollspinnerei etabliert. Diese erste goldene Zeit sollte jedoch nicht von Dauer sein.

Kalligrafie – für Westler mehr Kunst als Schrift

Während der Ming-Dynastie (1368–1644) erlebte die Stadt einen Abschwung, ausgelöst durch den Ausbau des Hafens in Liujia (heutiges Taicang) unter Kaiser Hongwu (1368–1398). Der Hafen galt bald als wichtigster Hafen Chinas, und Zheng He (1371–1433), Chinas Kolumbus, unternahm von hier aus seine Expeditionen in den Pazifik und Indischen Ozean bis an die Ostküste Afrikas. Die Lage Shanghais verschlechterte sich weiter, als Kaiser Yongle (1360–1424) zum Bau seiner neuen Hauptstadt Peking den Kaiserkanal zwischen dem 180 km von Shanghai entfernten Hangzhou und Peking neu trassieren und verlängern ließ, denn zur Versorgung der neuen Hauptstadt mit Gütern konnte die Stadt vollständig umfahren werden. In den Vorruhestand schickte Kaiser Zhengtong (1427–1464) die Stadt mit seinem Entschluss, nach Zheng Hes Expeditionen die Seeschifffahrt weitgehend aufzugeben, eine bis heute ungeklärte Entscheidung. Um den aufblühenden Schmuggel zu unterbinden, wurden zudem 1525 alle hochseetüchtigen Schiffe zerstört und ab 1551 sogar der gesamte Außenhandel gestoppt. Der Verlust der Seehoheit im Chinesischen Meer machte es Piraten leicht, Shanghai anzugreifen. Als Schutz entstand 1553 die Stadtmauer um die heutige Altstadt.

Erst mit dem Ausklang der Ming-Dynastie endete die Insichkehrung Chinas, und Shanghai befreite sich von seinem Niedergang. Kaiser Kangxi (1654–1722) öffnete wie kaum ein anderer chinesischer Herrscher China dem Westen und förderte den Seehandel. Bekannt ist sein umfangreiches Wörterbuch, mit dem Sinologen noch heute groß werden. In Shanghai reihte sich wieder eine zunehmende Zahl an Läden und Restaurants in den Straßen. Im Jahr 1685 entstand das Zollhaus – äußerliches Zeugnis für die Wiedererstarkung des Seehandels und Beginn der Geschichte Shanghais als internationale Hafenstadt.

Ende des 17. Jh. lebten 200.000 Einwohner in der Stadt, in der sich große, den niederländischen Gilden ähnelnde Kaufmannszünfte für den Handel mit Tee, Seide, Baumwolle und Textilien gebildet hatten. Diese teilten sich die wirtschaftliche und teilweise auch politische Kontrolle über Shanghai. In den folgenden hundert Jahren entwickelte sich Shanghai zu einem Transportknotenpunkt und internationalen Handelshafen – und damit zu einem der wichtigsten Wirtschaftszentren Chinas.

Drachen, wie hier im Yu-Garten, sind Glücksbringer in China

Shanghai im 19. Jh.

„In höchstens zwei oder drei Jahren hoffe ich, ein Vermögen gemacht zu haben und abhauen zu können. Und was soll es mir ausmachen, wenn Shanghai danach in Feuer und Flut verschwindet? Sie können nicht erwarten, dass Männer in meiner Position sich selbst dazu verdammen, lange in einem ungesunden Klima für das Wohl der Nachwelt auszuhalten. Wir machen Geld, wir sind pragmatische Männer.“

(Händler in einem Schreiben an den britischen Konsul im 19. Jh.)

Trotz seiner regionalen Bedeutung im ausgehenden 18. Jh. hat Shanghai im Vergleich zu anderen Städten Chinas eine kurze Geschichte und erwachte erst Mitte des 19. Jh. Die strategisch günstige Lage an der Mündung des Yangtse war zwar ideal als Handelsstützpunkt, doch diesen Vorteil konnte die Stadt international erst spät ausspielen. Wer heute am Bund entlangläuft oder durch die ehemalige Französische Konzession wandert, merkt schnell, dass Shanghai nicht nur eine Spätgeburt ist, sondern auch ein westliches Kind.

Shanghais moderne Geschichte beginnt mit Opium. Während der Qing-Dynastie (1644–1911) durften Schiffe aus dem Westen nur im Hafen Cantons in Südchina, dem heutigen Guangzhou, ihre Fracht löschen. Tonangebend für den Handel mit dem Westen war die British East India Company, die jedoch stets eine negative Handelsbilanz mit China aufwies, da sie für die begehrten chinesischen Exportartikel Tee, Seide und Porzellan außer Silber wenig Gegenleistung anzubieten hatte. Um dem Abfluss des Edelmetalls entgegenzuwirken, kam die Company auf die Idee, verstärkt Opium aus der britischen Kolonie Indien einzuführen. Mit der britischen Nachfrage nach Tee wuchs in China der Bedarf an Opium, und bald trat der gewünschte Effekt ein – die Handelsbilanz drehte sich zugunsten der Engländer.

Als Kaiser Daoguang bemerkte, dass seine Silberreserven im Tausch für indisches Opium ins Ausland verschwanden, sandte er im Jahr 1838 seinen loyalen Beamten Lin Zexu als Sonderkommissar nach Canton, um den Handel zu stoppen. Da die ausländischen Händler sich wenig kooperativ zeigten, wuchsen die Spannungen und eskalierten schließlich 1839 in der Verhaftung von über 300 Briten, die mit ansahen, wie Lin Zexu 1.400 Tonnen Opium in die See schütten ließ.

Wie es sich für die damalige Weltmacht gehörte, schickte Großbritannien daraufhin eine Kriegsflotte nach China, die 1841 Hongkong besetzte, im Sommer 1842 in die Mündung des Yangtse einbog und Shanghai nach nur kurzem Scharmützel einnahm. Am 29. August 1842 endete dieser Erste Opiumkrieg mit dem Vertrag von Nanjing – ein aus chinesischer Sicht ungleiches Abkommen, das Großbritannien weitgehende Rechte in China sowie Hongkong zusprach und die Öffnung der Hafenstädte Canton, Ningbo, Xiamen, Fuzhou und Shanghai erzwang.

Das einst mächtige Shanghai Municipal Council

Dies war die eigentliche Geburtsstunde des heutigen Shanghai, denn den Briten folgten andere Mächte und machten die Stadt für rund hundert Jahre zu einem halb feudalen, halb kolonialen Abenteuerspielplatz. Der Vertrag von Nanjing sah sogenannte „Konzessionen“ vor, Stadtteile, die nicht der chinesischen Verwaltung unterstanden und damit unerreichbar für die chinesische Justiz waren. Den Briten folgten im Juli 1844 die Amerikaner (Vertrag von Wangxia), wenig später Franzosen und 1895 auch Japaner. Beide europäische Staaten errichteten die ersten ausländischen Konzessionen in Shanghai – die Briten entlang des Bund und im Gebiet nördlich der Altstadt, die Franzosen im Westen. Die britischen und amerikanischen Niederlassungen verschmolzen 1863 zur internationalen Siedlung, dem weltweit einzigen Landeplatz, der weder Visa noch Pass verlangte – idealer Nährboden für Glücksritter und Kriminelle.

Begünstigt durch seine geografische Lage entwickelte sich Shanghai von den fünf Häfen am schnellsten, und die Anzahl der ausländischen Handelsschiffe verzehnfachte sich zwischen 1844 und 1855. Bereits 1860 besaß die Stadt den größten Hafen Chinas. Zur besseren Abstimmung untereinander gründeten die ausländischen Konsule 1854 das Shanghai Municipal Council.

In China ging es zur gleichen Zeit bunt bis tumultartig zu. 1850 brach im südchinesischen Canton (heute Guangzhou) die Taiping-Rebellion aus, einer der blutigsten Bürgerkriege der Weltgeschichte mit geschätzten 20 Millionen Toten. Der ebenso charismatische wie religiöse Führer Hong Xiuquan (1814–1864) zettelte eine Bauernrevolution gegen die Qing-Dynastie an und sollte die Regierung für die kommenden 13 Jahre in Atem halten. Eine Splittergruppe der Rebellen, genannt „Kleine Schwerter“, eroberte 1853 Shanghai, ließ jedoch die ausländischen Besitzungen unangetastet. Als Vorsichtsmaßnahme installierten Großbritannien, die USA und Frankreich eine Freiwilligentruppe, die ihren ersten bewaffneten Einsatz im April 1854 in der „Schlacht auf der matschigen Ebene“ am heutigen Volksplatz hatte und die anrückenden Regierungstruppen zurückschlug. Trotz verschiedener Eingriffe in die Kriegshandlungen interessierten sich die Ausländer nicht für den Krieg und setzten eigene Truppen nur zur Verteidigung ihrer Handelsniederlassungen ein.

Mit der Eroberung Suzhous standen die Rebellen bald erneut vor den Toren Shanghais, und die Gefahr bestand, dass die Stadt in die Kämpfe hineingezogen wurde. Hinzu kam, dass zwischen Großbritannien und China der Zweite Opiumkrieg ausgebrochen war (1856–1860), bei dem Frankreich auf Seiten der Briten stand. Durch die andauernden Kampfhandlungen um Shanghai füllte sich die Stadt mit Tausenden von Flüchtlingen, die Versorgung wurde zunehmend schwieriger und die Kriminalität wuchs beängstigend. Im August 1860 griffen die Rebellen tatsächlich Shanghai an, stießen jedoch auf erheblichen Widerstand der Freiwilligentruppe, unterstützt von ausländischen Kanonenbooten.

Dies brachte die chinesischen Geschäftsleute der Stadt auf die Idee, den amerikanischen Abenteurer Frederick Townsend Ward zu engagieren, um mit einer Söldnertruppe die Besitztümer der lokalen Nomenklatur zu schützen. Die Qing-Führung ernannte Ward sogar zum General der chinesischen Armee. 1862 war Wards „immer siegreiche Armee“ zusammen mit den Resten der Freiwilligentruppe auf über 5.000 Soldaten angewachsen. Kaiser und westliche Mächte kämpften nun gemeinsam gegen die Rebellen, denn Europäer und Amerikaner bevorzugten ein korruptes und schwaches Qing-Regime vor einem vereinigten China, regiert von Taiping-Rebellen.

Als der Taiping-General Li Xiucheng 1862 erneut vor Shanghai erschien, wurde er von den Truppen Wards und den Kaiserlichen trotz riesiger Überzahl besiegt. Der Kriegsheld Ward starb schließlich nach einer Schusswunde in der Schlacht von Cixi (bei Ningbo) im September 1862.

Durch die Flüchtlingsströme seit der Mitte des 19. Jh. war Shanghai schnell gewachsen, und das Verbot für Chinesen, sich in den Kolonien anzusiedeln, brach unter der Last des Ansturms zusammen. So grotesk es klingt, aber während des Taiping-Aufstands erlebte Shanghai einen Immobilien- und Wirtschaftsboom. Und mit dem Ende des Aufstands im Jahr 1864 lebten mehr Chinesen in den ausländischen Konzessionen als in den angrenzenden chinesischen Stadtteilen.

Dem Boom folgte die Rezession. Mit dem Ende der Revolution kehrten viele Neuankömmlinge wieder in ihre Heimatstädte zurück und nahmen ihre Habe und ihr Vermögen mit. Dass sich Shanghai trotzdem schnell erholte, lag vor allem an einer aufstrebenden chinesischen Geschäftskultur. Zwei Arten von Geschäftsleuten trieben die Entwicklung voran. Zum einen Händler der angrenzenden Provinzen Jiangsu und Zhejiang, die als Flüchtlinge ihre Chancen in Shanghai witterten; zum anderen Kaufleute, meist aus dem südchinesischen Canton, die in leitenden Positionen bei Ausländern gearbeitet hatten und nun die Dinge selbst in die Hand nahmen. Die Kombination aus altem Geld, Händlergeist und moderner Geschäftsführung machte chinesische Kaufleute rasch zu einer erfolgreichen Wirtschaftsmacht.

Der zunehmende Handel führte zur Gründung zahlreicher Banken in Shanghai, beispielsweise 1889 die Deutsch-Asiatische Bank, 1895 die Russisch-Chinesische Bank und bereits 1865 die Hongkong and Shanghai Banking Cooperation (HSBC), die heute nach ihrem Börsenwert größte, aber vielleicht auch unbekannteste Bank Europas.

Nach den Wirren des Taiping-Aufstands erlebte die Stadt – abgesehen von kleineren Unruhen – mehrere Jahrzehnte steigenden Wohlstands und sozialer Stabilität. Auch der japanisch-chinesische Krieg von 1894/95 ging weitgehend an Shanghai vorbei, da es vor allem ein Konflikt um die koreanische Halbinsel war. Japan hatte jedoch schon länger argwöhnisch ein Auge auf die Profite der Ausländer in der Stadt am Yangtse-Delta geworfen und nutzte seinen Sieg, um sich als weitere Kolonialmacht in Shanghai einzuquartieren. Japan baute die ersten Fabriken in Shanghai, dem Beispiel schlossen sich die anderen ausländischen Mächte an, und der Zwangsgründung der internationalen Handelsstadt folgte die Geburt des industriellen Shanghai.

Der wachsende Handel in Shanghai führte u. a. zur Gründung der Deutsch-Asiatischen Bank

Die Niederlage Chinas im Krieg mit Japan zeigte deutlich die Schwächen der veralteten kaiserlichen Armee auf. China befand sich ebenso wie Japan auf dem Weg der „Selbststärkung“ und verstand sich als Schutzmacht seiner Nachbarstaaten. Die Niederlage gegen das deutlich kleinere Japan war daher noch schmerzlicher als der verlorene Opiumkrieg ein halbes Jahrhundert zuvor gegen Großbritannien.

Die Stimmen innerhalb Chinas nach einer Beschleunigung der Modernisierung wurden immer lauter, auch wenn dieser Prozess nicht einfach war. Dies zeigte sich besonders 1876 beim Bau der ersten Eisenbahnlinie Chinas von Shanghai ins 17 km nördlich gelegene Wusong. In den Augen der Bevölkerung war die Schmalspurbahn „Teufelszeug“, ein stinkendes und hässliches Monstrum, zu allem Überfluss von Ausländern gebaut. Die chinesische Regierung kaufte die Bahn den englischen Betreibern Jardine Matheson & Co. kurz nach der Eröffnung ab und ließ die Gleise aus der Erde reißen, da die Strecke die „Seelenlage der Nation“, Fengshui, und damit das Schicksal des Landes beeinträchtigte, wie es hieß. Der Frieden musste gewahrt werden, mit den Einheimischen und besonders gegenüber den Barbaren aus dem Westen.

Shanghais wilde Jugend – die erste Hälfte des 20. Jh.

Anfang des 20. Jh. hatte die antiwestliche Stimmung einen Höhepunkt erreicht und entlud sich schließlich im Boxeraufstand, der sich fast nur in Peking abspielte, dem Land aber eine weitere Niederlage beibrachte. Die gewaltsamen Proteste richteten sich gegen die ausländischen Botschaften und chinesische Christen. Acht westliche Nationen sandten daraufhin ein ca. 20.000 Mann starkes Expeditionskorps nach China, bestehend aus den Truppen des Deutschen Reichs, Frankreichs, Großbritanniens, Italiens, Japans, Österreich-Ungarns, Russlands und der USA. Kaiser Wilhelm II. verabschiedete Ende Juli 1900 die beteiligten deutschen Streitkräfte in seiner berüchtigten Hunnenrede mit den Worten: „Pardon wird nicht gegeben. Gefangene werden nicht gemacht.“

Als Folge der Niederlage hatte die Qing-Regierung immense Entschädigungszahlungen zu leisten. Die verlorenen Kriege mit Gebietsabtretungen, der Verlust der mühsam aufgebauten Kriegsflotte im japanisch-chinesischen Krieg von 1894/95 und das klägliche Scheitern der Modernisierung des Landes im Jahr 1898 durch Kaiser Guangxu (100-Tage-Reform) verschlechterten Chinas Position zunehmend. Nachdem 1908 auch noch die dominierende, aber allen Reformbewegungen kritisch gegenüberstehende Kaiserinwitwe Cixi starb, kam es 1911 zum Unvermeidlichen – der letzte Kaiser Pu Yi wurde gestürzt und riss das über 2000 Jahre alte Kaisertum mit sich. Am 1. Januar 1912 rief Sun Yat-sen die Republik China aus.

Doch auch die neue Republik war mit den Modernisierungsproblemen überfordert, die dem Land seit Mitte des 19. Jh. schwer zu schaffen machten. Nicht nur der uferlose Bevölkerungszuwachs von 60 Millionen (1644) auf 426 Millionen (1901) Einwohner, sondern auch die in den letzten Jahren der Qing-Dynastie sich beschleunigende Verselbstständigung der Provinzen, in denen sich Mitglieder des republikanischen Offizierscorps ihre privaten Fürstentümer inklusive eigener Armeen und sogar Währungen schufen, führten zu einem Mosaik von Einzelstaaten im Staate, in dem sich die selbstherrlich regierenden Warlords ständig in die Haare gerieten. Eine weitere Demütigung erfuhr das Land, als nach dem Ersten Weltkrieg in den Versailler Verträgen die deutsche Kolonie in der Kiautschou-Bucht an Japan fiel. 1919 kam es zur Bewegung des 4. Mai, eine Radikalisierung unter den Intellektuellen Chinas mit dem Ziel der Aufklärung und Modernisierung des Landes, in dessen Verlauf 1921 die Kommunisten immer mehr Zulauf erhielten.

Der Dajing-Tempel ist der Rest der einstigen Mauer um die Altstadt

Trotz dieser für das Land entscheidenden Umwälzungen blieb Shanghai von den Ereignissen weitgehend unberührt und widmete sich weiter den Geschäften. Während der Rest Chinas nach dem Sturz der Qing-Dynastie in Dunkelheit versank, arbeitete Shanghai weiter an seinem Status als internationale Wirtschaftsmetropole und Tor ins Landesinnere. 1918 lebten über eine Millionen Einwohner in der Stadt, darunter mehr als 10.000 Ausländer.

Als die internationalste Stadt Chinas zog Shanghai gleichsam Kapitalisten wie Intellektuelle an, und die Ausländer in der Stadt erfreuten sich an kontinuierlich wachsenden Vermögen. Literatur, Bildung und Kino blühten: 1905 wurde die angesehene Fudan-Universität gegründet, 1908 fuhr die erste Straßenbahn, und im selben Jahr eröffnete das erste Kino.

Doch unter der Oberfläche gärte es, denn der Wohlstand wuchs auf den Schultern von über 300.000 chinesischen Arbeitern – ausgebeutet in den zahllosen Baumwollspinnereien und Fabriken. Hunger, Armut, Sklaverei und der Ausschluss aus Shanghais Glitzerwelt machten den Ausgeschlossenen und Intellektuellen Appetit auf radikale Ideen. Marx’ Kommunistisches Manifest erschien 1920 erstmals in chinesischer Übersetzung, und ein Jahr später wurde die Kommunistische Partei Chinas (KPCh) in Shanghai gegründet.

Die politische Lage im chinesischen Gebiet Shanghais war zu dieser Zeit ebenso wie in anderen Landesteilen angespannt. Bandenkriege zwischen zwei politischen Parteien führten 1924/25 zur Ausrufung des Ausnahmezustands in Shanghai und zur erneuten Mobilisierung der ausländischen Freiwilligentruppe. Wieder flüchteten Tausende Chinesen in die Ausländersiedlungen, die als Schutz vor einem Übergreifen der Kämpfe verbarrikadiert wurden.

Im Mai 1925 entluden sich die bereits länger schwelenden Arbeiterproteste, als nach einer Auseinandersetzung in einer japanischen Fabrik ein chinesischer Angestellter starb. Studentengruppen, die regierenden Guomintang (GMT) und die gerade gegründete KPCh, zu dieser Zeit noch verbunden mit der GMT, antworteten mit einer der größten antiausländischen Demonstrationen, welche die Stadt bis dahin gesehen hatte. Am 30. Mai gingen Tausende auf die Straßen und forderten ein Ende der „imperialistischen Zustände“. Die Polizei nahm mehrere chinesische Anführer fest, was die Situation jedoch noch weiter verschärfte. Als sie schließlich das Feuer eröffnete und acht Chinesen tötete, riefen die Arbeiter am 31. Mai einen Generalstreik aus, der über drei Wochen dauern sollte und auch auf andere Städte wie Canton übersprang. Der Streik richtete sich vor allem gegen japanische, später auch gegen britische Einrichtungen, wobei es zu mehreren Zusammenstößen zwischen Polizei und Arbeitern kam, bei denen weitere 24 Chinesen starben und Dutzende verwundet wurden. Das Shanghai Municipal Council musste erneut den Notstand ausrufen und die Freiwilligentruppe anrücken lassen. Später sollte die Protestbewegung des 30. Mai 1925 als der Anfang vom Ende der westlichen Vormachtstellung in Shanghai und das endgültige Aus des kaiserlichen China in die Geschichte eingehen.

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Shanghais heimliche Herrscher – Die Grüne Bande

Er sah brav aus, fast wie ein Mönch, hatte die portugiesische Staatsbürgerschaft, sodass ihm kein chinesisches Gesetz etwas anhaben konnte, und pflegte beste Kontakte zu den Machthabern seines Operationsgebiets – der Französischen Konzession. Du Yuesheng (杜月笙 1887–1951), genannt „Großohr Du“, war der Al Capone Shanghais, ohne dessen Wort nichts lief in den Französischen Konzession. Eine seiner Lieblingssätze war: „Du hast mein Wort.“ Und wer es nicht hatte, erhielt entweder ein Gegenangebot, das er nicht ablehnen konnte, oder landete erschossen im Straßengraben.

Du Yuesheng war Chef der Grünen Bande und die schillerndste Figur unter Shanghais Untergrundbossen. Der Zusammenschluss mit der Roten Bande 1926 brachte seiner Truppe die fast uneingeschränkte Macht über ein mafiaähnliches Wirtschaftsimperium aus Prostitution, Opiumhandel, Spielhöllen und Schutzgelderpressungen. Dus Spezialität: Entführungen der Reichen Shanghais (die nicht wussten, von Du entführt worden zu sein), mit denen er dann über die Freilassung verhandelte, um vom Lösegeld 50 % als „Kommission“ einzustreichen.

Entstanden war die Grüne Bande im Umfeld der Binnenschiffer, von denen Zehntausende Mitte des 19. Jh. ihre Existenz verloren, nachdem der Gelbe Fluss 1855 seine Laufrichtung geändert hatte und die Taiping-Rebellen den Weizentransport nach Peking auf dem Kaiserkanal blockierten. Um zu überleben, investierten die Schiffer ihre Fähigkeiten in Schmuggel und andere Gaunereien, bis sich durch die prosperierenden ausländischen Siedlungen und den Opiumhandel Gewinnmöglichkeiten in ganz anderer Größenordnung boten.

Skrupellos und mit dem richtigen Riecher für die richtigen Freunde zur richtigen Zeit schwangen sich Du Yuesheng und sein Komplize „Pockengesicht“ Huang Jinrong (1868–1953) zu den Paten der Unterwelt Shanghais auf, wo in den 1930er-Jahren die schärfsten Gesetze ironischerweise nicht diejenigen der Ausländer waren, sondern die der Grünen Bande – Blutschwüre, ein strenger Ehrenkodex und Geheimabsprachen fundamentierten die engen Beziehungen untereinander.

Diesem äußerst effizienten Netzwerk hatten die Franzosen nichts entgegenzusetzen. Man ernannte Huang Jinrong sogar zum Polizeichef der Französischen Konzession, um zumindest die schlimmsten Auswüchse kontrollieren zu können, ohne jedoch der illegalen Geschäftspraktiken wirklich Herr werden zu wollen oder zu können. Selbst das mächtige Shanghai Municipal Council ließ das Duo gewähren. In diesem Komitee saßen die Reichsten der Reichen, die sich von den weniger Reichen wählen ließen. Doch die Kriminalität im Sumpf von Prostitution und Drogen interessierte die Herren nicht, sie hatten nur eins im Sinn: ihren Machterhalt und reibungslose Geschäfte.

Du residierte in einem prächtigen Anwesen mitten in der Französischen Konzession in der Route Doumer, im heutigen Donghu Hotel in der Donghu Rd., und kontrollierte von hier aus nicht nur sein Syndikat, sondern pflegte auch seine politischen Verbindungen. Als die Kommunisten zunehmend an Macht gewannen, solidarisierte er sich mit Chiang Kai-shek, trat 1925 in die GMT ein und unterstützte diese bei ihrem Kampf gegen die Kommunisten. Als die GMT 1927 nach der Eroberung Shanghais die Straßen nach Kommunisten durchsuchten, waren unter den Soldaten auch viele von Dus Leuten. Mehrere Tausend Kommunisten fielen den „Säuberungsaktionen“ zum Opfer. Als Belohnung für seine Dienste ernannte Chiang Kai-shek Du zum Mitglied im Opiumkontrollgremium Shanghais, einer Art staatlicher Aufsichtsbehörde – eine Entscheidung, die ironischer nicht sein konnte, denn dadurch lagen Kontrolle und Handel der Droge in einer Hand. Innerhalb eines Jahres machten Du und seine Komplizen riesige Gewinne. Es dauerte nicht lange, bis die Grüne Bande die französische Gendarmerie unterwandert hatte und die Stadt mit eigenen Leuten und Geldern beherrschte. Louis Fabre, Chef der französischen Polizei, beschrieb im November 1934 den Zustand der Polizei folgendermaßen: „Die totale Kontrolle über die Französische Konzession liegt in den Händen einer Gruppe von Chinesen.“ Du besaß sogar die Chuzpe, direkt neben der von ihm kontrollierten französischen Polizeistation, der 1932 erbauten Poste Mallet, zwei Jahre später seine eigene Bank zu errichten, die New Chung Wei Bank, wo er seine Gewinne unterbrachte. Natürlich bediente sich Du auch desselben Architekten, des Franzosen Paul Veysseyre, und beide Gebäude stehen so eng beieinander, als gehörten sie zusammen. Bank und Polizeistation existieren noch heute (s. S. 117).

Die ehemalige französische Polizeistation, in den 1930er-Jahren kontrolliert von Du Yuesheng

In späteren Jahren legte sich Du ein philantropisches Gewand zu und befreite sich nicht nur von seiner eigenen Heroinsucht, sondern konvertierte sogar zum Christentum. Er saß im Vorstand der Bank of China, im Parlament des Französischen Stadtrats und war sogar Direktor des Roten Kreuzes in Shanghai. Mit dem Einmarsch der Japaner 1937 begann sein Stern zu sinken. Später floh er nach Qongqing. Zwar kehrte er mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs zurück nach Shanghai, sah sich jedoch jetzt der Antikorruptionskampagne von Chiang Kai-sheks Sohn Chiang Ching-kou ausgesetzt. Nachdem mehrere von Dus Verwandten im Gefängnis gelandet waren, endete die bis dahin so erfolgreiche Zweckehe mit der GMT abrupt. Nach Maos Machtübernahme trennten sich die Wege endgültig: Chiang Kai-sheks Nationalisten flohen 1949 nach Taiwan, und Du ging nach Hongkong, wo der letzte der großen Banditen des alten Shanghai 1951 als Vater von zehn Kindern mit Geldproblemen starb.

Als Folge der Auseinandersetzungen und Toten wurden die Stimmen nach einer Beendigung der exterritorialen Stellung der Ausländersiedlungen immer lauter. Deren Konsule konnten nur durch die Berufung von zunächst drei und ab 1930 fünf chinesischen Repräsentanten in das Shanghai Municipal Council Schlimmeres verhindern. Das wichtigste Ergebnis war allerdings der rasante Mitgliederzuwachs in der KPCh von unter 1.000 Parteigängern vor den Protesten auf über 10.000 danach. Die KPCh war damit zu einer ernstzunehmenden politischen Macht herangewachsen und wurde zum Drahtzieher zahlreicher weiterer Streiks und Unruhen.

1926 startete Chiang Kai-shek, nach dessen Tod der Nachfolger von Sun Yat-sen an der Spitze der GMT, eine Militäroffensive nach Norden, um China unter einem Bündnis mit den Kommunisten von den regionalen Warlords zu befreien und zu vereinen. Durch die Erfahrungen während des Boxeraufstands galt in den ausländischen Siedlungen höchste Alarmstufe. Anfang 1927 zogen Soldaten sieben ausländischer Mächte zur Unterstützung der Freiwilligentruppe in die Stadt ein. Die Französische Konzession und die internationale Siedlung wurden mit Stacheldraht befestigt und in ein Militärcamp verwandelt. Während gleichzeitig eine Serie von Streiks und eine Ausgangssperre die Stadt lahmlegten, begann die GMT ihren Vormarsch auf Shanghai.

Offiziell unterstützt von der GMT und der lokalen Unterwelt, versuchten die Kommunisten zur selben Zeit, die ausländische Herrschaft in Shanghai zu beenden. Doch Chiang Kai-shek hatte anderes vor und traf geheime Absprachen mit den Führern der Grünen Bande (s. S. 28) und Shanghaier Unternehmern gegen die Kommunisten sowie die gerade gegründeten Gewerkschaften.

Die Nationalisten unter Chiang Kai-shek hatten bereits seit der Revolution 1911 mit den Bandenführern kooperiert, und als die Regierungstruppen im April 1927 den chinesischen Teil Shanghais eroberten, kam es zum Massaker: Chiang Kai-sheks Truppen durchkämmten mit Mitgliedern der Grünen Bande die Straßen des chinesischen Teils Shanghais und töteten 5.000 Kommunisten und deren Sympathisanten. Zhou Enlai, Anführer der Kommunisten und nach deren Machtübernahme Chinas Premierminister, konnte gerade noch aus der Stadt fliehen. Im Juli 1927 kündigte die GMT das bestehende Bündnis mit den Kommunisten auch formell auf, und zwischen beiden Gruppierungen kam es zum Bürgerkrieg um die Macht in China.

In der Stätte des 2. Nationalkongresses der KPCh

Mit dem Einzug der GMT hatten die Kommunisten eines ihrer wichtigsten Aktionszentren verloren, und durch die ausländischen Siedlungen Shanghais ging ein Aufatmen. In den 1930er-Jahren erreichte die Stadt ihr goldenes Zeitalter – um danach rapide zusammenzufallen. In einer sicheren Nische der Welt hatte die Stadt ihre eigenen Gesetze geschaffen und dem Manchester-Kapitalismus zu einer neuen Blüte verholfen, der in Europa durch Sozialgesetze und starke Gewerkschaften schon nicht mehr existierte. Für chinesische Traditionalisten und ausländische Missionare war die Stadt die Hölle, für Abenteurer und Modernisten hingegen ein Paradies von intellektueller und sinnlicher Stimulation.

Ein starker Zustrom von Russen und Juden ließ die Einwohnerzahl in die Höhe schnellen, die einen auf der Flucht vor den Bolschewisten, die anderen vor Nazi-Deutschland. 1934 war Shanghai nach London, New York, Tokio, Paris und Berlin die sechstgrößte Stadt der Welt mit über 3,4 Millionen Einwohnern und dem höchsten Gebäude Asiens, dem Park Hotel (noch heute an der Nanjing West Road, s. S. 91). Die besten Musikgruppen spielten in Shanghai, es gab fünf ausländische Golfclubs, chinesische Zeitschriften druckten Werbung für Kodak und Coca-Cola, und in der Stadt fuhren mehr Autos als im gesamten restlichen China.

Doch anderswo rumorte es. Die seit dem ersten japanisch-chinesischen Krieg 1894/95 anhaltenden Spannungen eskalierten 1931 mit der Invasion Japans in der nordchinesischen Mandschurei und der Installierung einer Marionettenregierung unter dem letzten chinesischen Kaiser Pu Yi. Shanghais Chinesen reagierten mit antijapanischen Protesten und einem Boykott japanischer Waren. Die Stimmung heizte sich auf, und als im Januar 1932 fünf japanische Mönche von chinesischen Zivilisten angegriffen und japanische Einrichtungen zerstört wurden, entsandten Japans Marine und Luftwaffe 100.000 Mann Richtung Shanghai und begannen mit der Invasion der Stadt, offiziell, um die über 18.000 in der internationalen Siedlung lebenden Japaner zu schützen.

Obwohl Chiang Kai-shek mit der 5.Armee seine Elitetruppen nach Shanghai schickte, mussten sich die chinesischen Truppen Anfang März aus Shanghai zurückziehen, womit der chinesische Teil der Stadt in japanische Hände fiel. Dgas Zentrum der Kämpfe, der Stadtteil Zhabei im Norden der Stadt, lag in Schutt und Asche und die internationalen Siedlungen wurden erneut von Flüchtlingen überschwemmt.

Am 7. Juli 1937 brach der Krieg zwischen Japan und China endgültig aus und die lang erwartete Invasion der Stadt begann. Trotz einer Truppenstärke von 1,7 Millionen Soldaten – ein Vielfaches der japanischen Kräfte – trat die chinesische Armee auch diesen Kampf mit zahlreichen Schwächen an, denn die militärische Stärke war deutlich geringer als die Kopfzahl vermuten ließ. Die meisten chinesischen Truppen waren schlecht ausgebildet und rekrutierten sich größtenteils aus einfachen Landbewohnern, die wenig von moderner Kriegsführung verstanden. Zudem kämpfte China im Luftkrieg mit allen im Land verfügbaren Flugzeugen und hatte keine eigene Luftfahrtindustrie, während Japan seine eigenen Kampfflugzeuge produzierte und damit seine Verluste schnell ersetzen konnte. Kurz: In der Schlacht von Shanghai kämpfte eine Bauernarmee gegen modern ausgerüstete Kampftruppen, die schließlich die Stadt besetzten. Die Verluste beider Seiten spiegelten die logistischen und technologischen Differenzen beider Armeen wider: Japan verlor 40.000 Soldaten, während auf chinesischer Seite 250.000 Mann fielen.

Die „blutigste Schlacht seit Verdun“ war zwar eine militärische Niederlage für China, aber ein Sieg für den chinesischen Nationalismus, besonders, als die Japaner schreckliche Rache für den unverhofften Widerstand in Shanghai nahmen und nach der Einnahme Nanjings mindestens 200.000 Zivilisten und Kriegsgefangene ermordeten. Seit der Schlacht von Shanghai war klar, dass China nicht mehr passiv auf die Aggressionen des Inselstaats reagieren würde, auch wenn es noch bis 1945 dauern sollte, bis Japan nicht nur den Zweiten Weltkrieg, sondern auch seine chinesischen Besitzungen verloren hatte.

Die Ausländer reagierten auf den Terror, bei dem auch Bomben auf ihre Siedlungen am Bund und in der Nanjing Road fielen, nicht mit Kampf, sondern mit Flucht. In Europa hatte der Zweite Weltkrieg begonnen, Japan stand auf der Seite der Achsenmächte und der Glanz vergangener Tage verschwand aus Shanghai. Die bittere Realität, in einem goldenen Käfig zu leben, machte in den Bars die Runde: „Iss, trink und feiere, denn morgen sind wir tot.“

Das vorläufige Aus für die ausländischen Besitzungen kam im Dezember 1941 kurz nach dem Überfall auf Pearl Harbour. Japan besetzte ganz Shanghai ohne Gegenwehr und beschlagnahmte die Güter der Ausländer. Nazi-Deutschland verlangte für die nach Shanghai geflohenen Juden ein ähnliches Vorgehen wie in den europäischen Konzentrationslagern, doch Japan steckte sie lediglich in ein Ghetto. 1943 überschrieben die westlichen Mächte ihre Shanghaier Besitztümer an Chiang Kai-shek. Mit Japans Kapitulation im Jahr 1945 und dem Einmarsch der Guomintang in Shanghai endeten schließlich über hundert Jahre halbkolonialer, halbfeudaler ausländischer Herrschaft, womit für die kommenden 50 Jahre auch die „Sprossen der Bourgeoisie“ verwelken sollten, die in Shanghai so erfolgreich emporgeschossen waren. Den chinesischen Kapitalisten blieb nichts anderes übrig, als ihr wirtschaftliches Geschick anderswo auszuspielen, woraus Hongkong, Singapur und andere Zentren der Auslandschinesen Nutzen zogen.